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Die Geschichte des deutschen Stiftungswesens am Beispiel der Carl-Zeiss-Stiftung

©2002 Magisterarbeit 121 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Das Bedürfnis, etwas Bleibendes zu schaffen, was das eigene Leben überdauert, liegt in der Natur der Menschen. Sie geben beispielsweise ein wirtschaftliches Vermögen für einen bestimmten Zweck und legen fest, dass es auf Dauer dafür genutzt werden soll. Die historische Entwicklung von Stiftungen lässt sich zurückverfolgen bis in die Antike. Auch das deutsche Stiftungswesen blickt auf eine tausendjährige Tradition zurück. Die älteste noch existierende Stiftung sind die Vereinigten Pfründehäuser in Münster, welche um 900 gegründet wurden.
Spaziert man durch die thüringische Stadt Jena, bewegt man sich auf den Spuren einer Reihe großer Wissenschaftler und Künstler. Schriftzüge an Gebäuden, Straßen- und Hinweisschildern sind Denkmäler für bedeutende Menschen wie zum Beispiel Goethe und Schiller. Und auch die herausragenden Unternehmer Ernst Abbe, Carl Zeiss und Otto Schott sind zahlreich vertreten. Die Gründer der Firmen „Carl Zeiss. Optische Werkstätten“ und „Jenaer Glaswerke Schott & Genossen“ schufen ein Vermögen, das Ernst Abbe einst der Carl-Zeiss-Stiftung widmete.
Diese Arbeit soll die Geschichte des deutschen Stiftungswesens bis heute skizzieren und die Carl-Zeiss-Stiftung als ein bedeutendes Beispiel einordnen. Für das moderne Stiftungswesen wurden über viele Jahrhunderte hinweg die Voraussetzungen geschaffen. Der heutige Stiftungsbegriff bildete sich allerdings erst im 19. Jahrhundert heraus. Es wird von der Zeit der Wiedergeburt, der Neubegründung, des Umbruchs, der Blüte gesprochen. In den Jahren des ausgehenden 19. Jahrhunderts entstand auch die Carl-Zeiss-Stiftung. Als unmittelbare Unternehmensträgerstiftung betreibt sie zwei Unternehmen als Einzelkaufmann und erbringt umfangreiche soziale Leistungen für die Belegschaft sowie für die Bevölkerung der Umgebung. Außerdem fördert sie die feintechnische Industrie sowie Wissenschaft, Forschung und Kultur. Sie ist die erste und bisher einzige dieser Konzeption. Die Zeiss-Stiftung ist eine von wenigen, welche die Kriege, Diktaturen und Inflationen bis heute überlebt hat. Ihre Besonderheiten sowie die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zum Stiftungswesen in Deutschland sollen hier deutlich werden.
Unzählige Werke setzen sich mit Stiftungen und deren Geschichte auseinander. Und keines der aufgeführten lässt die Carl-Zeiss-Stiftung unerwähnt. Ich beziehe mich hier vor allem auf Arbeiten der Bertelsmann Stiftung, des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen sowie der Autoren […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6215
Kleinschmidt, Daniela: Die Geschichte des deutschen Stiftungswesens am Beispiel der
Carl-Zeiss-Stiftung
Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Leipzig, Universität, Magisterarbeit, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

INHALTSVERZEICHNIS
1.
Einleitung
1
2.
Der
Stiftungsbegriff
heute 6
2.1
Begriffsbestimmung
6
2.2
Wesensmerkmale
7
2.3
Formenvielfalt
10
3.
Entwicklung des Stiftungswesens in Deutschland
13
3.1
Stiftungen von der Antike bis zum 19. Jahrhundert
13
3.1.1
Stiftungen in der Antike
13
3.1.2
Stiftungen im Mittelalter
16
3.1.3
Stiftungen in der Neuzeit
18
3.2.
Stiftungen seit dem 19. Jahrhundert
21
3.2.1
Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts
21
3.2.2
Von der Jahrhundertmitte bis zum Ersten Weltkrieg
24
3.2.3
Vom Ersten Weltkrieg bis zur Machtergreifung der
Nationalsozialisten
27
3.2.4
Unter nationalsozialistischer Herrschaft
29
3.2.5
Die Nachkriegszeit
32
3.2.6
Die Deutsche Demokratische Republik
33
3.2.7
Die Bundesrepublik Deutschland
35
3.3
Stiftungen
heute
37
3.4
Die
Unternehmensträgerstiftung
39
3.4.1
Der Begriff
39
3.4.2
Die Entwicklung
39
3.4.3
Motive für die Errichtung
41

II
3.4.4
Die Formen
41
4.
Die
Carl-Zeiss-Stiftung
42
4.1
Die
Ausgangslage
42
4.1.1
Die Werke Zeiss und Schott und ihre Gründer
42
4.2.
Die Gründung der Carl-Zeiss-Stiftung
46
4.2.1
Motive und Ziele Ernst Abbes
46
4.2.2
Die Vorverhandlungen
47
4.2.3
Das Statut
50
4.3
Die Carl-Zeiss-Stiftung als Unternehmensträgerstiftung
53
4.4
Die Entwicklung der Carl-Zeiss-Stiftung
54
4.4.1
Die Zeit bis zum Tod Ernst Abbes 1905
55
4.4.2
Die Zeit bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten1933 57
4.4.3
Unter nationalsozialistischer Herrschaft
61
4.4.4
Die Nachkriegszeit
63
4.4.5
Der Rechtsstreit
64
4.4.6
Die Carl-Zeiss-Stiftung Jena
66
4.4.7
Die Carl-Zeiss-Stiftung Heidenheim an der Brenz
68
4.5
Die
Carl-Zeiss-Stiftung
heute
69
4.6
Die
Ernst-Abbe-Stiftung
72
5.
Schlussbetrachtung
74
Anhang: Das aktuelle Statut der Carl-Zeiss-Stiftung
IV
Literaturverzeichnis
XXXIII
Quellenverzeichnis
XL

1
1. EINLEITUNG
Das Bedürfnis, etwas Bleibendes zu schaffen, was das eigene Leben überdauert,
liegt in der Natur der Menschen. Sie geben beispielsweise ein wirtschaftliches
Vermögen für einen bestimmten Zweck und legen fest, dass es auf Dauer dafür
genutzt werden soll.
1
Die historische Entwicklung von Stiftungen lässt sich
zurückverfolgen bis in die Antike. Auch das deutsche Stiftungswesen blickt auf
eine tausendjährige Tradition zurück. Die älteste noch existierende Stiftung sind
die Vereinigten Pfründehäuser in Münster, welche um 900 gegründet wurden.
2
Spaziert man durch die thüringische Stadt Jena, bewegt man sich auf den Spuren
einer Reihe großer Wissenschaftler und Künstler. Schriftzüge an Gebäuden,
Straßen- und Hinweisschildern sind Denkmäler für bedeutende Menschen wie
zum Beispiel Goethe und Schiller. Und auch die herausragenden Unternehmer
Ernst Abbe, Carl Zeiss und Otto Schott sind zahlreich vertreten. Die Gründer der
Firmen ,,Carl Zeiss. Optische Werkstätten" und ,,Jenaer Glaswerke Schott &
Genossen" schufen ein Vermögen, das Ernst Abbe einst der Carl-Zeiss-Stiftung
widmete.
Diese Arbeit soll die Geschichte des deutschen Stiftungswesens bis heute
skizzieren und die Carl-Zeiss-Stiftung als ein bedeutendes Beispiel einordnen. Für
das moderne Stiftungswesen wurden über viele Jahrhunderte hinweg die
Voraussetzungen geschaffen. Der heutige Stiftungsbegriff
3
bildete sich allerdings
erst im 19. Jahrhundert heraus. Es wird von der Zeit der Wiedergeburt, der
Neubegründung, des Umbruchs, der Blüte gesprochen. In den Jahren des
ausgehenden 19. Jahrhunderts entstand auch die Carl-Zeiss-Stiftung. Als
unmittelbare Unternehmensträgerstiftung
4
betreibt sie zwei Unternehmen als
Einzelkaufmann und erbringt umfangreiche soziale Leistungen für die Belegschaft
sowie für die Bevölkerung der Umgebung. Außerdem fördert sie die feintechnische
1
Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. S. 1/ Strachwitz, R. Graf: Stiftungen - nutzen, führen,
errichten. S. 10.
2
Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hg.): Zahlen, Daten, Fakten. S. 11.
3
Erler/Kaufmann: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte. Spalte 1980: "Die Stiftung im
heutigen deutschen Recht kennzeichnet es, daß ein vom Stifter bestimmter Zweck mit Hilfe eines
dazu gewidmeten Vermögens und einer dafür geschaffenen Organisationsform auf Dauer
gefördert werden soll. Als Rechtsperson eigener Art ist dadurch die selbständige Stiftung von den
verbandsmäßig organisierten juristischen Personen (Körperschaft) des Vereins- und
Gesellschaftsrechts unterschieden. Als `unselbständige Stiftungen' gelten daneben Vermögen, die
dauerhaft einem Zweck gewidmet werden, ohne eigene Rechtspersönlichkeit zu erlangen."

2
Industrie sowie Wissenschaft, Forschung und Kultur. Sie ist die erste und bisher
einzige dieser Konzeption. Die Zeiss-Stiftung ist eine von wenigen, welche die
Kriege, Diktaturen und Inflationen bis heute überlebt hat. Ihre Besonderheiten
sowie die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zum Stiftungswesen in
Deutschland sollen hier deutlich werden.
Unzählige Werke setzen sich mit Stiftungen und deren Geschichte auseinander.
Und keines der aufgeführten lässt die Carl-Zeiss-Stiftung unerwähnt. Ich beziehe
mich hier vor allem auf Arbeiten der Bertelsmann Stiftung, des Bundesverbandes
Deutscher Stiftungen sowie der Autoren Campenhausen, Liermann, Schiller,
Schulte und Strachwitz. Aber auch die vier Bände "Deutsches Stiftungswesen.
Wissenschaft und Praxis", Gesetzestexte und viele weitere Abhandlungen liegen
dem ersten Teil meiner Ausführungen zugrunde.
Auch die Literatur zur Unternehmensträgerstiftung beschäftigt sich lückenlos mit
der Carl-Zeiss-Stiftung. Sie war die erste und letzte ihrer Art in Deutschland.
Erläuterungen dazu findet man bei Berndt, Heuel, Rüd/ Schuck, Schlinkert, Steuck
und Strickrodt.
Die Carl-Zeiss-Stiftung speziell betreffend gibt es eine Reihe von Arbeiten zu den
Firmengründern, zur Werksgeschichte der Firmen Zeiss und Schott sowie zu den
Erzeugnisgruppen der Betriebe. Lediglich ein geringer Teil dieser Literatur kann
hier berücksichtigt werden (Abbe, Hellmuth/ Mühlfriedel/ Walter, Hermann,
Markowski, Stolz/ Wittig). Von größerer Bedeutung sind die Abhandlungen zur
Stiftung selbst. Friedrich Schomerus zitiert und erläutert Briefe und Dokumente
aus der Gründerzeit und äußert zu den Firmen sowie der Stiftung. Darauf geht
auch Felix Auerbach in mehreren Auflagen von 1903 bis 1925 ein.
Rechtswissenschaftliche Ausführungen machen Wolfgang Bernet, Walter David
und Frank Heintzeler.
Im geteilten Deutschland existierte im Osten (Jena) sowie im Westen (Heidenheim
an der Brenz) eine Carl-Zeiss-Stiftung. Sie erkannten sich gegenseitig nicht an
und führten jahrelange Rechtsstreitigkeiten. Daraus resultiert einerseits Literatur
aus Jenaer Sicht. Sie wurde herausgegeben von der Carl-Zeiss-Stiftung Jena oder
dem VEB Carl Zeiss Jena bzw. verfasst von Wolfgang Bernet, Wolfgang
Biermann, Franklin Borrmann, Gerhard Esche und Kurt Konschil. Andererseits gibt
es Werke aus dem Blickwinkel der Vertreter aus Baden-Württemberg. Diese
4
Heuel: Die Entwicklung der Unternehmensträgerstiftung in Deutschland. S. 18.

3
wurden herausgegeben von der Carl-Zeiss-Stiftung Heidenheim bzw. verfasst von
Walter David, Helmut Troeger und Frank Heintzeler. In einer Vielzahl von
Pressebeiträgen, Internetseiten, Geschäftsberichten und Imagebroschüren findet
man weitere Informationen über die Zeiss-Stiftung und die daraus
hervorgegangene Ernst-Abbe-Stiftung. Auch der Bundesverband Deutscher
Stiftungen e.V., die Maecenata GmbH, das Stadt- und Verwaltungsarchiv Jena,
das Archiv der Carl Zeiss Jena GmbH, die Mitarbeiter der Ernst-Abbe-Stiftung
sowie das Personal der Kommunikationsabteilungen der Firmen Schott Glas
Mainz und Carl Zeiss Oberkochen haben mir entscheidend weiter geholfen.
Ansätze zur Einordnung der Carl-Zeiss-Stiftung in die historische Entwicklung des
Stiftungswesens in Thüringen sind nur in einem Aufsatz von Gerhard Lingelbach
5
zu finden. Als Jurist an der Friedrich-Schiller-Universität Jena betrachtet er das
Thema aber vorrangig aus rechtswissenschaftlicher Sicht.
Der Werdegang der Carl-Zeiss-Stiftung in den verschiedenen politischen
Systemen von ihrer Gründung bis heute, eingebettet in das Stiftungswesen
allgemein und speziell in die Entwicklung der Unternehmensträgerstiftung, ist
bisher nicht in wissenschaftlichen Schriften behandelt worden. Aufgrund des
vorgegebenen Umfangs kann diese Arbeit allerdings lediglich einen groben
Überblick darüber geben.
Beschäftigt man sich mit Stiftungen, ist es unausweichlich, sich auch mit dem
Stiftungsrecht und dessen Geschichte auseinander zu setzen, um das Wesen, die
Bedeutung und die Grundlagen in den verschiedenen Epochen und Kulturen zu
verstehen. Die überwiegende Zahl der stiftungsgeschichtlichen Werke sind daher
auf rechtswissenschaftlicher Basis. Der rechtshistorische Blickwinkel soll in dieser
kulturhistorischen Arbeit allerdings den nötigen Rahmen nicht überschreiten.
Neben der Stiftungs- und Rechtsgeschichte wird hier auch ansatzweise die
Stadtgeschichte Jenas und die Werksgeschichte der Firmen Zeiss und Schott
thematisiert.
Bei der Bearbeitung des Problems soll deskriptiv und hermeneutisch vorgegangen
werden. Die Literatur zum Thema Stiftungen, Stiftungsgeschichte und Carl-Zeiss-
Stiftung wird beschreibend wiedergegeben oder in Bezug auf die Problemstellung
interpretiert.
5
Lingelbach: Stiftungen in Thüringen. In: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hg.): Ein
modernes Stiftungsprivatrecht zur Förderung und zum Schutz des Stiftungsgedankens. S. 50-70.

4
Zunächst wird eine Definition des heutigen Stiftungsbegriffs gegeben. Es soll eine
Typologie erarbeitet werden, welche die Merkmale und Formen von Stiftungen
erläutert.
Ausgehend von dieser Begriffsbestimmung folgt ein kurzer chronologischer Abriss
zum Stiftungswesen von der Antike über das Mittelalter bis zur Neuzeit. Diese
Vorgeschichte soll deutlich machen, wann und warum sich welche Elemente der
heutigen Stiftungen entwickelt haben und warum man von einer Neubegründung
im 19. Jahrhundert redet.
Der nächste Teil meiner Ausführungen erarbeitet die Entwicklung des
Stiftungswesens in folgenden Zeitabschnitten: die erste Hälfte des 19.
Jahrhunderts; von der Jahrhundertmitte bis zum Ersten Weltkrieg; vom Ersten
Weltkrieg bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten; unter
nationalsozialistischer Herrschaft; die Nachkriegszeit; die Bundesrepublik
Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik. Es wird dabei auf die
Vorgänge im Bundesland Baden-Württemberg und heutigen Thüringen
eingegangen, da die Carl-Zeiss-Stiftung dort ihren Sitz hatte und noch immer hat.
Daran schließt eine kurze Darstellung der heutigen Situation von Stiftungen an.
Hier sollen einige statistische Daten sowie die Funktion, Aufgabe und Bedeutung
der Stiftungen im Vordergrund stehen. Eine ganze Reihe weiterer
Themenbereiche in Bezug auf die Stiftung im 21. Jahrhundert müssen
unberücksichtigt bleiben.
Besondere Beachtung findet die Unternehmensträgerstiftung, deren Entwicklung,
Errichtungsmotive und Formen, um die Carl-Zeiss-Stiftung als eine Vertreterin
dieser Art einordnen zu können.
Der vierte Abschnitt der Arbeit geht speziell auf die Carl-Zeiss-Stiftung ein. Sie soll
in die allgemeinen Ereignisse in Deutschland einordnet werden. Die Gründung der
Firmen "Carl Zeiss. Optische Werkstätten" und "Jenaer Glaswerke Schott &
Genossen" bilden die Ausgangslage für die Errichtung der Stiftung im Jahre 1889
durch Ernst Abbe. Die Gründer der Werke, Carl Zeiß
6
, Ernst Abbe und Otto
Schott, schufen mit ihrer Arbeit die Voraussetzungen für diese Institution. Deshalb
6
Mühlfriedel/Walter (Hg.): Carl Zeiss. Die Geschichte eines Unternehmens. Band 1. S.1.: Carl Zeiß
schrieb seinen Familiennamen mit "ß". Der Firmenname wurde schon in ersten Prospekten mit "ss"
geschrieben. Der Sohn Roderich behielt die Schreibweise des Vaters bis Mitte der 1880er Jahre
bei. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Firmenname und auch sein Familienname mit "ss"
geschrieben.

5
werden entscheidende Ereignisse ihres Lebens und die Bedeutung ihres
Lebenswerkes zu Beginn skizziert.
Anschließend geht es um die Gründung der Zeiss-Stiftung. Motive und Ziele Ernst
Abbes sowie die Vorverhandlungen sind dabei zu betrachten. 1896 wurde das
Statut der Stiftung der Öffentlichkeit übergeben. An dieser Erstausgabe wurden
häufig Änderungen
7
vorgenommen. Die heutige Version ist im Anhang zu finden.
Anhand ausschlaggebender Bestimmungen soll das Wesen der Carl-Zeiss-
Stiftung erläutert werden. Typisches und Besonderes im Vergleich zu den
dargestellten Stiftungsmerkmalen wird herausgearbeitet.
Die Carl-Zeiss-Stiftung war die erste neuzeitliche Unternehmensstiftung. Sie wird
als Wegweiserin der Entwicklung unternehmensverbundener Stiftungen im 19.
Jahrhundert bezeichnet.
8
Ihre besondere Stellung soll unter Punkt 4.3 verdeutlicht
werden.
Der nächste Abschnitt beinhaltet eine chronologische Abhandlung der Entwicklung
der Stiftung. Die Zeiträume sind folgendermaßen abgesteckt: 1896 bis zum Tod
Ernst Abbes 1905; 1905 bis zur Machtergreifung 1933; die Zeit des
Nationalsozialismus und die Nachkriegszeit. Der Rechtsstreit der beiden Zeiss-
Stiftungen in Jena und Heidenheim soll anschließend aus beiden Blickwinkeln
beleuchtet werden. Außerdem wird etwas zu den Entwicklungen im ostdeutschen
Jena und im westdeutschen Heidenheim, Mainz und Oberkochen gesagt, wo die
Sitze von Stiftung und Firmen waren.
Abschließend interessiert die heutige Carl-Zeiss-Stiftung mit dem Sitz in Jena und
Heidenheim sowie die Ernst-Abbe-Stiftung in Jena, die 1992 das nichtindustrielle
Vermögen der Zeiss-Stiftung übernommen hat. Das Wesen und die Aktivitäten der
Stiftungen werden aufgezeigt und erläutert.
7
In den Jahren 1905, 1931, 1935, 1948, 1955, 1959, 1974, 1978, 1987 und 1996 wurden
verschiedene Artikel des Statuts verändert.
8
Berndt: Stiftung und Unternehmen. S. 353./ siehe auch: Erler/Kaufmann: Handwörterbuch zur
Deutschen Rechtsgeschichte. Spalte 1989./Heuel: Die Entwicklung der
Unternehmensträgerstiftung in Deutschland. S. 18 ff./Schlinkert: Stiftung und Verein als
Unternehmensträger. S 24./Steuck: Die Stiftung als Rechtsform für wirtschaftliche Unternehmen.
S. 22.

6
2. DER STIFTUNGSBEGRIFF HEUTE
Eine Typologie zum Begriff der Stiftung soll zu Beginn deutlich machen, welche
Merkmale und Formen seit dem 19. Jahrhundert dieses Rechtsgebilde
kennzeichnen. Ausgehend von dem heutigen Begriff wird der dritte Teil später die
historische Entwicklung in Deutschland verständlich machen.
2.1 Begriffsbestimmung
Die Worte "stift" und "stiften" waren bereits im frühen Mittelalter gebräuchlich und
das Wort "stiftung" spätestens im 14. Jahrhundert.
9
Ein Stift ist ein Kollegium von
kanonisch lebenden Klerikern. Diese versehen gemeinsam den Chordienst an
einer Kirche. Für die Konstituierung der Stifte waren einerseits die Regeln, die das
Gemeinschaftsleben gestalten und andererseits die Ausgestaltung des Kollegiums
mit einer Vermögensmasse von besonderer Bedeutung.
10
Seit vielen
Jahrhunderten geben also Menschen Vermögen, die auf Dauer für einen
bestimmten Zweck genutzt werden sollen.
11
Heute existieren im allgemeinen Sprachgebrauch mehrere Bedeutungen des
Begriffes "Stiftung". Er dient als Bezeichnung für das Rechtsgebilde, d.h. die
juristische Person. Außerdem steht er für den Vorgang ihrer Entstehung
(Stiftungsgeschäft). Im weiteren Sinne wird die Stiftung auch als "Art der
freiwilligen Entäußerung von Vermögensgegenständen" verstanden.
12
Handlungen
wie Schenken und Spenden werden damit verknüpft. Genauer differenziert spricht
man von der Widmung einer Vermögensmasse zu einem bestimmten Zweck.
13
Gesellschaftlich betrachtet distanziert sich der Mensch mit der sozialen Handlung
des Stiftens von einem Privatvermögen, wobei er aber über die weitere
Verwendung selbst verfügt.
14
9
Erler/Kaufmann: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte. Spalte 1980./ siehe auch:
Schulze: Historischer Hintergrund des Stiftungsrechts. In: Goerdeler u.a.: Deutsches
Stiftungswesen 1977-1988. S. 31.
10
Erler/Kaufmann: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte. Spalte 1976: capitulum
canonicum.
11
Strachwitz, R. Graf: Stiftungen. S. 9.
12
Schulte: Staat und Stiftung. S. 5.
13
Bertelsmann Stiftung (Hg.): Handbuch Stiftungen. S. 271 f.
14
Schiller: Stiftungen im gesellschaftlichen Prozeß. S. 11, 17.

7
Unklarheiten bei der Bestimmung dieses Begriffes rühren daher, dass weder in
den Bundes- noch in den Landesgesetzen eine Definition zu finden ist. Um dieses
Defizit zu beheben, hat die Rechtslehre einen "substanzhaltigen, materiell-
rechtlichen Stiftungsbegriff"
15
entwickelt. Die Stiftung sei heute allgemein "eine auf
Dauer eingerichtete Verknüpfung der drei Wesensmomente Vermögen,
Zwecksetzung und Eigenorganisation zu einem individuellen, in sich
abgeschlossenen, selbsttragenden Rechtsgebilde"
16
.
Mit anderen Worten ist die Stiftung eine vom Stifter geschaffene Institution, eine
rechtsfähige Organisation im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Sie
hat die Aufgabe, mit Hilfe des gestifteten Vermögens, den festgelegten
Stiftungszweck dauernd zu verfolgen.
17
2.2 Wesensmerkmale
Die Merkmale der Stiftung sind in verschiedenen Gesetzen festgelegt. Das
Stiftungsrecht ist auf Bundes- und Landesebene geregelt und fällt somit in den
Bereich der Konkurrierenden Gesetzgebung. Diese Aufteilung ist historisch
abzuleiten. Die verfassungsmäßige Kompetenzverteilung zwischen Reich und
Bundesstaaten bzw. Bund und Ländern ging von einer gesamtstaatlichen
Zuständigkeit aus, die nur auf die privatrechtlichen Gesichtspunkte des
Stiftungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch beschränkt ist. Die §§ 80 bis 88 BGB
regeln die rechtsfähigen Stiftungen des Privatrechts. Die öffentlich-rechtlichen
Gesichtspunkte sind in den Landesgesetzen zu finden. Dort werden unter
anderem Fragen zur Stiftungsaufsicht, der staatlichen Genehmigung und der
Ausgestaltung der Verfassung geregelt.
18
In dieser Arbeit interessieren vor allem
die Stiftungsgesetze des Landes Baden-Württemberg und des Freistaates
15
Schulte: Staat und Stiftung. S.6.
16
Schulte: Staat und Stiftung. S.6./siehe auch: Bertelsmann Stiftung (Hg.): Handbuch Stiftungen.
S. 272./ Campenhausen, Frhr. v. (Hg.): Handbuch des Stiftungsrechts. S. 1./Erler/Kaufmann:
Handwörterbuch der Deutschen Rechtsgeschichte. Spalte 1980.
17
Bertelsmann Stiftung (Hg.): Handbuch Stiftungen. S. 272./ Campenhausen, Frhr. v. (Hg.):
Handbuch des Stiftungsrechts. S. 2.
18
Bertelsmann Stiftung (Hg.): Handbuch Stiftungen. S. 278./ Campenhausen, Frhr. v. (Hg.):
Handbuch des Stiftungsrechts. S. 1 f.

8
Thüringen
19
, da die Carl-Zeiss-Stiftung und die Ernst-Abbe-Stiftung dort ihren Sitz
haben und deshalb in deren Regelungsbereich fallen.
Zweck, Vermögen und Organisation sind also die kennzeichnenden Elemente der
Stiftung. Grundlegend ist der Stifterwille. Dieser muss im Stiftungsgeschäft
unmissverständlich zum Ausdruck kommen.
20
Außerdem ist für die Entstehung der
Stiftung die Genehmigung des Bundeslandes erforderlich, in dem sie ihren Sitz
hat.
21
Diese wird durch die Stiftungsbehörde erteilt.
22
Das Stiftungsgeschäft
bestimmt laut § 85 BGB die Verfassung der Stiftung. Darin können vom Stifter
nähere Bestimmungen zur Ausführung seines Willens und der Tätigkeit der
Satzung erlassen werden. Diese Regeln gelten auf Dauer.
23
Als gesetzlicher
Vertreter einer Stiftung fungiert ein Vorstand, der aus mehreren Personen
bestehen kann.
24
Der Stiftungszweck erfüllt die zentrale Funktion innerhalb der drei konstituierenden
Elemente. Er wird auch als die Seele der Stiftung bezeichnet und seine
Umsetzung als das Herzstück des Stiftungsrechts. Jede Stiftung muss mindestens
einen Zweck haben. Dieser drückt den dauerhaften Willen des Stifters aus. Er
muss aber nicht für die Ewigkeit gelten, sondern kann auch zeitlich begrenzt
werden. Er bildet die Leitlinie für die Stiftertätigkeit und die Schranke für die
Stiftungsorgane. Nach der Genehmigung der Institution entzieht sich der
Stifterwille der Disposition des Stifters und dem Zugriff der Stiftungsorgane. Er fällt
nur weg, wenn der Zweck verfällt und somit die Stiftung aufgehoben werden muss.
Zweckänderungen gibt es aufgrund der strengen Vorschriften kaum.
25
Zur Erfüllung des Zwecks bedarf es der geeigneten Mittel. Der eigentliche Akt der
Stiftung eines Vermögens bietet die existenzielle und finanzielle Grundlage für die
Arbeit einer solchen Einrichtung. Das Stiftungskapital muss als
Grundstockvermögen auf Dauer erhalten werden.
26
Klassischerweise sollte die
Stiftung ihren Zweck aus den Erträgen des Vermögens (z.B. Kapitalvermögen)
19
Das Gesetz über die Bildung und Tätigkeit von Stiftungen vom 13. September 1990 gilt für die
Länder der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik bzw. für die Länder Brandenburg,
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Ostberlin.
20
Campenhausen, Frhr. v. (Hg.): Handbuch Stiftungsrecht. S. 2.
21
§ 80 BGB.
22
§ 4 ThürStiftG./ § 5 BadWürttStiftG.
23
Seifart: Handbuch Stiftungsrecht. S. 2.
24
§ 11 ThürStiftG.
25
Bertelsmann Stiftung (Hg.): Handbuch Stiftungen. S. 272 f./ siehe auch: Campenhausen, Frhr. v.
(Hg.): Handbuch des Stiftungsrechts. S. 3.

9
verwirklichen. Man unterscheidet davon das Vermögen, welches unmittelbar der
Erfüllung des Stiftungszweckes dient (z.B. Bestände, Gebäude). Typische
Stiftungsvermögen sind Barvermögen und Wertpapiere, land- und
forstwirtschaftliche Betriebe, Unternehmensbeteiligungen, Immobilien, Kunstwerke
oder auch Musikinstrumente. Außerdem können die Stiftungen auch Einnahmen
aus Lieferungen und Leistungen erzielen (z.B. Eintrittsgelder, Spenden, öffentliche
Zuschüsse). Zuwendungen Dritter und Zustiftungen können also eine weitere
Quelle für Stiftungsmittel darstellen.
27
Zweck und Vermögen müssen neben dem Namen, dem Sitz, der
Vertretungsberechtigung und den Organen in der Satzung festgelegt werden.
28
Die Satzung wird in der Regel durch das Stiftungsgeschäft bestimmt.
29
Sie ist die
eigentliche Verfassung der Stiftung und beinhaltet die Bestimmungen zur
Organisation der Institution.
30
Die Eigenorganisation einer Stiftung soll
grundsätzlich gewährleisten, dass der Einfluss von außenstehenden Personen
oder Institutionen verhindert bzw. festgeschrieben werden kann.
31
Zur Freiheit des
Stifterwillens gehört die Gestaltung der Stiftungsorgane und deren Besetzung.
Üblich ist die Einrichtung eines Aufsichtsorgans, welches meist Stiftungsrat
genannt wird, und eines Exekutivorgans, das als Vorstand bezeichnet wird.
32
Der
Stifter kann weitere Organe bestimmen, die entscheidende, beratende oder
kontrollierende Funktionen übernehmen. Dabei muss die Unabhängigkeit der
Institution von den Mitgliedern gewährleistet bleiben. In einem engen Rahmen
können Mitbestimmungsrechte für Spender, Zustifter, Mitarbeiter oder Destinäre
33
eingeräumt werden. Die Willensbildung erfolgt aber grundsätzlich nur durch den
Stifter selbst.
34
26
Campenhausen, Frhr. v. (Hg.): Handbuch des Stiftungsrechts. S. 5.: Die Stiftungsgesetze aller
deutschen Bundesländer enthalten den Grundsatz der Vermögenserhaltung./ Rebmann u.a.:
Münchner Kommentar zum BGB. S. 817 f./ § 14 Abs. 2 ThürStiftG./ § 7 Abs. 2 BadWürttStiftG.
27
Strachwitz, R. Graf: Die Stiftung lebet ewiglich. S. 6 f./ siehe auch Rebmann u.a.: Münchner
Kommentar zum BGB. S. 817 f./ Campenhausen, Frhr. v. (Hg.): Handbuch des Stiftungsrechts. S.
4 f./ §§ 13, 14 ThürStiftG./ § 7 BadWürttStiftG.
28
§§ 10, 29 ThürStiftG./ §§ 4, 6 BadWürttStiftG.
29
§ 9 ThürStiftG./ § 6 BadWürttStiftG.
30
§ 85 BGB.
31
Schulte: Staat und Stiftung. S. 6 f./ Strachwitz, R. Graf: Die Stiftung lebet ewiglich. S.7.
32
Strachwitz, R. Graf: Die Stiftung lebet ewiglich. S. 7 f./ siehe dazu auch § 11 ThürStiftG./ §§ 6,
12 BadWürttStiftG.
33
In diesem Zusammenhang sind damit Personen gemeint, die durch Stiftungen begünstigt
werden.
34
Campenhausen, Frhr. v. (Hg.): Handbuch des Stiftungsrechts. S. 5./ Rebmann u.a.: Münchner
Kommentar zum BGB. S. 817.

10
Die Fragen der Eigenorganisation werden durch die staatliche Stiftungsaufsicht
kontrolliert. Bereits bei der Genehmigung muss gewährleistet sein, dass die
Organisation geeignet ist, den Stiftungszweck nachhaltig zu verwirklichen.
35
2.3 Formenvielfalt
Es gibt eine Reihe von Motiven zur Errichtung einer Stiftung sowie unzählige Ziele,
die damit verfolgt werden, unterschiedliche Stifter und somit auch eine Vielfalt
verschiedener Stiftungsarten. Die Einteilung der zahlreichen Formen übernehme
ich aus dem Werk "Staat und Stiftung" von Martin Schulte. Er unterscheidet nach
dem Rechtsträger, der Rechtsform, dem Zweck, der staatsorganisatorischen
Zuordnung, dem räumlichen Wirkungsbereich und der Vermögensorganisation.
36
Bei der Differenzierung von Stiftungen nach dem Rechtsträger sind öffentlich-
rechtliche von privatrechtlichen zu trennen. Das Leitbild, das die §§ 80 bis 88 BGB
regeln, ist die rechtsfähige Stiftung des Privatrechts. Die öffentlich-rechtliche
Stiftung entsteht im Gegensatz zur privatrechtlichen durch einen
Gesetzgebungsakt. Von besonderer Bedeutung für diese Unterscheidung ist die
Interpretation des Gründungs- und Entstehungsvorgangs. Die öffentliche Stiftung
ist außerdem meist dem Staat, einer Gemeinde, einem Gemeindeverband, oder
einer sonstigen Körperschaft oder Anstalt öffentlichen Rechts angegliedert.
Dadurch wird sie selbst zur öffentlichen Einrichtung. Sie verfolgt in der Regel
öffentliche Zwecke [vgl. S. 11], handelt im Interesse der staatlichen Verwaltung
und ist der mittelbaren Staatsverwaltung angeschlossen.
37
Geht man von der Rechtsform aus, sind rechtsfähige (selbständige) von
nichtrechtsfähigen (unselbständigen, fiduziarischen, treuhänderischen) Stiftungen
öffentlichen und privaten Rechts zu trennen. Die rechtsfähige Stiftung wird im
Gegensatz zur nichtrechtsfähigen in den Gesetzen als selbständiges
Rechtssubjekt mit eigener Rechtspersönlichkeit anerkannt. Die unselbständige
Stiftung braucht dagegen einen rechtsfähigen Träger, um wirksam handeln zu
35
Rebmann u.a.: Münchner Kommentar zum BGB. S. 5./ Campenhausen, Frhr. v. (Hg.): Handbuch
des Stiftungsrechts. S. 5./ § 80 BGB./ §§ 15-20 ThürStiftG./ § 2 BadWürttStiftG.
36
Schulte: Staat und Stiftung. S. 10-22.
37
Schulte: Staat und Stiftung. S. 11-13./ Campenhausen, Frhr. v. (Hg.): Handbuch des
Stiftungsrechts. S. 6 f./ § 89 BGB./ § 24 ThürStiftG./ §§ 17-21 BadWürttStiftG.

11
können.
38
Das Vermögen geht vom Stifter in das Eigentum der empfangenden
Person über und bleibt als Sondervermögen von dem restlichen Vermögen
getrennt erhalten. Das stiftungsrechtliche Genehmigungsverfahren entfällt wie
auch die Stiftungsaufsicht des Staates. Auch dabei ist entscheidend, ob es der
Wille des Stifters war, eine selbständige oder unselbständige Stiftung ins Leben zu
rufen.
Bezüglich des Stiftungszwecks wird in öffentliche und private Stiftungen unterteilt.
Dafür ist der Umfang der begünstigten Personen von Bedeutung. Als privatnützige
Stiftungen werden solche bezeichnet, deren unmittelbarer Zweck einen
Personenkreis betrifft, der durch Familien-, Vereins-, Betriebszugehörigkeit oder in
ähnlicher Weise begrenzt und überschaubar ist. Sie dient nur mittelbar der
Allgemeinheit. Ein Prototyp dafür ist die Familienstiftung. Die gemeinnützige
Stiftung dagegen richtet ihren Zweck unmittelbar auf die Öffentlichkeit.
39
Die Stiftungsgesetze Baden-Württembergs und Thüringens sowie zahlreicher
weiterer Länder treffen keine Unterscheidung nach dem Zweck. Dies tun lediglich
das bayerische und das rheinland-pfälzische Stiftungsrecht. Eine Reihe von
Auflistungen öffentlicher bzw. gemeinnütziger Zwecke sind in der Literatur zu
finden. Man teilt sie zum Beispiel ein nach den Schwerpunkten Bildung/
Unterrichtung/ Erziehung, Wissenschaft/ Forschung, Religion, Gesundheit/ soziale
Aufgaben/ Wohltätigkeit, Kunst/ Kultur, Politik, Völkerverständigung, Heimatschutz,
Sport, Umweltschutz, Wirtschaft/ Verbraucher sowie Familie/ Unternehmen und
anderen dem Gemeinwohl dienende Zwecke.
40
Die Verwirklichung der Zwecke kann fördernd, operativ oder sowohl fördernd als
auch operativ erfolgen. In Deutschland überwiegen fördernde Stiftungen heute mit
ca. 60 Prozent.
41
Kirchliche und weltliche Stiftungen werden aus der staatsorganisatorischen
Perspektive unterschieden. Zur traditionellen kirchlichen Zweckbestimmung von
Kultus, Gottesdienst, Verkündigung und Seelsorge sind Erziehung, Unterrichtung,
Wohlfahrtspflege, Unterhaltung kirchlicher Gebäude, Verwaltung des
Kirchenvermögens und Alimentation des Personals hinzugekommen. Ehemals
38
§ 28 ThürStiftG.
39
Schulte: Staat und Stiftung. S. 15 f./ Seifart: Handbuch des Stiftungsrechts. S. 6 f.
40
Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hg.): Zahlen, Daten, Fakten. S. 25 ff./ Schulte: Staat und
Stiftung. S. 15 f./ Campenhausen, Frhr. v. (Hg.): Handbuch des Stiftungsrechts. S. 6 f./ Strachwitz,
R. Graf: Die Stiftung lebet ewiglich. S.4.
41
Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hg.): Zahlen, Daten, Fakten. S. 34 ff.

12
kirchliche Aufgaben wie Heilung und Betreuung Kranker sind zu weltanschaulich
neutralen Angelegenheiten öffentlicher Fürsorge geworden. Abgrenzungskriterien
sind deshalb der Zweck, der Grad der organisatorischen Verflechtung, der Umfang
der Anlehnung an eine bestimmte Kirche, das Ausmaß der institutionellen
Verbindung mit einer Religionsgemeinschaft, die kirchliche Anerkennung durch die
dafür zuständige Behörde sowie eine religiöse Motivation.
42
Auch hier ist der Wille
des Stifters bei der Gründung zu berücksichtigen. Die kirchliche Stiftung ist neben
der öffentlichen, der nichtrechtsfähigen und der kommunalen Stiftung als
Sonderform in den Landesgesetzen zu finden.
43
Den räumlichen Wirkungsbereich betreffend werden allgemeine und kommunale
Stiftungen getrennt voneinander betrachtet. Die Abgrenzung der kommunalen
bzw. örtlichen Stiftung von der allgemeinen erfolgt durch die Zuordnung zu einer
kommunalen Gebietskörperschaft, die Zugehörigkeit des Stiftungszwecks zu den
öffentlichen Aufgaben der Kommune und über die Verwaltung durch kommunale
Organe.
44
Nach der Eigenart ihrer Vermögensgrundlage werden Anstalts-, Hauptgeld- (oder
Kapital-) und Unternehmens- bzw. Unternehmensträgerstiftungen unterschieden.
Das Stiftungsvermögen der Anstaltsstiftung, heute auch nur Anstalt genannt, dient
der Errichtung und dem Betrieb einer Benutzereinrichtung. Der Stiftungszweck
wird durch den Einsatz des Vermögens und zum Teil auch durch die
Dienstleistungen des Stiftungspersonals erfüllt. Die Hauptgeldstiftung verfügt über
einen unantastbaren Vermögensstock, dessen Erträge zur Erfüllung des Zwecks
eingesetzt werden. Die Unternehmens- oder Unternehmensträgerstiftung betreibt
selbst ein Unternehmen als Inhaber oder sie ist die persönlich haftende
Gesellschafterin einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder einer
Kommanditgesellschaft (KG). Möglich ist auch, dass sie unmittelbar oder mittelbar
einen beherrschenden Einfluss auf ein Unternehmen ausübt. Sie tritt als Trägerin
eines gewinnorientierten Unternehmens auf, kann aber trotzdem öffentlichen
Zwecken dienen.
45
Eine solche Stiftung ist auch die Carl-Zeiss-Stiftung. Deshalb
42
Schulte: Staat und Stiftung. S. 16 ff./ Campenhausen, Frhr. v. (Hg.): Handbuch des
Stiftungsrechts. S. 7 f.
43
§§ 26, 27 ThürStiftG./ §§ 22-30 BadWürttStiftG.
44
Schulte: Staat und Stiftung. S. 19 f./ Campenhausen, Frhr. v. (Hg.): Handbuch des
Stiftungsrechts. S. 9./ § 25 ThürStiftG./ § 31 BadWürttStiftG.
45
Schulte: Staat und Stiftung. S. 20 f./ Campenhausen, Frhr. v. (Hg.): Handbuch des
Stiftungsrechts. S. 10 f.

13
werde ich in den Abschnitten 3.4 sowie 4.3 noch einmal genauer auf diese Form
eingehen.
3. DIE ENTWICKLUNG DES STIFTUNGSWESENS IN DEUTSCHLAND
3.1 Stiftungen von der Antike bis zum 19. Jahrhundert
Während einer Blütezeit im Stiftungswesen gründete Ernst Abbe die Carl-Zeiss-
Stiftung. Bevor ich aber auf die Epoche des Umbruchs und der Neubegründung im
19. Jahrhundert eingehe, möchte ich die Vorgeschichte seit der Antike skizzieren.
Damit soll deutlich werden, was so einschneidend war an den Geschehnissen der
vergangenen zwei Jahrhunderte. Die Frage ist, welche Elemente des heutigen
Stiftungsbegriffs und des Wesens der heutigen Institution sich wann und warum
entwickelt haben.
3.1.1 Stiftungen in der Antike
Den Ursprung der heutigen Stiftungen findet man bereits in der Antike. Bernhard
Laum erläutert eine Reihe von Existenzbedingungen für Stiftungen bzw.
stiftungsähnliche Gebilde. Eine davon ist der Begriff der Ewigkeit. Dieser
entwickelte sich einerseits aus dem Selbsterhaltungstrieb, weshalb der primitive
Mensch die eigene Unsterblichkeit postulierte. Andererseits war die Unendlichkeit
durch den Glauben an unsterbliche Götter gegeben. Außerdem musste die
Existenz von Privatvermögen bekannt sein. Eine weitere Voraussetzung stellten
dauernde Organisationen dar, welche in der Familie und später in der Horde sowie
dem Staat zu finden waren. Mit der Sesshaftigkeit war auch die Bedingung des
Immobiliarvermögens erfüllt.
46
Laum führt aus, dass die Errichtung von Stiftungen aus egoistischen Motiven
heraus geschah. Der Mensch wollte die Gunst der Götter während seines Lebens
auf sich ziehen und sorgte deshalb für den Unterhalt ihres Kultus. Außerdem
wollte er seinen eigenen Totenkult sichern. Die Vorstellung der Fortexistenz der
46
Laum: Stiftungen in der griechischen und römischen Antike. S. 237 ff.

14
Seele nach dem Tod führte zur Befürchtung, dass im Jenseits nicht genug für sie
gesorgt werde. Aus der Angst heraus, dass keine Familie oder kein Vermögen
vorhanden sei, um den Totenkult zu zelebrieren, entwickelte sich die "primitive
Urform" der Stiftung, die Totenkultstiftung. Diese existierte bereits in Ägypten, in
der babylonischen Kultur sowie im vorchristlichen Altertum bei den Griechen und
den Römern.
47
Sie kannten das Wort für "stiften" nicht. Sie sprachen von "geben",
"schenken", "widmen".
48
Die Menschen gaben oder schenkten zu Lebzeiten oder
nach dem Tod ein bestimmtes Vermögen anderen Rechtssubjekten. Dabei erteilte
der Stifter nach seinem Willen Auflagen, zu welchem Zweck die Erträge verwendet
werden sollten. Das Stiftungsvermögen hatte keine eigene Rechtspersönlichkeit
im modernen Sinne. Man kann hier von einer unselbständigen bzw. fiduziarischen
Stiftung sprechen, sollte aber bedenken, dass die heutigen Bezeichnungen nicht
vollkommen übertragbar sind. Es ist Vorsicht geboten bei der Anwendung der
heutigen Rechtsbegriffe auf die damaligen Gebilde, die immer nur einen Vorläufer
darstellen.
49
Träger des Sakralvermögens waren Korporationen von Tempelpriestern, antike
Gottheiten, natürliche Personen bzw. Familien, die griechische Polis oder die
römische Korporation der Stadtgemeinschaft. Konflikte zwischen Stiftungen und
Korporationen
50
sind bis heute überliefert. Stiftungen wurden meist erst durch die
Trägerschaft einer Korporation möglich. Die Dominanz der Korporationen oder
anderer Träger führte zu Gefahren für die gestifteten Sondervermögen. Diese
wurden oft nach deren Belieben und Bedürfnissen zu anderen als den
festgelegten Zwecken verwendet. Einen Schutz vor Missbrauch und Treulosigkeit
boten nur die Ehrfurcht vor der religiösen Weihe des Vermögens oder die
Verfluchung von Übeltätern.
51
47
Laum: Stiftungen in der griechischen und römischen Antike. S. 237 ff./ Liermann: Handbuch des
Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 1 ff./ siehe auch: Pölnitz: Vom Werden
und Sinn des Stiftungswesens. In: Franz u.a.: Deutsches Stiftungswesen 1949-1966. S. 1 ff.
48
Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 1 ff.: Das
erste Sprachdenkmal mit den Wort "stiften" stammt aus dem Altniederfränkischen und bedeutete
"bauen". Das natürliche Bestreben des Menschen, etwas Bleibendes zu schaffen, zeigt sich
beispielweise im Tun der mächtigen Bauherrn. Den heutigen Sinn hat "stiften" aus dem
Frühmittelhochdeutschen von dem Hauptwort "Stift", was "geistliche Gründung" heißt.
49
Bertelsmann Stiftung (Hg.): Handbuch Stiftungen. S. 26./ Laum: Stiftungen in der griechischen
und römischen Antike. S. 237 ff./ Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte
des Stiftungsrechts. S. 1 ff.
50
Bruck: Über römisches Recht im Rahmen der Kulturgeschichte. S 84 ff.: Genossenschaften,
Stadtgemeinden, Vereine, Bruderschaften, Collegien.
51
Bertelsmann Stiftung (Hg.): Handbuch Stiftungen. S. 26./ Liermann: Handbuch des
Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 10, 13.

15
Für die Gründung hellenistischer Stiftungen kamen weitere Motive hinzu. Ein
Andenken an den eigenen Namen zu schaffen und das Streben nach Ehre und
Anerkennung zu Lebzeiten sowie über den Tod hinaus wurden zu Triebfedern für
die griechischen Stifter.
52
Es kamen agonale und soziale Stiftungszwecke zu den
religiösen hinzu. Laum spricht von der ersten Blüte der Stiftungen.
53
Die Entwicklung im griechischen Stiftungswesen hatte starken Einfluss auf den
Werdegang im Römischen Reich. Es gab Ansätze zu ersten
Wohltätigkeitsstiftungen, die in staatlicher oder privater Hand waren und aus den
Motiven der Barmherzigkeit, Ehrsucht oder Staatsklugheit gegründet wurden. Zum
Totenkult kam der Kaiserkult hinzu.
54
Die Kontrolle über die kaiserlichen
Alimentenstiftungen für freigeborene arme Kinder waren erste Anzeichen für eine
staatliche Stiftungsaufsicht.
55
Mit dem Sieg des Christentums begann eine große Wende in der Geschichte des
Stiftungswesens. Es war ein Schritt in die Richtung des modernen Rechtsdenkens.
Mit der christlichen Kaiserzeit begann das Eigenleben der Stiftungen.
56
In der Zeit des christlichen Altertums gaben karitative Zwecke im Zeichen der
Nächstenliebe dem Stiftungswesen eine neue Dynamik. Diese werden als
christliche "pia causa", der fromme Zweck, bezeichnet. Im Codex des
byzantinischen Kaisers Justinians sind erste gesetzliche Regelungen zu finden,
die auch im germanischen Recht des frühen Mittelalter erhalten blieben. Damit
war das Stiftungsrecht ein Teil des Vulgarrechts
57
. Alle Christen mussten einen
bestimmten Vermögensteil nach ihrem Tod als sogenannten "Sohnesteil Christi"
für kirchlich-soziale Zwecke und zum Heil der eigenen unsterblichen Seele (pro
52
Laum: Stiftungen in der griechischen und römischen Antike. S. 242./ Liermann: Handbuch des
Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 17.: Man spricht vom Mneme ­ Motiv,
wenn es um das Ziel geht, den Namen der Nachwelt überliefern zu wollen. Das Philotimia ­Motiv
meint die Befriedigung des eigenen Ehrgeizes nach Ruhm und Ehre. Das griechische Wort für
"schenken", "stiften" heißt philotimeisthai und bedeutet "nach Ehre streben".
53
Laum: Stiftungen in der griechischen und römischen Antike. S. 242.: Bei den Stiftungen der
Philosophen war der Persönlichkeitskult besonders ausgeprägt. Es war ein Zeitalter, in dem
Stiftungen populär wurden.
54
Bruck: Über römisches Recht im Rahmen der Kulturgeschichte. S. 98 ff.
55
Bruck: Über römisches Recht m Rahmen der Kulturgeschichte. S. 47 ff./ Liermann: Handbuch
des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 21.f./ Schulte: Staat und Stiftung.
S. 23 ff.
56
Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 23.
57
Tilch: Deutsches Rechts-Lexikon. S. 1205.: "Vulgarrecht ist das gegenüber dem klassischen
römischen Juristenrecht verfallene, durch Rhetorik und moralisierende Emotionalität
gekennzeichnete Recht der späten Kaiserzeit, insbesondere im westlichen Teil des römischen
Reichs. Es steht in deutlichem Gegensatz zur Klassizistik der justianischen Gesetzbücher. ..."

16
salute animae) entrichtet.
58
Fromme und gemeinnützige Zwecke wurden
gleichgesetzt. Darin sind Anfänge des modernen Stiftungsrechts zu erkennen.
59
Der Begriff des "privilegia piae causae" bildete sich im späteren kanonischen
Recht
60
in der Theorie des Gemeinen Rechts
61
heraus. Die Stiftungsaufsicht
wurde durch Regelungen im Codex Justinians zum dauerhaften Element des
Stiftungswesens im heutigen Sinne. Schutzmaßnahmen gegen untreue
Vermögensverwalter wurden zunächst von der Kirche beaufsichtigt. Im
byzantinischen Kaiserstaat überwachten weltliche Verwalter (Ökonomen) die
Rechnungslegung und Veräußerungsverbote.
62
3.1.2 Stiftungen im Mittelalter
Liermann spricht von einer Blüte des Stiftungswesen in der Spätantike nach Kaiser
Konstantin, die im hohen und späten Mittelalter wiederkehrt.
63
Im frühen Mittelalter
folgte allerdings zunächst eine Zeit der Unordnung und des Verfalls dieser
Institution. Durch Thronstreitigkeiten, Normanneneinfälle, den Niedergang der
alten städtischen Ordnung, Völkerwanderung und Germanisierung kam es zu
einschneidenden Wandlungen im Stiftungswesen. Nach dem Untergang des
weströmischen Imperiums im Jahre 476 nach Christus und der Ansiedlung der
Germanen lernten diese mit der römischen Kirche das römische Recht und damit
das Stiftungsrecht kennen.
64
Das germanische Eigenkirchenwesen vernichtete
allerdings manche Ansätze des römischen Kirchenrechts. Es entwickelte aber
58
Bertelsmann Stiftung ( Hg.): Handbuch Stiftungen. S 28./ Erler/Kaufmann: Handwörterbuch der
Rechtsgeschichte. Spalte 1981./ Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte
des Stiftungsrechts. S. 24 ff./ Schulte: Staat und Stiftung S. 23 f./ Campenhausen, Frhr. v. (Hg.):
Handbuch des Stiftungsrechts. S 73 f.
59
Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 44 f./
Schulte: Staat und Stiftung S. 23 f.: Fromme Zwecke waren im Codes des Justinian Gaben für
Arme und Gefangene sowie fromme Anstalten (Fremden-, Kranken-, Altersspitäler, Waisenhäuser,
Findelhäuser). Später kamen mit dem Rückgang der Armut die Pflege der Theologie und des
Gottesdienstes dazu.
60
Tilch: Deutsches Rechts-Lexikon. S. 609.: "Kanonisches Recht ist die Bezeichnung für das
Kirchenrecht der röm-kath Kirche. Das k. R. ist kein einheitlicher Rechtsstoff, sondern eine Fülle
von teilweise disparatem Rechts- und Gesetzesmaterial, das in den Jahrhunderten gewachsen
und erst im 20. Jh. unter einheitlichen Gesichtspunkten universalkirchlich kodifiziert worden ist. ...".
61
Tilch: Deutsches Rechts-Lexikon. S. 82.: ,,Gemeines Recht ist ... das allgemeine Recht im
Gegensatz zu bes Rechten. ... In einem engeren Sinne ist aber das g. R. als das in Deutschland
durch Rezeption aufgenommene und an zeitgenössische Bedürfnisse angepaßte römische (und
kanonische) Recht zu sehen. ...".
62
Schulte: Staat und Stiftung. S. 24.: Im westlichen Teil des römischen Herrschaftsgebiet galt das
gemeine Kirchenrecht. Die Aufsicht über die Stiftungen blieb hier bei der Kirche.
63
Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 41 f., 47.

17
auch neue Formen, die bis heute wirksam sind. Die römische pia causa kam nie
völlig zum Erliegen.
65
Dominierende Träger von zweckgebundenem Vermögen waren die Klöster als
Korporationen. Dies führte wiederum zu Konflikten mit dem Stiftungsgedanken, da
sie sich nicht an den ursprünglichen Zweck hielten. Erste Bestrebungen zur
Verselbständigung und Ausgliederung eines Teiles des Klostervermögens zu
karitativen Zwecken
66
folgten. Vor der Willkür des Eigenstiftungsherrn waren die
Eigenstiftungen (auch Kirchenstiftungen oder Kirchenfabrik genannt) ebenfalls
nicht geschützt. Sie hatten sich innerhalb des Eigenkirchenwesens herausgebildet.
Auch Pfründestiftungen entstanden in dieser Zeit. Sie sorgten für den Unterhalt
einzelner Kleriker oder Klerikergruppen. Aus den Ansätzen des frühen Mittelalters
entwickelte sich außerdem das Spital als Grundform des Stiftungswesens im
Mittelalter. Es wurden Sachmittel oder Personengruppen zu bestimmten
karitativen Zwecken gewidmet. Dies ging von den Mönchsorden über in die adlige
und später auch in die bürgerliche Kultur. Ritterorden (Johanniter-, Deutscher
Orden) und Spitalbruderschaften von Laien folgten. Der Stifter des
Sondervermögens war der Spitalvogt oder ein dienender Bruder im Spital als
Korporation.
67
Das hohe Mittelalter nennt Liermann das Zeitalter der Stiftungen. Die Hochblüte
des Stiftungswesens wurde hervorgebracht durch frommen Sinn und Wohlstand in
den ebenfalls aufblühenden Städten. Eine Fülle von Stiftungen resultierten aus der
Entfaltung des Geldverkehrs und führten zur Weiterentwicklung des
Stiftungsrechts.
68
Vor allem das Testamentsrecht
69
wurde ausgebaut. Die
Kapitalisierung des Vermögens stellte nun die Erfüllung der Zwecke durch die
Erträge sicher, was bis heute üblich ist [vgl. S. 8 f.]
70
Es entwickelte sich ein Kampf
64
Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S 47./
Bertelsmann Stiftung ( Hg.): Handbuch Stiftungen. S. 28 f.
65
Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 77./
Reicke: Stiftungsbegriff und Stiftungsrecht im Mittelalter. S. 253.
66
Erler/Kaufmann: Handwörterbuch der Rechtsgeschichte. Spalte 1982 f.: Dies war zum Beispiel
die Unterhaltung eines Hospitals zur Pflege von Kranken oder zur Beherbergung von Pilgerern.
67
Erler/Kaufmann: Handwörterbuch der Rechtsgeschichte. Spalte 1982 f./ Liermann: Handbuch
des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 47-77./ Bertelsmann Stiftung (Hg.):
Handbuch Stiftungen. S. 28 f./ Reicke: Stiftungsbegriff und Stiftungsrecht im Mittelalter. S. 249 ff.
68
Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 78.
69
Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 83./
Seifart: Handbuch des Stiftungsrechts. S. 74 f.
70
Erler/Kaufmann: Handwörterbuch der Rechtsgeschichte. Spalte 1983 f./ Bertelsmann Stiftung
(Hg.): Handbuch Stiftungen. S. 28, 30./ Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1.
Geschichte des Stiftungsrechts. S. 109 f.: Eine Hauptform des kapitalisierten "Seelteil" war die
Jahrtagsstiftung als reine Kultusstiftung.

18
zwischen der kirchlichen und der weltlichen Macht um die Stiftungsaufsicht. Mit
dem Übergang des klösterlichen zum bürgerlichen Spital kam es langsam zur
Verweltlichung der Stiftungszwecke und des Stiftungsrechts (Kanonistik oder
kanonisches Recht). Das Stiftungswesen unterlag im ausgehenden Mittelalter
weltlicher Verwaltung durch Laien und städtischer Beaufsichtigung
71
. Die
Zwecke
72
waren aber nicht nur soziale, sondern weiterhin auch kirchliche zur
Sicherung des Seelenheils. Die bürgerliche Trägerschaft von Spitälern führte zur
entscheidenden Wendung im Stiftungswesen. Über Verbürgerlichung kam es zur
endgültigen Verweltlichung, da die Staatsgewalt die Oberaufsicht über Stiftungen
und die Gesetzgebung übernahm. Die zahlreichen Missbräuche der
Sondervermögen sollten damit eingeschränkt werden, wurden aber vom Staat
weitergeführt.
73
Der Wert des Stiftungsgedankens sank im späten Mittelalter.
Hinter der äußeren Blüte begann der innere Verfall schon vor der Reformation.
74
3.1.3 Stiftungen in der Neuzeit
Die Verweltlichung setzte sich in der frühen Neuzeit im Staat der Renaissance fort.
Das Sozialwesen wurde zunehmend zur Staatsaufgabe. Die Territorialstaaten
bildeten sich allmählich heraus. Sie versuchten an Stelle der Städte, die
Stiftungsaufsicht an sich zu ziehen sowie vorhandene Institutionen
zusammenzulegen und sie auszubeuten.
75
Während der Reformation kam in den protestantischen, aber auch in den
katholischen
76
Gebieten die Einstellung auf, dass die Zweckbestimmung der
kirchlichen Stiftungen überholt sei. Die daraus resultierende Auflösung,
Umwidmung und Zusammenlegung erfolgte zu dieser Zeit noch sach- und
zweckgerecht, wobei das religiöse Staats- und Weltbild Pate stand. Die
71
Schulte: Staat und Stiftung: S. 25.: Spitalpfleger der Städte waren die Ausübenden der
weltlichen Stiftungsaufsicht.
72
Erler/Kaufmann: Handwörterbuch der Rechtsgeschichte. Spalte 1984.: Es entstanden auch
bereits Vorläufer von Familienstiftungen. Diese sollten für den Unterhalt der Angehörigen der
eigenen Familie in Notlagen sorgen. Dies waren meist Stipendien- oder Armenstiftungen (Fugger,
Welser)./ siehe auch: Schiller: Stiftungen im gesellschaftlichen Prozeß. S. 139 ff.
73
Bertelsmann Stiftung (Hg.): Handbuch Stiftungen. S. 31 ff./ Liermann: Handbuch des
Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts S. 111, 123 f./ Reicke: Stiftungsbegriff und
Stiftungsrecht im Mittelalter. 259 ff./ Schiller: Stiftungen im gesellschaftlichen Prozeß. S. 27 ff., 44
ff./ Schulte: Staat und Stiftung. S. 25 f./ Campenhausen, Frhr. v. (Hg.): Handbuch des
Stiftungsrechts. S. 80.
74
Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 130.
75
Campenhausen, Frhr. v. (Hg.): Handbuch des Stiftungsrechts. S.81.
76
Konzil zu Trient 1545-1563. Festlegungen der gesamten katholischen Kirche.

19
Landesherren nahmen vor allem Einfluss auf die Kultusstiftungen (Spitäler,
Pfründe und Kirchenfabrik) und griffen auf deren Vermögen zu. Die
Stiftungsorganisation und die Verteilung des Stiftungsvermögens wurden
vollkommen neu geordnet. Es entstanden weltliche Großstiftungen. Man spricht
von einer Zentralisation des Stiftungswesens.
77
Der landesherrliche Territorialstaat als Polizeistaat hatte das Monopol über die
Wohlfahrt des Gemeinwesens. Mit dem Augsburger Religionsfrieden 1555
78
gab
es rechtliche Regelungen, die den Eingriff des Staates in das Stiftungswesen
legalisierten. Die Regeln der piae causae wurden mit dem kanonischen und nun
dem polizeistaatlichen Recht zu einem Teil des staatlichen Rechts. Rivalitäten
zwischen den Konfessionen um die Herrschaft über die Stiftungen kamen hinzu
und wurden erst 1648 mit dem Westfälischen Frieden
79
beigelegt.
Armenkästen, Bettelverbote, Arbeitsfürsorge und Arbeitszuchthäuser gingen
gegen Bettelei vor, die nach lutherischer Lehre verpönt war. Für unverschuldete
Arme wurden Waisenhäuser, Armenhäuser, Armenstiftungen, Kranken-, Alters-
und Witwenfürsorge sowie Stipendienstiftungen eingerichtet. Der Begriff des
Gemeinwohls wurde neu definiert.
80
Die Aufklärung und Säkularisation sind laut Liermann die stiftungsfeindlichsten
Epochen überhaupt.
81
Das kirchliche, politische, rechtliche, soziale und kulturelle
Leben befand sich seit der Reformation in der Umgestaltung und so mussten die
Stiftungen um ihren Bestand und ihr Wesen ringen. Sie verloren aber mehr und
mehr diesen Kampf. Das große Stiftungssterben in dieser Phase führte zum
Niedergang des Stiftungswesens.
82
Die überwiegend kirchlichen Zwecke (piae causae) wurden zur Zeit der Aufklärung
durch weltliche (utilitas publica) abgelöst. Es entwickelte sich ein gespaltenes
Stiftungswesen in weltliche und kirchliche Stiftungen. Das Nützlichkeitsprinzip
löste die Frömmigkeit ab. Der säkulare Staat der Aufklärung war dem Utilitarismus
77
Bertelsmann Stiftung (Hg.): Handbuch Stiftungen. S. 31 ff./ Erler/Kaufmann: Handwörterbuch der
Rechtsgeschichte. Spalte 1985 ff.../ Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte
des Stiftungsrechts. S. 132 ff./ Schiller: Stiftungen im gesellschaftlichen Prozeß. S. 30 f., 141 ff./
Schulte: Staat und Stiftung: S. 26 f./ Campenhausen, Frhr. v. (Hg.): Handbuch des Stiftungsrechts.
S.81.
78
vorläufige Anerkennung der Lutheraner.
79
endgültige Anerkennung der Reformierten.
80
Schiller: Stiftungen im gesellschaftlichen Prozeß. S. 30 f.
81
Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 169./
Schulte: Staat und Stiftung. S. 26.
82
Bertelsmann Stiftung (Hg.): Handbuch Stiftungen. S 31 f./ Liermann: Handbuch des
Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 229 ff.

20
verschrieben. Damit zerstörte er die Kultur und auch Stiftungskultur des
Mittelalters.
83
Die bisherigen Eingriffe erfuhren nun ihren Höhepunkt. Stiftungen galten als
unbewegliche und traditionsbelastete Institutionen, die mit dem gesellschaftlichen
Wandel nicht Schritt hielten. Der Staat hatte das Umwandlungs- und
Aufhebungsrecht nach den Bedürfnissen der Zeit gestaltet. Das
Stiftungsvermögen wurde zu einem Teil des Staatsvermögens.
84
Neben den oben genannten Wohlfahrtseinrichtungen entstanden im 17. und vor
allem im 18. Jahrhundert bürgerliche Stiftungen zur Förderung der Erziehung, des
Unterrichts und der Wissenschaft. Diese entsprachen dem Erziehungsideal der
Aufklärung. Bei den Stipendienstiftungen wurden Familienangehörige bevorzugt.
Familienstiftungen und Familienfideikommisse
85
fanden seit Anfang des 19.
Jahrhunderts erste gesetzliche Regelungen [vgl. S. 25].
Stiftungen sollten den gesellschaftlichen Fortschritt garantieren, was nicht immer
der Fall war. Die Säkularisationsmaßnahmen
86
beendeten deshalb um die Wende
des 18. zum 19. Jahrhundert eine Reihe von Stiftungen. Die Staatskompetenz
nahm aber nicht zu. Politische Entscheidungen und Kriege hinterließen ein
Trümmerfeld auf dem Gebiet der Stiftungen. Der Verlust der Institutionen und die
zerstörte geistige Grundlage des Stiftungswesen wirkten noch lange nach.
87
Dem
geschilderten Niedergang folgte nun der Neubeginn für die Stiftungen in
Deutschland.
83
Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 230 ff.
84
Schiller: Stiftungen im gesellschaftlichen Prozeß. S. 30 f.
85
Schlinkert: Unternehmensstiftung und Konzernleistung. S. 24 f.: Ein Familienfideikommiss ist ein
Sondervermögen, das für die adlige Familie dauerhaft erhalten werden soll. Der unmittelbare
Nutzen kam immer nur einem oder (mehreren) Familienmitglied(ern) in bestimmter Folge zugute.
Der Besitzer war in der Veräußerung und Belastung des Vermögens beschränkt.
86
Reichsdeputationshauptschluss zu Regensburg 1803.
87
Bertelsmann Stiftung (Hg.): Handbuch Stiftungen. S.35 ff./ Erler/Kaufmann: Handwörterbuch der
Rechtsgeschichte. Spalte 1986 ff./ Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte
des Stiftungsrechts. S. 230 ff./ Schiller: Stiftungen im gesellschaftlichen Prozeß. S. 30 f., 148 ff./
Schulte: Staat und Stiftung: S. 26 f./ Campenhausen, Frhr. v. (Hg.): Handbuch des Stiftungsrechts.
S.81 f.

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3.2 Stiftungen seit dem 19. Jahrhundert
3.2.1 Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts
Zur Zeit der Romantik
88
lebten die mittelalterlichen Werte wieder auf und damit
wurde auch der Stiftungsgedanke wiederentdeckt. Die Stiftung kam erneut zu
Ehren. Im Stiftungswesen war eine schrittweise Wandlung zu beobachten. Es
entstand ein Bewusstsein für den angerichteten Schaden während der
Säkularisation. Die langsame Entwicklung vollzog sich allerdings nicht auf dem
Gebiet der staatlichen Verwaltung oder der hohen Politik, sondern innerhalb der
theoretischen Jurisprudenz. Diese musste sich eine völlig neue Grundlage
aufbauen. Die Gesetzgebung des absoluten Polizeistaates hatte heillose
Verwirrung angerichtet. Es musste die Frage nach der Rechtspersönlichkeit der
Stiftung beantwortet und der Unterschied zwischen Stiftung und Korporation
herausgearbeitet werden. In einer seiner Arbeiten erkannte Arnold Heise 1807 die
Stiftung vorbehaltlos als juristische Person an. Kritiker gab es jedoch bis in die
zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein.
89
Mit dem Erbfall der Stiftung ,,Städelsches Kunstinstituts zu Frankfurt am Main"
(Städelfall) wurde das Stiftungsrecht neu durchdacht. Dies begründete die
moderne Stiftung. Mit dem Städelprozess begann nicht nur die Diskussion um die
rein weltliche (Kultur-) Stiftung, sondern auch um die Notwendigkeit der staatlichen
Genehmigung im Allgemeinen. Eine weitere Frage war, ob eine noch nicht
genehmigte Stiftung zum Erben eingesetzt werden kann. Das Ergebnis war der
Städelparagraph, den man heute als § 84 BGB wiederfindet.
90
Die Jurisprudenz hat sich im 19. Jahrhundert verhältnismäßig wenig mit den
Stiftungen befasst. Liermann nennt sie das Stiefkind der Rechtswissenschaft.
91
Von entscheidender Bedeutung war aber dann die Anerkennung der Stiftung als
juristische Person durch den Juristen Carl Friedrich von Savigny. Dadurch gab es
nicht mehr nur treuhänderische (unselbständige), sondern auch selbständige
Stiftungen. Paul Roth arbeitete die Unterschiede von Stiftung und Korporation
heraus. Die Fiktionstheorie von Mühlenbruch und Savigny band die
88
Ca. 1760-1830; Spätromantik bis ca. Mitte des 19. Jahrhunderts.
89
Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 231 ff.
90
Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 231 ff./
Schiller: Stiftungen im gesellschaftlichen Prozeß. S. 150 f.
91
Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 237.

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Rechtspersönlichkeit der Stiftung an die staatliche Genehmigung.
92
Damit bekam
die Stiftung ein lebendiges Eigenleben in der Welt des Rechts und ist bis heute im
Bürgerlichen Gesetzbuch und in den Landesgesetzen erhalten.
93
Mit dem Städelschen Erbfall wurde unter anderem auch der Kreis der
zugelassenen Stiftungszwecke um die Kunst erweitert. Das fortwirkende
Erziehungsideal der Aufklärung und die Anschauung des deutschen Idealismus
über den Eigenwert von Kunst und Bildung führten zur Entstehung zahlreicher
Stiftungen mit kultureller Zwecksetzung.
94
Vor allem die Kaufleute förderten
Unterricht, Erziehung und Wissenschaft durch Stiftungen. Außerdem gab es eine
Reihe von Wohltätigkeitsanstalten für ,,unverschuldete" Arme, Kranke, Waisen,
Kinder und Witwen. Pflegerische Berufe entstanden und wurden durch Stiftungen
unterstützt (Diakonissenwesen). Institutionen dieser Art werden unter dem
Sammelbegriff "milde Stiftungen"
95
zusammengefasst. Ihnen lagen Frömmigkeit
und Humanität zugrunde.
Mit dem Beginn der Industrialisierung gab es zunehmend Massenelend und
soziale Probleme. Bereits um 1800 errichtete man Institutionen zur Förderung der
Arbeitsamkeit, zur Hebung der unteren Volksklassen, Volks- und Fachschulen
sowie Spar-, Kranken- und Sterbekassen. Manche dieser Sparkassen hatten die
Form einer Stiftung.
96
Die Kultusstiftungen verloren gegenüber den weltlichen Unterrichts- und
Wohltätigkeitsstiftungen an Bedeutung. Die Verstaatlichung hatte auch zur
Entkonfessionalisierung geführt. Die Erweiterung des Stiftungszwecks von der pia
causa zur utilitas causa begann bereits im Mittelalter. Nun wurden die
gemeinnützigen Stiftungen grundsätzlich anerkannt und nahmen dieselbe Stellung
ein wie die frommen Stiftungen. Um vor allem die kirchlichen Einrichtungen vor
den Übergriffen des Staates zu schützen, wurden in den Verfassungsgesetzen der
92
Erler/ Kaufmann: Handwörterbuch der Rechtsgeschichte. Spalte 1987 f./ Liermann: Handbuch
des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 240.
93
Liermann: Handbuch des Stiftungsrechts. Band 1. Geschichte des Stiftungsrechts. S. 237 ff./
siehe auch: Liermann: Die Stiftung als Rechtspersönlichkeit. In: Franz u.a.: Deutsches
Stiftungswesen 1949-1966. S. 155-171./ Schulze: Historischer Hintergrund des Stiftungsrechts. In:
Goerdeler u.a.: Deutsches Stiftungswesen 1977-1988. S. 29-59.
94
Erler/Kaufmann: Handwörterbuch der Rechtsgeschichte. Spalte 1987.
95
Schiller: Stiftungen im gesellschaftlichen Prozeß. S.127, 130, 134.: Weitere Gruppierungen sind
betriebsbezogene und politische Stiftungen sowie Stiftungen für Bildung und Wissen.
96
Pölnitz: Vom Werden und Sinn des Stiftungswesens. In: Franz u.a.: Deutsches Stiftungswesen
1949-1966. S. 9 ff./ Schiller: Stiftungen im gesellschaftlichen Prozeß. S.146 ff., 152.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832462154
ISBN (Paperback)
9783838662152
DOI
10.3239/9783832462154
Dateigröße
1.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Leipzig – unbekannt
Erscheinungsdatum
2002 (Dezember)
Note
1,5
Schlagworte
kulturgeschichte stiftungsgeschichte jena heidenheim ernst abbe
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Titel: Die Geschichte des deutschen Stiftungswesens am Beispiel der Carl-Zeiss-Stiftung
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