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Erstellung eines Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung anhand von Grundanforderungen für Unternehmen

Nachhaltigkeit von Unternehmen - Wunsch oder Wirklichkeit?

©1931 Diplomarbeit 138 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Am Beginn eines neuen Jahrtausends wird viel über die Zukunft der Welt, der Menschheit und der menschlichen Gesellschaften gesprochen, diskutiert und spekuliert. Die Probleme sind nicht gelöst worden. Sicherlich gibt es durch wissenschaftliche Entwicklungen vielfältige Fortschritte, beispielsweise bei der Bekämpfung von Krankheiten, doch sind auf der anderen Seite viele Probleme neu hinzugekommen und andere Probleme haben sich verschärft.
Viele Menschen werden immer ärmer - 1,2 Milliarden Menschen leben von weniger als einem US-Dollar/Tag, die Zerstörung der Umwelt schreitet immer schneller, immer weiter fort, es gibt immer noch zu viele Analphabeten und eine immer grösser werdende Kluft zwischen dem Norden und dem Süden. Überflutungen und Stürme häufen und verstärken sich. Neue Formen von Seuchen und Krankheitserregern machen auch vor westlichen Industrienationen nicht Halt, Umweltzerstörungen nehmen täglich zu. In den reichen Ländern der Erde leben ca. 20 % der Weltbevölkerung; diese verbrauchen ca. 80 % der Energie und der Ressourcen und sind ebenfalls für 80 % der weltweit emittierten Schadstoffe – z.B. der CO2-Emissionen – und produzierten Abfälle verantwortlich. Diese Entwicklung ist von keinem Staat alleine zu stoppen – daher haben sich 1992 zum ersten Mal in der Geschichte auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro über 170 Staats- und Regierungschefs gemeinsam auf ein neues Leitbild für die weltweite Entwicklung verständigt: Mit der Agenda 21 wollten sie ein Aktionsprogramm in Gang setzen, das den Weg einer nachhaltigen Entwicklung vorgibt und seither auf allen Ebenen intensiv diskutiert wurde. Dabei wird der Privatwirtschaft im Kapitel 30 eine besondere Rolle zugemessen: „Die Privatwirtschaft einschliesslich transnationaler Unternehmen spielt eine zentrale Rolle in der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes (...) Sowohl grosse als auch mittlere und kleine Wirtschaftsunternehmen im formellen ebenso wie im informellen Sektor schaffen wichtige Handels-, Beschäftigungs- und auch Existenzsicherungsmöglichkeiten.“ Dabei sollen „die Privatwirtschaft einschliesslich transnationaler Unternehmen und die sie vertretenden Verbände (...) gleichberechtigte Partner bei der Umsetzung und Bewertung von Massnahmen im Zusammenhang mit der Agenda 21 sein.“ Das ist durchaus sinnvoll, denn gerade im Zeitalter der Globalisierung kommt den Unternehmen eine besondere […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Ein Mann mit Namen Choni ging einmal über Land und sah einen Mann, wie er einen Johannisbrotbaum pflanzte. Er fragte ihn, wann das Bäumchen wohl Früchte tragen werde. "In siebzig Jahren" war die Antwort. Da sprach Choni: "Du Tor! Denkst du, in siebzig Jahren noch zu leben und die Früchte deiner Arbeit zu geniessen? Pflanze lieber einen Baum, der früher Früchte trägt, dass du dich noch daran freuest." Der Mann antwortete: "Als ich zur Welt kam, ass ich von Johannisbrotbäumchen, ohne dass ich sie gepflanzt hätte, denn das hatten meine Väter getan. Habe ich nun genossen, wo ich nicht gearbeitet habe, so will ich einen Baum pflanzen für meine Kinder oder Enkel, dass sie davon geniessen. Wir Menschen mögen nur bestehen, wenn eine Generation der anderen die Hand reicht.“

Jüdische Erzählung

I. Einleitung

Am Beginn eines neuen Jahrtausends wird viel über die Zukunft der Welt, der Menschheit und der menschlichen Gesellschaften gesprochen, diskutiert und spekuliert. Die Probleme sind nicht gelöst worden. Sicherlich gibt es durch wissenschaftliche Entwicklungen vielfältige Fortschritte, beispielsweise bei der Bekämpfung von Krankheiten, doch sind auf der anderen Seite viele Probleme neu hinzugekommen und andere Probleme haben sich verschärft. Viele Menschen werden immer ärmer - 1,2 Milliarden Menschen leben von weniger als einem US-Dollar/Tag[1], die Zerstörung der Umwelt schreitet immer schneller, immer weiter fort[2], es gibt immer noch zu viele Analphabeten[3] und eine immer grösser werdende Kluft zwischen dem Norden und dem Süden. Überflutungen und Stürme häufen und verstärken sich. Neue Formen von Seuchen und Krankheitserregern machen auch vor westlichen Industrienationen nicht Halt, Umweltzerstörungen nehmen täglich zu. In den reichen Ländern der Erde leben ca. 20 % der Weltbevölkerung; diese verbrauchen ca. 80 % der Energie und der Ressourcen und sind ebenfalls für 80 % der weltweit emittierten Schadstoffe – z.B. der CO2-Emissionen – und produzierten Abfälle verantwortlich.[4] Diese Entwicklung ist von keinem Staat alleine zu stoppen – daher haben sich 1992 zum ersten Mal in der Geschichte auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro über 170 Staats- und Regierungschefs gemeinsam auf ein neues Leitbild für die weltweite Entwicklung verständigt: Mit der Agenda 21 wollten sie ein Aktionsprogramm in Gang setzen, das den Weg einer nachhaltigen Entwicklung vorgibt und seither auf allen Ebenen intensiv diskutiert wurde. Dabei wird der Privatwirtschaft im Kapitel 30 eine besondere Rolle zugemessen: „ Die Privatwirtschaft einschliesslich transnationaler Unternehmen spielt eine zentrale Rolle in der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes (...) Sowohl grosse als auch mittlere und kleine Wirtschaftsunternehmen im formellen ebenso wie im informellen Sektor schaffen wichtige Handels-, Beschäftigungs- und auch Existenzsicherungsmöglichkeiten.[5] Dabei sollen „ die Privatwirtschaft einschliesslich transnationaler Unternehmen und die sie vertretenden Verbände (...) gleichberechtigte Partner bei der Umsetzung und Bewertung von Massnahmen im Zusammenhang mit der Agenda 21 sein.[6] Das ist durchaus sinnvoll, denn gerade im Zeitalter der Globalisierung kommt den Unternehmen eine besondere gesellschaftliche Verantwortung zu: Das Vertrauen in die Politik lässt nach, das Vertrauen in Wirtschaft und Wissenschaft wächst. Überspitzt gesagt: „ Die Wirtschaft wird den Reichtum sichern oder den selbigen bringen und die Wissenschaft wird für alle Probleme früher oder später eine Lösung finden “. Skepsis und Mahnungen mobilisieren keine Massen mehr. Soziale Bewegungen haben deutlich an Schlagkraft verloren. Damit rücken neue Akteure in den Mittelpunkt gesellschaftlichen Handelns und definieren ihre Rolle und Aufgaben neu.

1. Anlass und Fragestellung der Arbeit

Diese Sonderstellung der Privatwirtschaft muss die Frage nach sich ziehen, welche Rolle Unternehmen bei der nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaft spielen sollen und können und wie sie den Gedanken der nachhaltigen Entwicklung in die Praxis umsetzen können. Inzwischen versuchen viele kleinere und grössere Unternehmen sich über die Vor- und Nachteile, Nutzen und Risiken einer nachhaltigen Entwicklung klar zu werden. Doch viele Fragen bezüglich des Nutzens, der konkreten Umsetzungsmöglichkeit und der Folgen für die Struktur des Unternehmens sind häufig noch offen. Hiermit soll sich diese Arbeit beschäftigen. Dabei soll vor allem die konkrete Umsetzung des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung von Unternehmen diskutiert werden und welche Rolle ein Nachhaltigkeitsbericht dabei spielen kann. Neben der Diskussion eines Nachhaltigkeitsleitbildprozesses, steht die Frage nach dem Nutzen der Umsetzung nachhaltiger Entwicklung für Unternehmen im Vordergrund.

2. Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in sechs Teile:

Im ersten wird der Gegenstand der Arbeit und der Stand der Forschung dargestellt.

Im zweiten Teil werden die für die Arbeit notwendigen Fachbegriffe definiert, die bisherige Entwicklung von nachhaltigem Wirtschaften bei Unternehmen und einige bisher entstandene Unternehmensinitiativen näher dargestellt. Dabei wird besonders auf die Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft und den Nutzen nachhaltiger Entwicklung für Unternehmen eingegangen. Unter anderem soll auch die Frage beantwortet werden, warum die Entwicklung eines Nachhaltigkeitsleitbilds für Unternehmen sinnvoll ist.

Im dritten Teil folgt die Diskussion eines Leitbildprozesses, der im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung neu definiert werden muss. Dabei werden Grundanforderungen für Unternehmen entwickelt, die sie zur nachhaltigen Entwicklung als Messlatten nutzen können. Dabei stütze ich mich vor allem auf die Studie „Integrative Konzepte nachhaltiger Entwicklung“, die Teil einer Vorstudie für ein – auf drei Jahre projektiertes – Verbundvorhaben der „Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren“ (HGF) war.

Im vierten Teil wird ein Nachhaltigkeitsbericht auf die Frage hin untersucht, ob die im dritten Teil entwickelten Grundanforderungen für ein konkretes, nachvollziehbares Leitbild der Nachhaltigkeit dort zu finden sind. Auch soll der Frage nachgegangen werden, ob ein Nachhaltigkeitsbericht ein geeignetes PR-Instrument ist bzw. welche Rolle ein Nachhaltigkeitsbericht bei der nachhaltigen Entwicklung eines Unternehmens spielen kann und sollte

Im fünften Teil wird der von der Autorin erarbeitete Leitbildprozess und die Einbindung und Rolle des Nachhaltigkeitsberichts auf dem Weg zur nachhaltigen Entwicklung noch einmal grafisch zusammenfassend dargestellt.

Im sechsten und letzten Teil folgt ein Fazit und Ausblick in die Zukunft der nachhaltigen Entwicklung von Unternehmen.

3. Thesen

Aus den Zielen, die mit dieser Arbeit verfolgt werden, ergeben sich folgende Thesen, die im Laufe der Arbeit beantwortet werden sollen:

- Unternehmen müssen nachhaltige Entwicklung anspruchsgruppengemäss kommunizieren
- Die breite Diskussion (Stakeholder, Lieferanten etc.) wird von Unternehmen nicht gesucht
- Nachhaltige Entwicklung von Unternehmen ist für den Fortschritt der globalen Gesellschaft notwendig (Wirtschaft, Unternehmen, Politik)

Folgende Thesen sollen vor allem im vierten Teil, bei der genaueren Betrachtung von dem Nachhaltigkeitsbericht des Axel Springer Verlags, beantwortet werden:

- Nachhaltige Entwicklung wird noch nicht integrativ betrachtet, d.h. die Berichterstattung ist „ökologielastig“
- Partizipationsmöglichkeiten für die Mitarbeiter fehlen meist noch
- Stakeholder werden in den Prozess der nachhaltigen Entwicklung nur partiell mit einbezogen
- Nachhaltigkeit wird von diesem Unternehmen noch als Zustand und nicht als Prozess gesehen
- Defizite bzw. Felder, in denen sich das Unternehmen weiter entwickeln und verbessern möchte, werden kaum angesprochen

II. Nachhaltiges Wirtschaften von Unternehmen

Vor dem Hintergrund der fortschreitenden wirtschaftlichen Globalisierung werden Grossunternehmen und Konzerne immer einflussreicher. Parallel zur wachsenden Bedeutung der Unternehmen sinken sowohl die Kompetenz und der Einflussbereich der Nationalstaaten, als auch die internationale Regelungsdichte.[7] Das Volumen des grenzüberschreitenden Handels mit Waren und Dienstleistungen wächst schneller, als die Bruttoinlandsprodukte.[8] Während es früher ausreichte, dass ein Unternehmen Gesetze einhielt, Steuern zahlte und unter Einhaltung dieser Restriktionen seine Eigeninteressen verfolgte, passt man sich nun im Zuge der Globalisierung an angloamerikanische Modelle (und Werte) an. Unternehmen haben dadurch zwar einen grösseren Spielraum für ihre ökonomischen Aktivitäten, aber auch ein grösseres Potential, „unerwünschte Leistungen“ zu produzieren. Der Lebensstandard und die Lebensqualität der Menschen in zahlreichen Staaten hängen damit mehr und mehr von den Leistungen der Unternehmen, als von staatlichen Einflüssen ab.[9] Spätestens die Konferenz in Rio de Janeiro im Jahr 1992 markierte den Beginn der ausführlichen Diskussion um nachhaltige Entwicklung auch in grossen Teilen der Wirtschaft.

Jedoch haben sich bis heute weniger als die Hälfte der Unternehmen in Deutschland mit der Thematik auf Geschäftsführungsebene auseinandergesetzt. Gänzlich unbekannt war der Begriff „Nachhaltigkeit“ sogar etwa einem Viertel der vom IÖW und dem Münchner ifo-Institut im Jahr 1999 befragten 2722 Unternehmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Nachhaltigkeit im verarbeitenden Gewerbe 1999 [10]

Die Debatte um Nachhaltigkeit von Unternehmen leidet unter der Komplexität und der teilweisen Widersprüchlichkeit und Undifferenziertheit der Anforderungen, die an Unternehmen gestellt werden. Bislang setzen sich daher vor allem eher grosse Unternehmen mit grösseren finanziellen und personellen Ressourcen mit Nachhaltigkeit auseinander. Erste Vorreiter haben bereits als Zeichen ihrer Entwicklung ihren Umweltbericht in einen Nachhaltigkeitsbericht umgewandelt und somit die ökologische Dimension ihrer Berichterstattung um die ökonomische und soziale Dimension ihres Wirtschaftens erweitert.

1. Erläuterungen

Bevor die nähere Betrachtung von Unternehmensbemühungen um eine nachhaltige Entwicklung fortgeführt wird, sollen erst einmal die Begriffe Nachhaltigkeit, Sustainable Development, nachhaltiges Wirtschaften, Leitbild und die Agenda 21 mit Blickpunkt auf die Rolle der Privatwirtschaft genau definiert werden, damit diese Grundlage für den weiteren Verlauf der Arbeit gegeben ist.

1.1. Begriffsklärung nachhaltige Entwicklung (Englisch: sustainable development)

Schon bei der wörtlichen Übersetzung des Begriffes „sustainable development“ lassen sich viele unterschiedliche Möglichkeiten finden, so z.B. „dauerhafte“, „langfristig durchhaltbare“, „natürliche“, „aufrechterhaltbare“, „naturverträgliche“, „naturerhaltende“, „zukunftssichere“, „ökologisch tragfähige“, „zukunftsfähige“, „nachhaltig zukunftsverträgliche“, „dauernd erhaltbare“, „dauerhaft-umweltgerechte“, „zukünftig existenzfähige“ oder – vorwiegend – als nachhaltige Entwicklung angegeben.[11] Angesichts dieser vielfältigen Vorschläge erstaunt es nicht, dass in der internationalen Literatur über 70 verschiedene Definitionen von „Sustainable Development“ zu finden sind. Vereinfacht kann hierunter eine Entwicklung verstanden werden, bei der gleichermassen und zusammenhängend soziale, ökologische und ökonomische Interessen und Gesichtspunkte beachtet werden. Bekannt und entscheidend geprägt wurde der Begriff der Nachhaltigkeit durch die Veröffentlichung des Brundtland-Berichts „Unsere gemeinsame Zukunft“ im Jahr 1987.[12] Auch der Agenda 21 liegt diese Definition einer dauerhaften Entwicklung zu Grunde. Danach sollen die Ressourcen der Erde nur insoweit genutzt werden, um die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generationen zu befriedigen, so dass die Möglichkeiten der zukünftigen Generationen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, nicht beeinträchtigt werden.[13] Diese Definition ist sehr populär – allerdings auch umstritten, denn sie ist auf die Bedürfnisse der Menschen zentriert und misst der Natur keinen Eigenwert zu. Der Natur erwächst demnach alleine aus ihrer Existenz heraus kein Recht auf Weiterbestehen; dieses erlangt sie nur, wenn sie dem Menschen nutzt.[14]

Allerdings werden die drei Säulen der Nachhaltigkeit von unterschiedlichen Akteuren verschieden gewichtet. So definiert der Bund deutscher Industrie (BDI) die notwendige Politik der Nachhaltigkeit folgendermassen: „ Nicht das abstrakte Ziel, wirtschaftliche, ökologische und soziale Ziele miteinander in Einklang zu bringen, ist die Voraussetzung für eine nachhaltige Umweltpolitik, sondern die konkrete problembezogene Rückkopplung jedes konkreten ökologischen Zieles mit der ökonomischen und sozialen Dimension der Nachhaltigkeit.[15]

Die Enquete Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des 13. Deutschen Bundestages betont zwar die Gleichrangigkeit der drei Dimensionen, merkt aber auch an, „ Marktwirtschaft ist nicht Selbstzweck. Sie muss im Dienste der Bedürfnisse des Menschen stehen.“[16]

Das Umweltbundesamt stellt das Wirtschaften und die Wohlfahrt unter den Vorbehalt der ökologischen Grenzen: „ Nur in dem Masse, in dem die Natur als Lebensgrundlage nicht gefährdet wird, ist Entwicklung und damit auch Wohlfahrt möglich. Damit soll ein ökologischer Rahmen für die Wirtschaft aufgezeichnet werden.“[17]

Wichtig bei der Vielzahl der Definitionen und Schwerpunktsetzungen ist jedoch vor allem, dass nachhaltige Entwicklung als „ zukunftsbezogener gesellschaftlicher Lern-, Such- und Gestaltungsprozess verstanden [wird], der sich notwendigerweise durch Offenheit und Unsicherheit auszeichnet. Eine nachhaltige Entwicklung wird demnach nicht im Sinne eines Schöpfungsaktes geschaffen, sondern im Rahmen eines gesellschaftlichen Lernprozesses im `Zusammenspiel von Kreativität, Erfahrung und Gewohnheit` verfolgt.“[18] Nachhaltige Entwicklung ist also nicht als absoluter Zustand zu sehen, sondern als dynamischer Prozess, „ dessen Ziele, Strategien und Massnahmen ständig an den Ergebnissen praktischer Umsetzungen und Erkenntnisse zu überprüfen und zu modifizieren sind.[19] Es geht nicht darum, mittels vorgegebener nachhaltiger Produktions- und Konsummuster, dem Menschen vorzuschreiben, wie er in Zukunft leben soll, sondern welche Rahmenbedingungen er im Bezug auf die Zukunft beachten sollte. Damit fokussiert Nachhaltigkeit die Zukunft von Gesellschaft und Natur, spricht also eine angemessene Berücksichtigung bisher vernachlässigter langfristiger Interessenlagen an. Bei der nachhaltigen Entwicklung geht es also darum, „ die Nutzung der Umwelt in einen langfristigen Bezug zu den gesellschaftlichen Aktivitäten, insbesondere zur Befriedigung von Grundbedürfnissen, zu setzen.“[20]

1.2. Begriffsklärung nachhaltiges Wirtschaften

Nachhaltige Entwicklung erfordert in erster Linie eine Veränderung unseres Wirtschaftens. In der Charta von Aalborg wurden 1994 fünf Managementregeln zukunftsbeständigen Wirtschaftens festgelegt:

1. Die Nutzung erneuerbarer Naturgüter darf auf Dauer nicht grösser sein, als ihre Neubildungsrate (Regenerationsrate). Andernfalls steht diese Ressource zukünftigen Generationen nicht (ausreichend) zur Verfügung.
2. Nicht-erneuerbare Naturgüter dürfen nicht schneller verbraucht werden, als sie durch dauerhafte, erneuerbare Ressourcen ersetzt werden können. Andernfalls gingen nicht nur die Ressourcen selbst, sondern auch deren Funktionen zukünftigen Generationen verloren.
3. Das Zeitmass anthropogener Eingriffe in die Umwelt muss in einem ausgewogenen Verhältnis zu der Zeit stehen, die die Umwelt zur selbst stabilisierenden Reaktion benötigt. Die Freisetzung von Stoffen und Energie darf auf Dauer nicht grösser sein, als die Anpassungsfähigkeit der natürlichen Umwelt, also die Fähigkeit von Luft, Wasser und Boden, diese Schadstoffe zu binden und abzubauen. Andernfalls werden Naturgüter und/oder die menschliche Gesundheit geschädigt.
4. Ein Siedlungsraum (Stadt, Land) soll seine Probleme grundsätzlich nicht in die weitere Umgebung oder in die Zukunft „exportieren“. Alle Probleme und Ungleichgewichte sollen zunächst vor Ort ausgeglichen werden und erst, wenn dies nicht möglich ist, auf nächst höherer Ebene aufgefangen bzw. ausgeglichen werden. So widerspricht z.B. das Ablagern von Atommüll diesem Prinzip.
5. Gefahren und unvertretbare Risiken für den Menschen und die Umwelt durch anthropogene Einwirkungen sind zu vermeiden.[21]

Die Zukunft der Menschheit wird davon abhängen, ob es gelingt, zu einer Wirtschaftsweise zu kommen, die sich innerhalb der Nutzungsgrenzen des Naturhaushaltes bewegt und dennoch allen Menschen ein lebenswertes Dasein ermöglicht.

Derzeit lassen sich zur Erreichung dieses Ziels zwei gegensätzliche Richtungen erkennen.

Die eine versucht, nachhaltige Entwicklung durch eine radikale Steigerung der Ökoeffizienz zu erreichen. Ergänzend sollen soziale Anforderungen, basierend auf den christlichen Werten des Abendlandes, hinzukommen und sog. „triple-win“ Lösungen geschaffen werden.[22] D.h. sowohl Ökologie, Ökonomie und Soziales werden verbessert. Diese „Ökoeffizienz-Nachhaltigkeit“ (man spricht auch von der Effizienzrevolution) bedeutet keine grundlegende Änderung der Wirtschaftsweise und wird daher auch von der Wirtschaft zunehmend aufgegriffen.

Dem gegenüber steht eine „Weniger ist mehr“–Nachhaltigkeit, nach der Stoffströme, Konsum und Arbeitszeit reduziert werden sollen.[23] Folgen wären mehr Freizeit für die Erwerbstätigen und damit ein erfüllteres Leben mit mehr sozialen Kontakten; Konsum als Kompensation für den Arbeitsstress verliert an Bedeutung. Thomas Loew[24] beurteilt diese Richtung auch im Blick auf die sozialen und ökologischen Folgen als sinnvoller. Allerdings ist die wirtschaftliche Machbarkeit und die konkrete Umsetzung ungeklärt. Denn dieser Weg beinhaltet eine bedeutsame Änderung unseres bisherigen Wirtschaftens – Gewinn und Wachstum stehen nicht mehr im Vordergrund, sondern eine suffiziente Wirtschaftsweise (man spricht hier auch von einer Suffizienzrevolution). Dieser Vorschlag wird von Unternehmen und Gesellschaft kaum beachtet.[25]

Die Enquete Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des 13. Bundestages hat folgende Vorschläge für konkrete Rahmenbedingungen des Wirtschaftens der Zukunft gemacht[26]:

1. Das ökonomische System soll individuelle und gesellschaftliche Bedürfnisse effizient befriedigen. Dafür ist die Wirtschaftsordnung so zu gestalten, dass sie die persönliche Initiative fördert (Eigenverantwortung) und das Eigeninteresse in den Dienst des Gemeinwohls stellt (Regelverantwortung), um das Wohlergehen der derzeitigen und künftigen Bevölkerung zu sichern. Es soll so organisiert werden, dass es auch gleichzeitig die übergeordneten Interessen wahrt.
2. Preise müssen dauerhaft die wesentliche Lenkungsfunktion auf Märkten wahrnehmen. Sie sollen dazu weitestgehend die Knappheit der Ressourcen, Senken, Produktionsfaktoren, Güter und Dienstleistungen wiedergeben.
3. Die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs sind so zu gestalten, dass funktionsfähige Märkte entstehen und aufrecht erhalten bleiben, Innovationen angeregt werden, langfristige Orientierung sich lohnt und der gesellschaftliche Wandel, der zur Anpassung an zukünftige Erfordernisse nötig ist, gefördert wird.
4. Die ökonomische Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft und ihr Produktiv-, Sozial-, und Humankapital müssen im Zeitablauf zumindest erhalten bleiben. Sie sollten nicht nur quantitativ vermehrt, sonder vor allem auch qualititativ ständig verbessert werden.[27]

Inweitweit es sinnvoll ist, diese Rahmenrichtlinien für einzelne Wirtschaftszweige konkreter zu definieren und auszugestalten wird im dritten Teil der Arbeit behandelt.

1.3. Die Agenda 21 und die Rolle der Privatwirtschaft

Neben anderen Abschlussdokumenten wurde auch die Agenda 21 auf der Konferenz in Rio beschlossen, mit der man sich gemeinsam zu einer weltweiten Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung verpflichtet.

Zur Bedeutung des Begriffs Agenda 21

Agenda bedeutet, „das, was zu tun ist“, steht also für die in Zukunft zu erledigenden Aufgaben. Die Zahl 21 steht für das 21. Jahrhundert. Agenda 21 bedeutet also: Das, was im 21. Jahrhundert zu tun ist, damit eine nachhaltige Entwicklung erreicht werden kann.

Aufbau und Struktur

Die Agenda 21 umfasst 40 Einzelkapitel mit 7 sektorübergreifenden Themen (z.B. Armutsbekämpfung, Veränderung der Konsumgewohnheiten) und 14 Sektorthemen (z.B. Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft); die übrigen Kapitel befassen sich mit den wichtigsten gesellschaftlichen Gruppen und den Möglichkeiten der Umsetzung der Agenda 21 im nationalen und internationalen Rahmen. Insgesamt werden 115 Einzelmassnahmen für eine nachhaltige Entwicklung vorgeschlagen. Die Agenda 21 soll also als Leitfaden für die konkrete Weiterentwicklung in den Teilnehmerstaaten dienen. Kennzeichnend für die Agenda 21 ist, dass sie auf internationaler Ebene, zwischen Staaten beschlossen wurde, aber gleichzeitig den Auftrag enthält, auf lokaler Ebene durch Kooperation verschiedener Akteure umgesetzt zu werden. Der Auftrag wurde also „top-down“, d.h. von oberster Ebene gestellt, die Umsetzung soll jedoch „bottom up“, d.h. von unten – auf Regional-, und Kommunalebene – erfolgen.

Die Rolle der Privatwirtschaft in der Agenda 21

Wie bereits erwähnt, wird im Kapitel 30 der Agenda 21 die „ zentrale Rolle [der Privatwirtschaft einschliesslich transnationaler Unternehmen für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung eines Landes] “ hervorgehoben. Dazu sollen sie „ gleichberechtige Partner bei der Umsetzung und Bewertung von Massnahmen im Zusammenhang mit der Agenda 21 “ (30.1) sein. Dabei wird betont, dass die Privatwirtschaft[28] durch „ effiziente Produktionstechnologien (...) entscheidenden Einfluss auf die Verminderung der Auswirkungen auf die Ressourcennutzung und die Umwelt nehmen “ kann (30.2). Die Privatwirtschaft wird aufgerufen, „ die Rolle des Umweltmanagements als eine der höchsten unternehmerischen Prioritäten und als Schlüsseldeterminante für eine nachhaltige Entwicklung “ (30.3) anzuerkennen. Das Verhalten aufgeklärter Unternehmensmanager, die sich sowohl durch verantwortungsvolle Produkthandhabung als auch durch den offenen Dialog mit den Beschäftigten und der Öffentlichkeit hervortun, wird als nachahmenswertes Beispiel vorbildlicher Unternehmensführung angeführt (30.3.).

Um die Rolle der Privatwirtschaft zu stärken, werden daher zwei Programmbereiche (A und B) vorgeschlagen. Im Bereich A geht es um die umweltverträgliche Produktion. Dabei ist das Ziel, „ die effiziente Nutzung von Ressourcen, einschliesslich einer zunehmenden Wiederverwertung von Rückständen, zu erhöhen und die Abfallmenge pro Produktionseinheit zu vermindern.“ (30.6.)

Im Bereich B wird auf die verantwortungsbewusste Unternehmerschaft eingegangen. Ziele sind die Realisierung eines verantwortungsbewussten unternehmerischen Handelns (30.18a) und die Ausrichtung der Unternehmenspolitik auf eine nachhaltige Entwicklung (30.18b). Hierfür soll die Privatwirtschaft u.a. „ eine auf nachhaltige Entwicklung ausgerichtete weltweite Unternehmenspolitik erarbeiten “ (30.22), „ nationale Räte für nachhaltige Entwicklung gründen und bei der Förderung des Unternehmertums im formellen und informellen Sektor mithelfen “ (30.24), „ die Forschung und Entwicklung von umweltverträglichen Technologien und Umweltmanagementsystemen “ intensivieren (30.25) und „ ein aus Sicht der Gesundheit, der Sicherheit und des Umweltschutzes verantwortungsvolles und ethisch vertretbares Produkt- und Verfahrensmanagement gewährleisten “ (30.26). Um dies zu erreichen, soll die Eigenkontrolle der Privatwirtschaft verstärkt werden und ein offener Dialog mit Beschäftigten und der Öffentlichkeit geführt werden (30.26).

Allerdings muss betont werden, dass die Staaten, die die Agenda 21 beschlossen haben, nicht rechtlich an sie gebunden sind. D.h. natürlich auch, dass gesellschaftliche Akteure, wie z.B. Unternehmen, nicht dazu gezwungen werden dürfen, sich diesem Prozess anschliessen. Wie man ausserdem erkennen kann, weisen die in der Agenda genannten Ziele und Massnahmen nur auf die bestehenden Problemlagen hin, sind dabei aber zu unkonkret, um hieraus Massnahmen zur Umsetzung nachhaltiger Entwicklung in die betriebliche Praxis ableiten zu können. Daher gilt es, aus dem eher abstrakten Leitbild für Unternehmen konkrete Anforderungen abzuleiten und Handlungsfelder und Wege aufzuzeigen. Was in diesem Feld schon unternommen wurde, soll im Punkt II.3. vorgestellt werden und dient dann als Diskussionsgrundlage für Punkt III.

Auch sollte genau untersucht werden, welches Unternehmen sich auf welcher Ebene am sinnvollsten beteiligen kann. So ist es sicherlich für kleinere Unternehmen, die wirtschaftlich eng mit der Region verflochten sind, sinnvoller, an lokalen oder regionalen Projekten der Agenda 21 mitzuwirken. Für global tätige Unternehmen und Branchenkooperationen sind dagegen lokale Prozesse nur im Rahmen der jeweils dort tätigen Zweigstellen bzw. Töchter sinnvoll – wichtiger ist es für diese Unternehmen, einen Nachhaltigkeitsprozess, eine Ökologisierung der Produkte, eine Beschleunigung von Innovationen und gegebenenfalls eine Umgestaltung der Konzernstruktur einzuleiten.

1.4. Leitbild

In diesem Punkt soll nur kurz eine Definition des Begriffes Leitbild aus dem Bereich der Unternehmensstrategie angeführt werden. Eine ausführlichere Leitbilddiskussion gerade im Bezug auf nachhaltige Entwicklung findet dann im Punkt III. statt.

Leitbilder werden auch als „Grundgesetz“ oder „die Zehn Gebote“ einer Organisation bezeichnet.[29] Sie enthalten die langfristigen Ziele einer Organisation und Richtlinien für das Verhalten der Organisation bzw. einzelner Organisationsmitglieder. „ Leitbilder markieren für Organisationen und ihre Mitglieder einen gemeinsamen Orientierungsrahmen, der verbindlich sein sollte. Leitbilder haben allerdings keinen Gesetzescharakter und sind daher nicht einklagbar, aber u.U. sanktionierbar.“[30] Für die Einhaltung der Richtlinien sind vor allem Freiwilligkeit, Überzeugung, Selbstkontrolle und vermehrt auch soziale Kontrolle verantwortlich. Leitbilder bestehen nicht aus Zahlen und Fakten, sondern sie sprechen die Werte und Normen von Mitarbeitern und Externen an. Ziel eines Leitbildes ist es, das Selbstverständnis einer Organisation herauszuarbeiten.

2. Unternehmen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft

Nachhaltige Entwicklung ist das Leitbild der Zukunft – nicht nur für Staaten, manifestiert durch die Rio-Konferenz, sondern auch für Unternehmen. So sehen nach einer Befragung der Unternehmensberatung Arthur D. Little 95 Prozent von 481 internationalen Führungskräften nachhaltiges Wirtschaften als wichtiges strategisches Ziel an.[31] Diese „Einsicht“ hat sich jedoch über Jahre hinweg entwickelt und wurde bisher nur in wenigen Fällen unter Gleichberechtigung der 3 Säulen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – umgesetzt. In einer Umfrage des Forschungszentrums Jülich im Jahr 1999, bei der 16 Unternehmen (darunter z.B. Volkswagen, Bayer, Shell, Allianz) nach ihrer Definition von nachhaltiger Entwicklung gefragt wurden, liess sich feststellen, dass nachhaltige Entwicklung von vielen Unternehmen als eine bestimmte Sichtweise des Umweltschutzes interpretiert wird bzw. Nachhaltigkeit als Ersatzwort für „Umweltschutz“ behandelt wird, d.h. die Zentrierung liegt stark auf dem ökologischen Bereich; soziale und ökonomische Aspekte werden weitestgehend nicht beachtet. Diese Zentrierung scheint jedoch nachvollziehbar, wenn man die bisherige Entwicklung der gesellschaftlichen Hauptaktivitäten von Unternehmen betrachtet. Hoffman hat das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen in vier Hauptphasen eingeteilt.[32] In der ersten Phase (1960-1970) gab es den industriellen Umweltschutz. Umweltengagement war in erster Linie eine Nebenfunktion anderer Aufgaben des Unternehmens. In der darauffolgenden Zeit ab den 70er Jahren entstanden die ersten umweltrechtlichen Vorschriften.[33] Somit bestand die Hauptaufgabe für das Umweltmanagement nun in der Erfüllung gesetzlicher Auflagen. Mitte bis Ende der achtziger Jahre nahm der Druck auf die Unternehmen durch eine breite öffentliche Diskussion zu, so dass sie als Folge versuchten, verstärkt gesellschaftliches Engagement zu zeigen, durch eine aktivere Umweltpolitik und mehr Kooperation mit dem Staat.[34] Das Umweltmanagement wurde effektiver durch die Anpassung von Führungsstrukturen und die Verteilung von Verantwortung auf verschiedene Bereiche im Unternehmen. In der letzten, aktuellsten Phase (1988-1995) haben sich „ durch die Zunahme und gesteigerte Bedeutung ökologieorientierter Ansprüche vieler gesellschaftlicher Gruppen die Erfolgskriterien des Managementverhaltens inhaltlich geändert.[35] Der Stellenwert des Umweltmanagements ist im Unternehmen ständig gewachsen, man beschäftigt sich mit der Frage der „Ökologisierung der Wirtschaft“ als Gegenstand einer langfristigen strategischen Ausrichtung auf sich ändernde Kundenwünsche.[36] Das sog. „Anspruchsgruppenkonzept“ von Freeman integriert daher neben marktbezogenen auch gesellschaftsbezogene Strategien, was im folgenden näher vorgestellt werden soll.

2.1. Das Anspruchsgruppenkonzept

Angesichts der in den vergangenen Jahrzehnten rapide gestiegenen Neben- und Folgewirkungen industrieller Tätigkeit und der Erhöhung der Risikosensibilität und des Umwelt- und Gesundheitsbewusstseins in der Bevölkerung, konstatierte Dyllick Ende der 80er Jahre eine zunehmende „öffentliche Exponiertheit“ von Unternehmen.[37] Unternehmen berühren durch ihre Tätigkeit zunehmend öffentliche Interessen, aber werden auch durch Handlungen, die im Namen öffentlicher Interessen ausgeübt werden, selbst betroffen (z.B. die Diskussion um Gesundheitsbelastungen durch Asbestzement). Die hieraus entstehenden Konflikte können nicht mehr vor den Toren der Unternehmen gelöst werden, sondern müssen im Unternehmen und auf Managementebene diskutiert werden. „ Konnte die Konfliktregelung aber traditionell den Aufsichtsbehörden allein überlassen bleiben, die hierzu die politisch legitimierte Instanz darstellen, so erweist sich dies angesichts von Zeichen ihrer Überforderung und beschränkten Handlungsfähigkeit als nur begrenzt ausreichende Lösung.“[38] Der Grad öffentlicher Exponiertheit hängt von der Art der Produkte, der Grösse und Strategie des Unternehmens ab, sowie von der öffentlichen Meinung und der gesellschaftlichen Sensibilität.[39]

Um genau diese verschiedenen internen und externen Anforderungen, die auf ein Unternehmen einwirken, besser erfassen zu können, wurde das „Stakeholder- oder Anspruchsgruppenkonzept entwickelt.“[40]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Das Anspruchsgruppenkonzept [41]

Der Begriff „Stakeholder“ (von engl.: „to be at stake“, „etwas auf dem Spiel stehen“) wurde erstmals vom Stanford Research Institute im Jahr 1963 verwendet, um deutlich zu machen, dass Aktionäre (stockholder bzw. shareholder) nicht die einzige Gruppe ist, die vom Management beachtet werden muss. Freeman definiert Stakeholder als Gruppen oder Individuen, welche die Zielerreichung einer Organisation beeinflussen können oder von dieser betroffen sind[42]. Beim Anspruchsgruppenkonzept werden ausdrücklich auch Interessengruppen berücksichtigt, zu denen weder marktliche oder formal-rechtliche Beziehungen bestehen und die auch konfligierende Ziele verfolgen und damit unterschiedliche Ansprüche stellen können. Somit werden sämtliche Auswirkungen eines Unternehmens als betriebswirtschaftlich relevant herausgestellt. Damit rücken auch externe Effekte, d.h. „ die gegenseitigen Einwirkungen von Wirtschaftssubjekten, die nicht über den Markt erfasst und bewertet werden[43] in das Handlungsfeld von Unternehmen. Als Folge resultiert der Erfolg eines Unternehmens nicht mehr nur alleine aus dem Erfolg am Markt, sondern auch davon, in welchem Masse es gelingt, die unterschiedlichen Interessen der Stakeholder zu erfüllen. Mit dem Anspruchsgruppenkonzept ändert sich auch die Legitimation von Unternehmen: Der klassischen, neoliberalistischen, ökonomischen Theorie lag die Ansicht zugrunde, dass der Unternehmer, wenn er seinen individuellen Nutzen – also nach der rein monetären Sichtweise – seinen Gewinn maximiert, damit gleichzeitig zur Maximierung des gesamtgesellschaftlichen Nutzen beiträgt[44]. „Unter den Prämissen einer solchen Metaphysik des Marktes erscheint [ ...] das bedingungslose Strebe nach Gewinnmaximierung nicht nur legitimes Recht, sondern geradezu als moralische Pflicht des Unternehmers im Interesse des Gemeinwohls.“[45]

Mit der Einsicht, dass gesamtgesellschaftlicher Nutzen nicht mehr nur über rein materielle Werte definiert werden kann, ergibt sich nach dem Anspruchsgruppenkonzept nun eine Legitimation vielmehr daraus, dass auch Ansprüche relevanter Stakeholder Berücksichtigung finden. Ein Unternehmen kann damit neu definiert werden, als „multifunktionale und dementsprechend pluralistisch legitimierte Wertschöpfungseinheit, die sozioökonomische Funktionen für verschiedene Anspruchsgruppen [...] erfüllt.“ [46]

Als Weiterentwicklung des klassischen Neoliberalismus gilt der Ordoliberalismus, bei dem die Wirtschaftsordnung nur eine gesellschaftliche Teilordnung darstellt und der als ausser-ökonomische Rahmensetzung ethisch-politische Vorgaben formuliert (z.B. Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit)[47]. Allerdings muss festgestellt werden, dass das Hauptaugenmerk der Diskussion in den letzten Jahren auf dem „shareholder value“ lag und sich daran erkennen lässt, dass die Möglichkeiten, Ansprüche durchzusetzen, bei den einzelnen shareholdern doch sehr differenziert und kritisch betrachtet werden müssen.

2.2. Anforderungen an Unternehmen von Politik, Markt und Öffentlichkeit

Ist es also so, dass Unternehmen nur noch der Spielball der stake- und shareholder sind? Geht der Einfluss nur in eine Richtung?

Sowohl bei neoliberalen, als auch bei ordoliberalen Konzeptionen bleiben die Lenkungspotentiale von Öffentlichkeit, öffentlicher Meinung und Medien auf marktwirtschaftliche Prozesse völlig ausgeblendet. Daraufhin entwickelte Dyllick Ende der 80er Jahre eine Theorie externer Lenkungssysteme[48], nach deren Weiterentwicklung er heute zwischen den drei externen Lenkungssystemen Markt, Politik und Öffentlichkeit unterscheidet.[49] Unter einem Lenkungssystem versteht man, „ die relevantesten Einflusssphären, denen Unternehmen in ihrem Handeln und ihrer Selbstbehauptungsfähigkeit unterliegen.“[50] Die Theorie externer Lenkungssystem zeigt somit die zentralen Ansatzpunkte für die politische und gesellschaftliche Einflussnahme auf Unternehmen auf. Durch ihre einseitig gerichtete Betonung externer Lenkung versperrt sie allerdings die Einsicht, dass Unternehmen der externen Einflussnahme nicht willenlos unterworfen sind, sondern durch Marketing, politische Lobbyarbeit und Öffentlichkeitsarbeit selber Einfluss auf die Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeiten nehmen können. Dieses Bild der „externen Interaktionssysteme“ scheint vor dem Hintergrund der Globalisierung und der damit einhergehenden Schwächung nationalstaatlicher Steuerungs- und Einflusspotentiale als das realitätsnächste. Die Interaktion zwischen Unternehmen und den strategischen, d.h. „besonders einflussreichen“[51] Anspruchsgruppen ist im folgenden Schaubild dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Interaktionsbeziehungen zwischen Unternehmen und Anspruchsgruppen

auf verschiedenen Einflussebenen [52]

Nachdem beim Anspruchsgruppenkonzept dargelegt wurde, wer Ansprüche an Unternehmen stellt, soll in diesem Konzept der externen Interaktionssysteme nun der Frage nachgegangen werden, wie die Ansprüche der unterschiedlichen Gruppen angebracht werden. Markt, Politik und Öffentlichkeit unterscheiden sich dabei in ihrer Wirkungsweise.

Der Markt wird bei Belz „ als ein Tauschsystem verstanden [...] , das durch den Lenkungsmechanismus des Preises und des Wettbewerbs geregelt wird.“[53] Kunden können durch Nachfrage, Preisverhandlungen, Qualitätsanforderungen, Lieferbedingungen und den Kauf von Alternativprodukten von Wettbewerbern Einfluss auf Unternehmen und deren Angebote nehmen. Dabei wird das kommerzielle Privatinteresse als legitime Handlungsmotivation und das Geld als sein zentrales Handlungsmedium anerkannt.[54] Unternehmen nehmen dabei nicht nur durch ihre Produktpolitik, Preispolitik, Distributionspolitik und Kommunikationspolitik Einfluss[55], sondern beispielsweise auch durch strategische Allianzen, Sicherung von Märkten und Unternehmensnetzwerken. Auch durch politische Lobbyarbeit wirken sie auf das Interaktionsystem Politik ein.

Das Interaktionsfeld Politik lässt sich als staatliches Autoritätssystem auffassen, das demokratisch legitimiert ist und mit hierarchischer Hoheitsgewalt ausgestattet ist. Der Einfluss auf Unternehmen besteht durch gesetzliche Regelungen, Vollzugskontrolle und Rechtsprechung. Legitimiert werden die Handlungen der Politik mit dem Gemeinwohl und dem „öffentlichen Interesse“. Das Handlungsmedium ist der politische Einfluss.[56] Die Wirkungsweise kann als „hoheitlicher Zwang“[57] charakterisiert werden, wobei die Unternehmen Abgaben entrichten und gesetzliche Vorschriften einhalten müssen. Die Praxis zeigt, dass Unternehmen jedoch gerade durch politische Lobbyarbeit in erheblichem Mass Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen. So sind beispielsweise Selbstverpflichtungsabkommen das Ergebnis von direkten Aushandlungsprozessen zwischen Wirtschaft und Staat.[58]

Die Öffentlichkeit kann als Kommunikationsarena verstanden werden, die mehr oder weniger frei zugänglich ist und in der sich soziale Akteure an ein Publikum wenden oder der Beobachtung durch ein solches Publikum ausgesetzt sind.[59] Dabei spielt die massenmedial dominierte gesellschaftspolitische Öffentlichkeit eine zentrale Rolle. Die wichtigsten Lenkungswirkungen auf Unternehmen bestehen durch die Zugänglichkeit und Publizität von unternehmensrelevanten Informationen, die Thematisierung von Unternehmenshandeln unter Gesichtspunkten des Gemeinwohls und durch eine öffentliche Meinung über das Unternehmen. Veränderungs- oder Legitimationsdruck entsteht vor allem dann, wenn das Handeln von Unternehmen nicht den Anforderungen gesellschaftlich einflussreicher Gruppen entspricht, wie beispielsweise bei der Brent-Spar Aktion von Greenpeace gegen Shell, die dann über die Beeinflussung der öffentlichen Meinung Druck aufbauen können.

Nach der Beschreibung der Charakteristika und Lenkungsmöglichkeiten der verschiedenen externen Interaktionssysteme muss noch folgendes beachtet werden: Wie in Abbildung 3 gezeigt werden soll, agieren die verschiedenen Anspruchsgruppen gegenüber Unternehmen im Rahmen verschiedener Interaktionssysteme. Natürlich nutzen einzelne Anspruchsgruppen bevorzugt das eine oder andere System, aber eine generelle Zuordnung von Anspruchsgruppen zu einem bestimmten Interaktionssystem ist nicht möglich. Als Beispiel sei hier noch einmal auf die Arbeit von Greenpeace hingewiesen, die sowohl mit Hilfe der Öffentlichkeit (z.B. durch spektakuläre Aktionen) Druck auf Unternehmen ausübt, aber auch politische Lobbyarbeit (z.B. Einwendungen bei Genehmigungsverfahren, Klagen, Gespräche mit Unternehmen und Politik etc.) betreibt und somit in den Interaktionssystemen Öffentlichkeit und Politik eine Rolle spielt.

Diese genaue Darstellung vom Anspruchsgruppenkonzept und dem externen Interaktionssystem war notwendig, weil im Punkt III. und IV. darauf aufgebaut werden soll. Ausserdem skizzieren diese beiden Theorien sehr klar die veränderte Rolle von Unternehmen und die damit veränderten Anforderungen an Unternehmen in der heutigen Gesellschaft. Dass [...] die Institutionen der Wirtschaft zwar nicht vom Volk gewählt sind, aber dennoch neben dem Prinzip der Rentabilität auch ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden müssen[60] wird immer mehr Unternehmen bewusst und einige versuchen nun, sich auf dem Pfad der nachhaltigen Entwicklung voran zu bewegen.

2.3. Auf dem Weg zum nachhaltigen Unternehmen

In diesem Punkt sollen nun einige Schritte von Unternehmen in Richtung nachhaltige Entwicklung dargestellt werden. Zum einen, um zu zeigen, dass Entwicklungsschritte in Richtung Nachhaltigkeit von Unternehmen nicht etwas völlig Neues sind. Und zum anderen, um die im Folgenden dargestellten freiwilligen Aktionen in den Kontext der Entwicklungsgeschichte einordnen zu können. Allerdings ist dies nur eine Auswahl aus vielen kleineren und grösseren Bemühungen von Unternehmen, auch andere Kriterien, als das rein wirtschaftliche Wachstum, in ihre Unternehmensstrategie mit einzubauen.

Freiwillige Selbstverpflichtungen

Durch die weitgehend kostenfreie Nutzung von Umweltgütern durch wirtschaftliche Aktivitäten entstehen Umweltbelastungen, für deren Beseitigung es auf der einen Seite einen Regelungsbedarf gibt – auf der anderen Seite (den Unternehmen) lassen sich jedoch allgemeine Bestrebungen nach Deregulierung feststellen.[61] In diesem Zusammenhang werden freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie diskutiert, bei denen „ der/die VerursacherIn einer schädigenden Umweltauswirkung dazu bereit ist, in Eigenverantwortung die Umweltauswirkungen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zu reduzieren.[62] Es gibt unterschiedliche Formen von Selbstverpflichtungen, die sich v.a. in ihrer Struktur, der Rechtsform und ihrem Gegenstand unterscheiden. Allgemein lässt sich sagen, dass selten verbindliche Verträge gemacht werden, genauso wenig wie formelle Abkommen. Eine Ausnahme bildet z.B. der Umweltpakt Bayern, bei dem formell geregelt ist, dass Unternehmen, die sich am Ökoaudit beteiligen, durch die Umweltaufsichtsbehörde weniger streng kontrolliert werden.

Die Vorteile für Unternehmen bestehen darin, dass die Mitglieder einer Branche entscheiden können, auf welche Weise und in welcher Aufteilung auf die einzelnen Unternehmen sie die vereinbarten Ziele erreichen wollen. Wenn also z.B. vom Branchenverband den bestehenden Unternehmen eine bestimmte Gesamtmenge an zu vermeidenden Emissionen zugewiesen wird, können Unternehmen über die ihnen zugewiesene Menge hinaus zusätzlich noch Emissionen reduzieren, damit ältere Unternehmen, die höhere Kosten durch Emissionsreduktion hätten, weniger einsparen müssen und den „Sparunternehmen“ lieber Übernahmegebühren zahlen. Das vereinbarte Ziel kann somit kostenminimal erreicht werden, die Unternehmen können zeitlich und sachlich flexibel reagieren.[63]

Der Vorteil für den Staat ist, dass er Zugriff auf Informationen bekommt, die nur in der Wirtschaft vorhanden sind und das Problemlösungspotential der wirtschaftlichen Akteure genutzt werden kann.[64]

Bezogen auf das Kriterium der nachhaltigen Entwicklung lässt sich jedoch feststellen, dass freiwillige Selbstverpflichtungen so, wie sie z.Zt. gehandhabt werden, nicht geeignet sind, um diesen Anforderungen zu genügen.

Die Nachteile liegen auf der Hand: Die Verhandlungen werden „nur“ zwischen Staat und Unternehmen (meisten sogar nur Unternehmensverbänden) geführt, so dass viele gesellschaftlichen Akteure aussen vor bleiben und die Kompromisse zu deren Lasten gehen können.[65] Da die Selbstverpflichtungen eben hauptsächlich von Unternehmensverbänden ausgesprochen werden, fühlen sich viele einzelne Mitgliedsunternehmen dieser Verbände nicht verpflichtet. Generell lässt sich feststellen, dass bei freiwilligen Selbstverpflichtungen „ immer eine Abmilderung der Regelungsschärfe zu beobachten ist[66], die natürlich auf Kosten von Umwelt und Gesellschaft geht. Auch gibt es keine Sanktionsmechanismen, falls die Unternehmen ihre Verpflichtungen nicht einhalten.[67] Um freiwillige Selbstverpflichtungen auch im Rahmen nachhaltiger Entwicklung anwenden zu können, müssten klar quantifizierbare Ziele vorgegeben werden, die Verhandlungen müssten transparenter und öffentlicher geführt werden, Ziele und Massnahmen müssen klar definiert werden und bei Nichteinhaltung müssen Sanktionen bzw. ordnungsrechtliche Regelungen in Kraft treten. Ausserdem dürften sich die Selbstverpflichtungen in Zukunft dann nicht nur auf die ökologischen Folgen der Wirtschaftsweise, sondern auch auf die sozialen Auswirkungen beziehen und das Prinzip des vorsorgenden Umweltschutzes bzw. Sozialengagements angewendet werden. Und trotzdem fehlen dann immer noch wichtige Aspekte, die mit dem Corporate Citizenship eher erreicht werden können.

Corporate Citizenship (CC)

In der globalisierten Welt stehen Unternehmen – wie oben dargestellt – im Brennpunkt vieler Interessen. Damit wird es für sie überlebenswichtig, die Folgen ihrer Handlungen abzuschätzen und Verantwortung für diese zu übernehmen. Es entstehen neue Formen der „civil society“[68], die z.B. durch NGOs repräsentiert werden.

CC ist noch nicht genau definiert, kann aber umschrieben werden mit den Bemühungen von Unternehmen, bei ihrem wachsenden Einfluss die negativen Effekte ihres Handelns zu minimieren und die positiven zu steigern: „ Good corporate citizenship is about understanding and managing an organisation´s influence and relationships with the rest of society in a way that minimizes the negative an maximizes the positive “.[69]

Auf einer Konferenz der Warwick Business School im Jahr 1998 wurde festgestellt, dass vor allem grosse, transnationale Unternehmen, welche versuchen, die „triple bottom line idea“[70] umzusetzen, sich auch als Corporate Citizen bezeichnen. Dies sind meist Unternehmen, die erhebliche personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung haben, die unter deutlichem externen Druck stehen und als sogenannte „mainstream“- Unternehmen bezeichnet werden.[71] Diese Unternehmen versuchen mit dem Auftreten als Corporate Citizen zu vermitteln, dass sie sich auf dem Weg zu einem „sustainable business“ bzw. einer „sustainable society“ befinden.[72] Ihre Aktivitäten beziehen sich auf den Schutz, Erhalt und Verbesserung der Umwelt, die Verbesserung der Arbeitsverhältnisse, der Arbeitsmöglichkeiten, der Arbeitsgesundheit, der Arbeitssicherheit, der Verminderung von Unfällen und der Ausweitung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit von behinderten Menschen. Ausserdem versuchen sie, durch besondere Leistungen in der Region auf sich aufmerksam zu machen und sowohl intern als auch extern vermehrt über die Wirtschaftsaktivitäten des Unternehmens zu informieren.[73] So hat beispielsweise Bill Gates eine Stiftung gegründet, die u.a. Impfaktionen gegen Malaria durchführt und unterstützt die Bekämpfung von AIDS.[74] Oder C & A spendet u.a. Terres des hommes jährlich 80.000 DM für ein Ausbildungszentrum für Kinder in Indien.[75] Die Aktionen der CC-Unternehmen stehen also unter dem Motto: „Tue Gutes und rede darüber!“. Die Ziele, die Unternehmen hiermit zu erreichen suchen, umfassen die Erschliessung neuer Märkte, die Entwicklung neuer Fähigkeiten, die Steigerung der Motivation und Loyalität von Mitarbeitern, die Darstellung der Werte des Unternehmens und die Schaffung einer eigenen Unternehmensidentität. Ausserdem wird das gemeinnützige Engagement zu den Stakeholdern aufgezeigt und damit die soziale und ökologische Verantwortung des Unternehmens demonstriert.[76]

Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Unternehmen stellt das CC sicher einen ersten Schritt dar – sie bezieht sich sowohl auf die ökologische, soziale und ökonomische Entwicklung des Unternehmens und bezieht auch teilweise umgebende Stakeholder mit ein. Allerdings wird kritisiert, dass zwischen den Unternehmen und den NGOs ungleiche Machtverhältnisse herrschen (weniger personelle und finanzielle Mittel der NGOs). Power[77] befürchtet, dass die Bekenntnis der Unternehmen zum „Guten“ nicht mehr als geschickte Rhetorik ist und sich die Unternehmen nur mit Verantwortung tarnen, diese aber nicht wirklich übernehmen. Auch Morgan[78] meint, dass Unternehmen nur die Externalitäten internalisieren, die sie als „erschwinglich“ identifizieren. Fundamentale Misstände und strukturelle Ungleichheiten bleiben jedoch bestehen.

Und genau das ist der Ansatzpunkt, der zu einer wirklich nachhaltigen Entwicklung fehlt: Nachhaltige Entwicklung lässt sich nicht kurzfristig mit einigen guten PR-Aktionen erkaufen, sondern erfordert eine generelle Überarbeitung der Unternehmensstrategie, der Visionen, der Leitbilder und eine genaue Analyse aller Auswirkungen der Tätigkeit des Unternehmens auf das gesamte Unternehmensumfeld und alle Stakeholder und dann gegebenenfalls eine tiefgreifende strukturelle Änderung des Unternehmens und seiner Wirtschaftsweise in vielen Bereichen.

Es gab und gibt natürlich noch wesentlich mehr Bemühungen von Unternehmen, auf den Weg zur nachhaltigen Entwicklung einzuschwenken. Besonders im ökologischen Bereich hat sich einiges getan. Doch um noch einmal deutlich zu machen, dass nachhaltige Entwicklung alle drei Felder (ökologisch, ökonomisch, sozial) gleichberechtigt mit einzubeziehen versucht, sollen im folgenden noch einmal kurz die wichtigsten Unterschiede zwischen nachhaltiger und ökologischer Entwicklung aufgezählt werden.

Der Unterschied zwischen nachhaltiger und ökologischer Entwicklung

Die idealen Kriterien, die ein umweltorientiertes von einem nachhaltigkeitsorientierten (im ökologischen Bereich) Unternehmen unterscheidet, wurden von Matten[79] in folgender Tabelle zusammengefasst:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Paradigmenwechsel ökologiebezogenen Unternehmenhandelns [80]

Nach dieser Analyse wird in einem nachhaltigen Unternehmen aus ökologischer Sicht nur soviel verbraucht bzw. zu emittiert, wie es die 5 Regeln der Charta von Aalborg (s. 1.2.) definieren. Ein umweltorientiertes Unternehmen versucht einfach, den Verbrauch ständig zu reduzieren, d.h. Nachhaltigkeit erfordert also eine absolute statt einer relativen Betrachtung.[81] Wie bereits erwähnt, beschränkt sich dieses Schaubild leider nur auf ökologiebezogene Kriterien, es gibt aber dennoch einen Eindruck von einigen Unterschieden zwischen Nachhaltigkeit und Ökolgieorientierung, was mir gerade unter dem heutzutage häufiger auftretendem „Fehl-Verständnis“ von Nachhaltigkeit = Umweltschutz als wichtig erscheint.

2.4. Allgemeiner Überblick über nachhaltigen Entwicklung von Unternehmen in Deutschland

Wie viele Unternehmen sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen, hängt davon ab, was unter Nachhaltigkeit verstanden wird. An einigen Daten kann man jedoch eine erste Orientierung finden. So stellte Voss[82] in einer Analyse von 101 Umweltberichten von Unternehmen im produzierenden und im Dienstleistungssektor fest, dass nur etwas 40 % dieser Unternehmen in ihren Berichten das Nachhaltigkeitsprinzip erwähnen. Nur eine Minderheit führte eine Definition von Nachhaltigkeit – die sehr unterschiedlich ausfiel – an. Wie bereits oben erwähnt, betrachten 38 % der Managementvertreter im Jahr 1999 Nachhaltigkeit als Thema der Geschäftsführung.[83]

Die nun im folgenden beschriebene Situation stützt sich vor allem auf eine Umfrage der Programmgruppe Mensch, Technik, Umwelt (MUT), die im Jahr 1999 durchgeführt wurde. Befragt wurden dabei die Bayer AG, die Stahlwerke Bremen, BASF Schwarzheide, Shell International, VW, AEG Elektrogeräte, Rank Xerox, Neumarkter Lammsbräu, Lurgi AG, Mannesmann, Tengelmann, Allianz, Deutsche Sparkassen, Deutsche Telekom, Günther GmbH & Co, Max Schön GmbH & Co.[84] Der Schwerpunkt der Untersuchung lag auf den Grossunternehmen, jedoch wurden auch drei kleinere und mittlere Unternehmen (KMUs) miteinbezogen: In der Regel sind die meisten Unternehmen mittlerweile in der Lage, das Thema zu diskutieren. Die Mehrheit der untersuchten Unternehmen hat noch keine formale Definition von Nachhaltigkeit (Ausnahmen: Auto- und Chemieindustrie und Einzelfirmen). Wo es keine formale Definition gibt, wird Nachhaltigkeit meist als Ersatzwort für „Umweltschutz“ bzw. als eine bestimmte Sichtweise des Umweltschutzes verwendet, d.h. es werden Anstrengungen des Unternehmens im ökologischen Bereich genannt. Die meisten vorhanden Definitionen lehnen sich dem „3-Säulen Modell“ an, wo wirtschaftliche, ökologische und soziale Aspekte verbunden werden. Man kann erwarten, dass sich der dreidimensionale Gedanke langsam durchsetzen wird, wobei einige Verbände ihren Mitgliedern in dieser Hinsicht noch voraus sind. Die wichtigste Quelle dafür ist der Brundtland-Bericht und die Definitionen der Industrieverbände. Auf Verbandsebene sind die Automobilindustrie und die chemische Industrie (mit ihrem „responsible care“-Programm s.u.) besonders aktiv. Der BDI engagiert sich vor allem auf politischer Ebene und ist weniger substantiell. Die zwei Fachverbände Verein für Umweltmanagement in Banken, Sparkassen und Versicherungen (VfU) und der Bundesdeutsche Arbeitskreis für umweltbewusstes Management (B.A.U.M) tragen in hohem Masse dazu bei, den Umweltschutzgedanken in der Wirtschaft zu popularisieren, bleiben dabei jedoch zumeist auf die ökologischen Aspekte beschränkt. Man kann feststellen, dass Nachhaltigkeit ein modisches Schlagwort geworden ist, dass sich aber die Übernahme in die Unternehmenspolitik noch sehr langsam vollzieht.

[...]


[1] Worldwatch Institute (2001), S. 48

[2] Indikatoren hierfür z.B. Korallensterben, Abholzung etc.. Worldwatch Institute (2001), S. 57ff.

[3] Rate der Analphabetinnen in China bei 25 %, in Indien bei 57%. Worldwatch Institute (2001), S. 54

[4] ICLEI (1998), S. 13

[5] BMU (1992), S. 235

[6] BMU (1992), S. 235

[7] Marsden / Andrioff (1998), S. 330

[8] Ökoinstitut (1997), S. 17

[9] vgl. Marsden / Andriof (1998), S. 335f.

[10] vgl. Sprenger u.a. (2001), S. 24

[11] vgl. Kreibich (1996), S. 40

[12] Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, der nach der Vorsitzenden Frau Gro Harlem Brundtland „Brundtland-Bericht“ genannt wird

[13] BMU (1992), S. 11

[14] Meyer-Abich (1990), S. 138

[15] Ausführungen zur Umweltpolitik des BDI der 14. Legislaturperiode, www.bdi.de

[16] Enquete Kommission (1998), S. 38

[17] BMU (1997), S. 12

[18] Dyllick u.a. (1997), S. 184

[19] Kreibich (1996), S. 190

[20] Ökoinstitut (1997), S. 29

[21] Charta von Aalborg (1994), S. 15

[22] vgl. von Gleich, Arnim (2000), S. 25-26

[23] vgl. IÖW (1/2001), S. 11

[24] Thomas Loew ist Mitarbeiter im IÖW-Forschungsfeld ökologische Unternehmenspolitik

[25] vgl. IÖW (1/2001), S. 11

[26] Enquete-Kommission (1998)

[27] vgl. Enquete Kommission (1998), S. 38

[28] Im Kapitel 30 der Agenda 21 wird immer der Begriff „Privatwirtschaft einschließlich transnationaler onzerne“ verwendet; im Folgenden wird zur Verkürzung nur der Begriff „Privatwirtschaft“ verwendet

[29] Belzer (1995), S. 16

[30] ebenda

[31] www.adlittle.com

[32] Hoffman (1997), S.12f.

[33] Matschke (1996), S. 59

[34] Hoffman (1997), S. 12f.

[35] Schaltegger / Sturm (1992), S. 16

[36] Zahn / Schmid (1992), S. 57ff.

[37] vgl. Dyllick (1989), S. 460

[38] Dyllick (1989), S. 460

[39] Dyllick (1989), S. 18

[40] weiterentwickelt nach Freeman (1983), S. 49

[41] Freeman (1983), S. 58

[42] Freeman (1983), S. 53

[43] Wicke (1993), S. 75

[44] Ulrich (1980), S. 32

[45] Ulrich / Furi (1995), S. 59

[46] ebd., S. 60

[47] Ulrich (1994), S. 22ff.

[48] Dyllick (1989), S. 76

[49] Dyllick (1997), S. 34

[50] Dyllick (1989), S. 81

[51] Dyllick (1997), S. 25

[52] Fichter (1998), S. 230

[53] Dyllick (1997), S. 11f.

[54] Dyllick (1989), S. 467

[55] Hopfenbeck / Roth (1994), S. 28

[56] Dyllick (1989), S. 432

[57] Dyllick (1997), S. 27

[58] vgl. Clausen / Brokmann / Schellenberger (1995)

[59] wobei natürlich die gesellschaftspolitische Öffentlichkeit von einer relativ kleinen Zahl von Menschen kontrolliert, verwaltet und dominiert wird

[60] Jürgen Schrempp, Vorstandschef des Automobilkonzerns DaimlerChrysler auf der Konferenz „Modernes Regieren für das 21. Jahrhundert“ im Jahr 2000 in Berlin

[61] Zimmermann / Henke (1994), S. 441ff

[62] Führ (1996), S. 196

[63] Wicke (1993), S. 269 f.

[64] Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (1998), S. 150

[65] Rennings / Brockmann / Koschel (1996), S. 142

[66] Rennings / Brockmann / Koschel (1996), S. 143

[67] z.B. Klimaverpflichtungen deutscher Unternehmen

[68] Warwick Business School (1998), S.4-5

[69] Marsden / Andriof (1998), S. 329

[70] D.h. Öknomie, Ökologie und Soziales gleich zu werten und umzusetzen

[71] D.h. etablierte Großunternehmen, die sich nicht durch die Herstellung besonders umwelt- und sozialverträglicher Produkte auszeichnen. Zahlreiche Unternehmen, die laut des Aufsatzes der Warwick Business School CC betreiben, gehören zu den größten Unternehmen der Welt. So gehören Coca-Cola und Johnson&Johnson zu den 40 umsatzstärksten Industrieunternehmen der USA (Stand `93). Auch BP und Shell, die auch als CC auftreten, sind unter den 20 umsatzstärksten Unternehmen der Welt zu finden. (SZ vom 29.07.1999)

[72] Warwick Business School (1998), S. 6

[73] Untersuchung der North West Water im Jahr 1996

[74] SZ, 4.6.1999

[75] Die Zeit, 27.5.1999

[76] Marsden / Andriof (1998), S. 340

[77] Marsden / Andriof (1998), S. 342 f.

[78] Marsden / Andriof (1998), S. 62

[79] Gray (1999), S. 7

[80] Matten (1998), S. 29

[81] ebenda

[82] Voss (1996), S. 68

[83] siehe Punkt II.

[84] GRAY (1999), S. 30 ff.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1931
ISBN (eBook)
9783832463212
ISBN (Paperback)
9783838663210
DOI
10.3239/9783832463212
Dateigröße
2.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg – unbekannt
Erscheinungsdatum
2003 (Januar)
Note
2,0
Schlagworte
umwelt nachhaltigkeit nachhaltigkeitsbericht indikator sustainable development
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Titel: Erstellung eines Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung anhand von Grundanforderungen für Unternehmen
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