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Die Entwicklung des Friedensprozesses in Bosnien und Herzegowina nach dem Abkommen von Dayton

©2002 Diplomarbeit 136 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Gang der Untersuchung:
Am 21. November 1995 wurde das Friedensabkommen von Dayton paraphiert. Mit der endgültigen Unterzeichnung dieses Abkommens in Paris am 14. Dezember 1995 wurde der Krieg in Bosnien und Herzegowina – der schlimmste Krieg in Europa seit Ende des Zweiten Weltkrieges – beendet. Dieser Krieg forderte rund 200.000 Todesopfer, weitere 2,2 Millionen Menschen wurden aus ihrer angestammten Heimat vertrieben oder mussten fliehen.
Mit dem Zerfall des Vielvölkerstaates Jugoslawien in den frühen neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts kehrten die ethnisch bedingten Konflikte auf die europäische Landkarte zurück. Vertreibung, Vergewaltigungen und Völkermord – Vorgänge, die man nach 1945 aus Europa verschwunden glaubte – spielten sich plötzlich vor den Augen der Weltöffentlichkeit ab.
Während die Staaten der westlichen Welt immer stärkere Formen der internationalen Zusammenarbeit entwickelten, während die Europäische Gemeinschaft nach und nach von einer Wirtschaftsgemeinschaft zu einer politischen Union umstrukturiert wurde, strebten die Völker des zerfallenden Jugoslawiens genau gegensätzliche Ziele an: nationale Selbständigkeit, politische Souveränität, vor allen Dingen aber ethnische Homogenität.
Mit diesen Bedingungen konfrontiert, die schließlich zu den kriegerischen Auseinandersetzungen im zerfallenden Jugoslawien geführt hatten, stand die internationale Gemeinschaft vor der Aufgabe, eine Friedenslösung für die gesamte Region zu erarbeiten, um damit die Stabilität und den Frieden in Europa wiederherzustellen.
Die vorliegende Arbeit hat das Ziel, die bisherige Umsetzung des Friedensabkommens von Dayton zu analysieren und zu werten. Nach dem 1. Kapitel, welches die Einleitung darstellt, wird im 2. Kapitel zunächst auf den Krieg in Bosnien und Herzegowina eingegangen. Dabei werden sowohl die Ursachen genannt, die im Zuge der Unabhängigkeitserklärung Bosnien und Herzegowinas 1992 zum Ausbruch des bewaffneten Konfliktes geführt haben, aber auch die Rolle der Nachbarstaaten Serbien und Kroatien und schließlich die Friedensbemühungen der internationalen Gemeinschaft.
Das 3. Kapitel befasst sich mit dem Inhalt des Friedensabkommens von Dayton und dem Beginn des Friedensprozesses in Bosnien und Herzegowina nach Kriegsende. Der Schwerpunkt liegt hierbei in der Darstellung der Entwicklung der beiden Entitäten Bosnien und Herzegowinas, der bosniakisch-kroatischen Föderation und der Republika Srpska. Neben der politischen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6526
Rüstau, Alexander: Die Entwicklung des Friedensprozesses in Bosnien und Herzegowina
nach dem Abkommen von Dayton
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: München-Neubiberg, Universität der Bundeswehr, Diplomarbeit, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
4
1.1. Einleitung
4
1.2. Ziel und Aufbau der Arbeit
6
1.3. Derzeitiger Forschungsstand
8
2. Der Krieg in Bosnien und Herzegowina
10
2.1. Die jugoslawische Republik Bosnien und Herzegowina
10
2.1.1. Die bosnischen Serben
13
2.1.2. Die bosnischen Kroaten
14
2.1.3. Die Muslime
15
2.2. Der Jugoslawien-Konflikt und die Unabhängigkeitserklärung
Bosnien und Herzegowinas
18
2.3. Der Beginn des Krieges und die Bildung nationaler Entitäten
21
2.4. Die Rolle der Nachbarstaaten Serbien und Kroatien im
Bosnien-Krieg
28
2.5. Der kroatisch-bosniakische ,,Krieg im Kriege"
33
2.6. Internationale Friedensbemühungen
36
2.7. Das Massaker von Srebrenica und die militärische Wende
45
3. Das Abkommen von Dayton und die Entwicklung des
Friedensprozesses in Bosnien und Herzegowina
51
3.1. Das Friedensabkommen von Dayton
51
3.1.1. Die Friedensverhandlungen
51
3.1.2. Das Vertragswerk
54
3.1.2.1. Die militärischen Aspekte des Abkommens
55
3.1.2.2. Die zivilen Aspekte des Abkommens
57
3.1.2.3. Die neue Verfassung für Bosnien und Herzegowina
62
3.2. Der Beginn des Friedensprozesses: der Einmarsch der IFOR und
der Amtsantritt des Hohen Repräsentanten
67
3.3. Die militärische Implementierung
70
3.3.1. Die Probleme bei der Übergabe der Region um Sarajevo
70

3.3.2. Die Umsetzung des Abkommens über regionale Stabilisierung
72
3.3.3. Der Sonderstatus von Br ko
73
3.3.4. Von IFOR zu SFOR
75
3.4. Die zivile Implementierung
76
3.4.1. Die ersten Wahlen
76
3.4.2. Die Entwicklung der politischen Institutionalisierung
Bosnien und Herzegowinas und der Entitäten bis 1998
80
3.4.2.1. Bosnien und Herzegowina als Ganzes
81
3.4.2.2. Die Republika Srpska
86
3.4.2.3. Die bosniakisch-kroatische Föderation
91
3.5. Der wirtschaftliche Wiederaufbau
97
3.6. Die Rückkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen
101
3.7. Die weitere politische Entwicklung in Bosnien und Herzegowina
104
3.7.1. Die Wahlen 1998
104
3.7.2. Das ,,robuste Mandat" des Hohen Repräsentanten
106
3.7.3. Die Wahlen 2000
109
4. Abschließende Bemerkungen
113
4.1. Der Friedensprozess stagniert
113
4.2. Perspektiven für die Zukunft Bosnien und Herzegowinas
116
Anhang
Bemerkungen zur Schreibweise
Literatur- und Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Karten und Tafeln

4
1. Einleitung
1.1. Einführung in die Thematik
Am 21. November 1995 wurde das Friedensabkommen von Dayton paraphiert. Mit der
endgültigen Unterzeichnung dieses Abkommens in Paris am 14. Dezember 1995 wurde der
Krieg in Bosnien und Herzegowina ­ der schlimmste Krieg in Europa seit Ende des Zweiten
Weltkrieges ­ beendet. Dieser Krieg forderte rund 200.000 Todesopfer, weitere 2,2 Millionen
Menschen wurden aus ihrer angestammten Heimat vertrieben oder mussten fliehen.
Mit dem Zerfall des Vielvölkerstaates Jugoslawien in den frühen neunziger Jahren des
20. Jahrhunderts kehrten die ethnisch bedingten Konflikte auf die europäische Landkarte
zurück. Vertreibung, Vergewaltigungen und Völkermord ­ Vorgänge, die man nach 1945 aus
Europa verschwunden glaubte ­ spielten sich plötzlich vor den Augen der Weltöffentlichkeit
ab.
Während die Staaten der westlichen Welt immer stärkere Formen der internationalen
Zusammenarbeit entwickelten, während die Europäische Gemeinschaft nach und nach von
einer Wirtschaftsgemeinschaft zu einer politischen Union umstrukturiert wurde, strebten die
Völker des zerfallenden Jugoslawiens genau gegensätzliche Ziele an: nationale
Selbständigkeit, politische Souveränität, vor allen Dingen aber ethnische Homogenität.
Mit diesen Bedingungen konfrontiert, die schließlich zu den kriegerischen
Auseinandersetzungen im zerfallenden Jugoslawien geführt hatten, stand die internationale
Gemeinschaft vor der Aufgabe, eine Friedenslösung für die gesamte Region zu erarbeiten, um
damit die Stabilität und den Frieden in Europa wiederherzustellen.
Doch wie sieht eine Friedenslösung aus, die über das bloße Andauern eines
Waffenstillstandes hinausgeht? Eine langfristige Konsolidierung des Friedens ist ­ gerade in
ethnisch bedingten Konflikten ­ weitaus schwieriger als die vorherige Beendigung des
bewaffneten Konfliktes.
1
Um aus dem Zustand eines Waffenstillstandes eine dauerhafte
politische Ordnung formen zu können, müssen humanitäre, politische, wirtschaftliche, soziale
1
Calic, Marie-Janine: Wege zur Konsolidierung des Friedens im ehemaligen Jugoslawien; in: Calic, Marie-
Janine (Hrsg.): Friedenskonsolidierung im ehemaligen Jugoslawien. Sicherheitspolitische und zivile Aufgaben,
Seite 19.

5
und psychologische Aufgaben erfüllt werden ­ mit dem Ziel, die Konfliktparteien in die Lage
zu versetzen, ihre Konflikte künftig gewaltfrei auszutragen.
Die ,,Agenda für den Frieden" nennt als Instrumente einer andauernden
Friedenslösung unter anderem: die Entwaffnung der Konfliktparteien; die Kontrolle von
Waffen und vertrauensbildende Maßnahmen; die Wiederherstellung von Ordnung und
Sicherheit durch den Aufbau von Polizeikräften und des Justizwesens; die Überwachung von
Menschenrechten; die Rückführung von Flüchtlingen sowie die Bildung neuer politischer
Institutionen und somit die Förderung demokratischer Strukturen.
2
Das Friedensabkommen von Dayton ist der Versuch der internationalen Gemeinschaft, diese
vielfältigen Aufgabenbereiche in ein Gesamtkonzept zur Friedensregelung einzubinden. Es
stützt sich gleichzeitig auf die Erfahrung mit bereits gescheiterten Versuchen einer
Beendigung des Krieges in Bosnien und Herzegowina in den Jahre 1992 bis 1995.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung der Durchführbarkeit und des
Erfolges einer derartigen Friedenslösung am Beispiel der Analyse des Friedensprozesses in
Bosnien und Herzegowina.
2
Die Haager Agenda für Frieden und Gerechtigkeit für das 21. Jahrhundert; http://www.haguespace.org

6
1.2. Ziel und Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit beinhaltet eine umfassende Analyse des Friedensprozesses in Bosnien
und Herzegowina nach dem Friedensabkommen von Dayton. Vor dem Hintergrund des
Konfliktes, der schließlich zum Krieg wurde, unter der Betrachtung seiner Vorgeschichte und
seiner Ursachen, sowie mit Blick auf die Umstände, die 1995 zum Vertrag von Dayton
geführt haben, soll untersucht werden, inwieweit die friedenserhaltenden Institutionen und
Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft bislang erfolgreich waren, inwieweit die
Konfliktparteien in die Friedensregelung einbezogen werden und schließlich, ob das
Friedensabkommen von Dayton einen dauerhaften Frieden in Bosnien und Herzegowina
gewährleisten kann.
Begonnen wird zunächst mit einer kurzen politischen und landeskundlichen Vorstellung der
jugoslawischen Republik Bosnien und Herzegowina vor dem Zerfall des Vielvölkerstaates.
Dabei werden insbesondere die in Bosnien und Herzegowina lebenden Volksgruppen
berücksichtigt.
Fortlaufend werden vor dem Hintergrund des beginnenden Zerfalls Jugoslawiens die
Ereignisse beschrieben, die zur Unabhängigkeitserklärung Bosnien und Herzegowinas und
damit zum Beginn des Krieges geführt haben. Es folgt eine ausführliche Darstellung der
Kriegsereignisse, wobei auf die Interessen der Kriegsparteien, den Einfluss der
Nachbarstaaten und schließlich auf die Friedensbemühungen der internationalen
Gemeinschaft eingegangen wird.
Das Hauptkapitel der Arbeit befasst sich mit dem Friedensabkommen von Dayton sowie
dessen Umsetzung. Nach einer Erläuterung des Ablaufs der Friedensverhandlungen werden
die wesentlichen Inhalte des Abkommens dargestellt. Anschließend wird die praktische
Umsetzung des Abkommens unter der Beteiligung der jeweils dafür vorgesehenen
internationalen Organisationen und Institutionen sowie der Konfliktparteien untersucht.
Zunächst wird die militärische Implementierung des Abkommens betrachtet, daran
anschließend die zivile Implementierung, speziell hierbei die ersten Wahlen, der Aufbau der
politischen Institutionen Bosnien und Herzegowinas sowie der beiden nationalen Entitäten,
schließlich der Beginn des wirtschaftlichen Wiederaufbaus und die Rückkehr der Flüchtlinge
und Vertriebenen. Abschließend wird auf die weitere politische Entwicklung Bosnien und
Herzegowinas ab dem Jahre 1998 eingegangen.

7
In der Schlussbetrachtung erfolgt eine Auswertung der Ergebnisse der vorangegangenen
Analyse vor dem Hintergrund der eingangs formulierten Fragestellung sowie unter
Berücksichtigung der aktuellen politischen Lage in Bosnien und Herzegowina.

8
1.3. Literatur- und Quellenlage
Die Bearbeitung des Themas verlief hauptsächlich auf der Grundlage der Auswertung von
Sekundärliteratur. Zur Thematik des Friedensprozesses sowie des vorangegangenen Krieges
in Bosnien und Herzegowina existiert eine Vielzahl von Büchern und wissenschaftlichen
Publikationen in deutscher und englischer Sprache sowie in den Landessprachen bosnisch,
kroatisch und serbisch.
Zu den Autoren gehören einerseits unmittelbar an der Architektur des Dayton-Abkommens
beteiligte Personen, wie beispielsweise der ehemalige Chefunterhändler der USA, Richard
Holbrooke, der in seinem Buch ,,Meine Mission ­ Vom Krieg zum Frieden in Bosnien"
(München , 1998) seine persönlichen Eindrücke des Krieges, der Friedensverhandlungen von
Dayton sowie die ersten Jahre nach dem Inkrafttreten des Vertragswerkes äußerst detailliert
beschreibt.
Andererseits existieren Schriften von internationalen Politikern und Diplomaten, die
mit der Erfüllung einer Aufgabe im Rahmen der Umsetzung des Friedensabkommens durch
die internationale Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina betraut waren. Ein Beispiel
hierfür ist das Buch ,,Bosnien und Herzegowina 5 Jahre nach Dayton ­ Hat der Friede eine
Chance?" (Klagenfurt, 2000) des ehemaligen Hohen Repräsentanten der internationalen
Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, Wolfgang Petritsch.
Des weiteren gibt es eine umfassende Anzahl wissenschaftlicher Arbeiten zum Thema. So hat
beispielsweise die wissenschaftliche Mitarbeiterin des ,,Deutschen Instituts für Internationale
Politik und Sicherheit" in Ebenhausen, Dr. Marie-Janine Calic, bereits mehrere Publikationen
zum Konflikt in Bosnien und Herzegowina sowie zum Friedensabkommen von Dayton
veröffentlicht.
Unter der Leitung der wissenschaftlichen Mitarbeiterin der Ost-Westeuropäischen
Kultur- und Studienzentrums ,,Palais Jalta", Dunja Mel i , begleitet von einem Beirat mit
Dozenten für südosteuropäische Geschichte verschiedener europäischer Hochschulen,
entstand ein ausführliches wissenschaftliches Handbuch zum Jugoslawien-Konflikt mit dem
Titel ,,Der Jugoslawien-Krieg" (Wiesbaden, 1999). Die Autoren der Beiträge in diesem
Handbuch sind Fachleute aus allen Republiken des ehemaligen Jugoslawien, aus Deutschland,
Großbritannien, Österreich, Frankreich, der Schweiz und den USA.

9
Schließlich äußerten sich viele namhafte europäische Politiker und Journalisten zur Bosnien-
Problematik. Beispiele dieser Art von Schriften sind die Reportage ,,Sarajevo und danach"
(München, 1998) des deutschen Journalisten Erich Rathfelder sowie das Buch ,,Die bitteren
Früchte von Dayton" (Bozen, 1997) des Publizisten und ehemaligen Abgeordneten der
Südtiroler Volkspartei im italienischen Parlament, Dr. Hans Benedikter.
Primärmaterial lag in der Form des Originaltextes des Friedensabkommens von Dayton, des
Washingtoner Abkommens von 1994 sowie zahlreicher Resolutionen des UN-Sicherheitsrates
in englischer und deutscher Sprache vor.

10
2. Der Krieg in Bosnien und Herzegowina
2.1. Die jugoslawische Republik Bosnien und Herzegowina
Bosnien und Herzegowina war eine der sechs Republiken, die den Vielvölkerstaat
Jugoslawien bildeten. Der bereits seit 1918 bestehende,
1
Anfang April 1941 von deutschen
Truppen zerschlagene jugoslawische Staat, wurde am 29. November 1945 wieder gegründet.
Die vor dem Zweiten Weltkrieg herrschende Monarchie wurde abgeschafft, das neue
Jugoslawien als sozialistischer Staat unter Führung des Partisanenführers und gebürtigen
Kroaten Josip Broz Tito proklamiert.
Bereits in der ersten jugoslawischen Nachkriegsverfassung von 1946 ist von einem aus
sechs Republiken bestehenden Bundesstaat die Rede. Um das Übergewicht Serbiens im
Gesamtstaat auszugleichen, wurde die dieser Nationalität zustehende Republik erheblich
verkleinert. Das Kosovo und die Vojvodina wurden auf Grund der albanischen bzw.
ungarischen Bevölkerungsmehrheiten zu autonomen Provinzen innerhalb der Republik
Serbien erklärt. Starke serbische Bevölkerungsmehrheiten in Bosnien und Herzegowina, aber
auch in Kroatien, Montenegro und Mazedonien waren nunmehr von Serbien getrennt. Diese
ungeachtet ethnischer Gegebenheiten gezogenen Republikgrenzen sollten sich als einer der
Hauptfaktoren der später einsetzenden nationalen Spannungen herausstellen; schließlich war
Slowenien die einzige jugoslawische Republik, die nahezu homogen besiedelt war.
1948 kam es zum Bruch der jugoslawischen Führung mit der Sowjetunion.
2
Als Kontrast zum
administrativen Sozialismus sowjetischen Typs setzte man in Belgrad fortan auf das System
des so genannten ,,Selbstverwaltungssozialismus", was eine weitere Dezentralisierung sowie
Stärkung der Republiken bedeutete. Dieser ,,Selbstverwaltungssozialismus" wurde in der
neuen jugoslawischen Verfassung von 1963 neben weiteren Dezentralisierungspunkten
1
Hierbei handelte es sich um das ,,Königreich der Serben Kroaten und Slowenen" (,,Kraljevica Srba, Hrvata i
Slovenaca"; kurz: SHS), welches als einer der Nachfolgestaaten der österreichisch-ungarischen
Doppelmonarchie sowie des Osmanischen Reiches entstanden war.
2
1947 entstanden Pläne einer jugoslawisch-bulgarischen Föderation. Die Sowjetunion sah dadurch ihre
Hegemonialrolle gefährdet und lehnte die Pläne daher ab. Nachdem Stalin die bulgarische und die jugoslawische
Delegation im Februar 1948 wegen ihres Vorhabens tadelte, verzichtete die bulgarische Seite sofort auf alle
Föderationspläne, während die jugoslawische Führung der Sowjetunion Protest entgegenbrachte, was zur
politischen und wirtschaftlichen Isolation Jugoslawiens innerhalb Osteuropas führte. Vgl. hierzu Meier, Viktor:
Der Titostaat in der Krise: Jugoslawien nach 1966; in: Mel i , Dunja (Hrsg.): Der Jugoslawien-Krieg, S. 193 f.

11
festgeschrieben. Von nun an trug der neue Staat den Namen ,,Sozialistische Föderative
Republik Jugoslawien".
Die letzte gesamtjugoslawische Verfassung vor dem Zerfall des Vielvölkerstaates wurde 1974
ausgearbeitet. Der Inhalt war noch einmal wesentlich föderalistischer geprägt als in den
Verfassungen von 1946 und 1963. Erstmals wurden die Republiken konkret als ,,Staaten"
definiert,
3
ihre Grenzen wurden sogar offiziell garantiert. Das bedeutete nichts anderes, als
dass sich aus diesen Punkten die Souveränität der Republiken samt deren Anspruch auf die
bestehenden Grenzen herleiten ließ, zumal die Verfassung den Völkern Jugoslawiens
ausdrücklich auch das Recht auf Sezession vom Gesamtstaat zusprach.
4
Diese durch die
Verfassung gestützte Freizügigkeit wurde in den weiteren Jahren des Bestehens des
jugoslawischen Staates wiederholt von verschiedenen Volksgruppen ­ vor allem Serben und
Kroaten ­ die eigenen Ansprüche untermauernd interpretiert.
Dennoch schien der Vielvölkerstaat zunächst reibungslos zu funktionieren. Dabei sind
jedoch zwei Faktoren besonders zu berücksichtigen, die den inneren Zusammenhalt
Jugoslawiens sicherten: die Autorität Titos ­ womit dieser glaubte, auch die Freizügigkeiten
der neuen jugoslawischen Verfassung ausgleichen zu können ­ sowie die Angst vor der
Sowjetunion, schließlich ging Jugoslawien seinen eigenen Weg, ohne dem östlichen,
prosowjetischen Bündnissystem anzugehören.
5
Der eine dieser Stabilitätsfaktoren fiel mit
dem Tode Titos am 4. Mai 1980 aus, was bereits zu ersten breiteren Unruhen im föderalen
System Jugoslawiens führte. Es sollte jedoch noch mehr als 10 Jahre dauern, bis auch der
zweite Faktor, die Sowjetunion, durch deren Auflösung 1991, wegfiel.
Vor dem Zerfall Jugoslawiens 1991 lag die Einwohnerzahl Bosnien und Herzegowinas bei
circa 4,1 Millionen. Den größten Bevölkerungsanteil stellten mit 40 Prozent die bosnischen
Muslime, es folgten die Serben als zweitstärkste Volksgruppe mit einem Bevölkerungsanteil
von 32 Prozent und schließlich die Kroaten, welche 18 Prozent der Bevölkerung Bosnien und
Herzegowinas ausmachten. Die verbleibenden 10 Prozent stellten zum Einen Einwohner dar,
3
Meier, Viktor: Der Titostaat in der Krise: Jugoslawien nach 1996; in: Mel i , Dunja (Hrsg.): Der Jugoslawien-
Krieg, Seite 201
4
Die Rede ist explizit von den Völkern, nicht aber den Republiken; eine oberflächliche Formulierung, die
denjenigen, die sich darauf berufen wollten, viel Interpretationsfreiraum ließ.
5
Zeitler, Klaus-Peter: Deutschlands Rolle bei völkerrechtlichen Anerkennung der Republik Kroatien, Seite 41

12
die sich selbst als ,,Jugoslawen" sahen, sich also keiner der drei Volksgruppen zugehörig
fühlten,
6
zum Anderen ein geringer Anteil an Juden, Roma und Albanern.
Da zwei der drei staatstragenden Volksgruppen, nämlich Serben und Kroaten, im
früheren Jugoslawien mit eigenen Republiken vertreten waren, ist von Seiten dieser beiden
Volksgruppen immer wieder behauptet worden, Bosnien und Herzegowina sei ein von Tito
künstlich geschaffenes Staatsgebilde, was jedoch nicht zutrifft, da Bosnien und die
Herzegowina sowohl im früheren SHS-Staat als auch bereits davor abgeschlossene
administrative Einheiten bildeten, auch wenn die beiden Provinzen lange Zeit unter
Fremdherrschaft standen.
7
Die gravierende Besonderheit Bosnien und Herzegowinas im Gegensatz zu den
anderen ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken ist, dass keine der drei Volksgruppen im
Lande in einer absoluten Mehrheit vertreten war. Darüber hinaus gab es nur sehr wenige
Gebiete mit homogener Besiedelung, vielmehr stellte sich die Landkarte als ,,Flickenteppich"
mit vielen gemischt besiedelten Gebieten dar. Fast zwei Drittel der Bevölkerung lebte in
ländlichen Gebieten; der Großteil der Stadtbevölkerung erstreckte sich auf die drei größten
Städte des Landes: Sarajevo, Banja Luka und Zenica.
Die Einführung eines Mehrparteiensystems in Bosnien und Herzegowina im Jahre 1990 führte
nicht, wie angenommen werden könnte, zu einer Demokratisierung des Landes, sondern
paradoxerweise zu einer nationalen Polarisierung der politischen Landschaft. Die
muslimische ,,Partei der Demokratischen Aktion" (SDA), die ,,Serbische Demokratische
Partei" (SDS) und die ,,Kroatische Demokratische Union in Bosnien und Herzegowina" (HDZ
BiH) triumphierten bei den ersten freien Parlamentswahlen in Bosnien und Herzegowina im
Dezember 1990. Die Sitzverteilung dieser drei national orientierten Parteien im Parlament
entsprach in etwa der ethnischen Zusammensetzung der Republik.
8
Die Menschen nutzten die
neue Freiheit des Mehrparteiensystems, um ein im bisherigen Jugoslawien absolutes Tabu
aufzugreifen: die nationale bzw. ethnische Zugehörigkeit.
9
6
Vgl. hierzu Kapitel 2.1.3., Seite 16
7
Von 1463 bis 1878 stand Bosnien und Herzegowina unter osmanischer Herrschaft, danach wurde es bis zum
Ende des Ersten Weltkrieges von Österreich-Ungarn verwaltet.
8
Calic, Marie-Janine: Der Krieg in Bosnien und Herzegowina, Seite 24
9
Wer sich bisher beispielsweise öffentlich dazu bekannte, Serbe zu sein, wurde sofort verdächtigt,
großserbischen Ideen anzuhängen. Ein sich öffentlich erklärender Kroate musste sich die Beschuldigung gefallen
lassen, Anhänger des früheren ,,Ustasa"-Regimes zu sein. Muslime, die ihre ethnische Zugehörigkeit in der
Öffentlichkeit betonten, wurden, vor allem von den Serben, als ,,Verräter im Kampf gegen die türkische
Besatzungsherrschaft" verunglimpft.

13
In den folgenden drei Unterkapiteln wird auf die Besonderheiten der Volksgruppen in
Bosnien und Herzegowina näher eingegangen.
2.1.1. Die bosnischen Serben
Von vorn herein war abzusehen, dass Bosnien und Herzegowina in einem zerfallenden
Jugoslawien ein besonders brisantes Problem darstellen würde, da das Land von drei
Volksgruppen bewohnt wurde, von denen keine in absoluter Mehrheit vertreten war: die
bosnischen Serben,
10
die bosnischen Kroaten und die Muslime, die sich später Bosniaken
nannten. Zudem gab es bis auf wenige kleine Gebiete keine homogene Besiedelung, sondern
eine Durchmischung der Volksgruppen untereinander.
11
Als erste zu betrachtende Volksgruppe in Bosnien und Herzegowina vor Ausbruch des
Krieges 1992 sollen hier die bosnischen Serben beschrieben werden. Sie bekannten sich zur
Serbisch-Orthodoxen Kirche, ihre Sprache war serbokroatisch,
12
wobei die Serben das
kyrillische Alphabet benutzten.
Die bosnischen Serben waren in zwei Regionen Bosnien und Herzegowinas besonders
stark vertreten: zum Einen im Norden und Nordwesten des Landes, vor allem im Raum Banja
Luka, und zum Anderen im Süden und Südosten, östlich von Sarajevo und im Umkreis der
Städte Trebinje, Pale und Bijeljina.
13
Sie machten in der Bevölkerung Bosnien und
Herzegowinas mit knapp 1,4 Millionen einen Anteil von ca. 32 Prozent aus, bildeten damit
die zweitstärkste Volksgruppe des Landes und gehörten zu dem Viertel der gesamten
serbischen Bevölkerung im früheren Jugoslawien, welches außerhalb der Grenzen Serbiens
lebte. Zu den führenden Persönlichkeiten der bosnischen Serben gehörten der Vorsitzende der
,,Serbischen Demokratischen Partei" (SDS), der Psychiater Radovan Karadzi , sowie die
Biologieprofessorin Biljana Plavsi .
10
Zu den Bezeichnungen der Volksgruppen siehe die ,,Bemerkungen zur Schreibweise" im Anhang
11
Schneider, Heinrich: Friede für Bosnien-Herzegowina?, Seite 11 ff.
12
Die serbokroatische Sprache entstand 1954 durch den Vertrag von Novi Sad und diente dem Vielvölkerstaat
Jugoslawien als offizielle Landessprache. Sie wich nur marginal von traditionellen Kroatischen bzw. Serbischen
ab und beinhaltete sowohl das von Kroaten und Muslimen benutzte lateinische Alphabet, als auch das kyrillische
Alphabet, dessen sich die Serben bedienten. Im Zuge des Zerfalls Jugoslawiens und des daraus resultierenden
Krieges wurde der o.g. Vertrag von Novi Sad aufgekündigt. Es bestehen seitdem wieder die traditionellen
Sprachen Serbisch und Kroatisch; bei den Muslimen ist neuerdings sogar von Bosnisch die Rede.
13
Siehe Anhang, Karte Nr.1 ,,Besiedelung Bosnien und Herzegowinas vor dem Zerfall Jugoslawiens"

14
In der Diskussion um die Zukunft Jugoslawiens übernahm die Regierung Bosnien und
Herzegowinas 1990 eine Vermittlerrolle zwischen den Befürwortern eines rezentralisierten
Bundesstaates mit Serbien an der Spitze einerseits, sowie den Verfechtern einer
Konföderation souveräner Staaten ­ angeregt von Slowenien und Kroatien ­ andererseits,
setzte sich jedoch dabei selbst für die Umwandlung Jugoslawiens in eine Konföderation ein,
was von den bosnischen Serben mit Misstrauen beobachtet wurde.
Als im Zuge der Unabhängigkeitserklärungen Sloweniens und Kroatiens 1991 die
Konföderationslösung zu scheitern drohte und sich daher auch die Regierung Bosnien und
Herzegowinas zwischen staatlicher Unabhängigkeit einerseits und dem Verbleib in
Restjugoslawien andererseits zu entscheiden hatte, forderten die bosnischen Serben die
Umsetzung der zweiten genannten Lösung, nämlich den Beitritt zu einer erneuerten
jugoslawischen Föderation. Ziel der Serben war es, mit Serbien in einem Staate vereint zu
bleiben. Als einzige Alternative zu einer jugoslawischen Föderation akzeptierte man auf
serbischer Seite nur die Schaffung eines großserbischen Staates.
Vor diesem Hintergrund wurde die Diskussion um die Unabhängigkeit Bosnien und
Herzegowinas von der Drohung der bosnischen Serben, die serbisch besetzten gebiete im
Falle einer Unabhängigkeitserklärung an Serbien anzuschließen, überschattet. Eine daraus
resultierende Zerstückelung Bosnien und Herzegowinas war jedoch nicht von vorn herein das
Ziel der serbischen Nationalisten.
14
Die Drohung sollte lediglich als Druckmittel
funktionieren, um die Loslösung des Landes von Jugoslawien zu blockieren und wurde erst
nach der internationalen Anerkennung der Unabhängigkeitserklärung Bosnien und
Herzegowinas in die Tat umgesetzt.
2.1.2. Die bosnischen Kroaten
Vor dem Zerfall Jugoslawiens lebten etwa 400.000 Kroaten in Bosnien und Herzegowina und
stellen somit die drittgrößte Volksgruppe im Lande dar. Sie waren fast ausschließlich
katholischen Glaubens, sprachen ebenfalls serbokroatisch, bedienten sich jedoch des
lateinischen Alphabetes. Hauptsiedlungsgebiete der bosnischen Kroaten waren die
Westherzegowina, große Teile der größten herzegowinischen Stadt Mostar, das Gebiet
nordwestlich von Sarajevo sowie die Posavina-Region, welche von Bosanski Brod an der
Save bis nach Br ko reicht und sich südlich an das zu Kroatien gehörende Slawonien
14
Schneider, Heinrich: Friede für Bosnien-Herzegowina?, Seite 13

15
anschließt.
15
Der kroatische Anteil an der Gesamtbevölkerung Bosnien und Herzegowinas lag
bei etwa 18 Prozent. Führende Persönlichkeiten der bosnischen Kroaten waren unter anderem
der Vorsitzende der ,,Kroatischen Demokratischen Union in Bosnien und Herzegowina"
(HDZ BiH), Stjepan Kljui , dessen Nachfolger im Amt, Mate Boban sowie der spätere
kroatische Verteidigungsminister Gojko Susak.
16
Mit der beginnenden Diskussion um die Zukunft Bosnien und Herzegowinas vor dem
Hintergrund des sich im Zerfall befindenden Jugoslawien wuchs unter den bosnischen
Kroaten die Angst vor einem großserbisch dominierten jugoslawischen Bundesstaat. Aus
diesem Grunde sprachen sich die Kroaten für eine Unabhängigkeit Bosnien und
Herzegowinas aus. Vor allem national gesinnte Kreise in der kroatischen Westherzegowina
verfolgten zudem das Ziel, die Westherzegowina mit dem neu entstandenen kroatischen
Staate zu verbinden.
2.1.3. Die Muslime
Die bosnischen Muslime, die sich später Bosniaken nannten, sind die nach ihrer Religion
benannte, mit etwa 40 Prozent Bevölkerungsanteil zahlenmäßig stärkste Volksgruppe in
Bosnien und Herzegowina. Bei den Muslimen handelt es sich um die slawische Bevölkerung
islamischer Tradition, die während der türkischen Herrschaft in Bosnien und Herzegowina
17
entweder zwangsmuslimisiert wurden, oder aber den islamischen Glauben freiwillig annahm.
Die religiöse Bindung der Muslime war und ist jedoch relativ gemäßigt. Einige Versuche
strengerer Religionsführer oder auch ausländischer Moslems, wichtige Gesetze und
Vorschriften des Islam in Bosnien und Herzegowina offiziell durchzusetzen, oder gar den
Islam im Lande zu politisieren, scheiterten.
Die Hauptsiedlungsgebiete der Muslime waren die größeren Städte und deren
umliegende Regionen, wie zum Beispiel Biha , Srebrenica, Tuzla, Zepa, Gorazde und nicht
zuletzt die Hauptstadt Sarajevo.
18
Zu den wichtigsten Persönlichkeiten der Muslime Anfang
15
Siehe Anhang, Karte Nr.1 ,,Besiedelung Bosnien und Herzegowinas vor dem Zerfall Jugoslawiens"
16
Petritsch, Wolfgang: Bosnien und Herzegowina 5 Jahre nach Dayton", Seite 29
17
Die türkische Herrschaft, d.h. die Besetzung Bosnien und Herzegowinas durch das Osmanische Reich, dauerte
von 1463 (Bosnien) bzw. 1482 (die Herzegowina) bis 1878.
18
Siehe Anhang, Karte Nr.1 ,,Besiedelung Bosnien und Herzegowinas vor dem Zerfall Jugoslawiens"

16
der Neunziger Jahre zählten der spätere Präsident Bosnien und Herzegowinas Alija
Izetbegovi , Haris Silajdzi , sowie Ejup Gani .
Das Privileg, eine eigene Nation darzustellen, konnten sich die Muslime nicht von vorn herein
zuschreiben. Bis Anfang der Sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts galten die Muslime in
Bosnien und Herzegowina meist als Serben oder Kroaten.
19
Viele von ihnen pflegten sich
gerade nach dem Zweiten Weltkrieg auch einfach ,,Jugoslawen" zu nennen, um ebenfalls
religiös geprägte Bezeichnungen wie ,,Serben" oder ,,Kroaten" zu vermeiden.
Die Volkszählung in Jugoslawien 1961 bot erstmals die Möglichkeit, sich als ,,Muslim
im ethnischen Sinne" zu bekennen, wovon zu diesem Zeitpunkt jedoch kaum Gebrauch
gemacht wurde. In der Präambel der Verfassung von 1963 wurden die Muslime erstmals
offiziell als eines der Völker von Bosnien und Herzegowina erwähnt. 1968 erhielten die
Muslime schließlich den verfassungsmäßigen Status als eigene Nation auf Bundesebene. Bei
der Volkszählung 1971 nutzten die Muslime erstmals in größerem Rahmen die Möglichkeit,
sich als Angehörige einer eigenen Nation zu deklarieren.
Auch die Muslime setzten sich mit dem beginnenden Zerfall Jugoslawiens für die
Unabhängigkeit Bosnien und Herzegowinas ein und entschieden sich damit gegen einen
großserbisch dominierten Bundesstaat. Anders als den bosnischen Kroaten, die für ein
föderalistisches Bosnien mit jeweils eigener Kontrolle über die kroatisch besiedelten Gebiete
waren, schwebte den Muslimen jedoch ein zentralistisch geführter Staat vor. Zudem gab es
unter den Muslimen mit Beginn der politischen Krise auch eine verstärkte Hinwendung zu
den Wurzeln des islamischen Glaubens, vor allem in einer Gruppe politisch aktiver Muslime
um den späteren bosnischen Präsidenten Alija Izetbegovi . Bereits 1940 war Izetbegovi im
Zuge seines Engagements als führende Figur der muslimischen Bewegung in Bosnien und
Herzegowina verhaftet worden. Eine erneute Verhaftung gab es 1983, nachdem Izetbegovi in
seiner so genannten ,,Islamischen Deklaration" versucht hatte, die Grundlagen eines vom
Islam
geprägten
Staatsbildes
darzustellen.
20
Derartige
Überlegungen
passten
selbstverständlich in keiner Weise in den politischen Alltag des früheren Jugoslawiens.
19
Die serbische Ideologie sieht in den Muslimen Serben, die während der osmanischen Herrschaft den
islamischen Glauben angenommen haben. Vor dem Hintergrund des ohnehin gespannten Verhältnisses der
Serben zum Islam ­ die Serben sehen sich traditionell in der Rolle des Retters des Abendlandes vor dem Islam ­
galten die Muslime als ,,Verräter", denen man feindlich gesinnt gegenüber stand.
1941 wurde Bosnien und Herzegowina dem ,,Unabhängigen Staat Kroatien" unter dem Ustasa-Führer Ante
Paveli zugeschlagen. Die Ustasa-Machthaber sahen in den Muslimen Kroaten, die zum Islam übergetreten
waren.
20
Bremer, Thomas: Die Religionsgemeinschaften im ehemaligen Jugoslawien; in: Mel i , Dunja (Hrsg.): Der
Jugoslawien-Krieg, Seite 242

17
Schließlich hatte Alija Izetbegovi mit seiner Partei, der ,,Parte der demokratischen Aktion"
(SDA) einen entscheidenden Anteil an der nationalen Konsolidierung der bosnischen
Muslime während des Zerfalls Jugoslawiens. Im Zuge dieser nationalen Konsolidierung
nannten sich die Muslime fortan selbst ,,Bosniaken". Die SDA trat, ähnlich wie die bosnisch-
serbische SDS und die bosnisch-kroatische HDZ BiH, zunehmend national orientiert auf und
sah sich als die Interessenvertretung der Bosniaken.

18
2.2. Der Jugoslawien-Konflikt und die Unabhängigkeitserklärung
Bosnien und Herzegowinas
Bereits Anfang des Jahres 1991 war deutlich zu erkennen, dass der Vielvölkerstaat
Jugoslawien zerfallen würde. Die Republiken Slowenien und Kroatien begannen, ihren Weg
in die Unabhängigkeit vorzubereiten, nachdem ihr Vorschlag einer Neuordnung Jugoslawiens
zu einer Konföderation vom jugoslawischen Staatspräsidium abgelehnt worden war.
Bereits im Februar 1991 gab es in Slowenien und Kroatien Parlamentsbeschlüsse zur
Unabhängigkeit. Im Mai wurden darauf hin Volksabstimmungen in beiden Republiken
eingeleitet, die jeweils Mehrheiten von über 90 Prozent für die Unabhängigkeit von
Jugoslawien ergaben.
1
In Folge dessen erklärten beide Länder ihren Austritt aus dem
jugoslawischen Staat und somit ihre staatliche Unabhängigkeit.
Die Jugoslawische Volksarmee startete darauf hin am 27. Juni 1991 eine Offensive in
Slowenien, welche die Unabhängigkeitsbestrebungen im Lande stoppen sollte. Besonders
betroffen war die Hauptstadt Ljubljana. Schon am 18. Juli zog sich die Bundesarmee jedoch
wieder aus Slowenien zurück.
In Kroatien war es bereits im Vorfeld des Unabhängigkeitsprozesses zur Bildung des
,,Autonomen Serbischen Gebietes Krajina" durch kroatische Serben gekommen. Nach der
Unabhängigkeitserklärungen Kroatiens begannen serbische Freischärler die hauptsächlich von
Serben bewohnte Krajina abzuriegeln und lieferten sich blutige Gefechte mit kroatischen
Polizeieinheiten.
Auch
in
Slawonien
kam
es
zu
derartigen
bewaffneten
Auseinandersetzungen. Es entwickelte sich ein Krieg, in dessen Verlauf die JNA auf Seiten
der serbischen Freischärler massiv eingriff.
2
1
Bezüglich der Volksabstimmung in Kroatien ist anzumerken, dass die serbische Minderheit, welche dort einen
Bevölkerungsanteil von 12 Prozent hatte, das Referendum boykottierte.
2
Anders als im ethnisch homogenen Slowenien konnte die JNA, deren Offizierkorps zu zwei Dritteln aus Serben
bestand, in Kroatien tatsächlich den ,,Schutz der serbischen Minderheit" für sich reklamieren. Den serbischen
Freischärlern lieferte die JNA logistische und waffentechnische Unterstützung. Die Hauptstadt Zagreb sowie
unter anderem die Städte Split, Dubrovnik und Vukovar wurden von der JNA massiv mit Artillerie beschossen.
Die Stadt Vukovar fiel nach 84 Tagen Belagerungszeit, in der die Stadt dem Erdboden gleich gemacht wurde, an
die serbische Seite. Vukovar sowie die in der Krajina gelegene Stadt Knin wurden ,,ethnisch gesäubert" und zu
serbischen Städten gemacht.

19
Dieser Krieg konnte erst im Januar 1992 im Zuge der völkerrechtlichen Anerkennung
Sloweniens und Kroatiens durch die internationale Gemeinschaft beendet werden.
3
Bosnien und Herzegowina nahm zu Beginn des Konfliktes um die Unabhängigkeit
Sloweniens und Kroatiens zunächst eine Vermittlerrolle zwischen Serbien und dessen
Verbündeten im Staatspräsidium
4
sowie den abtrünnigen Republiken ein. Gemeinsam mit
Mazedonien veröffentlichte die bosnische Regierung am 6. Juni 1991 einen
Kompromissvorschlag, nach dem Jugoslawien als Bundesstaat souveräner Republiken weiter
bestehen sollte. Die Republiken sollten die faktisch bestehenden und in der jugoslawischen
Verfassung von 1974 festgeschriebenen bisherigen jugoslawischen Republiken sein.
5
Bereits zwei Tage später wurde dieser Kompromiss mit der Begründung, er verletze
die Interessen des serbischen Volkes,
6
abgelehnt. Damit schienen endgültig alle
Möglichkeiten einer einvernehmlichen Verhandlungslösung erschöpft. Die Zusammenarbeit
im jugoslawischen Staatspräsidium gestaltete sich zunehmend schwieriger. Nachdem der
,,serbische Block", bestehend aus den Vertretern Serbiens, Montenegros, des Kosovo und der
Vojvodina, bereits die turnusgemäße Wahl des Kroaten Stipe Mesi zum Vorsitzenden des
Staatspräsidiums am 15. Mai 1991 blockiert und bis zum 30. Juni 1991 hinausgezögert hatte,
kam es am 3. Oktober 1991 zu einem Staatsstreich. Die Vertreter des ,,serbischen Blocks", die
genau die Hälfte aller stimmberechtigten Mitglieder des Präsidiums ausmachten, trafen sich
allein, ohne die Vertreter Sloweniens, Kroatiens, Bosniens und Mazedoniens und beschlossen,
dass das jugoslawische Staatspräsidium zukünftig allein auf Basis der Mehrheitsentscheidung
dieser vier Teilnehmer arbeiten werde. Das bedeutete, dass von nun an zwei der sechs
Republiken unter Einbeziehung der beiden zu Serbien gehörenden autonomen Provinzen die
übrigen vier Republiken dominieren konnten. Mit dieser Entscheidung war Jugoslawien
endgültig unter völliger serbischer Kontrolle.
3
Zu diesem Zeitpunkt war jedoch noch fast ein Drittel des kroatischen Territoriums serbisch besetzt,
vornehmlich die Krajina und große Teile Slawoniens. Diese Gebiete konnten erst später durch die kroatische
Armee zurück erobert werden. Am 1. Mai 1995 gelang die Rückeroberung Westslawoniens, gefolgt von
Vergeltungsschlägen der Krajina-Serben in Form von Raketenangriffen auf Zagreb. Am 4. August 1995 begann
die kroatische Armee eine Offensive zur Rückeroberung der Krajina, was innerhalb weniger Tage gelang. Im
November 1995 geriet schließlich auch Ostslawonien per Abkommen wieder unter kroatische Kontrolle.
4
Zum so genannten ,,serbischen Block" im jugoslawischen Staatspräsidium zählten die Republiken Serbien und
Montenegro sowie die ebenfalls im Gremium vertretenen autonomen Provinzen Kosovo und Vojvodina.
5
Zeitler, Klaus-Peter: Deutschlands Rolle bei der völkerrechtlichen Anerkennung der Republik Kroatien, S.47
6
Schließlich lebten demnach fast zwei Millionen Serben außerhalb der Grenzen Serbiens, darunter ca. 1,3
Millionen in Bosnien und Herzegowina und 550.000 in Kroatien.

20
Vor dem Hintergrund der Entwicklung in Slowenien und Kroatien sowie der inneren
Entwicklung in Jugoslawien mehrten sich auch in Bosnien und Herzegowina die Stimmen, die
eine völlige Unabhängigkeit des Landes von Jugoslawien forderten. Unter der nichtserbischen
Bevölkerung regte sich Unmut über das Vorgehen der JNA in Kroatien. Muslime und
bosnische Kroaten wollten nicht mehr in einem Staat bleiben, der Krieg gegen die eigenen
Staatsbürger führte, womöglich noch mit Hilfe der eigenen Steuergelder. Nach dem am 17.
September 1991 Mazedonien nach einem Volksentscheid seine Unabhängigkeit erklärt hatte,
vollzog auch Bosnien und Herzegowina am 15. Oktober diesen Schritt, allerdings ohne
vorherige Volksabstimmung. Lediglich die bosnischen Serben hielten ein offizielles
Referendum ab und sprachen sich darin gegen die Unabhängigkeit und für den Verbleib des
Landes im jugoslawischen Staate aus.
Nach Streitigkeiten innerhalb der Europäischen Gemeinschaft um eine Anerkennung
Sloweniens und Kroatiens sowie dem vorzeitigen Vollzug der Anerkennung durch die
Bundesrepublik Deutschland am 23. Dezember 1991, was zusätzlich Druck ausübte, kam es
schließlich am 15. Januar 1992 zur völkerrechtlichen Anerkennung der beiden neuen Staaten
durch die Regierungen der EG-Mitgliedsländer.
Ähnlich wie Slowenien und Kroatien strebte nun auch Bosnien und Herzegowina eine
internationale Anerkennung als souveräner Staat an. Für den Fall einer solchen Anerkennung
drohten die bosnischen Serben mit Krieg sowie der Angliederung der serbisch besiedelten
Gebiete in Bosnien und Herzegowina an Serbien.
Am 29. Februar und 1. März 1992 fand in Bosnien und Herzegowina ein die
Unabhängigkeit des Landes betreffendes Referendum statt. Die bosnischen Serben
blockierten die Abstimmung, so dass die Wahlbeteiligung nur 63 Prozent betrug. Für eine
Unabhängigkeit Bosnien und Herzegowinas sprachen sich 99 Prozent der
Abstimmungsteilnehmer aus. In Sarajevo gab es darauf hin die ersten Schusswechsel, auch in
Bosanski Brod und anderen Orten des Landes begannen die ersten heftigeren Gefechte.
Am 6. April 1992 kam es zur diplomatischen Anerkennung Bosnien und
Herzegowinas durch die Europäische Gemeinschaft. Einen Tag später wurde Bosnien und
Herzegowina zusammen mit Slowenien und Kroatien auch von den USA als souveräner Staat
anerkannt.

21
2.3. Der Beginn des Krieges und die Bildung nationaler Entitäten
Als am 6. April 1992 die EG-Staaten und am 7. April die USA Bosnien und Herzegowina
diplomatisch anerkannten, begann der Krieg in Bosnien und Herzegowina. Die Aggression
ging dabei von der serbischen Seite aus. Nachdem sich Bosnien und Herzegowina am 15.
Oktober 1991 für unabhängig erklärte, hatten die bosnischen Serben gedroht, im Falle einer
diplomatischen Anerkennung Bosnien und Herzegowinas die serbisch besiedelten Gebiete des
Landes an Serbien anzugliedern.
Bereits Ende 1991 gab es in Bosnien und Herzegowina einige ländliche Regionen, die
von der Führung der bosnischen Serben politisch kontrolliert wurden.
1
Hierzu gehörten die
Regionen um Drvar und Bosanski Petrovac, die Gegend um das hauptsächlich von Serben
bewohnte Banja Luka in Westbosnien sowie große Teile der Ostherzegowina. Ende 1991
kontrollierten die bosnischen Serben bereits ein Drittel des Territoriums Bosnien und
Herzegowinas.
Am 9. Januar 1992 proklamierten die bosnischen Serbenführer die ,,Serbische Republik in
Bosnien und Herzegowina", kurz ,,Republika Srpska" genannt; das Machtzentrum befand sich
in der ostbosnischen Kleinstadt Pale, unweit der bosnischen Hauptstadt Sarajevo gelegen. Die
,,Republika Srpska" sah sich im Kriegszustand mit Bosnien und Herzegowina. Am 27. April
erhielt der serbische Teilstaat seine erste eigene Verfassung. Die bosnischen Serben traten
nunmehr offen für die Teilung Bosnien und Herzegowinas ein und beanspruchten 66 Prozent
des Territoriums des Landes.
2
Die eigens gegründete ,,Armee der Republika Srpska" verfügte
bereits im April 1992 über eine Truppenstärke von 42.000 Mann.
Die Jugoslawische Volksarmee (JNA), die auf Seiten der bosnischen Serben stand,
hatte in Bosnien und Herzegowina bis zum Rückzug der Armee aus Kroatien eine
Mannschaftsstärke von rund 50.000 Mann. Obwohl die kroatischen und muslimischen
Soldaten größtenteils bis zum Herbst 1991 die Armee verlassen hatten, zählte die
,,Jugoslawische Armee" (VJ ­ diese Bezeichnung erhielt die Armee zu Beginn des Bosnien-
Krieges) im März 1992 knapp 100.000 Soldaten in Bosnien und Herzegowina.
3
Ergänzt
wurden die bereits anwesenden Truppen durch einige Hundert Spezialkräfte des serbischen
1
Die bosnischen Serben bezeichneten diese Regionen als ,,befreite Gebiete"; vgl. Mel i , Dunja (Hrsg.): Der
Jugoslawien-Krieg, Seite 352.
2
Petritsch, Wolfgang: Bosnien und Herzegowina 5 Jahre nach Dayton, Seite 29
3
Zahlenangaben gem. Mel i , Dunja (Hrsg.): Der Jugoslawien-Krieg, Seite 353 f.

22
Innenministers Petar Gra anin, die so genannten ,,Roten Barette", sowie durch diverse
Freischärlerverbände der serbischen Extremisten. Als wichtigste wären hier zu nennen: die
,,Tiger" unter der Führung von Zeljko Raznjatovi , besser bekannt unter dem Namen
,,Arkan"; die ebenfalls schon im Kroatien-Krieg aktiven ,, etnik"-Verbände des Chefs der
Serbischen Radikalen Partei", Vojislav Seselj; die ,,Weißen Adler" des Mirko Jovi ; die
,,Monarchisten" (,,Rojalisti") des Mihailo Mladenovi ; die ,,Serbische Garde" (,,Srpska
Garda"); die ,,Vukovarci" (Männer aus verschiedenen Einheiten, die vorher in Vukovar
gekämpft hatten) sowie die ,,Marti evci" (die Einheiten Milan Marti s aus Knin).
Nach der am 6. und 7. April erfolgten diplomatischen Anerkennung Bosnien und
Herzegowinas durch die Europäische Gemeinschaft und die USA kündigte das Oberhaupt der
,,Republika Srpska", Radovan Karadzi , an, mindestens zwei Drittel des Landes durch die
bosnisch-serbischen Truppen erobern zu lassen.
Die
serbischen
Militäreinheiten
hatten
zunächst
den
Auftrag,
die
Hauptsiedlungsgebiete der Serben in Bosnien und Herzegowina miteinander und schließlich
mit Serbien und Montenegro zu verbinden. Dabei wurden zunächst die Gebiete mit
bosniakischer Bevölkerungsmehrheit im Osten Bosnien und Herzegowinas von Fo a bis nach
Zvornik angegriffen. Nach dem Willen der bosnisch-serbischen Nationalisten sollten die
serbisch kontrollierten Gebiete in Bosnien und Herzegowina als ,,ethnisch reine" Gebiete an
Serbien angegliedert werden. Die nichtserbische Bevölkerung in diesen Gebieten wurde daher
unter grausamen Begleitumständen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. In diesem
Zusammenhang wird häufig der Begriff der ,,ethnischen Säuberungen" verwendet, der jedoch
beschönigend wirkt, da er die Begleitumstände der Eroberungen, nämlich Mord,
Vergewaltigungen und Raub, verschleiert, zumal es sich hier nicht um
,,Nebenerscheinungen", sondern um ein erklärtes politisches Ziel des Krieges handelte.
Für die ,,ethnischen Säuberungen" waren hauptsächlich die paramilitärischen Truppen
verantwortlich, die die zuvor von den regulären Truppen sturmreif geschossenen Ortschaften
besetzten.
In Serbien wurden an den Grenzen zu Bosnien und Herzegowina Verbände
zusammengezogen, um die muslimischen Siedlungsgebiete in Ostbosnien auch von dieser
Richtung her angreifen zu können. Ebenso wurde Sarajevo eingeschlossen. Die serbischen
Truppen kontrollierten bereits nach wenigen Tagen die wichtigsten strategischen Stellungen
im Land.

23
Am 8. April 1992, einen Tag nach der diplomatischen Anerkennung durch die USA, rief die
Regierung Bosnien und Herzegowinas die bestehenden örtlichen Territorialen
Verteidigungskräfte auf, sich zu einer regierungsloyalen Verteidigungsstreitkraft mit einem
zentralen Kommando umzustrukturieren. Daraufhin schlossen sich von 110 Bezirken in
Bosnien und Herzegowina 73 regionale Verteidigungskommandos, darunter auch die
Verbände der bosniakischen ,,Green Berets" und der ,,Patriotischen Liga", auf der
Regierungsseite zusammen und begründeten die ,,Armija BiH".
4
Dieser Zusammenschluss
von bisher unabhängig voneinander operierenden Gruppen bereitete am Anfang einige
Probleme, diese konnten jedoch bis Mitte Juni 1992 behoben werden.
Ebenso wie der Staat Bosnien und Herzegowina hatte auch die Armija BiH einen
multiethnischen Anspruch, was für die Kommandostruktur der Armee bedeutete, dass neben
Bosniaken auch bosnische Kroaten und sogar bosnische Serben in die Führung eingebunden
waren. Der bosnische Serbe Jovan Divjak und der bosnische Kroate Stjepan Siber wurden
gleich berechtige Vizekommandeure der bosnischen Armee unter dem muslimischen
Oberkommandierenden Sefer Halilovi .
5
Für die bosnischen Serben unter Karadzi war es
eine ungeheure Provokation, dass nunmehr ein Serbe in führender Position die Verteidigung
Sarajevos organisierte!
Da das Waffenembargo der Europäischen Gemeinschaft und der Vereinten Nationen gegen
Jugoslawien auch für Bosnien und Herzegowina galt, waren die Verteidiger von vorn herein
benachteiligt. Im Bereich der Handfeuerwaffen konnte die Armija BiH immerhin noch ein
Drittel der Feuerkraft der Truppen der serbischen Seite aufbringen, bei den schweren Waffen
waren es jedoch nicht einmal 10 Prozent. Bis Juni 1992 hatten sich zwar ungefähr 200.000
Freiwillige für die Armija BiH gemeldet, von denen jedoch ein Großteil wegen des Mangels
an Waffen wieder nach Hause geschickt werden musste.
Die UN muss sich daher den Vorwurf gefallen lassen, den Verlauf des Krieges
eindeutig vorgezeichnet zu haben, in dem das Waffenembargo nicht nur gegen den Aggressor,
sondern gegen alle beteiligten Personen angewandt wurde.
Auf die bosnischen Serben, denen sowohl die Waffen, als auch der Logistikapparat der
früheren JNA zur Verfügung stand, wirkte das Embargo, zynisch formuliert, wie eine
4
Volle Bezeichnung: ,,Armija Republike Bosne i Hercegovine" (,,Armee der Republik Bosnien und
Herzegowina")
5
Oberst Sefer Halilovi war ein ehemaliger Offizier der JNA. Im Kroatien-Krieg fielen die Angriffe auf die
Stadt Zadar in seinen Verantwortungsbereich. Seine Ernennung zum Oberbefehlshaber der Armija BiH war
daher unter den bosnischen Kroaten höchst umstritten.

24
,,Einladung zum Angriff". Lediglich in Gorazde, Zepa und Srebrenica konnte die Armija BiH
dem Ansturm der serbischen Truppen widerstehen. Srebrenica wurde zwar vorübergehend
von den Serben erobert, fiel aber später wieder an die Bosniaken.
Ein weiteres Angriffsziel der bosnischen Serben war Br ko. Der so genannte ,,Korridor von
Br ko" war für die serbische Strategie von enormer Wichtigkeit, denn er verband die serbisch
kontrollierten Gebiete in Ostbosnien mit denen um Banja Luka in Westbosnien sowie dem
serbisch besetzten, zu Kroatien gehörenden Ostslawonien
6
. Der nichtserbische
Bevölkerungsanteil in der Region um Br ko war zwar mit 44 Prozent Bosniaken und 25
Prozent Kroaten besonders hoch, dennoch hatten die Verteidiger, ein Verbund aus Einheiten
der Armija BiH und des kroatischen HVO
7
der gewaltigen serbischen Militärmaschinerie,
bestehend aus Einheiten der Armee der Republika Srpska, Teilen der Jugoslawischen Armee
und Arkan-Truppen, nicht viel entgegenzusetzen. Am 30. April 1992 konnten die bosnisch-
serbischen Truppen die Oberhand gewinnen und die Kontrolle über den ,,Korridor von Br ko"
übernehmen.
Im Mai und Juni 1992 konzentrierten sich die Angriffe der bosnischen Serben auf den Norden
und Nordwesten Bosnien und Herzegowinas. Der Bezirk von Bosanski Samac, in
unmittelbarer Nachbarschaft zu Br ko gelegen, hatte im April 1992 30.000 Einwohner, davon
45 Prozent Kroaten und 7 Prozent Bosniaken. Ende Mai, nach der Eroberung von Bosanski
Samac durch die bosnisch-serbischen Truppen, lebten nur noch rund 300 Nichtserben in der
Region.
8
Mit einem serbischen Anteil von mehr als 55 Prozent war der Bezirk von Banja Luka,
der zweitgrößten Bosnien und Herzegowinas nach Sarajevo, eine der Regionen, die sich
bereits vor Beginn des Krieges unter der politischen Kontrolle der bosnischen Serben
befanden. Nach Westen hin verdichtete sich der muslimische Anteil an der Bevölkerung
jedoch wieder. In Prijedor lebten 44 Prozent Bosniaken, in Sanski Most 47 Prozent, in Biha
bestand die Bevölkerung sogar zu mehr als 80 Prozent aus Muslimen. Südlich von Biha , in
dem sehr dünn besiedelten Karstgebiet um Bosanski Petrovac und Drvar stellten die Serben
dagegen 90 Prozent der Bevölkerung.
6
Siehe Karte Nr.4 ,,Bosnien und Herzegowina nach dem Vertrag von Dayton und Frontverlauf 1995" im
Anhang
7
,,Hrvatsko Vije e Obrane", ,,Kroatischer Verteidigungsrat"; kroatische Streitkräfte in Bosnien und
Herzegowina
8
Rathfelder, Erich: Der Krieg an seinen Schauplätzen; in Mel i , Dunja (Hrsg.): Der Jugoslawien-Krieg, S. 356

25
Diese Gegebenheiten sollten die bosnisch-serbischen Truppen nutzen, in dem sie
beabsichtigten, von Prijedor aus in Richtung Sanski Most und Klju bis nach Bosanski
Petrovac vorzustoßen, um so die Verbindung zur serbischen besetzten Krajina in Kroatien
herzustellen. Eine zweite Verbindung zu den serbisch besetzten Gebieten in Kroatien sollte
durch ein Vordringen in das Gebiet um Bosanski Novi und Bosanska Krupa gewährleistet
werden.
Der Vormarsch der bosnischen Serben verlief wie geplant, die Ziele in Westbosnien
waren bis Anfang Juni 1992 im wesentlichen erreicht, lediglich die Bewohner der Region um
Biha und Velika Kladusa konnten sich dem serbischen Angriff widersetzen. Mit der
Eroberung von Jajce im November 1992 schlossen die bosnisch-serbischen Truppen ihre
Offensive vorerst ab.
Wie bereits zuvor in Ostbosnien wurde die im ,,Korridor von Br ko" sowie in den eroberten
Gebieten Nord- und Westbosniens lebende nichtserbische Bevölkerung auf grausame Art und
Weise vertrieben. In Omarska, Manja a, Keraterm, Brezovo Polje, Luka (bei Br ko) und
einigen anderen Orten wurden Konzentrationslager errichtet, in denen die nichtserbische
Bevölkerung der besetzten Gebiete, die nicht in der Lage war zu fliehen, einem
systematischen Terror unterworfen wurde.
Die nunmehr durch die bosnischen Serben eroberten und kontrollierten Gebiete umfassten
rund 70 Prozent des Territoriums Bosnien und Herzegowinas. Die Hauptstadt Sarajevo war
von serbischen Truppen eingeschlossen, ebenso die Städte Biha , Srebrenica und Zepa, die zu
bosniakischen Enklaven geworden waren. Gorazde, Zenica und Tuzla hatten lediglich über
völlig unzureichende Versorgungswege einen Kontakt zur Außenwelt. Die in der
nordbosnischen Posavina-Region nahe dem ,,Korridor von Br ko" lebende kroatische
Bevölkerung war auf der Flucht, lediglich die Stadt Orasje konnte von bosnisch-kroatischen
Truppen gehalten werden.
Die Westherzegowina befand sich dagegen fest in kroatischer Hand. Der kroatische
Bevölkerungsanteil betrug hier in vielen Gebieten mehr als zwei Drittel.
9
Der HVO, in der
9
Siehe Karte Nr.1 ,,Ethnische Struktur Bosnien und Herzegowinas vor dem Krieg 1991" im Anhang

26
Westherzegowina gegründet, verfügte in der Region über eine Truppenstärke von 15.000
Mann, unterstützt von Soldaten der Kroatischen Armee (HV) in etwa gleicher Zahl.
10
Im Februar 1992 wurde Mate Boban neuer Vorsitzender der HDZ BiH. Boban, der eng mit
dem kroatischen Verteidigungsminister Gojko Susak zusammenarbeitete, vertrat deutlich
nationalere Positionen als sein Vorgänger Stjepan Kljui und versuchte nunmehr, alle
kroatisch besiedelten Gebiete in Bosnien und Herzegowina in seinen Einflussbereich zu
bringen. Unter Bobans Führung zeichnete bereits die Bildung der kroatischen Entität
,,Herceg-Bosna" ab. Die autonomen kroatischen Gebiete wurden unabhängig von der
Regierung in Sarajevo verwaltet, als Währung galt seit November 1991 der kroatische Dinar.
Militärisch kooperierten die bosnischen Kroaten zu dieser Zeit noch mit den
Bosniaken. Gemeinsam kämpften der HVO und die Einheiten der paramilitärischen
,,Kroatischen Verteidigungskräfte" (HOS), dem bewaffneten Arm der ,,Kroatischen
Rechtspartei" (HSP), an der Seite der Armija BiH gegen die bosnisch-serbischen Truppen. Im
Gegensatz zu anderen Gebieten in Bosnien und Herzegowina gelang den verbündeten
kroatisch-bosniakischen Streitkräften die Rückeroberung Mostars im Juni 1992. Einheiten der
HOS konnten sogar weit in die serbisch kontrollierte Ostherzegowina vordringen und Anfang
August 1992 die nordöstlich des kroatischen Dubrovnik gelegene Stadt Trebinje erobern.
Dieser militärische Erfolg für die bosnischen Kroaten wurde jedoch vor dem Hintergrund
eines Machtkampfes des HVO mit den paramilitärischen HOS wieder zunichte gemacht. Am
9. August 1992 wurden der Kommandeur der HOS-Truppen, Blaz Kraljevi , sowie ein
Großteil seiner Unterführer von Einheiten des HVO in der Nähe von itluk in einen
Hinterhalt gelockt und ermordet.
11
Dieses Attentat bedeutete das Ende der HOS, Trebinje fiel
wieder an die bosnischen Serben.
10
Am 16. Juni 1992 unterzeichneten der kroatische Präsident Tu man und der Präsident Bosnien und
Herzegowinas, Izetbegovi , den Vertrag über ein Bündnis, welches die Beteiligung der Kroatischen Armee (HV)
bei der Beteiligung des Landes rechtmäßig machte.
11
Die heute am plausibelsten erscheinende Vermutung, das Attentat auf die HOS-Führung sei von
Spezialeinheiten des HVO im Auftrage Mate Bobans verübt worden, ist von der beschuldigten Seite nie
dementiert worden. Als Grund für den Machtkampf zwischen dem HVO und den HOS gelten die verschiedenen
Vorstellungen bezüglich der Zukunft Kroatiens sowie Bosnien und Herzegowinas. Während Mate Boban,
unterstützt durch den HVO, die so genannte ,,kleine großkroatische Lösung", d.h. die Angliederung der kroatisch
besiedelten Gebiete in Bosnien und Herzegowina an Kroatien favorisierte, vertraten die HSP und die HOS die
,,maximalistische Strategie", welche sich auf das Erbe des Ustasa-Staates berief. Demnach sollte, gemeinsam mit
den Bosniaken, ein großkroatischer Staat geschaffen werden, der Bosnien und Herzegowina komplett einschloss.

27
Ende Juni 1992, unmittelbar nach dem militärischen Erfolg der kroatisch-bosniakischen
Truppen in Mostar, begann man auf Seiten der Tu man-Administration, unterstützt durch die
national gesinnte Führung der bosnischen Kroaten unter Mate Boban, Druck auf den
Präsidenten Bosnien und Herzegowinas, Alija Izetbegovi , auszuüben, in eine ­ nicht näher
bestimmte ­ Konföderation mit Kroatien einzutreten. Nachdem Izetbegovi die Absichten
Zagrebs ablehnte, rief die bosnisch-kroatische Führung in der Westherzegowina die
,,Kroatische Gemeinschaft Herceg-Bosna" aus, was jedoch noch keine Staatsgründung
bedeutete, sondern lediglich eine ,,provisorische Lösung" darstellen sollte.
12
Zu diesem
Zeitpunkt gab es bereits die ersten Auseinandersetzungen der bosnischen Kroaten, die
Anspruch auf Mostar als Hauptstadt von Herceg-Bosna erhoben, mit den dort lebenden
Bosniaken, deren Bevölkerungsanteil in der Region Mostar bei fast 50 Prozent lag. Das
Bündnis der bosnisch-kroatischen Truppen mit der Armija BiH begann ins Wanken zu
geraten.
12
Die Ausrufung der ,,Republik Kroatische Gemeinschaft Herceg-Bosna" als Staat wurde erst am 24. August
1993 vollzogen.

28
2.4. Die Rolle der Nachbarstaaten Serbien und Kroatien im Bosnien-Krieg
Wie im Abschnitt 2.1. dargestellt, gab es in Bosnien und Herzegowina Ende 1991, vor
Ausbruch des Krieges, einen Bevölkerungsanteil von ungefähr 32 Prozent Serben sowie etwa
18 Prozent Kroaten. Die bosnischen Serben und die bosnischen Kroaten gehörten neben den
Muslimen zu den staatstragenden Nationen in Bosnien und Herzegowina
Aus diesem Grunde ist es notwendig zu betrachten, welche Rolle Serbien und das
nunmehr unabhängige Kroatien ­ beide sind Nachbarstaaten Bosnien und Herzegowinas ­ im
Bosnien-Krieg spielten, was in diesem Abschnitt geschehen soll.
Nach dem Tode Titos wurden in den jugoslawischen Republiken die bisher mit aller Härte
unterdrückten nationalen Stimmen wieder lauter. Während sich in Slowenien und Kroatien
Demokratiebewegungen entwickelten, die die kommunistischen Strukturen reformieren
wollten und später, auf dem Boden der Verfassung von 1974, auch Forderungen nach
nationaler Eigenständigkeit stellten, formierte sich in Serbien eine radikale
Nationalbewegung, die den Anspruch serbischer Dominanz in Jugoslawien erhob und sich
dabei auf die Tatsache stützte, dass die Serben das zahlenmäßig größte Volk in Jugoslawien
darstellten. 1987 gelang es Slobodan Milosevi , dem neuen Chef der Serbischen
Kommunistischen Partei, sich an die Spitze dieser Bewegung zu setzen. Milosevi schaffte es,
das serbische Volk für eine Verfassungsreform zu gewinnen, durch die die Autonomierechte
des Kosovo und der Vojvodina erheblich beschnitten wurden.
1
In dem Milosevi in seinen Reden immer wieder auf den ,,Kosovo-Mythos", d.h. auf
den Mythos von der Opferrolle der serbischen Nation verwies, sowie von der Verteidigung
Serbiens und Europas gegen die ,,islamische Gefahr" sprach, konnte er die Bevölkerung auch
für andere nationalistische Ziele mobilisieren.
Mit Beginn der innenpolitischen Krise in Jugoslawien, in deren Zusammenhang der
Bestand des Vielvölkerstaates in Frage gestellt wurde, bestand die Hauptbotschaft der
serbischen Nationalbewegung in der Ankündigung, die in den anderen Republiken
Jugoslawiens lebenden Serben könnten auf den Beistand aus Belgrad hoffen, sollte
Jugoslawien zerfallen.
2
In Kroatien sowie in Bosnien und Herzegowina, wo es jeweils
1
Die diesbezüglich geänderte serbische Verfassung verstieß damit eklatant gegen die jugoslawische
Bundesverfassung, welche den Provinzen Kosovo und Vojvodina nicht nur umfangreiche Autonomierechte
einräumte, sondern ihnen sogar, gleichberechtigt mit den Republiken, jeweils eine Stimme im jugoslawischen
Staatspräsidium zugestand. Siehe hierzu Abschnitt 2.2.
2
Petritsch, Wolfgang: Bosnien und Herzegowina 5 Jahre nach Dayton, Seite 24

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832465261
ISBN (Paperback)
9783838665269
Dateigröße
4.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität der Bundeswehr München, Neubiberg – Sozialwissenschaften
Note
1,7
Schlagworte
jugoslawien balkan sfor kroatien serbien
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Titel: Die Entwicklung des Friedensprozesses in Bosnien und Herzegowina nach dem Abkommen von Dayton
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