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"Jeder Bürger hat das Recht"

Grundrechtseinschränkungen und politische Bildung am Beispiel der Anti-AKW-Bewegung

©2002 Diplomarbeit 113 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
„Jeder Bürger hat das Recht...“
So oder so ähnlich beginnen viele der ersten 20 Grundgesetzartikel in der Bundesrepublik Deutschland in denen unsere Grund- und Freiheitsrechte verankert sind. Diese Rechte stehen an erster Stelle unseres Normengefüges und sind die Richtlinien für alle weiteren Gesetze und damit das Fundament unserer politischen Ordnung. Um Einschränkungen unserer Grundrecht zu verhindern, sind sie durch Art. 79 GG besonders geschützt. In Kapitel zwei dieser Arbeit stelle ich die Entwicklung und Wichtigkeit der Grundrechte dar. Dabei gehe ich besonders auf den Übergang von der Weimarer Republik auf die NS-Zeit ein, da dies eine wichtige Station in der Entwicklung der Grundrechte für die Bundesrepublik Deutschland war.
Der zentrale Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Wahrnehmung, dass die Grundrechte in Deutschland immer weiter eingeschränkt werden. Diesen Verlauf kann man nicht erst seit dem 11. September 2001 beobachten. Dennoch waren die Reaktionen auf diesen Terroranschlag mit ausschlaggebend für die Wahl des Diplomarbeitsthemas.
Innenminister Otto Schily verkündetet nur einige Wochen nach dem Terroranschlag zwei „Anti-Terror-Pakete“ für Deutschland, welche weitere Terrorakte in Deutschland verhindern sollen. Diese Maßnahmen betreffen ca. 100 verschiedene Gesetze und berühren teilweise auch unsere Grundrechte. Verdachtstunabhängige Schleierfahndungen, der große Lauschangriff, zahlreiche Sondereingriffsbefugnisse für Polizei, Justiz und Geheimdienste, Rasterfahndung und der Einsatz von V-Leuten sind Handhaben des deutschen Staates die es bereits vor dem 11. September 2001 gab, und Rolf Gössner vertritt die Meinung, dass wir bereits „eine Fülle von hoch problematischen Regelungen (in Bezug auf die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, d. Verf.) – angelegt auf Vorrat“ haben. Die Grundrechte sind für eine funktionierende Demokratie grundlegend. „Sie (die Demokratie d.V.) ist gekoppelt an die Geltung bürgerlicher Grundrechte und an den rechtsstaatlichen Schutz des einzelnen vor staatlicher Willkür.“ Wenn also im Zuge der Terrorbekämpfung unsere Grundrechte eingeschränkt werden, stellt das eine Gefahr für die Demokratie dar. Das betrifft uns in vielfältiger Weise, da wir alle von den Grundrechten profitieren und sie in Anspruch nehmen. Sie stellen einen Schutz der Bürgerinnen vor Eingriffen des Staates in unsere Freiheits- und Persönlichkeitsrechte dar.
Aber ist es überhaupt möglich, die besonders […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6322
Stiel, Anja: "Jeder Bürger hat das Recht" - Grundrechtseinschränkungen und politische
Bildung am Beispiel der Anti-AKW-Bewegung
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Aachen, Fachhochschule, Diplomarbeit, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

1. Einleitung ... 1
2. Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung ... 4
2.1 Grundrechte als Menschen- und Bürgerrechte...4
2.2 Zur Geschichte der Grundrechte ...5
2.3 Der Übergang von der Weimarer Republik zur NS- Zeit...7
2.3.1 Die Weimarer Republik ... 7
2.3.2 Der Nationalsozialismus... 9
2.4 Die Entstehung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ...12
2.5 Grundsätzliches zum Grundgesetz...14
2.6 Zur Entwicklung der Grundrechte ...17
2.7 Ziviler Ungehorsam: Gefährdung oder Festigung unserer politischen Ordnung?
...19
3. Umgang mit Grundrechten in der BRD am Beispiel des Castortransportes im
März 2001 nach Gorleben...24
3.1 Warum es Proteste bei Atomtransporten gibt ...24
3.1.1 Das Problem der Atommülllagerung... 25
3.1.2 Der ,,Atomfilz" ... 27
3.1.3 ,,Atom- und Polizeistaat" ... 28
3.2 Die Situation beim Castortransport im März 2001 ...30
3.2.1 Versammlungsfreiheit ... 31
3.2.2 Das Verhalten der Verwaltungen... 36
3.2.3 Das Verhalten der Polizei ... 40
3.2.4 Inanspruchnahme des Demonstrationsrechtes durch Bürgerinnen ... 44
3.2.4.1 Die Kampagne ,,x-tausendmal quer"... 46
3.2.4.2 Die ,,Betonaktion"... 49
3.2.4.3 Leuchtspurmunition ... 51
3.3 Resümee...53
4. Training in gewaltfreier Aktion als eine Möglichkeit der politischen Bildung.55
4.1 Zur politischen Bildung ...55
4.1.1 Ziele und Entwicklung der politischen Bildung ... 56
4.1.2 Schulische politische Bildung... 57
4.1.3 Außerschulische politische Bildung ... 59
4.1.4 Handlungsfelder der außerschulischen politischen Bildung ... 61
4.2 Training in gewaltfreier Aktion...62
4.2.1 Gewaltfreiheit als Lebensprinzip... 63
4.2.2 Strategien für gewaltfreie Aktionen ... 66
4.2.3 Methoden der gewaltfreien Aktion ... 68
4.2.4 Was sind Trainings ... 72
4.3 Konzeption eines gewaltfreien Trainings zur Vorbereitung auf einen Castor-
Transport ...74
4.3.1 Ablauf des Trainings ... 75
4.3.2 Die Rolle der Trainerinnen im Training... 87

4.3.3 Inhaltliche und prozessorientierte Aufgaben der Trainerinnen... 88
5. Training in gewaltfreier Aktion als sozialpädagogisches Handlungsfeld ...93
5.1 Einordnung in die klassischen Handlungsfelder der Sozialen Arbeit ...93
5.2 Transfer der gewaltfreien Haltung auf andere sozialpädagogische Bereiche...95
6. Schlussbetrachtung ...98
7. Literatur- und Quellenverzeichnis...101
Anhang...106

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
1
1. Einleitung
,,Jeder Bürger hat das Recht..."
So oder so ähnlich beginnen viele der ersten 20 Grundgesetzartikel in der
Bundesrepublik Deutschland in denen unsere Grund- und Freiheitsrechte verankert
sind. Diese Rechte stehen an erster Stelle unseres Normengefüges und sind die
Richtlinien für alle weiteren Gesetze und damit das Fundament unserer politischen
Ordnung. Um Einschränkungen unserer Grundrecht zu verhindern, sind sie durch Art.
79 GG besonders geschützt. In Kapitel zwei dieser Arbeit stelle ich die Entwicklung
und Wichtigkeit der Grundrechte dar. Dabei gehe ich besonders auf den Übergang
von der Weimarer Republik auf die NS-Zeit ein, da dies eine wichtige Station in der
Entwicklung der Grundrechte für die Bundesrepublik Deutschland war.
Der zentrale Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Wahrnehmung, dass die
Grundrechte in Deutschland immer weiter eingeschränkt werden. Diesen Verlauf kann
man nicht erst seit dem 11. September 2001 beobachten. Dennoch waren die
Reaktionen auf diesen Terroranschlag mit ausschlaggebend für die Wahl des
Diplomarbeitsthemas.
Innenminister Otto Schily verkündetet nur einige Wochen nach dem Terroranschlag
zwei ,,Anti-Terror-Pakete" für Deutschland, welche weitere Terrorakte in Deutschland
verhindern sollen. Diese Maßnahmen betreffen ca. 100 verschiedene Gesetze und
berühren teilweise auch unsere Grundrechte.
1
Verdachtstunabhängige
Schleierfahndungen, der große Lauschangriff, zahlreiche Sondereingriffsbefugnisse
für Polizei, Justiz und Geheimdienste, Rasterfahndung und der Einsatz von V-Leuten
sind Handhaben des deutschen Staates die es bereits vor dem 11. September 2001
gab, und Rolf Gössner vertritt die Meinung, dass wir bereits ,,eine Fülle von hoch
1
Dr. Hans Lange, während der Podiumsdiskussion ,,Innere Sicherheiten und äußere
Überwachungseinheiten" am 19.05.2002, 16.00 Uhr, auf dem 28. Open Ohr Festival in Mainz/
ZitadelleAnhang S.

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
2
problematischen Regelungen (in Bezug auf die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz,
d. Verf.) ­ angelegt auf Vorrat"
2
haben. Die Grundrechte sind für eine funktionierende
Demokratie grundlegend. ,,Sie (die Demokratie d.V.) ist gekoppelt an die Geltung
bürgerlicher Grundrechte und an den rechtsstaatlichen Schutz des einzelnen vor
staatlicher Willkür."
3
Wenn also im Zuge der Terrorbekämpfung unsere Grundrechte
eingeschränkt werden, stellt das eine Gefahr für die Demokratie dar. Das betrifft uns in
vielfältiger Weise, da wir alle von den Grundrechten profitieren und sie in Anspruch
nehmen. Sie stellen einen Schutz der Bürgerinnen vor Eingriffen des Staates in
unsere Freiheits- und Persönlichkeitsrechte dar.
Aber ist es überhaupt möglich, die besonders geschützten Grundrechte
einzuschränken?
Am Beispiel des Castortransportes im März 2001 nach Gorleben werde ich den
Umgang mit den Grundrechten in Deutschland am Beispiel der Versammlungs-
freiheit darstellen. Dazu stelle ich zunächst kurz die Bedenken der
Atomkraftgegnerinnen
4
in Bezug auf die Atomenergienutzung, vor. Wie das
Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG in dieser Zeit in Anspruch
genommen wird ist Thema des nächsten Abschnittes. Nach einer kurzen Einführung
zu Art. 8 GG werden verschiedene Aktionen näher vorgestellt, um daran das
Verhalten der Verwaltungen, der Polizei bzw. des Bundesgrenzschutzes (BGS) und
der Atomkraftgegnerinnen in Bezug zu diesem Grundrecht zu untersuchen.
Wenn nun das Recht auf Versammlung eingeschränkt wird und die Bürgerinnen
mit dieser Einschränkung nicht einverstanden sind; ist es dann die Aufgabe der
politischen Bildung, die Bürgerinnen dazu zu befähigen ihre Grundrechte
trotzdem wahrzunehmen?
2
Gössner, Rolf: Schily und die Schläfer, taz vom 27.10.2001
3
Schultze, Rainer-Olaf: Demokratie, in: Nohlen, Dieter (Hrsg.): Kleines Lexikon der Politik,
München, 2001, S. 51
4
In dieser Arbeit verwende ich wegen der besseren Lesbarkeit von nun an nur die weiblichen
Begriffsformen. Die Auswahl bedeutet keinesfalls eine Beschränkung auf das weibliche
Geschlecht, vielmehr ist selbstverständlich auch die männliche Form immer mit gemeint.

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
3
In Kapitel 4.1 erkläre ich die Ziele und Entwicklungen der politischen Bildung.
Nach der Abgrenzung von schulischer und außerschulischer politischer Bildung
untersuche ich, ob ein Training in gewaltfreier Aktion ein geeignetes Mittel der
politischen Bildung ist, um Bürgerinnen zu befähigen ihr Grundrecht auf Versammlung
wahrzunehmen. Dazu werde ich vorab auf das Prinzip der Gewaltfreiheit im
Allgemeinen eingehen. Welche Ideen und Strategien hinter diesem Lebensprinzip
stehen erläutere ich in Kapitel 4.2.
Kern der Arbeit wird in Kapitel 4.3 der Konzeptentwurf für ein Training in gewaltfreier
Aktion sein. Nachdem ich den Verlauf und die Methoden des Trainings dargestellt
habe, gehe ich auf die Rolle und die Aufgaben von Trainerinnen in gewaltfreier Aktion
ein.
In wie weit die Trainingsarbeit ein sozialpädagogisches Handlungsfeld ist und die
gewaltfreie Haltung Impulse und Methoden für weitere sozialpädagogische
Arbeitsfelder bereit hält, behandle ich in Kapitel fünf.
Hermann Hesse (1877 ­ 1962) wird die einzelnen Abschnitte literarisch begleiten.

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
4
Jeder von uns muss für sich selber finden,
was erlaubt und was verboten ­ ihm verboten ist.
Man kann niemals etwas Verbotenes tun
und kann ein großer Schuft dabei sein.
(Hesse)
2. Grundrechte als Fundament unserer politischen
Ordnung
Die Grundrechte der Bundesrepublik Deutschland sind im Grundgesetz vom 24.Mai
1949 verbrieft. Sie stehen nun über allen anderen staatlichen Gesetzen. Diese
bedeutende Stellung haben die Grundrechte erst seit der Neufassung des
Grundgesetztes 1949.
Im folgenden Kapitel wird die Bedeutung und die Entwicklung der Grundrechte kurz
dargestellt. Damit soll verdeutlicht werden, warum die Grundrechte schützenswert und
für eine Demokratie unentbehrlich sind. Gerade die deutsche Geschichte zeigt uns,
dass Grundrechte zu wahren sind. Sie sind das Fundament eines freien, gerechten
und selbstbestimmten Lebens und garantieren uns Sicherheit und Schutz vor dem
Staate und durch ihre Drittwirkung vor Eingriffen in unser Leben von anderen
gesellschaftlichen Gruppen. Sie erlauben uns, am öffentlichen Leben teilzunehmen
und ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Zunächst werde ich den Begriff Grundrechte erläutert.
2.1 Grundrechte als Menschen- und Bürgerrechte
Die Grundrechte kann man in zwei verschiedene Kategorien einteilen. Zum einen sind
Grundrechte unveräußerliche Menschenrechte, die jedem Menschen von Geburt an
zustehen.
,,Alle Menschen verfügen von Geburt an über die gleichen, unveräußerlichen
Rechte und Grundfreiheiten,"

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
5
heißt es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen.
Die Vereinten Nationen haben diese Rechte am 10. Dezember 1948 in der UN-
Menschenrechtscharta genehmigt und verkündet und in einfacher und klarer Sprache
dargelegt, damit jeder Mensch sie verstehen, fördern und verteidigen kann.
Zum anderen bezeichnet man Grundrechte als Bürgerrechte, die anders als die
Menschenrechte nur für die Staatsangehörigen eines Staates gelten. Die
Bürgerrechte sind meist in der Verfassung dargelegt.
Im Folgenden wird der Begriff der Grundrechte weiterverwendet, da eine Trennung
hier nicht als sinnvoll erscheint.
2.2 Zur Geschichte der Grundrechte
Den Ursprung der Grundrechte wird im Naturrechtsgedanken der Antike gesehen.
Aus dem Gedanken der Menschenwürde ­ also Freiheit und Gleichheit für alle
Menschen - wurde diese Idee vor allem im 17. und 18. Jh. weiterentwickelt. Die
Grundrechte sollten vor der Willkür der Obrigkeit schützen. ,, So gelang der englischen
Aristokratie mit der Magna Charta liberatum (1215) erst mal die rechtlich fixierte
Einschränkung der königlichen Willkürherrschaft."
5
Dieser Prozess entwickelte sich durch folgende Herrschaftsverträge weiter. 1679
wurden in der ,,Habeas-Corpus-Akte" in England und in den ,,Bill of Rights" in den USA
das erste Mal die Grundrechte als Individualrechte in der Verfassung festgeschrieben.
Diese Entwicklung war dann für die Idee der Französischen Revolution 1789
richtungsweisend. Die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte gilt
als klassisches Dokument für Grundrechte im Allgemeinen
6
, da in dieser Erklärung
die Freiheits- und Gleichheitsrechte als angeboren und unveräußerlich verankert
wurden.
5
Dieter Nohlen (Hrsg.): Kleines Lexikon der Politik, München, 2001, S. 185
6
vgl.: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 4, Mannheim, 1987, 19. Aufl., S. 226

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
6
Durch den Einfluss der französischen Revolution kam der Gedanke, die Grundrechte
in den Verfassungen in den anderen Länder Europas zu verankern.
Im 19. Jh. enthielten fast alle deutschen Landesverfassungen Kataloge von
Grundrechten. Diese Grundrechte wurden jedoch vom Staat oder der Monarchie
gewährt und konnten jederzeit zurückgenommen werden, da sie nachrangige Rechte
waren, auf die man sich zu dieser Zeit noch nicht berufen konnte. Sie hatten eher
einen Programmcharakter.
,,Doch in der neueren deutschen Verfassungsgeschichte hat die Entfaltung der
Grundrechtsidee ihre nachhaltigsten Anstöße durch die
Paulskirchenverfassung von 1849 empfangen. Die dort beschlossenen
,,Grundrechte des deutschen Volkes" gründeten im Bewusstsein der
Verfassungsväter auf unveräußerlichen Menschen- und Urrechten. Sie sollten
den absolutistischen Fürstenstaat überwinden und den freiheitlichen
Rechtsstaat heraufführen."
7
Die Frankfurter Nationalversammlung legte diesen Grundrechtekatalog fest. Zwar galt
er nicht lange ­ bis zum 23. August1851 - dafür war er für die nachfolgenden
Verfassungen Vorbild.
8
In der Weimarer Reichsverfassung von 1919 lehnte sich der Grundrechtekatalog
teilweise an die Paulskirchenverfassung von 1849 an und darüber hinaus wurde
versucht, den Katalog mit neuen sozialen Grundrechten zu erweitern. Doch auch in
der Weimarer Reichverfassung galten die Grundrechte nur nachrangig.
,,Die traditionelle Geltungsschwäche der Grundrechte wirkte nach bis in das
Verfassungsrecht der Weimarer Republik. Dort wurden sie überwiegend nur
als unverbindliche Programmsätze aufgefasst. Das weithin fehlende
Bewusstsein ihrer juristischen Vollwertigkeit, geschweige denn eines
generellen Vorranges der Grundrechte trug mit dazu bei, dass man ihre
Außerkraftsetzung durch eine Notverordnung des Reichpräsidenten Anfang
1933 als nicht so gravierend empfand."
9
7
Rudolf Weber-Fas: Grundrechte Lexikon: Menschen- und Bürgerrechte der deutschen
Verfassung, Tübingen, 2001, S. 87
8
Die Reichverfassung von 1871 beinhaltete keine Grundrechte, weil dies als Ländersache
angesehen wurde. Nur einige wichtige Gesetze wurden durch länderübergreifende Gesetze
gesichert. So auch 1908 die Vereins- und Versammlungsfreiheit.
9
Weber-Fas, S. 88

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
7
2.3 Der Übergang von der Weimarer Republik zur NS- Zeit
Diesem Abschnitt der deutschen Geschichte möchte ich ein eigenes Kapitel widmen,
denn die Geschehnisse seit dem Ende der Weimarer Republik bis zur Entstehung des
jetzt geltenden Grundgesetzes von1949 erscheint mir für diese Arbeit von besonderer
Bedeutung, da das Grundgesetz als Lehre bzw. als Konsequenz aus der
Machtübernahme Hitlers zu verstehen ist. Dieses Kapitel soll an die
grundrechtswidrigen Handlungen dieser Zeit erinnern und damit deutlich machen, wie
wichtig die Wahrung der Grundrechte und die Wahrung des Grundgesetzes gerade
für Deutschland ist.
2.3.1 Der Zerfall der Weimarer Republik
Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 war der Weg für
seine Machtübernahme eröffnet. Diesen Tag kann man als Ende der Weimarer
Republik ansehen. Deutschland hatte bis dahin einige schwere Krisen durchlitten.
Als 1930 die Weltwirtschaftskrise einsetzte, zerstörte diese die Grundlage einer
wirtschaftlichen Stabilisierung Deutschlands, ,,so dass sich die Wirtschaftskrise bald
zur Staatskrise auswuchs,,
10
,,Der Schwierigkeiten, die aus einer Arbeitslosigkeit von bisher unbekanntem
Ausmaß ­ 1932 wurde die Zahl von sechs Millionen Erwerbslosen
überschritten ­ und der daraus folgenden weiteren Finanznot erwuchsen,
welche das Reich an die Grenze des Staatsbankrotts treiben ließ, ist die
deutsche Demokratie nicht mehr Herr geworden"
11
Im Reichstag, der das ausschlaggebende Reichsorgan laut Verfassung sein sollte,
herrschte Uneinigkeit. In der Fülle der unterschiedlichen und zum Teil auch
gegensätzlich ausgerichteten Parteien war es nicht möglich, eine feste Mehrheit zur
Regierungsbildung zu finden. Die Parteien der Rechts- und Linksradikalen, die die
10
Menger, C.F.: Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit, Heidelberg, 1990, 7.Auflage,
S. 175
11
Menger, S. 175

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
8
parlamentarische Ordnung sowieso ablehnten, verhinderten weitestgehend eine
stabile und demokratische Mehrheitsbildung.
12
Wichtige und unpopuläre
Entscheidungen überließ der Reichstag ab 1930 dem Reichpräsidenten nach § 48
WRV
13
, der dadurch eine Art Diktaturgewalt erhielt; das Parlament hatte jedoch bei
allen Entscheidungen das Recht, diese wieder außer Kraft zu setzen.
Hinzu kam, dass die wirtschaftliche Not die Radikalisierung der Massen begünstigte.
Die Mittelschicht in Deutschland verarmte, da die finanziellen Mittel aus der
Arbeitslosenversicherung nicht im Geringsten ausreichten.
Aus diesem Grunde folgten immer mehr Menschen den rechts- und linksradikalen
Parolen und sehnten sich nach dem ,,starken Mann"
14
. Im Herbst 1930 nahmen die
Sitze der Nationalsozialisten und der Kommunisten im Reichstag einen merklichen
Aufschwung. Nachdem die ,,Weimarer Koalition" gebrochen war, starb damit auch
jegliches parlamentarische Leben.
Da der Reichstag nicht die Verantwortung für die unpopuläre Sparpolitik des
Reichspräsidenten tragen wollte, duldete er die Entscheidungen, die dieser alleine
aufgrund des § 48 WRV als Notverordnungen fällte. Das führte zu einer enormen
Machtstellung des Reichspräsidenten ­ er war jetzt Gesetzgebungsorgan geworden
und beeinflusste den Kurs der Regierung, die nur mit seinem Willen weiter regieren
konnte. Hierdurch wurde die Trennung der Gewalten faktisch aufgehoben. Nach
einigen Veränderungen an der Regierungsspitze stimmte 1933 Hindenburg zu, Hitler
zum Reichskanzler zu ernennen.
Das Problem der letzen zwei Jahre der Weimarer Republik war, dass
,,in dieser Zeit das Verfassungssystem der Reichsverfassung in sein Gegenteil
verkehrt worden war. Die eigentlich zur politischen Willensbildung berufenen
12
Von 1919 bis 1930 lösten sich in der Weimarer Republik 16 Reichsregierungen ab.
Menger, S. 178
13
Artikel 48 WRV siehe Anhang S.
http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/verfassung/index.html
14
Menger, S. 179

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
9
politischen Parteien entzogen sich ihrer Aufgabe. Damit war das
parlamentarische System hinfällig.,,
15
2.3.2 Der Nationalsozialismus
Laut dem Autor Otto Kimminich war der Nationalsozialismus verfassungsrechtlich
nicht ergiebig, weil die ,,Verfassung" des nationalsozialistischen Staates nicht auf die
nachfolgenden Verfassungen eingewirkt hätte.
16
Es mag zwar sein, dass keine
Vorschriften oder Verordnungen der Nationalsozialisten in das heute gültige
Grundgesetz übernommen wurden; um aber eine verheerende Regierung wie die von
Hitler nicht noch einmal zu ermöglichen, wurden aus der Zeit des Nationalsozialismus
Schlüsse gezogen und diese im Grundgesetz umgesetzt. Klaus Kröger meint dazu:
,,Die durchtriebene radikale Zerstörung der Weimarer Reichsverfassung vom
11.8.1919 durch die `nationale Revolution´ der nationalsozialistischen
Machthaber nach dem 30.01.1933 war eines der Schockerlebnisse, das die
Verfassungsgebung der Nachkriegszeit nachhaltig beeinflusst hat."
17
In der Tat gelang es Hitler weitestgehend auf legalem Wege, Deutschland eine
Diktatur aufzuzwingen.
Am 1.Februar1933 löste Hitler den Reichstag auf, um am 5.März 1933 Neuwahlen
durchzuführen. Um sich und der NSDAP einen Wahlsieg zu verschaffen, überzog er
das Land mit dem Terror der SA
18
und der SS
19
. Grundlage für diese Handeln war
das am 4.Februar 1933 in Kraft getretene Not-Verordnungsgesetz ,,zum Schutze des
Deutschen Volkes". Auslöser für dieses Gesetz war der Reichstagsbrand am
27.Februar 1933.
20
15
Menger, S. 181
16
vgl. Menger, S. 181, nach Kimminich: Verfassungsgeschichte, S. 541
17
Kröger, Klaus: Einführung in die Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland,
München, 1993, S.1
18
Sturmabteilungen
19
Schutzstaffel
20
wobei bis heute nicht geklärt ist, ob nicht Vertreter der NSDAP den Brand selber gelegt haben oder ob
die KPD dafür verantwortlich zu machen war. Offiziell wurde sie der Tat bezichtigt.

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
10
Trotz des Terrors und der Propaganda konnte die NSDAP keine absolute Mehrheit
der Wählerstimmen auf sich vereinigen. Sie waren auf den deutschnationalen
Koalitionspartner angewiesen. Um eine Zwei-Drittel-Mehrheit zur Gesetzesänder-
ungsbefugnis im Reichstag zu erreichen, wurde die KPD ohne Rechtsgrundlage
verboten, und ihre Mandate annulliert. Als dann am 23. März 1933 zusätzlich das
,,Ermächtigungsgesetz - zur Behebung der Not von Volk und Staat" im Reichstag
abgestimmt wurde, war die Staatsgewalt völlig in die Hände der Nationalsozialisten
übergegangen.
Ermächtigungsgesetze waren zwar schon in früheren Regierungen bekannt - sie
wurden in bestimmten Notsituationen erlassen - dieses Ermächtigungsgesetz ging
aber weit über die Grenzen des bisher Dagewesenen hinaus.
,,Es (das Ermächtigungsgesetz, d. Verf.) wurde als ´vorläufiges
Verfassungsgesetz des neuen Deutschland` betrachtet. Der Reichstag
ermächtigte die Reichsregierung, Gesetze zu beschließen (Art. 1) . Nach Art. 2
konnten die von der Reichsregierung beschlossenen Gesetze sogar ´von der
Reichsverfassung abweichen, soweit sie nicht die Einrichtung des Reichstages
und des Reichsrates als solche zum Gegenstand´ hatten."
21
Die Regierung war jetzt in der Lage, jedes Gesetz nach ihrem Willen zu erlassen. Der
Reichstag hatte kein Einspruchsrecht mehr.
Gründe für die Fügsamkeit vieler Bürgerinnen können die Errichtung von
Konzentrationslagern, der Terror und die Beraubung ihrer Rechte sein. Ein weiterer
Grund könnte sein, dass ,,kaum jemand mit Möglichkeiten des Widerstandes gegen
die Obrigkeit vertraut, geschweige denn darin geübt war."
22
Als nächster Schritt zur Diktatur wurde das pluralistische Parteiensystem beseitigt.
Ebenso die Gewerkschaften. Den Ländern wurde zur Gleichschaltung ein
Reichskommissar geschickt, und das bereits vor dem Erlass des ersten
21
Kröger, S. 2
22
Nolting, Hans-Peter: Lernschritte zur Gewaltlosigkeit, Reinbeck bei Hamburg, 1981, S. 173

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
11
,,Gleichstellungsgesetzes" am 31.März 1933. Die seit 1871 bestehende
bundesstaatliche Ordnung des Deutschen Reiches wurde so nach und nach beseitigt.
Es folgten weitere Gesetze, die zur Machtvergrößerung der Nationalsozialisten
führten:
· 7.April 1933 - Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums -
hierdurch konnten alle unerwünschten Beamten entlassen werden
· 14.Juli 1933 - Gesetz gegen die Neubildung von Parteien - alle Parteien
hatten sich zu diesem Zeitpunkt entweder selbst aufgelöst oder wurden
ausgeschaltet
· 30.Januar 1934 - Gesetz über den Neuaufbau des Reiches - damit wurde
die Verfassung der Weimarer Republik endgültig zerstört. Die
Volksvertretungen der Länder wurden aufgelöst, alle Hoheitsrechte der
Länder gingen auf das Reich über und die Landesregierungen waren
künftig der Reichsregierung unterstellt. Außerdem unterlagen die
Reichstatthalter den Weisungen des Reichsinnenministers. Der
Reichsregierung war es erlaubt, neues Verfassungsrecht zu erlassen.
· 14.Februar 1934 - der Reichsrat wurde aufgehoben
· 1.August 1934 - nach Hindenburgs Tod wurde das Amt des Reichs-
präsidenten mit dem des Reichkanzlers vereinigt. Nun lag die gesamte
Macht in Hitlers Händen. Er war Staatsoberhaupt, Chef der Regierung und
Führer der Staatspartei.
23
Die NS-Herrschaft war nun aufgebaut. Es folgte die Zeit des autoritären Staates von
Juli 1934 bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges im September 1939. In dieser Zeit
wurde die letzte Rechtsstaatlichkeit vernichtet. Die Gerichte wurden entweder nicht
anerkannt, ihre Zuständigkeiten immer weiter eingeschränkt und es wurden für
23
Hier sind nur einige Gesetzesänderungen, die zur Bearbeitung des Themas wichtig sind,
aufgeführt. Die später folgenden Gesetze, die alle nicht arischen Menschen diskriminierten,
werden hier nicht aufgeführt.

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
12
spezielle Themen eigene Gerichte eröffnet. Politische Gegner des NS-Regimes
wurden durch Mord beseitigt. Da die Bürger keine Rechtssicherheit mehr hatten,
wurde das Risiko der Widerstandes unkalkulierbar. Durch die perfekte Überwachung
von Seiten des Staates konnte sich kaum Widerstand formieren.
Am 1.September 1939 erklärte Hitler vor dem Reichstag und der Öffentlichkeit, dass
sich Deutschland im Krieg befände. Dieser breitete sich bald über die ganze Welt aus.
Als im Juli 1944 die Opposition und weite Kreise der Bevölkerung den
Kriegshandlungen und dem Hitlerregime jedoch immer kritischer gegenüberstanden
,,verlor Hitler die letzten Hemmungen. Jede kritische Regung wurde im Blut
erstickt, der Staat wurde zum Unrechtsstaat schlechthin."
24
Nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 überzog wieder eine Welle von Morden,
Terror und Gewalt das Land. Da Deutschland den Krieg verlor, beging Hitler am
30.April1945 Selbstmord und ,,vererbte" Großadmiral Dönitz seine Nachfolge.
25
,,Am 9.Mai 1945 endete der totale Krieg mit der totalen Zerstörung des
Deutschen Reiches."
26
2.4 Die Entstehung des Grundgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland
Nach den schlimmen Ereignissen des Zweiten Weltkrieges waren sich die Alliierten
einig, dass Deutschland nun eine Struktur erhalten müsse, die dieses Land nicht noch
einmal einem Aggressor ausliefern konnte. Nachdem die Regierung Dömitz abgesetzt
worden war, übernahm der Kontrollrat der vier Besatzungsmächte USA, Frankreich,
England und die UdSSR die oberste Regierungsgewalt.
24
Menger, S. 191
25
Dieser richtete ein neues Kabinett ein, um die Kapitulation erst dann zu verkünden, sobald
möglichst viele Soldaten und Zivilisten nach Westen flüchten konnten.Die bedingungslose
Kapitulation gegenüber den Alliierten erfolgte am 7.5.1945. Zwei Tage später wurde sie
gegenüber der Sowjetunion wiederholt.
26
Menger, S. 192

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
13
Das oberste Ziel der Besatzungspolitik war die Befreiung der Deutschen vom
Nationalsozialismus und die Demokratisierung Deutschlands. Außerdem sollte ganz
Deutschland ,,entnazifiziert" werden. Um diese Ziele umzusetzen, wurde im
Potsdamer Abkommen vom 2.August 1945 eine Reihe von Maßnahmen vereinbart:
· die Aufhebung der nationalsozialistischen Gesetze - die teilweise auch schon
vorher von den deutschen Gerichten aufgehoben wurden
27
· die Bestrafung der Kriegsverbrecher
· die Aburteilung aller Deutschen, die Mitglieder der NSDAP oder einer ihrer
Gliederungen gewesen waren
· und die Umerziehung aller Deutschen.
In diesen Punkten waren sich die vier Siegermächte einig. Auch der Wille zur
wirtschaftlichen Einheit Deutschlandes und zum Aufbau einer demokratischen
Ordnung bestand bei allen vier Siegermächten. Die Ausgestaltung dieser Pläne
unterlagen aber massiven Interessensgegensätzen. Aus diesem Grund gingen die
meisten Kompetenzen des Kontrollrates auf die Militärregierungen und deren
Oberbefehlshaber über.
Ab 1945 ­ 1946 begannen die Militärregierung die deutschen Verwaltungen wieder
aufzubauen und diese an der Verwaltung Deutschlands zu beteiligen. Eine deutsche
Zentralverwaltung scheiterte am Veto Frankreichs. Frankreichs Regierung war
zunächst entschlossen, Deutschland nicht wieder zu vereinigen.
,,In der Frage der Demokratisierung orientiert sich jede Besatzungsmacht, je
weniger sich gemeinsame Lösungen abzuzeichnen scheinen, desto mehr an
ihrem eigenen politischen System. Damit ist eine Auseinanderentwicklung der
vier Zonen eingeleitet, die die später vollzogene Teilung Deutschlands
erheblich begünstigt."
28
Als im April 1948 das Wirtschaftshilfeprogramm - der Marshall-Plan - begonnen und
im Juni die Währungsreform umgesetzt wurde, waren dies konkrete Schritte zur
27
Es sind nicht automatisch alle Gesetze der NS-Regierung aufgehoben worden, es gab
Einzelerlasse, welche Gesetze außer Kraft gesetzt wurden usw..
28
Deutscher Bundestag, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (Hrsg.): Fragen an die deutsche
Geschichte, Ideen, Kräfte, Entscheidungen, Von 1800 bis zur Gegenwart, Bonn, 1984, S.341

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
14
Bildung eines Weststaates, der aus der amerikanischen, britischen und französischen
Besatzungszone und aus Teilen Berlins bestand. Im Sommer 1947 regte der britische
Militärgouverneur Sir Brian Robertson erstmals an, dass politische Konzepte für
Deutschland erarbeitet werden sollten. Ungefähr ab diesem Zeitpunkt bildete sich
heraus, dass Deutschland in zwei Teile unterteilt würde. Der Verlauf der Teilung
Deutschlands wird hier nicht weiter verfolgt, da es den Rahmen dieser Arbeit
überschreiten würde. Anzumerken sei, dass sich die Vertreter der deutschen
Verwaltung zunächst weigerten, eine Verfassung nur für den westlichen Teil
Deutschlands zu erarbeiten, um die Teilung Deutschlands nicht noch zu vertiefen.
Nach Beratungen einigten sich dann aber die Ministerpräsidentenkonferenz und die
Besatzungsmächte des Westens, dass ein Parlamentarischer Rat einberufen würde,
um ein Grundgesetz zu erarbeiten. Dies sollte bis zur Wiedervereinigung
Deutschlands gültig sein.
Am Grundgesetz wurde vom 25. Juli 1948 bis zur Vollendung am 23.Mai 1949
gearbeitet. Die westlichen Besatzungsmächte nahmen durch verschiedene
Dokumente und Vorschläge Einfluss auf die Entwicklung des Grundgesetzes. Der
Inhalt des Grundgesetztes lehnt sich an die Paulskirchenverfassung von 1849 und die
Weimarer Reichsverfassung von 1919 an. Bevor es in Kraft treten konnte, musste es
von den westlichen Besatzungsmächten genehmigt werden. Dies war der Grund,
warum viele der Vorgaben aus ihren Dokumenten übernommen wurden.
Das Grundgesetz trat am 24. Mai 1949 in Kraft. Es soll verhindern, dass die
Demokratie noch einmal ausgehöhlt und abgeschafft wird.
2.5 Grundsätzliches zum Grundgesetz
Die Grundrechte stehen an erster Stelle im Grundgesetz der BRD.
,,Das ist nicht nur eine symbolische Hervorhebung. Die Grundrechte sind das
wichtigste Fundament unseres Staates. Sie prägen die freiheitlich-

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
15
demokratische Grundordnung; in ihnen wird die Identität der Verfassung
sichtbar."
29
Die ,,klassischen" Grundrechte - wie der Schutz des Lebens, die Menschenwürde, der
Gleichheitssatz, die Freiheitsrechte, allgemeine Persönlichkeitsrechte - finden sich in
den Artikeln 1-19 GG wieder. Diese sind durch besondere Bestimmungen in Art. 79
GG vor Änderungen in ihrem Wesensgehalt geschützt. Diese Unantastbarkeits-
garantie des Grundgesetzes resultiert aus dem rechtsstaatlichen Zusammenbruch der
Weimarer Republik.
,,Damit soll verhindert werden, dass die Verfassung durch legislative
Maßnahmen in ihrer Kernsubstanz ausgehöhlt und zur nachträglichen
Legalisierung einer totalitären Herrschaft missbraucht wird."
30
Die Grundrechte haben heute einen verfassungsmäßigen Vorrang gegenüber allen
Akten des Staates. Sie konstituieren die oberste Werteordnung und gelten für alle
Bereiche des Rechtes und damit auch für alle Tätigkeiten des Staates. Dieser ist dazu
verpflichtet, in allen staatlichen Behörden, Parlamenten und Gerichten die
Grundrechte zu wahren. Dadurch haben sie eine bis dahin nicht gekannte politische,
juristische und geschichtliche Bedeutung erhalten.
Die Grundrechte sind darüber hinaus als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat
zu verstehen.
,,Ihrem Wesen und ihrer Funktion nach sind die Grundrechte in erster Linie
dazu bestimmt, die Freiheitsrechte des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen
Gewalt zu sichern; insoweit sind sie Abwehrrechte des Bürgers gegen den
Staat (status negativus) . Gleichzeitig verbürgen sie aber auch das Recht der
Grundrechtsträger auf freie Mitwirkung und Mitgestaltung im staatl.
Gemeinwesen (status activus.)"
31
Die freie Mitwirkung und Mitgestaltung im staatlichen Gemeinwesen ist eine
Grundvoraussetzung für Demokratie. Mit den Grundrechten, z.B. das Recht auf
Versammlungsfreiheit, kann man der Forderung nach Beteiligung, die in jeder
29
Weis, Hubert: Meine Grundrechte, München,1995, 3. Auflage, S. 1
30
Weber-Fas, S. 84
31
Brockhaus, S. 226

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
16
Demokratie da sein sollte, wahrnehmen. Darüber hinaus stellt die
Versammlungsfreiheit eine wichtige plebiszitäre Komponente dar. Denn ich verstehe
Demokratie als partizipative Staatsform und unterstütze die Modelle der
republikanischen und deliberativen Demokratie (nach Rousseau) in denen ,,auf die
Überzeugungskraft rationaler Argumente in öffentlichen Debatten" gesetzt werden und
in denen ,,sich die Bürger im Prozess demokratischer Deliberation durch
konsensorientiertes, kommunknatives Handeln auf gemeinschaftliche Normen und
Ziele verständigen."
32
Der Gedanke der Basisdemokratie ist hier das
ausschlaggebend Moment für meine Zustimmung.
Das Modell, das Schumpeter vertritt, nämlich, dass die gesellschaftlichen Konflikte
durch Repräsentation und andere Formen der Institutionalisierung gelöst werden
sollen ist zwar im Moment gelebte Realität, findet aber nicht in dem Maße meine
Zustimmung. Denn die Bürgerinnen werden gesehen
,,als mehr oder weiniger rational seinen individuellen Nutzen verfolgenden
Konsumenten, dessen Mitwirkungsmöglichkeiten auf die periodische
Bestätigung bzw. Abwahl der Regierenden und ihrer (Partei-)Programme
beschränken."
33
Dafür, dass alle Macht vom Volke ausgehen soll, bietet miener Meinung nach dieses
Modell zu wenig Partizipationsmöglichkeiten und die Parteien bieten nicht die
Vertretung aller Meinungen. Deshalb sind die Bürgerinnen auf andere Formen der
Mitsprache in politischen Entscheidungen angewiesen. Unsere Grundrechte bieten
dazu eine geeignete Grundlage.
Im Grundgesetz sind jedoch nicht nur Grundrechte zu finden, sondern auch
Bürgerrechte. Der Unterschied ist dem jeweiligen Wortlaut der einzelnen Artikel zu
entnehmen. So ist der Art. 8 GG zum Beispiel ein klassisches Bürgerrecht, denn er
heißt:
,,Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis
friedlich und ohne Waffen zu versammeln."
32
Schultze, S. 52
33
Schulze, S. 52

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
17
Die Versammlungsfreiheit ist also an die deutsche Staatsbürgerschaft gekoppelt.
Die Grundrechte, die für alle gelten, entsprechen den international anerkannten
Menschenrechten. Zum Beispiel Art. 1 GG:
,,Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist
Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."
Teilweise sind Grundrechte mit einem sog. Gesetzesvorbehalt versehen. In diesen
Fällen darf der Gesetzgeber dieses Grundrecht einschränken. Diese
Einschränkungen sind jedoch an ausdrücklich tatbestandliche Voraussetzungen
gebunden. Demnach wird zum Beispiel die Meinungs- und Pressefreiheit des
Art. 5 GG durch die Vorschriften der allgemeinen Gesetze, der persönlichen Ehre
usw. beschränkt. Bei einer Einschränkung muss das einschränkende Gesetz
allgemein und nicht nur für den Einzellfall gelten. Eine Veränderung des
Wesensgehaltes eines Grundrechtes ist in keinem Fall verfassungskonform.
34
2.6 Zur Entwicklung der Grundrechte
Seit Inkrafttreten des Grundgesetzes ist es bis 1999 durch 46 Gesetze geändert
worden.
35
Mit diesen Gesetzen wurden u.a. die Lücken gefüllt, die der
Parlamentarische Rat 1949 hatte offen lassen müssen.
,,Durch Verfassungsänderungen ist der formelle Bestand des Verfassungs-
rechts weiterentwickelt worden, sei es, um Unvollkommenheit des
Verfassungswerks, die aus den Entstehungsbedingungen des Grundgesetzes
34
Grundrechte sind auch in den meisten Landesverfassungen der BRD verankert; bzw. werden
die Grundrechte der BRD auch als geltendes Recht für die einzelnen Länder anerkannt. In den
Verfassungen von Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind solche Hinweise
jedoch nicht zu finden. Da die Grundrechte des Grundgesetzes einen lückenlosen Schutz der
Bürger gegenüber dem Staat gewähren sollen, haben die Grundrechte in den Landes-
verfassungen eher eine begrenzte praktische Bedeutung. In dieser Arbeit wird nicht explizit auf
die Grundrechte der Länder eingegangen.
35
Die Gesetze zur Änderung des Grundgesetzes beziehen sich nicht nur auf die Änderung
eines Artikels. Bei diesen Änderungen sind verschiedene Artikel aus verschiedenen Bereichen
betroffen. Außerdem beschränken andere Gesetze die Grundrechte des Grundgesetzes, wie z.
B. die Gefahrenverordnung der Niedersächsischen Polizei auf Art. 8 GG Einfluss nimmt und ihn
beschränkt.

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
18
herrührten, sei es, um neuen gesellschaftlichen Bedürfnissen und politischen
Problemen Rechnung zu tragen."
36
37
In der Verfassungsreform nach der Wiedervereinigung Deutschlands ist u.a. der
Art. 20 a GG ­ Schutz der natürlichen Lebensgrundlage ­ eingeführt worden.
38
Trotz der Sicherung der Grundrechte durch Art. 79 GG kommt es immer wieder zu
Einschränkungen. Dabei werden nicht unbedingt die Artikel des Grundgesetzes
verändert, sondern beschränkende Regelungen eingeführt wie z.B. in Verwaltungs-
akten, in nachgeordneten Gesetzen, wie dem Polizeigesetz.usw..
Habermas ist der Meinung, dass
,,die Verwirklichung anspruchsvoller Verfassungsgrundsätze mit universal-
istischem Gehalt ein langfristiger, historisch keineswegs geradlinig
verlaufender, vielmehr von Irrtümern, Widerständen und Niederlagen
gekennzeichneter Prozeß ist. Die europäische Geschichte der Grundrechte
beispielsweise läßt sich als ein solcher, von Rückschlägen unterbrochener
kollektiver Lernprozess verstehen. Wer will behaupten, dass diese
Lernprozesse abgeschlossen sind."
39
Um die Grundrechte durchzusetzen, beizubehalten und um ihnen in allen Bereichen
Gültigkeit zu verschaffen, muss also immer wieder um sie gekämpft werden.
36
Schmidt-Bleibtreu, Klein: GG Kommentar zum Grundgesetz, Neuwied, Kriftel, Berlin,
Luchterhand, 1995, 8.Auflage, S. 79
37
Von besonderer politischer Bedeutung waren das Gesetz zur Bundesverteidigung (1956), die
Notstandsgesetzgebung (1968), die Änderung der Finanz- und Haushaltsverfassung (1969),
die Änderungen im Zusammenhang mit dem Beitritt der DDR (1990), Art. 23 über die
Mitwirkung bei der Entwicklung der EU (1992) , der Asylrechtskompromiss (1993), sowie die
Verfassungsreform von 1994, die im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung steht.
38
Daneben gab es Vorschläge zur Gleichberechtigung von Mann und Frau und dem Schutz der
Identität ethnischer, kultureller und sprachlicher Minderheiten.
Vgl.: Weber, Klaus: Rechtswörterbuch, München, 2000, 16. Auflage, S.601
39
Habermas, Jürgen: Ziviler Ungehorsam ­ Testfall für den demokratischen Rechtsstaat. Wider
den autoritären Legalismus in der Bundesrepublik, in: Glotz, Peter (Hrsg.): Ziviler Ungehorsam
im Rechtsstaat, Frankfurt a.M., 1983, S. 39 f

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
19
2.7 Ziviler Ungehorsam: Gefährdung oder Festigung unserer
politischen Ordnung?
Eine traditionelle Art des ,,Kampfes" für Grundrechten, ist der zivile Ungehorsam. Da
es sich bei zivilem Ungehorsam um ,,eine Gehorsamsverweigerung eines
Staatsbürgers gegenüber einem ­ im Namen einer übergeordneten Norm oder Lehre
als nicht legitim angesehenen ­ Gesetz, Gebot oder autorativen Befehl handelt,"
40
ist
die Frage, ob diese Form des gewaltfreien Widerstandes mit den Prinzipien des
demokratischen Rechtssaat zu vereinbaren ist.
1984 hat die CDU/CSU-Fraktion in ihrer ,,Berliner Erklärung" 12 Thesen zur
Gefährdung des parlamentarischen Systems durch den zivilen Ungehorsam
veröffentlicht. Sie unterstellt in These 8 den Befürwortern des zivilen Ungehorsams,
dass diese die Demokratie schwächen wollten, um dann eine neue Diktatur aufbauen
zu können.
41
Die Fraktion vergleicht die Aktionsformen des zivilen Ungehorsams mit den
Aktionsformen, die damals zur Machtübernahme Hitlers führten. Um einer
Schwächung der Demokratie zu entkommen, müsse man den Anfängen wehren und
zivilen Ungehorsam bekämpfen.
Auch Prof. Eschenburg erklärte, dass ziviler Ungehorsam eine ,,undemokratische
Eigenschaft" sei.
42
Der damalige Bundesinnenminister Zimmermann definierte zivilen
Ungehorsam als Gewalt.
Jürgen Habermas ist dagegen der Meinung, dass man:
,,den juristischen Begriff der Gewalt über Tatbestände der Gewalttätigkeit
hinaus auf unkonventionelle Formen der politischen Willensbildung
auszudehnen (versuche, d.A.)."
43
40
http://www.ziviler-ungehorsam.de/ eingesehen am 28.06.2001
41
Ebert, Theodor: Ziviler Ungehorsam in parlamentarischen Demokratien, Referat zum
Colloquium 1987 ,,Widerstand im Rechtsstaat" der Schweizerischen Akademie der
Geisteswissenschaften vom 12.-17. Oktober 1987 in Sigriswall, in: Gewaltfreie Aktion, Heft,
73/74. 3. und 4. Quartal, 1987, S. 3ff
42
Leinen, Jo: Ziviler Ungehorsam als fortgeschrittene Form der Demonstration, in: Glotz, Peter
(Hrsg.): Ziviler Ungehorsam im Rechtsstaat, Frankfurt a.M., 1983, S. 23f

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
20
In der Tat sind Aktionen des zivilen Ungehorsams dazu da, um in den Meinungs-
bildungsprozess einzugreifen und damit, genau wie bei Demonstrationen, die
politische Willensbildung zu beeinflussen. Jo Leinen ist deshalb der Meinung, dass
ziviler Ungehorsam eine fortgeschrittene Form der Demonstration sei und er zitiert
Prof. Küschendorf, der darüber hinaus der Meinung ist, dass ziviler Ungehorsam
,,aktiver Verfassungsschutz" sei.
44
Was ist also dran an der Behauptung, dass Aktivistinnen des zivilen Ungehorsams
diesen dazu gebrauchen würden, die demokratische Ordnung in Deutschland
auszuhebeln?
Theodor Ebert führt in seinem Artikel ,,Ziviler Ungehorsam in parlamentarischen
Demokratien" aus, dass die Befürworter des zivilen Ungehorsams auch Befürworter
des parlamentarischen Systems seien und er nach dem Studium von deutscher und
ausländischer Literatur nicht erkennen konnte, dass die Absicht, das parlamentarische
System funktionsuntüchtig zu machen, bestünde.
45
Zivilen Ungehorsam kann man
viel mehr als Forderung von mehr Beteiligungsmöglichkeiten an politischen Entschei-
dungsprozessen sehen.
Oft haben die Betroffenen von ungerechten Entscheidungen kaum Einflussmöglich-
keiten über Parteien, Parlamente oder Gewerkschaften.
,,Auch aus diesen Gründen ist der plebiszitäre Druck des zivilen Ungehorsams
oft die letzte Möglichkeit, Irrtümer im Prozess der Rechtsverwirklichung zu
korrigieren oder Neuerungen in Gang zu setzen."
46
43
Habermas, Jürgen: Ziviler Ungehorsam ­ Testfall für den demokratischen Rechtsstaat. Wider
den autoritären Legalismus in der Bundesrepublik, in: Glotz, Peter (Hrsg.): Ziviler Ungehorsam
im Rechtsstaat, Frankfurt a.M., 1983, S. 29
44
vgl. Leinen, S. 24
45
Ebert, S. 5
46
Habermas, S. 40. Wie viele Beispiele belegen können, führte ziviler Ungehorsam zu neuen
und dauerhaften Gesetzen, die wir heute als selbstverständlich ansehen. So ist zum Beispiel
das Recht auf Berichterstattung über parlamentarische Debatten auch mit zivilem Ungehorsam
erkämpft worden. Vgl. Ebert, S. 9

Grundrechte als Fundament unserer politischen Ordnung
21
Deshalb kann ziviler Ungehorsam das bestehende Defizit der plebiszitären
Komponente in der deutschen Verfassung kompensieren und kann gerade deshalb
nicht als undemokratisches Mittel angesehen werden.
Aktivistinnen des zivilen Ungehorsams geben sich nicht nur mit institutionellen
Revisionsmöglichkeiten für politische Entscheidungen zufrieden, sondern sie wollen
durch ihre Aktivität bestimmte Regierungsentscheidungen blockieren, die zwar evtl.
von der Mehrheit getragen werden, aber gegen die moralischen Prinzipien einer
Minderheit verstoßen. Dann kann es vorkommen, dass die Verhinderung dieser
Entscheidungen so dringend sein kann,
47
dass
,,einzelne und Gruppen nicht einfach abwarten können, bis sie die Mehrheit für
eine Gesetzesänderung gewonnen haben. Die persönliche Betroffenheit oder
auch die Befürchtung, daß die Hinnahme der Mehrheitsentscheidung fatale,
weitreichende und nicht wiedergutzumachende Folgen haben könnte, zwingt
zum sofortigen Handeln."
48
Also zu direkten gewaltfreien Aktionen.
Da ziviler Ungehorsam nur bestimmte Entscheidungen blockieren will oder, wie vomn
M.L. King und M. Gandhi geltende Verfassungsprinzipien eingeklagt wurden
49
,
werden andere Bereiche der Regierung gar nicht oder nur kaum betroffen. Der Staat
kann also, so Habermas,
,,um so eher darauf verzichten, sein Sanktionspotential auszuschöpfen, weil
durch zivilen Ungehorsam die Existenz und der Sinn der Rechtsordnung
insgesamt nicht in Frage gestellt werden."
50
Er ist der Meinung, dass eine Demokratie, die sich sicher ist, zivilen Ungehorsam als
normalen und notwendigen Bestandteil der politischen Kultur ansieht.
51
Für ihn ist es
ein Zeichen der Reife, wenn Bürgerinnen zwischen legalen und legitimen politischen
47
z.B. die Abschiebung von Flüchtlingen
48
Ebert, S. 7
49
Habermas, S. 44
50
Habermas, S. 42
51
Habermas, S. 32

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832463229
ISBN (Paperback)
9783838663227
DOI
10.3239/9783832463229
Dateigröße
787 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Katholische Hochschule NRW; ehem. Katholische Fachhochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Aachen – unbekannnt
Erscheinungsdatum
2003 (Januar)
Note
1,3
Schlagworte
grundrechte gewaltfreiheit ziviler ungehorsam training aktion bildung
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