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Strategische Bedeutung von Lobbyarbeit im Spiegel der historischen Entwicklung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland

Handlungsmöglichkeiten für das Lobbying im Unternehmensinteresse der DB AG im Politikfeld Raumordnung

©2001 Doktorarbeit / Dissertation 424 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die Eisenbahn entwickelte sich im 19. Jahrhundert zum bedeutendsten Landverkehrsträger mit überragender gesellschaftspolitischer Bedeutung. An der Schwelle zum 20. Jahrhundert war der ehemals starke Einfluss privater Eisenbahnunternehmen nur noch gering. Verstaatlichte Bahnen waren der Regelfall. Interessengruppen, die die Verstaatlichungspolitik Bismarcks gefördert hatten, wurden dafür belohnt. Das Staatsmonopol behinderte private Kleinbahnen und produzierte im System Schiene viele Transportkettenbrüche. Die politische Einflussnahme der verstaatlichten – später verreichlichten – Bahnen beschränkte sich auf defensive Maßnahmen mit der Zielsetzung, Besitzstände zu wahren. Die Vertreter des aufstrebenden Kfz nahmen offensiv auf die politische Spitze Einfluss, um ihre Ideen und Pläne (z. B. von einem gesamtdeutschen Autobahnnetz) voranzubringen. Trotz der Behinderung durch die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft wurde das Kfz immer populärer. Im Dritten Reich setzte die Naziregierung auf das Auto und ließ – mit maßgeblicher Unterstützung durch die Reichsbahn – den Grundstein für das deutsche Autobahnnetz legen. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die dualistische Verkehrsmarktordnung bestehen. Auto- und straßenbauaffine Verbände erlangten immer größeren Einfluss auf die deutsche Verkehrspolitik. Die Behörde „Bundesbahn“ verhielt sich vergleichsweise passiv und setzte fast keine eigenen offensiven Akzente in wichtigen verkehrspolitischen Prozessen. Die Auto- und Straßenbaulobbyarbeit war sehr erfolgreich (Beispiele: Einführung der Kilometerpauschale, Zweckbindung des Mineralölsteueraufkommens für den Straßenbau). Verkehrspolitik gab es im Bereich des Güterverkehrs immer noch eine Schutzpolitik für die Schiene, die sich in zahlreichen Behinderungen für den gewerblichen Straßengüterverkehr ausdrückte. Erst mit den Arbeiten der Regierungskommission Bundesbahn gelang es Interessenvertretern der Eisenbahn, offensiv und aktiv an einem wichtigen verkehrspolitischen Prozess mitzuwirken. Kennzeichen der Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit von modernen Großunternehmen ist ihr dialogorientierter Charakter. Auf Seiten vieler Mitarbeiter der DB AG aber auch bei vielen politischen Entscheidern herrscht auch im Jahr 2001 noch „Bundesbahndenken“ vor. Dies führt beim Auftreten der DB AG im politischen Raum häufig zu Erschwernissen und Missverständnissen. Diese können mittel- und langfristig zu negativen Folgen für den Unternehmenserfolg der DB AG […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6335
Hölzinger, Michael: Strategische Bedeutung von Lobbyarbeit im Spiegel der historischen
Entwicklung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland -
Handlungsmöglichkeiten für das Lobbying im Unternehmensinteresse der DB AG im
Politikfeld Raumordnung
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Trier, Universität, Dissertation / Doktorarbeit, 2001
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

Titel und Inhalt
Seite 2
Teil 1:
Einleitung und Methodik
1
Einleitung
13
2
Untersuchungsbereich und Zielsetzung der Arbeit
14
3
Methodik der Arbeit
15
3.1
Teil II ­ Historische Entwicklung der verkehrspolitischen
Rahmenbedingungen
15
3.2
Teil III ­ Lobbyarbeit im politischen Prozess
15
3.3
Teil IV ­ Rahmenbedingungen und Handlungsoptionen im
Politikfeld Raumordnung
16
3.4
Charakter dieser Arbeit
16
4
Hintergrund der durchgeführten Expertenbefragungen
17
4.1
Auswahl und Herleitung der Vorgehensweise
18
4.2
Strategie der Datenerhebung und ­gewinnung
19
4.2.1
Literaturrecherche und qualitative Befragungen
19
4.2.2
Problemzentrierte Interviews als Spezialfall qualitativer Befragungen
20
4.2.3
Arbeitsthesen für den Gesprächsleitfaden zu Beginn der Befragungen
21
4.2.4
Entwicklung der Arbeitsthesen in der Interviewphase
23
4.2.5
Auswahl der Interviewpartner ­ Das Interviewsample
24
4.2.6
Praktische Erfahrungen während der Interviewführung
26
4.2.6.1 Kontaktaufnahme
27
4.2.6.2 Verlauf der Gespräche
27
4.2.6.3 Auswertung der gewonnenen Erkenntnisse
27
Teil 2:
Historische Entwicklung der verkehrspolitischen
Rahmenbedingungen
5
Epoche I (von den Anfängen bis 1840)
29
5.1
Vom Altertum bis zur Industriellen Revolution
29
5.2
Ausgangslage
30
5.2.1
Politische Situation in Deutschland
30
5.2.2
Erste Eisenbahnen und ihre Folgen für die Transporteffizienz
31
5.3
Die frühen deutschen Eisenbahnen
32
5.4
Systembild, Leistungsangebot und Betrieb
32
5.4.1
Die ersten Betriebsformen
32
5.4.2
Die historischen Umwege
33
5.5
Die ersten ,,Eisenbahnlobbyisten"
34
5.5.1
Wegbereiter für die Eisenbahn in der Anfangszeit des Schienenverkehrs ...
34
5.5.2
... und die Widerstände in der öffentlichen Meinung
38
6
Epoche II (1840 bis 1880)
38
6.1
Weiter fortschreitende Erschließung Deutschlands
mit der Eisenbahn
38
6.1.1
Ursachen
38

Titel und Inhalt
Seite 3
6.1.2
Auswirkungen
39
6.2
Volkswirtschaftliche Bedeutung des Eisenbahnbaus
40
6.2.1
Wirtschaftsfaktor Eisenbahn
40
6.2.2
Missstände im Eisenbahnwesen
40
6.3
Systembild, Leistungsangebot und Betrieb der Eisenbahn
41
6.3.1
Konkurrenzfähigkeit gegenüber den anderen Verkehrsträgern
41
6.3.2
Weiterentwicklung von Technik und Betriebsformen
41
6.4
Zunehmende Unterschiede zwischen Staatsinteresse und Interesse
der privaten Eisenbahnbetreiber ­ Die Reichseisenbahnfrage
42
6.4.1
Eisenbahnpolitik Bismarcks
42
6.4.1.1 Bestrebungen hin zu einer einheitlichen Eisenbahn in Deutschland
42
6.4.1.2 Das Reichseisenbahnamt
43
6.4.2
Bedeutung militärischer Aspekte
44
6.4.3
Die ersten Schritte auf dem Weg zur verstaatlichten Eisenbahn
45
6.4.3.1 Reichseisenbahngesetzentwurf vom März 1874
45
6.4.3.2 Der ,,Vorläufige Entwurf eines Reichseisenbahngesetzes" vom April 1875
46
6.4.3.3 Das Gesetz, die Übertragung der Eigentums- und sonstigen Rechte
des Staates an das Deutsche Reich vom Juni 1876
46
6.4.3.4 Der Reichseisenbahngesetzentwurf vom Mai 1879
47
6.4.4
Bestimmende Faktoren, Hintergründe, Motivation und
Interessenkonstellationen der Eisenbahnpolitik Bismarcks
47
6.4.4.1 Auswirkungen des Eisenbahnbooms auf das Systembild und die
Kundenqualität
47
6.4.4.2 Interessengruppen und ihr Einfluss auf das Eisenbahnwesen
48
6.4.4.3 Interessenkonstellationen bei Verstaatlichung der preußischen Privatbahnen
49
7
Epoche III (Glanzzeit der Länderbahnen ­ Anfänge des
motorisierten Straßenverkehrs 1880 bis 1920)
50
7.1
Fortführung der Verstaatlichung der Eisenbahnen
50
7.1.1
Auswirkungen des Wettbewerbs zwischen privaten Eisenbahngesellschaften
50
7.1.1.1 Versuche, den Wettbewerb im Eisenbahnwesen zu fördern
50
7.1.1.2 Verlauf und Folgen der Verstaatlichung der preußischen Privatbahnen
51
7.1.2
Das Prinzip der gemeinwirtschaftlichen Verkehrsbedienung und die
ersten Versuche seiner Umsetzung im Eisenbahnwesen
52
7.1.3
Einfluss von Interessengruppen auf das Tarifsystem der Reichsbahn
53
7.1.3.1 Ausnahmetarife
53
7.1.3.2 Lobbying von Wirtschaftsverbänden im Kaiserreich
54
7.2
Systembild, Leistungsangebot und Betrieb der Eisenbahn
55
7.2.1
Fernbahnbau und Zweigleisigkeit
55
7.2.2
Weiterentwicklung von Technik und Betrieb
55
7.2.3
Nebenbahnen
56
7.2.4
Gesetzliche Grundlagen für den Bau und den Betrieb von Kleinbahnen
58
7.2.4.1 Eisenbahnbetrieb in der Zeit vor dem Preußischen Kleinbahngesetz
58
7.2.4.2 Das Preußische Kleinbahngesetz von 1892
59
7.2.4.3 Betrieb der Kleinbahnen
60

Titel und Inhalt
Seite 4
7.3
Volkswirtschaftliche Bedeutung und gesellschaftliches Ansehen
der Eisenbahn
62
7.3.1
Wirtschaftliche Bedeutung der Eisenbahn
62
7.3.2
Erschließungsfunktion der Eisenbahn
62
7.3.3
Bedeutung der Eisenbahn für den Staatshaushalt
63
7.4
Die Anfänge des motorisierten Straßenverkehrs
64
7.4.1
Die ersten Kraftfahrzeuge
64
7.4.2
Straßenbau im 18. Jahrhundert
64
7.4.3
Entwicklung des motorisierten Straßenverkehrs
66
7.4.3.1 Ausgangslage zu Beginn des 19. Jahrhunderts
66
7.4.3.2 Das Ansehen des Automobils in der öffentlichen Meinung
66
7.4.3.3 Erste Versuche, den Straßenbau anzukurbeln
67
7.4.4
Entwicklung der Kfz-Besteuerung
67
7.4.4.1 Anfänge und erste Formen der Besteuerung
67
7.4.4.2 Luxusumsatzsteuer
68
7.4.4.3 Einfluss von Interessengruppen auf die Besteuerung von Kraftfahrzeugen
68
7.4.5
Exkurs: Bedeutung des Automobils in den Vereinigten Staaten um 1920
69
8
Epoche IV (1920 bis 1933)
69
8.1
Bedeutende Entwicklungen im Verkehrswesen
69
8.1.1
Verreichlichung der Eisenbahnen
69
8.1.2
Aufkommende Konkurrenz durch den Kraftwagen und Trennung
in Nah- und Fernverkehr
71
8.1.2.1 Entwicklung der Verkehrsverhältnisse im Personenverkehr
71
8.1.2.2 Wirtschaftliche Entwicklung der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft
71
8.1.3
Entwicklung der Verkehrspolitik ­ Verkehrsträger im Wettbewerb
73
8.1.3.1 Die Anfänge des Straßengüterverkehrs
73
8.1.3.2 Beginnender Strukturwandel im Verkehrsbereich
73
8.1.4
Reaktionen der DRG auf die Konkurrenz im Güterverkehr
74
8.1.4.1 1924 - Der Deutschland-Vertrag
74
8.1.4.2 1931 ­ 3. Brüningsche Notverordnung
76
8.1.4.3 1931 - Der Schenker-Vertrag
77
8.2
Die DRG
78
8.2.1
Die Gründung des Unternehmens
78
8.2.2
Rechtsstellung und Grundsätze der Geschäftsführung
79
8.2.3
Die Deutsche Reichsbahn als Reparationsobjekt
80
8.3
Volkswirtschaftliche Bedeutung der Verkehrsträger
81
8.3.1
Dualistische Verkehrsmarktordnung
81
8.3.2
Eisenbahn
82
8.3.2.1 Systembild, Leistungsangebot und Betrieb
82
8.3.2.2 Politische Behandlung der Eisenbahn
83
8.3.3
Der Kraftwagen setzt sich allmählich durch
84
8.3.3.1 Güterverkehr
84
8.3.3.2 Personenverkehr
84

Titel und Inhalt
Seite 5
8.4
Systembild des motorisierten Straßenverkehrs und Ausbau des
Straßennetzes
85
8.4.1
Entstehung erster (Ausbau-)Pläne für das deutsche Straßennetz
85
8.4.1.1 Tätigkeitsbereich der ersten autoaffinen Verbände
85
8.4.1.2 Lobby- und Überzeugungsarbeit der Hafraba
86
8.4.1.3 Beurteilung der Hafraba-Aktivitäten durch die Automobilverbände
88
8.4.1.4 Beurteilung der Hafraba-Aktivitäten durch die Deutsche Reichsbahn
89
8.4.2
Entwicklung von Richtlinien für den Straßenbau
89
9
Epoche V (Die Herrschaftszeit der Nazis)
90
9.1
Elemente einer neuen Verkehrspolitik
90
9.1.1
Entwicklung verkehrspolitischer Rahmenbedingungen
90
9.1.1.1 Güterverkehr
90
9.1.1.2 Personenverkehr
91
9.1.2
Veränderung im Eisenbahnwesen
91
9.1.2.1 Die Reparationsleistungen
91
9.1.2.2 Die Reichsbahn unter dem zunehmenden Einfluss der Nationalsozialisten
92
9.1.2.3 Einflussnahme der Nationalsozialisten auf die Reichsbahnorganisation
93
9.1.2.4 Neugestaltung der Länderkompetenzen im Eisenbahnwesen
94
9.1.3
Reichsbahn und Straßenbaupolitik
94
9.1.3.1 Konzepte und Entwicklungslinien
94
9.1.3.2 Organisation und Betrieb des Unternehmens ,,Reichsautobahnen"
96
9.1.3.3 Finanzierung, Organisations- und Personalverflechtung
97
9.1.4
Bedeutung der Verkehrsträger im nationalsozialistischen Regime
99
9.1.5
Entwicklung des Schienenwegebaus und des Schienenbetriebs
100
9.2
Bedeutung der Verkehrsträger als Wirtschaftsfaktor
100
9.2.1
Deutsche Reichsbahn
100
9.2.1.1 Reichsbahn als Instrument des Staates
100
9.2.1.2 Entwicklung der Wirtschaftlichkeit der Reichsbahn
101
9.2.2
Automobil und Straßenbau
102
9.2.2.1 Reichsautobahn und Arbeitsplätze
102
9.2.2.2 Weitere Auswirkungen des Baus der Reichsautobahnen
102
9.2.2.3 Regelung der Trägerschaft im übrigen Straßenwesen
103
9.2.2.4 Der KdF-Wagen
104
9.3
Militärische Bedeutung der Verkehrsträger
105
9.3.1
Eisenbahn
105
9.3.2
Straßen- bzw. Autobahnbau
106
10
Epoche VI: Von der Nachkriegszeit bis zur Bahnreform 1994
107
10.1
Die Straße und Schiene nach dem 2. Weltkrieg
107
10.1.1
Der Weg von der Reichsbahn zur Bundesbahn
107
10.1.2
Startbedingungen der Verkehrsträger in der Wiederaufbauphase
108
10.1.2.1 Zustand des Schienennetzes und der Schienenbetriebsmittel ­ Bedeutung der
Eisenbahn unmittelbar nach dem Krieg
108
10.1.2.2 Beseitigung der Kriegsschäden am Schienennetz und an den Betriebsmitteln
109
10.1.2.3 Rechtsstellung der Bundesbahn und Grundsätze der Geschäftsführung
111

Titel und Inhalt
Seite 6
10.1.3
Grundsätze und Ziele in den Regierungserklärungen
113
10.2
Gesellschaftliche Entwicklung in den 50er und 60er Jahren
113
10.2.1
Struktureffekt auf dem Gütermarkt
113
10.3
Verkehrspolitik des Bundes aus Sicht der Autolobby:
Aktives Einwirken oder passive Zurkenntnisnahme?
114
10.3.1
Beurteilung der Verkehrspolitik durch die Autolobby in der Nachkriegszeit
114
10.3.2
Beispiel: Diskussion über die Einführung von Geschwindigkeits-
beschränkungen, Verkehrssicherheit und Straßenbau
115
10.3.3
Analyse von Einflussnahmeversuchen auf die Finanz- und die Verkehrspolitik 118
10.3.3.1 Beispiel: Einführung einer Kilometerpauschale
118
10.3.3.2 Beispiel: Einführung der Zweckbindung des Mineralölsteueraufkommens
für den Straßenbau 1960
121
10.3.4
Straßennetzausbau und Verkehrswachstum
125
10.3.5
Einflussnahme des ADAC auf die Verkehrspolitik in Deutschland
127
10.3.5.1 Der ADAC als Interessengruppe im Verkehrsbereich
127
10.3.5.2 Verkehrspolitische Interessenlagen und Positionen des ADAC im
Nachkriegsdeutschland
129
10.3.6
Verkehrspolitische Positionen und Einflüsse anderer Verbände
131
10.3.6.1 Deutsche Bauindustrie
131
10.3.6.2 Mineralölwirtschaftsverband
133
10.3.6.3 Bundesverband der Deutschen Industrie
134
10.3.6.4 Deutsche Strassenliga - Vereinigung zur Förderung des Straßen- und
Verkehrswesens e.V.
136
10.3.6.5 Verband der Importeure von Kraftfahrzeugen e.V. (VDIK)
137
10.3.6.6 Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA)
138
10.3.7
Einschätzung des Einflussnahmepotenzials der Interessengruppen im Bereich
,,Automobil und Straßenbau"
139
10.4
Entwicklung des Schienenverkehrs
141
10.4.1
Eisenbahn
141
10.4.1.1 Netzentwicklung
141
10.4.1.2 Systembild, Leistungsangebot und Betrieb
144
10.5
Verkehrspolitik aus Sicht der Bundesbahn:
Aktives Einwirken oder passive Zurkenntnisnahme?
144
10.5.1
Beurteilung der Verkehrspolitik durch die Bundesbahn
144
10.5.1.1 Stellung der Länder zur Bundesbahn
145
10.5.1.2 Gemeinwirtschaftliche Verkehrsbedienung
146
10.5.1.3 Zukunftsperspektiven der Bundesbahn
146
10.5.2
Hintergründe und Einflussfaktoren für die zurückhaltende Lobbyarbeit der
Deutschen Bundesbahn ...
147
10.5.2.1 ... aus verkehrswissenschaftlicher Sicht
147
10.5.2.2 ... aus Sicht des bahnpolitischen Umfelds und langjähriger Mitarbeiter der DB 148
10.5.2.3 Zusammenfassung und Beurteilung der Einschätzungen
154
10.5.3
Diskussion über die Sanierung der Deutschen Bundesbahn
155
10.5.3.1 Wichtigste Vorschläge und Überblick
155
10.5.3.2 Beispiel: Leber-Plan
156
10.5.3.3 Beispiel: Interessenlage und Einflüsse im Vorfeld der Bahnreform von 1994
158

Titel und Inhalt
Seite 7
11
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
163
11.1
Geschichtlicher Abriss
163
11.2
Charakteristiken der Lobbyarbeit der Verkehrsträger
164
11.2.1
Eisenbahn
164
11.2.2
Straßenverkehr
165
11.2.3
Resümee von Teil II
166
Teil 3: Lobbyarbeit im politischen Prozess
12
Lobbyarbeit ­ Grundlegende Definitionen und Erläuterungen
170
12.1
Einleitung
170
12.1.1
Einordnung in die bearbeitete Themenstellung
170
12.1.2
Das Phänomen Lobbying
170
12.1.2.1 Historie des Begriffes
170
12.1.2.2 Definitionen
170
12.1.3
Wer macht Lobbying?
172
12.1.3.1 Politische Akteure
172
12.1.3.2 Zielgruppen von Lobbying
173
12.1.3.3 Zeitpunkt der Einflussnahmeversuche beim politischen Lobbying:
Das Beispiel der Phasen der Aufstellung des Bundeshaushaltes
174
13
Lobbyarbeit im politischen Prozess
177
13.1
Der politische Entscheidungsprozess
177
13.1.1
Das politologische Dreieck ­ institutionelle Ansatzpunkte für Lobbyarbeit
177
13.1.2
Der politische Formenzyklus
180
13.1.3
Rahmenbedingungen für das Lobbying im politischen Prozess
in der Bundesrepublik Deutschland
184
13.1.3.1 Verfassungsrechtliche Grundlagen
184
13.1.3.2 Regelungen der Geschäftsordnungen
185
13.2
Politikprozesse auf Ebene der Städte und Gemeinden
187
13.2.1
Städte und Gemeinden als politische Ebene
187
13.2.2
Politische Akteure auf Ebene der Städte und Gemeinden
188
14
Parameter der Einflussnahme auf politische Prozesse
190
14.1
Merkmale von Lobbyarbeit
190
14.1.1
Interdisziplinärer Charakter
190
14.1.2
Der politische Markt
191
14.1.3
Pflege von Kontakten und Kooperationen
192
14.1.4
Wahrnehmung des Verhaltens der Deutschen Bahn AG im Hinblick
auf die systematische Pflege und die Ausgestaltung von Kontakten
im politischen Umfeld
193
14.1.5
Spielregeln des Lobbying
197
14.1.6
Professionalisierung
198
14.1.7
Bedeutung und Funktionen von Beziehungsnetzwerken
198
14.1.7.1 Internes Netzwerk
198
14.1.7.2 Externes Netzwerk
198

Titel und Inhalt
Seite 8
14.1.7.3 Transparenz
199
14.1.7.4 Strategischer Frühwarncharakter
200
14.1.8
Die Bedeutung der ,,internen Lobby"
200
14.2
Arten und Instrumente von Lobbyarbeit
200
14.2.1
Inhouse-Lobbying vs. Lobbying-Consulting
200
14.2.2
Agenda-Setting
201
14.2.3
Parlamentarische Abende
202
14.2.4
Information
202
15
Lobbying - Kommunikationsform moderner
Großunternehmen
202
15.1
Die Deutsche Bahn AG als modernes ,,quasi-öffentliches"
Unternehmen
202
15.1.1
Der Begriff des ,,quasi-öffentlichen" Unternehmens
202
15.1.2
Das Leitbild der konsensorientierten Unternehmensführung
203
15.2
Kommunikationsprinzipien im Lobbying moderner
Großunternehmen
205
15.2.1
Kommunikation und Reputation
205
15.2.2
Externe Kommunikation
206
15.2.3
Bedeutung der Öffentlichkeitsarbeit politischer Akteure
211
15.3
Kommunikationsverhalten von Verbandsfunktionären
in der Praxis
212
15.4
Einschätzung des Kommunikationsverhaltens der
Deutschen Bahn AG im bahnpolitischen Umfeld:
Mögliche Einflussgrößen
213
15.4.1
Einschätzungen auf regionaler und kommunaler Politikebene
213
15.4.2
Einschätzung auf Landesebene
215
15.4.3
Einschätzung auf Bundesebene
218
15.4.4
Selbsteinschätzung durch Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG
221
15.4.5
Zusammenfassung und Bewertung
223
16
Zusammenfassung
225
Teil 4: Handlungsoptionen im Politikfeld Raumordnung
17
Das Politikfeld Raumordnung und seine Bedeutung
für den Verkehrsbereich
226
17.1
Das Politikfeld ,,Raumordnung"
226
17.1.1
Einleitung
226
17.1.2
Bedeutung raumordnungspolitischer Rahmenbedingungen
für den Verkehrsbereich
227
17.1.2.1 Bedeutung des Verkehrsbereiches für die Stadtentwicklung und den Städtebau 227
17.1.2.2 Raumwirkungen der Verkehrsträger Straße und Schiene
229
17.1.3
Umweltwirkungen der Verkehrsträger
229
17.1.3.1 Kriterien für Nachhaltigkeit im Verkehr und in der Raumentwicklung
229
17.1.3.2 Energieverbrauch und CO
2
-Emissionen
233

Titel und Inhalt
Seite 9
17.1.3.3 Exkurs: Umweltwirkungen des Teilverkehrssystems Luftverkehr
und Eisenbahn
236
17.1.3.4 Verkehrsfläche und Anteil des Verkehrs an der Siedlungsfläche
239
17.2
Grundlagen der Raumordnung in Deutschland
243
17.2.1
Überblick über die gesetzlichen Planungsgrundlagen
243
17.2.2
Raumordnungsgesetz
243
17.2.2.1 Erfordernisse der Raumordnung
243
17.2.2.2 Raumordnungsverordnung
245
17.2.2.3 Ebenen und Instrumente der Raumplanung in Deutschland
245
17.2.3
Baugesetzbuch
246
17.2.3.1 Baugesetzbuch zu Beginn des 20. Jahrhunderts
246
17.2.3.2 Baunutzungsverordnung (BauNVO)
247
17.2.3.3 Ist das Baurecht autoorientiert? Überreste der Reichsgaragenordnung
im deutschen Baurecht und ihre Auswirkung auf den Flächenverbrauch
in Wohngebieten
249
17.3
Entwicklungslinien in Stadt- und Raumplanung
251
17.3.1
Städtebauliche Leitbilder
251
17.3.1.1 Die Gartenstadt
251
17.3.1.2 Trennung der Funktionen und Nutzungen
253
17.3.1.3 Städtebauliche Prinzipien und Tendenzen im Nationalsozialismus
254
17.3.2
Entwicklungen in der Stadt-, Raum- und Verkehrsplanung vor dem
Hintergrund der Suburbanisierung
255
17.3.2.1 Verlauf der Suburbanisierung (alte Bundesländer)
255
17.3.2.2 Kennzeichen und Auswirkungen der Suburbanisierung
257
17.3.2.3 Ursachen der Suburbanisierung
258
17.3.2.4 Zusammenhänge zwischen disperser Siedlungsstruktur, Verkehr und Umwelt
259
17.3.2.5 Suburbanisierungsprozesse im Rahmen der Darstellung
von Siedlungsstrukturtypen
261
17.3.3
Der steigende Motorisierungsgrad und seine Auswirkungen
auf die Raumplanung
262
17.3.3.1 Bedeutungswandel des Automobils in der Stadt- und Raumplanung
262
17.3.3.2 Ursachen für den Bedeutungszuwachs des Kfz nach dem Zweiten Weltkrieg
264
17.4
Bedeutung der Verkehrsträger Straße und Schiene
in der Raumplanung
267
17.4.1
Einflussgrößen auf die Berücksichtigung des Straßenbaus
in der Raumplanung
267
17.4.2
Verkehrsträgerneutrale Infrastrukturpolitik? Beurteilung durch das
bahnpolitische Umfeld und Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG
268
17.4.2.1 Einschätzung durch Wirtschaftsverbände und den ADAC
269
17.4.2.2 Einschätzungen durch bahnaffine politische Akteure
271
17.4.2.3 Einschätzung durch Mitarbeiter von Verwaltungen
274
17.4.2.4 Einschätzungen durch Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG
276
17.4.2.5 Zusammenfassung und Bewertung
276

Titel und Inhalt
Seite 10
18
Infrastrukturelle Rahmenbedingungen des Wettbewerbs
zwischen Straße und Schiene
279
18.1
Planung der Straßeninfrastruktur in der Bundesrepublik
Deutschland
279
18.1.1
Planungsebenen und Verwaltungen
279
18.1.2
Planungsinstrumente
280
18.1.3
Die Planfeststellung beim Straßenbau
282
18.1.4
Ergänzende Planungsinstrumente
282
18.1.5
Widmung nach Straßenrecht
283
18.1.6
Gestaltung des Straßennetzes
284
18.1.7
Die Straßenbaulast
286
18.2
Planung von Schienenstrecken
289
18.2.1
Planungsebenen
289
18.2.2
Die Planfeststellung beim Bau von Betriebsanlagen der Deutschen Bahn AG
und von anderen Eisenbahnen
289
18.2.3
Widmung von Schienenverkehrsanlagen
291
18.2.4
Gestaltung des Schienennetzes
291
18.2.4.1 Struktur des Schienennetzes und des Schienenverkehrsangebotes
291
18.2.4.2 Strategie ,,Netz 21"
296
18.2.4.3 Elektrifizierung des Schienennetzes ­ Vergleich mit der Schweiz
297
18.3
Vergleich der Verkehrsnetze von Schiene und Straße
299
18.3.1
Prinzipielle Bedeutung von Verkehrsnetzen
299
18.3.2
Quantitativer Vergleich
300
18.3.3
Qualitativer Vergleich
302
18.3.4
Vergleich der Ausbauplanungen des Autobahnnetzes und des elektrifizierten
Schienennetzes in den 60er Jahren
304
18.4
Finanzierung und Planung der Verkehrswege
306
18.4.1
Finanzierung der Straßen des Bundes
306
18.4.2
Planung der Bundesfernstraßen
306
18.4.2.1 Systematik der Bundesverkehrswegeplanung
306
18.4.2.2 Einflussnahmemöglichkeiten auf die Bundesverkehrswegeplanung
308
18.4.2.3 Ausblick auf den Bundesverkehrswegeplan 2003
309
18.4.3
Straßenbau in den Kommunen
310
18.4.3.1 Finanzielle Förderung des kommunalen Verkehrswegebaus
bis zum Steueränderungsgesetz 1966
310
18.4.3.2 Förderung nach 1966
311
18.4.3.3 Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG)
312
18.4.4
Finanzierung der Schienenwege des Bundes
313
19
Willensbildungsprozesse und Akteure in der Bauleitplanung
313
19.1
Planung auf der Ebene der Städte und Gemeinden
313
19.1.1
Die Bauleitplanung
313
19.1.2
Politische Akteure im Prozess der Bauleitplanung
314
19.1.3
Zusammenwirken mit höheren Planungsebenen
317
19.1.4
Bedeutung der Bauleitplanung
318
19.1.4.1 Bauleitplanung als Raumordnung auf der untersten Planungsebene
318

Titel und Inhalt
Seite 11
19.1.4.2 Zusammenhänge zwischen der Baulandentwicklung und der Nutzung des
Schienenverkehrs
319
19.1.5
Beurteilung des Erschließungsrechts im Hinblick auf die Anbindung von
Baugebieten an öffentliche Verkehrsmittel
322
19.2
Rahmenbedingungen für die Beeinflussung raumordnungs-
politischer Prozesse im Interesse des Schienenverkehrs
322
19.2.1
Stellenwert lokaler Präsenz für die Lobbyarbeit auf den unteren
Politikebenen: Einschätzungen im bahnpolitischen Umfeld
323
19.2.2
Stellenwert der Nachhaltigen Entwicklung in der Raumordnung
und in der politischen Praxis
327
19.2.2.1 Grundzüge nachhaltiger Raumordnung
327
19.2.2.2 Einschätzungen im bahnpolitischen Umfeld
328
19.2.3
Schlüsselakteure für die raumordnungspolitische Lobbyarbeit am Beispiel
des Straßen- und Schienenbaus: Einschätzungen im bahnpolitischen Umfeld
331
20
Siedlungsstrukturentwicklung und ihre Auswirkungen
auf den Verkehrsbereich
337
20.1
Einflussgrößen auf die Entwicklung der Siedlungsstruktur
337
20.1.1
Einflüsse der Baulandpreise: Bodenrentenmodell
337
20.1.1.1 Grundzüge und Hintergrund des Modells
337
20.1.1.2 Auswirkung der Qualität des Verkehrssystems auf
Wohnstandortwahlentscheidungen
339
20.2
Raumordnungskonzepte und ihre Umsetzung in der Praxis
341
20.2.1
Das Konzept der zentralen Orte
341
20.2.1.1 Grundelemente des Modells
341
20.2.1.2 Praktische Umsetzung und Bedeutung
341
20.2.2
Das Entwicklungsachsenkonzept
343
20.2.2.1 Das Modell
343
20.2.2.2 Das Modell in der Praxis: Siedlungsstrukturentwicklung
in den Einzugsgebieten von Schienenverkehrshaltepunkten und
entlang von Entwicklungsachsen
345
20.2.3
Wirksamkeit der Entwicklungsachsen in der Praxis
350
20.2.3.1 Gesetzliche Regelungen und kommunale Entwicklung
350
20.2.3.2 Umsetzung landes- oder regionalplanerischer Zielsetzungen in der
Bauleitplanung: Beurteilung von Einflussgrößen im bahnpolitischen Umfeld
353
20.3
Bedeutung von Bahnhöfen und Haltepunkten für die
Siedlungsentwicklung
354
20.4
Der Erschließungsbegriff ...
354
20.4.1
... in der Theorie
354
20.4.2
... in der Praxis der Erschließung von Bauland
356
20.4.3
Einschätzungen der verkehrlichen Erschließung von Bauland in der Praxis
im bahnpolitischen Umfeld
357
20.4.3.1 Statements der Gesprächspartner aus dem Bereich ,,Wirtschaft"
357
20.4.3.2 Statements der Gesprächspartner aus dem Bereich ,,Verwaltung"
359
20.4.3.3 Statements der Vertreter aus dem Bereich ,,bahnaffine Verbände"
362
20.4.3.4 Statements von Mitarbeitern der DB AG
365
20.4.3.5 Zusammenfassung und Bewertung
366

Titel und Inhalt
Seite 12
20.5
Umlagefähigkeit der Kosten für Wege zu Haltepunkten des
Schienenverkehrs
außerhalb von ausgewiesenen Bauland
369
20.5.1
Derzeitige Vorschriften über die Erhebung des Erschließungsbeitrages
369
20.5.2
Änderungsvorschlag
371
21
Anforderungen an Handlungsoptionen zur Beeinflussung
raumordnungspolitischer Rahmenbedingungen im Interesse
von Schienenverkehrsunternehmen
371
21.1
Der Kern: Prozessdarstellung
372
21.2
Harte Faktoren
376
21.2.1
Organisation
376
21.2.2
Unternehmenskonzept
376
21.2.3
Präsenz auf allen politischen Ebenen und in allen relevanten Arenen
377
21.3
Weiche Faktoren
377
21.3.1
Dialogorientiertes Kommunikationsverhalten
378
21.3.2
Systematische Pflege von Beziehungsnetzwerken
378
21.3.3
Kooperation
379
21.3.4
Positive Grundeinstellung zum eigenen Verkehrsmittel
379
21.3.5
Offensives Eintreten für die Stärken des eigenen Verkehrsmittels
380
21.4
Exkurs: Strategische Öffentlichkeitsarbeit
in der Automobilindustrie
380
21.4.1
Zielsetzung
380
21.4.2
Kritik am Automobil und an den Automobilherstellern
381
21.4.3
Reaktion: Strategische Öffentlichkeitsarbeit
382
21.5
Handlungsoptionen
383
21.6
Motivation für verstärktes Engagement im Politikfeld
Raumordnung
385
Teil 5: Schluss
22
Zusammenfassung und Ausblick
387
Anhang
393
Lebenslauf
396
Verzeichnis der Abbildungen
397
Verzeichnis der Tabellen
398
Abkürzungsverzeichnis
399
Literaturverzeichnis
406

Vorwort und Danksagung
Nach etwas mehr als drei Jahren Bearbeitungszeit konnte ich eine Untersuchung vor-
legen, die im Laufe ihrer Entstehungsgeschichte ein Ausmaß an Komplexität angenommen
hat, das ich noch im Frühjahr 1998 nicht für möglich gehalten hatte. Zunächst war ich mit der
Absicht gestartet, die Entstehungsgeschichte von Wettbewerbsverzerrungen auf dem Ver-
kehrsmarkt nachzuzeichnen und die Verantwortlichen dafür ausfindig zu machen. Kurz: Es
sollte dargestellt werden, wer im Verkehrsbereich die Lobbyarbeit macht. Im Laufe meiner
Untersuchungen stellte sich aber rasch heraus, dass ich mir eine höchstsensible Materie zur
näheren Analyse ausgesucht hatte. Die Natur von politischen Einflussnahmeversuchen ist eine
sehr sensible: Schriftliche Aufzeichnungen gibt es kaum welche und offizielle Sprachregelun-
gen von Politikakteuren unterscheiden sich von Aussagen, die im Vertraulichen gemacht wer-
den. In erster Linie waren es drei wesentliche Entwicklungen, die mir es ermöglichten, statt
einem Haufen leerer Blätter die vorliegende Arbeit der Leserin und dem Leser zu präsentie-
ren: Zum ersten erhielt ich in der Stabsstelle für Umweltschutz im Unternehmensbereich Per-
sonenverkehr der Deutschen Bahn AG alle nur denkbare Unterstützung, um meine auf den
ersten Blick etwas ,,exotische" Untersuchung voranzutreiben. Mein besonderer Dank gilt hier
meinen Betreuern, Herrn Werner Ried und Heinrich Strößenreuther sowie Herrn Rolf Rochau,
dem Leiter der Stabsstelle für Umweltschutz. Diese Herren gaben im Rahmen vieler Gesprä-
che und Diskussionen eine ganze Reihe von wertvollen und konstruktiven Anregungen. Diese
bahninterne Sichtweise wurde ergänzt durch den Input von Prof. Dr. Heiner Monheim, mei-
nem Doktorvater. Er motivierte mich (am Rande diverser verkehrspolitischer Fachtagungen
wurde Herr Prof. Monheim als ,,utopistisch", ,,verrückt" oder ,,realitätsferner Theoretiker"
bezeichnet ­ ich erhebe Einspruch!) immer wieder und ermunterte mich unter anderem dazu,
eine Analyse des verkehrspolitischen Umfelds der Bahn durchzuführen. Schließlich waren es
meine fast 50 Gesprächspartner, die entweder dem verkehrspolitischen Tagesgeschäft ver-
haftet sind, oder auf eine zum Teil mehrere Jahrzehnte lange Erfahrung auf diesem Gebiet
verfügen. Kurz: Ich hatte die Gelegenheit, mit ,,Praktikern im verkehrspolitischen Lobbying"
zu sprechen. So ist es gekommen, dass eine Arbeit vorgelegt werden konnte, die zahlreiche
praktische Erfahrungen aus dem Bahnumfeld berücksichtigt. Hiermit möchte ich mich bei
allen meinen Gesprächspartnern bedanken.
Besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Harald Spehl (Uni Trier), der freundlicherweise
die Zweitkorrektur übernahm, sowie Frau Prof. Dr. Ulrike Sailer, die meine Disputation pro-
fihaft moderierte. Aber auch neben den genannten Personen gab es eine ganze Reihe von
wichtigen Schlüsselpersonen, ohne die es die vorliegende Untersuchung in dieser Form wohl
nicht gegeben hätte. Mein Freundin, Frau Bettina Böhm, half mir über das eine oder andere
Motivationsloch hinweg. Meine Eltern waren dankbare Gesprächspartner, wenn es darum
ging, die Existenz der ,,Deutschen Bundesbahn" auch im Jahre 2001 vehement zu bestreiten.
Frau Hilde Scholz, Frau Rosi Wirth, Herr Manfred Grumbt (der am 31.08.2002 sein 50-
jähriges Eisenbahnjubiläum feiert), Herr Fritz Arndt, Herr Bernd Rogahn, Herr Albert Wull-
horst, Herr Franco Lippolis, Herr Dr. Jürgen Heyn: Meine Ex-Kolleginnen und Kollegen ha-
ben mich von ihren langjährigen Bahn-Erfahrungen profitieren lassen und zahlreiche Anre-
gungen in die vorliegende Arbeit eingebracht. Was bleibt, ist die Unsicherheit, jemanden ver-
gessen zu haben. Dies wird ein wenig durch die Gewissheit gemildert, dass die vorliegende
Doktorarbeit das Ergebnis eines mehr als drei Jahre langen Teamworks ist.
Da zahlreiche Anregungen aus der Praxis in diese Arbeit eingeflossen sind, habe ich
die Hoffnung, dass der eine oder andere Vorschlag von Vertretern des Systems Schiene (im
Allgemeinen) oder der Deutschen Bahn AG (im Speziellen) aufgegriffen und in die verkehrs-
politische Diskussion eingebracht wird.
Michael Hölzinger, 30. Mai 2002

Abstract
Since the 19. century railway developed to the most important ground traffic system with an
overwhelming social significance. At the beginning of the 20. century privat rail societies had only
few influence in the traffic policy of the german government. The nationalization of railway-concerns
was the normal case. Pressure groups, who provided the policy of nationalization by the cancellor
Bismarcks, earned a lot of profits therefore. The public monopoly hindered private narrow-gauge rail-
ways and producedin the railway system a lot of interruptions in the traffic-chain of railway. The poli-
tical influence of the nationalized railway restricted itself to defensive actions with the object of pro-
tection its dominating position in the traffic sector.
Members of car pressure groups took succesfully influence on the government and presented
plans of an german motorway system. Despite of the affords of the Deutsche-Reichsbahn-Gesellschaft
to hinder the concurrence of motorcars an trucks, private cars had been more and more popular. The
nazi-government of Hitler promoted private cars and started the construction of the german motorway
web - which was supported by the Deutsche Reichsbahn. After the 2nd World War the dualistic orga-
nization of the traffic market still existed. The influence of car pressure groups in the public traffic
policy Car grew very rapid. The authority ,,Bundesbahn" tried not to influence public traffic policy.
The lobbying of car and streetbuilding pressure groups was very successful(Example: introduction of
the Kilometerpauschale). Freight traffic policy still was protection of the Bundesbahn. Private freight
street traffic was hindered. With the beginning of the work of the "Regierungskommission Bundes-
bahn" members of train pressure groups influenced active an constructively an important process of
the german traffic policy.
Public relations policies of modern large-scale enterprises are dialogue- orientated. A lot of
workers of the DB AG and also a lot of politicals in germany are in the year 2001 acting, as if the
"Bundesbahn" still exists. This is an important reason for many misunderstandings between the lea-
dership of the private DB AG and politic actors in the traffic policy sector. On a longterm basis this
could be a risk for the success of the DB AG.
In the political sector of regional planning exist a lot of prevailing conditions who, are influen-
cing the competitin ability of the Deutsche Bahn AG. There are many models and objectives in regio-
nal development plans in germany which should have restrictid the increase in population in the sur-
rounding area of stops of railways, but the realization of this had hardly success. Especially in the
Baugesetzbuch are a lot of regulations which support privat cars. The qualities of the motorcar- an the
railway-system are very different. This is corresponding to the political influence of car pressure
groups and train pressure groups.
Targets of the influencing the political sector regional planning are(against the background of
traffic moving from the street to public traffic and railways), to enlarge the accessibility of railway
stops and to concentrated the future growth of population in the catchment area of connections to the
railway system. This is a strategic objetive, that influences the longterm success of railway concerns.
With a lobbying-concept measures in the political sector of regional planning can be planned systemi-
cally. The proposed concept ist influenced by de development of the historic conditional terms of the
traffic system, furthermore a lot of practical experience - generated in nearly 50 interviews with politi-
cal actors in germany (traffic policy and regional planning) - had been considered.

Zusammenfassung
Die Eisenbahn entwickelte sich im 19. Jahrhundert zum bedeutendsten Landverkehrsträger mit
überragender gesellschaftspolitischer Bedeutung. An der Schwelle zum 20. Jahrhundert war der ehe-
mals starke Einfluss privater Eisenbahnunternehmen nur noch gering. Verstaatlichte Bahnen waren der
Regelfall. Interessengruppen, die die Verstaatlichungspolitik Bismarcks gefördert hatten, wurden dafür
belohnt. Das Staatsmonopol behinderte private Kleinbahnen und produzierte im System Schiene viele
Transportkettenbrüche. Die politische Einflussnahme der verstaatlichten ­ später verreichlichten ­
Bahnen beschränkte sich auf defensive Maßnahmen mit der Zielsetzung, Besitzstände zu wahren.
Die Vertreter des aufstrebenden Kfz nahmen offensiv auf die politische Spitze Einfluss, um ih-
re Ideen und Pläne (z. B. von einem gesamtdeutschen Autobahnnetz) voranzubringen. Trotz der Be-
hinderung durch die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft wurde das Kfz immer populärer. Im Dritten
Reich setzte die Naziregierung auf das Auto und ließ ­ mit maßgeblicher Unterstützung durch die
Reichsbahn ­ den Grundstein für das deutsche Autobahnnetz legen. Nach dem Zweiten Weltkrieg
blieb die dualistische Verkehrsmarktordnung bestehen. Auto- und straßenbauaffine Verbände erlang-
ten immer größeren Einfluss auf die deutsche Verkehrspolitik. Die Behörde ,,Bundesbahn" verhielt
sich vergleichsweise passiv und setzte fast keine eigenen offensiven Akzente in wichtigen verkehrs-
politischen Prozessen. Die Auto- und Straßenbaulobbyarbeit war sehr erfolgreich (Beispiele: Einfüh-
rung der Kilometerpauschale, Zweckbindung des Mineralölsteueraufkommens für den Straßenbau).
Verkehrspolitik gab es im Bereich des Güterverkehrs immer noch eine Schutzpolitik für die Schiene,
die sich in zahlreichen Behinderungen für den gewerblichen Straßengüterverkehr ausdrückte. Erst mit
den Arbeiten der Regierungskommission Bundesbahn gelang es Interessenvertretern der Eisenbahn,
offensiv und aktiv an einem wichtigen verkehrspolitischen Prozess mitzuwirken.
Kennzeichen der Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit von modernen Großunternehmen ist ihr di-
alogorientierter Charakter. Auf Seiten vieler Mitarbeiter der DB AG aber auch bei vielen politischen
Entscheidern herrscht auch im Jahr 2001 noch ,,Bundesbahndenken" vor. Dies führt beim Auftreten
der DB AG im politischen Raum häufig zu Erschwernissen und Missverständnissen. Diese können
mittel- und langfristig zu negativen Folgen für den Unternehmenserfolg der DB AG führen.
Im Politikfeld Raumordnung finden sich zahlreiche Rahmenbedingungen, die sich auf die
Wettbewerbsfähigkeit der DB AG nachteilig auswirken. Zwar gibt es raumordnerische Leitbilder und
Zielsetzungen, die die Bevölkerungsentwicklung vor allem in die Nähe von Haltepunkten und Achsen
des Schienenverkehrs steuern wollen. Die Umsetzung dieser Zielsetzungen mit Hilfe raumordnerischer
Instrumente gelang in den letzten Jahrzehnten nur äußerst begrenzt. Darüber hinaus sind das Bauge-
setzbuch ­ im Zusammenwirken mit weiteren Rahmenbedingungen, wie z. B. der immer noch gültigen
Reichsgaragenordnung ­ einseitig autoorientiert. Die Netz- bzw. Systemqualität der Verkehrsträger
Straße und Schiene ist höchst unterschiedlich. Dies führt zu erheblichen Konsequenzen für die jewei-
lige politische Einflussnahme.
Ziele der politischen Einflussnahme im Politikfeld Raumordnung sind (vor dem Hintergrund
einer Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene, bzw. auf den Umweltverbund), die Zu-
gangszeit für größere Teile der Bevölkerung zum System Schiene zu verringern und die Bevölke-
rungsdichte im Einzugsbereich von Zugangspunkten zum System Schiene zu erhöhen. Dies ist eine
strategische Zielsetzung, die langfristig den wirtschaftlichen Erfolg von Schienenverkehrsunternehmen
beeinflusst. Mit einem Lobbykonzept können die Maßnahmen in diesem Politikfeld systematisch ge-
plant werden. In das entsprechende Konzept gehen Erkenntnisse aus der historischen Analyse der
Entwicklung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen genauso ein wie die Ergebnisse einer Ana-
lyse im bahnpolitischen Umfeld, die von Oktober 2000 bis Januar 2001 durchgeführt wurde.

Teil 1: Einleitung und Methodik
Seite 13
1
Einleitung
Weite Teile der Gesellschaft leiden unter den Wirkungen des Verkehrs. Vor allem der
Straßenverkehr, der am Verkehrsaufkommen den weitaus größten Anteil hat, sorgt für Lärm,
Luftverschmutzung nicht nur in den Großstädten, sondern auch in Klein- und Mittelstädten
sowie in den angrenzenden Regionen. Die Zukunftsprognosen lassen Schlimmes befürchten.
2000
2010
Pkw ­ Verkehrsleistung
3850 Mrd. Pkm
4420 Mrd. Pkm
ÖPNV ­ Verkehrsleistung
53 Mrd. Pkm
62 Mrd. Pkm
Autobestand in der EU
171 Mio.
1
198 Mio.
Lastwagenbestand EU
21 Mio.
25 Mio.
Modal-Split im Personenverkehr
Pkw: 83,3 %
Stadtbahn: 1,1%
Bahn: 6,7
%
2
Busse 9,1 %
Pkw: 83,1 %
Stadtbahn: 1,2%
Bahn: 6,9 %
Busse 8,7 %
Tabelle 1: Entwicklung einiger Kennzahlen im Verkehrsbereich bis 2010
3
Die Anteile der Eisenbahn am Personen- und am Güterverkehrsaufkommen waren in
früheren Zeiten deutlich höher. Heute fristen die Verkehrsträger des Umweltverbunds
4
scheinbar ein Statistendasein. Schlagworte wie ,,Nachhaltige Entwicklung", ,,Agenda 21"
5
oder ,,In die Stadt ohne mein Auto
6
" zeigen, dass die Diskussion über eine umweltverträgli-
chere Verkehrsabwicklung in der Öffentlichkeit mehr und mehr Raum einnimmt. Auch der
politische Streit um die Öko-Steuer im Zusammenhang mit der Entwicklung der Preise für
fossile Energieträger scheint diese Diskussion zusätzlich angefacht zu haben.
7
Daher scheint
es sinnvoll, sich über die Zusammensetzung des Modal Split Gedanken zu machen. Sollte es
gelingen, größere Verkehrsanteile auf umweltfreundlichere Verkehrsträger zu verlagern, er-
höhen sich die Chancen, dass die Umweltbelastungen des Verkehrs verringert werden können.
Dies führt zur Frage, ob die politischen Rahmenbedingungen Einfluss auf die jeweiligen
Marktchancen der Verkehrsträger Straße und Schiene haben. Wenn dies bejaht werden kann,
folgt daraus, dass es (im Hinblick auf die Reduktion der Umweltbelastungen des Verkehrsbe-
reichs) sinnvoll erscheint, die für die Wettbewerbsfähigkeit umweltfreundlicher Verkehrsträ-
ger relevanten politischen Rahmenbedingungen in deren Sinne positiv zu beeinflussen.
Mit dieser Fragestellung befasst sich die vorliegende Arbeit. Im historischen Rück-
blick wird untersucht, welche Bedeutung politische Rahmenbedingungen für die Wettbe-
werbsfähigkeit von Schiene und Straße hatten. Darüber hinaus wird analysiert, welche (er-
1
Im Jahr 1999.
2
Überörtlicher Bahnverkehr.
3
Quelle: Süddeutsche Zeitung, 22. 9. 2000, Seite 2. Es wird Bezug auf den Europäischen Verkehrsreport der
Prognos AG genommen.
4
Öffentlicher Personennahverkehr auf der Schiene und auf der Straße, Schienenpersonenfernverkehr, Fahrrad-
verkehr, Fußverkehr.
5
1992 in Rio verabschiedetes (unverbindliches) Aktionsprogramm zur Umsetzung der Rio-Deklaration über
Umwelt und Entwicklung, das u. a. eine nachhaltige umweltschonende Planung und Bewirtschaftung der
Landesressourcen fordert. Gemäß Art. 28 soll in den Städten und Gemeinden bis 1996 ein Konsens über ei-
nen kommunalen Aktionsplan (lokale Agenda 21) erzielt werden. Vgl. UBA: Glossar der raumbezogenen
Umweltplanung; Berlin 1995.
6
Motto einer landesweiten Aktion in Frankreich, an der sich auch italienische und schweizerische Kommunen
beteiligen.
7
Diese Diskussion war in nahezu allen deutschsprachigen Tageszeitungen in der zweiten Hälfte des Jahres
2000 zu verfolgen.

Teil 1: Einleitung und Methodik
Seite 14
folgreichen oder weniger erfolgreichen) Einflussnahmeversuche auf verkehrspolitische Rah-
menbedingungen von den einschlägigen Interessenvertretern der Verkehrsträger unternom-
men worden sind. Anschließend wird am Beispiel des Politikfeldes ,, Raumordnung" darge-
stellt, welche Bedeutung die dortigen Rahmenbedingungen für die beiden Verkehrsträger
Straße und Schiene haben. Schließlich werden Handlungsoptionen vorgeschlagen, wie rele-
vante raumordnungspolitische Rahmenbedingungen beeinflusst werden können.
2
Untersuchungsbereich und Zielsetzung der Arbeit
In dieser Arbeit wird der Entwicklungsgang zweier Verkehrsträger im Laufe der letz-
ten fast 200 (Eisenbahn), bzw. 100 Jahre (Kfz-Verkehr) nachgezeichnet. Dabei geht es nicht
um eine historische Nacherzählung, auch wenn auf historische Entwicklungen im Verkehrsbe-
reich Bezug genommen werden wird. Vielmehr wird die Geschichte der beiden Verkehrsträ-
ger Schiene und Straße unter einem besonderen Blickwinkel analysiert. Es geht darum, wel-
che Anstrengungen unternommen worden sind, um die jeweils geltenden politischen Rah-
menbedingungen aktiv zu beeinflussen. Der zeitliche Untersuchungsbereich der vorliegenden
Arbeit wird daher von der historischen Entwicklung der Verkehrsträger Schiene und Straße
gebildet. Um der Neigung, noch nicht abgeschlossene Vorgänge untersuchen zu wollen, nicht
zu erliegen, endet die historische Betrachtung mit dem 31. 12. 1993, dem Beginn der 1. Stufe
der Bahnreform.
8
Bei den durchgeführten Expertengesprächen konnte diese zeitliche Be-
schränkung nicht aufrecht erhalten werden. Sie erschien aber auch nicht sinnvoll. Der Grund:
Zahlreiche der befragten Expertinnen und Experten nahmen auf aktuelle Entwicklungen Be-
zug. Unter dem Fokus der Handlungsmöglichkeiten im Politikfeld ,, Raumordnung" wurde
darauf auch besonderer Wert gelegt.
Lobbying mit dem Ziel, politische Rahmenbedingungen zu beeinflussen, bildet den
politikwissenschaftlich-sachlichen Untersuchungsbereich dieser Arbeit. Da aber alle Theorie
grau ist, sollen die gewonnenen Erkenntnisse aus der Historie auf einen praktischen Bereich
übertragen werden. Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit wendet sich somit dem Bereich der
Raumordnung, bzw. der Raumordnungspolitik, zu. Untersucht wird, wie sich diejenigen poli-
tischen Rahmenbedingungen entwickelt haben, die sich vor allem auf
Raumplanung,
Siedlungsentwicklung und
Verkehrsentwicklung
ausgewirkt haben und diese Bereiche immer noch beeinflussen. Die Wirkungen der
raumordnungspolitischen Rahmenbedingungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Verkehrs-
träger Schiene und Straße bilden den geowissenschaftlich-sachlichen Untersuchungsbereich
im vierten Teil dieser Arbeit.
8
Auf diese Gefahr weist PRITTWITZ hin. Vgl. von Prittwitz, Volker: Politikanalyse; Opladen 1994, Seite
212f. Falls auf noch nicht abgeschlossene Entwicklungen im historischen Teil Bezug genommen wird, so
werden diese von den abgeschlossenen Entwicklungen abgegrenzt.

Teil 1: Einleitung und Methodik
Seite 15
3
Methodik der Arbeit
3.1
Teil II ­ Historische Entwicklung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen
Ein Schwerpunkt der historischen Analyse liegt bei der Betrachtung des Bedeutungs-
wandels der Verkehrsträger Schiene und Straße seit ca. 1820 in Politik und Gesellschaft Der
Fokus ist vor allem gerichtet auf
politische Entscheidungen, die bedeutsam für die weitere Entwicklung der Verkehrsträger Schiene und Stra-
ße waren (verkehrspolitische Rahmensetzungen);
das Verhalten relevanter gesellschaftlicher Akteure, die mit den betrachteten verkehrspolitischen Weichen-
stellungen in Zusammenhang stehen (hier insb. die dabei zu beobachtenden Formen von Lobbyarbeit);
die Entwicklung verkehrsträgerspezifischer Kenngrößen, damit die Auswirkungen der verkehrspolitischen
Weichenstellungen ggf. den jeweiligen politischen Rahmensetzungen zugeordnet werden können;
Die historische Analyse beginnt in der Frühzeit des Eisenbahnwesens, durchläuft die
Phase der Privat- und der Länderbahnen bis zu den verstaatlichten Bahnen (Deutsche Reichs-
bahn und später Deutsche Bundesbahn). Im Bereich des motorisierten Straßenverkehrs wer-
den dazu parallel die Anfänge und Entwicklungen bis zur Dominanz im Verkehrsbereich be-
trachtet. Aus der Analyse soll geschlussfolgert werden, welchen Einfluss bestimmte Lobby-
maßnahmen auf die Entwicklung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen im Ablauf
hatten, wer die agierenden gesellschaftlichen Gruppierungen waren, welche verkehrspoliti-
schen Interessen diese Gruppen hatten und wie sich deren Interessen in den sich immer weiter
entwickelnden verkehrspolitischen Rahmenbedingungen niedergeschlagen haben. Es wird
untersucht, in welchem Ausmaß den zu beobachtenden Lobbyaktivitäten strategische oder
kurzfristige Zielsetzungen im jeweiligen Akteursinteresse zugrunde lagen. Schließlich werden
die Wirkungen verkehrspolitischer Entscheidungen, die unter Einfluss der jeweils herrschen-
den Doktrin
9
in der Verkehrspolitik getroffen worden sind, auf bestimmte Aspekte der Raum-
ordnung betrachtet.
10
Abschließend soll aufbauend aus den Ergebnissen der historischen A-
nalyse geprüft werden, welche strategischen Grundhaltungen bei den betrachteten verkehrs-
politischen Akteuren zu beobachten waren und welche Erfolge bzw. Misserfolge sie im Ver-
kehrsbereich vor dem Hintergrund dieser Grundhaltungen erzielt haben.
3.2
Teil III ­ Lobbyarbeit im politischen Prozess
In Teil III werden die theoretischen Grundlagen des politischen Phänomens ,, Lobbyar-
beit" aufgearbeitet. Aufbauend auf einer Literaturrecherche werden die politikwissenschaftli-
chen Parameter des Lobbyings aufgearbeitet und in die analytischen Politikdimensionen
11
eingeordnet. Die theoretischen Ausführungen werden durch praktische Untersuchungsergeb-
9
Doktrin = etwas, was als Grundsatz gilt, vgl. Duden ­ Das Fremdwörterbuch, 6. Auflage 1997. Wenn hier
von einer ,, Doktrin in der Verkehrspolitik" gesprochen wird, so geht es also auch um die Frage, ob verkehrs-
politische Entscheidungen tendenziell eher die beiden betrachteten Verkehrsträger gleichmäßig und ausgegli-
chen behandelt haben, oder ob einer von beiden Verkehrsträger in den jeweiligen grundsätzlichen verkehrs-
politischen Zielsetzungen bevorzugt behandelt worden ist.
10
Dies führt (überleitend zu Teil IV) zu der Frage, in welchem Ausmaß die jeweiligen verkehrspolitischen
Akteure z. B. Umweltaspekte, Kriterien der Nachhaltigkeit oder der Siedlungsentwicklung im Verhältnis
zum originären Gruppeninteresse bewertet haben
11
Der ,, mehrdimensionale Politikbegriff" umfasst nach PRITTWITZ die Dimension des öffentlichen Handelns,
die Dimension des konflikthaften Prozesses und die institutionelle Politikdimension. Vgl. von Prittwitz, Vol-
ker: Politikanalyse; Opladen 1994, Seite 11f. Ausführlicher dazu in Teil III.

Teil 1: Einleitung und Methodik
Seite 16
nisse ergänzt. Dabei wird auf Befragungen von Lobbyakteuren, die im Rahmen von Habilita-
tionen oder Dissertationen durchgeführt wurden, und auf die dokumentierten Erfahrungen
politischer Akteure zurückgegriffen. Viele Formen von Lobbyarbeit werden nicht schriftlich
dokumentiert und sind und daher schwer zugänglich. Ergänzt werden die Ausführungen in
diesem Teil der Arbeit durch Ergebnisse eigener Befragungen
.
3.3
Teil IV ­ Rahmenbedingungen und Handlungsoptionen im Politikfeld
Raumordnung
Aufbauend auf den beiden vorangehenden Teilen werden am Beispiel des Politikfeldes
Raumordnung folgende Themenschwerpunkte gesetzt
:
Welche Prinzipien und Leitbilder mit Auswirkungen auf den Verkehrsbereich sind für den Bereich Raumord-
nung charakteristisch?
Was sind die wichtigsten verkehrsrelevanten politischen Rahmenbedingungen im Bereich der Raumordnung?
Welches Instrumentarium steht der Raumordnungspolitik zur Beeinflussung der Verkehrswirkungen zu Verfü-
gung?
Welche raumordnungspolitischen Ebenen verfolgen welche Zielsetzungen und wer sind die relevanten politi-
schen Akteure?
Welche Formen von Lobbying können auf den verschiedenen politischen Ebenen beobachtet werden?
Welche Möglichkeiten ergeben sich, die verkehrsrelevanten politischen Rahmenbedingungen im Bereich der
Raumordnung im Sinne einer ökologisch verträglicheren Verkehrspolitik zu beeinflussen?
Wie können raumordnungspolitische Zielsetzungen innerhalb einer Lobbystrategie für den Schienenverkehr
umgesetzt werden?
12
Tabelle 2: Fragestellungen bei der Untersuchung des Politikfelds Raumordnung
Aus diesen Hauptfragen leiten sich dann weitere Fragen und Aspekte ab, auf die in
diesem Teil näher eingegangen wird. Geleitet wird diese Vorgehensweise, von der Überzeu-
gung, dass in Abhängigkeit von den jeweils betrachteten politischen Ebenen auch jeweils ent-
sprechende politische Zielsetzungen verfolgt werden. Da auf verschiedenen politischen Ebe-
nen unterschiedliche politische Akteure wirken und teilweise auch andere Themen auf der
Agenda stehen, erscheint es geboten, den Einsatz der Instrumente des Lobbying differenziert,
das heißt, entsprechend der jeweiligen politischen Ebene zu untersuchen.
3.4
Charakter dieser Arbeit
Aufgrund des interdisziplinären Untersuchungsfeldes dieser Arbeit stand der Autor vor ei-
nem Dilemma: Sollten möglichst viele relevante Aspekte bei der Bearbeitung der Thematik be-
rücksichtigt werden, bestand die Gefahr, viele Aspekte nur oberflächlich zu behandeln. Anderer-
seits gab es die Option, nur begrenzt viele Aspekte zu behandeln. Diese Vorgehensweise barg
jedoch die Gefahr in sich, wichtige Entwicklungen nicht oder nur völlig unzureichend zu berück-
sichtigen. Letztendlich wurde bei der Bearbeitung des vorliegenden Themas ein Mittelweg ge-
wählt: In einem Großteil der vorliegenden Arbeit wurde auf eine gewisse Art und Weise ein
,, Rundumschlag" durchgeführt. Dies trifft vor allem auf den Teil II (,, Historie" ) zu. In Teil III
(,, Lobbyarbeit im politischen Prozess" ) sind die Darstellungen im Allgemeinen relativ knapp. Die
12
Der Schwerpunkt wird hier auf eine Lobbyingstrategie gelegt, die auf eine Verbesserung der raumordnungs-
politischen Rahmenbedingungen für den Schienenverkehr und den sonstigen ÖPNV abzielt.

Teil 1: Einleitung und Methodik
Seite 17
Abschnitte ,, Kommunikation moderner Großunternehmen" und ,, Einflussnahme auf politische
Prozesse" gehen jedoch detaillierter auf die untersuchte Thematik ein. In Teil IV erfolgt ein
Streifzug durch die Raumordnung, wobei aber besonders diejenigen Aspekte ausführlich behan-
delt werden (z. B. Netzwirkungen der Verkehrsträger), die direkte oder auch mittelbare Auswir-
kungen auf die Wettbewerbsfähigkeit von Straße und Schiene entfalten. Am Ende werden dann
einige Vorschläge für systematisches Lobbying dargestellt.
Der Leser, der über einschlägige Fachkenntnis verfügt, sei hiermit um Nachsicht gebeten,
wenn die vorhandenen theoretischen Hintergründe in manchen Punkten nicht über Gebühr vertieft
werden. Dies wird aus Sicht des Autors hoffentlich dadurch ausgeglichen, dass ,, Praktikern" aus
dem Bereich des Lobbyings im bahnpolitischen Umfeld häufig das ,, Wort erteilt" wurde. Somit
stellt die vorliegende Arbeit in vielen Passagen eine Mischung zwischen der Theorie und der Pra-
xis verkehrspolitischer sowie geographischer Fragestellungen dar.
4
Hintergrund der durchgeführten Expertenbefragungen
,,
Empirische Sozialforschung verlangt die Erhebung oder sonstige Gewinnung von
Daten, die Verarbeitung dieser Daten zu Information, die Speicherung der gewonnenen In-
formation als Grundlage von Vergleich und Lernen, die Darstellung des gewonnenen Wissens
als Grundlage wissenschaftlicher und praxeologischer
13
Kommunikation."
14
Die Sozial- bzw.
die Politikforschung stellt daher einen Konstruktionsprozess dar, der Deutungsmuster, Hypo-
thesen und theoretische Aussagensysteme sowie methodische Rahmenüberlegungen beinhal-
tet. In der empirischen Sozialforschung bestehen abgestufte methodologische Spannungsfel-
der, die bestimmten Grundpositionen zugeordnet werden können. Der Spannungsbogen be-
steht dabei zwischen quantitativer Sozialforschung, die verhältnismäßig nahe an Methoden
der naturwissenschaftlichen Forschung orientiert ist, und qualitativer Sozialforschung:
Quantitative Sozialforschung
Qualitative Sozialforschung
Subjekt-Objekt-Verhältnis
¡
Objekt-Objekt-Verhältnis
Messen
¡
Beschreiben
Künstliche Untersuchungsbedingungen
¡
Natürliche Untersuchungsbedingungen
Beschreibungsmerkmale
Empirisch-analytischer Theoriebegriff;
Ziel: Verallgemeinerbarkeit der Aussagen
Bewusstsein der Einmaligkeit jeden sozialen und politi-
schen Vorgangs
Theoriegestützter Hypothesentest
Favorisierung interpretativ-beschreibender Verfahren
gegenüber der Erklärung
Forderung nach präzisen Definitionen und Operationa-
lisierung
Schrittweise Annäherung an das Forschungsfeld
Wertschätzung von Erklärungen und Forschungsme-
thoden der Variablenisolation
Ganzheitliche Untersuchung des Forschungsfeldes
Strikte intersubjektive Überprüfbarkeit
Tabelle 3: Merkmale quantitativer und qualitativer Sozialforschung
15
13
praxeologisch = Die Wissenschaft vom (rationalen) Handeln oder der Entscheidungslogik betreffend.
14
Von Prittwitz, Volker: Politikanalyse; Opladen 1994, Seite 197.
15
Quelle: Von Prittwitz, Volker: Politikanalyse; Opladen 1994, Seite 196f, eigene Zusammenfassung und Dar-
stellung.

Teil 1: Einleitung und Methodik
Seite 18
4.1
Auswahl und Herleitung der Vorgehensweise
Aufgabe qualitativer Sozialforschung - wie jeder anderen Forschung - ist es, Erkennt-
nisse zu bilden. Die Datenerhebung bzw. ­gewinnung erfolgt meist durch Befragungen. Be-
fragungsformen können dabei anhand folgender Kriterien unterschieden werden:
Unterscheidungsmerkmal
Ausprägung (z.B.)
Funktion
¡
Exploratives Interview
¡
Repräsentatives Interview
Technische Form der Durchführung
¡
mündliche Befragung
¡
schriftliche Befragung
¡
Telefoninterview
Grad der Strukturierung
¡
wenig strukturiert
¡
teilstrukturiert
¡
stark strukturiert
Standardisierung
¡
standardisiert
¡
teilweise standardisiert
¡
nicht standardisiert
16
Verhalten des Interviewers
¡
weiches/hartes Interview
¡
direkte/indirekte Befragung
¡
Dialogbefragung
Wiederholungsgrad
¡
Einfach- oder Mehrfachinterview
¡
Interview-Reihe
Tabelle 4: Unterscheidungsmerkmale von Befragungen
17
Neben dem quantitativen ist das qualitative Interview
18
eine wichtige Methode der
Datenerhebung. Es wird aus der Kombination verschiedener Unterscheidungsmerkmale von
Befragungen gebildet. Die Verwendung eines qualitativen Verfahrens zur Datengewinnung
erschien aus folgenden Gründen geboten, denn um sich dem Erkenntnisziel
19
dieser Untersu-
chung zu nähern, wurde auf den persönlichen Erfahrungsschatz von politischen Akteuren zu-
rückgegriffen
.
20
Diese Personen sind am politischen Entscheidungsprozess beteiligt und wir-
ken dabei aktiv mit. Ihr Handeln ist geprägt von bestimmten Mustern:
Wertorientierungen
21
Politische Wertorientierungen sind relativ stabile Selektionsmuster, die Methoden, Mittel und Ziele des poli-
tischen Handelns beeinflussen. Ihr Kern besteht aus Ziel- oder Grundwerten des allgemeinen Zusammenle-
bens in einer Gesellschaft, z. B. Freiheit oder Gerechtigkeit.
22
Von politischen Grundwerten dieser Akteure
spricht man, weil für sie eine aus mehreren Werten zusammengesetzte Werthaltung charakteristisch ist. Z. B.
werden Kosten und Nutzen entsprechend der jeweiligen Werthaltung beurteilt.
23
Kognitive Muster
Gegenüber den Werthaltungen dominieren bei kognitiven Mustern Elemente der Realitätswahrnehmung. Sie
stellen eine Kombination von Einzelwahrnehmungen dar, durch die entsprechend den vorhandenen Deu-
tungs- und Wissensmustern die Komplexität von Situationen reduziert wird
.
24
16
Dies bezieht sich auf die Freiheitsgrade des Interviewers. Dieser hat einen flexiblen Fragekatalog, den er
entsprechend der Interviewsituation variieren kann.
17
Quelle: Von Prittwitz, Volker: Politikanalyse; Opladen 1994, Seite 218, eigene Darstellung.
18
Andere Bezeichnungen sind: Leitfadengestütztes Interview, Experteninterview oder Problemzentriertes In-
terview.
19
Erkenntnisziel bzw. Hauptforschungsfrage dieser Arbeit: Welche Rolle spielte Lobbying bei der Entwicklung
der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen?
20
Nach PRITTWITZ können folgende politischen Akteure unterschieden werden: politische Funktionsträger,
politische Parteien, Verbände, Bürgerinitiativen, Journalisten, Publizisten, wissenschaftliche Experten sowie
andere Individuen oder Gruppen mit Einfluss auf die Politik. Vgl. von Prittwitz: Politikanalyse; Opladen
1994, Seite 14f.
21
Vgl. von Prittwitz, Volker: Politikanalyse; Opladen 1994, Seite 17. Politische Akteure orientieren sich an
Werten, zwischen denen verschiedene Beziehungen bestehen.
22
Vgl. ebenda, Seite 18f.
23
Vgl. ebenda, Seite 19. Eine Kosten-Nutzen-Maximierung politischer Akteure erfolgt daher unter Beachtung
der jeweiligen Leitwerte. Vertreter ökologischer Grundwerte beurteilen daher drastische Benzinpreiserhö-
hungen anders als Politiker ohne eine starke ökologische Orientierung.
24
Dies erleichtert es den politischen Akteuren, sich in komplexen Situationen rational zu verhalten.

Teil 1: Einleitung und Methodik
Seite 19
Soziale Orientierungen
Man unterscheidet ausschließliche Orientierung am Eigeninteresse (Indifferenz-Orientierung), Orientierun-
gen, bei denen sich Beteiligte an politischen Prozessen als Vertreter gegensätzlicher Interessen ansehen
(kompetetiv-feindselige Orientierung) oder kooperativ-solidarische Orientierungen, die sich besonders in
Konstellationen entstehen, in denen Beteiligte am
politischen Prozess gemeinsame Interessen zeigen
.
25
Interessen
Sie verändern sich entsprechend der jeweiligen Handlungssituation bzw. den situativen Interessenbedingun-
gen zum Teil sehr schnell. Jedoch liegt ein Interesse erst dann vor, wenn der politische Akteur ,, eine be-
stimmte Beziehung zu einem Gut oder Zustand wahrnimmt und bewußt anstrebt" .
26
Verhaltensmuster
Hierbei handelt es sich um politische Sitten, Routinemuster, Verhaltensstile oder institutionalisierte Verhal-
tensformen. Sie sind relativ unabhängig von Interessenkonstellationen und problembezogenen Anforderun-
gen des öffentlichen Handelns. Verhaltensmuster sind eigenständige Merkmale des politischen Prozesses.
Einfluss
Er kann fein abgestuft und im gegenseitigen Verhältnis ausgeübt werden und ist typisch für die Politik, die
sich immer unter verschiedenen Einflusskonstellationen der am politischen Prozess Beteiligten vollzieht.
27
Durch qualitative Interviews können die jeweiligen Wertorientierungen der befragten politi-
schen Akteure besser erfasst werden, als durch quantitative Verfahren. Es wird nämlich nicht
davon ausgegangen, dass zum bearbeiteten Thema bereits eine ausreichende Anzahl von Un-
tersuchungen vorliegt, die die Anwendung quantitativer Methoden der empirischen Sozialfor-
schung gerechtfertigt erscheinen lassen.
28
4.2
Strategie der Datenerhebung und ­gewinnung
4.2.1
Literaturrecherche und qualitative Befragungen
Literatur-
Recherche
Experten-
Gespräche
Historie
Lobbying
Geografie
Auswertung
Vorgehensweise
Abbildung 1: Vorgehensweise bei der Bearbeitung des Themas
25
Nach PRITTWITZ erscheint diese Haltung jedoch nur dann realistisch, falls Akteure mit kooperativ-
solidarischer Orientierung bereit zu langfristiger Nutzenorientierung unter Einschluss der Erwartungen ande-
rer Akteure sind. Dies setzt generelles Vertrauen voraus, mit Kooperationspartnern auch dann zusammenzu-
arbeiten, falls dies nicht vorteilhaft ist. Das Vertrauensverhältnis kann dann zerstört werden, wenn ein Akteur
auf Kosten des anderen Eigeninteressen durchsetzen will. Vgl. von Prittwitz, Volker: Politikanalyse; Opladen
1994, Seite 22f. LÖW erweitert die Palette der hier beschriebenen Muster noch um die spezifischen, perso-
nengebundenen Rollenzuweisungen, die für die am politischen Entscheidungsprozess beteiligten charakteris-
tisch sind. Vgl. Löw, Markus: Die Regionalisierung des ÖPNV ­ neuer Schwung für Bus und Bahn oder er-
nüchternde Bilanz?; (Diss.) Universität Trier, 1999, Seite 23.
26
Ebenda, Seite 24.
27
Vgl. ebenda, Seite 30ff.
28
Vgl. hierzu auch Schwarte, Maike; Winkelkötter, Christoph: Perspektivenwechsel in der Geographie?
(DiplArb) Universität Trier, 1999, Seite 25f.

Teil 1: Einleitung und Methodik
Seite 20
Zur Bearbeitung dieses Themas wurde neben den klassischen Methoden der Aufar-
beitung der Literatur
29
auf die persönlichen Erfahrungen von für den Untersuchungsbereich
relevanten Akteuren zurückgegriffen. Die Erkenntnisse, die im Rahmen der Literaturauswer-
tung entstanden sind, haben sich in einer Reihe von recht vagen Aussagen zum Thema nie-
dergeschlagen. Diese bildeten die Grundlage für die durchgeführten Befragungen. Die als
,, Problemzentrierte Interviews" durchgeführten Befragungen sind angelehnt an die ,, Grounded
Theory"
30
, wonach man Daten nur durch im Voraus festgelegte Operationalisierungsschritte
erfassen und überprüfen kann. Das notwendige Vorwissen, das sich im Rahmen der Literatur-
auswertung ergeben hat, diente in der Phase der Datenerhebung als ,, heuristisch-analytischer
Rahmen für Frageideen im Dialog zwischen Interviewern und Befragten" .
31
Es wurden daher
Rückkopplungsschleifen vorgesehen, damit die anfänglichen Arbeitsthesen im Rahmen der
Befragungen sukzessive modifiziert und präzisiert werden konnten.
Sinnvoll erschien die Durchführung von problemzentrierten Interviews auch aus ei-
nem anderen Grund: Die theoretische Fundierung der Zusammenhänge, die in der vorliegen-
den Arbeit untersucht werden sollten, ist nur gering. Die Menge der sich aus der Auswertung
von Sekundärliteratur ergebenden Daten gewährleistet keine ausreichende Problemerfor-
schung. Jedoch gibt PRITTWITZ zu bedenken, dass qualitative Interviews aufgrund ihrer
geringen Strukturierung und des Risikos, Suggestivformulierungen
32
zu verwenden, oder weil
die Rahmenbedingungen solcher Interviews starken Einfluss haben können, bisweilen schwie-
rig auszuwerten sind.
33
4.2.2
Problemzentrierte Interviews als Spezialfall qualitativer Befragungen
Unter dem PZI können Formen offener und teilstrukturierter Befragungsmethoden
verstanden werden, denen folgende Grundgedanken gemein sind:
Problemzentrierung
Diese Art der Datenerhebung orientiert sich an gesellschaftlich relevanten Problemstellungen. Damit die
subjektiven Sichtweisen, die Bedeutungszuweisungen und die Auffassungen der Gesprächspartner angemes-
sen eingeordnet werden können, und damit der Interviewer nötiges Vorwissen erlangt, wird das entsprechen-
de Themengebiet vorher untersucht. Dadurch werden die Voraussetzungen für problemorientierte Nachfra-
gen und Frageideen geschaffen
34
. Schon während der Interviewreihe wird das erhaltene Datenmaterial aufbe-
reitet und im Hinblick auf das Erkenntnisziel der Untersuchung aufbereitet. WITZEL spricht in diesem Zu-
sammenhang davon, dass sich die Kommunikation immer mehr auf das Forschungsproblem zuspitzt
.
35
Gegenstandsorientierung
Sie ,, betont die Flexibilität der Methode gegenüber den unterschiedlichen Anforderungen des untersuchten
Gegenstands."
36
Daher kann das problemzentrierte Interview je nach Art der Thematik unterschiedlich einge-
29
Um den möglichst aktuellen Forschungsstand zu berücksichtigen, wurden auch themenbezogene Dissertatio-
nen und Diplomarbeiten ausgewertet.
30
Siehe hierzu auch Glaser, Barney; Strauss, Anselm: Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung;
Bern 1998.
31
Witzel, Andreas (2000, Januar): Das problemzentrierte Interview [3], in: Forum Qualitative Sozialforschung,
1 (1). Abrufbar über:
http://
qualitative
-research.net/fqs
[Zugriff: 04. 09. 00].
32
Sie eigenen sich aber auch, um bestimmte Themen kontrovers zu diskutieren.
33
Vgl. von Prittwitz, Volker: Politikanalyse; Opladen 1994, Seite 219.
34
Es wurden daher vor den Expertengesprächen eigene Recherchen und Vorgespräche im Untersuchungsfeld
durchgeführt. Aus den gesammelten Informationen wurden relevante Aspekte des Problembereichs extrahiert
und zu einem Gesprächsleitfaden zusammengefasst. Dieser wurde durch die Informationen aus den Inter-
views modifiziert
35
Vgl. Witzel, Andreas (2000, Januar). Das problemzentrierte Interview, Absatz [4], in: Forum Qualitative
Sozialforschung [On-line Journal] 1(1). Abrufbar über:
http://qualitative-research.net/fqs
[Zugriff: 04. 09. 00].
36
Ebenda, [5].

Teil 1: Einleitung und Methodik
Seite 21
setzt oder mit verschiedenen methodischen Varianten kombiniert werden. Auch der Interviewstil kann in Ab-
hängigkeit von der Auskunftsfreudigkeit variieren, zum Beispiel narrativ oder im Dialog mit dem Befragten.
Prozessorientierung
Der Kommunikationsprozess zwischen Interviewer und Interviewtem soll so sensibel aufgebaut werden, dass
eine vertrauensvolle Atmosphäre zwischen beiden und damit Offenheit entsteht. Den Befragten soll ohne
vorgegebene Antworten, nur anhand des Gesprächsleitfadens, die Möglichkeit gegeben werden, ständig neue
Aspekte zum Thema einzubringen, vorangegangene Aussagen korrigieren zu können oder auch Widersprü-
che zu den ins Interview eingebrachten Thesen einzubringen. Eventuell entstehende Redundanzen können in-
sofern hilfreich sein, als dass sie zu neuen Formulierungen führen, die die Datenauswertung erleichtern.
Die vorstehend genannten Grundprinzipien gelten generell für alle PZI. Als Spezialfall
wird in dieser Arbeit jedoch der Begriff des ,, Experteninterviews" verwendet, auch wenn das
PZI allgemein die Befragten ,, als Experten ihrer Orientierungen und Handlungen begreift, die
im Gespräch die Möglichkeit zunehmender Selbstvergewisserung mit allen Freiheiten der
eigenen Korrektur eigener oder der Intervieweraussagen wahrnehmen können" .
37
Die im
Rahmen der vorliegenden Untersuchung Interviewten wurden bewusst ausgewählt, da von
ihnen erwartet wurde, dass sie das jeweilige Sachgebiet bzw. die damit zusammenhängenden
Abläufe besonders gut kennen.
38
Im Vordergrund steht daher das erwartete fachliche Know-
how, das auf qualifizierte Informationen zur untersuchten Thematik hoffen lässt. Expertenge-
spräche stellen vor allem in einer frühen Phase des Forschungsprozesses eine sinnvolle Er-
gänzung dar, um explorativ vom vorstrukturierten Befragungsleitfaden bzw. von den Ar-
beitsthesen
39
aus weitere Fragestellungen und Hypothesen zu gewinnen.
4.2.3
Arbeitsthesen für den Gesprächsleitfaden zu Beginn der Befragungen
Nach dem Einstieg in die Analyse der historischen Entwicklung der Verkehrsträger
Schiene und Straße, der Literaturauswertung zum Thema ,, Lobbyarbeit" sowie der Aufarbei-
tung der themenbezogenen Literatur ergaben sich Arbeitsthesen. Diese dienten als Grundlage
und als Orientierungsrahmen für den Gesprächsleitfaden. Im Hinblick auf das Untersuchungs-
ziel in dieser Arbeit wurden folgende (vorläufige) Arbeitsthesen verwendet:
Arbeitsthesen zur Entwicklung der verkehrspolitischen Rahmenordnung
1.
Zwischen der Mitte des 19. und den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war Verkehrspolitik weitestgehend
gleichzusetzen mit Eisenbahnpolitik.
2.
Es bildete in diesem Zeitraum eine verkehrspolitische Rahmenordnung heraus, die es den deutschen Eisenbahnen
später unmöglich machte, sich auf dem Verkehrsmarkt wettbewerbsmäßig zu verhalten.
3.
Die Führungsebene der deutschen Bahnen hat es versäumt, einen möglichen Wegfall der Monopolstellung im
Verkehrsbereich in ihrer verkehrspolitischen Strategie zu berücksichtigen.
4.
Die politische Lobbyarbeit der deutschen Bahnen hat nach dem Aufkommen eines privatwirtschaftlich orientierten,
konkurrierenden Verkehrsträgers nicht auf die Beeinflussung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen im
Hinblick auf die Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit hingewirkt.
5.
Die Deutsche Reichsbahn hat den Autobahnbau im 3. Reich aktiv unterstützt im Glauben, dadurch die Konkurrenz
durch den motorisierten Verkehr kontrollieren zu können.
6.
Der Straßennetzausbau hat nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland systematisch die Voraussetzungen für die
spätere Massenmotorisierung geschaffen. Ein entsprechender Ausbau des Schienennetzes war nicht zu verzeichnen.
7.
Der erfolgreichen Einflussnahme der Autolobby auf die Verkehrspolitik stand keine entsprechende Lobbyarbeit der
DB entgegen.
8.
Die deutsche Verkehrspolitik hatte den maximalen Ausbau des Straßennetzes zum Ziel.
37
Ebenda, [13].
38
Vgl. von Prittwitz, Volker: Politikanalyse; Opladen 1994, Seite 219. POHL nimmt an, dass Experten einem
Spezialgebiet ,, bessere Kenntnisse (...) als Laien" hätten. Vgl. Pohl, Jürgen: Qualitative Verfahren, in: ARL
(Hrsg.): Methoden und Instrumente räumlicher Planung; Hannover 1998, Seite 104.
39
Vgl. Anschreiben an die ausgewählten Interviewpartner im Anhang.

Teil 1: Einleitung und Methodik
Seite 22
9.
Dies hat dazu geführt, dass im verkehrspolitischen Kalkül in den politischen Planungsebenen weitgehend das Auto als
Verkehrsmittel priorisiert wurde.
10.
Die Führungsebene der DB hat akzeptiert, dass der Schienenverkehr auf dem Verkehrsmarkt kontinuierlich
Marktanteile an den Straßenverkehr verlieren wird.
11.
Daraus resultierte eine passive Lobbystrategie.
12.
Die Führungsebene der DB hat es im Rahmen ihrer politischen Lobbyarbeit nicht geschafft, die verkehrspolitischen
Rahmenbedingungen dahingehend zu beeinflussen, die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs gegenüber dem
Motorisierten Verkehr zu verbessern.
Arbeitsthesen zur verkehrspolitisch relevanten Lobbyarbeit im Politikfeld Städte-
bau/Raumordnung:
13.
Lobbyarbeit mit dem Ziel, die Raumordnungspolitik auf Bundesebene zu beeinflussen, ist langfristig angelegt, denn
die Raumordnungspolitik auf Bundesebene stellt den Orientierungsrahmen für die nachgeordneten Politikebenen
(Länder, Regionen und Kommunen) dar.
14.
Die deutsche Verkehrspolitik war von der Überzeugung geleitet, dass der Straßenverkehr geeignet war, Raumord-
nungsfunktionen zu erfüllen. Für den Schienenwegebau wurde diese Einschätzung nicht geteilt.
15.
Daraus folgt, dass bei der Erschließung des Landes mit Schienenwegen Aspekte der Raumordnung weitestgehend
keine Rolle gespielt haben.
16.
Falls die Deutsche Bahn AG Einschränkungen in ihrem Verkehrsangebot plant, wird dies von regionalen betroffenen
politischen Akteuren stark kritisiert.
17.
Die Argumentationsweisen dieser politischen Akteure sind größtenteils raumordnungspolitisch motiviert.
18.
Diejenigen politischen Akteure, die jahrzehntelang eine autoorientierte Raumordnungspolitik betrieben haben, setzen
sich lediglich dann für die Schiene ein, wenn sie im Rahmen ihrer unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
Angebotseinschränkungen plant.
19.
Lobbyarbeit mit dem Ziel, die Raumordnungspolitik der Länder, Regionen und Kommunen zu beeinflussen, kann die
Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs (und der anderen umweltfreundlichen Verkehrsträger) verbessern.
20.
Das Leitbild der ,, Nachhaltigen Raumentwicklung" bildet den Hintergrund entsprechender Lobbyaktivitäten.
21.
Lobbyarbeit auf den nachgeordneten politischen Ebenen sollte darauf hinwirken, dass auf den jeweils entsprechenden
Planungsebenen vor allem Maßnahmen umgesetzt werden, die dem Prinzip der Nachhaltigkeit entsprechen.
22.
Dadurch werden die langfristigen Voraussetzungen dafür geschaffen, die Wirtschaftlichkeit des Schienenverkehrs zu
verbessern.
23.
Potenzielle Unterstützer einer entsprechenden Lobbystrategie sind die bahnaffinen Verbände.
24.
Entscheider auf den nachgeordneten Politikebenen werden um so eher zu Unterstützern, je dialogorientierter und
offensiver die Lobbyarbeit der Deutschen Bahn AG im Hinblick auf diese Zielgruppe ausgestaltet ist.
25.
Mangelnde Transparenz von Entscheidungsprozessen innerhalb der Deutschen Bahn AG wirkt auf die Erfolgschancen
einer entsprechenden Lobbystrategie kontraproduktiv, wenn die entsprechenden Entscheidungen Auswirkungen auf
die Qualität des Öffentlichen Verkehrs haben, die betreffenden politischen Akteure jedoch nicht eingebunden werden.
Arbeitsthesen zur verkehrspolitischen Rahmenordnung mit Auswirkungen auf die
Stadt- und Raumentwicklung:
26.
Die Einführung der Kilometerpauschale 1955 stellte eine bedeutende Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des
Straßenverkehrs gegenüber dem Schienenverkehr dar.
27.
Ihre Einführung hat maßgeblich zur Landschaftszersiedelung (bzw. zur Siedlungsdispersion) beigetragen.
28.
Die Umsetzung städtebaulicher Konzepte in der Praxis berücksichtigte in erster Linie den Straßenverkehr als Mittel
der verkehrlichen Erschließung, obwohl diese Konzepte zum Teil ausdrücklich Öffentliche Verkehrsmittel forderten.
29.
Die Regelungen des GVFG ermunterten die Kommunen dazu, den Bau ihrer Verkehrsinfrastruktur fast ausschließlich
an den Belangen des Straßenverkehrs auszurichten.
30.
Eine systematische Lobbyarbeit mit dem Ziel, den Schienenverkehr stärker in den Verkehrswegeplanungen zu
berücksichtigen, und somit eine strategisch ausgerichtete Einflussnahme auf diesen Teil der verkehrspolitischen
Rahmenordnung gab es nicht.
31.
Im Gegensatz zur Entwicklung des Straßennetzes folgte die Entwicklung des Schienennetzes nicht der Siedlungsent-
wicklung in der Bundesrepublik Deutschland.
32.
Durch die damit zusammenhängende Abkopplung von vielen Siedlungsschwerpunkten verschlechterte sich die
Deutsche Bundesbahn ihre wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
33.
Der Öffentliche Personennahverkehr ist immer ein Defizitbringer.
34.
Eine systematische, vertrauensvolle und offene Kooperation zwischen den Schienenverkehrsgesellschaften und
lokalen bzw. regionalen Busgesellschaften bietet das Potenzial für eine nachdrückliche Verbesserung des wirtschaftli-
chen Erfolgs beider Verkehrsträger.
35.
Die systematische Umwandlung von nicht mehr genutzten Bahnanlagen in Wohngebiete in zentraler Stadtlage
entspricht zum Einen dem Leitbild der nachhaltigen Raumentwicklung und kann langfristig den wirtschaftlichen
Erfolg der Deutschen Bahn AG verbessern.
36.
Der Schienenverkehr hat zahlreiche Vorteile gegenüber dem motorisierten Straßenverkehr. Diese Vorteile lassen es
geboten erscheinen, bei raumordnungsrelevanten Planungsentscheidungen (z. B. Erschließung neuer Wohn- oder
Industriegebiete) den Schienenverkehr gegenüber dem Straßenverkehr zu bevorzugen.
37.
Den Trägern auf den entsprechenden Planungsebenen sind die Vorteile des Schienenverkehrs gegenüber Busverkehr
und Straßenverkehr nicht gut genug bekannt, um dies in die jeweiligen Planungen umzusetzen
.

Teil 1: Einleitung und Methodik
Seite 23
Es war nicht beabsichtigt, im Gesprächsleitfaden sämtliche angeführten Bereiche ab-
zudecken. Den Interviewpartnern sollte Gelegenheit gegeben werden, ihnen relevant erschei-
nende Bereiche zu vertiefen. Durch die Unterteilung des Gesprächsleitfadens in drei themati-
sche Felder wurde die Möglichkeit geschaffen, einen vom Gesprächspartner angesprochenen
Themenkomplex intensiver zu behandeln und Zusammenhänge weiterzuentwickeln.
4.2.4
Entwicklung der Arbeitsthesen in der Interviewphase
Schon nach den ersten Interviews zeigte sich, dass dieser Leitfaden viel zu umfang-
reich und für die weiteren Befragungen nicht praktikabel war. Zahlreiche Thesen wurden zu-
sammengefasst und gestrafft. Erfreulicherweise hat sich dies nicht negativ auf die Qualität der
Antworten ausgewirkt. Zum Ende der Befragungsreihe pendelte sich die Gesprächsdauer etwa
bei 50 bis 70 Minuten ein, im Gegensatz zu zweieinhalb Stunden beim ersten Gespräch.
Durch die Straffung des Gesprächsleitfadens halbierte sich die zeitliche Dauer der Interviews.
Die vorgelegten Arbeitsthesen veränderten bis zum Ende der Befragungsreihe deutlich ihr
Aussehen. Neben den zeitlichen Gründen lag dies vor allem daran, dass besonders die Thesen
zur Verkehrsgeschichte bereits nach 10 Gesprächen keine neuen Erkenntnisse mehr lieferten.
Die Gesprächspartner zeigten ferner bei den Thesen, die ,, zu weit" in die Vergangenheit
reichten, geringeres Interesse als bei Thesen mit stärkerem Gegenwartsbezug. Im Übrigen
wurde den Gesprächspartnern auch die Möglichkeit eröffnet, bestimmte Aspekte des Inter-
viewleitfadens zu vertiefen oder sogar neue Aspekte einzubringen. Praktisch fungierte der
Leitfaden häufig als Gerüst für ein freies Gespräch.
Arbeitsthesen am Ende der Befragungen (nach Interview Nr. 48)
1.
Der Straßennetzausbau hat ab ca. 1955 systematisch die Voraussetzungen für die spätere Massenmotorisierung
geschaffen. Die deutsche Verkehrspolitik hatte den Ausbau des Straßennetzes zum Ziel. Das Schienennetz der
Deutschen Bundesbahn und der NE-Bahnen galt als ausreichend, um die vorhandenen Verkehrsbedürfnisse zu
befriedigen. Es wurden die Weichen nicht gegen die Schiene, sondern für das Auto gestellt.
2.
Die Deutsche Bundesbahn konnte seit den 50er Jahren keine Lobbyarbeit betreiben, da sie alle weichenstellenden
verkehrspolitischen Entscheidungen mittragen musste, ob sie wollte oder nicht. Der Deutschen Bundesbahn war es
nicht möglich, aktiv die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen zu beeinflussen.
3.
Der gesellschaftliche Konsens im Hinblick auf das Ansehen und die wirtschaftliche Bedeutung des Autos machten
Lobbyarbeit für das Automobil überflüssig.
4.
Die Einführung der Kilometerpauschale 1954 stellte eine bedeutende Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des
Straßenverkehrs gegenüber dem Schienenverkehr dar und hat zur Landschaftszersiedelung beigetragen.
5.
Die deutsche Verkehrspolitik war in der Nachkriegszeit davon geleitet, dass nur die Erweiterung des Straßennetzes
geeignet war, die Erschließung des Raums zu garantieren. Der Schienenwegebau spielte im Kalkül der Verkehrspoli-
tik bis zu den 80er Jahren nur eine marginale Rolle.
6.
In der Raumordnungspolitik auf kommunaler Ebene werden die Verkehrsträger Straße und SPNV unterschiedlich
behandelt. Hierzu ein Beispiel aus der Praxis der Erschließung von Bauland: Ein Wohn- oder Industriegebiet gilt dann
als verkehrlich erschlossen, wenn es an das Straßennetz angebunden ist. Die Anbindung an das Straßennetz und an
das Schienennetz bzw. das ÖPNV-Netz sollte eine Bedingung für verkehrliche Erschließung sein.
7.
Eine ressortübergreifende, integrierte Planung der Verkehrsinfrastruktur findet nicht statt.
8.
Der Aufbau und die Pflege von unternehmenspolitischen Verständnispotenzialen sind ein Grundstein für den
langfristigen Unternehmenserfolg. Dialogorientierte Kommunikationsstile erhöhen die Erfolgschancen einer
Lobbystrategie, denn dadurch werden Verständnispotenziale im politischen Raum und bei möglichen unterstützungs-
willigen Lobbygruppen gesichert. Mangelnde Transparenz von Organisationsstrukturen und von Entscheidungspro-
zessen innerhalb der DB AG beeinträchtigen die Erfolgschancen ihrer Lobbyarbeit, weil sie den langfristigen Aufbau
von Verständnispotenzialen in Frage stellen.
9.
Der Öffentliche Personennahverkehr ist ein Defizitbringer.
10.
Das Leitbild der ,, Nachhaltigen Raumentwicklung" auf den Politikebenen Bund, Länder und Regionen hat für die
kommunale Politikebene bestenfalls empfehlenden Charakter. Beispielsweise wird sich eine Kommune bei der
Ausweisung von Bauland oder beim Bau der kommunalen Verkehrswege eher an wirtschaftlichen Erfolgskriterien
orientieren.

Teil 1: Einleitung und Methodik
Seite 24
11.
Lobbygruppen mit kommunalen und lokalen Organisationsstrukturen kommt eine hohe Bedeutung zu. Sie können vor
Ort Einfluss auf das Politikgeschehen nehmen, weil sie an den kommunalen Politikprozessen beteiligt sind.
12.
Den politischen Entscheidern ist oft unklar, welche Konsequenzen die Bahnreform im Hinblick auf die Organisations-
form und die Aufgabenverteilung bei der DB AG mit sich gebracht hat. Dies und der häufige Wechsel von Zuständig-
keiten verhindern den Aufbau stabiler Beziehungsnetzwerke. Eine wichtige Voraussetzung für eine Erfolg verspre-
chende Lobbystrategie sind der systematische Aufbau und die systematische Pflege entsprechender Beziehungsnetz-
werke.
13.
Die Berichterstattung über bahnspezifische Themen in den Medien ist meist negativ. Sie ist für den tatsächlichen
Betriebsablauf nicht repräsentativ. Dies führt zu einer Wahrnehmungsverzerrung in der Bevölkerung und bei den
politischen Entscheidern.
14.
Politischen Entscheidern sind die Systemvorteile des Schienenverkehrs gegenüber dem motorisierten Straßenverkehr
oft nicht so gut bekannt, dass sie dieses Wissen in ihren entsprechenden Infrastrukturplanungen berücksichtigen
können. Hier sind die Schienenverkehrsunternehmen gefordert, für die Vorteilhaftigkeit ihrer Produkte zu werben.
15.
Die Träger der kommunalen Ebene der Raumplanung favorisieren weitgehend den Straßenbau bei der Infrastruktur-
planung. Maßgebliche Gründe dafür liegen in der Einflussnahme von Wahlkreisabgeordneten. Sie sind neben
Bürgermeistern und Landräten die wichtigsten Multiplikatoren in der raumordnungspolitisch wirksamen Lobbyarbeit.
16.
Die IHK und lokal bedeutende Großunternehmen wirken als wichtige Lobbygruppen auf kommunaler und regionaler
Ebene. ADAC, DIHT und BDI nehmen erfolgreich Einfluss auf die Raumordnungs- und die Verkehrspolitik auf
Bundesebene.
Abschlussfrage:
Wie sollte die "Ideale Bahn" aussehen?
4.2.5
Auswahl der Interviewpartner ­ Das Interviewsample
D
ie untersuchte Thematik hat starken interdisziplinären Charakter, denn drei verschie-
dene Aspekte werden miteinander verknüpft (Historische Entwicklung der verkehrspoliti-
schen Rahmenbedingungen; politikwissenschaftliche Betrachtung verschiedener Erschei-
nungsformen von Lobbyarbeit; Handlungsmöglichkeiten im Politikfeld Raumordnung, einer
Teildisziplin der Angewandten Geographie
40
). Aus der Synthese dieser Aspekte resultierten
die Forschungsfragen. Die Auswahl der Experten, die für Interviews gewonnen werden soll-
ten, hatte daher dieser Tatsache Rechnung zu tragen.
Auf den politischen Ebenen werden raumordnungspolitische Zielsetzungen unter-
schiedlich behandelt. Von ,, Oben" (Bund) nach ,, Unten" (Gemeinden, Regionen, Länder)
nimmt die Verbindlichkeit der Planungen zu. Die Träger der Raumordnungspolitik, die an der
Entwicklung der raumordnungspolitischen Rahmenbedingungen
41
mitwirken, sowie die Lob-
byakteure, die darauf Einfluss nehmen, handeln entsprechend unterschiedlicher Zielsetzungen
und unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Von den befragten politischen Akteuren
wurde erwartet, dass sie aufgrund ihrer Stellung im politischen Entscheidungsprozess oder
wegen ihrer beruflichen Erfahrung über Expertenwissen in den Bereichen Raumordnungs-
und Verkehrspolitik verfügen. Das Interviewsample sollte auch in Bezug auf die Dauer der
bisherigen Erfahrung
42
heterogen sein. Daher waren Erfahrungen ,, Alter Hasen" für die Befra-
gungsreihe ebenso bedeutend wie die Einschätzungen derjenigen politischen Akteure, die erst
seit wenigen Jahren aktiv in ihrer jetzigen Position tätig sind. Die persönlichen Erfahrungen
der befragten Experten gingen z. T. bis in die 60er Jahre zurück. Ferner sollte dieser Perso-
nenkreis nahe an der politischen, unternehmerischen oder verbandlichen Praxis arbeiten, da-
mit die Gespräche auch zu praxisrelevanten Ergebnissen führen können. Die potenziellen In-
terviewpartner sollten daher folgende Eigenschaften besitzen
43
:
40
Allein die Geographie hat einen enormen interdisziplinären Charakter.
41
Speziell sind diejenigen Rahmenbedingungen im Fokus dieser Untersuchung, die auch verkehrspolitische
Relevanz aufweisen.
42
In der Politik, der Verbandsarbeit, in der Verwaltung oder in der Forschung.
43
Vgl. Löw, Markus: Die Regionalisierung des ÖPNV; Trier 1999, Diss., gekürztes Veröffentlichungsexemp-
lar, Seite 24f.

Teil 1: Einleitung und Methodik
Seite 25
Auseinandersetzung mit Fragen der Verkehrspolitik im Unternehmens- oder Verbandsalltag;
Auseinandersetzung mit Fragen der verkehrs- und raumplanerischen Praxis;
Institutionelle Einbindung in Verkehrsplanungs- und/oder Raumplanungsprozesse;
Wahrnehmen von Leitungsaufgaben im normativen und strategischen Management
44
;
Aktives Mitwirken am Forschungsprozess in der Verkehrswissenschaft und der Raumforschung.
Bei der Auswahl war zu berücksichtigen, dass manche Gesprächspartner über mehrere
Politikebenen hinweg dasjenige fachliche Know-how aufweisen, das mit den Experteninter-
views erschlossen werden sollte. Auch ein anderes Kriterium spielte bei der Auswahl der In-
terviewpartner eine Rolle: Auf den betrachteten politischen Ebenen sollten vor allem straßen-
und bahnaffine politische Akteure befragt werden. Daneben interessierten aber auch die Auf-
fassungen von Angehörigen der politikebenenspezifischen Verwaltungen. Innerhalb der drei
Kategorien Bund, Land, Region/Kommune wurde noch unterschieden zwischen Vertretern
von Interessengruppen und Mitgliedern aus dem Bereich ,, Politik" . Dabei konnte es sich um
aktive Parteimitglieder oder um Amtsinhaber handeln.
Bereich INTERESSENVERTRETUNG
45
Interessenfeld
Politischer Akteur
Verkehrsmittelbenutzer
ADAC, Pro Bahn
Wirtschaft
BDI, IHK, DIHT
Umwelt
VCD, BUND
Verkehrsmittelhersteller
VDB
Verkehrsinfrastrukturbetreiber
DB AG
46
Verkehrsunternehmen
Landesverband für Güterkraftverkehr, DB AG, NE-Bahn
Arbeitnehmervertretung
Gewerkschaft TransNet
Bereich POLITIK bzw. VERWALTUNG
POLITIKEBENE
POLITIK
VERWALTUNG
BUND
FDP, Bündnis 90/Die Grünen
Bundesverkehrsministerium
LAND
FDP
Abteilung für Eisenbahninfrastruktur in
Landesverkehrsministerien
REGION, KOMMUNE
OB eines Oberzentrums,
Bündnis 90/Die Grünen
Kommunale Zweckverbände, Regierungs-
präsidien , Amt für Stadtentwicklung
Tabelle 5: Befragte politische Akteure in der Interviewreihe
44
Im normativen (bzw. konsensorientierten) Management geht es um die ,, angemessene Bewältigung von un-
ternehmungspolitischen Wert- und Interessenkonflikten." Das strategische Management ist davon geleitet,
,, dass der kurzfristige Unternehmenserfolg kein hinreichendes Kriterium zur Sicherung der Voraussetzungen
des zukünftigen Erfolgs darstellt" . Ulrich, Peter; Fluri, Edgar: Management; St. Gallen, Basel 1991, Sei-
te 20f.
45
Für die spätere Auswertung wurde das Interviewsample unterteilt in die Kategorien ,, Wirtschaft und ADAC" ,
,, Verwaltung" , ,, Mitarbeiter der DB AG" sowie ,, Bahnaffine Verbände" .
46
Die drei angeschriebenen Straßenbauverwaltungen sowie der Verband der Deutschen Automobilindustrie
konnten auf Grund personeller Engpässe bzw. auf Grund terminlicher Schwierigkeiten keine Zeit für ein In-
terview aufbringen.

Teil 1: Einleitung und Methodik
Seite 26
18
Interviews auf BUNDESEBENE
Politikakteur(e)
Politik
2
Im Bundestag vertretene Parteien
Verkehrsmittelnutzerverbände
2
ADAC, Pro Bahn e.V.
Wirtschaftsverbände
2
BDI DIHT
Umweltverbände
2
VCD, BUND
Verkehrsmittelhersteller
1
VDB
Infrastrukturbetreiber
2
DB Netz AG
Verkehrsmittelbetreiber
4
DB AG
Verwaltung
2
BMVBW
Gewerkschaften
2
TransNet, Allianz pro Schiene
Forschung
2
Geographie, UBA
15
Interviews auf LANDESEBENE
Verkehrsmittelnutzerverband
1
Pro Bahn
Umwelt
2
VCD, BUND
Wirtschaft
3
IHK
Verkehrsmittelbetreiber
3
DB AG
Verwaltung
2
2 Landesverkehrsministerien
Parteien/Politik
2
in Landesparlamenten vertretene Parteien
15
Interviews auf REGIONALER UND KOMMUNALER EBENE
Verkehrsmittelnutzerverband
1
Pro Bahn
Umwelt
2
VCD, BUND
Verbünde
4
Kommunale Nahverkehrszweckverbände
Verkehrsmittelbetreiber
2
DB AG, NE-Bahn
Verwaltung
5
1 Oberbürgermeisterin, 2 Mitarbeiter der Stadtpla-
nung, 2 Verkehrsfachleute aus Regierungspräsidien
Parteien/Politik
1
auf kommunaler Ebene
Tabelle 5: Sample der durchgeführten Expertengespräche
47
4.2.6
Praktische Erfahrungen während der Interviewführung
Zu Beginn der Expertengespräche war noch relativ unklar, welche Qualität das er-
fragte Wissen aufweisen sollte. Auch herrschte Unklarheit über die zeitliche Verfügbarkeit
der gewünschten Gesprächspartner. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor war das Ausmaß der
Offenheit, das die gewünschten Gesprächspartner entgegenbringen konnten ­ schließlich geht
es in dieser Untersuchung teilweise auch um einen Bereich, in dem die relevanten Vorgänge
und Kontakte nicht schriftlich dokumentiert werden und der vom vertraulichen Umgang mit
Informationen gekennzeichnet ist. Nach den ersten Gesprächen vor dem Beginn der Befra-
gungen bestand daher die Gefahr, dass die Ergebnisse am Ende unergiebig sein könnten.
48
47
Die Interviews sollten in der Zeit vom 15. Oktober 2000 bis zum 31. Januar 2001 erfolgen. Damit wurde für
die Interviewphase ein Zeitraum von dreieinhalb Monaten anberaumt. Es wurden mehr als 70 Einladungen
verschickt und knapp 50 Gesprächstermine (darunter drei Doppelinterviews) vereinbart. Von den 48 erhobe-
nen Interviews konnten dann 46 für die qualitative Auswertung verwendet werden.
48
Zum sensiblen Thema des Lobbying liegen jedoch einige ausgezeichnete wissenschaftliche Arbeiten vor, die
zwar nicht unbedingt im Zusammenhang mit der hier untersuchten Thematik stehen, die aber dennoch das
erhobene Datenmaterial an denjenigen interessanten Stellen ergänzen konnten, an denen normalerweise ein
,, leeres Blatt" sein müsste. Beispielhaft seien hier die Habitilationsschriften von Martin Sebaldt (,, Organi-
sierter Pluralismus" ) und Dietmar Klenke (,, Bundesdeutsche Verkehrspolitik und Motorisierung" ) genannt,
die in dieser Arbeit mehrfach zitiert werden.

Teil 1: Einleitung und Methodik
Seite 27
4.2.6.1
Kontaktaufnahme
Die Art der persönlichen Kontaktaufnahme zu den Interviewpartnern war aus den ge-
nannten Gründen von großer Bedeutung.
49
Für die Zeit vom ersten bis zum letzten Interview
wurde eine Zeitspanne von vier Monaten eingeplant. Daher wurden Ende September 2000
rund 70 Einladungen verschickt. 10 Tage später wurde mit den potenziellen Gesprächspart-
nern hinsichtlich einer möglichen Terminvereinbarung telefonisch Kontakt aufgenommen.
Darin wurde nochmals das Anliegen erläutert und bereits erste Fragen beantwortet.
Vor allem im Bereich der Politik war es nahezu unmöglich, auch bei wiederholtem
Nachfragen, Interviewpartner für ein Gespräch zu gewinnen. Gleiches war leider auch im
Bereich der angeschriebenen Straßenbauverwaltungen und beim Verband der Automobilin-
dustrie festzustellen. Nur ein einziges Mal kam es vor, dass ein Interviewpartner nicht ­ und
ohne weitere Angabe von Gründen ­ zu einem vereinbarten Termin erschienen ist. Dies war
in Anbetracht des damit verbundenen Reiseaufwandes etwas ärgerlich. Letztendlich war je-
doch eine überraschend hohe Gesprächsbereitschaft bei der überwiegenden Anzahl der ange-
schriebenen Expertinnen und Experten festzustellen.
4.2.6.2
Verlauf der Gespräche
Im Rahmen der Gespräche setzten sich die unterschiedlichsten Persönlichkeiten mit
dem vorgelegten Gesprächsleitfaden auseinander. Ursprünglich wurde die Gesprächsdauer
mit 45 bis 60 Minuten veranschlagt
50
. Der Autor rechnete nicht damit, dass die befragten Ex-
pertinnen und Experten, deren Tagesgeschäft von einem überaus dichten Terminplan gekenn-
zeichnet ist, mehr Zeit für ein solches Gespräch aufwenden konnten. Auch hier stand am Ende
die aus Sicht des Forschers erfreuliche Erkenntnis, dass die meisten Gespräche des öfteren
trotz anschließender wichtiger Termine zum Teil erheblich länger dauerten.
51
Durch die Er-
läuterung des Procedere (Protokoll wird ausgewertet und vorgelegt; Anonymität und die
Möglichkeit der nachträglichen Bearbeitung des Gesagten wurden angeboten) entstand
durchweg eine vertrauensvolle und offene Gesprächsatmosphäre. Bis auf ganz vereinzelte
Ausnahmen wurde zu allen vorgelegten Thesen des Leitfadens Stellung genommen.
4.2.6.3
Auswertung der gewonnenen Erkenntnisse
Die Datenerhebung erfolgte auf zwei Arten: Entweder wurden schriftliche Notizen o-
der eine Tonbandaufnahme gemacht. Dies hing von den Wünschen der Gesprächspartner ab.
Im Nachhinein ergaben sich mit einigen Gesprächspartnern dahingehend Probleme, dass sie
49
Allen Gesprächspartnern wurde angeboten, die Gesprächsprotokolle zu anonymisieren. Besonders betont
werden sollte ebenfalls, dass nicht die Offenlegung von Lobbykanälen der Sinn dieser Arbeit (und das Ziel
der Interviews) sein sollte. Vielmehr sollen aus dem gewonnenen Expertenwissen Aussagen darüber erhalten
werden, wie jeweiligen politischen Akteure die raumordnungsrelevante Verkehrspolitik einschätzen, ob eine
Einflussnahme auf die entsprechenden Politikebenen geboten erscheint und welche Voraussetzungen dafür
erfüllt sein sollten. Vgl. dazu auch das Anschreiben an die Experten im ANHANG.
50
Vgl. Anschreiben im Anhang.
51
Die zeitliche Dauer führte jedoch nicht zwingend dazu, dass die Gespräche auch qualitativ gehaltvoller wur-
den. Erfreulicherweise war dies aber meist der Fall.

Teil 1: Einleitung und Methodik
Seite 28
sich zwar mit dem Inhalt des ,, gesprochenen Wortes" auseinandersetzen konnten, jedoch Wert
auf eine redaktionelle Überarbeitung legten. Bei zwei Gesprächen wurde nachträglich die
Freigabe des Inhalts verweigert, obwohl eine redaktionelle Überarbeitung angeboten wurde.
Andere Gesprächspartner legten großen Wert darauf, das gesprochene Wort selbst zu überar-
beiten, bevor es freigegeben wurde. Besonders geduldig zeigte sich hier der Gesprächspartner
beim ADAC, der sein Gesprächsprotokoll drei Mal überarbeitete.
Zur inhaltlichen Auswertung der Statements der Gesprächspartnerinnen und Ge-
sprächspartner wurden die Aussagen zusammengefasst und bestimmten Thesen zugeordnet.
Es zeigte sich, dass im Laufe der Gespräche differenzierte Erkenntnisse erhoben werden
konnten. Dort, wo zielgerichtet die ExpertInnen-Meinung zu einer Arbeitsthese abgefragt
wurde, erfolgte eine quantitative Auswertung der Gesprächsinhalte entsprechend der Zugehö-
rigkeit zu einer der festgelegten Gruppen. In mehreren Fällen wurden Interviewauszüge ent-
sprechend der Vorgehensweise von SEBALDT in die vorliegende Arbeit eingebaut.
52
Die
Authentizität des Gesagten lieferte Erkenntnisse über die Einstellungen der befragten politi-
schen Akteure im Bahnumfeld.
52
Vgl. Sebaldt, Martin: Organisierter Pluralismus; Opladen 1997, Seite 195 bis 374. Im Hinblick auf die Ein-
heitlichkeit der Zitierweise ­ und unter Wahrung der angebotenen Vertraulichkeit ­ wurden Namen und Be-
züge zu aktuellen Personen und Vorgängen anonymisiert. Dies wurde ohnehin von den meisten Gesprächs-
partnern so gewünscht. Damit die Auswertung der durchgeführten Interviews nachvollzogen werden konnte,
sind deren Wortprotokolle auf CD-ROM gebrannt und bei der Abgabe dieser Arbeit an der Universität Trier
mit eingereicht worden.

Teil 2: Historische Entwicklung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen
Seite 29
5
Epoche I (von den Anfängen bis 1840)
5.1
Vom Altertum bis zur Industriellen Revolution
Bei der Schilderung der Entwicklungen der Eisenbahn- und der Verkehrsgeschichte ist
eine systematische und zusammenhängende Darstellung problematisch. Es gab viele zeitglei-
che, aber sachlich unterschiedliche, Geschehnisse und Entwicklungen, die sich rückblickend
als Fehlschläge oder Meilensteine erwiesen haben.
1
POHL weist ferner darauf hin, dass die
Verwendung von Daten in der Technikgeschichte problematisch sein könne, da viele Erfinder
an mehreren Modellen gleichzeitig arbeiteten und diese zu verschiedenen Zeitpunkten der
Öffentlichkeit präsentierten. Daraus resultiere, dass sich die Zeitangaben in der Literatur bis-
weilen voneinander unterscheiden.
2
Das Prinzip des Gleises war bereits im Altertum bekannt. In den Felsboden gemeißelte
Spurrillen boten einen geringen Rollwiderstand sowie eine gute Fahrzeugführung. Zahlreiche
Überbleibsel aus dieser Zeit finden sich noch heute in Griechenland, Malta, Italien, Kärnten
und in den deutschen Alpen.
3
Vor allem auf kurzen, schwierigen Gebirgsstrecken wurde diese
Technologie verwendet. Dabei handelte es sich um Sonderbauformen der Straße, die ver-
schiedenen Zwecken dienten, z. B. der Beförderung von Kultwagen. Die Entwicklungslinie
dieser Technologie führte nicht direkt zur Eisenbahn. Zum einen wurden gewöhnliche Räder
verwendet, zum anderen ging die Anwendung dieser Technologie in der Zeit der Völkerwan-
derung unter.
4
Bei den Bergwerksbahnen des Mittelalters war das anders. Erstmals wurden
Bahnsysteme eingesetzt, bei denen die Fahrzeuge so aufeinander abgestimmt waren, dass sie
nur auf einem eigenen Netz eingesetzt werden konnten. Die Entwicklungslinien dieser Fahr-
zeuge lassen sich bis in die heutige Zeit verfolgen. 1452 berief König Heinrich VI zahlreiche
böhmische und deutsche Bergleute nach England, Elisabeth I wiederholte den Aufruf später.
Auf diese Weise gelangte wahrscheinlich das entsprechende Know-how über die Bergwerks-
bahnen auf die Insel.
5
Seit 1801 wird in England öffentlicher Verkehr auf Schienen betrieben. Zwischen
Wandsworth und Croydon wurde in diesem Jahr die erste von Pferden gezogene öffentliche
Eisenbahnlinie in Betrieb genommen.
6
Die erste Dampfeisenbahn folgte über zwei Jahrzehnte
später. Zwischen Stockton und Darlington wurde 1825 die erste für den Personentransport
zugelassene Schienenstrecke in Betrieb genommen: Ein Personenwagen mit Ehrengästen, 21
umgebaute und mit Sitzbänken ausgestattete ehemalige Kohlewagen sowie zwölf Kohlewa-
1
Neben der Darstellung der wesentlichen Ereignisse und Entwicklungen in Textform kann man auch die Me-
thode der Synchronopse anwenden. Die Synchronopse der Eisenbahngeschichte kann beispielsweise so er-
folgen, dass die geschichtlichen Ereignisse in horizontalen Zeilen nach der Zeit geordnet sind. Dadurch kann
man die zahlreichen Erfolgs- und Irrwege, die im Laufe der Frühzeit der Eisenbahngeschichte beschritten
wurden, besser erkennen. Vgl. Weigelt, Horst; Epochen der Eisenbahngeschichte, Darmstadt 1985, Seite 1ff.
2
Vgl. Pohl, Hans: Die Entwicklung des Verkehrswesens in den vergangenen 100 Jahren, in: Pohl, Hans;
Treue, Wilhelm: Die Einflüsse der Motorisierung auf das Verkehrswesen von 1886 bis 1986; Stuttgart 1988,
Seite 1.
3
Vgl. Weigelt, Horst; Epochen der Eisenbahngeschichte, Darmstadt 1985, Seite 2.
4
Vgl. ebenda.
5
Vgl. ebenda, Seite 3f. Dort auch ein Überblick über die Entwicklung der englischen Spurbahnen.
6
Vgl. Schaerfenberg; Wir fahren immer..., Frankfurt 1971, Seite 8.

Teil 2: Historische Entwicklung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen
Seite 30
gen bildeten den Zug, der von einer Dampflokomotive gezogen wurde.
7
Die inzwischen ober-
irdisch verlaufenden Bahnen hatten die Aufgabe, das Fördergut zu den Verbrauchs- und Ver-
ladestellen zu transportieren. Die vormals unterirdischen Loren und Grubenhunde konnten nur
kleine Mengen befördern, daher wurden sie zu Gruppen zusammengestellt: Dies waren die
ersten Güterzüge.
8
5.2
Ausgangslage
5.2.1
Politische Situation in Deutschland
Deutschland befand sich seit etwa 1795 an der Schwelle zum Industriezeitalter. 1825
lebten von den 25 Millionen Einwohnern des Deutschen Bundes 90 Prozent in Gemeinden mit
weniger als 2000 Einwohnern. Nur allmählich gab es erste Ansätze der Gewerbefreiheit. In
England war die Ausgangslage eine andere: Dort bestand die Staatsform der konstitutionellen
Monarchie mit Gewerbefreiheit und schon weit fortgeschrittener Industrialisierung. Deutsch-
land mit seinen Territorialstaaten und Duodez-Fürstentümern
9
war noch von einer überwie-
gend landwirtschaftlichen Siedlungsstruktur mit unterschiedlichsten Regelungen im Finanz-
und im Verkehrsbereich geprägt. Unzählige Zollschranken, unterschiedliche Maße, Gewichte
und Münzen behinderten den Wirtschaftsverkehr. Die Eilpostkutschen waren so langsam,
dass sie auf guten Straßen nicht schneller als 11 km/h waren. Man fuhr entweder mit dem
Treidelschiff oder ging zu Fuß, da für Durchschnittsbürger die Fahrpreise zu hoch waren.
10
Etwa zwei Drittel des Güterverkehrs wurden mit der Flussschifffahrt
11
abgewickelt, der Rest
mit den langsamen und teuren Fuhrmannswagen
12
.
5.2.2
Erste Eisenbahnen und ihre Folgen für die Transporteffizienz
Im Februar 1804 erprobte Trevithik seine erste mit Dampfkraft betriebene, über Tage
laufende Hüttenwerksbahn der Firma Thydfil in Südwales. Die Länge der Strecke betrug
7
Vgl. Wolf, Eisenbahn und Autowahn - Personen- und Gütertransport auf Schiene und Straße: Geschichte,
Bilanz, Perspektiven; Hamburg 1992, Seite 27f.
8
Vgl. Nordmann, Hans; Die Frühgeschichte der Eisenbahnen, Berlin 1948, Seite 5.
9
Der Deutsche Bund bestand aus einem Kaiserreich, fünf Königreichen, einigen Dutzend Fürstentümern und
vier Freien Städten. Dies waren 38 verschiedene Staaten. Vgl. Rehbein, Elfriede: Zum Charakter der preußi-
schen Eisenbahnpolitik von ihren Anfängen bis zum Jahre 1879; Dresden 1953, Seite 17.
10
Vgl. ebenda, Seite 25.
11
Zur Entwicklung der Binnenschifffahrt bis in die Gründerzeit der Eisenbahn vgl. Marggraff, Hugo; Die Vor-
fahren der Eisenbahnen und Dampfwagen, Berlin 1884, Seite 4ff. Im Vergleich zu anderen Kulturstaaten
wurde in Deutschland dem Wasserstraßenbau nur wenig Aufmerksamkeit beigemessen. Der Gütertransport
auf Wasserstraßen entwickelte sich viel früher als der Straßentransport, bei Vorhandensein der entsprechen-
den hydrogeographischen Gegebenheiten.
12
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die außerörtlichen Straßen in sehr schlechtem Zustand und kaum
befestigt. Beispiel dafür sind die Schilderungen des bayerischen Postbeamten Streitel aus Augsburg. Er
meinte anlässlich einer Vorlage über Verbesserungen bei Postwagen: ,,Sie sind das Schrecken für Personen
schwachen Körperbaus, die von einer eisernen Nothwendigkeit auf solch ein Reisemittel gebannt werden."
Trotz weiterer Verbesserungen in der Fuhrwesensmechanik und trotz dem Wegfall der Chausseeabgaben wa-
ren die Transportkosten auf der Straße in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts immer noch sehr hoch.
Nachteilig wirkte sich dazu noch die begrenzte Lebensdauer der Zugpferde aus, die zudem noch mit ihren
Hufen die Straßenflächen stark abnutzten. Vgl. ebenda, Seite 8ff.

Teil 2: Historische Entwicklung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen
Seite 31
14,5 km.
13
Die neue Technologie der Eisenbahn wurde charakterisiert durch ihren geringen
Rollwiderstand der Schienen, der es ermöglichte, mit einem gleichen Aufwand an Zugkraft
wesentlich größere Lasten zu transportieren.
14
Zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und
dem Ende des Ersten Weltkriegs war es dann der Regelfall, dass die privaten Fuhrunterneh-
mer mit ihren Pferdekutschen der Eisenbahn Zubringerdienste leisteten und dadurch für die
nahezu vollständige Flächenerschließung sorgten.
15
Die entscheidende Revolution lag in der Beschleunigung der Transportgeschwindig-
keit. Sie steigerte sich um den Faktor 3 bis 5 gegenüber der bis dahin dominierenden Pferde-
transporttechnologie.
16
Mit Pferden bespannte Frachtkarren (bzw. Kutschen) schnitten gegen-
über der Eisenbahn auch in der Kosten-Nutzen-Rechnung schlechter ab. Der Getreidepreis
und die ,,Amortisation" eines Pferdes wurden dem Kohlepreis und den Abschreibungen einer
Dampflok gegenübergestellt. Diese nüchterne Rechnung und die erwähnten Technologievor-
teile trugen wesentlich zum Durchbruch der Eisenbahn bei. Die grundlegende Umstellung
vom Pferde- auf den mechanischen Betrieb erfolgte daher zunächst in den Kohleindustriege-
bieten, da dort der Kohlepreis nicht durch Transportkosten verteuert war. Die Corn Law
(1815) sorgte außerdem noch für Steuern auf Importgetreide. Dadurch stieg der Preis für die
Pferdenahrung, zusätzlich an. Die Umstellung auf den mechanischen Transport wurde da-
durch weiter stimuliert.
Aufgrund dieser Effizienzvorteile setzte bald eine Verkehrsverlagerung vom Kanal
und von der Straße auf die Schiene ein. Durch die Ausbreitung der Eisenbahn rückten Erzeu-
ger- und Verbrauchermärkte näher zusammen. Der Absatzpreis der Güter in den Verbrauchs-
gebieten sank. Durch die Kostenentwicklung traten mehr und mehr Anbieter auf den Markt,
es entstand ein harter Preiswettbewerb. Da die Transportwirtschaft durch die Eisenbahn von
den zurückgelegten Entfernungen immer unabhängiger wurde, verlagerten sich die Produkti-
onsstätten zunehmend dorthin, wo sie am aus Kostengründen vorteilhaftesten schienen. Die
Eisenbahn wurde zu dem Schrittmacher der wirtschaftlichen Entwicklung, der schließlich das
Gesellschaftsbild prägte.
17
5.3
Die frühen deutschen Eisenbahnen
1835 wurde zwischen Nürnberg und Fürth die erste für den Personenverkehr geplante
Eisenbahnlinie in Deutschland eröffnet. Im Vorfeld der Eröffnung wurde eine systematische
13
Vgl. Wolf, Eisenbahn und Autowahn - Personen- und Gütertransport auf Schiene und Straße: Geschichte,
Bilanz, Perspektiven; Hamburg 1992, Seite 26f.
14
Vgl. Nordmann, Die Frühgeschichte der Eisenbahnen, Berlin 1948, Seite 3. Ein Vierspänner konnte zum
Ende des 19. Jahrhunderts maximal 120 Zentner transportieren. Dem stand die Transportleistung einer
Dampflokomotive von bis zu 20 000 Zentnern gegenüber.
15
Vgl. Borscheid, Peter: Lkw kontra Bahn ­ Die Modernisierung des Transports durch den Lastkraftwagen in
Deutschland bis 1939; in: Niemann, Harry; Herman, Armin: Entwicklung der Motorisierung im Deutschen
Reich und den Nachfolgestaaten; Stuttgart 1995, Seite 25f.
16
Vgl. Wolf, Eisenbahn und Autowahn - Personen- und Gütertransport auf Schiene und Straße: Geschichte,
Bilanz, Perspektiven; Hamburg 1992, Seite 33.
17
Vgl. Saitzew, Manuel: Die volkswirtschaftlichen Aufgaben und die wirtschaftspolitische Behandlung der
Eisenbahnen; Bern 1932, Seite 5ff. Saitzew bezeichnet die zahlreichen Auswirkungen der Eisenbahn auf die
Wirtschaft als ,,Transportvervollkommnung".

Teil 2: Historische Entwicklung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen
Seite 32
Marktanalyse durchgeführt. Das zu erwartende Verkehrsaufkommen auf dieser Strecke wurde
geschätzt, indem 40 Tage lang die Fußgänger, Reiter und Wagen auf der Landstraße zwischen
beiden Städten gezählt wurden. Es ist nicht festgehalten worden, welchen Anteil am Ver-
kehrsaufkommen man damals auf die Schiene hätte verlagern können, jedoch ging man von
einem wirtschaftlichen Betrieb aus. Das Anlagekapital der Eisenbahnbetreiber sollte eine
Rendite von 12,5 % erzielen.
18
Man rechnete mit rund 500 beförderten Personen täglich.
19
Bei der Planung und dem Bau der Strecke zwischen Nürnberg und Fürth traten staatli-
che Stellen kaum in Erscheinung. Protagonisten, Initiatoren und Gründer waren fast durchweg
Bürger der beteiligten Städte. Die Inbetriebnahme war ein wirtschaftlicher Erfolg, der alle
Erwartungen übertraf. Gründe dafür waren neben den niedrigen Baukosten die eingleisige
Streckenführung, der Gebrauch leichter, schmiedeeiserner Schienen, der gemischte Einsatz
von Pferden und einer leichten Lokomotive, die anfängliche Beschränkung auf den Personen-
verkehr sowie das Fehlen von Zwischenstationen und schienengleichen Bahnübergängen.
Viele Eisenbahnkomitees sowie Fürsten und Ingenieure holten sich Anregungen für den Bau
weiterer Strecken in Deutschland.
20
18
Vgl. ebd., Seite 12.
19
Vgl. List, Friedrich: Über Eisenbahnen und das deutsche Eisenbahnsystem; in: Das Pfennig-Magazin der
Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse vom 7. März 1835, Seite 78.
20
Vgl. Weigelt, Horst: Epochen der Eisenbahngeschichte, Darmstadt 1985, Seite 26.

Teil 2: Historische Entwicklung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen
Seite 33
5.4
Systembild, Leistungsangebot und Betrieb
5.4.1
Die ersten Betriebsformen
Wegen der polyzentrischen Struktur und der Interessenlage der Einzelstaaten wurden
in vielen größeren Städten Eisenbahngesellschaften gegründet mit dem Ziel, Verbindungen zu
den wichtigsten Nachbarstädten zu bauen. Das Eisenbahnwesen in Deutschland war in seiner
Anfangszeit daher von zahlreichen Inselstrecken gekennzeichnet. Beispiel Berlin: Die Bahn-
höfe der in vier verschiedenen Himmelsrichtungen verlaufenden Strecken lagen bezeichnen-
derweise auch in vier verschiedenen Stadtteilen. Die Reisegeschwindigkeit um 1840 lag zwi-
schen 29 und 36 km/h, im Normalfall fuhren nur wenige Züge am Tag. Lediglich auf der
Strecke Nürnberg - Fürth gab es als erste Verkehrsbahn der Welt den Stundentakt in beide
Richtungen
21
. Zur Regelung des Betriebes wurden zunächst Signale aus dem Schiffsverkehr
(Laternen, Glocken, Flaggen oder Pfeifen) eingesetzt. Das 1838 eingeführte Signalbuch zur
Eisenbahn Dresden - Leipzig enthielt bereits 16 Signalbegriffe, speziell für den Fernverkehr.
22
Die ersten Eisenbahnen in Deutschland orientierten sich an englischen Vorbildern. Die
Schienen waren dementsprechend in gusseisernen Stühlen auf steinernen Pfosten befestigt.
Die Spurweite betrug wie in England 1435 mm. 1838 wird in Deutschland mit der ,,Saxonia"
die erste betriebsfähige Dampflokomotive in Dresden gebaut. Auch die ersten größeren Bau-
werke, die für den Eisenbahnbetrieb notwendig waren, wurden dieser Phase fertiggestellt.
Beispiele dafür sind die Elbbrücke bei Riesa und der 513 m lange Tunnel bei Oberau (für die
Eisenbahnverbindung zwischen Dresden und Leipzig).
23
5.4.2
Die historischen Umwege
In der Frühzeit der deutschen Eisenbahnen nahm eine Entwicklung ihren Lauf, die
noch weit mehr als 150 Jahre später Auswirkungen auf das deutsche Schienennetz haben
sollte. Es handelt sich hierbei um die ,,historischen Umwege", von denen das Schienennetz
auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts teilweise noch geprägt ist. Aufgrund der Zersplitterung
in die zahlreichen Territorialstaaten erfolgte der Eisenbahnbau auf deutschem Gebiet nicht
unter Berücksichtigung der geographischen Verhältnisse bzw. mit dem Ziel, eine hohe Netz-
effizienz zu erzielen.
24
Jedes Duodez-Fürstentum verfolgte die Strategie, in seinem kleinen
Machtbereich künstliche Verkehrszentren zu schaffen. Dabei spielte es keine Rolle, ob der
Nachbarstaat ignoriert oder geschädigt wurde. Als ein Beispiel von vielen für diese Art von
Kirchturmpolitik können die Entwicklungen rund um den Bau der Eisenbahnstrecke Berlin ­
21
Im ersten Betriebsjahr wurden auf der Strecke zwischen Nürnberg und Fürth durchschnittlich 1230 Personen
befördert. Vgl. Hartung, Karl-Heinz; Preuß, Erich: Deutsche Eisenbahnen; Stuttgart 1996, Seite 15.
22
Vgl. Weigelt, Horst: Epochen der Eisenbahngeschichte, Darmstadt 1985, Seite 27f.
23
Vgl. Hartung, Karl-Heinz; Preuß, Erich: Deutsche Eisenbahnen; Stuttgart 1996, Seite 18ff.
24
Das europäische Eisenbahnwesen ist heute (2002) immer noch durch ein Ausmaß an Zersplitterung gekenn-
zeichnet ist, unter dem die Effizienz und die Konkurrenzfähigkeit des europäischen Schienensystems gegen-
über dem KFZ leidet. Fast 200 Jahre nach der ersten Eisenbahnfahrt zwischen Darlington und Stockton ist
das europäische Eisenbahnwesen von unterschiedlichen Stromsystemen und Spurweiten geprägt. In der euro-
päischen verkehrspolitischen Diskussion ist beispielsweise die Thematik des freien Netzzugangs für Dritte
ein bedeutendes Thema.

Teil 2: Historische Entwicklung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen
Seite 34
Hamburg gesehen werden. Unter den Staaten, die von dieser Verbindung berührt wurden,
befand sich das dänisch regierte Lauenburg. Dänemark stimmte einem Staatsvertrag
25
mit den
anderen beteiligten Staaten erst zu, nachdem sich die Hamburg-Berliner Eisenbahngesell-
schaft dazu verpflichtet hatte, Lauenburg mit einer Nebenbahn an die Hauptstrecke anzu-
schließen und dessen Einwohner für alle Zeiten unentgeltlich zu befördern.
26
5.5
Die ersten ,,Eisenbahnlobbyisten"
5.5.1
Wegbereiter für die Eisenbahn in der Anfangszeit des Schienenverkehrs ...
In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bestand das Gebiet des Deutschen Rei-
ches aus zahlreichen Mittel- und Kleinstaaten, dem Königreich Preußen (ohne seine beiden
östlichen Provinzen) sowie einem Großteil der österreichisch - ungarischen Monarchie. Die
entsprechend der Bundesverfassung regierenden Fürstenfamilien nahmen eine bedeutende
Stellung ein.
27
Die Teilung Deutschlands in viele Staaten mit vielen Zollgrenzen und ebenso
vielen bürokratischen Verwaltungsapparaten stellte für den grenzüberschreitenden Verkehr
eine Behinderung und Verteuerung dar.
28
Eine große Verbesserung ergab sich im Laufe des
19. Jahrhunderts erst durch die Vergrößerung des Geltungsbereiches des preußisch dominier-
ten Deutschen Zollvereins. Dessen Vorhandensein war eine wichtige Voraussetzung für die
Verbreitung und den Durchbruch der Technologie des Schienenverkehrs.
29
Die Vorreiter und Visionäre, die sich für die noch fast unbekannte Technologie des Ei-
senbahnverkehrs einsetzten, waren oft Beamte des territorialstaatlichen Verwaltungsappara-
tes, mit Bezug zum Bergbau. Es wurden meist Ideen aus England aufgegriffen, gedanklich
weiterentwickelt und auf deutsche Verhältnisse übertragen.
30
So entstanden erste Vorstellun-
gen längerer Eisenbahnverbindungen, vor deren Realisierung jedoch die regierenden Fürsten
und Könige zu überzeugen waren. Schließlich waren Bau und Betrieb von Eisenbahnen an
eine staatliche (d. h. fürstliche oder königliche) Konzession gebunden. Das Einwirken auf die
politischen Entscheider im Hinblick auf die Konzessionsgewährung erfolgte daher über die
Spitzenbeamten der beteiligten Verwaltungsressorts. Nachdem diese überzeugt werden konn-
ten, traten sie beim regierenden Monarchen für den Eisenbahnbau ein.
Ein Beispiel für dieses Vorgehen war das Eintreten des Justizkommissars Robert für
den Bau der Eisenbahn Berlin - Potsdam. Zunächst wandte er sich an den Ressortchef der
25
Der Staatsvertrag zwischen Dänemark, Mecklenburg-Schwerin, Lübeck und Hamburg wurde am 8. 11. 1841
unterzeichnet.
26
Vgl. Rehbein, Elfriede: Zum Charakter der preußischen Eisenbahnpolitik von ihren Anfängen bis zum Jahre
1879; Dresden 1953, Seite 27f.
27
Vgl. Fischer Weltgeschichte; Das Zeitalter der europäischen Revolution, Frankfurt 1981, Seite 210ff.
28
Es gab fast 40 verschiedene Währungen, Handelsgesetzgebungen und Gewerbegesetze. Geltende Währungen
auf deutschem Gebiet waren Gulden, preußische Taler, Goldtaler, Taler ,, neue Zweidrittel" , Mark Blanko,
Zwanzig Goldenfuß usw. Erschwerend kam noch hinzu, dass diese Vielfalt an Währungen und die ebenfalls
vorhandene Vielfalt an Maßen und Gewichten im Ausland nicht anerkannt wurden. Vgl. Rehbein, Elfriede:
Zum Charakter der preußischen Eisenbahnpolitik von ihren Anfängen bis 1879; Dresden 1953, Seite 19.
29
Vgl. Deutsche Reichsbahn: Uns gehören die Schienenwege; Berlin 1960, Seite 15f.
30
Beispiele hierfür sind der Oberbergrat Henschel (1822: Pläne für eine (Pferde-)Bahn von Frankfurt nach
Bremen) oder der Legationsrat von Amsberg (1824: Verbindung von Braunschweig nach Bremen und Han-
nover). Vgl. Nordmann, Hans: Die Frühgeschichte der Eisenbahnen, Berlin 1947, Seite 6f.

Teil 2: Historische Entwicklung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen
Seite 35
preußischen Verwaltung für Handel, Fabrikation und Bauwesen, den Wirklich Geheimen Rat
Rother, um diesen von seinem Vorhaben, bei dem auch Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen eine
Rolle spielten, zu überzeugen. In den Verhandlungen über die Bahn, in die unter anderem
auch der Generalpostmeister Nagler eingebunden war (die Personenbeförderung galt als aus-
schließliches Recht des Staates und damit der Post)
31
, zeichnete sich nach dem Antrag Roberts
ab, dass man der Konzessionsgewährung immer näher kam. Dies drückte der Wirklich Ge-
heime Rat Rother in einem Immediatbericht an König Friedrich Wilhelm III. am 16. 8. 1835
aus. In den Verhandlungen versicherte Robert ferner, dass der Betrieb der Eisenbahn nicht
den Postinteressen entgegen stehe. Schließlich betonte er im Bericht, dass auf den preußi-
schen Staat keine finanziellen Belastungen zukommen würden. Außerdem wies er darauf hin,
dass es keine Veranlassung gäbe, Eisenbahnen auf Staatskosten zu bauen. Als vorläufiges
Ergebnis bleibt festzuhalten, dass im Dezember 1835 eine entsprechende, zunächst vorläufige,
Konzession zu Bau und Betrieb der Bahn erteilt wurde.
32
Bevor man sich jedoch der Unter-
stützung bedeutender Mitglieder des jeweiligen Verwaltungsapparates sicher sein konnte,
waren es zunächst fast überall im Deutschen Reich private Unternehmer, die sich für den Bau
von Eisenbahnlinien einsetzten. Diese privaten Geschäftsleute waren es, die das Risiko für
den Betrieb der Gesellschaften trugen, das entsprechende, notwendige Kapital aufbrachten
und über die Streckenführung entschieden oder zumindest Vorschläge machten.
Erster Pionier auf deutschem Boden war Joseph Ritter von Baader, der von 1787 bis
1793 in England erste Erfahrungen mit der dortigen ,, Tramroad"
33
und der ,, Railroad"
34
ma-
chen konnte. Er war es auch, der als Teststrecke für eine Pferdebahn die Strecke Nürnberg-
Fürth vorschlug und sich schon ab 1814 dafür einsetzte.
35
1819 und 1825 sprachen sich der
bayerische Landtag und die bayerische Regierung ebenfalls für die Teststrecke Nürnberg-
Fürth aus. Die Nürnberger Wirtschaft verhielt sich zunächst zurückhaltend, weil sie mit der
Dampfeisenbahn auf eine fortschrittlichere Technologie wartete.
36
Ein unermüdlicher Vor-
kämpfer für die Eisenbahn war Friedrich Harkort aus Wetter an der Ruhr, der 1825 seine visi-
onären Ideen in einer Denkschrift veröffentlichte. 1831 begann die erste deutsche Eisenbahn-
31
Ab 1820 bauten verschiedene deutsche Staaten ihre Chausseen aus. Neben dem gewöhnlichen Postdienst
ließen sie auf ihnen Schnelldienste für die Personenbeförderung verkehren. Aus den Chausseegeldern und
aus den Postgebühren konnten gute Gewinne abgeschöpft werden. Preußen bestand in der Anfangszeit der
Eisenbahn oft darauf, dass die privaten Eisenbahnunternehmen Postgüter unentgeltlich befördern sollten. Da
nicht alle Unternehmer damit einverstanden waren, kam es bei der Planung für Eisenbahnstrecken immer
wieder zu langen Verzögerungen. Vgl. Rehbein, Elfriede: Zum Charakter der preußischen Eisenbahnpolitik
von ihren Anfängen bis zum Jahre 1879; Dresden 1953, Seite 28.
32
Vgl. Nordmann, Hans: Die Frühgeschichte der Eisenbahnen; Berlin 1947, Seite11f. und 15.
33
Vermutlich Bahntyp mit zwischen die Schienen gelegten Bohlen. Weigelt, Horst; Epochen der Eisenbahnge-
schichte, Darmstadt 1985, Seite 11.
34
Englischer Bahntyp mit Spurkranzrädern (ab 1765, erste Nutzung wird schon ab 1598 vermutet). Vgl. eben-
da.
35
Baader reichte wiederholt Petitionen bei der bayerischen Regierung ein und bat um Unterstützung und die
Genehmigung, damit er seine Ideen in einem Großversuch demonstrieren konnte. Die Kammer der Land-
ständen empfahl die Realisierung der von Baader vorgeschlagenen Bahn auf der besagten Strecke zwischen
Nürnberg und Führt sowie zwischen dem Main und der Donau ­ ohne Erfolg. Erst nach der dritten Stände-
versammlung, 1825 wurde der geplante Großversuch genehmigt und finanziell unterstützt. Baaders Ideen
wurden aber nie verwirklicht. Vgl. Marggraff, Hugo; Die Vorfahren der Eisenbahnen und Dampfwagen,
Berlin 1884, Seite 53ff.
36
Vgl. Weigelt, Horst: Epochen der Eisenbahngeschichte, Darmstadt 1985, Seite 25.

Teil 2: Historische Entwicklung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen
Seite 36
Aktiengesellschaft unter Mitwirkung von Harkort mit dem Bau der später vom Kaiser eröff-
neten Prinz-Wilhelm-Bahn von Langenberg nach Steele.
37
Die Stärke dieser Protagonisten für die Eisenbahn lag in der konkreten Realisierung
von Eisenbahnlinien. Im Unterschied dazu erzielte Friedrich List eine große Wirkung in der
breiten Öffentlichkeit und in verkehrspolitisch interessierten Kreisen, in dem er unermüdlich
auf die zahlreichen positiven und verheißungsvollen Wirkungen der Eisenbahn hinwies.
38
Er
verteilte 1833 500 Exemplare der ersten Auflage seines Memorandums ,, Über ein sächsisches
Eisenbahn-System als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahn-Systems und insbe-
sondere über die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden" an alle Bewohner
Leipzigs, die einen ,, Einfluss im Öffentlichen Leben haben" sowie an alle staatlichen Behör-
den.
39
In der Einleitung propagierte er die mit der neuen Transporttechnologie verbunden
Vorteile, wie der ,, wohlfeile, schnelle, sichere und regelmäßige Transport von Personen und
Gütern, die als einer der mächtigsten Hebel des Nationalwohlstands und der Zivilisation" an-
zusehen seien.
40
Zahl- und einflussreiche Leipziger Bürger (darunter einige Großkaufleute)
arbeiteten mit List in einem Komitee zusammen, dem er als Geschäftsführer vorstand. Es
hatte die Aufgabe, den Bau der 115 km langen Schienenverbindung zwischen beiden Städten
vorzubereiten. Seine Arbeit mündete am 14. Mai 1835 in der Gründung einer Aktiengesell-
schaft und der Gewinnung von Anlagekapital.
41
Am 24. April 1837 wurde das erste, zwei Jah-
re später das letzte Teilstück der Strecke eröffnet. Die Fahrzeit der Personenzüge betrug drei-
einhalb bis vier Stunden, Güterzüge brauchten bis zu zwei Stunden länger.
42
Der zu seiner Zeit äußerst ungewöhnliche Vorstoß von Friedrich List weist viele
Merkmale erfolgversprechender Lobbyarbeit auf. Zunächst verschaffte er sich Datenmaterial
über die wirtschaftlichen Verhältnisse in Sachsen und über die Bodenbeschaffenheit entlang
der ins Auge gefassten Strecke zwischen Leipzig und Dresden. Davon zeugen zahlreiche sta-
37
Weitere Industrielle, die sich für den Bau der Eisenbahnlinien engagierten, waren Friedrich List, Karl Anton
Henschel sowie Philipp August von Amsberg. Vgl. ebenda, Seite 26. Die Lebensbeschreibungen wichtiger
Pioniere der Eisenbahn findet sich bei: Born, Eberhard; Pioniere des Eisenbahnwesens, Darmstadt 1966. Die
Pläne Harkorts ließen sich auf Grund zahlreicher Schwierigkeiten erst ab 1841 mit der Inbetriebnahme der
Eisenbahn von Elberfeld nach Düsseldorf realisieren. Rehbein, Elfriede: Zum Charakter der preußischen Ei-
senbahnpolitik von ihren Anfängen bis zum Jahre 1879; Dresden 1953, Seite 30.
38
Friedrich List lebte von 1789 ­ 1846 und wurde 1822 wegen ,, Angriffen auf die württembergische Staatsbü-
rokratie" zu zehn Monaten Festungshaft verurteilt, bevor er 3 Jahre später mit seiner Familie in die Verei-
nigten Staaten übersiedelte. Als einer der ersten erkannte er die Bedeutung der aufkommenden Eisenbahn-
technologie.
39
Vgl. List, Friedrich: Über ein sächsisches Eisenbahn-System als Grundlage eines allgemeinen deutschen
Eisenbahn-Systems und insbesondere über die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden; Voll-
ständiger, unveränderter Nachdruck (2. Auflage), Mainz 1984, Einleitung von L. D. Brandt, Seite 3.
40
Vgl. Wolf, Eisenbahn und Autowahn - Personen- und Gütertransport auf Schiene und Straße: Geschichte,
Bilanz, Perspektiven; Hamburg 1992, Seite 36 und Schaerfenberg; Wir fahren immer..., Frankfurt 1971,
Seite 9 sowie List, Friedrich: Über ein sächsisches Eisenbahn-System als Grundlage eines allgemeinen deut-
schen Eisenbahn-Systems und insbesondere über die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden;
Vollständiger, unveränderter Nachdruck (2. Auflage), Mainz 1984, Seite 2f. An dieser Stelle wird die Be-
deutung einer behutsamen und diplomatischen Kontaktaufnahme mit den Politikern und Staatsbediensteten
im damaligen Sachsen deutlich. Fast unterwürfig bittet List ,, gehorsamst ..., die Form, in welcher ich meine
Vorschläge eingekleidet habe, nicht mißfällig anzunehmen, sondern geneigtest zu berücksichtigen, dass es
nur auf diese Weise möglich ist, so viele Bestimmungen und Vorschriften für so komplizierte Geschäfte auf
anschauliche und einleuchtende Weise darzustellen" .
41
Vgl. Nordmann, Hans; Die Frühgeschichte der Eisenbahnen, Berlin 1948, Seite 11.
42
Vgl. List, Friedrich: Über ein sächsisches Eisenbahn-System als Grundlage eines allgemeinen deutschen
Eisenbahn-Systems und insbesondere über die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden; Voll-
ständiger, unveränderter Nachdruck (2. Auflage), Mainz 1984, Einleitung von L. D. Brandt, Seite 12f.

Teil 2: Historische Entwicklung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen
Seite 37
tistische Angaben in seiner Schrift. Anschließend überzeugte er einige einflussreiche Kauf-
leute und Gelehrte von seinen Plänen und baute sich somit eine eigene Lobby auf. Danach
ging er an die Öffentlichkeit. Sein Erfolg lag darin, dass es ihm gelang, Unkenntnisse über die
Vorteile eines Eisenbahnsystems zu beseitigen und vorgefasste Meinungen umzustimmen.
43
Ein weiteres Erfolgsrezept waren sein persönliches Engagement und seine Überzeugung. Er
warb auch in vielen anderen großen Städten Deutschlands für die Einbindung in ein deutsches
Eisenbahn-System. Ebenfalls interessant war die geschickte Argumentationsweise, mit der
List um Unterstützung für seine Pläne in Leipzig warb. Er analysierte die dortige wirtschaftli-
che Situation, denn Leipzig stand als reiche Handelsstadt kurz vor der Aufnahme in den Deut-
schen Zollverein. Er trat daher für eine Vorreiterrolle Leipzigs als Mittelpunkt eines einheitli-
chen deutschen Eisenbahnsystems ein und verknüpfte darüber hinaus die Bedeutung der Ei-
senbahn mit dem Wohl der deutschen Wirtschaft.
44
In ähnlicher Weise äußerten sich viele
Autolobbyisten zum Beginn der Massenmotorisierung nach dem Zweiten Weltkrieg.
45
Ein
Blick in das Vorwort zu seiner Schrift stellt klar heraus, welche wichtigen Grundvorausset-
zungen unverzichtbar für erfolgreiche Lobbytätigkeit sind: ,, organisatorisches Geschick" ,
,, Zähigkeit" , ,, rastlose Agitation" .
46
Übertragen in die Sprache der heutigen Zeit: ,, gute Kennt-
nisse von Lobbyarbeit als Prozess" , ,, gute Motivation" und ,, Ausdauer und Kontinuität" .
In der verkehrspolitischen Diskussion der damaligen Zeit wurden von den Protago-
nisten die Stärken des neuen Verkehrsträgers offensiv dargestellt. Die von den Befürwortern
der Eisenbahnen vorgebrachten Vorteile lassen sich in drei Kategorien einordnen:
Wirtschaftliche Vorteile:
¡
Erhöhung des Waren- und Kapitalumsatzes durch den schnelleren Transport;
¡
Erhöhung der Sicherheit;
¡
Preisausgleichende Wirkung durch regelmäßigen und stetigen Transport;
¡
Hebung des Nationalreichtums;
Politische und kulturelle Vorteile:
¡
Die Eisenbahn ist ein Mittel zur politischen Machterhöhung;
¡
Sie kann ein wichtiges Mittel zur Einigung Deutschlands sein;
¡
Sie kann ein Mittel sein, die lokale Selbstgenügsamkeit auf kulturellem Gebiet zu überwinden;
Militärische Vorteile:
¡
Im Krieg konnte man auf dem ausgebauten Eisenbahnnetz Truppen und Material zusammenziehen;
47
1847 wurde mit dem Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen (VDEV) der erste or-
ganisierte Verband im Bereich des Eisenbahnwesens gegründet. Sein Gründungsmotto laute-
te: ,, Die Bestrebungen der Eisenbahnverwaltungen durch Einmütigkeit zu fördern und da-
durch ebenso sehr den eigenen Interessen als denen des Publikums zu dienen" . Im Bereich der
Standardisierung verschiedener technischer Einzelheiten erreichte der Verband kleinere Er-
43
Vgl. ebenda, Seite 6f.
44
Vgl. List, Friedrich: Über Eisenbahnen und das deutsche Eisenbahnsystem; in: Das Pfennig-Magazin der
Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse vom 7. März 1835, Seite 79.
45
Dies war eine typische Argumentation, mit der sich die Deutsche Straßenliga vehement für einen verstärkten
Straßenbau einsetzte. Ein gut ausgebautes Straßennetz wurde mit dem Blutkreislauf gleichgesetzt, der zu
wirtschaftlichem Wohlstand führen sollte. Vgl. Klenke, Dietmar: Bundesdeutsche Verkehrspolitik und Mas-
senmotorisierung; Stuttgart 1993, Seite 174.
46
Vgl. List, Friedrich: Über ein sächsisches Eisenbahn-System als Grundlage eines allgemeinen deutschen
Eisenbahn-Systems und insbesondere über die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden; Voll-
ständiger, unveränderter Nachdruck (2. Auflage), Mainz 1984, Einleitung von L. D. Brandt, Seite 6ff.
47
Beispielsweise wurde angeregt, Eisenbahntrassen entlang von Festungen zu bauen. Zahlreiche Artikel und
Denkschriften diskutierten die militärischen Vorteile, die aus dem Bau einer Eisenbahnlinie resultieren
könnten. Vgl. Rehbein, Elfriede: Zum Charakter der preußischen Eisenbahnpolitik von ihren Anfängen bis
zum Jahre 1879; Dresden 1953, Seite 34ff.

Teil 2: Historische Entwicklung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen
Seite 38
folge bei seinen Bemühungen, die Betriebsformen der Eisenbahnen in Deutschland zu verein-
heitlichen. Vor allem die beiden Schriften ,, Grundzüge für die Gestaltung der Eisenbahnen in
Deutschland" und ,, Einheitliche Vorschriften für den durchgehenden Verkehr" aus dem Jahre
1850 trugen dazu bei, dass die Hauptabmessungen und wichtige Ausstattungsteile vereinheit-
licht wurden.
48
5.5.2
... und die Widerstände in der öffentlichen Meinung
Weite Teile der Öffentlichkeit standen dem neuen, noch weitgehend unbekannten
Verkehrsträger anfangs ablehnend gegenüber. Zahlreiche Politiker hielten ihn für ein Spiel-
zeug, das keinem vernünftigen Zweck dienen könne. Wissenschaftliche Experten gaben zu
bedenken, dass der Dampfbetrieb bei den Zuschauern bzw. den Anwohnern schwere Gehirn-
erkrankungen hervorrufen könnte. Es wurde empfohlen, die Bahnstrecken mit Bretterzäunen
zu umgeben. Als 1825 im englischen Parlament der Entwurf der ersten Dampfeisenbahnstre-
cke eingebracht wurde, forderten Abgeordnete, der Pferdebahn den Vorzug zu geben. Argu-
mente der Eisenbahngegner waren z. B. :
Die Passagiere könnten ersticken, wenn die Dampfeisenbahn durch einen Tunnel fährt;
Die Funken der Lokomotiven könnten die Felder in Brand setzen;
Die Tiere sterben aus Angst vor den schrillen Pfiffen der Lokomotiven;
Die Hühner legen keine Eier mehr;
KULISCHER sieht besonders die Kanalbesitzer als Urheber dieser und anderer Be-
denken, die gegenüber dem neuen Verkehrsträger geschürt wurden. Die Eigentümer der aus-
gebauten Kanäle waren vom Aufkommen einer möglichen Konkurrenz im inländischen Gü-
tertransportverkehr beunruhigt. Dasselbe galt für die Unternehmer im Schnellpostgewerbe.
Von diesen gingen sogar Bestrebungen aus, den Eisenbahnbau mit Gewalt zu behindern oder
zu stören. Auch in Deutschland meldeten sich Stimmen, die gegen das neue Verkehrsmittel
gerichtet waren. Wie in England so waren es auch dort vor allem Kanalbesitzer und Schnell-
postbetreiber, die versuchten Stimmung gegen die Eisenbahn zu machen. Ganz zu schweigen
von den religiösen Bedenken, wonach die Eisenbahn eine Erfindung des Teufels sei. All dies
konnte aber nicht den Aufstieg des neuen Verkehrsträgers verhindern.
49
6
Epoche II (1840 bis 1880)
6.1
Weiter fortschreitende Erschließung Deutschlands mit der Eisenbahn
6.1.1
Ursachen
Um 1840 wirkte sich der in anderen Ländern schon weiter fortgeschrittene Eisenbahn-
bau auf die heimische Wirtschaft aus. Die Steigerung der Transporteffizienz durch die Eisen-
bahn im Ausland führte dazu, dass sich beispielsweise die Transportkosten für englisches
Roheisen dermaßen verbilligten, dass für die deutsche eisenverarbeitende Industrie englisches
48
Vgl. Hartung, Karl-Heinz; Preuß, Erich: Deutsche Eisenbahnen; Stuttgart 1996, Seite 23ff.
49
Vgl. Kunischer, Josef: Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit; München 1965,
Seite 522.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832463359
ISBN (Paperback)
9783838663357
DOI
10.3239/9783832463359
Dateigröße
6.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Trier – Geographie/Geowissenschaften FB VI
Erscheinungsdatum
2003 (Januar)
Note
2,0
Schlagworte
lobbying rahmenbedingungen adac verbände
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