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Das Vertrauenskalkül des Nachfragers

Implikationen für den Anbieter

©2002 Diplomarbeit 74 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Im Rahmen dieser Arbeit werden verschiedene Teilaspekte des Vertrauens und seines Konstruktes im ökonomischen Kontext untersucht. Dabei steht vor allem die Frage im Mittelpunkt, welche Abwägungsentscheidungen der Nachfrager in bezug auf Vertrauen vornimmt, wie diese die Transaktionskosten beeinflussen und welche Implikationen und Handlungsempfehlungen sich daraus für die Akteure ableiten lassen, insbesondere in bezug auf das Marketing eines Anbieters.
Erklärungsansätze für die Existenz nicht rationaler Entscheidungen und Verhaltensweisen werden gegeben.
In bezug auf bestimmte sehr komplexe und mit unbeseitigbarer Informationsasymmetrie behaftete Güter, deren Bedeutung bei der momentanen Entwicklung zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft ständig an Bedeutung gewinnt, kann Vertrauen Transaktionen teilweise überhaupt erst ermöglichen, jedoch zumindest die mit der Transaktion verbunden Kosten senken.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.Einleitung1
2.Grundlagen3
2.1Das Verständnis des Begriffs Vertrauen in verschiedenen Wissenschaften3
2.2Definition, Eigenschaften und Träger von Vertrauen3
2.3Der komplexitätsreduzierende und zeitüberbrückende Charakter von Vertrauen6
2.4Explizite und implizite Verträge - komplementäres Sicherungsinstrument zu Vertrauen7
3.Theorie der Neuen Institutionenökonomie9
3.1Neue Institutionenökonomie - ein Überblick9
3.2Transaktionskostentheorie10
3.3Definition, Bestandteile und Determinaten von Transaktionskosten11
3.4Eigenschaften der Transaktionspartner13
3.5Die Prinzipal-Agent-Theorie13
3.6Informationsasymmetrien14
3.6.1Qualitätsunsicherheit15
3.6.2Verhaltensunsicherheiten16
4.Das Entscheidungskalkül des Nachfragers als Vertrauensgeber18
4.1Die Vertrauensbeziehung als Prinzipal-Agenten-Beziehung18
4.2Das Verhalten des Nachfragers als Vertrauensgeber19
4.3Generalisiertes und spezifisches Vertrauen des Vertrauensgebers20
4.4Die Modellierung der Vertrauensentscheidung21
4.5Explizite Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen und die Vertrauensatmosphäre24
4.6Die transaktionskostenreduzierenden Eigenschaften von Vertrauen25
4.7Vertrauensbildende Merkmale des Anbieters aus Nachfragersicht28
4.8Konsequenzen des Vertrauenskalküls für verschiedene Leistungen29
5.Implikationen für den Anbieter32
5.1Generelle Maßnahmen des Vertrauensmanagements des Anbieters32
5.2Reputation als vertrauensbestimmendes Merkmal36
5.3Vertrauensbildung durch Instrumente des […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundlagen
2.1 Das Verständnis des Begriffs Vertrauen in verschiedenen Wissenschaften
2.2 Definition, Eigenschaften und Träger von Vertrauen
2.3 Der komplexitätsreduzierende und zeitüberbrückende Charakter von Vertrauen
2.4 Explizite und implizite Verträge - komplementäres Sicherungsinstrument
zu Vertrauen

3 Theorie der Neuen Institutionenökonomie
3.1 Neue Institutionenökonomie – ein Überblick
3.2 Transaktionskostentheorie
3.3 Definition, Bestandteile und Determinaten von Transaktionskosten
3.4 Eigenschaften der Transaktionspartner
3.5 Die Prinzipal-Agent-Theorie
3.6 Informationsasymmetrien
3.6.1 Qualitätsunsicherheit
3.6.2 Verhaltensunsicherheiten

4 Das Entscheidungskalkül des Nachfragers als Vertrauensgeber
4.1 Die Vertrauensbeziehung als Prinzipal-Agenten-Beziehung
4.2 Das Verhalten des Nachfragers als Vertrauensgeber
4.3 Generalisiertes und spezifisches Vertrauen des Vertrauensgebers
4.4 Die Modellierung der Vertrauensentscheidung
4.5 Explizite Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen und die Vertrauens-atmosphäre
4.6 Die transaktionskostenreduzierenden Eigenschaften von Vertrauen
4.7 Vertrauensbildende Merkmale des Anbieters aus Nachfragersicht
4.8 Konsequenzen des Vertrauenskalküls für verschiedene Leistungen

5 Implikationen für den Anbieter
5.1 Generelle Maßnahmen des Vertrauensmanagements des Anbieters
5.2 Reputation als vertrauensbestimmendes Merkmal
5.3 Vertrauensbildung durch Instrumente des Marketings
5.3.1 Produktpolitik, Preispolitik, Distributionspolitik
5.3.2 Kommunikationspolitik
5.4 Vorteilhaftigkeitsentscheidungen zum Vertrauensmanagement

6 Handlungsempfehlungen in bezug auf das Vertrauenskalkül am Praxisbeispiel einer komplexen Beratungsleistung
6.1 Hohe Spezifität der Beratungsleistung
6.2 Maßnahmen zur Vertrauensgewinnung und Vertrauensfestigung
6.3 Kommunikationspolitik und Preannouncements der Beratung

7 Fazit

8 Literaturverzeichnis

9 Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Begriffliche Abgrenzung von Vertrauen

Abb. 2: Vertrauensrelationen

Abb. 3: Vergangenheits- und Zukunftsbezug von Vertrauen

Abb. 4: Komplexitätsreduktion durch Verträge

Abb. 5: Transaktionskosten und deren zeitlicher Anfall

Abb. 6: Informationsasymmetrien

Abb. 7: Informationsasymmetrie für den Vertrauensnehmer in der Vertrauens-beziehung

Abb. 8: Handlungsoptionen des Nachfragers

Abb. 9: Veränderte Lage der Transaktionskostenkurve durch Vertrauen

Abb. 10: Kategorisierung von Gütern

Abb. 11: Das Verständnis von Reputation

1 Einleitung

Im Rahmen dieser Arbeit werden verschiedene Teilaspekte des Vertrauens und seines Konstruktes im ökonomischen Kontext untersucht. Dabei steht vor allem die Frage im Mittelpunkt, welche Abwägungsentscheidungen der Nachfrager in bezug auf Vertrauen vornimmt, wie diese die Transaktionskosten beeinflussen und welche Implikationen und Handlungsempfehlungen sich daraus für die Akteure ableiten lassen.

In den heute vorherrschenden komplexen sozialen Ordnungen wären die Individuen ohne ein gewisses Maß an Vertrauen im sozialen wie auch speziell im ökonomischen Kontext praktisch handlungsunfähig (Staehle 1999, S. 409).

Obwohl Vertrauen in einigen ökonomischen Forschungsgebieten eingehender untersucht wurde, spielt die theoretische Aufbereitung dieses Konstruktes insgesamt bisher eine eher untergeordnete Rolle. Bittl spricht sogar „von der weitgehend unberührten black box der Betriebswirtschaftslehre“ (Bittl 1997, S. 159).

In der Theorie der Neoklassik, die an die Theorie des vollkommenen Marktes anknüpft, werden Erklärungsansätze für die Existenz nicht rationaler Entscheidungen und Verhaltensweisen gegeben. Vertrauen ist dabei ein Erklärungsfaktor, jedoch nicht selbst Untersuchungsgegenstand, und somit nur zu erklärendes Phänomen (Krystek/ Zumbrock 1993, S. 21).

In der Theorie des Akquisitorischen Potentials von Gutenberg findet darüber hinaus eine ökonomisch-theoretische Einordnung des Phänomens Vertrauen statt. Die Kundentreue kann dabei als Artikulation des Vertrauens des Kunden, das dieser in eine Unternehmung hat, verstanden werden. Es ist daher zentrale Größe dieser Betrachtungen (Albach 1991, S. 3). In der amerikanischen Literatur erscheint Vertrauenskapital als Goodwill, der zu einem Faktor verselbständigt und vom Kunden auf neue Produkte der gleichen Unternehmung transferiert wird (Albach 1991, S. 5).

Die fehlende ökonomische Behandlung des Vertrauensmechanismus und der ihm zugrunde liegenden Anreizstrukturen ist unbefriedigend. Es wird die Chance vergeben, durch eine entsprechende Gestaltung der Rahmenbedingungen die Anwendung von Vertrauen als Organisationsprinzip in Austauschbeziehungen zu begünstigen und für die beteiligten Anbieter wie Nachfrager Vorteile zu generieren (Ripperger 1998, S. 7).

Die untergeordnete Bedeutung von Vertrauen in der ökonomischen Forschung ist um so bemerkenswerter, wenn man sich die aktuellen Rahmen- und Wettbewerbsbedingungen vor Augen führt, denen die Unternehmen im globalen Wettbewerb ausgesetzt sind. Durch die Anwendung vertrauensstützender und vertrauenserzeugender Instrumente wäre es den Unternehmen möglich, zusätzliche Wettbewerbsvorteile zu erzielen und damit die eigene Marktposition zu verbessern.

Außerdem ist Vertrauen ein Erfolgsfaktor für eine schnelle und breite Diffusion von Innovationen (Wienand1998, S. 22) und kann so ebenfalls zur Verbesserung der Wettbewerbsposition einer Unternehmung beitragen.

In bezug auf bestimmte sehr komplexe und mit unbeseitigbarer Informationsasymmetrie behaftete Güter, deren Bedeutung bei der momentanen Entwicklung zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft ständig an Bedeutung gewinnt, kann Vertrauen Transaktionen teilweise überhaupt erst ermöglichen (Staehle 1999, S. 409).

Eine Vielzahl von angewendeten Managementkonzepten, wie Just-in-Time oder Wertschöpfungspartnerschaften im Fertigungsbereich bzw. Dachmarkenstrategien im Absatzbereich wären ohne ein Mindestmaß an Vertrauen undurchführbar.

Die Bedeutung des Konstruktes Vertrauen wird sowohl für den Anbieter wie auch den Nachfrager in Zukunft weiter zunehmen, obwohl es kein klassisches Konzept der Wirtschafswissenschaften darstellt (Winand 1998, S. 3, Ripperger 1998, S. 2).

Die, durch den sich weiter verstärkenden Informationsfluss und die steigende Vernetzung der Institutionen verursachte, Komplexität erfordert Instrumente zur Strukturierung und Wahrnehmung der Umgebung und zur Wahrung der Handlungsfähigkeit. Vertrauen ist als ein solches Instrument geeignet, die Informationsaufnahme und Verarbeitung der Akteure zu vereinfachen und zu beschleunigen.

2 Grundlagen

2.1 Das Verständnis des Begriffs Vertrauen in verschiedenen Wissenschaften

Das Begriffsverständnis für Vertrauen ist in den verschiedenen Wissenschaftsgebieten unterschiedlich ausgeprägt (Pieper 2000, S. 61). Einzelne Aspekte werden verschieden stark betont. Neben den Wirtschaftswissenschaften ist Vertrauen in folgenden Wissenschaftsgebieten Gegenstand der Forschung: Soziologie, Sozialpsychologie, Psychologie, Pädagogik und Therapieforschung.

In der Soziologie und Sozialpsychologie werden den personengebundenen Ansätzen der Psychoanalyse eher situations- bzw. objektgebundene Ansätze gegenübergestellt. Dabei wird das Eingehen von Vertrauensbeziehungen primär von situativen Erfahrungen abhängig gemacht und weniger von der Persönlichkeit der beteiligten Akteure (Krystek/Zumbrock 1993, S. 6). Einer der bedeutendsten Vertreter dieses Ansatzes ist der Soziologe Niklas Luhmann, für den die Vertrautheit mit einer Person oder Sache die Grundlage für Vertrauen ist (Luhmann 1989, S. 19). Während bei den Psychologen Vertrauen häufig als eine subjektive Erwartungshaltung verstanden wird, untersuchen insbesondere die Vertreter der Wirtschaftswissenschaften in der Spieltheorie Vertrauen als wahrnehmbares kooperatives Verhaltensphänomen (Ripperger 1998, S. 6). Bisher existiert jedoch kein bedeutender Ansatz, in dem Vertrauen als subjektive Erwartungshaltung und festgelegtes Verhalten integriert wird.

2.2 Definition, Eigenschaften und Träger von Vertrauen

Für Vertrauen existiert keine von der Forschungsrichtung unabhängige Definition (Hosmer 1995, S. 380). Winand definiert Vertrauen, in dem er sich an den soziologisch geprägten Definitionen von Luhmann und Schweer orientiert (Wienand 1998, S. 5):

„Vertrauen ist eine soziale Grunddisposition gegenüber anderen Menschen oder Institutionen mit individuell unterschiedlicher Ausprägung. Vertrauen befähigt, die Komplexität und Kontingenz (mögliches Ergebnis einer Handlung) menschlichen Handelns zu mindern. Vertrauen stärkt so die Handlungsfähigkeit von Akteuren und Institutionen.“

Im institutionenökonomischen Sinne kann Vertrauen wie folgt definiert werden (Ripperger 1998, S. 45):

„Vertrauen ist die freiwillige Erbringung einer riskanten Vorleistung unter Verzicht auf explizite vertragliche Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen gegen opportunistisches Verhalten in der Erwartung, dass sich der andere, trotz Fehlen solcher Schutzmaßnahmen, nicht opportunistisch verhalten wird“.

Vertrauen ist abzugrenzen von Zuversicht. Zuversicht stellt eine generelle Reaktion auf die unbegrenzte Zahl an Unsicherheiten des täglichen Lebens dar und ist somit das Komplement zum Zustand permanenter Angst und Unsicherheit. Die Überprüfung von Alternativen grenzt das Vertrauen von genereller Zuversicht ab.

Misstrauen bedingt die Erwartung opportunistischen Verhaltens und führt zu einem verstärkten Einsatz von Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Begriffliche Abgrenzung von Vertrauen (Pieper 2000, S. 34).

Vertrauen setzt sich aus Vertrauenserwartung und Vertrauenshandlung zusammen (zum Prozess der Vertrauensbildung vgl. Abb. a im Anhang). Als vertrauenswürdig wird ein Akteur angesehen, der sich bemüht, die in ihn gesetzte Vertrauenserwartung, trotz Fehlens einer explizit festgelegten Verpflichtungen bzw. Anreizes zu erfüllen (Ripperger 1998, S. 60). Unter einer Vertrauenshandlung wird die tatsächliche Platzierung von Vertrauen durch den Vertrauensnehmer subsumiert.

Der Vertrauensnehmer empfängt das Vertrauen einer anderen Person/Institution. Es wird von ihm erwartet, dass er dieses Vertrauen nicht enttäuscht. In den nachfolgenden Untersuchungen wird die Rolle des Vertrauensnehmers primär dem Anbieter zugeschrieben. Der Nachfrager ist dementsprechend als Vertrauensgeber anzusehnen, obwohl auch er in kleinen Teilen aus Sicht des Anbieters ebenfalls Vertrauensnehmer sein kann, z.B. bei integrativen Dienstleistungen.

Der Vertrauensgeber (Vertrauender oder „trustee“) ist also die Person/Institution, die eine Vertrauensentscheidung über die Gewährung von Vertrauen getroffen hat. Zur Installation einer Vertrauensbeziehung muss der Vertrauensgeber eine riskante Vorleistung (einen „ersten Schritt“) erbringen, in dem er sich vertrauensbereit zeigt.

Es können sowohl Personen als auch Systeme (Organisationen, Rollen) Vertrauenspartner sein (Wienand 1998, S. 8, Pieper 2000, S. 71).

Vertrauen als Grunddisposition besteht bei Personen in Form von sozialen Einstellungen, bei Organisationen ist es erkennbar in Traditionen, Politiken, Kulturen sowie Regeln. In Bezug auf Systemvertrauen ersetzen bzw. ergänzen Rollenkonzepte das Vertrauen in das Individuum. Systemvertrauen baut darauf auf, dass andere auch vertrauen und diese Gemeinsamkeit des Verhaltens bewusst wird (Reflexivität) (Luhmann 1989, S. 77). Bei personalem Vertrauen ist Reflexivität hingegen nicht Existenzvoraussetzung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Vertrauensrelationen (Wienand 1998, S. 7).

Obwohl in einer Vertrauensbeziehung auch Institutionen oder Personengruppen agieren können, wird die Vertrauensbeziehung für diese Arbeit als Beziehung zwischen Individuen aufgefasst, da Vertrauen schlussendlich immer durch die Handlungen einzelner begründet, ausgebaut oder zerstört wird (Ripperger 1998, S. 73).

Der Vertrauende entscheidet sich unter Ungewissheit und geht das Risiko eines Schadens bewusst ein (Strasser/Voswinkel, 1997, S. 218, Ripperger 1998, S. 36). Er verzichtet auf den Einsatz von Instrumenten, die eine Verhaltenskontrolle ermöglichen (Neubauer 1997, S. 105). Vertrauen als subjektiv gestaltbare Einstellung ist individualspezifisch ausgeprägt. Der Grad des Vertrauens entspricht der Wahrscheinlichkeit, mit der das nutzenstiftende Ereignis und nicht das schädigende Ereignis vom Vertrauensgeber erwartet wird (Ripperger 1998, S. 38). Vertrauen ist dabei mehr als ein rein rationales Kalkül. Es muss aufgebaut, gepflegt und erneuert werden und ist darüber hinaus sehr fragil (Wienand 1998, S. 9, Sonnenberg 1994, S. 14).

Die Vertrauensentscheidung (zum Prozess der Vertrauensentscheidung vgl. Abb. b des Anhangs) des Vertrauensgebers bezieht sich in erster Linie auf motivationale Aspekte des Vertrauensnehmers, d.h. das Verhaltensrisiko bedingt durch dessen Absichten. Entscheidend für das Ergebnis der Abwägungen des Vertrauensgebers ist die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der kritischen Alternative, deren Schaden im Falle des Eintritts, den Nutzen der Vertrauensentscheidung bei weitem überschreiten kann, z.B. beim Engagement eines Babysitters (Gierl 1999, S. 196).

Die sichere und subjektiv stabile Vertrauensentscheidung erfordert ein Mindestmaß an Information und Vertrautheit für den Vertrauensgeber (Luhmann 1989, S. 19).

2.3 Der komplexitätsreduzierende und zeitüberbrückende Charakter von Vertrauen

Der Rückgriff auf Vertrauen ermöglicht die Bewältigung von Entscheidungssituationen, die durch Kontingenz und Komplexität gekennzeichnet sind. Der Begriff Kontingenz bezeichnet dabei die fortschreitende Veränderung von Entscheidungssituationen. Unter Komplexität versteht man die Vielfältigkeit von Ergebniszuständen. Die Komplexität einer Situation steigt mit der Zahl möglicher zukünftiger Handlungsergebnisse und dem Vorliegen gegenseitiger Interdependenzen.

Durch Extrapolation („Überziehen“) vergangener Erfahrungen in die Gegenwart kommt es bei der Vertrauensanwendung zu einer Reduktion von prüfungswürdigen Alternativen (Wienand 1998, S. 18, Luhmann 1989, S. 24). Es findet mit der Anwendung von Vertrauen eine Interpretation von Information durch Ersatz, Überlagerung oder Verkürzung statt. Ein bestimmter wahrnehmbarer Mangel an Information, unbekannten zukünftigen Entscheidungen bzw. Ergebnissen wird in Kauf genommen. Die Komplexitätsreduktion wird dabei ermöglicht durch das Zutrauen in die Handlungen und Entscheidungen anderer (Krystek/Zumbrock 1993, S. 13).

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Abb. 3: Vergangenheits- und Zukunftsbezug von Vertrauen.

Vertrauen kommt eine überbrückende Wirkung zwischen heutigen Entscheidungen und zukünftigen Handlungsfolgen zu. Luhmann spricht in diesem Zusammenhang von einem „Vorschuss auf den Erfolg, im voraus auf Zeit und auf Widerruf“ (Luhmann 1989, S. 26).

2.4 Explizite und implizite Verträge - komplementäres Sicherungsinstrument zu Vertrauen

Verträge stellen, ähnlich wie Vertrauen, ein Instrument zur Komplexitätsreduktion und zur Einschränkung möglicher Handlungsergebnisse dar (Ripperger 1998, S. 27). Sie können daher ebenfalls als komplementäres Sicherungsinstrument zur Absicherung von Transaktionen eingesetzt werden. Soweit eine Ergebnisbeherrschung durch explizite Verträge möglich ist, bedarf es keines Vertrauens (Ripperger 1998, S. 48). Fehlen jedoch Kontrollmöglichkeiten bzw. ist die zweifelsfreie Ergebnisursachenzurechnung nicht möglich, ist ein gewisses Maß an Vertrauen „auffüllend“ notwendig (Ripperger 1998, S. 49).

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Abb. 4: Komplexitätsreduktion durch Verträge (Ripperger 1998, S. 33).

Im Gegensatz zu expliziten Verträgen weisen implizite Verträge Regelungslücken auf. Sie erfordern daher in besonderem Maße die Existenz sozialer Normen und Reputationsmechanismen, da sie selbstdurchsetzend sein müssen. Grundsätzlich besteht zwar auch bei impliziten Verträgen die Möglichkeit einer Sanktionierung (z.B. Reputationsschädigung), ein Mechanismus zur Schadenskompensation ist im Gegensatz zu expliziten Verträgen jedoch regelmäßig nicht gegeben. Bei expliziten Verträgen findet die Risikobegrenzung durch Einschränkung der möglichen Ergebnisse oder durch Entschädigung für mögliche negative ökonomische Konsequenzen statt (Ripperger 1998, S. 31). Der Regelung mit Hilfe expliziter Verträge sind jedoch Grenzen gesetzt. Besonders in Austauschbeziehungen, in denen ein hohes Maß an Informationsasymmetrie herrscht und bei denen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich auseinander fallen, ist die Absicherung gegen Verhaltensrisiken daher häufig definitionsgemäß unvollständig (Ripperger 1998, S. 33).

3 Theorie der Neuen Institutionenökonomie

3.1 Neue Institutionenökonomie – ein Überblick

Die zwischen Institutionen, z.B. Unternehmen, wirkenden Mechanismen in sozioökonomischen Austauschbeziehungen sind Untersuchungsgegenstand der Neuen Institutionenökonomie (Schumann 1992, S. 434, Picot/Dietl 1990, S. 178). Der Institutionenbegriff ist weit auszulegen und umfasst auch organisatorische Regelungen wie den Markt, das Geld oder die Sprache (Pieper 2000, S. 131). Auch auf Fragestellungen, wie menschliches Verhalten durch Institutionen gesteuert werden kann, wird eingegangen (Wolff 1999, S. 135). Anders als neoklassische Ansätze, die auf einer Zielharmonie der Akteure, aufbauen, werden Motivationsprobleme berücksichtigt. Das Instrument des Vertrages ist von großer Bedeutung (Pieper 2000, S. 131).

Im Gegensatz zum neoklassischen Marktmodell, in dem Komplexitätsbeherrschung annahmegemäß unproblematisch ist, existiert in der Neuen Institutionenökonomie der Raum für subjektiv und objektiv unsichere Erwartungen (Ripperger 1998, S. 22). Mit der Annahme intendiert rational handelnder Akteure wird grundsätzlich, im Vergleich zur Neoklassik, eine realitätsnähere Annahme getroffen.

Neben dem Transaktionskostenansatz, der später von Williamson zum Governance-Ansatz als dem heute bestimmenden Zweig der Neuen Institutionenökonomie weiterentwickelt worden ist (Schumann 1992, S. 434), können noch folgende Ansätze unter die Neue Institutionenökonomie gefasst werden (Neuberger 1994, S. 54):

- die Agency-Theorie,
- die Property-Rights-Theorie und
- der Public-Choice-Ansatz.

Die Abgrenzung zwischen den einzelnen Theoriegebieten erfolgt bei verschiedenen Autoren fließend und unterschiedlich weit. Allen Theoriegebieten der Neuen Institutionenökonomie ist dabei jedoch gemeinsam, dass sie Ansätze und Erklärungen liefern für eine Welt, in der Unsicherheit durch unvollkommen Informationen, begrenzte Kapazitäten, Rationalität und Moral der handelnden Akteure gegeben ist (Kaas 1991, S. 359).

3.2 Transaktionskostentheorie

Der bereits 1937 von Coase veröffentlichte Aufsatz „The nature of the Firm“ gilt heute als Ursprung des Transaktionskostenansatzes, obwohl er bis in die siebziger Jahre zunächst unbeachtet blieb (Picot/Dietl 1990, S. 178).

Die Arbeit von Coase verdeutlichte, dass neben Produktionskosten auch Transaktionskosten bei der Koordination von Aktivitäten über Märkte und innerhalb von Unternehmungen zu beachten sind (Schumann 1992, S. 435). Entgegen der Grundannahme der Neoklassik ist die Nutzung von Märkten und Preissetzungsmechanismen jedoch nicht kostenfrei. Diesen Gedanken greift Williamson für seine Theorie auf, mit deren Hilfe er erklärt, warum ein Teil der ökonomischen Leistungsbeziehungen über den Markt andere unternehmensintern koordiniert werden (Picot/Dietl 1990, S. 178/179).

Die Transaktionskostentheorie und auch die Agency-Theorie sind innerhalb der Institutionenökonomie der Forschungsrichtung des Institutional-Arrangements zuzuordnen, deren Ziel die Ermittlung der geeignetsten Koordinationsformen innerhalb gegebener Rahmenbedingungen ist (Pieper 2000, S. 132).

Transaktionstheoretische Überlegungen haben nicht den einzelnen Güteraustausch an sich, sondern die zeitlich vorgelagerte Übertragung von Verfügungsrechten (Property Rights) zum Gegenstand. Unter Property Rights versteht man die mit den Gütern verbundenen, institutionell legitimierten Handlungs- und Verfügungsrechte eines Individuums bzw. einer Institution. Der institutionelle Rahmen (Organisationsformen, rechtliche und soziale Normen, Sprache etc.) wird mit in die Untersuchungen einbezogen.

Die Transaktionskostentheorie findet u.a. Anwendung bei Entscheidungen über die eigene Leistungstiefe eines Unternehmens und damit verbundenen Entscheidungen, z.B. in bezug auf die Gestaltung von Zulieferbeziehungen (Theuvsen 1999, S. 223).

3.3 Definition, Bestandteile und Determinaten von Transaktionskosten

Definition und Bestandteile

Unter Transaktionskosten versteht man die zur Bestimmung, Übertragung und Durchsetzung von Verfügungsrechten entstehenden Kosten und schwer zu quantifizierende Größen wie Mühe, Zeit, Nachteile und Schäden (Picot/Dietl 1990, S. 178).

Transaktionskosten fallen in erster Linie in Form von Informations- und Kommunikationskosten an (Schuhmann 1992, S. 435). Sie entstehen bei der Anbahnung, Konkretisierung, Kontrolle und Anpassung wechselseitiger Leistungsbeziehungen (Picot/Dietl 1990, S. 178, Schumann 1992, S. 437).

Williamson wie auch Schumann gehen in ihren Ausführungen davon aus, dass Transaktionskosten an Schnittstellen entlang des Fertigungsprozesses entstehen, da „jeweils Personen agieren, die sich verständigen müssen“ (Schumann 1992, S. 437).

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Abb. 5: Transaktionskosten und deren zeitlicher Anfall, in Anlehnung an Pieper (Pieper 2000, S. 135).

Einige Autoren unterscheiden in bezug auf Transaktionskosten zwischen Koordinations- und Motivationskosten. Motivationskosten resultieren aus den Schutzmaßnahmen gegen opportunistisches Verhalten und entstehen im Wesentlichen aus einem Mangel an Vertrauen zwischen den Transaktionspartnern (Ripperger 1998, S. 26), während Koordinationskosten unabhängig von der Motivation der Beteiligten entstehen, z.B. für die Beschaffung von Information über verfügbare Güter.

Determinaten

Spezifität, Unsicherheit bzw. Komplexität, Häufigkeit der Transaktion, Transaktionsatmosphäre, sowie die Anzahl der potenziellen Transaktionspartner bestimmen als Determinanten die Höhe der Transaktionskosten.

Spezifität bezeichnet das Ausmaß, in dem ein Gut nur durch ein Unternehmen (Unternehmensspezifität) oder in einer Branche (Branchenspezifität) genutzt werden kann (Meise 1998, S. 10). Die, bereits vor der Transaktion oder im Verlaufe der Beziehung entstehende, Spezifität eines Gutes wird in Verbindung mit der Opportunismusannahme zum Problem, da transaktionsspezifischen Investitionen bei einer zweitbesten Verwendung einen Verlust an Quasirenten (erzielbarer Mehrertrag bei bester Verwendung) erfahren. Eine Ressource ist als um so spezifischer anzusehen, je mehr sie bei Verwendung außerhalb der ursprünglichen Vertragsbeziehung an Wert verlieren würde (Ripperger 1998, S. 26). Durch spezifische Investitionen kommt es daher zu Machtverschiebungen in Transaktionsbeziehungen (Grote 1990, S. 58). Spezifität und Transaktionskosten korrelieren positiv (Tacke 1999, S. 85).

Eine komplexe Situation ist zwar grundsätzlich sicher, in ihren Zusammenhängen vom Handelnden jedoch nicht zu überschauen. Die fehlende Überschaubarkeit ist begründet durch die Unbekanntheit der Situation und die limitierte Verarbeitungskapazität des Akteurs (Picot/Dietl 1990, S. 179). Dagegen bezieht sich Unsicherheit z.B. auf das Vorhandensein nicht beeinflussbarer, exogener Umwelteinflüsse. Bestimmte zukünftige und vertragsrelevante Ereignisse können im Vorfeld nicht konkretisiert werden. Dies wirkt zusätzlich unsicherheits- und damit transaktionskostenerhöhend (Schumann 1992, S. 439). Unsicherheit bzw. die Komplexität einer Transaktion wirken transaktionskostensteigernd (Tacke 1999, S. 85).

Regelmäßig wiederkehrende Transaktionen machen eine andere vertragliche Ausgestaltung möglich als vereinzelte Transaktionen, zudem kommt es zur Entstehung von Lerneffekten und Kostendegressionen. Grundsätzlich sinken mit der Zahl der Transaktionen die Transaktionskosten.

Die Transaktionsatmosphäre wird durch kulturelle, rechtliche und technologische Rahmenbedingungen konstituiert. Sie prägt die Erwartungshaltung der Akteure und bestimmt deren Bedürfnis nach Absicherung. Bei guter Transaktionsatmosphäre sind geringere Transaktionskosten zu erwarten.

Der am Markt herrschende Wettbewerb und die Marktmacht einzelner Marktteilnehmer ist für die Höhe der Transaktionskosten von Bedeutung (Sydow 1992, S. 131). Mit der Anzahl der an einer Transaktion beteiligten Parteien erhöhen sich die Transaktionskosten (Ebers 1994, S. 40).

3.4 Eigenschaften der Transaktionspartner

In der Transaktionskostentheorie werden in bezug auf die Eigenschaften der Transaktionspartner folgende Annahmen getroffen:

- eingeschränkte Rationalität (bounded rationality)

Die handelnde Person orientiert sich, aufgrund begrenzter Kapazitäten an subjektiv begrenzten Informationen (Schumann 1992, S. 436). Gemäß der Rationalitätsannahme wird sich ein Akteur willentlich nicht so verhalten, dass er sich selbst schadet (Wolff 1999, S. 138).

- opportunistisches Verhalten (opportunistic behavior)

Opportunistisches Verhalten als die verschärfte Form eigennützigen Verhaltens und schließt die Anwendung von Hinterlist mit ein. Es ist nicht notwendig, dass sich alle Akteure auch tatsächlich eigennützig verhalten. Allein die Tatsache, das einige Akteure es tun und dies schwer zu erkennen ist, begründet die Annahme und die mit ihr verbundenen Implikationen (Michaelis 1985, S. 119). Bestünde die Gefahr opportunistischen Verhaltens nicht, so würde die Implementierung optimaler Koordinationsregeln zur Organisation von Leistungsprozessen ausreichen. Auf spezielle Anreiz- oder Überwachungsmechanismen könnte dann verzichtet werden (Wolff 1999, S. 140).

3.5 Die Prinzipal-Agent-Theorie

Die Prinzipal-Agent-Theorie (P-A-Theorie) beschreibt die Problematik, dass ein oder mehrere Akteure, an die eine Aufgabe delegiert worden ist (Agent), motiviert werden sollen, im Interesse eines oder mehrerer anderer Akteure (Prinzipal) zu handeln (Ripperger 1998, S. 64).

Der Prinzipal erwartet, das der Agent in seinem Sinne agiert und die ihm übertragenen Aufgaben in seinem Interesse erledigt. Die P-A-Theorie findet u.a. Anwendung bei Eigentümer-Management-Problematiken.

Charakteristisch für das Vorliegen eines Prinzipal-Agent-Problems, das eng verwoben ist mit asymmetrischer Informationsverteilung, sind (Schumann 1992, S. 454):

- Mangelnde Erkennbarkeit oder Kenntnis der Handlungen des Agenten für den Prinzipal

Der Prinzipal kann die Handlung des Agenten nicht direkt beobachten (versteckte Aktion), bzw. der Agent ist über handlungsrelevante Sachverhalte informiert, die der Prinzipal nicht wahrnehmen kann oder die ihm der Agent nicht zur Kenntnis gibt (versteckte Information).

- Mangelnde Zurechenbarkeit

Das Ergebnis ist nicht ausschließlich vom Handeln des Agenten bestimmt, sondern auch von anderen Einflüssen, z.B. zufälligen Umweltereignissen, abhängig. Der Prinzipal kann daher keine Zurechnung zwischen dem beobachteten Ergebnis und den Handlungen des Agenten vornehmen und somit keine Rückschlüsse auf die Sorgfalt des Agenten ziehen.

Der Hidden-Action-Fall, als eine Art von Informationsasymmetrie, ist das Grundproblem der P-A-Theorie (Schenk-Mathes 1999, S. 39).

3.6 Informationsasymmetrien

Situationen asymmetrischer Information liegen vor, wenn von zwei kooperierenden Akteuren der eine besser und weitreichender informiert ist als der andere. In bezug auf die Nachfrager-Anbieter-Beziehung kann für den Anbieter ein Informationsvorsprung angenommen werden (Einseitigkeit der Informationsasymmetrie), obwohl auch hier wechselseitige Informationsasymmetrien denkbar sind (Bruhn 1998, S. 588/589). Mit dem Grad der Informationsasymmetrie in einer Beziehung steigt für den schlechter informierten Vertragspartner (z.B. den Nachfrager) das verhaltensbedingte Risiko (Pieper 2000, S. 166).

Informationsasymmetrien können in Qualitäts- und Verhaltensunsicherheit unterteilt werden (Spremann 1990, S. 567f., Gierl 1999, S. 197):

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Abb. 6: Informationsasymmetrien, in Anlehnung an Gierl (Gierl 1999, S. 197).

3.6.1 Qualitätsunsicherheit

Qualitätsunsicherheit (hidden characteristics) beruht auf bereits vor Vertragsschluss existenten Informationsasymmetrien bezüglich der Eigenschaften und Leistungsfähigkeit des Partners (z.B. Anbieters) und beschreibt das Risiko einer fehlerhaften Auswahl.

Verhaltensmerkmale, die eine Qualitätsunsicherheit begründen können, sind z.B. Begabung, Talent und Qualifikation. Der Auswählende (z.B. Nachfrager) verspürt ein Unsicherheitsgefühl, da er sich in bezug auf die Eigenschaften des Partners nicht sicher sein kann (Pieper 2000, S. 166).

Kann der Nachfrager die Eigenschaften der relevanten Anbieter zu vergleichsweise geringen Kosten ermitteln, beschafft er die Information vor der Entscheidung (hoher Informationswert). Die Informationskosten eines Nachfragers sind niedrig, wenn die Überprüfbarkeit eines Angebotes leicht ist, die Komplexität eher gering und eine kleine Zahl vergleichbarer Angebote vorliegt (Kaas 1990, S. 542). Ist der Informationswert hingegen gering, wird der Nachfrager die Entscheidung trotz unvollkommener Information treffen, da die Kosten der Informationsbeschaffung den Nutzen der Information überschreiten. Qualitätsunsicherheiten können zu Adverse-Selection-Problemen führen, die im Extremfall den Zusammenbruch eines Marktes bewirken (Ripperger 1998, S. 65, Schenk-Mathes 1999, S. 46). Als geeignete Maßnahme zur Beseitigung der Qualitätsunsicherheit kann der Anbieter Signaling-Maßnahmen und der Nachfrager Screening-Maßnahmen ergreifen.

Da auch der Vertrauensgeber regelmäßig bei der Vertrauensplatzierung mit einem Auswahlproblem konfrontiert ist, ist es erforderlich, die Umstände zu ermitteln, die ein Zustandekommen einer Vertrauensbeziehung unterstützen. Die Frage, welcher Anbieter die in ihn gesetzte Erwartung tatsächlich erfüllen und sich vertrauenswürdig verhalten wird, steht dabei im Mittelpunkt der Betrachtung.

3.6.2 Verhaltensunsicherheiten

Verhaltensunsicherheit wird vom Vertragspartner (z.B. dem Nachfrager) in bezug auf das Verhalten des ausgewählten Partners (z.B. dem Anbieter) wahrgenommen. Der ausgewählte Partner kennt seine Verhaltensabsichten und kann sein Verhalten noch festlegen, dem Vertragspartner ist das Verhalten zumindest im Moment der Auswahl unbekannt (Spremann 1990 S. 565).

Holdup

Holdup (dt. „überraschende Störung“), liegt vor, wenn z.B. ein Anbieter sein zukünftiges Verhalten noch festlegen kann und diese Festlegung dem Nachfrager nachträglich (ex post) bekannt wird. Entsprechende Verhaltensmerkmale sind u.a. Entgegenkommen, Kulanz und Fairness. Es wird also die subjektive Unsicherheit des Nachfragers über die zukünftigen Verhaltensabsichten des Anbieters untersucht.

Situationen des Holdup entstehen auch durch die Vornahme von irreversiblen Investitionen (Sunk Costs). Das sich anschließende Verhalten des einen Partners (des Anbieters) führt zu einem Schaden bei der schlechter informierten Partei (dem Nachfrager). Dabei ist die Spezifität der vorgenommenen Investitionen das eigentliche Problem des Holdup, nicht die Informationsasymmetrie (Ripperger 1998, S. 67).

Mit der Platzierung der riskanten Vorleistung bei der Vertrauensentscheidung (erster Schritt in zur Installation der Vertrauensbeziehung) kann ebenfalls eine Situation des Holdup auftreten. Die riskante Vorleistung stellt eine irreversible Investition dar. Es entsteht ein Abhängigkeitsverhältnis zum Vertrauensnehmer (Ripperger 1998, S. 74).

Um die Holdup-Problematik in bezug auf die Vertrauensentscheidung zu entschärfen, müssen Maßnahmen getroffen werden, die die Konsequenzen aus nicht vertrauensvollem Verhalten gleichmäßig auf die Akteure verteilen.

Moral hazard

Der Begriff des Moral hazard beschreibt die Situation, dass das willentliche Verhalten eines Vertragspartners dem anderen auch nachträglich unbekannt bleibt.

Die schlechter informierte Partei kann eine zweifelsfreie Zuordnung der Ergebnisqualität nicht vornehmen, die Resultat der Anstrengungen des Partners oder externer Umwelteinflüssen sein kann. Entsprechende Verhaltensmerkmale sind: Anstrengung, Fleiß oder Sorgfalt. Der sich eröffnende diskrete Handlungsspielraum des Partners (z.B. des Anbieters) ist abhängig von der Plastizität der eingesetzten Ressourcen und den Kontrollkosten (Schenk-Mathes 1999 S.40). Eine geringe Plastizität ist gegeben, wenn alle vorzunehmenden Tätigkeiten fest definiert sind. Bei der Erstellung ein komplexen Dienstleistung ist beispielsweise von einer hohen Plastizität auszugehen (Schenk-Mathes 1999, S. 41).

Durch die Herstellung einer Zielkongruenz zwischen den Parteien, z.B. durch Anreizsysteme in Form von Leistungsentgelten und dem Einsatz von Monitoring-Aktivitäten kann die Problematik des Moral hazard gemildert werden (Wolff 1999, S. 143, Ripperger 1998, S. 66). Monitoring-Aktivitäten dienen der Überprüfung des Partnerverhaltens, z.B. in Form von Stichproben.

In bezug auf Fragstellungen des Vertrauens ist das Moral-hazard-Problem in den Fällen relevant, in denen der Vertrauensgeber auch nachträglich nicht erkennen kann, ob sich der Vertrauensnehmer vertrauensvoll verhalten hat.

4 Das Entscheidungskalkül des Nachfragers als Vertrauensgeber

4.1 Die Vertrauensbeziehung als Prinzipal-Agenten-Beziehung

Vertrauen gilt in der Neuen Institutionenökonomie als transaktionskostensenkendes Element in bezug auf die Transaktionsatmosphäre. Es ist das „Schmiermittel“ für den reibungslosen Ablauf von Transaktionen. Eine theoretische Erfassung und Erklärung des Vertrauensphänomens und seiner zu Grunde liegenden Mechanismen erfolgt in der Neuen Institutionenökonomie jedoch nicht (Ripperger 1998, S. 34).

Die P-A-Theorie eignet sich jedoch als Analyseinstrument zur Erklärung von ökonomischen Vertrauenssituationen (Strasser/Voswinkel 1997, S. 226). Der Vertrauensgeber ist dabei als Prinzipal und der Vertrauensnehmer als Agent anzusehen. Dabei wird ein impliziter Vertrag über die Erfüllung der Vertrauenserwartung zwischen den Beteiligten geschlossen (Ripperger 1998, S. 63).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Informationsasymmetrie für den Vertrauensnehmer in der Vertrauensbeziehung (Ripperger 1998, S. 76).

Eine Vertrauensproblematik existiert nur, wenn Informationsasymmetrien und die Möglichkeit eines Irrtums in bezug auf die Vertrauenswürdigkeit eines Akteurs gegeben sind. Durch die Annahme einer begrenzten Rationalität der Handelnden wird die Existenz von subjektiver Unsicherheit und damit eines Irrtums erst ermöglicht.

4.2 Das Verhalten des Nachfragers als Vertrauensgeber

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 8: Handlungsoptionen des Nachfragers, in Anlehnung an Ripperger (Ripperger 1998, S. 74).

Der Vertrauensnehmer besitzt interne Informationen über seine Eigenschaften und Handlungsabsichten. Er hat die Möglichkeit, Vertrauen zu honorieren oder Vertrauen zu enttäuschen und kann so das Nutzenniveau des Vertrauensgebers beeinflussen (Ripperger 1998, S. 10). Nur wenn der Vertrauensgeber sich „vertrauenswürdig“ zeigt, wird der Vertrauensgeber einen positiven Nutzen erzielen.

Der Vertrauensgeber wird bei seiner Vertrauensentscheidung mit subjektiver, wie objektiver Unsicherheit konfrontiert (Ripperger 1998, S. 114). Objektive Unsicherheiten können vom Vertrauensgeber trotz zusätzlicher Informationsbeschaffung nicht reduziert werden, da sie außerhalb der Kontrolle der Beteiligten liegen (Ripperger 1998, S. 114/115).

Der Nachfrager als Vertrauensgeber kann als komplementäres Element zu Vertrauen Kontrollmaßnahmen ergreifen, um die mit der Vertrauensbeziehung verbundenen Agency-Probleme zu reduzieren. Hier steht ein Kontinuum potenzieller Verhaltensweisen zur Verfügung (Ripperger 1998, S. 86). Zu intensive Kontroll- und Sicherungsmechanismen können jedoch kontraproduktiv wirken, da sich die intrinsische Motivation des Transaktionspartners verringern kann. Zudem sind Vertrauen und Kontrolle nicht beliebig substituierbar (Ripperger 1998, S. 82) und soziale und psychologische Einflüsse zu beachten (Ripperger 1998, S. 72).

Um eine Vertrauenshandlung vornehmen zu können, muss der Nachfrager Informationen finden, die geeignet sind, die lokalisierten Anbieter zu differenzieren. Dieser Prozess der Informationssuche und -aneignung kann als Screening bezeichnet werden. Screening-Aktivitäten können sich sowohl auf den Zustand, wie auch das Verhalten einer Person beziehen. Da Vertrauenswürdigkeit selbst nicht direkt beobachtet werden kann, müssen Merkmale gefunden werden, aus denen die Vertrauenswürdigkeit abgeleitet werden kann. Hinsichtlich der qualitativen Komponenten vertrauensrelevanter Merkmale lassen sich nur eingeschränkt allgemeingültige Aussagen treffen (Plötner 1995, S. 70). Für die Quantität verfügbarer vertrauensrelevanter Merkmale und geschenktem Vertrauen kann jedoch ein proportionaler Zusammenhang angenommen werden (Plötner 1995, S. 69).

4.3 Generalisiertes und spezifisches Vertrauen des Vertrauensgebers

Generalisiertes Vertrauen beeinflusst die Vertrauenserwartung des Vertrauensgeber in einer bestimmten Situation und führt zu Unterstellungen des Vertrauensgeber in bezug auf die Vertrauenswürdigkeit des Vertrauensnehmer. Vergangenheitserfahrungen aus ähnlichen Situationen werden dabei in die Gegenwart übertragen (Ripperger 1998, S. 101). Generalisiertes Vertrauen ist eine, im Umgang mit anderen, sozial erlernte Einstellung des Vertrauensgebers (Ripperger 1998, S. 102).

Neben dem generalisierten Vertrauen ist das spezifische Vertrauen des Vertrauensgebers relevant. Spezifisches Vertrauen stellt die subjektive Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit der zu beurteilenden Person in einer spezifischen Situation dar (Ripperger 1998, S. 105). Merkmale der Vertrauenssituation und Charakteristika des Vertrauensnehmers sind hierbei entscheidend (Ripperger 1998, S. 105, Gierl 1999, S. 198). Hierzu zählen Erreichbarkeit, Kompetenz, Beständigkeit, Diskretion, Fairness, Integrität, Loyalität, Offenheit, Zusageneinhaltung, Aufgeschlossenheit (Ripperger 1998, S. 105). Der Aufbau spezifischen Vertrauens bedingt die Verfügbarkeit von Informationen über den potenziellen Vertrauensnehmer und die situativen Umstände. Bezüglich der wahrgenommenen Eigenschaften des Anbieters ist die Anzahl und die Qualität des Merkmale entscheidend, aus dem der Nachfrager auf die Vertrauenswürdigkeit des Anbieters schließen kann (Gierl 1999, S.198). Je weniger Informationen dem Vertrauensgeber vorliegen, um so mehr muss er seine Vertrauenserwartung auf generalisiertes Vertrauen stützen. Reputation und die Vertrauensatmosphäre gewinnen dann ebenfalls an Bedeutung (Ripperger 1998, S. 106).

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832461829
ISBN (Paperback)
9783838661827
DOI
10.3239/9783832461829
Dateigröße
667 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Berlin – Wirtschaft und Management
Erscheinungsdatum
2002 (Dezember)
Note
1,7
Schlagworte
transaktionskosten prinzipal-agent-theorie modellierung vertrauensentscheidung vertrauensmanagement vertrauensbildung instrumente marketings
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Titel: Das Vertrauenskalkül des Nachfragers
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