Werbung für Elektrizität in Westfalen von den Anfängen bis 1930 am Beispiel der VEW
©2001
Magisterarbeit
137 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die Arbeit ist im Bereich der Erforschung historischer Wirtschaftswerbung anzusiedeln und soll einen Beitrag zur Beleuchtung der kommunikativen Ebene der Elektrifizierung leisten. Ausgangspunkt ist die Untersuchung der Werbemaßnahmen von öffentlichen Elektrizitätserzeugern im Versorgungsgebiet der 1925- 1930 in Westfalen agierenden VEW GmbH und ihrer seit 1897 tätigen Vorläuferunternehmen. Um das erste elektrische Licht in den Haushalten, Landwirtschafts-, Industrie- und Gewerbebetrieben aufleuchten lassen zu können, bedurfte es neben eines Anschlusses an das örtliche Stromverteilungsnetz einer intensiven Aufklärungsarbeit um die physikalischen Eigenschaften der Elektrizität und die Funktionsweise ihrer Anwendungsmöglichkeiten. Eine zentrale Rolle bei der Popularisierung elektrischer Energie kam den öffentlichen Elektrizitätswerken zu. Durch den Einsatz eines umfangreichen Spektrums verschiedenster Werbemedien bemühten sich die Werke, die neue Technologie den potentiellen Verbrauchern näherzubringen.
Gang der Untersuchung:
Grundlegend für eine Beleuchtung der Entwicklung und verschiedenen Erscheinungsbilder der Elektrizitätswerbung in Westfalen ist das Verständnis des Ablaufs der Elektrifizierung im Versorgungsgebiet. Wie schon angedeutet, muss Elektrizitätswerbung sogar als integraler Bestandteil der Elektrifizierung angesehen werden, da sie u.a. dazu diente, das Versorgungsgebiet der VEW auszudehnen.
Ausgehend von einer Beschreibung der Entwicklung der drei Vorläuferunternehmen bis zur Gründung der VEW GmbH im Jahr 1925 wird zu Beginn der Darstellung ein kurzer Abriss der wichtigsten Stationen der Elektrifizierung Westfalens wiedergegeben. Es wird dargelegt, welche dominierende Rolle die Kommunen bei den Strukturierungsmaßnahmen der Elektrizitätsunternehmen gespielt haben, woraus sich Anhaltspunkte für die Rekonstruktion der zugrundeliegenden Geisteshaltung und Unternehmensphilosophie herleiten lassen. Unter Einbeziehung der gemachten Erkenntnisse kann somit die praktizierte Unternehmens- und Absatzpolitik, zu der auch die Werbeaktivitäten der Werke gehören, analysiert und bewertet werden.
Ausgehend von einer Darstellung der von den Unternehmen eingesetzten Werbemedien soll die Thematik im analytischen Hauptteil der Arbeit auf den drei genannten Ebenen des Kommunikationsmodells untersucht werden. Dem analytischen Teil folgt schließlich eine Zusammenfassung der verschiedenen Teilergebnisse, die mit einer […]
Die Arbeit ist im Bereich der Erforschung historischer Wirtschaftswerbung anzusiedeln und soll einen Beitrag zur Beleuchtung der kommunikativen Ebene der Elektrifizierung leisten. Ausgangspunkt ist die Untersuchung der Werbemaßnahmen von öffentlichen Elektrizitätserzeugern im Versorgungsgebiet der 1925- 1930 in Westfalen agierenden VEW GmbH und ihrer seit 1897 tätigen Vorläuferunternehmen. Um das erste elektrische Licht in den Haushalten, Landwirtschafts-, Industrie- und Gewerbebetrieben aufleuchten lassen zu können, bedurfte es neben eines Anschlusses an das örtliche Stromverteilungsnetz einer intensiven Aufklärungsarbeit um die physikalischen Eigenschaften der Elektrizität und die Funktionsweise ihrer Anwendungsmöglichkeiten. Eine zentrale Rolle bei der Popularisierung elektrischer Energie kam den öffentlichen Elektrizitätswerken zu. Durch den Einsatz eines umfangreichen Spektrums verschiedenster Werbemedien bemühten sich die Werke, die neue Technologie den potentiellen Verbrauchern näherzubringen.
Gang der Untersuchung:
Grundlegend für eine Beleuchtung der Entwicklung und verschiedenen Erscheinungsbilder der Elektrizitätswerbung in Westfalen ist das Verständnis des Ablaufs der Elektrifizierung im Versorgungsgebiet. Wie schon angedeutet, muss Elektrizitätswerbung sogar als integraler Bestandteil der Elektrifizierung angesehen werden, da sie u.a. dazu diente, das Versorgungsgebiet der VEW auszudehnen.
Ausgehend von einer Beschreibung der Entwicklung der drei Vorläuferunternehmen bis zur Gründung der VEW GmbH im Jahr 1925 wird zu Beginn der Darstellung ein kurzer Abriss der wichtigsten Stationen der Elektrifizierung Westfalens wiedergegeben. Es wird dargelegt, welche dominierende Rolle die Kommunen bei den Strukturierungsmaßnahmen der Elektrizitätsunternehmen gespielt haben, woraus sich Anhaltspunkte für die Rekonstruktion der zugrundeliegenden Geisteshaltung und Unternehmensphilosophie herleiten lassen. Unter Einbeziehung der gemachten Erkenntnisse kann somit die praktizierte Unternehmens- und Absatzpolitik, zu der auch die Werbeaktivitäten der Werke gehören, analysiert und bewertet werden.
Ausgehend von einer Darstellung der von den Unternehmen eingesetzten Werbemedien soll die Thematik im analytischen Hauptteil der Arbeit auf den drei genannten Ebenen des Kommunikationsmodells untersucht werden. Dem analytischen Teil folgt schließlich eine Zusammenfassung der verschiedenen Teilergebnisse, die mit einer […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
ID 6176
Weltmann, Christoph: Werbung für Elektrizität in Westfalen von den Anfängen bis 1930
am Beispiel der VEW
Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Münster, Universität, Magisterarbeit, 2001
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany
2
INHALTSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG ... 4
1.1. F
ORSCHUNGSSTAND
... 5
1.2. D
IE
VEW G
MB
H
UND IHRE
V
ORLÄUFERUNTERNEHMEN ALS
U
NTERSUCHUNGSGEGENSTAND
... 10
1.3. M
ATERIALBASIS
... 11
1.4. Z
EITLICHE UND RÄUMLICHE
E
INGRENZUNG
... 12
1.5. F
ORSCHUNGSANSATZ
... 13
1.6. A
UFBAU
... 15
2.
DER ABLAUF DER ELEKTRIFIZIERUNG IM UNTERSUCHUNGSGEBIET ... 15
2.1. D
AS
S
TÄDTISCHE
E
LEKTRIZITÄTSWERK
D
ORTMUND
... 19
2.2. D
AS
E
LEKTRICITÄTSWERK
W
ESTFALEN
(EWW) ... 21
2.3. D
AS
W
ESTFÄLISCHE
V
ERBANDS
-E
LEKTRIZITÄTSWERK
(WVE) ... 24
2.4. D
ER
K
OMMUNALE
E
LEKTRIZITÄTS
-V
ERBAND
W
ESTFALEN
-R
HEINLAND
... 25
2.5. D
IE
D
ORTMUNDER UND
V
ERBANDS
-E
LEKTRIZITÄTSWERK
G
MB
H (DVE) ... 26
2.6. D
IE
VEW G
MB
H ... 26
2.7. Z
USAMMENFASSUNG
... 27
3. MEDIEN
DER
ELEKTRIZITÄTSWERBUNG ... 28
3.1. Z
EITUNGSANZEIGEN UND
P
RESSEARBEIT
... 28
3.2. K
UNDENZEITUNGEN
... 33
3.3. A
USSTELLUNGEN
... 36
3.4. V
ORFÜHRUNGSRÄUME
... 48
3.5. D
ER
VEW-W
ERBEWAGEN
... 51
3.6. W
ERBEFILME
... 53
3.7. S
ONSTIGE
W
ERBEMEDIEN
... 56
4. ELEKTRIZITÄTSWERBUNG
AUS
SICHT DER ELEKTRIZITÄTSWERKE ... 57
4.1. Z
UR
B
EDEUTUNG DER
W
ERBUNG IM BETRIEBSWIRTSCHAFTLICHEN
K
ONZEPT DER
E
LEKTRIZITÄTSWERKE
... 57
4.2. E
LEKTROTECHNISCHE
V
ORAUSSETZUNGEN
... 58
4.3. K
OMMUNALE
V
ERANTWORTUNG
... 60
4.4. E
TABLIERUNG DER
E
LEKTRIZITÄT AUF DEM
E
NERGIEMARKT
... 64
4.5. E
LEKTRIZITÄTSWERBUNG ALS
S
TEUERUNGSINSTRUMENT DES
S
TROMABSATZES
... 66
4.6. O
RGANISATION DER
W
ERBUNG
... 68
4.6.1. Die lokale Ebene... 68
4.6.2. Die überregionale Ebene ... 72
5. THEMATISCHE
SCHWERPUNKTE
DER ELEKTRIZITÄTSWERBUNG ... 78
5.1. ,,E
LEKTRISCHE
" V
ISIONEN UND
U
TOPIEN
... 79
5.2. M
ETHODEN DER
A
UFKLÄRUNG
... 83
5.3. D
EMONSTRATION UND
P
RÄSENTATION ELEKTRISCHER
A
NWENDUNGEN
... 86
3
5.4. H
ERAUSSTELLUNG DER
V
ORTEILE ÖFFENTLICHER
E
LEKTRIZITÄTSVERSORGUNG
... 88
5.5. U
NTERNEHMENSPRÄSENTATION UND
I
MAGEBILDUNG
... 91
6. REZIPIENTEN
DER
WERBUNG... 96
6.1. G
ROßABNEHMER
: G
EWERBE UND
I
NDUSTRIE
... 97
6.2. P
RIVATE
S
TROMVERBRAUCHER
... 99
6.3. L
ANDWIRTSCHAFT
... 105
7. ZUSAMMENFASSUNG ... 107
8. ANHANG... 111
8.1. A
BBILDUNGEN
... 111
8.2. U
NGEDRUCKTE
Q
UELLEN
... 120
8.3. Z
EITUNGEN
... 121
8.4. Z
EITSCHRIFTEN
... 122
8.5. B
ERICHTE UND
P
ROTOKOLLE
... 123
8.6. B
ÜCHER UND
A
UFSÄTZE
... 124
4
1. Einleitung
Am 31. Oktober 1884 findet auf den Straßen New Yorks eine der frühesten bekannten
Werbeaktionen für elektrische Energie statt: etwa 250 Arbeiter des von Edison, dem ,,wizard of
Menlo Park" gegründeten, ersten öffentlichen Elektrizitätswerks der Welt marschieren durch
Manhattan, jeder von ihnen trägt auf seinem Kopf einen Helm mit einer Edisonlampe darauf und ist
über Drähte mit einer dampfbetriebenen Stromerzeugungsanlage verbunden, die in der Mitte des
Zuges auf einem pferdebespannten Wagen mitgeführt wird. Die ,,Edison Electric Light Company"
schuf außerdem die erste Werbefigur der Elektrizitätswirtschaft, den sogenannten ,,Edison Darky".
1
Es handelte sich dabei um einen mit Glühlampen ausgestatteten Reklametänzer, der auf
Jahrmärkten und Ausstellungen auftrat. Der von Edison ersonnene elektrifizierte Aufmarsch seiner
Mitarbeiter illustriert eingehend, daß sich die Elektrifizierung des Alltags der Menschen von Beginn
an nicht nur auf technischer, sondern auch kommunikativer Ebene, in Form eines breiten Spektrums
vielfältigster Werbemaßnahmen vollzog. Ähnlich wie Edison in den USA regte in Deutschland
Walter Rathenau eine offensiv ausgerichtete Popularisierung der elektrischen Energie an. In einem
Schreiben an seinen Sohn Emil konstatiert er, bei der Propagierung von elektrotechnischen
Anwendungen handle es sich ,,um die Umgestaltung eines großen Teiles der modernen
Lebensverhältnisse, die nicht vom Konsumenten ausging, sondern vom Produzenten organisiert und
gewissermaßen systematisch aufgezwungen werden mußte".
2
Um das erste elektrische Licht in den
Haushalten, Landwirtschafts-, Industrie- und Gewerbebetrieben aufleuchten lassen zu können,
bedurfte es neben eines Anschlusses an das örtliche Stromverteilungsnetz einer intensiven
Aufklärungsarbeit um die physikalischen Eigenschaften der Elektrizität und die Funktionsweise
ihrer Anwendungsmöglichkeiten. Eine zentrale Rolle bei der Popularisierung elektrischer Energie
kam den öffentlichen Elektrizitätswerken zu. Durch den Einsatz eines umfangreichen Spektrums
verschiedenster Werbemedien bemühten sich die Werke, die neue Technologie den potentiellen
Verbrauchern näherzubringen. Die vorliegende Arbeit ist im Bereich der Erforschung historischer
Wirtschaftswerbung anzusiedeln und soll einen Beitrag zur Beleuchtung der kommunikativen
Ebene der Elektrifizierung leisten. Ausgangspunkt ist die Untersuchung der Werbemaßnahmen von
öffentlichen Elektrizitätserzeugern im Versorgungsgebiet der 1925- 1930 in Westfalen agierenden
VEW GmbH und ihrer seit 1897 tätigen Vorläuferunternehmen.
1
Vgl. Vögtle, Fritz, Thomas Alva Edison, Reinbek bei Hamburg, 1997, S.70
2
Zitiert nach: Kocka, Jürgen, Energien im 19. Jahrhundert. Zur Sozialgeschichte der Elektrizitätswirtschaft, in: Gröbl-
Steinbach, Evelyn (Hg.), Licht und Schatten. Dimensionen von Technik, Energie und Politik, Wien, Köln, 1990, S. 17-
31, S.21
5
1.1. Forschungsstand
Sowohl innerhalb Unternehmens-, wie auch der Wirtschaftsgeschichte wird die Thematik der
Elektrizitätswerbung bei den Elektrizitätswerken zwar aufgegriffen, jedoch ist sie bisher nur
oberflächlich und mangelhaft erforscht worden. Alltags- und sozialhistorische Aspekte der
Elektrifizierung, zu denen auch die Elektrizitätswerbung gehört, rückten erst zögernd in den
Blickpunkt der Forschung. Einen frühen Anstoß gibt in diesem Zusammenhang Hans-Jürgen
Teuteberg, der schon 1969 bemängelte, ,,daß es nicht an hervorragenden Monographien über die
Entwicklung der elektrotechnischen Wirtschaft und insbesondere der führenden Elektrokonzerne
fehlt, daß es auch genügend Würdigungen der technischen und unternehmerischen Pioniere und
ihrer ,,Heldentaten" gibt, daß wir aber vergleichsweise wenig über Anlässe, Wege und Etappen der
Elektrifizierung im ganzen und deren Einwirkungen auf die Volkswirtschaft und ihr Wachstum
wissen".
3
Auch in der Technikgeschichte, die sich verschiedenen Aspekten der
Elektrifizierungsgeschichte nähert, vollzog sich, wie in der gesamten Geschichtsschreibung seit den
1970er Jahren, ein grundlegender Paradigmenwechsel; das Interesse der Wissenschaft entfernte sich
vom technischen Aspekt und näherte sich immer mehr dem ,,Beziehungsgeflecht Technik -
Mensch/Gesellschaft" an.
4
Im Zuge der Erforschung der Elektrizifizierungsgeschichte bildet der
Einzug der Elektrizität, anfangs beinahe ausschließlich in Form elektrischer Beleuchtung, in den
Alltag, die Öffentlichkeit der Straße, und die Privatsphäre der ersten Konsumenten einen
Schwerpunkt vieler Arbeiten.
5
Für den Haushaltsbereich sind hier u.a. die Oral History Studien
Viktoria Arnolds, Florian Blumer-Onofris und Eva Kubys zu erwähnen, die lebensgeschichtliche
Erzählungen von Zeitzeugen über die Einführung der Elektrizität in kleinen, hauptsächlich
ländlichen Gebieten Österreichs, der Schweiz und Deutschlands gesammelt und analysiert haben.
6
Darüber hinaus werden einzelne Formen der Anwendung elektrischer Energie im Haushalt, allen
3
Teuteberg, Hans-Jürgen, Anfänge kommunaler Stromversorgung- dargestellt am Beispiel Hamburgs, in: Manegold,
Karl-Heinz (Hg.), Wissenschaft, Wirtschaft und Technik. Studien zur Geschichte. Festband für Wilhelm Treue,
München 1969, S. 363-378, S. 363
4
Troitzsch, Ulrich, Wohlauf, Gabriele, Einleitung, in: dies. (Hg.), Technik-Geschichte. Historische Beiträge und neuere
Ansätze, Frankfurt/Main 1980, S.15
5
Zur Veränderung des öffentlichen Raumes durch verschiedene Beleuchtungsmittel: Schivelbusch, Wolfgang,
Lichtblicke. Zur Geschichte der künstlichen Helligkeit im 19. Jahrhundert, München, Wien 1983
6
Arnold, Viktoria, Als das Licht kam. Erinnerungen an die Elektrifizierung. Wien 1986; Blumer-Onofri, Florian, Die
Elektrifizierung des dörflichen Alltags. Eine Oral-History-Studie zur sozialen Rezeption der Elektrotechnik im
Baselgebiet zwischen 1900 und 1960, Liestal 1994; ders., Soziale Rezeption der Elektrotechnik im Baselgebiet, in:
Gugerli, David (Hg.), Allmächtige Zauberin unserer Zeit. Zur Geschichte der elektrischen Energie in der Schweiz,
Zürich 1994, S. 199-207 ; Kuby, Eva, Mehr Licht. Mit Künstlicher Beleuchtung leben. In: Stefan Baumeier, Kurt Dröge
(Hg), Beiträge zur Volkskunde und Hausforschung. Bd. 5, Detmold 1992, S. 33-60
6
voran die elektrische Beleuchtung sowie einzelne Haushaltsgeräte wie etwa Bügeleisen, Herde oder
Staubsauger in unzähligen Einzeldarstellungen ausführlich untersucht.
7
Für die Konstellation ,,Werbung mit Elektrizität" bzw. ,,durch Elektrizität" findet sich ein großes
Interesse seitens der Wissenschaft.
8
Die Perspektive beschränkt sich dabei auf die Behandlung der
Elektrizität in einer gegenüber der dominierenden Werbung untergeordneten Rolle: elektrische
Energie wird, beispielsweise in Form elektrischer Lichteffekte, lediglich als Medium der Werbung
behandelt, in gleicher Weise wie Gebrauchsgraphiken, Luftbuchstaben, Giebelreklame oder
Zeitungsanzeigen.
9
Daß Werbung nicht nur mit, sondern auch für Elektrizität betrieben wurde (und
wird), scheint erst in jüngster Zeit von der Sozial- und Wirtschaftsgeschichtsschreibung
wahrgenommen zu werden. In allgemeinen Darstellungen zur Technikgeschichte in Deutschland
wird die Existenz von Elektrizitätswerbung zwar erwähnt, das Interesse geht jedoch nicht über eine
beiläufige Erwähnung hinaus. Joachim Radkau nennt in seiner 1989 erschienen Einführung in die
Technikgeschichte beispielsweise zwar den Begriff, geht aber nicht weiter auf diesen selbst,
sondern nur ein Detail, die Propagierung des Elektromotors zur Förderung der Kleinbetriebe ein.
10
Auch in Monographien und Sammelbänden zur Elektrifizierung Deutschlands wird die
Elektrizitätswerbung zwar angesprochen, jedoch mangelt es an eingehenden, sich auf das
Wesentliche konzentrierenden Interpretationen. So erwähnt Wolfgang Zängl in seinem 1989
erschienenen Werk ,,Deutschlands Strom. Die Politik der Elektrifizierung von 1866 bis heute"
einige frühen Werbemethoden der Elektrizitätswerke, verzichtete aber auf ausführlichere Analysen
und beschreibt den Kontext nur soweit, als er ihn für den Gesamtzusammenhang nutzen kann.
11
Er
entwirft dabei eine äußerst fragliche, weil nicht immer profund entwickelte Argumentationskette, an
deren Ende seine Theorie steht, nach der die ,,Elektrizitätswirtschaft (...) von Anfang versucht (hat),
mit allen Mitteln den Stromverbrauch auch dort zu erhöhen, wo der Einsatz von Elektrizität
technisch und ökonomisch sinnlos ist- vor allem im Wärmebereich, der für die Entwicklung der
7
Beispw. Böth, Gitta, Prestigezeichen und Luxusgut: Strom im Privatleben, in: dies., Cornelius, Steffi, Döring, Peter,
Horstmann, Theo, Der Weg ins Licht. Zur Geschichte der Elektrifizierung des märkischen Sauerlandes. Westfälisches
Freilichtmuseum Lippe- Landesmuseum für Handwerk und Technik. Hg. Im Auftrag des Landschaftsverbandes
Westfalen-Lippe. Hagen 1989, S. 111-124; Bühler, Susanna, Vom Luxusgut zum Alltagsgegenstand. Die Diffusion des
Staubsaugers in der Schweiz, in: Gugerli, Zauberin, S. 143-153; Schnider, Ines Siegfried, ,,Hausfrauen kocht
elektrisch!". Das Eindringen von Elektroherd und elektrischen Geräten in die städtische Küche der Zwischenkriegszeit,
in: Gugerli, Zauberin, S. 155-165
8
Sehr früh: Ludewig, Die Elektrizität im Dienste der Reklame, in: Mitteilungen des Vereins deutscher
Reklamefachleute 1912, Nr. 28, S.12-18; allgemein das Kapitel ,,Lichtwerbung und moderne Großstadt" in: Reinhardt,
Dirk, Von der Reklame zum Marketing. Geschichte der Wirtschaftswerbung in Deutschland, Berlin 1993, S. 312-329;
jüngst auch Lamberty, Christiane, Reklame in Deutschland 1890-1914. Wahrnehmung, Professionalisierung und Kritik
der Wirtschaftswerbung (Beiträge zur Verhaltensforschung Heft 38), Berlin 2000, S. 180-185
9
Reinhardt, Reklame, a.a.O.; Lamberty, Reklame, S. 205-212
10
Radkau, Joachim, Technik in Deutschland. Vom 18.Jahrhundert bis zur Gegenwart, Frankfurt a. M. 1989, S. 258
11
Zängl, Wolfgang, Deutschlands Strom. Die Politik der Elektrifizierung von 1866 bis heute, Frankfurt a. M., New
York 1989, S. 90-95
7
Atomstromversorgung hauptverantwortlich ist".
12
Die von Zängl entworfene und u.a. von Frauke
Langguth bestätigte These, daß die Elektrizitätswerbung ausschließlich zur Steigerung der
Kraftwerksausnutzung im Sinne der Rationalisierung des Stromabsatzes initiiert wurde, bedarf einer
ausführlichen kritischen Überprüfung.
13
Jürgen Kocka spricht in seinem Aufsatz ,,Neue Energien
im 19. Jahrhundert" die Rolle der Öffentlichkeitsarbeit der Elektrizitätswirtschaft an, plausibilisiert
an den Unternehmen Siemens und AEG.
14
Er betrachtet die Rolle engagierter Unternehmertypen als
essentiellen Faktor der Etablierung der Elektrizität, relativiert jedoch die Theorie eine erst von den
Unternehmern ausgehenden Bedürfnisschaffung.
15
Astrid Zipfel greift die von Kocka angegangene
Thematik mit ihrer Darstellung der Öffentlichkeitsarbeit bei den Firmen Siemens und AEG 1847
bis 1939 auf und belegt, daß die Public Relations Arbeit in Deutschland bereits vor dem Zweiten
Weltkrieg betrieben wurde.
16
Speziell im Vergleich zur Organisation und den eingesetzten
Werbeinstrumenten im Bereich der von ihr untersuchten externen Public Relations bei den beiden
Firmen ist die Arbeit Zipfels sehr aufschlußreich. Letztlich ist die jüngst erschienene Analyse der
Wirtschaftswerbung in Deutschland im Zeitraum 1890-1914 Christiane Lambertys zu nennen. Sie
macht im Rahmen ihrer Untersuchung eine kleine, aber für die Argumentation der vorliegenden
Arbeit grundlegende Anmerkung zum Verhältnis von Elektrizität und Lichtreklame.
17
Sie
konstatiert, daß ,,Lichtreklame (...) schließlich zugleich Reklame für Elektrizität und ihre breiten
Nutzungsmöglichkeiten." gewesen ist. Wie schon Reinhardt zuvor behandelt sie die Elektrizität, d.h.
elektrische Beleuchtung oder Lichtreklame, im Rahmen ihrer Darstellung in erster Linie als
Reklamemedium. Im beinahe unüberschaubaren Spektrum der Publikationen zu regionalen
Elektrifizierungsgeschichten existiert lediglich eine einzige Untersuchung zur Werbetätigkeit von
Elektrizitätswerken. Wolfgang Leiner skizziert am Beispiel Württemberg und dem Gebiet des
Bezirksverbandes Oberschwäbischer Elektrizitätswerke die Rolle von ,,Werbung und Verkauf bei
Elektrizitätswerken und die Elektrogemeinschaften".
18
Leiner nennt in seiner knapp gefaßten Arbeit
einige wesentliche Aspekte des Themengebietes. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt jedoch auf den
Auseinandersetzungen der EVU mit den Installationsfirmen um die Verkaufstätigkeit der
Elektrizitätswerke, welche von den Elektroinstallateuren als existenzbedrohend angesehen wurde.
19
12
Ebenda, S.1
13
Ebenda, S.93; Langguth, Frauke, ,,Elektrizität in jedem Gerät"- Die Elektrifizierung der privaten Haushalte am
Beispiel Berlins, in: Haushalts(t)räume. Ein Jahrhundert Technisierung und Rationalisierung im Haushalt. (Begleitbuch
zur gleichnamigen Ausstellung) bearbeitet von Barbara Orland. Königstein 1990, S. 93- 102
14
Kocka, Energien
15
Ebenda, S.21
16
Zipfel, Astrid, Public Relations in der Elektroindustrie. Die Firmen Siemens und AEG 1847 bis 1939, Köln, Weimar,
Wien 1997, S.1
17
Lamberty, Reklame, S. 208
18
Leiner, Wolfgang, Werbung und Verkauf bei Elektrizitätswerken und die Elektrogemeinschaften, Stuttgart 1979
19
Ebenda, S.22-25, S.30-38
8
Der Schweizer Kurt Stadelmann geht in seinem Aufsatz ,,Umgangsformen mit technischen
Neuerungen am Beispiel der elektrischen Energie" auf die Rolle der Öffentlichkeitsarbeit der ersten
Elektrizitätswerke ein.
20
Er konzentriert sich auf die Rezeptionsform der neuen Technik und stellt
fest, daß im Prozeß der Elektrifizierung nicht von einer bewußten Rezeption, sondern vielmehr
einer auf Gewöhnung basierenden Akkulteration gesprochen werden muß.
21
In seiner 1996
veröffentlichten Habilitationsschrift ,,Redeströme. Zur Elektrifizierung der Schweiz 1880-1914"
liefert David Gugerli ,,eine problemorientierte Darstellung des Verhältnisses von Gesellschaft und
Elektrotechnik im Medium ihrer diskursiven Vermittlung" ab.
22
Ihn interessiert u.a., ,,inwiefern
sowohl der Aufbau einer professionellen Fachkompetenz als auch eines popularisierten
Verständnisses elektrotechnischer Zusammenhänge bei den Konsumenten die Implementierung von
Elektrotechnik in die bestehenden soziotechnischen Kontexte erleichtert haben".
23
Gugerli
beschreibt die Öffentlichkeits- und Werbearbeit der Elektrizitätswirtschaft als Teil eines
aufklärerischen, öffentlichen Meinungsbildungsprozesses. In den USA hat sich Mary Ann
Hellriegel mit den frühen Verkaufsstrategien und Methoden der Einführung elektrischer Energie der
ansässigen Elektrizitätswerke am Beispiel der Städte Harrisburg und West Chester in Pennsylvania
beschäftigt.
24
Die Autorin geht in ihrer Arbeit ausführlich auf die Werbemethoden der
Elektrizitätswerke sowie das Konkurrenzverhältnis zwischen Gas und Elektrizität ein. Für den
deutschen Raum gibt Beate Binder mit ihrem 1999 erschienen Werk ,,Elektrifizierung als Vision"
wichtige Denkanstöße.
25
Ausgehend von sechs verschiedenen Leitfragen bezüglich den
Befürchtungen gegenüber, programmatischen Erwartungen, sozialen Rezeption, symbolischen
Codierungen und Imagination der Elektrizität als revolutionärer Energieform, schneidet sie in
umfassenden Exkursen auch die Methoden der Werbung für Elektrizität an.
26
Trotz der hohen Zahl an Festschriften und Porträts über die deutschen
Energieversorgungsunternehmen wird der Thematik in den von der Elektrizitätswirtschaft
herausgegebenen Schriften im seltensten Fall einbezogen. Eine Ausnahme bildet die Arbeit des
Ingenieurs Hans Saran, der im Zuge seiner Darstellung zur Stromwerbung und Elektroberatung
auch einen kurzen historischen Rückblick wiedergibt.
27
Auf Grund der Kontinuität des
20
Stadelmann, Kurt, Umgangsformen mit technischen Neuerungen am Beispiel der elektrischen Energie, in: Gugerli,
Zauberin, S. 131-142
21
Ebenda, S. 140
22
Gugerli, David, Redeströme. Zur Elektrifizierung der Schweiz 1880-1914, Zürich 1996, S. 20
23
Ebenda, S. 24
24
Hellriegel, Mary Ann, ,,The Quest to Be Modern". The Evolutionary Adoption of Electricity in the United States
1880s-1920s, in: Plitzner, Klaus (Hg), Elektrizität in der Geistesgeschichte, Bassum 1998, S. 65-86
25
Binder, Beate, Elektrifizierung als Vision. Zur Symbolgeschichte einer Technik im Alltag, Tübingen 1999
26
Ebenda, S.13; zu nennen ist beispielsweise das ,,Elektrissima"- Tarifsystem der BEWAG: S. 341ff.
27
Saran, Hans, Stromwerbung und Elektroberatung, in: Hauptberatungsstelle für Elektrizitätsanwendung e.V. (Hg.),
Stromwerbung, Beratung und Wettbewerb, Frankfurt a. M. 1967, S.7-72
9
Herstellungsverfahrens elektrischer Energie ist seine Arbeit insbesondere für die Betrachtung von
Elektrizitätswerbung im Kontext des betriebswirtschaftlichen Konzeptes der Werke trotz des
zeitlichen Abstandes zum Untersuchungsgegenstand enorm aufschlußreich. Das älteste deutsche
kommunale Elektrizitätserzeugungsunternehmen, die Berliner Elektrizitätswerk AG (BEWAG),
gibt in der 1984 zum 100jährigen Bestehen veröffentlichten Festschrift zumindest kleine Hinweise
auf die Werbetätigkeit des Unternehmens in der Frühphase der Elektrifizierung Berlins.
28
Für das
Untersuchungsgebiet stellt die von der Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen AG jüngst
veröffentlichte Festschrift zum 75jährigen Bestehen des Unternehmens eine fundierte
Sekundärquelle dar.
29
Neben einer ausführlichen Darstellung der wichtigsten Entwicklungsstationen
des Unternehmens ist es eine der wenigen Schriften, welche die im Rahmen der Elektrifizierung
getroffenen Werbemaßnahmen der Elektrizitätswerke mit einbezieht. Für den westfälischen Raum
und die nähere Umgebung existieren eine Reihe weiterer umfassend und tiefgründig bearbeiteter
Publikationen, die sich der Elektrifizierung verschiedener Regionaler Räume Westfalens widmen.
30
Herauszuheben ist das Werk ,,Der Weg ins Licht. Zur Geschichte der Elektrifizierung des
märkischen Sauerlandes".
31
Der im Sammelband enthaltene Aufsatz ,,Der Stromverbraucher wird
entdeckt" Gitta Böths ist für den Untersuchungsraum, neben der erwähnten VEW Festschrift die
einzige Arbeit, welche sich mit den Popularisierungsmaßnahmen für Elektrizität befaßt.
33
Böth
stellt treffend fest: ,,Der Siegeszug der Elektrizität war jedoch- trotz der offensichtlichen Vorteile,
die ihr Einsatz mit sich brachte- kein Selbstläufer, sondern bedurfte intensiver
Überzeugungsarbeit".
34
Diese Überzeugungsarbeit wurde nach der Verfasserin durch
verschiedenste Formen von Werbung geleistet, allen voran Ausstellungen, Beratungsräumen,
Anzeigen und Plakaten. Schwerpunkt ihres Aufsatzes sind kurze Überblicke der frühen
elektrotechnischen und gewerblichen Ausstellungen in Frankfurt (1891), Düsseldorf (1902) und
Hagen (1910, 1914), die weiteren Werbemaßnahmen werden nur kurz angeschnitten.
35
28
Bewag (Hg), 100 Jahre Strom für Berlin. Ein Streifzug durch unsere Geschichte in Wort und Bild 1884-1984,
bearbeitet von Hans-Günther Sohl, Berlin 1984; vgl. auch: TEAG (Thüringer Energie AG), Trurnit, Hanno (Hg.),
Thüringen im Strom der Zeit. Wie die Elektrizität Land und Leuten zu einem besseren Leben verhalf, München,
Leipzig 1998
29
VEW (Hg.), Mehr als Energie. Die Unternehmensgeschichte der VEW 1925-2000, bearbeitet v. Peter Döring, Karl-
Peter Ellerbrock, Theo Hostmann und Meinhard Schwarz, Dortmund, Essen 2000
30
Bspw.: Ragati, Manfred, Wixforth, Harald (Hg.), Wirtschaft und Energie im Wandel der Zeit: die Geschichte der
Elektrizitätsversorgung in Ostwestfalen und Schaumburg-Lippe, Köln, Weimar, Wien, 1999
31
Weg ins Licht (Anm. 7); für das Sauerland: Sauerländischer Heimatbund e.V., VEW AG (Hg.), Stromversorgung im
Sauerland 1891-1935. Ein Beitrag zur Wirtschafts- und Technikgeschichte, bearbeitet von Walter Fritzsch, Jutta
Heutger-Berost in Zusammenarbeit mit Hans-Werner Riemer, Arnsberg 1991
33
Böth, Gitta, Der Stromverbraucher wird entdeckt..., in: Weg ins Licht, S. 129-142
34
Ebenda, S.129
35
Zur Frankfurter Ausstellung vgl. Die zweite Industrielle Revolution. Frankfurt und die Elektrizität 1800- 1914. Bilder
und Materialien zur Ausstellung im historischen Museum Frankfurt. Bearbeitet von Jürgen Steen, Frankfurt 1981;
Binder, Beate ,,...es ist uns, als ob ein wunderbarer Traum unsere Sinne umgaukle". Die Inszenierung einer elektrischen
10
1.2. Die VEW GmbH und ihre Vorläuferunternehmen als Untersuchungsgegenstand
Die Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen GmbH und ihre Vorläuferunternehmen eignen sich
dabei aus mehreren Gründen für eine Untersuchung der Werbetätigkeit eines
Elektrizitätsversorgungsunternehmens:
· Das Versorgungsgebiet der VEW ist in seinen Grenzen über große Zeiträume weitgehend gleich
geblieben und demographisch sowie geographisch einfach überschaubar. Es zeichnet sich durch
die Existenz großer, sehr unterschiedlich geprägter Wirtschaftsräume aus, wodurch es einen
beinahe repräsentativen Charakter für das Deutsche Reich im betreffenden Zeitraum erhält. Alle
drei Wirtschaftssektoren sind vertreten und lassen eine grobe Strukturierung des Gebietes in drei
große Wirtschaftsräume zu: ein weitgehend agrarisch und kleingewerblich geprägtes
Münsterland, das industriell geprägte Ruhrgebiet und ein überwiegend gewerblich und
kleinindustriell dominiertes Sauerland.
· Als kommunal geführte Unternehmen hatten die Werbemaßnahmen im Vergleich zu
privatwirtschaftlichen Betrieben einen weitaus differenzierten Stellenwert innerhalb der
Unternehmenspolitik der Energieerzeuger.
· Der Abnehmerkreis im Versorgungsgebiet der VEW setzt sich aus den verschiedensten
Bevölkerungskreisen und gesellschaftlichen Schichten zusammen. Die Werbung hat sich diesem
Umstand angepaßt und wurde zielgruppengerecht gestaltet. Speziell den privaten Haushalten
und der Landwirtschaft wurde in dieser Hinsicht seitens des Unternehmens große
Aufmerksamkeit geschenkt.
· Das Unternehmen hat im betreffenden Zeitraum eine Vielzahl von unterschiedlichsten
Werbemaßnahmen ergriffen, um eine Ausweitung des Versorgungsgebietes und eine Erhöhung
des Stromverbrauchs der Abnehmer zu forcieren. Dieses weite, differierende Werbemedien
umfassende Spektrum gibt einen Großteil der jeweils zeitgenössischen Werbepraktiken wieder,
woraus sich auch über die Elektrizitätswerbung hinausgehende Kenntnisse und
Schlußfolgerungen herleiten lassen.
· Die Unternehmensführung hat, insbesondere in der Frühzeit der Elektrifizierung, sehr
innovative Absatz- und Werbestrategien entwickelt. Allen voran ist hier der ehemalige Direktor
des Städtischen Elektrizitätswerks Dortmund und spätere erste Geschäftsführer der VEW
GmbH, Carl Döpke, zu nennen.
Welt auf der Frankfurter ,,Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung" von 1981, in: Hessische Blätter für Volks-
und Kulturforschung 1989, Nr. 24, , S. 31-44
11
1.3. Materialbasis
Zu den wesentlichen Primärquellen einer Untersuchung der Werbeaktivitäten der VEW GmbH und
ihren Vorläuferunternehmen zählen die Bestände des Unternehmensarchivs der ehemaligen VEW
AG, die heute mit dem RWE Konzern verschmolzen ist. Vom gesamten internen Schriftverkehr der
betreffenden Unternehmen sind für den Untersuchungszeitraum ca. 1000 Akten erhalten geblieben.
Besonders die Geschäftsberichte der drei Vorläuferunternehmen und der VEW GmbH, sowie die
Protokolle der Verwaltungs- und Aufsichtsratssitzungen sind dabei von Bedeutung, da vereinzelt
Informationen zur Organisation und dem Stellenwert der Werbung bei den Elektrizitätswerken zu
finden sind.
36
Alle Hinweise auf die Organisation der Werbung, etwa die zuständigen Abteilungen,
müssen diesen Abschriften entnommen werden und sind dementsprechend dürftig. Von zentraler
Bedeutung sind die zum Großteil erhaltenen frühen Kundenzeitschriften, die mit Unterbrechungen
von 1910 bis 1916 erschienenen ,,Mitteilungen des Städtischen Elektrizitätswerks Dortmund", die
inhaltlich verwandten ,,Mitteilungen des Westfälischen Verbands- Elektrizitätswerks" und die
erstmalig im Mai 1927 und bis Dezember 1930 erschienen ,,VEW-Mitteilungen".
37
Sie bilden die
wohl fundamentalsten Quellen zur Geschichte der Elektrizitätswerbung in Westfalen, da sie selbst
Medien der Werbung sind und zahlreiche andere Werbemittel in ihnen beschrieben werden. Eine
aufschlußreiche Quelle innerhalb des Archivbestandes bilden die ca. 5000 bis 1930 gemachten
Fotografien für die Thematik.
38
Da ein wichtiger Teil der Aktenbestände bei den mehrfachen
Bombenangriffen auf Dortmund während des Zweiten Weltkrieges verbrannte, liefert die kritische
Untersuchung der Fotografien wichtige, detaillierte Hinweise zur Präsentation der Werbung in der
Öffentlichkeit.
39
In schriftlichen Quellen sind nur wenige Notizen zu diesem Werbemittel zu finden.
Einige Fotografien lassen auch vorsichtige Rückschlüsse auf die Wirkung der Werbung auf die
Zeitgenossen zu, da vereinzelt auch Passanten und Besucher von Werbeveranstaltungen auf den
Bildern zu sehen sind.
40
Neben dem VEW-Archivmaterial kann im Bereich der Primärquellen auf
eine Reihe externer Veröffentlichungen zurückgegriffen werden.
An erster Stelle sind die lokalen Tageszeitungen wie die ,,Dortmunder Zeitung", ,,Dortmunder
Anzeiger" oder der ,,Münsterscher Anzeiger" zu erwähnen. Neben der Berichterstattung zu
36
VEW Archiv, Bestand V (Vorstand)
37
VEW GmbH (Hg.),VEW-Mitteilungen, Mai 1927, Heft1
38
Ein Großteil der besprochenen Fotografien findet sich in: VEW AG, Horstmann, Theo (Hg.) , Elektrifizierung in
Westfalen. Fotodokumente aus dem Archiv der VEW, 2. Aufl., Dortmund, Essen 2000
39
Besonders die Vorführungsräume der VEW, bedeutende Grundpfeiler innerhalb der Werbestrategie des
Unternehmens, sind auf zahlreichen Abbildungen dokumentiert.
40
Zur Industriefotografie vgl. Tenfelde, Klaus(Hg.): Bilder von Krupp. Fotografie und Geschichte im Industriezeitalter.
München 1994; Döring, Peter, Die Industriefotografie als historische Quelle, in: VEW, Fotodokumente, S. 22-29
12
Elektrizitätsausstellungen oder sonstigen Ereignissen der regionalen Elektrifizierungsgeschichte
beinhalten sie die wenigen von den Energieversorgern geschalteten Anzeigen und Inserate. In der
,,Landwirtschaftliche Zeitung für Westfalen und Lippe" finden sich darüber hinaus Hinweise zur
Elektrifizierung der ländlichen Gebiete der Region. In den Fachzeitschriften der
Elektrizitätswirtschaft sind zahlreiche Aufsätze und Berichte zur überregionalen Organisation und
Durchführung von Elektrizitätswerbung in der Frühzeit der Elektrifizierung erhalten. Zu nennen
sind in erster Linie die von der Vereinigung der Elektrizitätswerke herausgegebenen
,,Elektrizitätswirtschaft, Mitteilungen der VDEW", sowie die ,,Elektrotechnische Zeitschrift"
(ETZ), ein international bekanntes und wohl renommiertestes Fachorgan der Elektrizitätswirtschaft.
Mitte der Zwanziger Jahre zeichnet sich in der Fachliteratur. mit der von Burri und Günnter
herausgegebenen Zeitschrift ,,Elektrizitätsverwertung" eine deutliche Professionalisierung der
Werbetätigkeit der Elektrizitätswerke ab.
41
Wie bereits der Untertitel ,,Zeitschrift für Werbung und
Verkauf" andeutet, beinhaltet das Periodikum eine Vielzahl an Artikeln und Aufsätzen, die
interessante Aufschlüsse über die Elektrizitätswerbung bis 1930 geben. Ziel der Herausgeber ist es,
den Werbeabteilungen der Elektrizitätswerke Hilfestellungen, Vorschläge und Anleitungen zu
geben, um durch vermehrte Werbung den Stromabsatz zu steigern und somit eine ,,möglichst
ausgiebige Durchdringung des ganzen Daseins mit elektrischem Strom" zu forcieren.
42
Nachfolger
Zum Thema Elektrizitätswerbung erschienen im betreffenden Zeitraum eine Reihe nur wenige
Monographien. An erster Stelle sind hier die Arbeiten Robert Krachtowils und das sehr frühe Werk
Gustav Siegels zu nennen, die auf diesem Gebiet Pionierarbeit geleistet haben.
44
Später hat sich
besonders Herbert Franz Mueller mit der Materie ,,Werbung für Elektrizität" auseinandergesetzt,
seine Arbeiten erschien u.a. auch in der Fachzeitschrift der Werbewirtschaft ,,Die Reklame".
45
1.4. Zeitliche und räumliche Eingrenzung
In der Periodisierung von Elektrifizierungsgeschichten bildet das Jahr 1930 einen häufig genutzten
Eckpunkt. Hughes beispielsweise sieht in jenem Jahr eine bedeutenden Endmarke innerhalb der
41
Burri, A., Günther, H. (Hg.), Elektrizitätsverwertung. Zeitschrift für Werbung und Verkauf, Heft 1, 1926/27, Stuttgart
1927
42
Ebenda, S.1
44
Krachtowil, Robert, Elektrowärmeverwertung als ein Mittel zur Erhöhung des Stromverbrauches, 2. Aufl, München,
Berlin 1927; Siegel, Gustav, Der Verkauf elektrischer Arbeit, 2. Aufl., Berlin 1917
45
Mueller, Herbert Franz., Grundzüge der Stromverbrauchswerbung, in: Elektrizitätswirtschaft, Mitteilungen der
VDEW, Nr. 391, August 1925, S.363f.; ders., Elektrizitätswerbung, in: Die Reklame. Zeitschrift des Verbandes
Deutscher Reklamefachleute e.V., April 1927, S.256-258
13
Entwicklung, da in dieser Phase die essentiellsten Schritte auf dem Weg zur heutigen
elektrifizierten Gesellschaft getätigt wurden: ,,The half-century from 1880 to 1930 constituted the
formative years in the history of electric supply systems, and from a study of these years one can
perceive the ordering, integrating, coordinating, and systematizing nature of modern human
societies".
47
Für die vorliegende Arbeit bietet sich die chronologische Eingrenzung bis 1930 aus
einigen spezifisch unternehmensgeschichtlichen Gründen an: die mit der Ausweitung des
Versorgungsgebietes verbundenen Investitionen und die Anfang der 1930er Jahre einsetzende
Weltwirtschaftskrise führte auch bei den VEW zu einer massiven Geldverknappung und somit
tiefschürfenden Unternehmenspolitischen Veränderungen, die schließlich in der am 25. Juni 1930
vollzogenen Gründung der Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen Aktiengesellschaft führte.
48
Das
Ende der VEW GmbH markiert somit das Ende des Untersuchungszeitraums. Zudem erschien im
Dezember 1930 die vorläufig letzte Ausgabe der Kundenzeitschrift ,,VEW-Mitteilungen", welche
eine wesentliche Quelle für die Untersuchung der Werbetätigkeit des Unternehmens ist.
49
Im Jahr
1929 fand zudem die räumliche Expansion der VEW GmbH ihren ,,für Jahrzehnte gültigen
Abschluß", wodurch sich ein weiterer Grund für eine zeitliche Eingrenzung des
Untersuchungsraumes bis ca. 1930 ergibt.
50
Geographisch betrachtet bildet das Versorgungsgebiet
der VEW GmbH bis zur Umwandlung in die AG im Jahr 1930 die Grundlage der Untersuchung.
51
Es umfaßte zwei Drittel der preußischen Provinz Westfalen und erstreckte sich vom Landkreis
Bochum im Westen, an das Rheinland angrenzend, bis zum Kreis Büren und dem Teutoburger
Wald im Osten und dem Raum Arnsberg, Meschede und Wittgenstein im Süden, wo es an das
Gebiet Hessen-Nassaus angrenzte. Im Norden ging es sogar über die Provinz Westfalen hinaus und
umfaßte eine Teil des Emslandes mit der Stadt Lingen. Die VEW GmbH lieferte Elektrizität in 32
Stadt- und Landkreise mit einer Gesamteinwohnerzahl von über drei Millionen Menschen.
52
1.5. Forschungsansatz
Im wissenschaftlichen Diskurs werden die Werbemaßnahmen der überwiegend in der Peripherie der
Elektrifizierungs- und damit der Technikgeschichte angesiedelt. Dieser Ansatz erlaubt keine
47
Hughes, Thomas P, Networks of Power. Electrification Western Society, 1880-1930, London 1983, S.1
48
Zur Gründung der VEW AG vgl. Döring, Peter, Das Unternehmen in der Krise: Die Gründung der VEW AG, in:
VEW, Mehr als Energie, S. 129-133
49
VEW-Mitteilungen, Dezember 1930
50
Vgl. Döring Peter, Bewegte Jahre: Die VEW von 1925 bis 1948. Die Expansion des Unternehmens: Die VEW GmbH
von 1925 bis 1930, in: VEW, Mehr als Energie, S. 80-128, S. 98
51
Vgl. Abb.1
52
Döring, Bewegte Jahre, a.a.O.
14
tiefgehende und umfassende Beleuchtung der Thematik. Die Materie ist in einen weitaus breiteren
Kontext zu stellen, da die Elektrizitätswerbung der Elektrizitätswerke nicht nur monokausal als
Teilaspekt einer Elektrifizierungsgeschichte zu sehen ist, sondern auch sozialhistorische,
unternehmensgeschichtliche sowie Fragestellungen aus der Erforschung historischer
Wirtschaftswerbung in eine Betrachtung mit einbezogen werden müssen. Für eine Analyse der
Thematik bietet es sich demnach an, auch auf Methodiken und Instrumente zurückzugreifen, die
sich zur Untersuchung von Phänomenen der Wirtschaftswerbung bewährt haben. Analog zur
klassischen Definition von Werbung, etwa durch Behrens, werden die Werbeaktivitäten als eine
,,verkaufspolitischen Zwecken dienende, absichtliche und zwangfreie Einwirkung auf Menschen
mittels spezieller Kommunikationsmittel" verstanden.
53
Die Erweiterung der Definition im
historischen Kontext durch Reinhardt stellt eine wesentliche Grundlage des Forschungsansatzes zur
dar.
54
Diesem grundlegenden Modell folgend, setzt die vorliegende Untersuchung der
Elektrizitätswerbung im Untersuchungsgebiet auf den drei Ebenen des Kommunikationssystems
Elektrizitätswerbung an: den Energieversorgungsunternehmen (EVU) als Erzeuger und somit
Sender der Werbung, den übermittelten Inhalten der Werbebotschaft, sowie den Rezipienten der
Werbung, den angesprochenen Konsumentengruppen. Analog zum beschriebenen Modell wird
zunächst der Blick auf den Erzeuger der Werbung (und der Elektrizität) gerichtet. Im Vordergrund
stehen dabei Fragen nach der Bedeutung der Werbemaßnahmen im betriebswirtschaftlichen
Konzept der kommunalen Unternehmen sowie ihre organisatorischen Vorgehensweise. Der zweite
Problemkreis schließt die durch die Medien transportierten Werbeinhalte ein. Hier gilt es zu
untersuchen, auf welche Weise versucht wurde, ein so abstraktes und immaterielles Produkt wie die
Elektrizität auf dem zeitgenössischen, von den Konkurrenzenergien Gas und Petroleum geprägten
Energiemarkt einzuführen und wie potentielle Konsumenten mit der komplexen Technik vertraut
gemacht wurden. Der Blick auf die Rezipienten der Elektrizitätswerbung rundet schließlich die
Analyse ab. In diesem Kontext interessiert speziell, welche Anwendungen und Produkte, etwa
Tarife, für welche gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zielgruppen in verschiedenen Phasen der
Elektrifizierung vornehmlich umworben wurden. Im besonderen ist zu überprüfen, in wie weit die
53
Behrens, Karl Christian, Absatzwerbung, Wiesbaden 1963; S.14
54
,,Werbung wird (...) als kommunikative Struktur sowohl des ökonomischen als auch des sozialen Lebens verstanden.
An der von ihr ermöglichten Kommunikation nehmen einerseits die Unternehmer aus Handel und Industrie,
andererseits die Verbraucher teil; vermittelt wird sie meist indirekt durch Massenmedien oder andere zu Werbeträgern
umfunktionierte Objekte, aber auch direkt durch Sprache. Die Unternehmer mutzen diese kommunikative Struktur meist
gezielt und rational, um ihre absatzökonomischen Interessen zu artikulieren, den Menschen ein bestimmtes Bild von
sich selbst zu vermitteln und jene gesellschaftlichen Normen und Werte, die einen Einfluß auf den ökonomischen
Bereich ausüben, zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Die Verbraucher nutzen sie nur selten gezielt und rational, wenn sie
sich über da ökonomische Angebot informieren wollen, meist jedoch irrational, um sich unterhalten zu lassen,
Identifikationsmuster und Leitbilder für ihr Dasein zu gewinnen und einen Weg zur Definierung eines individuellen
Lebens- und Konsumsstils zu finden.", zitiert nach: Reinhardt, Reklame, S. 17
15
in den wenigen Arbeiten zu den Werbemaßnahmen der Elektrizitätswerke immer wieder präsente
Klassifizierung der Elektrizitätswerbung als reine Maßnahme zur Absatzrationalisierung auf die
untersuchten Unternehmen zutrifft.
1.6. Aufbau
Grundlegend für eine Beleuchtung der Entwicklung und verschiedenen Erscheinungsbilder der
Elektrizitätswerbung in Westfalen ist das Verständnis des Ablaufs der Elektrifizierung im
Versorgungsgebiet. Wie schon angedeutet, muß Elektrizitätswerbung sogar als integraler
Bestandteil der Elektrifizierung angesehen werden, da sie u.a. dazu diente, das Versorgungsgebiet
der VEW auszudehnen. Ausgehend von einer Beschreibung der Entwicklung der drei
Vorläuferunternehmen bis zur Gründung der VEW GmbH im Jahr 1925 wird zu Beginn der
Darstellung ein kurzer Abriß der wichtigsten Stationen der Elektrifizierung Westfalens
wiedergegeben. Es wird dargelegt, welche dominierende Rolle die Kommunen bei den
Strukturierungsmaßnahmen der Elektrizitätsunternehmen gespielt haben, woraus sich
Anhaltspunkte für die Rekonstruktion der zugrundeliegenden Geisteshaltung und
Unternehmensphilosophie herleiten lassen. Unter Einbeziehung der gemachten Erkenntnisse kann
somit die praktizierte Unternehmens- und Absatzpolitik, zu der auch die Werbeaktivitäten der
Werke gehören, analysiert und bewertet werden. Ausgehend von einer Darstellung der von den
Unternehmen eingesetzten Werbemedien soll die Thematik im analytischen Hauptteil der Arbeit auf
den drei genannten Ebenen des Kommunikationsmodells untersucht werden. Dem analytischen Teil
folgt schließlich eine Zusammenfassung der verschiedenen Teilergebnisse, die mit einer
Beurteilung und Klassifizierung des Phänomens Elektrizitätswerbung im historischen Kontext
abschließt.
2. Der Ablauf der Elektrifizierung im Untersuchungsgebiet
Um den Charakter und die Eigenarten der Elektrizitätswerbung in der Region in angemessener
Weise darstellen zu können, ist es unabdingbar, eine Beleuchtung der wichtigsten Schritte der
Elektrifizierung Westfalens bis 1930 mit in die Untersuchung mit einzubeziehen. Kernpunkt dieser
knappen Darstellung der Elektrifizierung der Region ist die konstitutionelle Entwicklung der VEW
GmbH und ihrer Stammwerke, dem Städtischen Elektrizitätswerk Dortmund (StEWDo), dem
Elektricitätswerk Westfalen (EW) und dem Westfälischen Verbands-Elektrizitätswerk (WVE). Die
16
Entwicklung der drei Gründungsunternehmen, wie auch von beinahe allen später dazugestoßenen,
ist von zahlreichen betrieblichen und strukturellen Gemeinsamkeiten geprägt, die den 1925
erfolgten Zusammenschluß zur VEW GmbH enorm vereinfachten. Alle im VEW-Verbund bis 1930
zusammengefaßten Energieversorgungsunternehmen sind kommunale Gründungen. Zum anderen
förderte die Bedrohung durch das westlich an das Versorgungsgebiet angrenzende RWE den
Zusammenhalt der westfälischen Elektrizitätswerke. Immer wieder versuchte der von Hugo Stinnes
geführte Konzern, in Westfalen Fuß zu fassen, jedoch ohne Erfolg.
55
Dieses sich in ihrem Ursprung
konstituierte Selbstverständnis, die tiefe kommunale Verwurzelung, die Rivalität mit dem RWE und
die praktizierte Unternehmenspolitik lassen daher in einem zweiten Schritt Rückschlüsse auf die
von den westfälischen Elektrizitätswerken durchgeführten Werbemaßnahmen zu. Im folgenden
Abschnitt werden die Gründungsgeschichten der Vorläufergesellschaften der VEW GmbH kurz
skizziert. Der Schwerpunkt der Darstellung beruht auf einer Darstellung der strukturellen
Zusammensetzung der Unternehmen, sowie den schrittweisen Zusammenschlüssen der ansässigen
Werke zu immer größeren Elektrizitätsverbünden, welche im Hinblick auf die Ausdehnung des
Versorgungsgebietes in der Gründung der VEW GmbH ihren für Jahrzehnte bestehenden
Kulminationspunkt erreichte.
Die Nutzung der Elektrizität als neuer, revolutionärer Energieart begann in Westfalen, wie im
gesamten Deutschen Reich, zunächst auf privatwirtschaftlicher Ebene.
56
Bedingt durch die hohe
Konzentration an industriellen Großbetrieben der Eisen-, Stahl-, Bergbau-, Maschinenbau- und
Brauereiindustrie war das Gebiet entlang der Ruhr Ausgangspunkt der Elektrifizierung in der
Region.
57
Mitte der 1880er Jahre hielt die Elektrizität in einigen Zechen und Industrieanlagen des
Ruhrgebietes Einzug, genutzt wurde sie zunächst nur zu Beleuchtungszwecken. Nach einer Statistik
aus dem Jahr 1885 wird für die Provinz Westfalen nur in Hagen, Hörde, Münster und Unna jeweils
eine privat betriebene elektrische Lichtanlage genannt.
59
Die Umstellung auf elektrische Energie
konnte dabei unter geringen Investitionen erfolgen, da die notwendigen Generatoren einfach in die
bereits bestehenden Dampf- oder Wasserkraftanlagen eingebaut wurden.
60
Symptomatisch läßt sich
die Einführung der Elektrizität am Beispiel der Gemeinde Dorstfeld bei Dortmund zeigen. Die
Dortmunder Zeitung berichtet am 30. Januar 1887 über das Erstrahlen der ersten elektrischen
55
Erst in jüngster Zeit, unter den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen des liberalisierten Strommarktes, gelang
die schon in frühester Zeit versuchte Fusion mit den VEW zu dem heute größten deutschen Energiekonzern, der weiter
unter dem Namen RWE fungiert.
56
Herzig, Thomas, Wirtschaftsgeschichtliche Aspekte der deutschen Elektrizitätsversorgung 1880 bis 1990, in: Fischer,
Wolfram(Hg.), Die Geschichte der Stromversorgung, Frankfurt a.M. 1992, S. 122-166, S. 124
57
Vgl. Horstmann, Theo, Die ,,Zweite Industrielle Revolution" in Westfalen. Zur Elektrifizierungsgeschichte einer
Region, in: VEW, Fotodokumente, S. 36- 47, S. 36f.
59
Ebenda
60
Horstmann, Revolution, S.37
17
Lampen auf den Straßen der Gemeinde: ,,Endlich ist dem langersehnten Wunsche, unsere
Ortsstraßen beleuchtet zu sehen, abgeholfen Ein allgemeiner Jubel brach gestern abend aus, als
unerwartet das ganze Dorf im electrischen Glanze erstrahlte. Jung und alt lustwandelten auf den
Straßen und bewunderten die hübsche Einrichtung. Dorstfeld kann auf diese Einrichtung stolz sein,
weil es das erste Dorf im Deutschen Reiche ist, welches elektrische Beleuchtung hat. ...Es hatten
sich viele Fremde eingefunden, um die Einrichtung unserer Straßenbeleuchtung zu besichtigen.
...Ein imposanter Zug, der Gemeinderat an der Spitze, bewegte sich nach der Zeche `Dorstfeld`, um
durch diese Ovation der Verwaltung, die die Bereitwilligkeit der Herren Gewerken zur
unentgeltlichen Hergabe der Maschinen- und Dampfkraft zur Entwicklung der nötigen Elektrizität
vermittelt, zu danken. Jedermann war vollständig befriedigt über das so schön gelungene Werk der
elektrischen Straßenbeleuchtung."
61
Pioniere der Elektrifizierung in Westfalen waren, wie die
erwähnte Zeche Dorstfeld, die Industriebetriebe des Ruhrgebietes. Sie waren die ersten
Stromerzeuger und nutzer, überschüssige Energie wurde an die umliegenden Gemeinden
abgegeben. Während sich im Ruhrgebiet die Steinkohlevorkommen sehr förderlich auf eine frühe
Elektrifizierung auswirkten, waren im Sauerland und Siegerland andere natürliche
Energieressourcen ausschlaggebend für die lokale elektrische Energieerzeugung. Dort waren es
häufig kleinere Mühlen- und Fabrikbetriebe, die die im Überfluß vorhandene Wasserkraft der
anliegenden Flüsse, das ,,weisse Gold", traditionell zur Energieerzeugung nutzten, und nun mit
kleinen Blockkraftwerken sich und die umliegenden Siedlungen mit Elektrizität versorgten. Die
Entwicklung einer flächendeckenden, systematischen Energieversorgung hatte ihren Ursprung in
den Großstädten; den Anfang machten die USA. Dort nahm Thomas Alva Edison am 4. September
1882 das erste der öffentlichen Versorgung dienende Elektrizitätswerk der Welt in der Pearl Street
in New York in Betrieb, nur zwei Jahre später, am 8.5.1884 wurden in Berlin die ,,Städtischen
Elektricitätswerke Berlin AG" gegründet wurden, das erste öffentliche Elektrizitätswerk
Deutschlands, welches im August 1885 seinen Betrieb aufnahm.
63
In den preußischen
Westprovinzen entstanden 1887 in Elberfeld und 1888 in Barmen die ersten öffentlichen
Elektrizitätswerke, gefolgt von Düsseldorf im Jahr 1891.
64
Für Westfalen sind die ersten Schritte zu
61
Zitiert nach: ebenda
63
BEWAG, Strom für Berlin, o.S., (Jahr 1884),obwohl in Hamburg die Planungen für eine öffentliche Stromversorgung
schon bis ins Jahr 1881 zurückreichen, nahm das Hamburger Werk nahm am 18.12.1888 seinen Betrieb auf; vgl.
Teuteberg, Hamburg, S. 375
64
Erbslöh, Fritz Dieter, Die frühen elektrischen Zentralanlagen in den Nachbarstädten Elberfeld und Barmen. Beispiele
der Entstehung kommunaler Stromversorgungen, Frankfurt/Main 1995, S. 15ff.; auch: Horstmann, Theo, Als ,,das Licht
der Zukunft" kam - Die Anfänge öffentlicher Stromversorgung und Elekrtifizierung in Dortmund, in: Heimat
Dortmund, Heft 4/1987, S. 8-13, S. 8
18
einer kommunal geleiteten, öffentlichen Stromversorgung bis ins Jahr 1895 zurückzuverfolgen.
65
Bemerkenswerter Weise entstand das erste kommunale Elektrizitätswerk nicht etwa in einer
Großstadt des Ruhrgebietes, sondern in der kleinen Stadt Neheim im Sauerland. Wie schon im
Dorstfelder Fall war dabei das Engagement eines privatwirtschaftlichen Unternehmens
ausschlaggebend für die Durchsetzung der neuen Energie. Am 15. März 1895 beschloß die
Neheimer Stadtverordnetenversammlung, das Vorhaben der Düsseldorfer Firma Julius Kalb&Co zu
unterstützen, probeweise elektrische Beleuchtung in der Neheimer Leuchten- und
Metallwarenfabrik Cöppicus-Röttger einzurichten. Die Stadtväter zeigten sich schnell begeistert
von der neuen Technik, und am 19. April des Jahres fiel der Entschluß zur Errichtung einer
elektrischen Straßenbeleuchtung. Am 15. August beschloß die Versammlung den Bau eines
städtischen Elektrizitätswerkes, welches schließlich im August 1896 als erstes kommunales
Elektrizitätswerk Westfalens seinen Betrieb aufnahm. So begann die öffentliche Stromversorgung
der Region in einer Kleinstadt, die sich als ,,innovationsfreudiger Avantgardist in der
Elektrifizierung Westfalens" erwies.
66
Von weitaus größerer Tragweite war die Gründung des
Städtischen Elektrizitätswerkes Dortmund, das erst ein über Jahr nach dem Neheimer Werk, im
Dezember 1897 seinen Betrieb aufnahm.
67
Es war eine der drei Vorläuferunternehmen der später
entstandenen VEW GmbH, dem später größten Elektrizitätsversorgungsunternehmen Westfalens.
Das Dortmunder Beispiel zeigt sehr anschaulich, mit welchen Schwierigkeiten sich die Pioniere
einer öffentlichen Elektrizitätsversorgung auseinandersetzen mußten. Als Neuling auf dem
Energiemarkt war die Elektrizität mit dem bis dahin dominierenden Gas als Beleuchtungsmittel
konfrontiert; ein Aspekt, der die Elektrifizierung im allgemeinen, weit über den westfälischen Raum
hinaus betrifft.
68
Prototypisch am Dortmunder Fall erscheint des weiteren die starke Position des
Magistrats, der sich für einen zukunftssicheren Ausbau der städtischen Infrastruktur einsetzt und
letztendlich den Streit zwischen Gas- und Elektrizitätsvertretern entscheidet. Wirtschaftspolitisch ist
die Elektrifizierung Westfalens in der Frühphase von den Auseinandersetzungen des in Essen
beheimateten RWE mit dem Städtischen Elektrizitätswerk Dortmund, dem Electricitätswerk
Westfalen sowie dem Westfälischen-Verbandselektrizitätswerkes, den drei Vorläuferunternehmen
der späteren VEW GmbH, geprägt. Zusammen mit dem 1906 gegründeten Kommunalen
Elektrizitätswerk Mark bildeten die drei Unternehmen Gegengewichte zum RWE. Die
65
Folgende Ausführungen basieren auf: Stromversorgung im Sauerland, S.19f.
66
Ebenda, S. 20
67
Vgl. ausführlich Horstmann, Theo, Die Vorläufergesellschaften der VEW, in: VEW, Mehr als Energie, S, 12-69, S.
12-21; sowie Krabbe, Wolfgang R., Kommunalpolitik und Industrialisierung. Die Entfaltung der städtischen
Leistungsverwaltung im 19. Und frühen 20. Jahrhundert. Fallstudien zu Dortmund und Münster (Schriften des
Deutschen Instituts für Urbanistik, Bd. 74), Stuttgart u.a. 1985, S. 261-281
68
Das Beispiel Dortmund wird ausführlich beschrieben: Braun, Hans-Joachim, Gas oder Elektrizität? Zur Konkurrenz
zweier Beleuchtungssysteme, 1880-1914, in: Technikgeschichte 1980, Bd. 47, S. 1-19
19
,,Abwehrgründungen" gegen die aggressive Expansionspolitik Hugo Stinnes fanden ,,bei aller
Rivalität untereinander (...) ein gemeinsames Selbstverständnis in ihrer kommunalen Herkunft."
69
2.1. Das Städtische Elektrizitätswerk Dortmund
Dortmund, die größte Stadt Westfalens, entwickelte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch die
ansässige Bergbau-, Eisen- und Stahlindustrie, den Brücken- und Maschinenbau sowie das
traditionell mit der Stadt verbundene Brauereiwesen sehr schnell zu einer Industriemetropole.
70
Die
Straßen der Stadt wurden seit 1857 von den Gaslaternen der ,,Dortmunder Actien-Gesellschaft für
Gasbeleuchtung" erhellt, die sich in einem Vertrag das öffentliche Beleuchtungsmonopol für die
folgenden 50 Jahre gesichert hatte.
71
Obwohl bereits zahlreiche Industriebetriebe der Stadt
elektrische Beleuchtung in ihren Fabrikhallen und Büros installiert hatte, fiel der Entschluß zur
Errichtung eines öffentlichen Elektrizitätswerkes verhältnismäßig spät. Erste Überlegungen gehen
in das Jahr 1886 zurück, als die Kölner ,,HELIOS-Aktien-Gesellschaft für elektrisches Licht und
Telegraphenbau" dem Magistrat den Bau eines solchen Werkes vorschlug, inklusive eines
zugesicherten Stromversorgungs-Konzessionsvertrages für die nächsten 25 Jahre.
72
Die Dortmunder
Gasgesellschaft sah ihre Existenzgrundlage durch diesen Vorstoß gefährdet und berief sich auf ihre
von der Stadt vertraglich zugesicherten alleinigen Beleuchtungsrechte. Auch der 1888 von der AEG
gemachte Versuch, eine öffentliche Elektrizitätsversorgung einzurichten, wurde durch die
Intervention der Gasgesellschaft verhindert. Die Auseinandersetzungen um die öffentliche
Straßenbeleuchtung in Dortmund sind ein sehr frühes Beispiel für die Konkurrenzsituation
zwischen Gas und Elektrizität.
73
Treibende Kraft und größter Fürsprecher einer allgemeinen Stromversorgung in Dortmund war der
von 1886 bis 1910 agierende Oberbürgermeister Wilhelm Schmieding. Er versprach sich von der
Elektrifizierung der Stadt wichtige wirtschaftlich Impulse, die Handwerk und Gewerbe fördern
sollten. In einem Verwaltungsbericht der Stadt aus dem Jahr 1896/97 wird die Situation, besonders
das Verhalten der Gasgesellschaft, äußerst kritisch betrachtet: ,,Mit dieser ablehnenden Haltung
war dem langsam aber stetig steigenden Bedürfnis nach elektrischer Beleuchtung nicht gedient.
Größere Ladeninhaber, Hotelbesitzer usw. schafften sich in Ermangelung eines öffentlichen
69
Horstmann, Vorläufer, S. 38
70
Ausführlich zu diesem Thema : Horstmann, Vorläufer, S. 12-21
71
Braun, Gas, S.7ff
72
Horstmann, Vorläufer, S.12
73
Braun, Gas, a.a.O.
20
Elektrizitätswerkes eigene Anlagen."
74
Gegen Ende des Jahres 1891 gab es bereits 34 privat
betriebene Anlagen mit zusammen 8700 Glühbirnen.
75
Obwohl der elektrische Strom sich
letztendlich durchsetzte, lief der Übergang von der Gas- zur elektrischen Beleuchtung bei weitem
nicht linear und reibungslos ab. Die Einführung des Auer-Gasglühstrumpfes ab 1892 ließ das
Interesse an der Elektrizität kurzfristig sinken. Eine andere Statistik aus dem Jahr 1894 belegt
beispielsweise für Dortmund 37 Elektrische Anlagen und nur 6318 Glühlampen.
76
Eine weitere
Etappe der Elektrifizierung Dortmunds stellt die Umstellung der Straßenbahn vom Pferdebetrieb
auf einen elektrischen Antrieb dar. Gegen den Widerstand der Gasgesellschaft wurde der Bau eines
dafür notwendigen Kraftwerks von der Stadt durchgesetzt, und am 1. April 1894 nahm die von der
,,Allgemeine Lokal- &Straßenbahngesellschaft" beantragte und von der AEG elektrifizierte Bahn
den Betrieb auf. Die endgültige Entscheidung zum Bau eines kommunalen Elektrizitätswerkes fiel
schließlich im Oktober 1895. Ausschlaggebend war dabei die Frage der Energieversorgung des
geplanten Dortmunder Stadthafens als südlichem Endpunkt des Dortmund-Ems Kanals. Die
elektrische Energie war die ideale Lösung, um den Hafen mit Licht und Kraft zu versorgen.
Oberbürgermeister Schmieding skizziert die Situation mit den Worten: ,,Den Gedanken, das
(Elektrizitäts-) Werk zu bauen habe man schon lange gehegt. Das Projekt sei jedoch erst in Fluss
gekommen durch das weitere Unternehmen der Erbauung des Emskanals und des Hafens."
77
Parallel zu dieser Entwicklung nahm auch der öffentliche Druck zu. Einige Gewerbetreibende und
Industrielle der Stadt setzten die Einrichtung einer Kommission durch, welche die Nachfrage nach
elektrischer Beleuchtung ermitteln sollte. So wurde gleichsam durch die überwältigende Mehrheit
eines Volksentscheides der Bau eines städtischen Elektrizitätswerkes beschlossen. Die ermittelte
Nachfrage summierte sich auf 18.111 Glühlampen, 841 Bogenlampen und Motoren mit einer
Leistung von insgesamt 272 PS. Die Gasgesellschaft klagte abermals ihre Rechte vor Gericht ein,
doch mit dem beschlossenen Vergleich wurde ihr Beleuchtungsmonopol gebrochen. Der
Beleuchtungsvertrag wurde bis 1917 verlängert, ein Teil des vom Elektrizitätswerk erwirtschafteten
Gewinns mußte an die Gesellschaft abgeführt werden. In der Folgezeit existierten in Dortmund
zwei Beleuchtungssysteme nebeneinander. Es entbrannte ein harter Konkurrenzkampf um die
Konsumenten, in dem die Werbung, sowohl für Elektrizität wie auch Gas, eine Schlüsselrolle
spielen sollte. Im März 1897 begann man mit dem Bau des Kraftwerkes an der Weißenburger
Straße, die technische Leitung wurde dem späteren Direktor Carl Döpke übertragen. Am 8.
74
Bericht über den Stand und die Verwaltung des Städtischen Elektrizitätswerks für das Jahr 1896/97, Dortmund 1898,
S.4
75
Braun, Gas, S.8
76
Bunte, H., Zur Statistik über die Verbreitung des elektrischen Lichtes im Versorgungsgebiet deutscher Gasanstalten
und einiger Städte des Auslandes 1894, München, Leipzig o.J., S. 16
,
77
,,Einweihung des Städtischen Elektrizitätswerks", in: Dortmunder General-Anzeiger, 4.7.1898
21
Dezember 1897 wurde ein erster Probelauf der Generatoren durchgeführt, drei Tage später
erstrahlten in einem Restaurant die ersten vom Elektrizitätswerk mit Strom versorgten Glühbirnen
in der Stadt. Die Dortmunder Zeitung berichtete: ,,Die Stadt läßt ihr Licht bereits leuchten! Freitag-
Abend 8 Uhr erstrahlten plötzlich, wie uns ein Gast schreibt, alle Räume der Restauration
Giljohann am Markt, Kegelbahn, Garten, Hof u.s.w. in elektrischer Beleuchtung. Wir begrüßen den
Fortschritt in der Beleuchtung mit Freuden und wünschen der Stadt für ihr Unternehmen den
besten Erfolg."
78
,,Am Weihnachtsabend (1897)waren bereits 79 Installationen mit 3036
Glühlampen, 48 Bogenlampen und 5 Motoren betriebsfertig angeschlossen, wobei zu
berücksichtigen ist, daß keine Installation und keine Lampe unter Strom gesetzt werden durfte,
welche nicht den Installationsbedingungen entsprechend für ordnungsmäßig ausgeführt befunden
worden war, und durch Vorschaltung eines Stromzählers vom Elektrizitätswerk berechnet werden
konnte." heißt es im ersten Geschäftsbericht des damals jungen Unternehmens.
79
Das entstandene
Kraftwerk gehörte mit einer Leistung von 2000 Kilowatt zu den größten Kraftwerken im Deutschen
Reich. Die Errichtung der Anlage bedeutet nicht nur für Dortmund, sondern ganz Westfalen
durchaus ,,einen Qualitätssprung".
80
Innovativ und zukunftsweisend war auch die eingesetzte
Drehstromtechnik, mit der die Expansion über die Stadtgrenzen hinaus erst möglich war. Nach dem
1896 gegründeten Lenne-Elektrizitätswerk war das Dortmunder Werk das zweite Drehstrom-
Kraftwerk Westfalens.
81
Mit der Drehstromtechnik war es möglich, das Versorgungsgebiet über die
Stadtgrenzen hinaus auszudehnen und eine zentralisierte, kostengünstige Stromversorgung
bereitzustellen. Privat betriebene Gleichstromanlagen konnten mit den vergleichbar günstigen
Tarifen des Städtischen Elektrizitätswerks nicht mehr konkurrieren. In der Folgezeit erweiterte das
Städtische Elektrizitätswerk Dortmund seinen Versorgungsbereich über die Stadtgrenzen, bis in
einige Gemeinden des Kreises Dortmund und des Kreises Hamm hinaus.
2.2. Das Elektricitätswerk Westfalen (EWW)
Während die Gründung des Dortmunder Elektrizitätswerkes in städtischer Regie erfolgte, lagen die
Ursprünge der Elektrifizierung im westlichen Ruhrgebiet von Beginn an in privater Hand.
82
In
78
,,Provinzielles", in: Dortmunder Zeitung, 12.12.1897
79
Bericht über den Stand und die Verwaltung des Städtischen Elektrizitätswerks für das Jahr 1897/98, Dortmund 1899,
S.1f.
80
Horstmann, Revolution, S. 39
81
Weg ins Licht, S.35f.
82
Detaillierte Darstellungen der Entwicklung sind u.a. zu finden in: Horstmann, Vorläufer, S.22-33; ders., Revolution,
S. 40ff.; Pohl, Hans, Vom Stadtwerk zum Elektrizitätsgroßunternehmen. Gründung, Aufbau und Ausbau der
22
Essen gründete die Elektrizitäts-Aktiengesellschaft, vormals Lahmeyer & Co., in Frankfurt, 1898
die ,,Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk AG" (RWE). Im März 1902 ging die Aktienmehrheit
an die Industriellen Hugo Stinnes und August Thyssen über. Stinnes erkannte schnell das
wirtschaftliche Potential, das in der aufstrebenden Elektrizitätswirtschaft lag. Die mit moderner
Drehstromtechnik ausgestatteten Kraftwerke des RWE waren in der Lage, große Teile der Region
mit elektrischer Energie zu versorgen, und das Unternehmen expandierte mit großer
Geschwindigkeit. Anders als kommunal geführte Elektrizitätswerke konnte das RWE über die
Stadtgrenzen hinaus agieren und den Kleinabnehmern, durch einen soliden Bestand an
Großabnehmern, zu sehr günstigen Tarifen elektrischen Strom liefern. Der Bau eines Kraftwerks
auf der Zeche Wiendahlsbank in Kruckel sollte die Grundlage zur Ausweitung in das östliche
Ruhrgebiet bilden. Es kam zu zahlreichen, hart geführten Verhandlungen zwischen Stinnes und den
Kommunen. Aus Angst vor einem Energiemonopol des Stinnes- Konzerns schlossen sich zahlreiche
westfälische Kommunen und Kreise unter der Führung des Landrats Karl Gerstein schließlich
zusammen und gründeten am 27. Juni 1906 mit einem Stammkapital von zwei Millionen Mark die
,,Electricitätswerk Westfalen Aktiengesellschaft" mit Sitz in Bochum. Die Energie für den neuen
Energiekonzern lieferten die ansässigen Zechenkraftwerke. In einem Vertrag mit der
Bergwerksgesellschaft Hibernia wurde die Energieversorgung für die folgenden 45 Jahre gesichert.
Erster Aufsichtsratsvorsitzende der Gesellschaft wurde Walther Rathenau, der Sohn des AEG-
Gründers Emil Rathenau und Geschäftsinhaber der Hausbank der Hibernia, der Berliner
Handelsgesellschaft. Zum Stellvertreter wurde Landrat Karl Gerstein gewählt, der Wortführer der
Opposition gegen Stinnes. Entgegen der ursprünglichen Absichten Gersteins war das EWW folglich
kein rein kommunales Unternehmen, sondern ein gemischtwirtschaftliches. Es kam zu einem
Kompriß, ohne den die Gründung des EWW nicht möglich gewesen wäre. Das politische Hauptziel
wurde laut Gerstein dennoch erreicht: ,,Die Gründung des Electrictätswerks Westfalen hat ohne
jeden Zweifel ganz allein den einzigen festen Punkt abgegeben, in welchem man den Hebel ansetzen
konnte, um das RWE aus der Provinz Westfalen hinauszuweisen."
83
Aus einem Verwaltungsbericht
des Kreises Bochums geht die große Erleichterung über das im Konflikt mit dem RWE Erreichte
hervor: ,,Mit großer Freude und Genugtuung kann die Kreisverwaltung auf die nach Überwindung
von unsäglichen Schwierigkeiten gelungene Gründung des Werkes zurückblicken, dessen Bedeutung
darin besteht, dass die Bildung eines Monopols, welches den ganzen Industriebezirk zu umfassen
drohte, verhindert worden ist, dass den Wünschen der Konsumenten, welche auf eine möglichst
,,Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk AG" (RWE) 1898-1918 (Stuttgarter Zeitschrift für
Unternehmensgeschichte Beiheft 73), Stuttgart 1992, S. 9-36
83
Schreiben Karl Gersteins an den Regierungspräsidenten in Arnsberg, vom 28. November 1907, zitiert nach:
Horstmann, Vorläufer, S. 33
23
billige und bequeme Versorgung bestehen müssen, in gleicher Weise Rechnung getragen wird, wie
dem berechtigten Verlangen der durch die natürlichen Verhältnisse gegebenen
Elektrizitätsproduzenten, sich an der Elektrizitätslieferung zu beteiligen und dass schließlich die
Kommunalverbände in der Lage sind, die für den Ausbau der Gemeinden so bedeutungsvolle
Elektrizitätsversorgung in angemessener Weise zu beeinflussen."
84
Gegen den Protest der RWE
wurden dem EWW im Mai 1906 die Stromlieferungsrechte für die Stadt Bochum zugesprochen,
kurz gefolgt von den Gemeinden Westenfeld und Leithe. Im Süden kamen die Elektrizitätswerke
Witten und Linden an der Ruhr hinzu.
85
Die wachsende Überlandversorgung und der steigende
Energiebedarf im Ruhrgebiet veranlaßten das EWW, zusammen mit der Stadt Barmen im Jahr 1912
das Gemeinschaftswerk Hattingen zu errichten. In der Folgezeit dehnte sich die Stromversorgung
des EWW nach Norden bis in das Münsterland aus, welches von 1911 bis 1914 systematisch
elektrifiziert wurde. In Münster ging das städtische Elektrizitätswerk aus dem Wunsch zum Bau
einer elektrischen Straßenbahn hervor.
86
Nachdem im Jahr 1898 der Beschluß gefaßt wurde, die
Straßenbahn zu bauen, nahm das zugehörige Elektrizitätswerk, das in städtischer Regie geführt
wurde, im Herbst 1902 seinen Betrieb auf. Der Betrieb des Werkes beschränkte sich auf die
Stromversorgung der Stadt und der Straßenbahn, in den meisten Gemeinden und Städten des
Münsterlandes waren es wie im Ruhrgebiet und im Sauerland, zunächst private Betrieb, Mühlen,
Brennereien und Schreinereien, die punktuell ansässige Ortschaften mit elektrischer Energie
versorgten. Zur Sicherung und Erweiterung des Strombedarfs im Münsterland und nach Osten
wurde 1914 bei Werne-Stockum an der Lippe das nach dem Gründervater des Unternehmens
,,Gersteinwerk" genannte zweite Großkraftwerk mit einer Leistung von 20.000 Kilowatt gebaut.
87
Wegen der schnellen Ausdehnung in das gesamte Münsterland entstand 1912 das Bezirksamt
Münster, um das nördliche und östliche Versorgungsgebiet zu verwalten.
Nach dem Ersten Weltkrieg wäre es beinahe zu einer Verschmelzung des EWW mit dem RWE
gekommen. Wegen der Kohlenknappheit erbat sich das westfälische Werk Unterstützung durch den
Stinnes-Konzern. Dieser war nur bereit, die benötigten Stromlieferungen abzugeben, wenn ein
Aktienaustausch und somit die Fusion der beiden Unternehmen vollzogen werde. Sogar der
Gründervater des EWW, Karl Gerstein, sprach sich für eine Fusion mit dem einst zu verhaßten
RWE aus. Ausschlaggebend für das Scheitern der Zusammenlegung war letztendlich das Eingreifen
der nach der Revolution von 1918 erstarkten SPD, die nun die Mehrheiten in den Gemeinden an der
84
Verwaltungsbericht des Kreisausschusses des Landkreises Bochum für das Jahr 1906, Bochum 1907, S.48; zitiert
nach: Horstmann, Vorläufer, S. 31f.
85
Geschäftsbericht Electricitätswerk Westfalen AG, Bochum, 1. Geschäftsjahr vom 27.Juni 1906 bis 31. März 1907
86
Vgl. 25 Jahre Städtisches Elektrizitätswerk und Straßenbahn Münster i. Westf. (1902 1927), Münster 1927
87
Horstmann, Vorläufer, S. 48
24
Ruhr stellte. Als Mehrheitsaktionäre verhinderten die Gemeinden die Übernahme, der von einer
pro-kommunalen Geisteshaltung geprägte Unternehmensphilosophie des Unternehmens blieb nicht
nur erhalten, sondern wurde sogar gestärkt.
2.3. Das Westfälische Verbands-Elektrizitätswerk (WVE)
Ähnlich wie das Electricitätswerk Westfalen ging auch das Westfälische Verbands-
Elektrizitätswerk aus der Auseinandersetzung westfälischer Kommunen mit dem RWE hervor.
88
Ursprünglich gehörte das auf der Zeche Wiendahlsbank in Kruckel errichtete Kraftwerk zum
Stinnes-Konzern. Von der auch ,,Centrale II" genannten, gewaltigen Station mit einer
Maschinenleistung von 30.000 PS aus plante Stinnes die Versorgung des östlichen Ruhrgebietes bis
nach Unna mit RWE-Strom; mit dem Kreis Hörde wurde bereits nach kurzer Zeit ein
Stromlieferungsvertrag geschlossen.
89
Auf Initiative Karl Gersteins, der auch diesen Vorstoß seines
Widersachers Hugo Stinnes im Keim ersticken wollte, konnten die Kommunalbehörden dazu
gebracht werden, dem RWE die Konzession zur Benutzung der öffentlichen Straßen und somit zur
Verlegung der Kabelstrecken zu verweigern. Nach erneut zähen Verhandlungen kam es 1908 zu
einem Kompromiß, in dem das RWE das Kraftwerk Kruckel auf die neu entstandene ,,Westfälische
Verbands-Elektrizitätswerk Aktiengesellschaft" übertrug. Für Stinnes war die Vereinbarung in
gewisser Weise eine Notlösung, Er war gezwungen, das riesige Kraftwerk auszulasten um es
wirtschaftlich tragbar zu halten und war deshalb von der Zustimmung der Kommunen abhängig,
welche den Ausbau des Leitungsnetzes auf ihrem Boden genehmigen mußten. Im neuen
gemeinwirtschaftlichen Unternehmen war das RWE neben der Stadt Dortmund, der damals noch
nicht eingemeindeten Stadt Hörde, dem Electricitätswerk Westfalen, der Harpener Bergbau AG und
der Gelsenkirchener Bergwerks AG Anteilseigner. Am 10. März 1908 wurde nach heftigen
Kontroversen und jahrelangen Verhandlungen im ,,Friedensschluss vom Dortmunder Rathaus" das
Westfälische Verbands- Elektrizitätswerk gegründet.
90
In einem Demarkationsvertrag mit dem
RWE wurde das Versorgungsgebiet des Unternehmens nach Westen hin abgegrenzt, es erstreckte
sich über die Kreise Arnsberg, Hörde, Hamm, Soest, sowie den Landkreis Iserlohn.
88
Ausführlich dazu: ebenda, S. 33-38; Horstmann, Revolution, S. 41
89
Schreiben des RWE an Stinnes, betr. Wiendahlsbank, 25. August 1905; zitiert nach: Horstmann, Vorläufer, S. 33
90
Hobrecker, Adolf, Die kapitalmäßige Verflechtung der öffentlichen Elektrizitätswirtschaft in der Provinz Westfalen,
Diss. Münster 1935, S.75f.; zitiert nach: Horstmann, Vorläufer, S. 38
25
2.4. Der Kommunale Elektrizitäts-Verband Westfalen-Rheinland (KEV)
Die unnachgiebige Expansionspolitik des RWE bedrohte die Existenz der an dessen
Versorgungsgebiet grenzenden Elektrizitätsunternehmen. Am 8. Oktober 1920 schlossen sich zehn
kommunale Elektrizitätswerke, darunter das Städtische Elektrizitätswerk Dortmund, das
Westfälische Verbands-Elektrizitätswerk, das Elektricitätswerk Westfalen, das Gemeinschaftswerk
Hattingen, das Kommunale Elektrizitätswerk Mark sowie kleinere Energieversorgungsunternehmen
aus dem Siegerland, dem Sauerland und dem Bergischen Land zum Kommunalen Elektrizitäts-
Verband Westfalen-Rheinland (KEV) zusammen.
91
Dieses Bündnis sollte u.a. helfen,
wirtschaftliche Engpässe, etwa bei der Kohlelieferung für die Kraftwerke durch gemeinsames
Agieren zu beseitigen. Zudem drohte die im Sozialisierungsgesetz vorgesehene Bildung von
Energiewirtschaftsbezirken die ohnehin schon starke Machtposition des RWE in einem möglichen
westfälisch-rheinischen Energiebezirk zu einer absoluten Dominanz zu entwickeln. Karl Gerstein,
einer der Initiatoren des freiwilligen Bündnisses und Vorsitzender der Gesellschafterversammlung,
bedrängte höchsten politischen Instanzen, die ,,Anerkennung des Verbands-Gebietes als
selbständigen Elektrizitäts-Wirtschaftsbezirk" zu forcieren.
92
Dem Regierungspräsident in
Arnsberg, der westfälischen Provinzialverwaltung in Münster und den zuständigen Ministerien in
Berlin legt er die Beweggründe für die Gründung des Verbandes dar: ,,Die Provinz Westfalen hat
nach meiner Auffassung das allergrößte Interesse daran, dass ihre Elektrizitäts-Versorgung bei der
Neuaufstellung von Elektrizitätswirtschaftsbezirken nach dem Sozialisierungsgesetz nicht
willkürlich zerrissen wird. (...) Das jetzt im KEV zusammengeschlossene Versorgungsgebiet ist der
beste und zweckmäßigste Elektrizitätswirtschaftsbezirk, der für die Bedürfnisse der Provinz
Westfalen in Frage kommen kann."
93
Gerstein bemühte sich sogar, die Provinz Westfalen und den
Preußischen Staat als Gesellschafter zu gewinnen, um die Position des Bündnisses zu stärken. Im
März 1921 gaben der preußische Staat und die bisher stets energiepolitisch zurückhaltende Provinz
Westfalen ihre Zurückhaltung auf und traten der KEV als Gesellschafter bei. Trotz der guten
technischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit muß der KEV als ,,Defensivbündnis" gegen die
Übernahmeversuche des RWE angesehen werden.
94
Strukturell betrachtet war der KEV ein
wichtiger Schritt zur späteren Gründung der VEW GmbH, da viele Mitglieder zu den Gründern der
VEW zählten, bzw. ihm später beitraten.
91
Horstmann, Vorläufer, S. 56-59
92
Ebenda, S. 57
93
Schreiben Gersteins an den Landeshauptmann der Provinz Westfalen, Kommunaler Elektrizitäts-Verband (KEV)
Westfalen-Rheinland GmbH, Hagen, 29.11.1920, zitiert nach: Horstmann, Vorläufer, S. 57
94
Horstmann, Vorläufer, S. 59
26
2.5. Die Dortmunder und Verbands-Elektrizitätswerk GmbH (DVE)
Die Stadt Dortmund war bei der Gründung des Westfälischen Verbands-Elektrizitätswerkes mit
einem Anteil von 45/110 der Aktien bedeutendster Gesellschafter des Unternehmens.
95
Durch
Verkäufe der anderen Gesellschafter erhöhte sich dieser Anteil weiter, so daß die Stadt, deren
Oberbürgermeister zudem Vorsitzender des Aufsichtsrates gewesen ist, bald die Oberhand
innerhalb der Verwaltung des Unternehmens gewann. Nach dem Tod des RWE-Vertreters Bernhard
Goldenberg übernahm zudem der Direktor des Städtischen Elektrizitätswerks Dortmund, Carl
Döpke, den alleinigen Vorstand der Gesellschaft. Durch die zahlreichen wirtschaftlichen,
strukturellen, personellen und betrieblichen Übereinstimmungen der benachbarten Unternehmen,
lag eine Zusammenlegung des Städtischen Elektrizitätswerkes Dortmund mit dem Westfälischen
Verbands-Elektrizitätswerkes sehr nahe. Im Juli 1920 schlug Carl Döpke, der beiden Firmen
vorstand, offiziell dem Magistrat der Stadt Dortmund die Verschmelzung der Energieunternehmen
vor. Die Vorteile der Fusion lagen auf der Hand: größere Rentabilität, bessere Auslastung der
Maschinen, Einsparungen im Personalbereich, gegenseitige Hilfe bei Ressourcenknappheit. Im Jahr
1923 kam es schließlich zur Gründung einer Dachgesellschaft, der Dortmunder und Verbands-
Elektrizitätswerk GmbH, an welche beide Unternehmen ihre Anlagen verpachteten. Am 1. April
1923 nahm das wiederum mehrheitlich kommunal geführte neue Unternehmen den Betrieb auf.
2.6. Die VEW GmbH
Während sich die Dortmunder und Verbands-Elektrizitätswerk GmbH im Süden Westfalens zum
dominierenden Energieversorgungsunternehmen entwickelte, wurde das Wachstum des
Elektricitätswerk Westfalen durch den steigenden Bedarf an Elektrizität im Münsterland
begünstigt.
96
Dort etablierten sich nach dem Ersten Weltkrieg zahlreiche Genossenschaftsnetze, da
die ansässigen Bauern durch den kriegsbedingten, immer noch spürbaren Mangel an Petroleum auf
eine Elektrizitätsversorgung drängten. Das EWW erkannte diesen Trend und beteiligte sich im Jahr
1922 mit 50% am Elektrizitätsamt Münster. Durch den Kapitalmangel ab 1923 stieß die
Finanzierung des weiteren Ausbaus der Leitungsnetze im Münsterland an ihre Grenzen, so daß die
Genossenschaften Rückhalt beim EWW suchten. 1925 übernahm das Werk sämtliche
Geschäftsanteile des Elektrizitätsamtes Münster und versorgte die ländlichen Gebiete selbst. Die
95
Vgl. für das Folgende: ebenda, S. 59-62
96
Vgl. für das Folgende ebenda, S. 62-69
27
Abdeckung des neu erschlossenen, sehr großen Versorgungsgebietes war mit neuen, gewaltigen
Investitionen für das EWW verbunden. Im Herbst 1924 faßte der Vorstand den Beschluß, an das
DEV heranzutreten, um über eine Fusion der Unternehmen zu beraten. Durch die sehr ähnliche
Aktionärsstruktur, die beide mehrheitlich aus Kommunen und Landkreisen bestanden, die idealen
betrieblichen Ergänzungen und die gemeinsamen Erfahrungen aus dem KEV waren beide Parteien
von den Vorteilen eines Zusammenschlusses überzeugt und beschlossen am 30. Dezember 1924 die
Fusion der Unternehmen zu den ,,Vereinigten Elektrizitätswerken Westfalen GmbH", die am 1.
Januar 1925 den Betrieb aufnahmen. Die Neugründung war im wesentlichen die Umfirmierung
einer in Dortmund bereits bestehenden Gesellschaft. Sie fungierte als Dachgesellschaft der drei
größten Energieversorger Westfalens, dem Städtischen Elektrizitätswerk Dortmund, dem
Westfälischen Verbands Elektrizitätswerk und dem Elektricitätswerk Westfalen. Auch bei diesem
Zusammenschluß spielte die Abwehr gegen mögliche Übergriffe seitens des RWE eine bedeutende
Rolle. Der Recklinghausener Landrat Klausener, Mitglied des Aufsichtsrates des Elektricitätswerk
Westfalen, begründet seine Zustimmung zu dem Vorhaben gerade unter diesem Aspekt: ,,Man muß
sich die Sache daraufhin ansehen, ob Westfalen in seiner Isolierung auf Dauer selbständig bleiben
kann. Das RWE tut alles, was in seinen Kräften steht, um sein Versorgungsgebiet zu erweitern. (...)
Es hat sich Stützpunkte in Letmathe geschaffen, sympathisiert mit dem Kreis Iserlohn und hat uns
seinerzeit die Nike vor der Nase weggeschnappt. Daß das RWE alles daran setzen wird, Westfalen
einzukesseln, ist ganz selbstverständlich. Andererseits hat der KEV seine Hoffnungen nicht erfüllt.
Das Ziel muß aber in dieser Richtung liegen. Die Verbindung von Westfalen mit den Dortmunder
Werken schafft doch schon einen Block, der erheblich widerstandsfähiger und leistungsfähiger ist,
wie die einzelnen Werke."
97
2.7. Zusammenfassung
Die Elektrifizierung Westfalens, d.h. bezogen auf das Versorgungsgebiet der VEW GmbH, ging
von kommunalen Impulsen aus. Eine Schlüsselrolle hatte dabei das östliche Ruhrgebiet mit den
Städten Dortmund und Bochum. Begünstigt durch die dortigen Steinkohlevorkommen und die
vorhandene Montanindustrie entwickelten sich rasch Elektrizitätswerke, die in kurzer Zeit durch die
eingesetzte, zeitgemäß sehr fortschrittliche Drehstromtechnik die Versorgung angrenzender Gebiete
mit elektrischer Energie übernahmen. In den ländlichen Gebieten setzte die Elektrifizierung mit
97
Kreis Recklinghausen, Vermerk betr.: Elektricitätswerk Westfalen, 22.12.1294; zitiert nach: Horstmann, Vorläufer, S.
63
28
Verzögerung ein, die Hauptabnehmerschaft bestand zunächst aus Industrie- und Gewerbebetrieben
der Ballungszentren. Um private Haushalte und ländliche Betriebe als Stromverbraucher bemühten
sich die Werke erst später, etwa ab 1910 bzw. 1920. Die aggressive Expansionspolitik des
Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerkes (RWE) förderte den Zusammenhalt der westfälischen
Elektrizitätswerke in großem Maße, stärkte das kommunale Bewußtsein und führte letztendlich zur
Schaffung immer größer werdender Elektrizitätsverbünde, vom KEV über den DEV bis hin zur
VEW GmbH. Todd faßt die konstitutionelle Ausgangssituation der VEW füglich wie folgt
zusammen: ,,The founding of the VEW exemplifies the possibilities for communal bodies to
construct large regional electric companies under local political control. It was elctrification from
bottom up, rather than from Berlin down, or for that matter from Essen over".
99
Wie in den
folgenden Kapiteln zu zeigen ist, spiegelt sich die skizzierte, tiefe kommunale Verwurzelung der zu
behandelnden Elektrizitätserzeuger grundlegend im betriebswirtschaftlichen Konzept, der
Absatzpolitik, und als Teil davon der ausgeführten Werbemaßnahmen der Unternehmen wieder.
3. Medien der Elektrizitätswerbung
3.1. Zeitungsanzeigen und Pressearbeit
In der Frühzeit der Elektrizitätswerke beschränkten sich der Informationsfluß zwischen
Elektrizitätswerk und Öffentlichkeit überwiegend auf vereinzelte Anzeigen und Berichte in den
lokalen Tageszeitungen. Für das älteste Stammwerk der VEW GmbH, das Städtische
Elektrizitätswerk Dortmund, läßt sich dieses Phänomen an Hand der Veröffentlichungen in der
,,Dortmunder Zeitung" eingehend belegen. Als kommunale Einrichtungen waren die Entwicklungs-
und Ausbauphasen der Werke von großem allgemeinem Interesse, schließlich verbanden die
Stadtväter mit der neu installierten Technik ein enormes wirtschaftliches Wachstumspotential für
ihre Kommunen. In der Tagespresse wurde jeder einzelne Schritt des Werdens der Betriebsanlagen
detailliert nachvollzogen; wobei sich die Berichterstattung in nüchterner und sachlicher Weise auf
das Wesentliche beschränkte. In Dortmund berichtete der Anzeiger am 12.12.1897 über die
Inbetriebnahme des städtischen Werkes: ,,Die Gleichstrom-Anlage des städtischen
99
Todd, Edmund Neville, Technology and Interest Group Politics: Electrification of the Ruhr, 1886-1930, Pennsylvania
1984, S. 263 ; vgl. auch Kapitel 2. Der Ablauf der Elektrifizierung im Untersuchungsgebiet
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2001
- ISBN (eBook)
- 9783832461768
- ISBN (Paperback)
- 9783838661766
- DOI
- 10.3239/9783832461768
- Dateigröße
- 3.1 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Münster – Philosophische Fakultät
- Erscheinungsdatum
- 2002 (Dezember)
- Note
- 2,0
- Schlagworte
- wirtschaftswerbung marketing energiewirtschaft geschichte wirtschafts- sozialgeschichte
- Produktsicherheit
- Diplom.de