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Warten: Eine Annäherung

©2001 Diplomarbeit 59 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Wenn wir erwarten, warten wir.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Die Zeit vergeht.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Würden wir nicht erwarten, wir würden nicht warten.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Würden wir nicht warten, wir würden nicht bleiben.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Wir bleiben und langweilen uns.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Wir langweilen uns und vertreiben die Zeit.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Der Zeitvertreib wird zur Gewohnheit.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Das Warten wird zur Gewohnheit.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Die Gewohnheit verzerrt unsere Wahrnehmung.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Wir werden der Gewöhnung müde.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Die Müdigkeit verzehrt die Erwartung.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Wir vergessen, was wir erwarten.
Das Erwartete tritt ein.
Wir warten, also sind wir.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Weil wir sein wollen, bleiben wir.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Am Anfang steht eine Ahnung, dass der Mensch in einem tiefen Sinn, ob gewollt oder ungewollt, Wartender ist und Wartender bleiben wird. Eine Behauptung, die dem allgemeinen Streben widerspricht, das Warten an sich abschaffen zu können, zu müssen oder zu wollen. Ich werde erfragen, was und wo Warten ist und ob im Warten Quellen der Kreativität zu entdecken sein könnten.
Ein Versuch.
Schon bei den ersten Gedanken über das Warten erschlägt mich das Wort durch seine Unfassbarkeit; ein Wort, dass viele Befindlichkeiten abdeckt und doch nicht mehr als ein Platzhalter für eine Beschreibung eines zuständlichen Verhaltens ist. Die deutsche Grammatik ordnet Warten den intransitiven Verben zu, also einem nicht zielgerichteten Tun. Warten ist für uns primär eine Geste der Unterwerfung, der Bescheidung, des Verzichts, des Aufschubs. Durch präpositionale Ergänzungen erst bekommt Warten eine prozesshafte Richtung, die des Wartens auf etwas. Dadurch gerät es in einen zielgerichteten Bereich, den des Er-wartens. So wie im Erwarten ein Warten, so ist im Warten ein Er-warten enthalten. Schreibe ich über das Warten, schreibe ich also gleichermaßen über Erwartungen und damit über Wege, durch die Ziele erlangt werden.
Die Herausbildung von Zielen findet immer in einem Zusammenspiel eines gesellschaftlichen Kontextes statt. Der Mensch wird durch seine Umwelt geprägt, er entwickelt für sich gültige Werte- und Moralsysteme, in denen er sich bewegen kann. In ihnen und durch sie formt er seine […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6325
Rabba, Anke: Warten: Eine Annäherung
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Hamburg, Kunsthochschule, Diplomarbeit, 2001
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

Vor her
Vor dem Anfang
Erwartung
Zeit
Erfüllung
Warten
Eine Einleitung
I. WARUM WIR NICHT MEHR WARTEN KÖNNEN.
A Von der Veränderung des Zeitverständnisses
- 1500
- 1900
- heute
B Vom Denksystem Mensch-Maschine
Von der beschleunigten Technik
2 min.30 sek. Ein subjektives Erinnern
Von den Kindern der Technik
Von den Kindern der Beschleunigung
II. WARUM WIR WEITER WARTEN MÜSSEN.
A Godot kommt nicht
Sinnstiftende Erwartung
B Beschäftigung
WARUM WIR NICHT MEHR WARTEN KÖNNEN.
WARUM WIR WEITER WARTEN MÜSSEN.
Warten:
eine Annäherung
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Inhalt

C Wartehilfen
Warnblinker
Ladebalken
Uhr
D Warten, daß uns etwas passiert
Teilnehmen an dem, was passiert
E Tun im Warten
Geduld
Kurz vor dem Schluß
Ein Schluß
Fußnoten
Bibliographie
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Wenn wir er warten, warten wir.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Die Zeit vergeht.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Würden wir nicht er warten, wir würden nicht warten.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Würden wir nicht warten, wir würden nicht bleiben.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Wir bleiben und langweilen uns.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Wir langweilen uns und vertreiben die Zeit.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Der Zeitvertreib wir d zur Gewohnheit.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Das Warten wird zur Gewohnheit.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Die Gewohnheit verzerrt unsere Warhnehmung.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Wir werden der Gewöhnung müde.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Die Müdigkeit verzehr t die Erwartung.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Wir vergessen, was wir erwarten.
Das Erwartete tritt ein.
Wir warten, also sind wir.
Das Erwartete tritt nicht ein.
Weil wir sein wollen, bleiben wir.
Das Erwartete tritt nicht ein.
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Erwartung
Warten beginnt mit dem Wunsch nach Veränderung. Das
Ziel steht fest und äußert sich in der Er wartungung.
Die Erwartung kann profaner, notwendiger, geliebter,
gefürchteter, göttlicher...Natur sein.
Ein Wartender unterliegt dem Glauben, daß das Eintreten
des Erwarteten möglich ist. Es gibt kein Warten ohne
Erwartung, keine Erwartung ohne Warten und ebenso
keine direkte Einflußnahme auf die Erfüllung der
Erwartung. Das Gelingen kann nicht Voraussetzung des
Wartens sein.
Warten geschieht immer ohne Kontrolle -
wer wartet, gibt ab.
Warten ist passive Fremdbestimmung.
Zeit
Das Warten findet in der Gegenwart statt, nährt sich aus
der Erinnerung und richtet sein Ziel an die Zukunft.
Die Zeit, die zwischen der Erwartung und seiner
Erfüllung liegt, die Wartezeit, ist der Kostenaufwand für
das Erwartete. Sie ist in vielen Wartesituationen nicht
exakt zu bestimmen, da das zeitliche Eintreffen des
Erwarteten oft unbestimmt ist. Sie entzieht sich in allen
Wartesituationen der aktiven Einflußnahme
des Wartenden.
Die objektive Zeitwahrnehmung wir d während des
Wartens aufgehoben, verliert an Bedeutung und weicht
einer subjektiven Zeitwahrnehmung, die von der
"wirklichen" objektiven Zeit abweicht.
Je nach Art des Erlebens und Empfindens vergeht sie bald
schneller, bald langsamer.
Erfüllung
Sofer n das zu Erwartende definiert wurde,
erfährt das Warten mit dessen Eintreten
oder vorzeitigem Abbruch ein Ende.
Vor dem Anfang
Vorher

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Das Ende des Wartens beinhaltet nicht zwangsläufig die
Erfüllung des Erwarteten. Sie ist abhängig von der
Erwartungshaltung, die der Einzelne an das Ende, bzw.
die Folgen des Wartens geknüpft hat.
Nach dem Warten kann vor dem Warten sein; zyklische
Warteschleifen, die das Warten immer aufs Neue beginnen
lassen.
Warten
Warten ist mehr Empfindung denn Tätigkeit. Dem Wesen
der Empfindung entsprechend, entzieht sie sich dem
Objektivierbaren.Das heißt, im Sinne Lessings, daß kein
Warten einem anderen Warten und kein Wartender einem
anderen Wartenden gleicht.
1
Jeder erlebt sein Warten in
jeder Situation in stetig sich verändernden facettenreichen
Grundempfindungen neu. Dennoch scheint es ein allge-
meines Verständnis über die Grundempfindung des
Wartens zu geben:
Warten ist das, was wir nicht wollen.
Was wir wollen, ist ohne Warten nicht zu bekommen.
Wäre es uns möglich, zu verzichten, verzichteten wir
lieber, als das wir warteten.
Niemand wartet gern.
für Eilige

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für Menschen mit Zeit

Am Anfang steht eine Ahnung, daß der Mensch in einem
tiefen Sinn, ob gewollt oder ungewollt, Wartender ist und
Wartender bleiben wird. Eine Behauptung, die dem allge-
meinen Streben widerspricht, das Warten an sich abschaf-
fen zu können, zu müssen oder zu wollen. Ich werde
erfragen,was und wo Warten ist und ob im Warten
Quellen der Kreativität zu entdecken sein könnten.
Ein Versuch.
Schon bei den ersten Gedanken über das Warten erschlägt
mich das Wort dur ch seine Unfaßbarkeit; ein Wort, daß
viele Befindlichkeiten abdeckt und doch nicht mehr als
ein Platzhalter für eine Beschreibung eines zuständlichen
Verhaltens ist. Die deutsche Grammatik ordnet Warten
den intransitiven Verben zu, also einem nicht zielgerichte-
ten Tun. Warten ist für uns primär eine Geste der
Unterwerfung, der Bescheidung, des Ver zichts, des
Aufschubs. Durch präpositionale Ergänzungen erst
bekommt Warten eine prozeßhafte Richtung, die des
Wartens auf etwas
.
Dadurch gerät es in einen zielgerichte-
ten Bereich, den des Er-wartens. So wie im Er-warten ein
Warten, so ist im Warten ein Er-warten enthalten.
Schreibe ich über das Warten, schreibe ich also gleicher-
maßen über Erwartungen und damit über Wege, durch
die Ziele erlangt werden.
Die Herausbildung von Zielen findet immer in einem
Zusammenspiel eines gesellschaftlichen Kontextes statt.
Der Mensch wird durch seine Umwelt geprägt, er ent-
wickelt für sich gültige Werte- und Moralsysteme, in
denen er sich bewegen kann. In ihnen und durch sie formt
er seine individuellen Erwartungen.
WARUM WIR NICHT MEHR WARTEN KÖNNEN
Der erste Abschnitt dieser Arbeit versucht sich der
Annahme zu nähern, daß wir nicht mehr warten können.
Dafür bedarf es eine genauere Betrachtung gesellschaftli-
cher Nährböden, die Erwartungen schüren und damit
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1 3
Eine Einleitung

1 5
Wartebefindlichkeiten beeinflussen können.
Hauptaugenmerk soll bei dieser Betrachtung auf den
Faktoren der Zeit und der Technik liegen.
Zeit: Ein kurzer Überblick über den Wandel des
Zeitverständnisses soll verdeutlichen, daß unser heutiges
Zeitmodell ein lang ersehntes, aber noch einzuübendes
Konstrukt ist, das sich auf die Wartebefindlichkeit des
Einzelnen entscheidend auswirkt.
Technik: Die Geschwindigkeit, in der technische Geräte
denken und ausführen können, stellt einen entscheidenden
Aspekt für menschliche Wartebefindlichkeiten dar, denn
ein klar definiertes Ziel der zunehmenden Geschwindig-
keit liegt in der Unmittelbarkeit zwischen Wollen und
Bekommen, also in der Vermeidung von Wartezeiten.
Diese Tendenzen können nicht ohne Folgen für den
Einzelnen sein. Zwei entstandene, gegenläufige Lebens-
modelle werden mit jeweils anderen Wartekonsequenzen
sichtbar: sie äußern sich in Form von Nervosität als Folge
bei den Anhängern der Beschleunigung und als lähmende
Lethargie auf Seiten der Beschleunigungsgegner, den
Entschleunigten.
Erst nach diesem gesellschaftlichen Exkurs wird eine
Untersuchung des eigentlichen Wesens des Wartens
sinnvoll.
WARUM WIR WEITER WARTEN MÜSSEN
Daß wir nicht warten wollen, bedarf keiner großen
Erklärungen. Daß wir in einzelnen Lebensbereichen tr otz
technischer Beschleunigungen weiterhin warten müssen,
ist auch verständlich. Warum wir uns aber selbstgefällig
in immer neue Wartesituationen begeben und wie wir
diese unterschiedlich wahrnehmen und ausfüllen, soll im

1 7
zweiten Abschnitt thematisiert wer den.
Den Anfang machen zwei Profis des Wartens und der
Erwartung: die Hauptdarsteller aus Samuel Becketts
Theaterstück "Warten auf Godot", Wladimir und
Estragon.
Sie spielen, was wir gemeinhin mit Warten verbinden:
Warten als eine Verhinderung der selbstbestimmten, ziel-
gerichteten Beschäftigung.
Der Gegensatz hierzu ist das selbsttätige Beschäftigen, ein
zielgerichtetes aktives Tun.Was dieses aktive Tun ist und
ob es sich in einen Wartepr ozeß integrieren läßt, soll die
Annäherung an das Warten abschließen.
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2 0
1 9
I.
WARUM WIR NICHT MEHR WARTEN KÖNNEN.

Etwas zu erwarten bedeutet immer auch eine
Berücksichtigung des Faktors Zeit. Das allgemeine gesell-
schaftliche Zeitverständnis beeinflußt das subjektive
Zeitgefühl des Einzelnen. Das heutige Zeitverständnis ist
die konsequente Weiterentwicklung der Zeitanschauung
vorangegangener Epochen. Rückblickend wird deutlich,
wie und das sich das Zeitverständnis gewandelt hat und
welche Konsequenzen sich hieraus für die Befindlichkeit
des Wartens ergeben.
- 1500
In der Vor moderne ist Zeit noch eine Wahrnehmung von
Zeiträumen, die an konkrete Ereignisse oder Handlungen
gekoppelt ist. Es gibt den Tag und die Nacht. Das zeitli -
che Leben beginnt mit dem Sonnenaufgang und endet in
der Dämmerung, bei Sonnenuntergang. Die kleinste
Zeiteinheit ist der lichte Tag. Homer rechnet in
Morgenröten.
Am Stand der Sonne wird der Tag zeitlich gegliedert, im
Winter dementsprechend in kürzeren Abständen als im
Sommer. Die Nacht wird aus der Zeitwahrnehmung aus -
geschlossen. In ihr walten Geister und böser Zauber. Sie
gilt als unerforscht und unberechenbar, als bedrohlich und
gestaltlos und damit als zeitlos.
Die Natur strukturiert dur ch seine Rhythmen (und ihren
Abweichungen) das zeitliche Erleben. Der Rhythmus glie-
dert die Zeit, zerteilt sie nicht. Das Handlungstempo des
Einzelnen bezieht sich auf die Rhythmen der inneren und
äußeren Umwelt. Das graphische Bild der Vormoderne ist
ein Kreis, Synonym für das Zyklische, das
Wiederkehrende und sich Wiederholende.
Das Leben der Menschen ist geprägt durch starre
Richtlinien der Denk- und Lebensformen christlicher
Weltsicht. Ihr Handlungsspielraum ist durch sie begrenzt,
Fortschritt soll möglichst unterlassen werden.
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2 1
A Von der Veränderung des Zeitverständnisses

In einer Zunftordnung von 1523 ist zu lesen: "Kein
Handwerksmann soll etwas neues erdenken oder erfinden
oder gebrauchen, sondern jeder soll aus bürgerlicher und
brüderlicher Liebe seinen Nächsten folgen und sein
Handwerk ohne des Nächsten Schaden treiben."
2
Ihr
Dasein kennt den Wunsch nicht, Zeit zu planen und
diese zukunftsorientiert zu gestalten.
- 1900
Die Moderne distanziert sich von der Natur als alleinigen
Zeitgeber. Ende des 13.Jahrhunderts wird, vermutlich in
Klöstern, die Räderuhr entwickelt, die sich von der rhyth -
mischen Sonnenuhr löst und nunmehr einem mechani-
schen Takt folgt. Die Zeit, die bis dato als Eigentum
Gottes angesehen wurde, wir d durch Wissenschaft und
Wirtschaft zum Eigentum der Menschen, ihr Besitz
schnell als mögliches Instrument weltlicher Herrschaft
erkannt. Durch die Entwicklung mechanischer Uhr en
können sich die Menschen an einem abstrakten, von der
Natur gelösten Zeitmaß orientieren. Der Takt, den eine
Uhr vorgibt, ist gleichförmig und nicht manipulierbar.
Le Goff, ein Mittelalterforscher, beschreibt den Wandel
des Zeitverständnisses der Vor moderne zur Moder ne als
Zeit der Kirche zu einer Zeit der Händler: "Es gibt einen
Übergang von der theologischen zur technologischen Zeit,
einen Übergang von einer (...) unvorhersehbar en, natürli-
chen Zeit zu einer meßbaren, voraussehenden, künstli-
chen Zeit, da diese durch ein mechanisches Instr ument
(...) festgelegt und auf eine Arbeit hin ausgerichtet ist, die
der Mensch erfüllen muß und einen wirtschaftlichen Wert
darstellt (...) Kaufleute sind Zeitverkäufer."
3
Das Handwerk löst sich allmählich von der Landwirt-
schaft und wird in Zünften organisier t. Zunehmend wird
für Händler gearbeitet, die Produktionweise der
Handwerker verändert sich. Termine müssen abgestimmt
werden, persönlicher Kundenkontakt ist nicht mehr
2 4
2 3

bestimmendes Element der Arbeit. Das Tagwerk wird
zum Stundenwerk, Zeit zum kalkulierbaren Faktor für
Wirtschaftlichkeit.
Die Uhren der Kirchen läuten im Viertelstundentakt,
Uhren mit Minutenangaben werden zum neuen Standard.
1893 kommt es aus militärischen Beweggründen zur
Einführung einer Standardzeit in Deutschland. Diese
Feinabstimmung der Zeit hebt die Ortszeit auf, sie wird
zur Territorialzeit, bald danach, durch die Einteilung der
Welt in 24 Zeitzonen, zur Weltzeit. Die Dunkelheit ver-
schwindet als zeitloses Mysterium, spätestens mit der
Elektrifizierung der Städte.
Das gedankliche Zeitverständnis wandelt sich in der
Moderne vom Bild des zyklisch Wiederkehrenden in das
einer Geraden. Die Zeit wird zu einer Linie aus
Ver gangenheit, Gegenwart und Zukunft, wobei die
Gegenwart, das Jetzt, nur einen punktuellen Platz einneh-
men kann, immer sofort Vergangenheit werdend.
Die Zeit wird erstmals als beeinflußbar, als gestaltbarer
Besitz des Menschen verstanden. Zeit und Macht wird zu
einem sich ergänzenden Wor tpaar.
- heute
"Alle festen, eingerosteten Verhältnisse mit ihrem Gefolge
von altehrwürdigen Vorstellungen und Anschauungen
werden aufgelöst, alle neugebildeten veralten, ehe sie ver-
knöchern können. Alles Ständische und Stehende ver-
dampft, alles Heilige wird entweiht, und die Menschen
sind endlich gezwungen, ihre gegenseitigen Beziehungen
mit nüchternen Augen anzusehen."
4
Der Takt der Fließbandarbeit weicht einem selbstbe-
stimmten Takt, der sich an den beschleunigten
Möglichkeiten technischen Fortschreitens orientiert.
Parallelbeschäftigungen, das Überlagern mehrerer
Tätigkeiten, die gleichzeitig stattfinden können, werden
üblich. Sie ermöglichen eine Zeitverdichtung mit dem
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2 5

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832463250
ISBN (Paperback)
9783838663258
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule für Bildende Künste Hamburg – Industrial Design
Note
2,0
Schlagworte
zeit technik beschleunigung beschäftigung erwartung
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Titel: Warten: Eine Annäherung
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