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Die Probleme der monetären Integration mittel- und osteuropäischer Länder am Beispiel der Tschechischen Republik

©2002 Diplomarbeit 160 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Ab 2004 wird die Europäische Union ehemals planwirtschaftlich geführte Länder Mittel- und Osteuropas als neue Mitgliedstaaten aufnehmen. Einige Jahre später werden diese Länder, soweit sie die Maastrichter Konvergenzkriterien als Voraussetzung für einen Beitritt zur Europäischen Währungsunion erfüllen, ihre nationalen Währungen durch den Euro ersetzen. Es ist jedoch keineswegs sicher, dass diese Voraussetzungen genügen, um ein Gelingen der erweiterten Währungsunion zu gewährleisten.
Die Maastrichter Konvergenzkriterien stellen nämlich ausschließlich auf nominelle Konvergenz ab und lassen die reale Konvergenz unberücksichtigt. Das bedeutet, dass es keineswegs sichergestellt ist, dass die neuen Mitgliedstaaten durch einer Teilnahme am Eurosystem dahingehend profitieren, dass sie realwirtschaftlich aufholen und sich beispielsweise ihr Pro-Kopf-BIP dem der Europäischen Union, wie sie heute besteht, annähert. Je ungleicher jedoch die realwirtschaftlichen Bedingungen in den Ländern einer Währungsunion sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass die gemeinsame Geldpolitik nicht zu den Gegebenheiten einzelner Teilnehmerländer passt und es deshalb zu Schwierigkeiten in diesen Ländern kommt, die sich im schlimmsten Fall auswirken könnten auf die gesamte Währungsunion.
Die Frage ist also, ob die Voraussetzungen für die Teilnahme am Eurosystem für die mittel- und osteuropäischen Länder ausreichen, um die großen Hoffnungen, die an eine Euro-Einführung geknüpft werden, auch zu erfüllen, oder ob die Kriterien nicht vielmehr eine Einengung des Handlungsspielraumes für diese Länder bedeuten, die dazu führen wird, dass sich die Probleme der Beitrittsländer noch verschärfen. Insbesondere stellen das Inflationskriterium und das Wechselkurskriterium die mittel- und osteuropäischen Beitrittskandidaten vor enorme Herausforderungen: Auch wenn es den meisten mittel- und osteuropäischen Ländern gelungen ist, ihre zu Beginn der Transformation hohen Inflationsraten in starkem Maße zu senken, kann das Inflationskriterium für die Beitrittsländer eine große Hürde bedeuten.
Das Wechselkurskriterium verlangt von den Beitrittsländern eine mindestens zweijährige Teilnahme am Europäischen Wechselkursmechanismus, dem WKM II. Diese Bindung der nationalen Währungen an den Euro wird den Handlungsspielraum der Geldpolitik einengen. Falls es dazu kommt, dass die neuen Teilnehmer am Eurosystem mit einem wirtschaftlich nicht gerechtfertigtem Wechselkurs in die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6357
Armbruster, Melanie: Die Probleme der monetären Integration mittel- und
osteuropäischer Länder am Beispiel der Tschechischen Republik
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Karlsruhe, Technische Universität, Diplomarbeit, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

I
I N H A L T S V E R Z E I C H N I S
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS...I
ABBILDUNGSVERZEICHNIS...II
TABELLENVERZEICHNIS...IV
1
Einleitung ...I
1.1
Problemstellung ...1
1.2
Abgrenzung des Themas ...4
1.3
Aufbau der Arbeit ...5
2
Die Osterweiterung der Europäischen Union und der Europäischen
Währungsunion ...6
2.1
Politische Historie der EU-Osterweiterung ...6
2.2
Die Erweiterung der Europäischen Union ...8
2.2.1
Der Beitrittsprozess...8
2.2.2
Die Kopenhagener Kriterien...10
2.3
Die Erweiterung der Europäischen Währungsunion...11
2.3.1
Kein ,,Opt-out" für neue Mitgliedstaaten der Europäischen Union ...11
2.3.2
Vier Stufen bis zur Einführung des Euro ...12
2.3.3
Acquis Communautaire und Europäische Währungsunion...14
2.3.4
Die Maastrichter Konvergenzkriterien ...17
2.4
Reale versus nominale Konvergenz...18
2.5
Zusammenfassung...22
3
Problemfelder der monetären Integration mittel- und osteuropäischer Länder
in die Europäische Währungsunion...24
3.1
Überblick ...24
3.2
Die Theorie der optimalen Währungsräume und die Europäische
Währungsunion...25
3.2.1
Überblick über die Theorie der optimalen Währungsräume...25

II
3.2.2
Die Europäische Währungsunion ­ ein optimaler Währungsraum ?...27
3.3
Problemfeld Preisstabilität...30
3.3.1
Überblick...30
3.3.2
Der Balassa-Samuelson-Effekt ...31
3.3.3
Inflationsgefahren in Mittel- und Osteuropa und Geldpolitik der
Europäischen Zentralbank ...33
3.4
Problemfeld Wechselkurse ...35
3.4.1
Überblick...35
3.4.2
Zielsetzung des WKM II ...36
3.4.3
Vor- und Nachteile des WKM II für die Länder Mittel- und
Osteuropas...36
3.4.4
Wechselkurse und Preisstabilität ...40
3.5
Problemfeld Fiskalpolitik ...41
3.5.1
Überblick...41
3.5.2
Die staatliche Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen...42
3.5.3
Notwendige Strukturreformen im Gesundheits- und Rentensystem ...45
3.5.4
Der Schuldenstand in den mittel- und osteuropäischen
Beitrittsländern ...46
3.5.5
Das Problem politischer Instabilitäten ...47
3.6
Problemfeld Banken- und Finanzsektor ...48
3.6.1
Die Zentralbank...48
3.6.2
Der private Bankensektor ...49
3.7
Problemfeld Leistungsbilanz ...52
3.8
Zusammenfassung...55
4
Relevanz der Problemfelder der monetären Integration für die Tschechische
Republik ...57
4.1
Überblick ...57
4.2
Die politische Entwicklung der Tschechischen Republik...59
4.3
Die ökonomische Entwicklung der Tschechischen Republik...60
4.3.1
Die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts ...60
4.3.2
Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit ...62
4.3.3
Die Entwicklung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit...64

III
4.3.4
Die Entwicklung des Banken- und Finanzsektors in der
Tschechischen Republik ...72
4.3.5
Die Entwicklung der öffentlichen Finanzen in der Tschechischen
Republik ...79
4.4
Die Geldpolitik der Tschechischen Nationalbank ...83
4.4.1
Das Wechselkursziel bis 1996 ...83
4.4.2
Die Währungskrise 1997...84
4.4.3
Die geldpolitische Strategie der direkten Inflationssteuerung in der
Tschechischen Republik ...86
4.4.4
Bewertung des Erfolgs der Geldpolitik der CNB ...89
4.4.5
Der Balassa-Samuelson-Effekt in der Tschechischen Republik ...94
4.5
Tschechien und die Eurozone ­ ein optimaler Währungsraum ?...97
4.6
Zusammenfassung...100
5
Lösungsansätze für die Problemfelder der monetären Integration mittel-
und osteuropäischer Länder...102
5.1
Überblick ...102
5.2
Lösungsansätze für das Problemfeld Preisstabilität...102
5.3
Welches Wechselkurssystem ist geeignet für die mittel- und
osteuropäischen Beitrittsländer ?...104
5.3.1
Die Wechselkurssysteme der mittel- und osteuropäischen
Beitrittsländer ...104
5.3.2
Vor- und Nachteile von Systemen mit festen Wechselkursen für
die EU-Beitrittsländer Mittel- und Osteuropas ...105
5.3.3
Vor- und Nachteile von Systemen mit flexiblen Wechselkursen für
die EU-Beitrittsländer Mittel- und Osteuropas ...110
5.3.4
Gibt es einen ,,dritten Weg" für die EU-Beitrittsländer Mittel- und
Osteuropas ?...113
5.3.5
Ist die Euroisierung eine geeignete Methode für die
EU-Beitrittsländer Mittel- und Osteuropas auf dem Weg zur Euro-
Einführung ?...114
5.3.6
Empfehlung der Europäischen Zentralbank...116
5.3.7
Zusammenfassung und Fazit...117

IV
5.4
Lösungsansätze für mögliche Problemfelder des Stabilitäts- und
Wachstumspakts...118
5.5
Zusammenfassung...120
6
Schlusswort...122
7
Zusammenfassung...127
GLOSSAR :
1. Der Acquis Communautaire...V
2. Automatische Stabilisatoren...VI
3. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt...VII
4. Historie und technische Ausgestaltung des WKM II...IX
5. Überblick über verschiedene Wechselkurssysteme...X
LITERATURVERZEICHNIS...XII
Eidesstattliche Erklärung...XXIV

I
A B K Ü R Z U N G S V E R Z E I C H N I S
BIP
Bruttoinlandsprodukt
CNB
Czech National Bank (Tschechische Nationalbank)
CPI
Consumer Price Incex (Konsumentenpreisindex)
CSO
Czech Statistical Office (Tschechisches Amt für Statistik)
ESZB
Europäisches System der Zentralbanken
EWS
Europäische Währungssystem
EWU
Europäische Währungsunion
EZB
Europäische
Zentralbank
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
FOMC
Federal Open Market Committee
IWF/IMF Internationaler
Währungsfonds / International Monetary Fund
IRS
Interest Rate Swap
ISPA
Instrument for Structural Policies for Pre-Accession
(Instrument für Strukturpolitik zur Vorbereitung auf den Beitritt)
KKP
Kaufkratfparitäten
LZB
Landeszentralbank
MOEL
Mittel- und osteuropäische Länder
OECD
Organisation for Economic Co-operation and Development
(Organisation
für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung)
ÖNB
Österreichische Nationalbank
PHARE
Programm zur Verstärkung der Erweiterungsvorbereitungen
PRIBOR
Prague Interbank Offered Rate
SAPARD
Special Accession Programme for Agriculture and Rural Development
(Beitritts-Sonderprogramm für Landwirtschaft und ländliche
Entwicklung)
WKM II
Wechselkursmechsnismus II

II
A B B I L D U N G S V E R Z E I C H N I S
·
Überblick über das Beitrittsverfahren... 9
·
Qualifikationsphasen für den EWU-Beitritt von MOE-Staaten... 14
·
Relative Veränderung des BIP der EU-15 und der Beitrittsländer... 19
·
Zinssatz in Griechenland für langfristige Darlehen an Unternehmen... 38
·
Entwicklung des realen BIP der Tschechischen Republik von 1990 bis
2001...60
·
Entwicklung der Arbeitslosigkeit in der Tschechischen Republik von
1993
bis 2002... 62
·
Handelsbilanz der Tschechischen Republik von 1993 bis 2001... 65
·
Entwicklung des Wechselkurses der Tschechischen Krone gegenüber dem
US-Dollar und dem Euro von Januar 2001 bis Mitte 2002...66
·
Entwicklung des realen Wechselkurses der Tschechischen Krone von
1998 bis Mitte 2002... 66
·
Dienstleistungsbilanz der Tschechischen Republik von 1993 bis 2001... 66
·
Übertragungsbilanz der Tschechischen Republik von 1993 bis 2001... 67
·
Entwicklung der ausländischen Direktinvestitionen und des Leistungs-
bilanzdefizits in der Tschechischen Republik von 1993 bis 2001... 68
·
Kurz- und langfristige Auslandsverschuldung in der Tschechischen
Republik
von
1993 bis 2002... 69
·
Auslandsverschuldung in Prozent des BIP in der Tschechischen Republik
von 1994 bis 2001... 70
·
Devisenreserven in der Tschechischen Republik von 1993 bis 2002... 71
·
Zinssatz für langfristige Bankkredite in der Tschechischen Republik
von 1993 bis 2002... 76
·
Kreditvolumen in der Tschechischen Republik von 1993 bis 2002... 76
·
Budgetsaldo in Prozent des BIP in der Tschechischen Republik von 1994 bis
2001...79
·
Entwicklung des nominalen und realen Wechselkurses der Tschechischen
Krone von 1993 bis 2000...85
·
Zinsentwicklung in der Tschechischen Republik von 6/2001 bis 6/2002... 89

III
A B B I L D U N G S V E R Z E I C H N I S
·
Zinsunterschiede in der Tschechischen Republik zu den Zinsen in der
Eurozone und in den USA von 6/2001 bis 6/2002... 89
·
Zielsetzungen der CNB bezüglich ,,Headline Inflation" und Nettoinflation... 90
·
Tatsächliche Entwicklung von ,,Headline Inflation" und Nettoinflation in
der Tschechischen Republik von 1996 bis 2001... 92
·
Inflationsraten in der Tschechischen Republik und der Eurozone... 93
·
Preissteigerungen im Sektor der handelbaren und der nichthandelbaren
Güter in der Tschechischen Republik sei Dezember 1999... 96
·
Wechselkurs Euro/US-Dollar seit Einführung des Euro 1999... 125
·
Wechselkurs ECU/Euro in US-Dollar im Euro-Währungsgebiet seit 1978...125

IV
T A B E L L E N V E R Z E I C H N I S
· Kennzahlen der Erweiterungsrunden der Europäischen Union... 7
· Vergleich realwirtschaftlicher Daten (2001) der EU-15-Länder und einiger
mittel- und osteuropäischer Länder...20
· EWU-Konvergenz der mittel- und osteuropäischen Länder... 57
· Vergleich der monetären Konvergenzdaten der mittel- und osteuropäischen
Länder und der ClubMed-Länder... 58
· Netto-Inflationsziele der CNB seit 1998... 90
· Ziele der CNB bezüglich der ,,Headline Inflation" von 2002 bis 2005... 90
· Tatsächliche Entwicklung verschiedener Preisindizes in der
Tschechischen
Republik von 1991 bis 2001... 91
· Entwicklung der Reallöhne in der Tschechischen Republik seit 2000... 96
· Wechselkurssysteme der mittel- und osteuropäischen Länder...104

1
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Ab 2004 wird die Europäische Union ehemals planwirtschaftlich geführte Länder
Mittel- und Osteuropas als neue Mitgliedstaaten aufnehmen. Einige Jahre später
werden diese Länder, soweit sie die Maastrichter Konvergenzkriterien als Voraus-
setzung für einen Beitritt zur Europäischen Währungsunion erfüllen, ihre nationalen
Währungen durch den Euro ersetzen. Es ist jedoch keineswegs sicher, dass diese
Voraussetzungen genügen, um ein Gelingen der erweiterten Währungsunion zu
gewährleisten.
Die Maastrichter Konvergenzkriterien stellen nämlich ausschließlich auf nominelle
Konvergenz ab und lassen die reale Konvergenz unberücksichtigt. Das bedeutet,
dass es keineswegs sichergestellt ist, dass die neuen Mitgliedstaaten durch einer
Teilnahme am Eurosystem dahingehend profitieren, dass sie realwirtschaftlich
aufholen und sich beispielsweise ihr Pro-Kopf-BIP dem der Europäischen Union, wie
sie heute besteht, annähert. Je ungleicher jedoch die realwirtschaftlichen Bedingung-
en in den Ländern einer Währungsunion sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass die
gemeinsame Geldpolitik nicht zu den Gegebenheiten einzelner Teilnehmerländer
passt und es deshalb zu Schwierigkeiten in diesen Ländern kommt, die sich im
schlimmsten Fall auswirken könnten auf die gesamte Währungsunion.
Die Frage ist also, ob die Voraussetzungen für die Teilnahme am Eurosystem für die
mittel- und osteuropäischen Länder ausreichen, um die großen Hoffnungen, die an
eine Euro-Einführung geknüpft werden, auch zu erfüllen, oder ob die Kriterien nicht
vielmehr eine Einengung des Handlungsspielraumes für diese Länder bedeuten, die
dazu führen wird, dass sich die Probleme der Beitrittsländer noch verschärfen.
Insbesondere stellen das Inflationskriterium und das Wechselkurskriterium die mittel-
und osteuropäischen Beitrittskandidaten vor enorme Herausforderungen: Auch wenn
es den meisten mittel- und osteuropäischen Ländern gelungen ist, ihre zu Beginn der
Transformation hohen Inflationsraten in starkem Maße zu senken, kann das
Inflationskriterium für die Beitrittsländer eine große Hürde bedeuten.

2
Das Wechselkurskriterium verlangt von den Beitrittsländern eine mindestens
zweijährige Teilnahme am Europäischen Wechselkursmechanismus, dem WKM II.
Diese Bindung der nationalen Währungen an den Euro wird den Handlungsspielraum
der Geldpolitik einengen. Falls es dazu kommt, dass die neuen Teilnehmer am
Eurosystem mit einem wirtschaftlich nicht gerechtfertigtem Wechselkurs in die
Währungsunion einsteigen, sind Probleme vorprogrammiert.
Denn dass es verhängnisvoll sein kann, mit einem falschen Wechselkurs, der nicht
dem Produktionsgefälle Rechnung trägt, in eine Währungsunion einzusteigen, zeigt
das Beispiel der deutsch-deutschen Währungsunion 1990, die als historischer
Präzedenzfall einer Währungsunion mit derart großen Unterschieden im Wohlstand
bzw. der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit angesehen werden kann (Marsh, 1995,
S. 253-293). Das Bruttosozialprodukt pro Kopf betrug in den neuen Bundesländern
1991 nur dreißig Prozent des Niveaus der westdeutschen Bundesländer.
Zu Beginn der Neunzigerjahre lag der Umtauschkurs von Ost-Mark zu D-Mark bei
geschäftlichen Transaktionen bei 4,5 zu 1. Auf dem freien Devisenmarkt (der nach
den Gesetzen der DDR illegal war) lag der Kurs bei sieben zu eins. Die Währungs-
union wurde zum Teil auf der Basis von einem Umtauschkurs von eins zu eins (für
kleinere Sparguthaben), im Durchschnitt zu einem Umtauschkurs von 1,8 zu eins
durchgeführt. Dieser Umtauschkurs bedeutete eine substantielle Aufwertung der Ost-
Mark und damit eine starke Erhöhung der Kosten der ostdeutschen Unternehmen.
Verbunden mit erheblich gestiegenen Löhnen verloren die Unternehmen ihre
Wettbewerbsfähigkeit. Die Industrieproduktion in Ostdeutschland sank in den ersten
zwölf Monaten nach Einführung der D-Mark um fünfzig Prozent, das Bruttosozial-
produkt in Ostdeutschland sank um dreißig Prozent. Die Sanierung der ostdeutschen
Wirtschaft kann bis heute nur durch große und permanente Haushaltsdefizite
finanziert werden. Die Währungsunion führte zu einer Vergrößerung der gesamt-
deutschen Geldmenge um fünfzehn Prozent, wobei Ostdeutschland 1991 nur einen
Anteil von 6,8 % am gesamten Bruttosozialprodukt des vereinigten Deutschlands
hatte. Dies erhöhte die Inflationsgefahr.
Zudem hat der Fall der deutsch-deutschen Währungsunion gezeigt, welche großen
Probleme eine von der Leistungsfähigkeit losgelöste Lohnpolitik verursachen kann
(Schröder, 2001, S. 50). Entfällt mit dem Eintritt in eine Währungsunion das Instru-
ment des nominalen Wechselkurses, um den realen Wechselkurs mit den ökonomi-
schen Gegebenheiten in Einklang zu bringen, so müssen nämlich zwangsweise

3
Löhne und Preise die Anpassungslast tragen. Jede Preis- oder Lohnsteigerung, die
nicht durch Produktivitätssteigerungen gerechtfertigt ist, schmälert die Wettbewerbs-
fähigkeit. Und Verluste der Wettbewerbsfähigkeit können um so weniger ausgegli-
chen werden, je rigider die Schranken nach unten bei den Löhnen und Preisen sind
(van der Haegen, 2002, S. 176).
Im Fall der neuen deutschen Bundesländer waren die Auswirkungen enorm. Vor dem
Fall der Mauer hatte es in der DDR fast zehn Millionen Arbeitskräfte gegeben. 1992
waren es noch sechs Millionen, von denen 1,4 Millionen arbeitslos waren und eine
Million kurz arbeiteten oder in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen beschäftigt wurden
(Marsh, 1995, S. 292). Das Problem der sehr hohen Arbeitslosigkeit in Ostdeutsch-
land ist bis heute nicht gelöst.
Dieses Beispiel zeigt die Problematik einer politisch durchgesetzten, aber wirtschaft-
lich ,,verfrühten" Währungsunion. Eine übereilte Aufnahme der mittel- und osteuropä-
ischen Länder würde zu Schwierigkeiten in diesen Ländern führen, die noch schwe-
rer zu lösen wären als die im Fall von Ostdeutschland, da innerhalb der Europä-
ischen Union Finanztransfers im Umfang, wie sie innerhalb eines Nationalstaates wie
Deutschland möglich sind, nicht vorgesehen sind. Hinzu kommt, dass die Probleme
den mittel- und osteuropäischen Ländern ausstrahlen könnten auf den gesamten
Euro-Währungsraum und damit das Projekt Europäische Währungsunion als Ganzes
in Frage stellen könnten.
Auch die Hürden, die bezüglich der Fiskalpolitik für die Teilnahme am Eurosystem
aufgestellt wurden und die aufgrund des Stabilitäts- und Wachstumspaktes nicht nur
für die Qualifikationsphase, sondern ­ sogar in verschärfter Form - auch darüber
hinaus gelten, stellen die beitrittswilligen Länder Mittel- und Osteuropas vor große
Herausforderungen. Die Staaten haben einen enormen realwirtschaftlichen Aufhol-
bedarf, der ohne staatliche Finanzierungshilfen im großen Umfang nicht gedeckt
werden kann. Das bedeutet, dass die nur eingeschränkten Möglichkeiten staatlicher
Kreditaufnahme, die die Aufnahmekriterien verlangen, eventuell dazu führen, dass
der realwirtschaftliche Aufholprozess gebremst wird. Dies wiederum könnte zu
politischen Instabilitäten führen, wenn unzufriedene Bürger, deren Hoffnung auf
schnelle Besserung ihrer wirtschaftlichen Lage nach einem EU-Beitritt enttäuscht
wurden, antieuropäisch eingestellte Parteien wählen.

4
Ebenfalls nicht ausgeschlossen werden können Währungs- und/oder Bankenkrisen
in den mittel- und osteuropäischen Ländern. In den Neunzigerjahren kam es in Mittel-
und Osteuropa zu mehreren solcher Krisen, und eine Anfälligkeit ist noch immer
gegeben, unter anderem durch hohe Leistungsbilanzdefizite und einen noch unter-
entwickelten Banken- und Finanzsektor.
Insgesamt bestehen also einige Risiken in der monetären Integration der mittel- und
osteuropäischen Länder in die Europäische Währungsunion. Die möglichen Problem-
felder nicht nur aufzuzeigen, sondern auch Lösungen zu entwerfen, wird die Aufgabe
der nächsten Monate und Jahre sein, damit die Integration der Länder Mittel- und
Osteuropas in die Europäische Union und darauf folgende monetäre Integration in
das Eurosystem ein Erfolg wird.
1.2
Abgrenzung des Themas
Die Themenstellung für diese Arbeit ist sehr breit. Im Rahmen dieser Diplomarbeit
kann dabei nicht auf alles eingegangen werden, was man unter den Titel ,,Die
Probleme der monetären Integration mittel- und osteuropäischer Länder am Beispiel
der Tschechischen Republik" fassen könnte.
Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt in der theoretischen Darstellung der potenziellen
Probleme, die bei der monetären Integration von Währungsräumen im Allgemeinen
und speziell bei der monetären Integration von wirtschaftlich sehr viel weniger
entwickelten Ländern, wie es die mittel- und osteuropäischen Länder im Vergleich
zum heutigen Euro-Währungsraum sind, auftreten können. Für die Integration der
mittel- und osteuropäischen Länder in die Europäische Währungsunion spielen
hierbei die für den Beitritt zum Eurosystem aufgestellten Hürden in Form der Maast-
richter Konvergenzkriterien eine signifikante Rolle. Auf diese Konvergenzkriterien
und ihre Problemfelder wird entsprechend ausführlich eingegangen werden.
Der zweite Schwerpunkt ist die Herausarbeitung der Relevanz dieser Probleme für
die Tschechische Republik. Dabei wird die Währungs- und Finanzkrise, die sich 1997
in der Tschechischen Republik ereignete, nur kurz angesprochen. Eine ausführliche
Interpretation dieses Ereignisses würde den Rahmen der Arbeit sprengen.

5
Auch auf die problematischen Auswirkungen, die die monetäre Integration der mittel-
und osteuropäischen Länder auf die Entscheidungsfindung im EZB-Rat und den
Wechselkurs des Euro haben könnte, wird nur im Rahmen des Schlusswortes ein-
gegangen.
1.3
Aufbau der Arbeit
Im nächsten Kapitel wird zunächst die politische Historie der EU-Osterweiterung kurz
dargestellt und auf den Beitrittsprozess eingegangen. Der Fokus des Kapitels liegt
jedoch auf der Darstellung der Kriterien, die die neuen Beitrittsländer aus Mittel- und
Osteuropa erfüllen müssen, um zuerst in die Europäische Union und später in die
Europäische Währungsunion eintreten zu können.
Im dritten Kapitel werden dann die Probleme, die die monetäre Integration der mittel-
und osteuropäischen Länder in die Europäische Währungsunion mit sich bringen
kann, in theoretischer Form erläutert.
Das vierte Kapitel behandelt die Relevanz dieser Probleme am konkreten Beispiel
der Tschechischen Republik, die als eines der am weitest fortgeschrittenen Kandida-
tenländer gilt. Es wird die bisherige ökonomische Entwicklung dieses Landes darge-
stellt und mit Hilfe von Grafiken erklärt. Anschließend wird die Entwicklung der Geld-
politik der Tschechischen Zentralbank in den Neunzigerjahren bis heute dargestellt
und beurteilt.
Im Kapitel fünf werden verschiedene Lösungsansätze für einige Problemfelder der
monetären Integration der Transformationsländer in die Europäische Währungsunion
erläutert und abgewogen.
Das sechste Kapitel enthält ein Schlusswort, in dem unter anderem auf mögliche
Schwierigkeiten im Rat der Europäischen Zentralbank als Entscheidungsgremium für
die einheitliche Geldpolitik im Euroraum und damit möglicherweise verbundenen
negativen Auswirkungen auf den Wechselkurs des Euro eingegangen wird.
Im Kapitel sieben steht eine Zusammenfassung der Arbeit.

6
2
Die Osterweiterung der Europäischen Union und der
Europäischen Währungsunion
2.1
Politische Historie der EU-Osterweiterung
Mit dem Zusammenbruch der sozialistischen Planwirtschaften Ende der Achtziger-
jahre standen die Länder Mittel- und Osteuropas vor der Herausforderung einer
fundamentalen Umgestaltung ihres gesamten wirtschaftlichen und politischen
Systems. Die zunehmende Orientierung nach Westen führte in den ehemaligen
Planwirtschaften Mittel- und Osteuropas zu dem Wunsch einer Mitgliedschaft in der
Europäischen Union.
Der politische Grundstein für den aktuellen EU-Erweiterungsprozess wurde im Juni
1993 vom Europäischen Rat in Kopenhagen gelegt. Hierbei wurden die sogenannten
,,Kopenhagener Kriterien" festgelegt, die die Voraussetzungen definieren, die poten-
zielle neue Mitgliedstaaten erfüllen müssen, um in die Europäische Union aufge-
nommen zu werden. Daraufhin bewarben sich zwölf beitrittswillige Länder um die
Aufnahme in die Europäische Union. Im Dezember 1997 beschloss der Europäische
Rat in Luxemburg, mit der Tschechischen Republik, Ungarn, Polen, Estland, Slowe-
nien und Zypern konkrete Beitrittsverhandlungen aufzunehmen. Daraufhin wurden
am 30. März 1998 mit diesen Ländern, der sogenannten Luxemburg-Gruppe, kon-
krete Beitrittsverhandlungen aufgenommen.
Im Dezember 1999 beschloss der Europäische Rat in Helsinki, auch mit den rest-
lichen Bewerberländern, nämlich Rumänien, der Slowakei, Lettland, Litauen, Bulga-
rien und Malta (der ,,Helsinki-Gruppe") konkrete Beitrittsverhandlungen zu beginnen.
Diese finden seit Februar 2000 statt.
Am 9. Oktober 2002 hat die Europäische Kommission die Aufnahme von zehn neuen
Mitgliedsländern im Jahr 2004 in die Europäische Union empfohlen: Polen, Ungarn,
Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland, Litauen, Malta und Zypern.
Von den mittel- und osteuropäischen Ländern werden also nur Bulgarien und Rumä-
nien noch einige Jahre - wahrscheinlich bis 2007 - auf einen Beitritt zur Europäischen
Union warten müssen (EU-Kommission, 2002b, S. 1).

7
Die Erweiterung der Europäischen Union um die mittel- und osteuropäischen Länder
wird die fünfte Erweiterungsrunde sein. Wie aus der folgenden Tabelle ersichtlich ist,
werden jedoch in dieser Erweiterungsrunde erstmals Länder in die Europäische
Union integriert werden, deren Pro-Kopf-BIP sehr viel weniger als die Hälfte des
durchschnittlichen Pro-Kopf-BIP der heute bestehenden Europäischen Union beträgt
(Dresdner Bank, 2001, S. 21 ­ Die Tabelle geht von einer Erweiterung der Europä-
ischen Union 2005 bzw. 2008 aus, also ein Jahr später, als sie tatsächlich passieren
wird):
Wie zu erkennen ist, ist das Pro-Kopf-BIP, gemessen in Kaufkraftparitäten in den
Ländern der nächsten Erweiterungsrunden signifikant geringer als selbst bei den
Süderweiterungen der Europäischen Union um Griechenland, Portugal und Spanien.
Hierbei sind allerdings große Unterschiede innerhalb der Beitrittsgruppe zu beobach-
ten. Die Spanne reicht von 73 % (Slowenien) bis 25 % (Bulgarien) (DB Research,
2002, Tabelle ,,Strukturelle Konvergenz", S. 23). Die realwirtschaftlichen Differenzen
sind also teilweise enorm.

8
2.2
Die Erweiterung der Europäischen Union
2.2.1 Der Beitrittsprozess
Der Beitrittsprozess setzt sich aus der Heranführungsstrategie, dem ,,Screening", d.h.
der analytischen Durchsicht des Besitzstandes, und den eigentlichen Beitrittsver-
handlungen zusammen.
Im Rahmen des ,,Screening" prüft die Kommission die Fähigkeit des Bewerberlandes,
das in der Europäischen Union geltende Recht, das in 31 Kapitel unterteilt wurde,
anzuwenden. Daran schließen sich die eigentlichen Beitrittsverhandlungen über
jedes dieser Kapitel an. Die Heranführungsstrategie für die mittel- und osteuropäi-
schen Staaten umfasst dabei
· die Umsetzung der Europa-Abkommen, die die Schaffung einer Freihandelszone
innerhalb von zehn Jahren vorsehen und die Beitrittsländer zu einer Öffnung ihrer
Gütermärkte, einer Beschleunigung der Anpassung ihrer Rechtsordnung an das
geltende EU-Recht und einer Fortsetzung der marktorientierten Reformen und
der Demokratisierung verpflichten (Belke u.a., 2002, S. 4 f),
· Beitrittspartnerschaften, die dazu beitragen sollen, länderspezifische Probleme zu
überwinden,
· nationale Programme für die Übernahme des Acquis Communautaire
1
, d.h. des
gemeinsamen Besitzstandes der Europäischen Union, die Vor-Beitrittshilfen, mit
denen der institutionelle Aufbau (Programm PHARE), Infrastrukturprojekte
(Programm ISPA) sowie Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (Programm
SAPARD) gefördert werden sollen und
· die Öffnung der Europäischen Gemeinschaftsprogramme und ­agenturen.
1
vgl. Glossar

9
Die folgende Grafik gibt einen Überblick über das Beitrittsverfahren (Dresdner Bank,
2001, S. 9):
Gegenstand der Beitrittsverhandlungen ist die Erfüllung der Aufnahmekriterien, der
sogenannten ,,Kopenhagener Kriterien", durch den Beitrittsstaat. Im Rahmen einer
Reihe bilateraler Konferenzen zwischen den einzelnen Beitrittsstaaten und den EU-
Mitgliedstaaten und unter Teilnahme der Europäischen Kommission wird der Zeitplan
für die Übernahme des Acquis Communautaire festgelegt und gegebenenfalls über
Übergangszeiten bei der Umsetzung entschieden. Die Beitrittsverhandlungen werden
zwischen den ständigen Vertretern der EU-Mitglieder und den Botschaftern oder
Chefunterhändlern der Beitrittskandidaten oder auf Ministerebene geführt. Die EU-
Kommission empfahl am 9. Oktober 2002 den Abschluss der Beitrittsverhandlungen
mit den zehn in Kapitel 2.1 genannten Ländern bis Ende 2002 mit dem Ziel, die
Beitrittsverträge im Frühjahr 2003 zu unterschreiben (EU-Kommission, 2002b, S. 4).
Diese Beitrittsverträge, sogenannte Beitrittsakten, sind das Ergebnis der Beitrittsver-
handlungen. Sie müssen von drei Stellen verabschiedet werden : vom jeweiligen
Beitrittsstaat, von jedem einzelnen der bisher 15 Mitgliedstaaten der Europäischen
Union sowie von der Europäischen Union selbst. Die Ratifizierung in den einzelnen
Staaten geschieht gemäß der verfassungsrechtlichen Bestimmungen der Länder und

10
wird in der Regel durch die nationalen Parlamente oder in Form von Referenden
vorgenommen. Das wiederholte Referendum in Irland am 19. Oktober 2002 endete
mit einer Zustimmung zum Nizza-Vertrag, nachdem dieser in einer ersten Volksab-
stimmung 2001 abgelehnt worden war. Dass die Referenden in allen mittel- und ost-
europäischen Ländern positiv ausfallen, ist nach Ansicht von Mildenberger keines-
wegs sicher (Mildenberger, 2002, S. 5). Vielmehr ist in den Beitrittsländern die Zu-
stimmung zu einem EU-Beitritt deutlich zurückgegangen, in Polen beispielsweise um
über 30 Prozentpunkte seit 1996 auf nur noch 49 % im Jahr 2001. Auf diese Proble-
matik kann jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden.
Auf Seite der Europäischen Union müssen das Europäische Parlament und der Rat
dem Beitritt zustimmen. Nach erfolgreicher Ratifizierung tritt die Beitrittsakte mit
sofortiger Wirkung in Kraft, und das Beitrittsland wird zum festgelegten Zeitpunkt
Mitglied der Europäischen Union. Wird der Zeitplan eingehalten, können die mittel-
und osteuropäischen Länder im ersten Halbjahr 2004 zur Europäischen Union
gehören und in diesem Jahr erstmals an der Europawahl teilnehmen.
Die Kopenhagener Kriterien als Voraussetzungen für einen Beitritt zur Europäischen
Union werden im folgenden Kapitel erläutert.
2.2.2 Die Kopenhagener Kriterien
Die 1993 vom Europäischen Rat in Kopenhagen verabschiedeten Kriterien für die
Aufnahme neuer Mitgliedstaaten in die Europäische Union umfassen drei Aspekte :
· Politische Kriterien :
In den Ländern soll eine institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und
rechtsstaatliche Ordnung, für die Wahrung von Menschenrechten sowie die Achtung
und den Schutz von Minderheiten vorhanden sein.
· Wirtschaftliche Kriterien :
Es wir eine funktionsfähige Marktwirtschaft, die es erlaubt, dem Wettbewerbsdruck
und den Marktkräften innerhalb der Union standzuhalten, verlangt. Unter einer
funktionsfähigen Marktwirtschaft versteht die EU-Kommission ein Wirtschaftssystem,

11
in dem Preise und Handel liberalisiert sind und in dem ein durchsetzbares Rechts-
system vorhanden ist (EU-Kommission, 2002a, S. 28). Die Leistung eines solchen
Wirtschaftssystems würde laut EU-Kommission außerdem durch makroökonomische
Stabilität und Einigkeit über die Wirtschaftspolitik verbessert. Weiterhin sei ein gut
entwickelter Finanzsektor sowie die Abwesenheit von signifikanten Marktein- und
-austrittsbarrieren für die Effizienz einer funktionsfähigen Marktwirtschaft wichtig.
· Übernahme des Acquis Communautaire
2
:
Die Beitrittskandidaten müssen den gesamten Rechtsbestand der Europäischen
Union, den sogenannten Acquis Communautaire, übernehmen. Teile des Acquis
Communautaire sind für den monetären Bereich relevant (Kap. 2.3.3).
Eine weitere Voraussetzung ist die Fähigkeit der Europäischen Union, neue
Mitglieder aufzunehmen und zugleich ,,die Stoßkraft der Europäischen Union" zu
erhalten.
2.3
Die Erweiterung der Europäischen Währungsunion
2.3.1 Kein ,,Opt-out" für neue Mitgliedstaaten der Europäischen Union
In Bezug auf die Erweiterung der Europäischen Union stellt sich die Frage, ob und
wann die neuen Mitgliedsländer die gemeinsame europäische Währung, den Euro,
einführen werden. Bei den Verhandlungen wurde vereinbart, dass es für neue
Mitgliedstaaten der Europäischen Union keine ,,Opt-out"- (oder ,,Opt-in"-) Klauseln
bezüglich der Teilnahme am Eurosystem geben wird, wie sie Großbritannien und
Dänemark für sich ausgehandelt haben (EU-Vertrag, Amsterdamer Fassung, 2001,
Protokolle Nr. 25 und 26). Das bedeutet, dass die neuen Mitgliedstaaten verpflichtet
sind, den Euro einzuführen, wenn sie die Maastricht-Kriterien als Voraussetzung für
die Teilnahme am Eurosystem erfüllen. Allerdings wurden von Seiten der Beitritts-
2
vgl. Glossar

12
länder auch keine Ansprüche auf besondere Übergangsvorschriften erhoben (EZB,
1999a, S. 78). Die Einführung des Euro in Mittel- und Osteuropa wird dann in vier
Stufen erfolgen, die im Folgenden erläutert werden.
2.3.2 Vier Stufen bis zur Einführung des Euro
Die Beitrittsländer müssen die Maastricht-Kriterien, die Voraussetzung zur Teilnahme
am Eurosystem sind, nicht schon beim Beitritt zur Europäischen Union erfüllen. Die
Europäische Zentralbank (EZB) unterteilt die Zeit bis zur Einführung des Euro in den
Beitrittsländern in vier Stufen (EZB, 1999a, S. 79 f):
· Phase vor dem EU-Beitritt
In dieser Phase steht es den Beitrittsländern frei, ihre eigene Geld- und Wechsel-
kurspolitik zu betreiben. Jedoch müssen schon vor einem EU-Beitritt die Regelungen
des Acquis Communautaire, die auch Regelungen bezüglich der Wirtschafts- und
Währungsunion umfassen, in die nationale Gesetzgebung übernommen und rechts-
kräftig umgesetzt werden. Außerdem müssen die übrigen Kopenhagener Kriterien
als Voraussetzung für einen Beitritt zur Europäischen Union erfüllt werden (vgl. Kap.
2.2.2).
· Phase des EU-Beitritts
Mit ihrem Beitritt zur Europäischen Union werden die neuen Mitgliedstaaten in die
Wirtschafts- und Währungsunion aufgenommen mit dem Sonderstatus von ,,Mitglied-
staaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt" (EU-Vertrag, 2001, Artikel 122). Als
solche haben die neuen EU-Länder gemäß Artikel 99 des EU-Vertrags ,,ihre Wirt-
schaftspolitik als eine Angelegenheit von gemeinsamen Interesse zu betrachten".
Dasselbe gilt ,,bis zum Beginn der dritten Stufe", d.h. der Einführung des Euro,
gemäß Artikel 124 des EU-Vertrags für ihre Wechselkurspolitik. Die Verantwortung
für die Währungspolitik verbleibt jedoch bei den jeweiligen nationalen Zentralbanken.
Die Zentralbanken der neuen Mitgliedstaaten werden mit dem EU-Beitritt in das
Europäische System der Zentralbanken (ESZB) integriert werden und ihre Präsiden-
ten dem Erweiterten Rat der Europäischen Zentralbank angehören, in dem auch die
Zentralbanken von Dänemark, Schweden und Großbritannien, also der Länder, die
ihr nationalen Währungen (noch) nicht durch den Euro ersetzt haben, vertreten sind.

13
· Phase nach dem EU-Beitritt
Entweder sofort mit dem EU-Beitritt oder einige Zeit danach wird von den neuen
Mitgliedsländern der Europäischen Union ,,erwartet, dass sie [...] dem Wechselkurs-
mechanismus (WKM II
3
) beitreten, der die Währungen der nicht an der Währungs-
union teilnehmenden Mitgliedstaaten an den Euro bindet" (EZB, 1999a, S. 80). Die
EZB geht davon aus, dass der WKM II flexibel genug ist, um ,,die länderspezifische
Wirtschaftslage bei der Auslegung der WKM II-Beitrittsbedingungen zu berücksich-
tigen."
Die Qualifikationsfrist für den Beitritt zur Europäischen Währungsunion beträgt
aufgrund des Wechselkurskriteriums mindestens zwei Jahre und beginnt frühestens
mit dem Beitritt zur Europäischen Union.
· Phase der Teilnahme am Euroraum
Sobald die neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union alle Maastrichter Konver-
genzkriterien (vgl. Kap. 2.3.4) erfüllen, können sie den Euro einführen. Die Prüfung
der Konvergenzkriterien erfolgt nach Artikel 122 Abs. 2 EU-Vertrag mindestens alle
zwei Jahre oder auf Antrag eines Mitgliedstaates, für den eine Ausnahmeregelung
gilt. Über die Aufnahme in die Europäische Währungsunion entscheidet der Rat der
Europäischen Union auf der Grundlage von Konvergenzberichten der EU-Kommis-
sion und der EZB.
Nach Ansicht der EZB wird die Zeit bis zur Euro-Einführung je nach Ausgangslage
und Tempo der wirtschaftlichen Umstellung in den einzelnen Beitrittsländern unter-
schiedlich lang sein. Wichtig sei, die nominalen Konvergenzkriterien konsequent
umzusetzen, ,,um den Kandidatenländern klare Anhaltspunkte für die Ausrichtung
ihrer Wirtschaft auf die Anforderungen und Zielvorgaben der Wirtschafts- und
Währungsunion zu geben" (EZB, 1999a, S. 80).
An den formellen Eintritt in die Europäische Währungsunion wird sich eine Ein-
führungsphase bis zum Abschluss der Währungsunion anschließen, die je nach
Zeitbedarf für die Einführung von Euronoten und -münzen ein bis drei Jahre dauern
dürfte (DB Research, 2000a, S. 17).
3
vgl. Glossar und Kap. 3.4.2

14
Im Folgenden ein Überblick über die Qualifikationsphasen für den Beitritt zur
Europäischen Währungsunion der Länder Mittel- und Osteuropas (DB Research,
2000c, S. 14):
2.3.3 Acquis Communautaire und Europäische Währungsunion
Die Übernahme des Acquis Communautaire (des gemeinsamen Besitzstandes der
Europäischen Union) als Teil der Kopenhagener Kriterien ist Voraussetzung für einen
Beitritt zur Europäischen Union. Der Rechtsbestand der Europäischen Union
beinhaltet vor allem drei Bereiche, die für den späteren Beitritt zur Europäischen
Währungsunion relevant sind (EZB, 2000b, S. 49):

15
Erstens den Bereich der Gesetzgebung, der die Zentralbanken betrifft. Hierbei muss
laut Artikel 109 EU-Vertrag sichergestellt sein, dass in dem beitrittswilligen Land die
,,innerstaatlichen Rechtsvorschriften einschließlich der Satzung seiner Zentralbank
mit diesem Vertrag sowie mit der Satzung des ESZB in Einklang stehen." Das
bedeutet, dass die neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union die institutionelle,
personelle und finanzielle Unabhängigkeit der Zentralbank sicherstellen müssen.
Weiterhin muss das satzungsmäßige Ziel der Zentralbank in Einklang gebracht
werden mit dem im EU-Vertrag, Artikel 105, festgelegten Ziel des ESZB, nämlich
Preisstabilität zu gewährleisten. Eine hundertprozentige Harmonisierung ist hierbei
nicht sofort notwendig, jedoch müssen die nationalen Gesetze kompatibel mit dem
EU-Vertrag und dem Statut der EZB gemacht werden. Eine Reihe von Bestimmun-
gen des EU-Vertrags werden jedoch mit dem EU-Beitritt in den neuen Mitglieds-
ländern direkt anwendbar. Dazu gehören die Unabhängigkeit der Zentralbanken
(Artikel 108), das Verbot der Finanzierung von öffentlichen Stellen durch die Zentral-
bank (Artikel 101) sowie das Verbot des privilegierten Zugangs des öffentlichen
Sektors zu den Finanzinstituten (Artikel 102).
Zweitens den Bereich der Kapitalströme. Die Beitrittskandidaten müssen die
Kapitalströme vor einem EU-Beitritt liberalisieren. Dies ist laut EZB nicht nur wichtig,
weil freier Kapitalverkehr ein integraler Bestandteil sowohl des Binnenmarktes als
auch der Europäischen Währungsunion ist, sondern auch deshalb, weil damit die
Fähigkeit der Beitrittskandidaten, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften
innerhalb der Europäischen Union gewachsen zu sein, getestet wird (EZB, 2000b, S.
50 f). Nach Meinung der EZB besteht die wichtigste wirtschaftspolitische Heraus-
forderung im Umfeld fortschreitender Kapitalverkehrsliberalisierungen für die mittel-
und osteuropäischen Länder darin, ihre Anfälligkeit für zunehmend volatile Kapital-
ströme durch die Förderung von Strukturreformen im Finanz- und Unternehmens-
sektor und die Stärkung der Finanzaufsicht zu verringern (EZB, 2000a, S. 120,
Kasten10).
Drittens den Bereich der Schaffung eines stabilen Bankensystems und finanzieller
Stabilität. Gut entwickelte und stabile Finanzmärkte, wozu das Bankensystem gehört,
aber auch andere Finanzinstitute und die Kapitalmärkte, sind entscheidend für die
Konvergenz und die erfolgreiche Integration der mittel- und osteuropäischen Länder

16
in die Europäische Union und die Europäische Währungsunion (DB Research,
2001b, S. 3-15). Die Direktiven der Europäischen Union, die ebenfalls vor dem EU-
Beitritt implementiert werden müssen, betreffen in diesen Bereichen vor allem die
Abwicklung von Insolvenzen, die Übernahme von Bilanzierungsvorschriften, eine
effektive und umsichtige Überwachung und die Vermeidung von Problemen des
Moral Hazard. Ein Moral-Hazard-Verhalten der Banken entsteht, wenn die Banken
Anreize haben, die Kosten ihres eigenen Fehlverhaltens auf andere abzuwälzen und
dazu auch in der Lage sind, z.B. durch staatliche Beistandsgarantien. Anders gesagt:
Die Banken bewerten die Risiken von Krediten zu gering (Brüggemann, 2000, S. 60).
Auch die Europäische Zentralbank betont die Wichtigkeit eines intakten und gut
funktionierenden Finanzsystems (Padoa-Schioppa, 2002, S. 4). Erstens, um die
nominale Konvergenz zu fördern, indem der Zinskanal der geldpolitischen Transmis-
sion gestärkt und ein stabiles makroökonomisches Umfeld geschaffen wird. Zweitens
zur Förderung der realen Konvergenz durch die Unterstützung von Investitions- und
Sparmöglichkeiten. Denn ein gesundes Finanzsystem ist in einer Marktwirtschaft
eine Voraussetzung für eine effiziente Übertragung der Ersparnisse in produktive
Investitionen und damit ein wichtiges Element bei der Förderung wirtschaftlichen
Wachstums. Nur ein solides und gut funktionierendes Finanzsystem kann die
Selektion von ,,guten", d.h. lohnenden, und ,,schlechten", d.h. unrentablen Investi-
tionen durchführen und ist damit auch wichtig, um Schocks zu absorbieren sowie den
wirtschaftlichen Fortschritt und das Wachstum zu fördern (Bakker, 2002, S. 100).
Insgesamt stellt das Acquis Communautaire mit diesen Forderungen vor allem auf
die Rahmenbedingungen ab. Die institutionelle Ausgestaltung des Banken- und
Finanzsystems soll schon beim Eintritt in die Europäische Union ausreichend stark
sein, um Krisen in diesem Bereich auszuschließen.
Um jedoch an der Europäischen Währungsunion teilzunehmen, sind weitere
Bedingungen zu erfüllen, nämlich die Maastrichter Konvergenzkriterien, die im
folgenden Abschnitt erläutert werden.

17
2.3.4 Die Maastrichter Konvergenzkriterien
Die Konvergenzkriterien von Maastricht sind keine Bedingung zur Aufnahme in die
Europäische Union. Um jedoch am Eurosystem teilzunehmen, müssen die nach-
ziehenden Staaten - wie auch die Erstteilnehmer - die Konvergenzkriterien des
Maastrichter Vertrages erfüllen. Die Konvergenzkriterien sind in Artikel 121 Abs. 1
und dem Protokoll Nr. 21 zu diesem Artikel festgelegt und haben vier Bestandteile :
· Inflationskriterium
Die durchschnittliche Inflationsrate darf im Jahr vor der Eintrittsprüfung maximal 1,5
Prozentpunkte über der durchschnittlichen Inflationsrate der höchstens drei preis-
stabilsten Länder der Europäischen Union liegen. Die Inflationsmessung erfolgt an-
hand des Verbraucherpreisindex.
· Wechselkurskriterium
Es wird eine Teilnahme am Wechselkursmechanismus (WKM II) und Einhaltung der
normalen Bandbreiten mindestens zwei Jahre lang vor der Konvergenzprüfung ohne
einseitige Leitkursanpassung verlangt. Insbesondere darf nach Artikel 3 des Proto-
kolls Nr. 21 über die Konvergenzkriterien ein Land den bilateralen Leitkurs seiner
Währung nicht gegenüber dem Euro von sich aus abwerten.
Aufgrund des Wechselkurskriteriums ist ein formeller Eintritt in die Europäische
Währungsunion frühestens zwei Jahre nach einem EU-Beitritt möglich, denn die
zweijährige Qualifizierungsphase für das Wechselkurskriterium kann frühestens ab
dem EU-Beitrittsdatum beginnen.
· Zinskriterium
Die durchschnittliche nominale Rendite langfristiger Staatsanleihen im Verlauf eines
Jahres vor dem Konvergenztest darf nicht mehr als 2 Prozentpunkte über dem
Durchschnitt der entsprechenden Zinsen in den höchstens drei EU-Ländern mit den
niedrigsten Inflationsraten liegen.

18
· Defizitkriterium und Schuldenstandkriterium
Das jährliches Budgetdefizit der öffentlichen Haushalte darf maximal 3 % des BIP
und der Schuldenstand der öffentlichen Hand maximal 60 % des BIP betragen, es
sei denn, der Wert liegt nahe des Referenzwertes und ist bereits erheblich zurück-
gegangen bzw. weicht nur vorübergehend ab.
Nach Ansicht der EZB ist die Erfüllung der Maastrichter Konvergenzkriterien durch
die mittel- und osteuropäischen Beitrittsländer vor einem Beitritt zur Europäischen
Währungsunion entscheidend, um eine Stabilitätskultur in Europa aufrecht zu
erhalten, trotz des geringen wirtschaftlichen Gewichts dieser Staaten. Die Gesamt-
stabilität würde leiden, falls einzelnen Ländern Ausnahmen von den Stabilitätsregeln
gewährt würden (EZB, 2001b, S. 20).
Die Maastrichter Konvergenzkriterien stellen auf die nominale Konvergenz der
Teilnehmer am Eurosystem ab. Die angestrebte ökonomische Konvergenz der
zukünftigen EU-Mitgliedstaaten umfasst aber auch das Ziel der realen Konvergenz.
Der Unterschied wird im folgenden Abschnitt erläutert.
2.4 Reale versus nominale Konvergenz
Während man unter nominaler Konvergenz die Annäherung jener Variablen, die in
den Maastrichter Konvergenzkriterien festgelegt sind, versteht, ist mit realer Konver-
genz die Annäherung realer Variablen in den Beitrittsländern an die Werte in der
Europäischen Union gemeint. Dabei ist das Pro-Kopf-Einkommen von herausragen-
der Bedeutung. Ziel der realen Konvergenz ist, die Lebensverhältnisse in den ehe-
maligen Planwirtschaften weitgehend an die in den Altmitgliedern anzugleichen. Um
reale Konvergenz zu erleichtern, sind in den Beitrittsländern strukturelle Reformen
z.B. in den Bereichen Privatisierung, Gesetzgebung, Bankensystem und Finanz-
märkte notwendig mit dem Ziel, die Allokation der Produktionsfaktoren Kapital und
Arbeit zu optimieren und die Entwicklung des privaten Sektors zu stärken.
Die Idee der realen Konvergenz findet sich auch in Artikel 2 des EU-Vertrags, der
davon spricht, dass es ,,Aufgabe der Gemeinschaft ist [...] durch die Errichtung einer

19
Wirtschafts- und Währungsunion [...] die Konvergenz der Wirtschaftsleistungen [...]
zu fördern."
Seit Beginn der Transformation 1989 hat sich der Abstand der mittel- und osteuropä-
ischen Länder zu den EU-15-Ländern, gemessen am BIP, vergrößert. Dies zeigt das
folgende Schaubild, in dem die relative Veränderung des BIP von 1989 bis 1998
dargestellt ist (Piazolo, 2002, S. 13):
0
20
40
60
80
100
120
EU-15
Polen
Slowenien
Slowakei
Ungarn
Tschechien
Estland
Rumänien
Bulgarien
Litauen
Lettland
Veränderung des BIP seit 1989 (BIP im Jahr 1989 = 100)
Wie zu sehen ist, konnte das BIP-Niveau von 1989 nur von wenigen Ländern bis
1998 wieder erreicht werden, während das BIP der Europäischen Union seit 1989
um 20 % wuchs. Es werden große Anstrengungen der mittel- und osteuropäischen
Länder notwendig sein, um wirtschaftlich an die EU-15-Länder aufzuschließen. Die
Hoffnung auf diese reale Konvergenz ist aber einer der Hauptgründe dafür, warum
die mittel- und osteuropäischen Länder eine Mitgliedschaft in der Europäischen
Union sowie der Europäischen Währungsunion anstreben. Sie erhoffen sich davon
ein beschleunigtes Wirtschaftswachstum und eine schnellere Angleichung ihrer
Lebensbedingungen an jene der bisherigen EU-Länder. Die EZB weist aber darauf
hin, dass aufgrund der bestehenden Einkommensunterschiede und der geringen
Wachstumsdifferenzen ,,die reale Konvergenz nur schrittweise und erst lange nach

20
jenen Fristen erreicht werden kann, die vorläufig für die Erweiterung ins Auge gefasst
werden" (EZB, 2001a, S. 121).
Die folgende Tabelle vergleicht einige realwirtschaftliche Daten der mittel- und
osteuropäische Länder der Luxemburg-Gruppe mit den durchschnittlichen Daten der
EU-15-Länder für das Jahr 2001 (DB Research, 2002, S. 23):
EU-15 Tsch.
Rep.
Estland Ungarn Polen Slowe-
nien
Nominales BIP
In Mrd. Euro
8.812
62,1
6,1
57,4
197,8
20,9
BIP/Kopf
nominell in Euro
(in % von EU-15)
in KKP
(in % von EU-15)
23.269
23.269
6.041
(25 %)
13.689
(59 %)
4.272
(18 %)
8.624
(37 %)
5.766
(25 %)
11.522
(50 %)
5.107
(22 %)
9.203
(40 %)
10.478
(45 %)
17.038
(73 %)
BIP-Wachstum gegenüber
Vorjahr in %
1,5
3,5
5,4
3,8
1,1
3,0
Produktivitätswachstum
gg. Vorjahr in %
0,4
3,5
5,4
3,5
3,2
2,5
Arbeitslosenquote in %
7,4
8,6
12,7
5,7
16,1
11,6
Geht man von gleichbleibenden Wachstumsraten des BIP aus, wäre z.B. in der
Tschechischen Republik dasselbe nominale BIP pro Kopf wie in den EU-15-Ländern
erst nach 73 Jahren erreicht.
Es gibt Beispiele dafür, dass sich reale und nominale Konvergenz trennen lassen
(Schröder, 2001, S. 51). So wurden Portugal und Griechenland überwiegend erfolg-
reich in die Europäische Union und in das Eurosystem eingegliedert, obwohl ihr Pro-
Kopf-BIP zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Europäische Union bei nur 62 % (Grie-
chenland, 1981) bzw. 54 % (Portugal, 1986) des damaligen EU-Durchschnitts lag.

21
Auch heute noch gibt es Regionen in der Europäischen Union, die ein signifikant
niedrigeres Pro-Kopf-Einkommen aufweisen als im Durchschnitt der Europäischen
Union, z.B. Sizilien mit 66 %, Thüringen mit 69 % und einige griechische und portu-
giesische Regionen mit weniger als 55 %. Andererseits gibt es Regionen in den
mittel- und osteuropäischen Ländern, die schon heute beim Pro-Kopf-Einkommen
über dem EU-Durchschnitt liegen, beispielsweise Prag mit 122 % (DB Research,
2002, S. 7 f). Trotzdem werden 52 der 56 Regionen der mittel- und osteuropäischen
Länder die Voraussetzungen für die höchste Förderungsstufe der Strukturfonds der
Europäischen Union erfüllen, weil ihr Pro-Kopf-Einkommen weniger als 75 % des
EU-Durchschnitts beträgt. Ein enormes Problem, auf das im Rahmen dieser Arbeit
nicht näher eingegangen werden kann, liegt deshalb in der zukünftigen Ausgestal-
tung der Strukturpolitik und den kommenden Belastungen für den Haushalt der
Europäischen Union.
Ein weiteres Beispiel für die mögliche Trennung von nominaler und realer Konver-
genz ist das schon seit 1992 bestehende Currency-Board
4
Estlands zur D-Mark (bis
1998) bzw. zum Euro (ab 1999), in dem nominale Konvergenz erreicht wurde trotz
bemerkenswerter Differenzen in der realen Konvergenz.
Reale und nominale Konvergenz sollten nach Meinung der Europäischen Zentral-
bank parallel verfolgt werden (EZB, 2000b, S. 41). Auf dem Gipfel von Helsinki im
November 1999, auf dem sich die Notenbankchefs des Eurosystems und der zwölf
Beitrittskandidaten (zehn mittel- und osteuropäische Länder sowie Zypern und Malta)
trafen, betonte sie, dass der Aufholprozess und die strukturellen Reformen Hand in
Hand gehen sollten mit Preisstabilität und gesunden Staatsfinanzen und dass diese
zwei Aspekte voll kompatibel seien (EZB, 1999b). Laut EZB ,,stellen reale und nomi-
nale Konvergenz letztlich zwei Aspekte ein und derselben Strategie zur Erreichung
von nachhaltigem nichtinflationärem Wirtschaftswachstum dar, die folglich gleich-
zeitig zum Tragen kommen müssen" (EZB, 1999a, S. 79). Reale Konvergenz be-
schleunige durch Strukturreformen und damit erreichtem höherem Wachstumspoten-
zial und flexibleren Märkten die nominale Konvergenz und diese wiederum die reale
Konvergenz durch die Stabilisierung der Inflationserwartungen (EZB, 2001a, S. 120,
Kasten 10). Reale Konvergenz sei nicht nur das Aufholen bezüglich des Pro-Kopf-
4
vgl. Glossar

22
Einkommens, sondern vor allem eine strukturelle Anpassung der Wirtschaft, damit
diese an einer Währungsunion teilnehmen kann, ohne zu asymmetrischen Schocks,
d.h. binnen- oder außenwirtschaftlichen Störungen, beizutragen oder unter solchen
zu leiden (Padoa-Schioppa, 2002, S. 2). Nach Ansicht von van der Haegen und
Thimann hat auch die Erfahrung der ,,Emerging Markets" gezeigt, dass sich reale
Konvergenz und niedrige Inflationsraten nicht widersprechen, sondern dass im
Gegenteil eine Geldpolitik, die eine niedrige und stabile Inflation anstrebt, bedeutend
zu wirtschaftlichem Wachstum beiträgt (van der Haegen u.a., 2002, S. 178).
Im dritten Kapitel dieser Arbeit wird jedoch erläutert werden, dass das Bestreben der
mittel- und osteuropäischen Länder, die auf die nominale Konvergenz zielenden
Maastrichter Konvergenzkriterien zu erfüllen, unter bestimmten Bedingungen durch-
aus dazu führen kann, dass das Erreichen realer Konvergenz behindert oder ver-
zögert wird.
2.5 Zusammenfassung
Im Oktober 2002 wurde von der EU-Kommission empfohlen, acht mittel- und ost-
europäische, ehemals planwirtschaftlich geführte Länder 2004 in die Europäischen
Union aufzunehmen. Nur Bulgarien und Rumänien müssen noch länger auf ihren
Beitritt warten, wahrscheinlich bis 2007. Die Osterweiterung wird die umfangreichste
in der Geschichte der Europäischen Union sein. Einige Jahre später werden die
neuen Mitgliedsländer der Europäischen Union ihre nationalen Währungen durch die
europäische Gemeinschaftswährung, den Euro, ersetzen.
Für einen Beitritt der mittel- und osteuropäischen Länder in die Europäische Union
und die Europäische Währungsunion gibt es verschiedene Voraussetzungen.
Um der Europäischen Union beizutreten, müssen die Kandidatenländer die Kopen-
hagener Kriterien erfüllen, die schon Regelungen beinhalten, die den Banken- und
Finanzsektor der Staaten betreffen und die Vorbereitung auf einen späteren Beitritt
zur Europäischen Währungsunion erleichtern sollen.
Für diesen Beitritt zur Währungsunion gelten jedoch noch weitere Voraussetzungen,
die Maastrichter Konvergenzkriterien: Um am Eurosystem teilzunehmen, müssen die
Beitrittsländer Bedingungen erfüllen, die die nominelle Konvergenz bezüglich
Inflation, Wechselkursen, Zinsen und Verschuldung der öffentlichen Hand in den

23
Mittelpunkt stellen. Ziel der Osterweiterung der Europäischen Union und der Euro-
päischen Währungsunion ist aber auch das realwirtschaftliche Aufholen der Trans-
formationsländer, vor allem das Aufholen bezüglich des Pro-Kopf-Einkommens, das
heute noch teilweise signifikant unter dem durchschnittlichen Niveau der EU-15-
Länder liegt. Dieser Abstand hat sich seit Beginn der Transformation noch nicht
verkleinert.
Es stellt sich also die Frage, ob die Erfüllung der Maastrichter Kriterien ausreicht, um
die erfolgreiche Integration der mittel- und osteuropäischen Länder in die Europä-
ische Währungsunion zu gewährleisten. Dies soll im Folgenden untersucht werden.

24
3
Problemfelder der monetären Integration mittel- und
osteuropäischer Länder in die Europäische Währungsunion
3.1 Überblick
Die Integration in eine Währungsunion und damit die Aufgabe einer selbständigen
Geldpolitik kann vielfältige Probleme mit sich bringen. Die Theorie der optimalen
Währungsräume entwickelt Kriterien, die Länder erfüllten sollten, um mit einer
gemeinsamen Geldpolitik erfolgreich zu sein. Deshalb wird diese Theorie in Kapitel
3.2 vorgestellt und untersucht, in wie weit die Europäische Währungsunion ein
optimaler Währungsraum ist oder auch nicht.
Ein Beitritt zur Europäischen Währungsunion im Speziellen erfordert Anstrengungen
von den potentiellen Beitrittsländern, um die Maastrichter Kriterien (vgl. Kap. 2.3.4)
zu erfüllen und damit ihre nominale Konvergenz mit den Euro-Währungsraum unter
Beweis zu stellen. Das Bestreben, die Konvergenzkriterien möglichst schnell zu
erfüllen, birgt die Gefahr, für die Beitrittskandidaten Probleme aufzuwerfen, die ihre
realwirtschaftliche Entwicklung behindern. Vor diesem Hintergrund sollen die
Problemfelder einer monetären Integration in den folgenden Abschnitten beleuchtet
werden.
Außerdem wird auf das Problemfeld Banken- und Finanzsektor eingegangen. Dies-
bezüglich stellen zwar die Maastrichter Kriterien keine Hürden auf, jedoch enthält das
Acquis Communautaire der Europäischen Union Forderungen, die den Banken- und
Finanzsektor betreffen. Diese Bedingungen müssen schon vor einem EU-Beitritt
erfüllt werden und sind damit ebenfalls eine Voraussetzung für die monetäre Integra-
tion in die Europäische Währungsunion. Auch spricht die Tatsache, dass es in den
mittel- und osteuropäischen Ländern vielfach noch Probleme auf diesem Gebiet gibt,
für die Behandlung dieses Aspekts.
Abschließend wird das Problemfeld Leistungsbilanz behandelt, da nicht-tragfähige
Leistungsbilanzdefizite Währungskrisen auslösen können und diese somit ebenfalls
ein Problemfeld der monetären Integration darstellen.
Die potentiellen Problemfelder werden zunächst im vorliegenden Kapitel theoretisch
dargestellt, bevor im vierten Kapitel auf ihre Relevanz in der Tschechischen Republik
eingegangen wird.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832463571
ISBN (Paperback)
9783838663579
DOI
10.3239/9783832463571
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Karlsruher Institut für Technologie (KIT) – unbekannt, Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung
Erscheinungsdatum
2003 (Januar)
Note
1,7
Schlagworte
eu-osterweiterung währungsräume maastrichter konvergenzkriterien euro balassa-samuelson-effekt
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Titel: Die Probleme der monetären Integration mittel- und osteuropäischer Länder am Beispiel der Tschechischen Republik
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