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Märkte für Strom

Theoretische Konzepte und Erfahrungen aus Großbritannien

©1998 Diplomarbeit 102 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
In der vorliegenden Arbeit wird der Versuch unternommen, wirtschaftspolitische Empfehlungen für den Bereich der Elektrizitätswirtschaft zu treffen. Aussagen oder Empfehlungen, die gemacht werden, ohne dass ihr theoretischer Hintergrund klar wird (oder gar demjenigen, der sie macht, klar ist), können niemals den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erfüllen. Dies bedeutet für eine wissenschaftlich betriebene Wirtschaftspolitik, dass sie immer auch angewandte Wirtschaftstheorie sein muss.
Monopolistische Sektoren sind für die wissenschaftliche und praktische Wirtschaftspolitik von besonderem Interesse, weil sie i. d. R. spezifischen Interventionen des Staates unterliegen, mit denen dieser die unerwünschten Begleiterscheinungen von Monopolstellungen zu verhindern sucht. Die Frage, warum staatliche Eingriffe in wettbewerbliche Prozesse erfolgen, kann dabei sowohl positiv wie auch normativ-theoretisch angegangen werden, wobei sie in dieser Arbeit strikt normativ-theoretisch aufgefasst wird. Für die positive Erklärung und die normative Begründung des Bestehens von Monopolstellungen steht in der ökonomischen Literatur das sogenannte „natürliche Monopol“ im Vordergrund, das in der heutigen Sichtweise durch die Subadditivität der Totalkosten eines Sektors charakterisiert ist.
In dieser Arbeit wird in einem ersten Schritt versucht, die Elektrizitätswirtschaft vor dem Hintergrund der heutigen Erkenntnisse in die normative Theorie der Regulierung einzuordnen.
Zuerst werden traditionell von interessierter Seite vorgeschützte „Besonderheiten“ dieses Industriesektors diskutiert, die mit Hilfe des normativ-theoretischen Instrumentariums überprüft werden. Diese Schritte sollen dem ersten Hauptziel dieser Arbeit dienlich sein. Erklärtes Ziel dieser Arbeit ist es zum einen die Deregulierungspotentiale, die durch die neueren theoretischen Erkenntnisse und technologischen Weiterentwicklungen entstanden sind, vor klarem theoretischen Hintergrund offen zu legen.
Nachdem dies geschehen ist, wird zum anderen der Frage nachgegangen, inwieweit das englisch-walisische Deregulierungsmodell als „Leitbild“ für Reformen in anderen Ländern, wenn nicht sogar für die gesamte EU, dienen kann. Dabei wird überprüft, inwieweit die Um-strukturierung der englisch-walisischen Elektrizitätswirtschaft den angesprochenen Zielen der Effizienzsteigerung durch Marktöffnung und Wettbewerb gerecht wird. Diese Frage kann getrennt nach Erzeugermarkt und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6334
Bracht, Bernd: Märkte für Strom - Theoretische Konzepte und Erfahrungen aus
Großbritannien
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Dortmund, Universität, Diplomarbeit, 1998
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis Seite I
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
I
Abbildungsverzeichnis
III
Abkürzungsverzeichnis
III
1 Einleitung
1
1.1
Problemstellung
1
1.2
Zielsetzung und Methodik
4
1.3
Gang der Untersuchung
5
2 Rechtfertigung und Zielsetzung staatlicher Regulierungstätigkeit
6
2.1
Normative Theorie der Regulierung
6
2.1.1
Das Konzept der Pareto-Effizienz zur Beurteilung von Allokationen
7
2.1.2
Zum Begriff des natürlichen Monopols
9
2.1.2.1
,,Traditionelle" Sichtweise: fallende Durchschnittskosten
10
2.1.2.2
,,Neuere" Sichtweise: subadditive Kostenstruktur
12
2.1.3
Theorie bestreitbarer Märkte
15
2.1.4
Demsetz-Wettbewerb (Franchise Bidding)
22
2.1.5
Intermodaler Wettbewerb (Monopolistische Konkurrenz)
24
2.1.6
Schlußfolgerungen für den Regulierungsbedarf
25
2.2
Synthese
27

Inhaltsverzeichnis Seite II
3 Einordnung der Elektrizitätswirtschaft in die Regulierungstheorie
29
3.1
Besonderheiten der Elektrizitätswirtschaft
31
3.1.1
Argumente für die Rechtfertigung der Ausnahmestellung
31
3.1.2
Kritik der ,,Besonderheitenlehre"
32
3.2
Anwendbarkeit der normativen Regulierungstheorie
36
3.2.1
Economies of scale
37
3.2.2
Economies of scope
40
3.3
Deregulierung der Elektrizitätswirtschaft
43
3.4
Synthese
44
4 Privatisierung und Deregulierung der Stromversorgung in England/Wales
46
4.1
Historische Entwicklung
46
4.1.1
Struktur und Regulierung vor der Privatisierung
47
4.1.2
Der Energy Act 1983 und seine Wirkungen
49
4.1.3
Privatisierung der Elektrizitätswirtschaft in England/Wales
50
4.2
Struktur, Regulierung und Funktionsweise des neuen Systems
52
4.2.1
Struktur nach der Privatisierung im Überblick
52
4.2.2
Institutionelle Rahmenbedingungen (Electricity Act 1989)
55
4.2.3
Grundcharakterisierung des Spotmarktes
56
4.2.3.1 Funktionsweise des Strompools
57
4.2.3.2 Parallelkontraktmarkt für Sicherungsgeschäfte
60
4.3
Synthese
64
5 Effekte des geplanten Wettbewerbs - der Erzeugermarkt
66
5.1
Marktstruktur, Marktanteile und Entwicklung der Poolpreise
67
5.2
Das Modell von Harbord/von der Fehr
69
5.2.1
Modellannahmen
69
5.2.2
Modellanalyse
70
5.2.2.1 Low-demand periods
72
5.2.2.2 High-demand periods
73
5.2.2.3 Variable-demand periods
74

Inhaltsverzeichnis Seite III
5.3
Eine alternative Preisbildungsregel
77
5.4
Kritische Würdigung der Modellergebnisse
80
6 Zusammenfassung und Perspektiven
83
Literaturverzeichnis
85
Versicherung
94

Abbildungs- und Abkürzungsverzeichnis Seite III
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1:
Das ,,klassische" natürliche Monopol bei fallenden Durchschnittskosten
10
Abb. 2:
Natürliches Monopol bei U-förmigem Kostenverlauf (a)
14
Abb. 3:
Natürliches Monopol bei U-förmigem Kostenverlauf (b)
14
Abb. 4:
Ein bestreitbarer Markt mit monoton fallenden Durchschnittskosten
17
Abb. 5:
Instabilität eines Marktes durch U-förmigen Kostenverlauf
18
Abb. 6:
Intermodaler Wettbewerb (monopolistische Konkurrenz)
24
Abb. 7:
Regulierung eines natürlichen Monopols: ,,traditionelle" ökonomische
Rechtfertigung
25
Abb. 8:
Neuere Sichtweise: "Policy roadmap for regulation"
26
Abb. 9:
Struktur der englisch-wal. Elektrizitätswirtschaft vor der Privatisierung
49
Abb. 10: Struktur der englisch-wal. Elektrizitätswirtschaft nach der Privatisierung
54
Abb. 11: Bestimmung der Poolpreise
60
Abkürzungsverzeichnis
Abb.
Abbildung
AG
Aktiengesellschaft
Aufl.
Auflage
Bd.
Band
BRD
Bundesrepublik Deutschland
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
CEGB
Central Electricity Generation Board
CfD
Contract for Differences
d. h.
das heißt
DK
Durchschnittskosten
DGES
Director General of Electricity Supply
DGFT
Director General of Fair Trading
EdF
Electricité de France
EFA
Electricity Forward Agreement
e. g.
for example
EnWG
Energiewirtschaftsgesetz
etc.
et cetera
EU
Europäische Union
EVU
Elektrizitätsversorgungsunternehmen
f.
folgende [Seite]

Abbildungs- und Abkürzungsverzeichnis Seite IV
ff.
(fort)folgende [Seiten]
GG
Gleichgewicht
GK
Grenzkosten
GW
Gigawatt
GWB
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
ggf.
gegebenenfalls
Hrsg.
Herausgeber
i. d. R.
in der Regel
i. R.
im Rahmen
i. S.
im Sinne
i. w.
im wesentlichen
kW
Kilowatt
kWh
Kilowatt pro Stunde
LOLP
Loss Of Load Probability
MMC
Monopolies and Mergers Commission
Mrd.
Milliarden
MW
Megawatt
NGC
National Grid Company
No.
Number
Nr.
Nummer
OFFER
Office for Electricity Regulation
PES
Public Electricity Supply Licence
PPP
Pool Purchase Price
PSP
Pool Selling Price
REC
Regional Electricity Company
RPI
Retail Price Index
S.
Seite
sog.
sogenannte[e, er, en, es]
SMP
System Marginal Preis
TPA
Third Party Access
u. a.
unter anderem
u. a. O.
und andere Orte
usw.
und so weiter
v. a.
vor allem
vgl.
vergleiche
Vol.
Volume
VOLL
Value Of Lost Load
wal.
walisisch
WS
Wahrscheinlichkeit
z. B.
zum Beispiel
Zshg.
Zusammenhang

Einleitung Seite 1
1
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
,,Vor sieben Jahren entfachte in Bonn ein Kreis angesehener Experten einen Sturm der
Entrüstung. Nüchtern im Ton, aber respektlos in der Sache brachte die Deregulierungs-
kommission mit ihren Empfehlungen an die Bundesregierung die namhaften Wirtschafts-lobbys
gegen sich auf, vom Versicherungswesen über die Energiewirtschaft bis hin zum Handwerk.
Der ketzerische Befund der Ökonomen: Ganze Kataloge von Sondervorschriften, die stets mit
den Gefahren des Marktversagens begründet werden, dienen vor allem einem ganz anderen
Zweck - sie schützen etablierte Anbieter vor mißliebiger Konkurrenz und sind damit zugleich
eine zentrale Ursache der Unterbeschäftigung."
1
Inzwischen ist das Ende der alten, festgefügten Monopol- und Kartellstruktur auch bei der
Energieversorgung wesentlich näher gerückt, der Wettbewerb wird sich im europäischen
Rahmen verschärfen. Die Kernbotschaft ist ohnehin verbreitet: Der Dschungel staatlicher
Vorschriften muß gelichtet werden, wenn unternehmerische Initiative nicht erdrosselt werden
soll.
Erstaunlich ist, daß die Abwesenheit von kompetitiven Strukturen in der Elektrizitäts-
wirtschaft in Deutschland bis zum Beginn der neunziger Jahre keineswegs politisch ernsthaft
als Problem diskutiert wurde. Der Status quo wurde als Resultat der allgemein herrschenden
Überzeugung interpretiert, daß Versorgungswirtschaft, mindestens aber die Regelung und
Ordnung der Energie- und Wasserversorgung, eine öffentliche Aufgabe ist, weil hier die
üblichen Steuerungsinstrumente der Marktwirtschaft nicht greifen. Dem Markt wurde nicht
zugetraut, die Mindestanforderungen Versorgungssicherheit und Preiswürdigkeit zu
garantieren. Verfechter einer Wettbewerbsordnung in der Elektrizitätswirtschaft erschienen aus
dieser Perspektive als kleine radikale Minderheit.
2
Heute sind die Zweifel groß, ob die bestehenden Rahmenbedingungen für die Elektrizitäts-
wirtschaft den Anforderungen an eine effiziente Stromversorgung genügen, ob sie sich mit den
Grundsätzen einer europäischen Wettbewerbsordnung, mit dem freien Austausch von Gütern
und Diensten über Staatsgrenzen hinweg, vereinbaren lassen. Eine Umstrukturierung ist im
europäischen Rahmen rechtlich notwendig, weil der gemeinsame Binnenmarkt eigentlich schon
zum Ende 1992 zu bilden war und Märkte sich vom Verbraucher her als Auswahlfreiheit unter
Lieferanten desselben Gutes definieren lassen.
3
Von der rechtlichen Seite einmal abgesehen, ist
der Reformierungsdruck auch von der Konsumentenseite größer geworden. Die deutschen
Steuerzahler und Stromabnehmer sind immer weniger bereit, die hohen finanziellen
1
Vgl. Creutzburg, 1998, S. 24.
2
Vgl. Sturm, 1996, S. 64 ff.
3
Vgl. Mombaur, 1996 , S. 704 ff.; Vgl. zur rechtlichen Problematik eines europäischen Energiebinnenmarktes
Beelitz, 1992, S. 101 - 122; Baur, 1996a, S. 474 - 476; Baur, 1997, S. 102 - 122.

Einleitung Seite 2
2
Belastungen aus der Subventionierung der heimischen Steinkohle hinzunehmen. Immer
weniger umstritten ist die Aufgabe, bei der Erzeugung und Umwand-lung von Energie den
Belangen des Umweltschutzes verstärkt Rechnung zu tragen.
1
So hat die oft postulierte Besonderheit der ,,Ware Strom" nicht verhindern können, daß in
einigen Ländern, allen voran in Großbritannien, ein Systemwechsel zu wettbewerbsorien-
tierten Marktsystemen stattgefunden hat. Vor allem das englische Pool-Modell übt heute auf
viele Ökonomen eine starke Faszination aus.
2
Als Ursachen für diesen Strukturumbruch, der
sich in immer mehr Staaten ankündigt, können verschiedenste technologische und gesell-
schaftspolitische Entwicklungen angenommen werden. Vor allem Fortschritte und Neu-
entwicklungen bei Energietechnologien, die kleinere und dezentralere Produktionseinheiten
ermöglichen, kündigen eine neue Phase in der Evolution des Elektrizitätssektors an.
1.2 Zielsetzung und Methodik
In der vorliegenden Arbeit wird der Versuch unternommen, wirtschaftspolitische Empfeh-
lungen für den Bereich der Elektrizitätswirtschaft zu treffen. Aussagen oder Empfehlungen, die
gemacht werden, ohne daß ihr theoretischer Hintergrund klar wird (oder gar demjenigen, der
sie macht, klar ist), können niemals den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erfüllen. Dies
bedeutet für eine wissenschaftlich betriebene Wirtschaftspolitik, daß sie immer auch
angewandte Wirtschaftstheorie sein muß.
3
Monopolistische Sektoren sind für die wissenschaftliche und praktische Wirtschaftspolitik von
besonderem Interesse, weil sie i. d. R. spezifischen Interventionen des Staates unterliegen, mit
denen dieser die unerwünschten Begleiterscheinungen von Monopolstellungen zu verhin-dern
sucht.
4
Die Frage, warum staatliche Eingriffe in wettbewerbliche Prozesse erfolgen, kann dabei
sowohl positiv wie auch normativ-theoretisch angegangen werden, wobei sie in dieser Arbeit
strikt normativ-theoretisch aufgefaßt wird. Für die positive Erklärung und die normative
1
Vgl. Deregulierungskommission, 1991, S. 66 ff.
2
Nicht nur auf Ökonomen. Es ist interessant zu beobachten, daß die neuesten Gesetzesvorschläge etwa der
Fraktion der Grünen zum Energiewirtschaftsgesetz mit Ideen durchtränkt sind, die von der englischen
Erfahrung inspiriert sind. Joschka Fischer rührt die Werbetrommel: ,,Die Monopole der großen Energie-
konzerne, in deren Verwaltungen sich die großen Parteien lukrative Pöstchen sichern, müssen endlich weg.
Das ist die letzte staatssozialistische Bastion, verwaltet von CDU und SPD." (Vgl. Niejahr, 1998, S. 100.).
Für den politischen Beobachter pikant, daß hier Reformen der Ära Thatcher auf Seiten der Grünen
aufgegriffen werden. Die Grünen versprechen sich von dem Pool-Modell und dem mit ihm
zusammenhängenden Wettbewerb neue Steuerungsmöglichkeiten für eine ökologisch orientierte
Stromdarbietung. Indem Produzenten je nach ihrer Umweltwirkung unterschiedliche Prämien und Handicaps
im Pool-Wettbewerb erhalten, glaubt man, das Pool-Modell für ökologische Zwecke umfunktionieren zu
können. Demgegenüber sind die Vorschläge der Bundesregierung dem Modell des Third-Party-Access
verpflichtet. Hinter diesen Vorstellungen stehen insbesondere auch Großabnehmer, die sich von dem
Wettbewerb eine stärkere Spreizung der Strompreise versprechen, so daß Preise für Großabnehmer niedriger
werden.
3
Vgl. Weimann, 1996, S. 6.
4
Vgl. Kruse, 1985, S. 1 f.

Einleitung Seite 3
Begründung des Bestehens von Monopolstellungen steht in der ökonomischen Literatur das
sogenannte ,,natürliche Monopol" im Vordergrund, das in der heutigen Sicht-weise durch die
Subadditivität der Totalkosten eines Sektors charakterisiert ist.
1
Im Anschluß an MUSGRAVE weist die moderne Finanztheorie dem Staat Aufgaben in den
Bereichen der Allokation, Distribution und Stabilisierung zu.
2
Im Rahmen dieser Arbeit wird
die Analyse staatlichen Regulierungsbedarfs auf dem Elektrizitätsmarkt weitgehend auf
allokative Gesichtspunkte beschränkt, und das aus gutem Grunde. Das Kriterium für die
Beurteilung ordnungspolitischer Alternativen ist die ,,ökonomische Effizienz" und in diesem
Zshg. das Kriterium der Pareto-Effizienz. Denn das zentrale ökonomische Problem ist das
Knappheitsproblem. Eine ausschließlich an der allokativen Effizienz orientierte Analyse hat den
Vorteil, daß man nur einen Minimalkonsens herzustellen braucht: Man muß sich lediglich
darauf einigen, daß die Verschwendung knapper Ressourcen vermieden werden soll.
3
In einer
durch Knappheiten geprägten Ökonomie ist die Forderung, keine Ressourcen zu verschwen-
den, nicht nur naheliegend, sie ist dringend geboten.
Wenn deshalb in Kapitel 2.1.1 gefordert wird, daß gesellschaftliche Zustände Pareto-effizient
sein sollen, so wird damit gefordert, Verschwendung nicht zuzulassen. Ein Effizienzkriterium,
das verlangt, daß der Kuchen, der unter Einsatz gegebener Anfangsausstattungen ,,gebacken
wird", möglichst groß sein soll, dürfte jeder Auseinandersetzung aus dem Wege gehen und in
jeder Abstimmung Harmonie und Einstimmigkeit hervorrufen. Bei der Diskussion von
Verteilungsfragen sieht es jedoch anders aus.
4
Obwohl Zusammenhänge zwischen Effizienz und Verteilung nicht zu leugnen sind, ist es
sinnvoll, beide Bereiche strikt voneinander zu trennen, denn Verteilungsfragen lassen sich nicht
ohne Rückgriff auf Werturteile lösen, und das bedeutet, daß sie wissenschaftlich nicht zu
entscheiden sind. Der in Kapitel 2.1.1 erläuterte ,,zweite Hauptsatz der Wohlfahrtsökonomie"
schafft hier Abhilfe. Er sagt nicht weniger, als daß es möglich ist, die Frage der allokativen
Effizienz von der richtigen und gerechten Verteilung zu trennen. Wie auch immer die
Verteilungsfrage gelöst wird, die Bedingung für eine effiziente Allokation muß bei jeder
Verteilung erfüllt sein.
In dieser Arbeit wird in einem ersten Schritt versucht, die Elektrizitätswirtschaft vor dem
Hintergrund der heutigen Erkenntnisse in die normative Theorie der Regulierung einzuordnen.
Zuerst werden traditionell von interessierter Seite vorgeschützte ,,Besonderheiten" dieses
Industriesektors diskutiert, die mit Hilfe des normativ-theoretischen Instrumentariums
überprüft werden. Diese Schritte sollen dem ersten Hauptziel dieser Arbeit dienlich sein.
1
Vgl. Kruse, 1985, S. 2 f.
2
Vgl. Musgrave/Musgrave/Kullmer, 1994, S. 5 ff.; Peffekoven, 1992, S. 483 ff.
3
Vgl. Weimann, 1996, S. 106 ff.
4
Um Entscheidungen über die richtige Verteilung machen zu können, müssen Gerechtigkeitsfragen
beantwortet werden, was mit einem minimalen Aufwand an Werturteilen (wie bei allokativen Fragen der
Fall) kaum zu leisten sein wird. Erst recht wird mit keinem Konsens gerechnet werden können.

Einleitung Seite 4
4
Erklärtes Ziel dieser Arbeit ist es zum einen die Deregulierungspotentiale, die durch die
neueren theoretischen Erkenntnisse und technologischen Weiterentwicklungen entstanden sind,
vor klarem theoretischen Hintergrund offenzulegen.
Nachdem dies geschehen ist, wird zum anderen der Frage nachgegangen, inwieweit das
englisch-walisische Deregulierungsmodell als ,,Leitbild" für Reformen in anderen Ländern,
wenn nicht sogar für die gesamte EU, dienen kann. Dabei wird überprüft, inwieweit die Um-
strukturierung der englisch-walisischen Elektrizitätswirtschaft den angesprochenen Zielen der
Effizienzsteigerung durch Marktöffnung und Wettbewerb gerecht wird. Diese Frage kann
getrennt nach Erzeugermarkt und Versorgermarkt diskutiert werden.
Die Analyse wird sich in dieser Arbeit dabei allein auf den Erzeugermarkt beschränken, wobei
das Hauptaugenmerk auf das innovativste Element des neuen Erzeugermarktes, den
Strompool, gelegt wird. Dieser steht im Zentrum der Kritik der Wettbewerbsgegner. Gelingt
es, diesem ,,Pool-Modell" positive Effizienzeigenschaften zu bescheinigen, dürfte sich dessen
Funktion als ,,Leitbild" für eine Regulierungsreform in anderen Ländern stabilisieren. Einem
,,Strompool" als wettbewerbliches Kernstück eines europäischen Energiebinnenmarktes steht
dann nichts mehr im Wege.
1.4 Gang der Untersuchung
Im Anschluß an die Einleitung werden im zweiten Kapitel die ,,normative Theorie der
Regulierung" und die ihr zugrundeliegenden theoretischen Konzepte erläutert. Nach kurzen
Anmerkungen zum Wohlfahrtskriterium wird das für die Elektrizitätswirtschaft relevante und
heute generell akzeptierte Konzept zur Legitimierung staatlicher Aktivität, das ,,natürliche
Monopol", erörtert. Dabei wird zwischen traditioneller und neuerer Sichtweise differenziert.
Die Verdeutlichung dieses Wandels liefert eine erste Begründung für einen ,,Paradigmen-
wechsel" in der Frage der Regulierung der Elektrizitätswirtschaft. Besonderes Augenmerk
wird auf die Untersuchung der Alternativen zur Regulierung gelegt.
In Kapitel 3 wird die Elektrizitätswirtschaft allgemein in die Regulierungstheorie eingeordnet.
Dazu werden am Anfang der Untersuchung die Begründungen diskutiert, die von Regulie-
rungsbefürwortern in der BRD immer wieder vorgebracht werden. Es zeigt sich, daß die
Begründungen für die Aufrechterhaltung eines staatlich institutionalisierten Monopols in der
Stromversorgung kaum haltbar sind. Ferner wird der Versuch unternommen, das normativ-
theoretische Konzept aus Kapitel 2 im Bereich der Elektrizitätswirtschaft anzuwenden.
Kapitel 4 setzt sich mit dem Prozeß der Privatisierung und Deregulierung der Stromver-
sorgung in England/Wales auseinander. Ziel dieses Kapitels ist es, die Struktur, Regulierung

Einleitung Seite 5
5
und Funktionsweise des neuen Systems darzustellen, wobei das Hauptaugenmerk auf die
genaue Beschreibung des Spotmarktes für Strom gelegt wird.
Die in diesem Kapitel gewonnenen Einsichten sind für die nachfolgende Analyse in Kapitel 5
von einiger Bedeutung. Ohne genaue Kenntnis der institutionellen Rahmenbedingungen dürfte
eine Untersuchung der Effizienzeigenschaften des Erzeugermarktes keine fruchtbaren Resultate
zutage fördern. Z. B. führt die spezielle Organisation des englisch-walisischen Spotmarktes für
Strom dazu, daß die klassischen Oligopolmodelle der Industrieökonomik weitgehend
unbrauchbar sind. Aus diesem Grund wird dieser Markt mit Hilfe des auktions-theoretischen
Ansatzes von HARBORD/VON DER FEHR untersucht. Ihre zentralen Resultate werfen
einige Schatten auf die Effizienzeigenschaften des neuen Systems.
Im Schlußkapitel 6 werden die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit knapp zusammengefaßt,
und es wird der Frage nachgegangen, ob der Spotmarkt als mögliches Leitbild für einen
europäischen Energiebinnenmarkt dienen kann.

Rechtfertigung und Zielsetzung staatlicher Regulierungstätigkeit Seite 6
2 Rechtfertigung und Zielsetzung staatlicher Regulierungstätigkeit
,,In einem marktwirtschaftlichen System, das auf weitgefaßten Freiheitsrechten beruht und den
einzelnen Wirtschaftssubjekten die ökonomischen Entscheidungen zuweist, also eine dezentrale
Lenkung über den Marktmechanismus und eine Ausrichtung der Produktion an den
individuellen Bedürfnissen vorsieht, bedarf staatliche Aktivität, der nur subsidiärer Charakter
zukommt, der Rechtfertigung, zumindest aber der Begründung."
1
Die Frage, warum staatliche Eingriffe in wettbewerbliche Prozesse erfolgen, kann sowohl
positiv wie auch normativ-theoretisch aufgefaßt werden. Die positive Theorie, die in dieser
Arbeit nicht explizit erläutert wird, befaßt sich nicht nur mit der Analyse der Folgen bestimmter
Staatshandlungen, sondern auch mit der Beschreibung der Aktivitäten des öffentlichen Sektors
und der politischen und wirtschaftlichen Einflußfaktoren, die für die Entwicklung bestimmter
Maßnahmenkataloge verantwortlich sind.
2
Wenn Wirtschaftswissen-schaftler die Grenzen der
positiven Theorie überschreiten, betreten sie das Gebiet der normativen Theorie. Diese befaßt
sich mit der Beurteilung des Für und Wider verschiedener wirtschaftspolitischer Programme
und mit der Entwicklung neuer Programme, die besser geeignet sind, bestimmte Ziele zu
erreichen.
3
In diesem Kapitel sollen im wesentlichen die ,,normative Theorie der Regulierung" und die ihr
zugrundeliegenden theoretischen Konzepte umfassend erläutert werden. Dabei werden in
einem ersten Schritt einige grundlegende Anmerkungen zum verwendeten Wohlfahrts-
kriterium getroffen. In einem zweiten Schritt wird ausführlich das durch die Marktversagens-
theorie begründete klassische und heute generell akzeptierte Konzept zur Begründung der
Monopoleigenschaft bestimmter Sektoren und zur Legitimierung ihrer Regulierung, das sog.
,,natürliche Monopol", diskutiert. Dabei wird zwischen der traditionellen Sichtweise eines
natürlichen Monopols und der neueren differenziert. Anschließend werden drei Alternativen
zur Regulierung diskutiert, falls nach der neueren Sichtweise grundsätzlich eine Regulierung
als notwendig erachtet wird. Es handelt sich hierbei um die Theorie bestreitbarer Märkte, den
Demsetz-Wettbewerb und um den intermodalen Wettbewerb.
2.1 Normative Theorie der Regulierung
Die normative Theorie der Regulierung charakterisiert rationale Wirtschaftspolitik als
kollektives Handeln, das dann notwendig erscheint, wenn ein Widerspruch zwischen individuell
rationalem Verhalten und kollektiver Rationalität exisitert. Dabei wird kollektive Rationalität
im folgenden Abschnitt mit Hilfe des Pareto-Kriteriums operationalisiert.
1
Peffekoven, 1992, S. 483.
2
Vgl. Stiglitz/Schönfelder, 1989, S. 16.
3
Vgl. Müller/Vogelsang, 1979, S. 3 ff.

Rechtfertigung und Zielsetzung staatlicher Regulierungstätigkeit Seite 7
2.1.1 Das Konzept der Pareto-Effizienz zur Beurteilung von Allokationen
Einer der wesentlichen Grundsätze der Wohlfahrtstheorie
1
ist die Norm einer individual-
istischen Gesellschaftsauffassung, wonach das Wohl einer Gesellschaft nicht unabhängig von
dem Wohl ihrer einzelnen Mitglieder sein kann. Das mit der Forderung nach ,,Individua-lismus"
verbundene Werturteil verlangt also eine positive Korrelation der Wohlfahrt einer Gesellschaft
mit der ihrer einzelnen Mitglieder. Ein Kriterium, mit dessen Hilfe man beurteilen will, ob sich
die gesellschaftliche Wohlfahrt durch eine bestimmte staatliche Aktivität erhöht oder nicht,
muß daher ebenfalls positiv mit der Wohlfahrt jedes einzelnen Gesellschaftsmitgliedes
verknüpft sein.
2
Dieser Grundgedanke der Wohlfahrtsökonomie ist in seiner reinsten Form
wohl in dem paretianischen Werturteil verwirklicht. Nach dem ,,Pareto-Kriterium"
3
ist eine
Allokation Pareto-effizient, wenn es nicht möglich ist, eine Person besser zu stellen, ohne eine
andere schlechter zu stellen.
4
Es zählt zu den zentralen Ergebnissen der Wohlfahrtsökonomie,
daß eine reine Marktwirtschaft bei vollständiger Konkurrenz eine Pareto-effiziente bzw. -
optimale Allokation erreicht.
5
In einem idealen System vollständiger Märkte herrscht Harmonie
zwischen individueller und kollektiver Rationalität.
6
Gilt dieser sogenannte ,,erste Hauptsatz der Wohlfahrtsökonomie", dann sind unter dem
Blickwinkel der Wohlfahrtsökonomie allokationspolitische Eingriffe - und damit staatliche
Interventionen - nur gerechtfertigt, wenn die Marktallokation von der Pareto-optimalen
abweicht.
7
Der ,,erste Hauptsatz der Wohlfahrtsökonomie" wird durch einen zweiten ergänzt.
Dieser besagt, daß jede zulässige Pareto-effiziente Allokation durch passende Wahl der
Anfangsausstattung
8
mit Hilfe eines dezentralisierten Marktmechanismus erzeugt werden
kann.
9
Diese grundlegenden Erkenntnisse (in Gestalt der beiden Hauptsätze) der
neoklassischen Allokationstheorie können in Form einer allgemeinen Handlungsempfehlung an
die Wirtschaftspolitiker weitergegeben werden: Wenn die Voraussetzungen des ersten
Hauptsatzes erfüllt sind, dann führt individuell rationales Verhalten zu einem kollektiv
rationalen Resultat. Dies bedeutet, daß in diesen Fällen die Notwendigkeit kollektiven
1
Die Grundfrage bzgl. der Sinnhaftigkeit staatlicher Aktivität läßt sich auf eine einfache und naive Form
bringen: Geht es einer Gesellschaft nach Durchführung einer bestimmten staatlichen Maßnahme ,,besser" als
zuvor oder nicht? Die Operationalisierung dieses ,,besser", d. h. seine Überführung in theoretisch und
empirisch sinnvolle ökonomische Kategorien, steht im Mittelpunkt der Wohlfahrtstheorie.
2
Vgl. Ahlheim/Rose, 1989, S. 2 f.
3
Genaugenommen muß zwischen dem Pareto-Kriterium und dem Pareto-Prinzip differenziert werden. Das
Pareto-Prinzip besagt, daß der Staat immer dann in den Marktprozeß eingreifen darf, wenn er dadurch
zumin-dest theoretisch ein Wirtschaftssubjekt nach dessen eigener Beurteilung besser stellen kann, ohne ein
anderes Wirtschaftssubjekt nach dessen eigener Beurteilung schlechter zu stellen. Das Pareto-Prinzip kann
als das wirtschaftspolitische Gegenstück des starken Pareto-Kriteriums der Wohlfahrtstheorie angesehen
werden. Im folgenden wird diese Unterscheidung vernachlässigt.
4
Vgl. Varian, 1994, S. 226.
5
Vgl. Boadway/Bruce, 1984, S. 64, 82 - 84.
6
Vgl. Weimann, 1996, S. 228.
7
Vgl. Huber, 1990, S. 15.
8
Unterschiedliche Anfangsausstattungen werden z. B. durch Einkommenstransfers erreicht, die nur ,,verzer-
rungsfrei" sind, wenn sie durch eine ideale Steuer i. S. des zweiten Hauptsatzes, eine sogenannte Kopfsteuer,
erlangt werden.
9
Vgl. Feldman, 1943, S. 51 - 57.

Rechtfertigung und Zielsetzung staatlicher Regulierungstätigkeit Seite 8
Handelns nicht besteht. Wenn Verteilungspolitik betrieben werden soll, wenn aus Gerechtig-
keitsgründen Ressourcen umverteilt werden sollen, dann möge dies mittels Veränderungen der
Anfangsausstattungen geschehen. Allein in den Fällen, in denen Marktversagen diagnostiziert
werden kann, läßt sich staatliches Handeln - und damit wirtschaftspolitisches Handeln - aus
allokationstheoretischer Sicht begründen. Mit der Marktversagenstheorie existiert ein Ansatz,
mit dem ausschließlich Fälle analysiert werden, in denen diese Hauptsätze nicht gelten und
durch rein individuell rationales Verhalten Effizienz nicht erreichbar ist. Üblicherweise werden
vier Hauptgründe angeführt, die staatliche Eingriffe in das Marktgeschehen rechtfertigen:
1) Kostenbedingungen, die die Existenz einer großen Zahl von Anbietern nicht zulassen. Am
deutlichsten zeigt sich dieses Problem bei dem natürlichen Monopol.
2) öffentliche Güter
3) externe Effekte
4) Unsicherheits- bzw. Informationsprobleme
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird nur auf die erste Problematik eingegangen, da sie für
die Einordnung der Elektrizitätswirtschaft in die Regulierungstheorie eine wesentliche Rolle
spielt. Es zeigt sich dabei, daß die Diagnose eines Marktversagens lediglich eine notwendige,
keinesfalls eine hinreichende Bedingung für die Berechtigung staatlichen Handelns ist!
Kritik: Für theoretische Fragestellungen genügt es, die Menge der Pareto-optimalen
Allokationen zu charakterisieren. Konkrete wirtschaftspolitische Vorschläge müssen aber eine
der effizienten Allokationen auswählen. Das Pareto-Kriterium bietet hier aber keine Lösung, da
dieses nicht den Vergleich Pareto-effizienter Allokationen erlaubt.
1
Als möglicher ,,Aus-weg",
um in Fällen, in denen ein zu beurteilendes Projekt sowohl Gewinner als auch Verlierer
impliziert, dennoch zu einem Urteil über die gesellschaftliche Wünschbarkeit des entsprech-
enden Projekts zu gelangen, bietet sich neben dem Kompensationskriterium
2
die Aggregation
der Wohlfahrt sämtlicher Individuen einer Gesellschaft zu einer ,,gesellschaftlichen Präferenz-
ordnung" an, die alle denkbaren Nutzenvektoren in Übereinstimmung mit den individuellen
Präferenzordnungen ordnet. Die populärste Form einer solchen Aggregation ist die mit Hilfe
der sogenannten ,,individuellen gesellschaftlichen Wohlfahrtsfunktion", durch welche die
gesellschaftliche Wohlfahrt W als Funktion der individuellen Nutzen ausgedrückt wird.
3
Es sei
W
i
die Wohlfahrt des i-ten Individuums (i=1,...,n),
W
i
sei die Änderung der Wohlfahrt, die
infolge irgendeiner politischen Maßnahme eintritt, und
i
Parameter, mit denen die
1
Vgl. Bruce/Boadway, 1984, S. 4.
2
Bei diesem Ansatz ist man bestrebt, die Voraussetzungen für die Anwendung des paretianischen Werturteils
dadurch zu schaffen, daß die Gewinner eines Projekts sämtliche Verlierer durch eine entsprechende Güterum-
verteilung oder durch Pauschzahlungen so kompensieren, daß diese auch nach Durchführung des zu beurtei-
lenden Projekts gegenüber der Ausgangssituation indifferent sind. Gelingt diese Kompensation, so erzeugt
das Projekt offensichtlich gesellschaftliche ,,Netto-Vorteile" i. S. des Pareto-Kriteriums und sollte daher
realisiert werden. Gelingt diese Kompensation nicht, so wird das Projekt abgelehnt. Wie Boadway (1974)
zeigt, läßt sich auf Basis hypothetischer Kompensationszahlungen mit Hilfe des Kompensationskriteriums
keine vollständige und transitive Ordnung aller gesellschaftlichen Zustände aufstellen. Fazit: Dieser Versuch,
das attraktive Pareto-Kriterium einem breiten Anwendungsspektrum zu öffnen, muß als gescheitert betrachtet
werden.
3
Vgl. Ahlheim/Rose, 1989, S. 3 f.

Rechtfertigung und Zielsetzung staatlicher Regulierungstätigkeit Seite 9
Wohlfahrtsänderungen der einzelnen Individuen unterschiedlich gewichtet werden können.
Offensichtlich verlangt das Pareto-Kriterium, die Maßnahme nur dann zu ergreifen, wenn
W
i
0
i gilt. Ist es möglich, die einzelnen
W
i
monetär zu bewerten, kann z. B. folgendes
Wohlfahrtsmaß betrachtet werden:
W
W
i
i
i
n
=
=
1
Wohlfahrtsfunktion vom Typ Bergson/Samuelson
1
Das entscheidende Problem gesellschaftlicher Präferenzordnungen, die auf den individuellen
Präferenzen der einzelnen Haushalte basieren, ist aber, daß sie in einer akzeptablen Form gar
nicht existieren! Dies ist die zentrale Aussage von Arrows berühmtem ,,Unmöglichkeits-
theorem".
2
Es besagt, daß unter der Annahme ordinaler individueller Präferenzordnungen, die
folglich interpersonelle Nutzenvergleiche ausschließen, jede Geschäftsordnung, die in allen
denkbaren sozialen Konflikten mit mindestens 3 Alternativen eine vollständige und transitive
soziale Präferenzordnung zuordnet sowie dem schwachen Pareto-Kriterium und der Forde-
rung nach Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen genügt, notwendig diktatorisch ist.
3
Folglich ist es weiter nicht möglich, (mit Hilfe einer Aggregationsregel) zwischen verschie-
denen effizienten Zuständen auszuwählen. Fazit ist, daß dem ,,Versagen" der rein dezentralen
Organisation ein perfekt funktionierendes System kollektiver Entscheidungen nicht entgegen-
gesetzt werden kann.
4
Es ist unmöglich, eine Wohlfahrtsfunktion, die zwischen effizienten
Zuständen unterscheidet, wertfrei herzuleiten.
5
Die Entscheidung darüber, wessen Präferenzen
(und Interessen) letztlich gesellschaftlich stärker zu bewerten sind, bleibt somit
u. a. den verantwortlichen Politikern überlassen.
2.1.2 Zum Begriff des natürlichen Monopols
,,The best of all monopoly profits is a quiet life."
6
,,Das klassische und auch heute generell akzeptierte Konzept zur Begründung der Monopol-
eigenschaft bestimmter Sektoren und zur Legitimierung ihrer Regulierung ist das sogenannte
natürliche Monopol."
7
Ein natürliches Monopol liegt (sowohl nach traditioneller wie auch nach
heutiger Ansicht) vor, wenn nur im Monopol grundsätzlich soziale Kosteneffizienz
gewährleistet ist, d. h. wenn der Verbraucher im Monopol mit den geringsten Durchschnitts-
kosten beliefert werden kann. Aus dem Vorliegen eines natürlichen Monopols wird gefolgert,
1
Vgl. Weimann, 1996, S. 80.
2
Merkwürdigerweise nennt Arrow selbst sein Theorem das "possibility theorem". Vgl. Arrow, 1963, S. 47 -
60.
3
Vgl. Arrow, 1963, S. 59.
4
Die ordnungspolitische Grundsatzentscheidung für die Marktwirtschaft - und gegen die Planwirtschaft -
findet demzufolge ihre Rechtfertigung in der negativen Botschaft Arrows und in der positiven Botschaft des
ersten Hauptsatzes der Wohlfahrtstheorie.
5
Richter zufolge ändert dieser Sachverhalt aber nichts an der Tatsache, daß die Begründung von Grenzkosten-
Preisen weitgehend unabhängig von der speziell gewählten Wohlfahrtsfunktion ist. (Vgl. Richter, 1987, S. 3).
6
Hicks, 1935, S. 5.
7
Kruse, 1985, S. 19.

Rechtfertigung und Zielsetzung staatlicher Regulierungstätigkeit Seite 10
daß nur das Monopol die gesellschaftlich optimale Organisationsform dieses bestimmten
Sektors ist. In diesem Abschnitt wird die traditionelle Sichtweise des Vorliegens eines
natürlichen Monopols von der neueren abgegrenzt.
1
Anschließend werden in den weiteren
Abschnitten Alternativen zur Regulierung diskutiert, falls nach der neueren Sichtweise
grundsätzlich eine Regulierung als notwendig erachtet wird.
2.1.2.1 ,,Traditionelle" Sichtweise: fallende Durchschnittskosten
Die traditionelle Sichtweise konzentriert sich auf die Betrachtung eines Einprodukt-
unternehmens. Ein ,,natürliches Monopol" lag nach der traditionellen Interpretation vor, wenn
die Produktion im relevanten Bereich zunehmende Skalenerträge (economies of scale) auf-
weist und infolgedessen die Durchschnittskosten der Produktion monoton fallen.
2
Seien C(x)
eine stetige und differenzierbare Kostenfunktion, DK(x) die Durchschnittskosten und GK(x)
die Grenzkosten, dann muß für fallende Durchschnittskosten im Einproduktfall gelten:
C x
x
C x
x
x
x
x
x
x
i
i
j
j
i
j
j
i
( )
(
)
<
<
<
für alle und
, wobei
.
0
3
Diese Bedingung wird üblicherweise mit steigenden Skalenerträgen (oder economies of scale)
in einer Industrie gleichgesetzt. Sah man diese Bedingung als erfüllt an, bestand aus damaliger
Sicht Regulierungsbedarf, denn ansonsten würde Wettbewerb zu ,,großen Ineffizienzen, wild
fluktuierenden, unstabilen Preisen führen."
4
Die Konsequenzen, die sich im Einproduktfall
aufgrund monoton fallender DK ergeben, werden in Abb. 1 deutlich:
p
D(p)
p*
DK(x) =
f
x
c
+
c
x* x
c
x
Abb. 1:
Das ,,klassische" natürliche Monopol bei fallenden Durchschnittskosten
Quelle: leicht verändert nach: Braeutigam [1989], Optimal Policies for Natural Monopolies, in:
Schmalensee/Willig [Hrsg.], Handbook of Industrial Organization, Vol. 2, Amsterdam, S. 1289 -
1309, hier: S. 1293.
1
Für eine Einordnung dieser beiden Sichtweisen in den historischen Zshg. vgl. Sharkey, 1982, S. 12 - 28.
2
Fallende DK ergeben sich z. B. dann, wenn zur Aufnahme der Produktion Fixkosten zu tragen sind und
danach mit konstanten GK produziert werden kann.
3
Vgl. Berg/Tschirhart, 1988, S. 22. Dies ist nur eine schwächere, aber gebräuchlichere Definition fallender
Durchschnittskosten. Für die stärkere Definition der (global) fallenden Durchschnittskosten vgl.
Baumol/Panzar/Willig, 1983, S. 18, (2A2).
4
Braeutigam, 1989, S. 1294.
Harberger Dreieck: deadweight loss

Rechtfertigung und Zielsetzung staatlicher Regulierungstätigkeit Seite 11
Wird kostenloser Marktein- und -austritt ohne zeitliche Verzögerung unterstellt, ist klar, daß
sich nur die Preis-Mengen-Kombination (p*, x*) als stabil herausstellt. Alle höheren Preise
würden durch die (potentiell vorhandenen) Marktzutreter unterboten, und alle niedrigeren
Preise würden nicht einmal die DK decken. Folglich kann nur ein Unternehmen im Markt tätig
sein. Markteintritt ist sozial nicht wünschenswert, da ein zweites Unternehmen dieselben
Vorleistungen erbringen müßte, d. h. die Fixkosten fielen zweimal an, obwohl die gesamte
Nachfrage bereits durch einmaliges Aufbringen der fixen Kosten befriedigt werden kann.
1
Um die Existenz dieses ,,natürlichen Monopols" unter Wohlfahrtsaspekten zu bewerten, ist
eine Unterscheidung in ,,first-best" und ,,second-best" hilfreich. Eine Pareto-effiziente, d. h.
eine ,,first-best"-Situation verlangt ein Angebot einer Firma zu Grenzkostenpreisen, der soziale
Überschuß bei (c, x
c
) wird maximal. Klar ist, daß ein Anbieter bei GK-Preisen aber Verluste in
Höhe der fixen Kosten erleidet. Folglich wird der Monopolist ohne staatliche Intervention in
diesem Markt zumindest seine Kosten decken wollen und zu DK-Preisen p* anbieten. Im
Vergleich zur first-best Allokation entsteht in diesem Fall ein toter Verlust
(s. Abb. 1: deadweight loss). Insgesamt erhält man ein zweitbestes Ergebnis für diesen Markt:
Es gibt zwar ein Monopol, doch ist der Monopolist durch potentielle Mitbewerber gezwun-
gen, seinen Preis so niedrig zu setzen, daß das ,,Wegkonkurrieren" seiner Gewinne durch
Marktzutritt nur vermieden werden kann, indem er solche erst gar nicht entstehen läßt. Es stellt
sich die Frage, ob die in Abb. 1 skizzierte Lage aus damaliger Sicht staatliche Eingriffe
erforderte.
Erstens ist nicht einsichtig, warum sich ein wohlfahrtsmaximierender Planer
2
mit einer
Zweitbest-Situation zufrieden geben sollte, denn die Höhe des Effizienzverlustes ist von dem
Verlauf der Kosten- und Nachfragekurven abhängig und kann nur im Einzelfall abgeschätzt
werden. Bei entsprechenden Kurvenverläufen können sehr hohe Effizienzverluste entstehen,
und zurecht folgert WEIMANN, daß ,,eine Form der Regulierung, die a priori nur darauf aus
ist, ´second-best´-Zustände zu erreichen, nur in solchen Fällen ratsam ist, in denen die
Durchschnittskostenpreise nicht allzu stark von den Grenzkostenpreisen abweichen."
3
Zweitens ist klar, daß ein einzelner gewinnmaximierender Anbieter Monopolpreise p
m
verlangen wird, wenn Marktzutritt nicht ohne weiteres möglich ist.
Drittens wurde implizit angenommen, daß ein Monopolist auf Marktzutritt nicht strategisch
mit Preisänderungen reagieren kann. Die Drohung des Monopolisten, z. B. jeden Preis eines
Zutreters auch als den seinen zu benennen, sobald ein solcher auftritt, könnte Abschreckung
genug sein. In diesem Fall drohen Monopolpreise und wiederum müßte der Planer regulativ
eingreifen.
1
Vgl. Weimann, 1996, S. 322 ff.
2
Diese Annahme wird in der normativen Theorie der Regulierung üblicherweise getroffen. Die Behandlung
der positiven Theorie wird zeigen, daß Planer alles andere als Wohlfahrtsmaximierer sind.
3
Weimann, 1996, S. 330.

Rechtfertigung und Zielsetzung staatlicher Regulierungstätigkeit Seite 12
Zwischenfazit:
Aus damaliger Sicht ergaben sich also genügend Gründe, auf eine (Selbst-)Regulierung des
natürlichen Monopols durch potentielle Zutreter nicht zu vertrauen und mit dem staatlichen
Regulierungsinstrumentarium einzugreifen.
Kritik der drei Punkte:
1) Selbst wenn zunehmende Skalenerträge vorliegen, erscheint bei glaubwürdiger Marktzu-
trittsdrohung durch potentielle Konkurrenten und geringen toten Verlusten in einer
zweitbesten Situation Regulierung nicht geboten. Der Monopolist wird durch die potentielle
Konkurrenz voll reguliert.
2) In den letzten dreißig Jahren erkannte man, daß das typische regulierte Unternehmen kein
Einprodukt- sondern ein Mehrproduktunternehmen ist
1
und die Definition fallender DK für
Mehrproduktunternehmen nicht ausreichend ist. So stellen BAUMOL/PANZAR/ WILLIG
fest, daß ,,given the crucial role of various forms of cost complementarity and economies of
joint production, it is to be expected that economies of scale cannot tell the whole story in
the multiproduct case".
2
Neben Größenvorteilen (economies of scale) können auch
Verbundvorteile (economies of scope) das Vorliegen eines natürlichen Monopols
begründen.
3) Auf dem ganzen Bereich der Produktion fallende DK sind keine notwendige Bedingung
dafür, daß nur im Monopol Kosteneffizienz gewährleistet werden kann. Es sind Fälle
denkbar, in denen die DK einen U-förmigen Verlauf haben (wie später in Abb. 11 gezeigt
wird) und dennoch von einem natürlichen Monopol gesprochen werden muß.
Fazit:
Nach der traditionellen Interpretation eines natürlichen Monopols wurde nach heutigen
Erkentnissen in bestimmten Situationen auf eine Regulierung verzichtet, obwohl sie ange-
bracht gewesen wäre, während in anderen Situationen reguliert wurde, obwohl eine Regulie-
rung nicht erforderlich war. Neuformulierungen der Bedingungen, unter denen von der
Existenz eines natürlichen Monopols gesprochen werden muß, führten zu dem Konzept der
,,Subadditivität der Kostenstruktur".
2.1.2.2 ,,Neuere" Sichtweise: subadditive Kostenstruktur
Allgemein gilt, daß Kosten dann subadditiv sind, wenn ein einzelner Anbieter die gegebene
Nachfrage zu geringeren Kosten bedienen kann als jede größere Anzahl von Anbietern.
3
Dies
gilt sowohl für das Einprodukt- als auch für das Mehrproduktunternehmen. Im einfacheren Fall
des Unternehmens, das nur ein Produkt herstellt und verkauft, ist dies gegeben, wenn für
1
Vgl. Braeutigam, 1989, S. 1294 f.
2
Baumol/Panzar/Willig, 1982, S. 173.
3
Vgl. z. B. Schmalensee, 1979, S. 3.

Rechtfertigung und Zielsetzung staatlicher Regulierungstätigkeit Seite 13
alle denkbaren nicht-trivialen Unterteilungen j = 1,..., k der Produktionsmenge x mit den
Teilmengen x
1
,..., x
k
, x
j
x,
und
x
x
j
j
k
=
=
1
, die Gesamtkosten C ansteigen
C x
C x
j
j
k
(
)
( )
=
1
.
1
Weniger trivial ist der Nachweis der Subadditivität für das Mehrproduktunternehmen. Auch
hier gilt, daß jede Aufteilung des Gesamtoutputs bei der gegebenen Nachfrage zu höheren
Kosten führen muß, also daß
( )
C
x
C x
x
x
j
j
k
j
j
j
j
k
=
=
1
1
0
0
,
,
,
für alle
k
2.
Dabei sind die x
x
x
x
i
n
j
j
n
j
i
j
=
=
(
,...,
),
,
,..., ,
1
0
1
allerdings Outputvektoren verschiedener
Produkte. Wenn die Kostenfunktion diese Ungleichung erfüllt, ist sie streng und global
subadditiv, und der Output (
,...,
) .. (
,...,
)
x
x
x
n
k
1
1
1
1
.
x
n
k
+ +
wird zu geringsten sozialen Kosten
von einem einzigen Unternehmen hergestellt.
2
Allerdings besteht der Grund dieses
Kostenvorteils nicht mehr ausschließlich in reinen Mengenvorteilen, es können nunmehr auch
sogenannte Verbundvorteile zum Tragen kommen (economies of scope). Für zwei Güter
bedeuten economies of scope, daß gilt: C(x
1
, 0) + C(0, x
2
) C(x
1
, x
2
).
3
BAUMOL/PANZAR/WILLIG zeigen allerdings, daß weder economies of scale noch
economies of scope hinreichen und auch die Kombination von beiden nicht ausreicht, um
Subadditivität zu garantieren. Vielmehr muß beides zusammenkommen und entweder das eine
oder das andere Konzept durch restriktive Bedingungen ersetzt werden.
4
Eine Berücksichtigung sowohl von Größen- wie auch Verbundvorteilen führt zu folgender
Definition: ,,Eine Branche heiße natürliches Monopol, wenn die der Branche zugrundeliegende
Kostenfunktion C im relevanten Bereich der Nachfrage subadditiv ist."
5
Aus abnehmenden DK zwischen null und der aktuellen Outputmenge folgt, daß die Kosten-
funktion in diesem Bereich subadditiv ist, der Umkehrschluß gilt jedoch nicht: Abb. 2 zeigt,
daß es bei U-förmigen DK auch für Einproduktunternehmen nur im Monopol zu
Kosteneffizienz kommen kann. Obwohl die Nachfragekurve die DK-Kurve in dem aufsteigen-
den Teil schneidet, ist der Kostenverlauf dennoch subadditiv, denn es ist nicht möglich, durch
Aufteilung der Produktion auf mehr als ein Unternehmen die Menge x* zu geringeren
Gesamtkosten herzustellen. Produziert z. B. ein Unternehmen x
1
zu minimalen DK, so wird die
Produktion von x
2
zur Befriedigung der Residualnachfrage sehr hohe DK erfordern. Auch zwei
gleichgroßen Unternehmen würde es nicht gelingen, den Monopolisten aus dem Markt zu
verdrängen, da sie zu DK-Preisen p´ anbieten müßten, um Verluste zu vermeiden. Hier liegt
eindeutig ein natürliches Monopol vor.
1
In Anlehnung an: Baumol/Panzar/Willig, 1982, S. 17; vgl. auch Berg/Tschirhart, 1988, S. 22 ff.;
Braeutigam, 1989, S. 1295.
2
Vgl. Baumol/Panzar/Willig, 1982, S.19 f.
3
In Anlehnung an: Weimann, 1996, S. 324.
4
Vgl. Baumol/Panzar/Willig, 1982, S. 174 ff.
5
Vgl. Baumol/Panzar/Willig, 1982, S. 17.

Rechtfertigung und Zielsetzung staatlicher Regulierungstätigkeit Seite 14
p
DK(x)
p*
p
1
D(p)
x
2
x
1
x*
x
Abb. 2:
Natürliches Monopol bei U-förmigem Kostenverlauf (a)
Quelle: leicht verändert nach: Tirole [1988], The Theory of Industrial Organization, Cambridge, S.
19.
In Abb. 3 sieht die Situation hingegen anders aus: Hier können zwei Unternehmen, die jeweils
x*/2 produzieren, geringere DK realisieren. Es liegt keine Subadditivität vor.
p, DK
D(p)
DK(x)
DK
1
DK
2
x*/2
x*
x
Abb. 3:
Natürliches Monopol bei U-förmigem Kostenverlauf (b)
Quelle: eigener Entwurf nach: Braeutigam [1989], Optimal Policies for Natural Monopolies, in:
Schmalensee/Willig [Hrsg.], Handbook of Industrial Organization, Vol. 2, Amsterdam, S. 1289 -
1309, hier: S. 1295.
Wie sich später zeigen wird, sind beide Situationen nicht gegen Marktzutritt stabil.
Fazit:
Im Einproduktfall implizieren fallende DK zwar Subadditivität, aber nicht umgekehrt!
Die Anforderung sinkender DK stellt somit ein restriktiveres Kriterium dar als das exaktere der
Subadditivität. Aus diesem Grunde bezeichnen BERG/TSCHIRHART eine Branche als starkes
natürliches Monopol, wenn die der Branche zugrundeliegenden DK im relevanten Bereich der
Nachfrage fallen. Eine Branche ist dann ein schwaches natürliches Monopol, wenn die der

Rechtfertigung und Zielsetzung staatlicher Regulierungstätigkeit Seite 15
Branche zugrundeliegende Kostenfunktion C im relevanten Bereich der Nach-frage subadditiv
ist, dessen DK aber konstant sind oder ansteigen.
1
Das Konzept der Subadditivität hat allerdings den Nachteil, daß es kein lokales, sondern ein
globales Konzept ist: Nur wenn der Kostenverlauf für jede Produktionsmenge zwischen null
und x bekannt ist, kann entschieden werden, ob ein Industriezweig tatsächlich ein natürliches
Monopol ist.
2
Dieser Nachweis wird in der Praxis aber auf Schwierigkeiten stoßen, da das zu
untersuchende Unternehmen die relevanten niedrigeren Vergleichsmengen möglicherweise
noch nie oder mit einer anderen Technologie produziert hat.
3
Die traditionelle Definition
fallender DK ist zwar nicht optimal, dafür ist bei ihrer Anwendung aber nur zu überprüfen, ob
die DK im relevanten Nachfragebereich größer als die GK sind. Zudem behauptet WEIMANN,
daß eine Nachfragekurve, die die DK-Kurve in deren steigendem Ast schneidet, empirisch nur
geringe Bedeutung haben dürfte.
4
Fassen wir zusammen: Notwendige Voraussetzung für Regulierungsbedarf ist eine der Branche
zugrundeliegende subadditive Kostenstruktur. Regulierung ist dann notwendig, wenn die
second-best-Allokation, d. h. ein Angebot zu DK, mit erheblichen Wohlfahrtsverlusten
einhergeht. Ist dies nicht der Fall, muß geprüft werden, ob Möglichkeiten bestehen, die second-
best-Lösung ohne staatliche Eingriffe zu realisieren. Diese stehen im Mittelpunkt der folgenden
Abschnitte 2.1.3 - 2.1.5.
2.1.3 Theorie bestreitbarer Märkte
5
Sieht man von Änderungen der Kostenstruktur oder Nachfragewachstum ab, durch die die
abgesetzten Gleichgewichtsmengen in einen superadditiven, also potentiell wettbewerblichen
Bereich verschoben werden könnten
6
, gibt es möglicherweise einen weiteren Mechanismus, der
ein natürliches Monopol zu produktiver und allokativer Effizienz zwingt. Nach der Theorie der
bestreitbaren (oder angreifbaren) Märkte
7
droht der alteingesessenen Unterneh-mung bei
mangelnder Effizienz der Eintritt neuer Anbieter in den Markt, selbst wenn dieser durch
Subadditivität gekennzeichnet ist. Eine glaubwürdige Eintrittsdrohung diszipliniert dann den
Monopolisten, selbst wenn der Markteintritt niemals wirklich stattfindet.
1
Berg/Tschirhart, 1988, S. 24.
2
Vgl. Baumol/Panzar/Willig, 1982, S. 171, Proposition 7B1.
3
Vgl. Lammers, 1992, S. 13f.
4
Vgl. Weimann, 1996, S. 326.
5
Entwickelt wird die Theorie bestreitbarer Märkte vor allem bei Baumol/Panzar/Willig, 1982. Vgl. dazu auch
Bongaerts, 1982, S. 54 ff.; Sharkey, 1982, S. 151 - 157; Brock, 1983, S. 1061 - 1064; Coursey/Isaac/Smith,
1984, S. 91 - 113; Waterson, 1987, S. 59 - 80; Tirole, 1988, S. 308 - 311; Martin, 1993, S. 297 - 325;
Weimann, 1996, S. 329 - 341.
6
Subadditivität als Kennzeichen des natürlichen Monopols entsteht erst dann, wenn Nachfrage und Kosten in
einem bestimmten Verhältnis stehen. Das hat zur Folge, daß das natürliche Monopol entweder durch
steigende Nachfrage oder durch Veränderungen der Produktionstechnologie im Zeitablauf erodieren kann.
7
Der englische terminus technicus ist ,,contestable markets".

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
1998
ISBN (eBook)
9783832463342
ISBN (Paperback)
9783838663340
DOI
10.3239/9783832463342
Dateigröße
715 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Dortmund – Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Erscheinungsdatum
2003 (Januar)
Note
1,0
Schlagworte
monopole energie industrieökonomie wettbewerb wirtschaftspolitik
Produktsicherheit
Diplom.de
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