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Mobbing am Arbeitsplatz

Ursachen, Verlauf, Folgen, Maßnahmen

©2002 Diplomarbeit 121 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Mobbing ist ein sehr aktuelles und komplexes Thema. Das Interesse der Öffentlichkeit an dieser Problematik wächst. Dies könnte unter anderem daran liegen, dass man mittlerweile die immensen psychischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Auswirkungen von Mobbing erkannt hat.
Die vorliegende Diplomarbeit zu Mobbing am Arbeitsplatz beschäftigt sich mit der Mobbingforschung und gibt Handlungsvorschläge für die Praxis. Zahlreiche Ursachen und Folgen werden untersucht. Es werden präventive und kurative Maßnahmen vorgestellt. Auf psychologische, psychosomatische, wirtschaftliche und rechtliche Aspekte wird intensiv eingegangen.
Bei meinen Recherchen bemerkte ich, dass es zahlreiche Fragebögen gibt, die ermitteln helfen, ob jemand ein Mobbingopfer ist. Ich fand keinen einzigen Bogen, der Unternehmen etc. hilft, das Mobbingrisiko am Arbeitsplatz festzustellen. Einen solchen Fragebogen habe ich deshalb in meiner Arbeit erstellt.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.Überblick1
1.1Problemstellung1
1.2Ziel der Arbeit1
1.3Vorgehen2
2.Grundlagen und Statistiken3
2.1Grundlagen3
2.1.1Begriff und Forschungsgeschichte3
2.1.2Definitionen4
2.1.3Klassifikation und Handlungen7
2.2Prozessmodell9
2.2.1Konflikt: Phase 1.9
2.2.2Etablierung: Phase 2.10
2.2.3Destruktive Personalverwaltung: Phase 310
2.2.4Fehldiagnosen: Phase 411
2.2.5Verdrängung: Phase 511
2.3Statistiken12
2.3.1Personenspezifische Statistiken13
2.3.2Verlaufsspezifische Statistiken15
2.3.3Arbeitsplatzspezifische Statistiken17
3.Ursachen19
3.1Aggression19
3.1.1Aggression durch Ängste20
3.1.1.1Begünstigende Faktoren20
3.1.1.2Auslösende Faktoren21
3.1.2Aggression durch Frustration22
3.1.2.1Begünstigende Faktoren22
3.1.2.2Auslösende Faktoren23
3.1.3Aggression und Streß24
3.1.3.1Begünstigende Faktoren24
3.1.3.2Auslösende Faktoren26
3.2Konflikte27
3.2.1Begünstigende Faktoren27
3.2.2Auslösende Faktoren29
3.3Persönlichkeit und Erziehung31
3.3.1Begünstigende Faktoren31
3.3.2Auslösende Faktoren32
3.4Führungsverhalten34
3.4.1Begünstigende Faktoren34
3.4.2Auslösende Faktoren36
3.5Gruppendynamik37
3.5.1Begünstigende Faktoren37
3.5.2Auslösende Faktoren38
3.6Soziale Unterstützung40
3.6.1Begünstigende Faktoren40
3.6.2Auslösende Faktoren41
3.7.Werte42
3.7.1Begünstigende Faktoren42
3.7.2Auslösende Faktoren43
4.Folgen45
4.1Gesundheitliche Folgen45
4.1.1Potentielle psychische […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1 Überblick

Die Problemstellung und die Zielsetzung der Arbeit werden vorgestellt. Auch die Vorgehensweise wird betrachtet.

Es wird eine Übersicht über die Arbeit gegeben. Dieses Kapitel dient der Orientierung.

1.1 Problemstellung

Heute richtet sich viel Forschungstätigkeit auf die Arbeitswelt. Im Laufe der Weiterentwicklung von Technik und Gesellschaft steht der arbeitende Mensch häufig im Zentrum von betriebswirtschaftlichen Theorien. Er erbringt die Leistung und ist somit ein Schlüsselfaktor des Erfolgs. Leistungspotentiale gehen verloren, wenn die Mitarbeiter nicht mehr in der Lage sind, ihrer Qualifikation entsprechend bestmöglich zu arbeiten. Bei Mobbing ist dies der Fall. Einige Unternehmen sind aktiv, andere verleugnen die Problematik.

Jeder kann von Mobbing betroffen werden. Es kann an verschiedenen Schauplätzen auftreten, doch soll in dieser Arbeit nur auf den Arbeitsplatz eingegangen werden. Mobbing zieht weite Kreise im Unternehmen und auch nach außen, so daß grundsätzlich die Notwendigkeit der Behandlung solcher Fälle besteht. Die Ursachen werden oft nicht richtig erkannt. Vielen ist die Höhe des Mobbingrisikos in ihrem Unternehmen nicht bewußt. Mobbing stellt aber eine finanzielle und juristische Gefährdung für Unternehmen etc. dar.

1.2 Ziel der Arbeit

Ziel dieser Arbeit ist es, den Mobbingverlauf theoretisch zu erfassen sowie ausgewählte Ursachen, Folgen und Maßnahmen vorzustellen. Nur wer Mobbing und seine Ursachen versteht, kann adäquat dagegen vorgehen. Die Fähigkeit zum Erkennen von Mobbing soll gefördert werden. Eine Möglichkeit zur Ermittlung des Mobbingrisikos am Arbeitsplatz wird vorgestellt. Auch die Notwendigkeit einer speziellen Mobbingforschung wird diskutiert.

Die Verfasserin betrachtet Mobbing als ein weitverzweigtes Thema und bezieht deshalb z.B. die Volkswirtschaft mit ein. Die behinderten Mitarbeiter können zum Teil durch die Außenseiterproblematik mit behandelt werden. Das private soziale Umfeld wird in dieser arbeitsweltzentrierten Ausarbeitung weitestgehend ausgeklammert. Die Ursachen von Mobbing sind bedeutende Ansatzpunkte für Gegenmaßnahmen. Die Maßnahmen sind oft Aufgabe von mehreren, wie zum Beispiel dem Unternehmen, dem Staat und den Betroffenen selbst. Darauf geht diese Arbeit ein.

1.3 Vorgehen

Im zweiten Teil der Arbeit wird auf die bisherige Forschung, Definitionen, Mobbingklassifikation und -handlungen, ein Prozeßmodell und Statistiken eingegangen. Der dritte Teil beschäftigt sich mit den Ursachen. Der vierte Teil geht auf körperliche, psychische und nicht-gesundheitliche Folgen ein. Im fünften Teil werden präventive und kurative Maßnahmen gegen Mobbing vorgestellt. Der sechste Teil befaßt sich mit der Notwendigkeit einer Mobbingforschung, gibt eine Zusammenfassung und einen Ausblick.

Diese Arbeit stützt sich stark auf die Leymann`sche Forschung, da er als herausragender Forscher auf diesem Gebiet gilt und sich viele Verfasser von Mobbingliteratur an ihm orientieren. Wenn im Folgenden einseitige Bezeichnungen, wie beispielsweise der Begriff Unternehmen vorkommen, so kann dies teilweise großzügig aufgefaßt werden. In diesem Falle wären gewisse Aspekte auf private Unternehmen wie auch staatliche Struktureinheiten anwendbar.

2 Grundlagen und Statistiken

Hier soll vor allem die bisherige Forschung zum Thema Mobbing vorgestellt werden. Mobbing ist als komplexer Prozeß zu betrachten.

Ausgewählte Statistiken werden vorgelegt. Einige mögliche Begründungen für die Zahlen werden angeführt.

2.1 Grundlagen

Hier sollen der Begriff und die Forschungsgeschichte näher gebracht werden. Definitionen, Klassifikation und Handlungen von Mobbing werden erläutert.

Die Grundzusammenhänge sind Voraussetzung, um das Mobbingprozeßmodell zu verstehen. Dieses wird erklärt.

2.1.1 Begriff und Forschungsgeschichte

Im Englischwörterbuch befindet sich das Wort “mob...“ (Dudenredaktion/ Oxford University Press (Hrsg.) (1991), S.379). Als Substantiv hat es die Bedeutungen “... Mob, ... Pöbel ...“ (Dudenredaktion/ Oxford University Press (Hrsg.) (1991), S.379). Als Verb hat es die Übersetzung “... herfallen über ..“ (Dudenredaktion/ Oxford University Press (Hrsg.) (1991), S.379). Es gibt noch andere Begriffe für Mobbing wie z.B. “...bullying..“ (D. Zapf (1999), S.1). Da diese in der deutschsprachigen Literatur selten sind, soll hier nicht näher darauf eingegangen werden.

Lorenz bezeichnete das gemeinsame Bedrängen eines starken Lebewesens durch mehrere schwächere als Mobben. (Vgl. K. Lorenz (1991), S.194) Heinemann nutzte den Begriff für seine Verhaltensforschung an Kindern in den 60ern und 70ern. Damit beschrieb er das rauhe Verhalten in Gruppen, welches ein Kind sozial so stark betreffen kann, daß es in dieser Lage Suizid begeht. (Vgl. H. Leymann (1995 a), S. 14 (zitiert nach P. Heinemann (1972), o. S.)) Schweden setzte in den späten 70ern Gesetze, die auch die Psyche der Beschäftigten beachteten, um. Es gab Forschungsgelder. Leymann ging ein Forschungsprojekt an, welches Konflikte in der Arbeitswelt, die zu permanentem psychischen Terror werden, umfaßte. Er entdeckte in Langzeitbeobachtungen Besonderheiten in den Verläufen und Strukturen. 1984 veröffentlichte Leymann erstmals einen Kurzbericht über ein Phänomen, das von ihm als Mobbing bezeichnet wurde. (Vgl. H. Leymann (1995 a), S.15)

Mobbing ist vermutlich kein neues Phänomen. Wie oben erwähnt, zeigen auch Tiere und Kinder dieses Verhalten. Ob Mobbing zu den entwicklungsgeschichtlichen Wurzeln der Menschen gehört und wie alt dieser Vorgang ist, kann aufgrund der Neuheit psychologischer und sozialer Forschung nicht festgestellt werden. Aber die Erforschung dieser Thematik verhilft einem Gebiet, das vielfach als harmlose Auseinandersetzungen abgetan wurde, zu mehr Aufmerksamkeit und der Feststellung eines Handlungsbedarfs. Anhand deutschsprachiger Publikationen läßt sich ein reges Interesse an der Mobbingthematik in der BRD vor allem seit Anfang der 90er Jahre erkennen.

2.1.2 Definitionen

“Vom Mobbing am Arbeitsplatz spricht man, wenn eine Person von einer oder mehreren von 45 operativ beschriebenen Handlungen belästigt wird und zwar mindestens einmal in der Woche während mindestens eines zusammenhängenden halben Jahres.“ (H. Leymann (1993 b), S.272) Eine Verhaltensweise sollte, um sie Mobbing nennen zu können, häufig, gezielt und über längere Zeit stattfinden. (Vgl. H. Leymann (1993 b), S.274) Die 45 Handlungen finden sich im Anhang 1 wieder.

Die zeitliche Begrenzung in der Definition ist nicht praxisrelevant. Sie ist nur eine statistische Abgrenzung. (Vgl. H. Leymann (1995 c), S.48) Auch ein Arbeitnehmer, welcher zum Beispiel nach weniger als einem halben Jahr psychischer Gewalt zusammenbricht, kann ein Mobbingopfer sein. Bei wissenschaftlichen Untersuchungen bedarf es aber genau formulierter Kriterien zwecks Verwendbarkeit für Statistiken.

“Der Begriff Mobbing beschreibt negative kommunikative Handlungen, die gegen eine Person gerichtet sind (von einer oder mehreren anderen) und die sehr oft und über einen längeren Zeitraum hinaus vorkommen und damit die Beziehung zwischen Täter und Opfer kennzeichnen. ... Die Merkmale [von Mobbing] sind: Konfrontation, Belästigung, Nichtachtung der Persönlichkeit und Häufigkeit der Angriffe über einen längeren Zeitraum hinweg.“ (H. Leymann (2000), S. 21f.)

Auch diese Definition nebst Erläuterung ist angreifbar. Bei jeder Definition spielen subjektive Verzerrungen eine Rolle. Ein Betrachter beurteilt etwas und dies wird immer von der momentanen Situation, Erfahrungen und vielem mehr beeinflußt. Bei der Beobachtung sozialer Interaktionen wie Mobbing ist eine emotionale Beteiligung unausweichlich. Objektivität ist beim Entwickeln von Definitionen also kaum möglich.

Der Begriff „Mobbing“ beschreibt schikanöses Handeln einer oder mehrerer Personen, das gegen eine Einzelperson oder eine Personengruppe gerichtet ist. Die schikanösen Handlungen werden meistens über einen längeren Zeitraum hin wiederholt. Sie implizieren grundsätzlich die Täter-Absicht, das (die) Opfer bzw. sein (ihr) Ansehen zu schädigen oder einem unausweichlichen psychosozialen Stress auszusetzen und gegebenenfalls aus seiner (ihrer) Position zu vertreiben. Aber auch ohne Schikane-Absicht des Täters können dessen „normale“ Handlungen von sensiblen Personen missverstanden und als Mobbing empfunden werden. “ (B. Zuschlag (2001), S.6)

Zuschlag meint, daß Mobbing auch gegen mehr als eine Person vorkommen kann und bezieht sich dabei auf Anfeindungen gegen Gruppen, z.B. ausländische Mitbürger. (Vgl. B. Zuschlag (2001), S. 4f.) Es ist zu prüfen, ob der Angreifer tatsächlich mobbte oder z.B. ein empfindlicher Mensch etwas mißversteht. (Vgl. B. Zuschlag (2001), S. 8) Dieser Arbeit liegt die Definition von Zuschlag zugrunde. Im allgemeinen kann eine Definition der Realität nie genügen, da sie mit Vereinfachungen arbeitet. Gerade auf psychologischem Gebiet ist wegen der Komplexität menschlicher Verhaltensweisen und Motive auf das Individuum und den Einzelfall abzustellen. Im Folgenden wird eher die männliche Form gebraucht, obwohl die Beteiligten auch weiblich sein können. Es wird auch oft die Einzahl verwendet, was mehrere Täter oder Opfer etc. nicht ausschließt.

Der Arbeitsplatz kann folgendermaßen definiert werden: Arbeit ist ein Produktionsfaktor. Der Ort an welchem die Leistung erbracht wird, kann als Arbeitsplatz bezeichnet werden. Die Arbeit dient dem Erbringer der Leistung zum Gelderwerb, um sich damit einen gewissen Lebensstandard zu sichern. Sie kann auch als psychische, physische und/oder geistige Bereicherung empfunden werden. In dieser Arbeit ist mit Arbeitsplatz vor allem das betriebliche soziale Umfeld gemeint.

Definition zum Opfer: Es ist nach Leymann nicht von Bedeutung wer beim Konfliktbeginn der Schuldige war. Opfer wird die Person genannt, welche im Verlauf der Auseinandersetzung soweit eingeengt wird, bis diese Person ihre Handlungsfreiheiten verliert. (Vgl. H. Leymann (2000), S.65) Dies stellt eine unterlegene Position dar. Zu Beginn der Auseinandersetzung können beide Parteien noch als (ungefähr) gleich stark zu betrachten gewesen sein (Angreifer und Angegriffener). Täter ist hier derjenige, der das Opfer trotz dessen unterlegener Position weiter attackiert.

2.1.3 Klassifikation und Handlungen

Mobbing läßt sich schwer klassifizieren. Doch bei Mobbing am Arbeitsplatz liegt die Herannahme einer hierarchischen Grundlage zur Einteilung nahe. Mobbing soll hier eingeteilt werden in: Mobbing von Geführten gegen Führungskräfte, Mobbing von Kollegen untereinander (selbe Hierarchiestufe) und Mobbing von Führungskräften gegen Geführte. Es besteht auch die Möglichkeit Personen im Arbeitsalltag zu mobben, mit denen zwar ein Kontakt aber keine direkte Beziehung besteht. So kann z.B. eine Sekretärin einen im Auftrag des Unternehmens arbeitenden Externen bewußt über Gerüchte schädigen. Dies soll hier aber nicht näher betrachtet werden, denn meist besteht kein sehr enger Kontakt und oft enden solche beruflichen Beziehungen bald oder die Betroffenen können sich der Situation relativ leicht entziehen.

Leymann unterteilt 45 Handlungen in fünf Kategorien. Zu diesen Handlungen zählen z.B. Gerüchteverbreitung, fortlaufendes Kritisieren der Arbeit, körperliches Mißhandeln und ständige Zuweisung neuer Tätigkeiten. (Vgl. H. Leymann (2000), S.33f., s.a. Anhang 1) Eine der fünf Kategorien ist “.. Angriffe auf die Gesundheit..“. (H. Leymann (2000), S.34, s.a. Anhang 1) Einige der Handlungen sind zu allgemein formuliert und könnten unterschiedlich verstanden werden. Fortlaufende Kritik bedeutet für manche Personen beispielsweise Kritik einmal in der Woche, für andere erst wenn dies täglich geschieht. Dies führt zu Verzerrungen zwischen den Aussagen einzelner Befragter und so zur mangelhaften Vergleichbarkeit von Studien, die diese Handlungsliste nutzen.

Einige der Handlungen sind auch für andere Kategorien als den ihnen zugewiesenen passend. (Vgl. H. Leymann (2000), S. 23) Die Auflistung erscheint damit willkürlich. Leymann weist darauf hin, daß einige dieser Handlungen oft nur als Frechheiten o.ä. zu verstehen sind. Allerdings gilt dies nur insofern sie nicht ständig und langfristig stattfinden. (Vgl. H. Leymann (2000), S.32) Es kann sich auch um nötige und legale betriebliche Maßnahmen handeln. (Vgl. B. Zuschlag (2001), S.8) Werden zum Beispiel leistungsunwillige Mitarbeiter ständig für ihre schlechte Leistung kritisiert, so ist dies kein Mobbing. Manche Arbeitnehmer bezeichnen dies aber so und mißbrauchen damit den Begriff. Auch können fortlaufend neue Aufgaben sinnvolle Lernarbeit darstellen.

Laut Leymann wurden 45 Mobbinghandlungen in 300 Interviews ermittelt. (Vgl. H. Leymann (2000), S.33; s.a. Anhang 1) Kritisch zu bemerken ist, daß Knorz und Zapf in einer Untersuchung an nur 21 Mobbingopfern schon teils andere Handlungen feststellten. Dazu zählten beispielsweise, jemanden abhängig zu halten oder privates Postgut unerlaubt zu öffnen. (Vgl. C. Knorz/ D. Zapf (1996) S.16-18) Einige Handlungen sind illegal (z.B. Körperverletzung), während andere nicht strafbar sind (z.B. nicht zu grüßen). Diese Kritikpunkte zeigen, daß Mobbing sich nicht an Einzelhandlungen darstellen läßt. Durch die unterschiedlichen Charaktere der Beteiligten und die Vielzahl an möglichen Umweltbedingungen u.v.m., ist eine vollständige Auflistung aller potentiellen Mobbinghandlungen unmöglich.

Letztendlich kommt es vor allem auf eine lange Zeitdauer, in welcher Mobbinghandlungen -egal welcher Art- vollzogen werden, an. Die Handlungen wiederholen sich in dieser oder anderer vom Handlungsadressaten als Schikane empfundenen Art. Es kann tatsächlich die Absicht zu quälen bestehen. Es kann aber auch ein Mißverständnis zwischen Angreifer und Angegriffenem vorliegen. Es kann sich zum Beispiel ein empfindsamer Mitarbeiter gemobbt fühlen, obwohl der vermeintliche Angreifer nur öfter Scherze machen wollte. Es läge also ein Kommunikationsproblem vor. Gerüchteverbreitung, Intrigen u.s.w. stellen Mobbinghandlungen dar, sind aber nicht mit Mobbing gleichzusetzen.

2.2 Prozeßmodell

Leymann fand heraus, daß Mobbing nach einem bestimmten Muster abläuft. Der Prozeß ist nicht zwingend wie im Modell und kann auch aufgehalten werden. (Vgl. H. Leymann (2000), S.58f.) Das Modell ist im Anhang 2 dargestellt. Die Arbeit orientiert sich an dem hier vorgestellten Modell. Es gibt aber noch andere Modelle als dieses. (Siehe z.B. B. Zuschlag (2001), S.18f.) Allerdings ist das Modell von Leymann viel zitiert worden, verständlich und gut darstellbar. Hier wird auf den idealisierten Fall eingegangen, in dem alle Phasen idealtypisch auftreten.

Das Prozeßmodell hatte bis zum Herbst 1993 nur vier Phasen. Später wurde eine weitere Phase (Fehldiagnosen) hinzugefügt. ( Vgl. H. Leymann (1996), S.8) Die in diesem Modell erkennbare Systematik und der Prozeßverlauf ermöglichen eine Abgrenzung von Mobbing gegenüber schlechtem Betriebsklima. Im Anhang 3 und 4 befindet sich noch ein Fall aus der Praxis, welcher hilft das Modell lebensnah nachzuvollziehen.

2.2.1 Konflikt: Phase 1

Mobbing entsteht aus Konflikten. (Vgl. H. Leymann (2000), S.129) Es weitet sich aber nur ein kleiner Teil aller Konflikte zu Mobbing in der Arbeitswelt aus. (Vgl. H. Leymann (2000), S.60) Die Personifizierung von Problemen kann, wenn es an der Fähigkeit Probleme zu lösen mangelt, zur Entstehung von Konflikten führen. (Vgl. H. Leymann (2000), S.131f.) Nicht das Sachthema, sondern Personen stehen dann im Vordergrund.

Mobbing kann von Konflikten abgegrenzt werden, da es im Gegensatz zu anderen Eskalationsmöglichkeiten gewisse Kriterien aufweist, die bei Mobbingbetroffenen in Untersuchungen häufig festgestellt werden konnten. Diese Bestimmungsfaktoren zeigen sich unter anderem in den typischen Phasenabläufen entsprechend dem Leymann`schen Modell (Siehe Anhang 2) und sich ständig wiederholenden Mobbinghandlungen. Nach Glasl`s Konfliktmodell (Siehe F. Glasl (1999), S. 218f.; s.a. Anhang 5) wären eher gleich starke Parteien zu erwarten, um den Konflikt weit eskalieren zu lassen. Bei Mobbing gibt es aber bald einen Unterlegenen, der weiter attackiert wird. Außerdem können Konflikte auch konstruktiv sein, während Mobbing einen destruktiven Charakter aufweist.

2.2.2 Etablierung: Phase 2

Wie genau aus einem Konflikt Mobbing wird, darüber sind sich die Forscher nach Leymann noch nicht einig. Durch fehlendes Eingreifen wird Mobbing sehr wahrscheinlich ermöglicht. Viel Verantwortung liegt dabei wohl bei Vorgesetzten. Die Opfer werden psychisch beeinträchtigt, ihr Selbstvertrauen leidet. (Vgl. H. Leymann (2000), S.60f.)

Die Opfer entwickeln ein auf Verteidigung ausgelegtes Verhalten. Durch diese Veränderungen werden sie auffällig. Tritt mehr als ein Täter auf, so muß sich das Opfer sehr oft verteidigen. Phase 2 kann übersprungen werden. (Vgl. H. Leymann (2000), S.61f.)

2.2.3 Destruktive Personalverwaltung: Phase 3

Das Arbeitsrecht schränkt mögliche Maßnahmen gegen das Mobbingopfer ein. Es werden aber auch Rechtsbrüche vorgenommen, um den menschlichen Störfaktor zu beseitigen. Zu diesen gehören z.B. verleumderische Handlungen oder versuchte Verletzungen des Datenschutzes. Die Handlungsmöglichkeiten des Betroffenen sind durch Voreingenommenheit und feindliche Haltungen anderer eingeschränkt. Das Umfeld des Angegriffenen entscheidet über den weiteren Verlauf. Es wird teils Unrecht begangen. Man nutzt z.B. die Abwesenheit des Betroffenen um Maßnahmen gegen diesen durchzuführen. (Vgl. H. Leymann (2000), S.62-64)

2.2.4 Fehldiagnosen: Phase 4

Einige Ärzte, Psychologen u.s.w. erstellen durch Inkompetenz Diagnosen, welche weiter schuldzuweisend und stigmatisierend wirken. (Vgl. H. Leymann (1995 c), S.46) Zur Stigmatisierung befindet sich eine Übersicht im Anhang 6. Diese Phase muß nicht auftreten und wird deshalb im Modell etwas abseits von den anderen Phasen dargestellt.

Einige Beschwerden entwickeln eine vom Mobbing losgelöste Eigendynamik und sind demzufolge kaum mehr direkt darauf zurück zu führen. (Vgl. M. Becker (1996), S.262) Zudem gibt es auf dem Gebiet der Psychologie Theorien über die Persönlichkeit. Anhand dieser wird die Verantwortung t.w. dem Betroffenen zugeschoben. Eventuell können ärztliche Gutachten die rechtliche, finanzielle und gesellschaftliche Position des Gemobbten verschlechtern. (Vgl. H. Leymann (2000), S.141-144)

2.2.5 Verdrängung: Phase 5

Die psychische Verfassung des Opfers hat sich verschlechtert. Arbeitsunfähigkeit über lange Zeit ist trotzdem noch nicht eingetreten. Der Betroffene kann im Prozeß der Verdrängung durchaus weitere Ungerechtigkeiten erfahren. Das Opfer kann durch Ausgrenzung räumlich und sozial isoliert werden. Es erhält eventuell keine Aufträge und Arbeitsmaterialien (z.B. Telefon) mehr. Dies kann psychisch schaden. Das Mobbingopfer hat oft keinen Einfluß mehr auf Versetzungen, unabhängig davon ob es diese selbst will oder nicht. Diese finden in einigen Fällen ständig statt. (Vgl. H. Leymann (2000), S.65f.) Im Sinne von Jobrotation können Versetzungen positiv sein, doch hier wird das Opfer z.T. bewußt überfordert.

Auch Krankschreibungen finden im Laufe des Mobbingprozesses für immer längere Zeit statt. In der Inaktivität sinkt das berufliche Potential, da der Mensch kaum aktiv ist. Die Einweisung in eine psychiatrische Anstalt ist manchmal Folge der durch Mobbing eintretenden psychischen Beschwerden. Fehleinschätzungen durch Ärzte und Psychologen sind dort nicht ausschließbar. Abfindungen bzw. Frühverrentung verursachen immense gesellschaftliche Kosten und stellen keine echte Lösung dar. Das Opfer fühlt sich bestraft. (Vgl. H. Leymann (2000), S.66f.)

2.3 Statistiken

Es ist zu erwähnen, daß es verschiedene Definitionen von Mobbing gibt. Je nach verwendeter Definition variieren die Ergebnisse der statistischen Untersuchungen. Auch Unterschiede in der Erfassung und verschiedene Interpretationen spielen bei der Auswertung eine erhebliche Rolle. So würden infolge empirischer Abgrenzungen (bspw. mindestens 1 Jahr Mobbing) weit weniger Menschen gemobbt, als wenn bereits das Gefühl gemobbt zu werden für die Erfassung relevant wäre.

Bei den Forschungsresultaten müssen auch weiterführende Zusammenhänge beachtet werden. Mobbing beeinflußt auch das soziale Arbeitsumfeld der direkt Betroffenen, so daß sich negative Folgen auf weit mehr Arbeitnehmer beziehen können. Es gibt außerdem Dunkelziffern. Die Mobbingbetroffenheit der Gesamtbevölkerung läßt sich nur schätzen. Resch gibt z.B. eine Schätzung von circa 1,25 Millionen Mobbingbetroffenen am Arbeitsplatz in der BRD ab. (Vgl. M. Resch (1994), S.131) Solche Aussagen sind unseriös. Es fehlen meist Angaben über ihr Zustandekommen. Es ist beispielsweise oft nicht ersichtlich, wer zum Kreis der Mobbingbetroffenen gezählt wird.

2.3.1 Personenspezifische Statistiken

Darunter sind Analysen zu den beteiligten Personen zu verstehen. Dazu gehören beispielsweise Geschlecht und Alter.

Geschlechter: Es gab eine Studie in Schweden mit circa 2500 Befragten. (Vgl. H. Leymann (2000), S. 84) In dieser Untersuchung wurde deutlich, daß Frauen eher von Frauen und Männer eher von Männern gemobbt werden. Bei den weiblichen Opfern waren zu 40 % weibliche Täter, zu 30 % männliche Mobber und zu 30 % beide Geschlechter beteiligt. Bei den männlichen Opfern waren nur zu 3 % weibliche Mobber, zu 76 % männliche Täter und beide Geschlechter zu 21 % beteiligt. Leymann sieht die Ursache für diese statistische Aufteilung in der häufig vorhandenen Geschlechtertrennung an den Arbeitsplätzen. Auch können Männer Frauen eher mobben, da sich Männer oftmals in der hierarchisch höheren Position befinden. Leymann fand weiterhin heraus, daß viele Frauen nach eigenen Aussagen fast jeden Tag und Männer tendenziell einmal wöchentlich gemobbt werden. (Vgl. H. Leymann (2000), S.87) Bei Leymann (ca. 2500 befragte Personen, Erhebung in Schweden) waren 55 % der Opfer weiblich und 45 % männlich. (Vgl. H. Leymann (2000), S. 84f.) Bei einer deutschen Studie von Knorz und Zapf betrug der Anteil der weiblichen Opfer 70 % bei einer Stichprobengröße von 50 Personen. Bei 77% der gemobbten Frauen gab es mindestens einen Mann unter den Mobbern. Aber bei nur 47% der männlichen Opfer befanden sich Frauen unter den Mobbern. (Vgl. C. Knorz/ D. Zapf (1996), S.14-16) Von 1994 bis 1996 gab es in Berlin die “NO MOBBING“-Beratungsstelle. Es wurde eine Fragebogenanalyse an 215 Fällen aus dieser Beratung durchgeführt. (Vgl. R. E. Metzner (1998), S.5) Dabei wurden insgesamt 57 % Täter männlichen und 56% weiblichen Geschlechts ermittelt. In dieser Studie mobbten Frauen eher Frauen und Männer eher Männer. (Vgl. R. E. Metzner (1998), S.8) Eventuell sind Frauen verstärkt in durch Mobbing gefährdeteren Branchen tätig. (Vgl. D. Zapf (1999), S.7) Ein auf maskuline Stärke gerichtetes Gesellschaftsbild kann Motive liefern, aus denen heraus sich einige Männer nicht als schwach zeigen wollen. Sie sind dann gehemmt ihren Opferstatus zuzugeben und sich Hilfe zu suchen. So kann der statistische Anteil weiblicher Opfer größer sein.

Hierarchie: Es gab eine deutsche Studie an 215 Fragebögen aus den Jahren 1994 bis 1996. (Vgl. R. E. Metzner (1998), S. 5) Dort wurde ermittelt, daß ¾ der Befragten insgesamt durch Führungskräfte und Vorgesetzte gemobbt wurden. Mobbing fand zwischen Kollegen (Personen auf gleicher Hierarchieebene) in 30 % der Fälle statt. Vorgesetzte wurden nur in 1,5 % der Fälle von Untergebenen gemobbt. Überschneidungen der Daten kommen durch gemeinsames Mobben von Vorgesetzten und Kollegen vor. (Vgl. R. E. Metzner (1998), S. 7) Auch bei Knorz und Zapf zeigte sich, daß Vorgesetzte häufig allein (22 %) oder z.B. mit Kollegen des Opfers zusammen mobbten (44%). Kollegen zusammen mit Untergebenen waren nur in 2 % der Fälle Täter. (Vgl. C. Knorz/ D. Zapf (1996), S.15, s.a. Anhang 7) Dies führt zu der Annahme, daß Vorgesetzte selten gemobbt werden. Vorgesetzte sind im allgemeinen mit mehr Macht ausgestattet und müssen deshalb beim Mobben weniger Gegenwehr durch die Opfer fürchten. Das Risiko und damit die Hemmschwelle dürften deshalb herabgesetzt sein. Weisungsbefugnisse etc. geben Führungskräften auch mehr Möglichkeiten zu mobben. Geführte können aufgrund der ungleichen Machtverteilung die Vorgesetzten weniger gut mobben. Über Gerüchte und Intrigen besteht allerdings eine annehmbare Möglichkeit.

Alter: Leymann fand (ca. 2500 Befragte, 18 - 65 Jahre alt) zur Mobbingbetroffenheit keinen signifikanten Unterschied zwischen den untersuchten Altersgruppen. Die 21-30 und 31-40 Jahre alten wiesen einen etwas größeren Opferanteil auf, als die 41-50, 51-60 und die über 61 Jahre alten Personengruppen. (Vgl. H. Leymann (2000), S. 84f.) Bei Knorz und Zapf war in einer deutschen Umfrage (50 Befragte) die Altersgruppe mit 30-50 Jahren am meisten betroffen. Es wurden Personen von 17 bis 58 Jahren befragt. (Vgl. C. Knorz/ D. Zapf (1996), S.14) Junge und mittlere Altersgruppen sind meist durch eine eigene Familie weniger flexibel in der Wahl ihres Arbeitsplatzes. Dadurch können sie nicht einfach kündigen, um sich dem Mobbing zu entziehen. Mit zunehmendem Alter verringern sich die Chancen bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz und so bleiben ältere Opfer oft im Unternehmen.

2.3.2 Verlaufsspezifische Statistiken

Hierzu lassen sich die Anzahl der Mobbingtäter und die Mobbinghandlungen zählen. Auch der Beginn und die Dauer sind relevant.

Die Anzahl der Täter beträgt oft zwischen 2 und 5 Personen. (s.a. Anhang 8) Bei Knorz und Zapf (50 Befragte) lag mit 28 % in den meisten Fällen die Täterzahl zwischen 4 und 5 Personen. (Vgl. C. Knorz/ D. Zapf (1996), S.15) Bei Leymann waren in 43 % der Fälle 2-4 Täter vertreten. (Vgl. H. Leymann (1993 b), S. 274) Es wurden ca. 2500 Fälle untersucht. (Vgl. H. Leymann (2000), S. 84) Die Anzahl der Täter dürfte zu mehreren tendieren, da einige anfangs neutrale Personen später Partei ergreifen oder aus Angst, sonst selbst gemobbt zu werden, mitmachen. Gerüchte werden außerdem oft geglaubt und verbreiten sich parallel zur daraus resultierende Ablehnung gegenüber dem Angegriffenen. Allerdings mobbt nicht jeder mit, weil er beispielsweise kaum Kontakt zum Opfer hat oder nicht mobben will.

Mobbinghandlungen: Es gab eine deutsche Studie von 1993 bis 1994 mit 50 Teilnehmern. (Vgl. C. Knorz/ D. Zapf (1996), S.14) In dieser wurden Häufigkeiten von Handlungen im Rahmen von Mobbing ermittelt. Mit 96 % am häufigsten wurde über Betroffene hinterrücks Negatives erzählt. Handgreiflichkeiten sexueller Art fanden nicht statt. Auch körperliches Mißhandeln war mit 2 % nur schwach vertreten. (Vgl. C. Knorz/ D. Zapf (1996), S.17) Die Handlungen entsprechen den von Leymann ermittelten. (Vgl. C. Knorz/ D. Zapf (1996), S.17, (zitiert nach H. Leymann (1993 a), S.33f.), s.a. Anhang 1) Die Hemmschwelle zur Ausübung körperlicher Gewalt dürfte höher sein als jene, Gerüchte zu verbreiten.

Mobbingbeginn: Der Mobbingbeginn lag bei einer deutschen Studie (50 Befragte) bei circa 1/3 der Opfer im ersten halben Jahr an ihrer neuen Arbeitsstelle. 12 % der Gemobbten waren von Beginn an Mobbingaktivitäten ausgesetzt. Nach über 5-jähriger Beschäftigung fing für 26 % der Opfer Mobbing an. (Vgl. C. Knorz/ D. Zapf (1996), S.14f.) Die Werte lassen vermuten, daß besonders neue Mitarbeiter von Mobbing betroffen sind. Sie machen viele Fehler und verursachen den anderen Beschäftigten mehr Arbeit als Erleichterung. Sie haben meist noch keine Unterstützung durch Kollegen. Damit können Täter sie mit Mobbing härter treffen und auch eher aus dem Unternehmen mobben.

Dauer von Mobbing: Leymann errechnete eine durchschnittliche Mobbingdauer von 1,25 Jahren für Betroffene, die zumindest sechs Monate gemobbt wurden. (Vgl. H. Leymann (2000), S.84) Die deutsche Studie von Knorz und Zapf mit 50 Befragten ergab, daß 28 % der Personen unter einem Jahr, 30 % ein bis zwei Jahre und 10 % zwei bis drei Jahre gemobbt wurden. 14% litten drei bis fünf Jahre und nur 6 % fünf bis acht Jahre unter Mobbing. Immerhin 12 % ertrugen die Situation über 8 Jahre. Die Statistik ergab im Mittel eine Mobbingdauer von 40,1 Monaten. (Vgl. C. Knorz/ D. Zapf (1996), S.14f.) Mobbing ist bei einer Zeitdauer von unter einem Jahr eher auszuhalten oder die Betroffenen kündigen frühzeitig. Mehr als 2 Jahre ist dieser Zustand für viele wohl nicht zu ertragen. Einige werden deshalb ihren Arbeitsplatz aufgeben und sich so dem Mobbing entziehen. Je länger Mobbing dauert, desto eher gehen die Opfer freiwillig oder sie brechen zusammen. Wer viele Jahre dem Mobbing standhält ist eventuell psychisch sehr stark oder wird nicht so häufig und nicht so stark gemobbt. Eine gewisse Gewöhnung und die damit einhergehende Entwicklung besserer Bewältigungsstrategien dürfte auch eine Rolle spielen.

2.3.3 Arbeitsplatzspezifische Statistiken

Hierzu zählen unter anderem die Branchen. Da der Arbeitsplatz bestimmte Anforderungen an den Beschäftigten stellt, wird die Bildung hier nicht der Person sondern dem Arbeitsplatz zugeordnet.

Branchen: In Schweden herrscht laut Leymann`s Untersuchungen Mobbing mit einem Durchschnittswert von 3,5 % vor. Produktionsbetriebe in privater Hand befinden sich ca. eine Prozenteinheit unter und der öffentliche Dienst etwa eine über dem Durchschnitt. (Vgl. H. Leymann (1993 b), S.279) Bei der Untersuchung von Knorz und Zapf (50 Befragte) in Deutschland waren 6 % der Studienteilnehmer Arbeiter. Der Rest waren Beamte und Angestellte. Dabei kamen besonders aus Krankenhäusern und anderen sozialen Diensten ganze 26% der Betroffenen. (Vgl. C. Knorz/ D. Zapf (1996), S.17) Bei einer anderen deutschen Studie mit 215 Fällen wurden ganze 37 % der Mobbingfälle im öffentlichen Dienst vermerkt. Dazu gehören z.B. Bezirks- und Landratsämter sowie Schulen. Auch Krankenhäuser insgesamt, Kirche und Wohlfahrtsverbände etc. sind zusammengefaßt stark vertreten. (Vgl. R. E. Metzner (1998), S.5, s.a. Anhang 9)

In Bezugnahme auf die Studien von Leymann, Knorz/Zapf und Metzner läßt sich eine besondere Gefährdung durch Mobbing im öffentlichen Dienst (z.B. Behörden, Schulen etc.), dem Gesundheitswesen (z.B. Krankenhäuser) und in sozialen Einrichtungen (z.B. Wohlfahrtsverbände, Kirche) erkennen. Im öffentlichen Dienst und damit wohl auch in streng hierarchisch gegliederten Unternehmen jeglicher Art dürfte ein höheres Mobbingrisiko bestehen. Die Arbeitsbedingungen sind dort weniger durch die Mitarbeiter beeinflußbar. Strenge Hierarchien erlauben kaum Veränderungen. Neue Konzepte, beispielsweise in Bezug auf motivationale und arbeitspsychologische Verbesserungen, lassen sich schwer durchsetzen. Mehr Unzufriedenheit als bei fortschrittlichen Unternehmen und damit ein höheres Mobbingpotential können die Folge sein. Außerdem wollen viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst ihre meist sicheren Arbeitsplätze nicht verlassen und bleiben trotz Mobbing. Im Gesundheits- und Erziehungswesen gibt es zudem häufig starke kapazitive Überlastung und andere Streßfaktoren (Lärm etc.).

Berufsbereich und Bildungsgrade: Bei einer Analyse von 215 Fragebögen aus einer Mobbingberatung von 1994 –1996 entstammten 65 % der Gemobbten dem mittleren Berufsbereich. 30 % stammten vom gehobenen und 5 % vom unteren Bereich. Dem mittleren Bereich entsprechen z.B. Verkäufer und Krankenschwestern. Mediziner, Lehrkräfte etc. sind dem gehobenen Berufsbereich zuzuordnen. Der untere Bereich ist z.B. durch ungelerntes Personal und Pflegehilfen gekennzeichnet. (Vgl. R. E. Metzner (1998), S.5f.) Mit steigendem Bereich sind höhere Bildungsgrade zu erwarten. Im mittleren und gehobenen Bereich bestehen eventuell Motive wie Neid und Konkurrenz um Karriere u.s.w.. Die Konkurrenz kann weggemobbt werden. Im unteren Bereich sind Karrierechancen schlechter ausgeprägt, so daß solche Motive eher unbedeutend sind. Man wird sich hier eines positiven sozialen Umgangs bedienen, um wenigstens diesen Nutzen aus der Tätigkeit zu ziehen.

3 Ursachen

Die Unterkapitel wurden in Mobbing begünstigende und auslösende Faktoren untergliedert. Die hier genannten Faktoren können das Mobbingrisiko beeinflussen. Aber auch wenn die Umstände ungünstig sind, muß daraus kein Mobbing entstehen und umgekehrt. Nach Ansicht der Verfasserin ist meist eine Kombination aus verschiedenen Faktoren notwendig, um Mobbing entstehen zu lassen. Es trifft beispielsweise ein Mensch mit Minderwertigkeitsgefühlen auf einen sehr leistungsstarken Kollegen. Ersterer kann sich beherrschen bis eines Tages der Streß z.B. durch Lärm am Arbeitsplatz so groß wird, daß sein Bewältigungsvermögen versagt und er den Leistungsfähigen angreift. Die Grenzen zwischen den Unterkapiteln sind fließend. Aggressionen lassen sich so auch beim Führungsverhalten feststellen. Einige begünstigende Faktoren können je nach Situation Mobbing auch auslösen und umgekehrt.

Wenn gesteckte Ziele trotz Motivation nicht erreicht werden, so kann Frustration entstehen. Frustration kann auch zu Aggression führen. (Vgl. F. Luthans (1995), S. 271) Wobei Aggression auch durch Angst und Streß entstehen kann. Aggressionen etc. begünstigen wiederum Konflikte. Diese können destruktiv verlaufen und zu Mobbing führen. Die Erziehung beeinflußt die Konfliktfähigkeits- und Persönlichkeitsentwicklung. Die Persönlichkeit ist bei Mobbing ein bedeutender Faktor. Auch Führungskräfte sind betroffen. Die Gruppendynamik erhöht die Mobbingproblematik. Wenn Mobbing ausbricht, muß schnell und kompetent gehandelt werden. Wenn dies nicht geschieht, kann sich der Prozeß fortsetzen und ist nur noch schwer in den Griff zu bekommen. Soziale Unterstützung und Werte sind dabei einflußreich.

3.1 Aggression

Mobbing entsteht aus Konflikten. (Vgl. H. Leymann (2000), S.129) Zerstörerische Aggression hat als Grundlage Konflikte. Aggression ist wiederum der Grundstein für Konflikte zwischen Personen. (Vgl. J. Hesse/ H. C. Schrader (1995), S.45) Konflikte können positiv oder negativ ausgetragen werden. Ein negatives Beispiel wäre Mobbing. Somit begünstigt Aggression Mobbing.

Aggression stellt manifeste Verhaltensweisen dar, deren Zielsetzung symbolische oder körperliche Schädigungen oder das Verletzen anderer Personen, Tiere oder Sachen ist. (Vgl. Meyers Lexikonredaktion (Hrsg.) (1996), S.10) Aggression spielt bei Mobbinghandlungen oft eine große Rolle.

3.1.1 Aggression durch Ängste

An Tieren läßt sich oft Aggression feststellen, wenn sich diese bedroht fühlen. Verteidigungsmechanismen können aktiv werden. Für den Menschen ist Ähnliches anzunehmen.

Streßmechanismen bewirken im Körper eine Aktivierung von Nerven und eine Hormonerzeugung. (Vgl. B. Zuschlag (2001), S.98f.) Angst bewirkt im Körper eine solche Streßreaktion. Dies kann zu Aggressionen führen, da beispielsweise Hormone das Verhalten beeinflussen können.

3.1.1.1 Begünstigende Faktoren

Eine schlechte Wirtschaftslage eines Unternehmens kann Arbeitsplätze gefährden. Konkurrenz zwischen den Arbeitnehmern um eventuell noch verbleibende Stellen kann ausbrechen. Arbeitnehmer mit der Angst, den Ansprüchen weniger als andere zu genügen, könnten diese aus Angst sonst zu verlieren angreifen, um die Konkurrenz auszuschalten. Ängste werden auch durch mangelnde Information hervorgerufen. Wer sich beispielsweise seines Arbeitsplatzes nicht sicher ist, fühlt sich eher bedroht. Auch anstehende Veränderungsprozesse können aufgrund von Ungewißheit beängstigend sein. Dies kann Aggressionen erzeugen.

Oft liegt bei angstbedingtem Mobbing der Gedanke, lieber anzugreifen als angegriffen zu werden, vor. (Vgl. B. Zuschlag (2001), S. 114) Ein Betriebsklima, in dem keiner Vertrauen in seine Kollegen fassen kann, begünstigt diese Denkweise. Wird Wettbewerb künstlich gefördert, indem es z.B. keine Karriereplanung gibt und Anerkennung nur den Leistungsfähigsten zukommt, hat dies eine Konkurrenz der Mitarbeiter untereinander zur Folge. Auch organisatorische Bedingungen, die stark auf Konkurrenzdenken aufbauen und mit Belohnungen großen Neid erzeugen, können das Betriebsklima negativ beeinflussen. Das Aggressionspotential und damit auch das Mobbingrisiko steigen. Ängste, weniger gut als andere Mitarbeiter zu sein, erhöhen die Bereitschaft die Konkurrenz wegzumobben.

3.1.1.2 Auslösende Faktoren

Bei Massenentlassungen behalten oft nur die besten ihren Arbeitsplatz. Wer zu dieser Gruppe gezählt wird, dem drohen Neid und Mißgunst. Mobbing gegen diese Personen kann durch Gerüchte über anstehende Entlassungen und die damit verbundene Panik der Arbeitnehmer ausgelöst werden. Auch Angst vor Veränderungen und der damit entstehenden Unsicherheit und Instabilität bisher fester Strukturen kann Aggressionen und Mobbing gegen diejenigen, welche diese einführen wollen, auslösen.

Nach Zuschlag kann unklare Kompetenzverteilung, falls eine existenzielle Bedrohung damit assoziiert wird, zu Mobbing führen. Mobbing stellt dabei eine Existenzsicherungsmaßnahme dar, die den eigenen Arbeitsbereich verteidigen helfen und präventiv als Sicherungsmaßnahme erweitern soll. (Vgl. B. Zuschlag (2001), S. 159) Der Auslöser kann dabei der Eingriff eines Arbeitnehmers in den Arbeitsbereich eines anderen sein.

3.1.2 Aggression durch Frustration

Eine Person kann gegen die Barriere, welche die Befriedigung ihrer Bedürfnisse verhindert, Aggressionen bilden. (Vgl. F. Luthans (1995), S.271) Dies entspricht der “.. Frustrations-Aggressions-Hypothese...“. (W. H. Staehle (1999), S.246)

Wird ein direkter Angriff nicht sozial akzeptiert oder droht Bestrafung, so kann sich die Aggression auch gegen ein anderes ungeschütztes Objekt oder eine neutrale schwache andere Person richten. (Vgl. W. H. Staehle (1999), S.246) So können frustrierende Arbeitsbedingungen Mobbing begünstigen.

3.1.2.1 Begünstigende Faktoren

Inhumane Arbeitsbedingungen, wie kaum abwechslungsreiche Tätigkeiten, können sehr frustrierend sein und zu einer psychischen Belastung werden. Daraus kann sich Aggression, die Mobbing begünstigt, entwickeln. Auch strenge Hierarchien wie sie oftmals im öffentlichen Dienst zu finden sind, können frustrieren, da die Beschäftigten kaum Möglichkeiten haben ihre Arbeitssituation zu verbessern. Es wird oft starke Anpassung von den Beschäftigten verlangt. Anders denkende Mitarbeiter werden eventuell sozial ausgegrenzt. Sie sind leichter angreifbar und könnten anderen zum Frustabbau dienen und somit Mobbingopfer werden. In solchen Organisationen wird oft weniger auf die soziale Kompetenz der Geführten und Führungskräfte geachtet.

Damit einhergehende mangelnde Offenheit, fehlende Mitbestimmung und intransparente Entscheidungen wirken verunsichernd. Sie geben das Gefühl, der Macht anderer ausgeliefert zu sein. Die Frustration darüber kann zur aggressiven Auflehnung gegen die formelle oder informelle Macht führen. Wenn Beschäftigte frustriert sind, so werden sie ihren Frust eventuell auch an anderen abreagieren. Dabei kann Neid auf die scheinbare Zufriedenheit der Kollegen den Ausschlag geben. Ein schlechtes Betriebsklima ist die Folge. Kaum jemand mehr will sich bei Angriffen gegen einzelne Personen für diese einsetzen, wodurch diese eher Mobbingopfer werden können.

3.1.2.2 Auslösende Faktoren

Wenn jemand Merkmale besitzt, die bei einem anderen Frust erzeugen, so kann auch dies Mobbing auslösen. Eine Person mit mangelnder Leistungsfähigkeit trifft bspw. auf einen leistungsstarken Kollegen. Dies kann Frust beim Leistungsschwachen auslösen. Der Frust wird als Belastung empfunden und der Leistungsfähige als augenscheinliche Ursache angegriffen. Dies kann durch Mobbing geschehen. Auch ältere Mitarbeiter, die die Ideen der neueren Mitarbeiter boykottieren, können letztere frustrieren. Die Älteren wollen das von sich Geschaffene nicht zerstören lassen, aber auch die neuen Mitarbeiter wollen eine gewisse Gestaltungsfreiheit und Mitsprache bekommen. Mobbing kann durch dabei entstehende Konflikte ausgelöst werden.

Nach Leymann wäre auch ein Mobbing aus Langeweile möglich. (Vgl. H. Leymann (2000), S.136) Doch dies ist durch viele Alternativen wie Radio hören etc. unwahrscheinlich. Außerdem hat sich die Rücksichtnahme auf die psychischen Bedürfnisse der Arbeitnehmer in den westlichen Industrieländern schon weit verbreitet. Monotonie ist also seltener geworden.

Ab einem bestimmten Zeitpunkt wird die Lage durch einen frustrierten Mitarbeiter als nicht mehr auszuhalten erlebt und er kann mobben. Manche Angreifer gewöhnen sich daran an bestimmten Personen regelmäßig ihren aufgestauten Frust abzureagieren. Dies kann vom Betroffenen als Mobbing empfunden werden. Die Angegriffenen befinden sich zum Beispiel in schwächerer Position und können somit kaum Gegenwehr leisten. Das macht sie als Angriffsziel attraktiv. Wer sich anderen derartig ohnmächtig ausgeliefert oder gar gemobbt fühlt, kann wenn sein Bewältigungsvermögen versagt, zur Auflehnung auch in Form von Mobbing greifen. Das Bewältigungsvermögen wird noch näher erläutert.

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832460891
ISBN (Paperback)
9783838660899
DOI
10.3239/9783832460891
Dateigröße
745 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Schmalkalden, ehem. Fachhochschule Schmalkalden – Wirtschaft
Erscheinungsdatum
2002 (November)
Note
2,0
Schlagworte
stastiken prozessmodell forschung fragebogen
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Titel: Mobbing am Arbeitsplatz
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