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Konjunkturelle Entwicklungen unter dem Einfluß weltwirtschaftlicher Verflechtungen

Eine Analyse traditioneller und "neuerer" Transmissionsmechanismen in einer globalisierten Welt

©2002 Diplomarbeit 91 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die konjunkturelle Lage und die wirtschaftlichen Aussichten haben sich im vergangenen Jahr weltweit verschlechtert. Die drei großen Wirtschaftsräume befinden sich gleichzeitig in einer kritischen Lage: In den Vereinigten Staaten kam es zu der von Wirtschaftsexperten befürchteten harten Landung, in Japan ist kein Ende der schon elf Jahre dauerten Stagnationsphase abzusehen und in der Europäischen Union entwickelt sich die Binnennachfrage weiter rückläufig. Berechnungen des SVR zeigen, daß – sieht man von Kapazitätseffekten einmal ab – allein die Verlangsamung der wirtschaftlichen Expansion um rund 3 Prozentpunkte zu einem Rückgang der deutschen Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts von knapp einem Prozentpunkt führt. Der Einfluß des amerikanischen Konjunkturverlaufs auf den deutschen ist gewachsen und negative Impulse scheinen sich stärker zu manifestieren als positive.
In Hinblick auf die jüngsten Entwicklungen stößt man bei der Suche nach gemeinsamen Konjunkturelementen neben den traditionellen Transmissionswegen - Außenhandel, Wechselkurse und internationaler Zinszusammenhang – auf weitere Übertragungsmechanismen, die analysiert werden müssen, um ein umfassendes Bild des internationalen Konjunkturzusammenhangs zu gewinnen.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.Einleitung4
2.Konjunkturübertragung im Lichte der Globalisierung7
2.1Motive und Entwicklung7
2.2Ausmaß der Globalisierung8
2.3Aktuelle Krise der Weltwirtschaft10
2.4Übertragungswege von Konjunkturschwankungen11
2.4.1Außenhandel als traditioneller Transmissionskanal11
2.4.2„Neuere“ Transmissionskanäle13
2.4.2.1Direktinvestitionen13
2.4.2.2Aktien- und Finanzmärkte13
2.4.2.3Stimmungsübertragung13
3.Welthandel und Konjunkturangleichung15
3.1Triebkräfte und aktueller Stand15
3.2Grad der Offenheit17
3.3Theoretische Analyse – das Zwei-Länder-Modell18
3.3.1Transmissionsmechanismen und Wechselkurse20
3.3.2Annahmen und Aufbau des Modells21
3.3.3Gütermarktgleichgewicht21
3.3.4Geldmarktgleichgewicht24
3.3.5Feste Wechselkurse28
3.3.5.1Staatsausgabenerhöhung28
3.3.5.2Expansive Geldpolitik31
3.3.6Flexible Wechselkurse32
3.3.6.1Expansive Fiskalpolitik33
3.3.6.2Expansive Geldpolitik35
3.4Schlußfolgerungen37
4.Direktinvestitionen40
4.1Erscheinungsbild und definitorische Abgrenzung40
4.2Globale Entwicklung41
4.3Grundlegende Einflussfaktoren46
4.4Wohlfahrts- und Einkommenseffekte51
4.4.1Allgemeiner Wohlfahrtseffekt51
4.4.2Direktinvestitionen im […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6078
Ort, Volker: Konjunkturelle Entwicklungen unter dem Einfluß weltwirtschaftlicher
Verflechtungen - Eine Analyse traditioneller und "neuerer" Transmissionsmechanismen in
einer globalisierten Welt
Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: München, Universität, Diplomarbeit, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

Inhalt
INHALT
1
Einleitung ... 4
2
Konjunkturübertragung im Lichte der Globalisierung ... 7
2.1 Motive und Entwicklung ... 7
2.2 Ausmaß der Globalisierung... 8
2.3 Aktuelle Krise der Weltwirtschaft... 10
2.4 Übertragungswege von Konjunkturschwankungen... 11
2.4.1 Außenhandel als traditioneller Transmissionskanal... 11
2.4.2 ,,Neuere" Transmissionskanäle ... 13
2.4.2.1 Direktinvestitionen ... 13
2.4.2.2 Aktien- und Finanzmärkte... 13
2.4.2.3 Stimmungsübertragung... 13
3
Welthandel und Konjunkturangleichung ... 15
3.1 Triebkräfte und aktueller Stand ... 15
3.2 Grad der Offenheit... 17
3.3 Theoretische Analyse ­ das Zwei-Länder-Modell ... 18
3.3.1 Transmissionsmechanismen und Wechselkurse... 20
3.3.2 Annahmen und Aufbau des Modells ... 21
3.3.3 Gütermarktgleichgewicht ... 21
3.3.4 Geldmarktgleichgewicht... 24
3.3.5 Feste Wechselkurse ... 28
3.3.5.1 Staatsausgabenerhöhung... 28
3.3.5.2 Expansive Geldpolitik ... 31
3.3.6 Flexible Wechselkurse... 32
3.3.6.1 Expansive Fiskalpolitik ... 33
3.3.6.2 Expansive Geldpolitik ... 35
3.4 Schlußfolgerungen... 37
4
Direktinvestitionen ... 40
4.1 Erscheinungsbild und definitorische Abgrenzung... 40
4.2 Globale Entwicklung ... 41
4.3 Grundlegende Einflußfaktoren ... 46
4.4 Wohlfahrts- und Einkommenseffekte... 51

Inhalt
4.4.1 Allgemeiner Wohlfahrtseffekt... 51
4.4.2 Direktinvestitionen im Mundell-Fleming-Modell... 52
4.4.3 Produktivitätsspillover... 54
4.5 Direktinvestitionen als Konjunkturkanal... 57
5
Integration der Aktienmärkte ... 60
5.1 Erscheinungsbild und theoretische Vorüberlegung... 60
5.2 Aktienmarkt und Investitionen ... 60
5.2.1 Investitionstheorie nach J. Tobin... 60
5.2.2 Aktienmärkte und realwirtschaftliche Entwicklung... 66
5.3 Aktienmarkt und Geldpolitik... 70
5.4 Aktienmarkt und Konsumnachfrage... 71
5.4.1 Vermögenseffekt ... 71
5.5 Folgen einer zunehmenden Verflechtung der internationalen Finanzmärkte... 75
5.5.1 Transmissionsmechanismen und Relevanz ... 76
6
Stimmungsübertragung ... 79
7
Zusammenfassung ... 81
Literaturverzeichnis
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Versicherung

Einleitung
4
1 Einleitung
,,Was die Weltwirtschaft angeht, so ist sie verflochten" (Tucholsky, K., 1931)
Diese sarkastische Anmerkung Kurt Tucholskys zur damaligen Nationalökonomie hat sich
zum Beginn des 21. Jahrhunderts bewahrheitet. Die heutige Weltwirtschaft ist das
Spiegelbild hochgradiger Globalisierung und intensiver Interdependenz wirtschaftlicher
Entscheidungen. Sinkende Transportkosten, hochleistungsfähige Informations- und
Kommunikationstechnologien, fortschreitende Liberalisierung der Märkte und moderne
Organisationsstrukturen haben die Marktsegmentierung für Güter und Dienstleistungen
sowie Finanz- und Sachkapital weitestgehend abgebaut.
Der Prozeß der Globalisierung ist ­ worauf der Wirtschaftshistoriker Borchardt (2001)
nachdrücklich hinweist ­ nicht neu. Bereits im Altertum und im Mittelalter gab es Phasen,
in denen räumlich zuvor getrennte Volkswirtschaften intensiv miteinander verflochten
waren. In neuerer Zeit ist insbesondere die Phase vor dem Ersten Weltkrieg als eine
Periode fortgeschrittener weltwirtschaftlicher Integration einzustufen. Zugleich weist
Borchhardt auf eine mehr im politischen Raum angesiedelte Triebkraft des seit der zweiten
Hälfte des 20. Jahrhunderts intensiv ablaufenden Globalisierungsprozesses hin: Die als
Ergebnis der Weltwirtschaftskrise aus der Abwendung von den Weltmärkten
resultierenden Risiken dramatischer internationaler Konflikte führten zu einem neuen
Erfahrungshintergrund. Dieser war so nachhaltig, daß er den Globalisierungsprozeß bis zur
Gegenwart mitträgt (vgl. Borchardt 2001).
Die Integration der Weltwirtschaft ist kein kontinuierlicher Prozeß. Vielmehr erfaßt sie
verschiedene Sektoren zu unterschiedlichen Zeitpunkten und verschiedene Länder mit
unterschiedlicher Intensität.
Der Globalisierungsprozeß ist durch gegenseitige Durchdringung der Märkte und durch
steigende außenwirtschaftliche Verflechtung mit der Folge zunehmender wirtschaftlicher
Interdependenzen der beteiligten Länder gekennzeichnet. Nationale Güter- und
Dienstleistungsmärkte rücken immer enger zusammen, der internationale Geld ­ und
Kapitalverkehr entwickelt sich mit großer Geschwindigkeit.
Vor diesem Hintergrund wird immer häufiger die Vermutung laut, daß auch der
internationale Konjunkturverbund durch die Vielzahl der strukturellen Veränderungen

Einleitung
5
enger zusammen gewachsen ist und neue Übertragungskanäle an Bedeutung gewonnen
haben.
Bei der Suche nach den gemeinsamen Konjunkturelementen ist das Augenmerk
vornehmlich auf die wichtigen makroökonomischen Komponenten Konsum, Investition,
Staatsausgaben, Export und Import gerichtet. Die Elemente des stetig steigenden
Außenhandel gelten seit jeher als die wesentlichen Brückenpfeiler internationaler
Konjunkturschwankungen. In letzter Zeit sind darüber hinaus auch andere grenz-
überschreitende ökonomische Wirkungsketten mehr und mehr in den Mittelpunkt des
Interesses gerückt, die als ,,Transmissionskanäle" Gegenstand theoretischer und
empirischer Analysen darstellen (vgl. IMF 2001, Sachverständigenrat 2001). Als treibende
Kräfte sind in diesem Zusammenhang insbesondere der wachsende Stellenwert
multinationaler Unternehmen sowie die stärkere Verflechtung der Finanzmärkte zu
nennen.
Die Übertragung konjunktureller Schwankungen durch internationale Konzerne wird
alleine daran deutlich, daß deren Produktions-, Investitions- und Finanzierungs-
entscheidungen weniger auf nationaler als vielmehr auf internationaler Ebene getroffen
werden. Der zunehmend synchrone Verlauf der internationalen Aktien- und
Wertpapierkurse führt zu einer Anpassung der Finanzierungsbedingungen für die
Unternehmen ebenso wie zu einem synchronen Verlauf der Vermögenswerte privater
Haushalte. Dies überträgt die Konjunktur sehr rasch auf die Investitions- und
Konsumausgaben der Binnenwirtschaft.
Bei den Transmissionskanäle sind demnach neben dem internationaler Güteraustausch und
der Interdependenz über den Zins- und Währungskanal auch internationale Unternehmens-
strukturen und Vermögenseffekte zu berücksichtigen. Weitere Zusammenhänge lassen sich
bei den vorlaufenden Indikatoren für die konjunkturelle Entwicklung eines Landes
erkennen.
Die Aufgabe der vorliegenden Arbeit besteht daher in einer Analyse der internationalen
Konjunkturübertragung auf Basis der wichtigsten Kanäle einerseits sowie einer expliziten
Herausarbeitung der traditionellen und ,,neueren" Transmissionsmechanismen anderseits.
Dabei wird zunächst im zweiten Kapitel das Augenmerk auf die globale Entwicklung und
deren Auswirkung auf den internationalen Konjunkturverbund gelegt. Im dritten Kapitel
folgt eine modelltheoretische Analyse über die expliziten Transmissionsmechanismen und

Einleitung
6
Auswirkungen des (zunehmenden) Welthandels. Kapitel Vier und Kapitel Fünf behandeln
die Effekte und Wirkungsweisen der ,,neueren" Kanäle" und sollen Aufschluß über deren
Bedeutung innerhalb des Konjunkturverbundes geben. Kapitel Sechs beschäftigt sich mit
internationalen Übereinstimmungen der Vorlaufindikatoren einer Konjunktur und deren
Auswirkungen. Zum besseren Verständnis der wesentlichen Zusammenhänge wird den
einzelnen Teilanalysen jeweils eine Darstellung zentraler Elemente der zugrundeliegenden
theoretischen Basis vorangestellt.

Konjunkturübertragung im Lichte der Globalisierung
7
2 Konjunkturübertragung im Lichte der Globalisierung
2.1 Motive und Entwicklung
Die Entwicklung der Weltwirtschaft der letzten Jahrzehnte wird in der Literatur
insbesondere durch Schlagwörter wie ,,Globalisierung" oder ,,Internationalisierung"
charakterisiert. Damit beschreibt sie einen Prozeß, in dem sich Güter-, Finanz- und
Arbeitsmärkte über geographische Grenzen hinweg stärker miteinander verflechten. Auf
allen Kontinenten gewinnt die weltwirtschaftliche Integration wachsende Bedeutung und
ihre Entwicklung hat sich insbesondere in den letzten 20 Jahren zunehmend beschleunigt.
Zunehmende Liberalisierung des Kapitalverkehrs, technische Fortschritte im Informations-
und Kommunikationswesen, die Deregulierung nationaler Märkte und Privatisierung von
Staatsunternehmen, insbesondere aber die internationale Vernetzung von
Produktionsstandorten und transnationalen Firmenzusammenschlüssen, sind wesentliche
und wichtige Triebkräfte der Globalisierung (vgl. Deutsche Bundesbank 2002).
Der Prozeß der Globalisierung ist komplex, da es sich zweifellos um eine hochgradige
Aggregation ökonomischer Einzelprozesse handelt. Die fortschreitende Entwicklung zu
grenzenlosen Märkten wird von einem zunehmend intensiverem Wettbewerb und einem
immer rascheren Strukturwandel begleitet. Dies kann insbesondere darauf zurückgeführt
werden, daß weltwirtschaftliche Entscheidungen eine einzelnen Volkswirtschaft um so
stärker treffen und betreffen können, je höher ihre globale Integration ist. Diese
zunehmende weltwirtschaftliche Verflechtung hat dazu geführt, daß sich die Diskussion
über Wirkungen des Marktmechanismus, des Wettbewerbs, aber auch der
Wirtschaftspolitik mehr und mehr von nationalen Ebene auf internationale bzw. globale
Ebene verlagert hat. Das vielfältige Spektrum potentieller Konjunktureinflüsse muß im
Zuge der weltwirtschaftlichen Integration verstärkt aus einem globalen Blickwinkel
betrachtet werden. Die massive Intensivierung der wirtschaftlichen Verflechtung legt die
Vermutung nahe, daß der internationale Konjunkturverbund strukturell bedingt enger
zusammengewachsen ist.

Konjunkturübertragung im Lichte der Globalisierung
8
2.2 Ausmaß der Globalisierung
Das Ausmaß der Globalisierung läßt sich an dem Grad der internationalen Ausrichtung
von Produktion, Absatz, Beschaffung und Finanzströmen festmachen. Eine adäquate
Analyse muß sich auf die grenzüberschreitenden Wirtschaftsaktivitäten des Handels mit
Güter und Dienstleistungen, der Investitionen und der Aktien- und Finanzmärkte
reduzieren (vgl. Duwendag et al. 1998, S.255). Abbildung 1 stellt die Globalisierungs-
tendenzen der wichtigsten Komponenten anschaulich dar:
Abb.1: Globalisierungsindikatoren: Exporte und Kapitalverkehr (Index: 1985 = 100)
Die rasante Entwicklung der außenwirtschaftlichen Verflechtungen ist deutlich erkennbar.
Als Referenzgröße dient hierbei die (reale) Weltproduktion, die in den Jahren von 1985 bis
2000 um etwa 50 Prozent gestiegen ist. Der reale Welthandel, gemessen an den Exporten,
ist sich im gleichen Zeitraum zweimal so schnell gewachsen. Dies ist ein erster, klarer
Hinweis auf den Weg und das Tempo des Globalisierungsprozesses.
Wesentlich dynamischer als der Außenhandel hat die globale Mobilität des Faktors
,Kapital` zugenommen. Dies ist vor allem auf die steigende Bedeutung multinationaler
Index
* Direktinvestitionen, Portfolioinvestitionen und übriger Kapitalverkehr
Quelle: DIW (2002b)

Konjunkturübertragung im Lichte der Globalisierung
9
Unternehmen sowie auf die stärker Verflechtung der Finanz- und Aktienmärkte
zurückzuführen. Der internationale Kapitalverkehr hat sich insbesondere in den letzten 15
Jahren zur zentralen Antriebskraft der Globalisierung entwickelt. Der technische
Fortschritt beschleunigte sich ­ insbesondere im Bereich der Informations- und
Kommunikationstechnologie ­ in den letzten Jahren exponentiell und wird sich weiter
beschleunigen. Er gilt neben der Liberalisierung der Kapitalmärkte als maßgeblicher
Faktor für das exponentielle Wachstum des internationalen Kapitalaustauschs.
Das Volumen der globalen Kapitalströme ist seit Mitte der achtziger Jahre doppelt so rasch
wie der Warenverkehr und fast viermal stärker als die Weltproduktion angestiegen. Im
Gegensatz zum Außenhandel kann der überwiegende Teil dieser entweder als kurzfristige
internationale Finanzströme oder als Direktinvestitionen fließenden Kapitalströme von
institutioneller Wirtschaftspolitik nicht direkt beeinflußt werden. Vielmehr ,,belohnen"
bzw. ,,bestrafen" die internationalen Kapitalströme eine ,,gute" bzw. eine ,,schlechte"
Politik mit einer entsprechenden Wahl des Investitionsstandortes. Dies führt dazu, daß sich
mehr und mehr Ökonomen und Politiker für eine uneingeschränkte Liberalisierung der
Kapitalmärkte einsetzen.
Ab Mitte der achtziger Jahre konnten Portfolio- und grenzüberschreitende Direkt-
investitionen im Durchschnitt jeweils eine Steigerungsrate von etwa 24 Prozent
verzeichnen, wobei es insbesondere in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre zu massiven
Zuwächsen kam. Das Volumen der deutsche Direktinvestitionen im Ausland hat sich
zwischen 1991 und 1999 von knapp 130 Milliarden auf 390 Milliarden Euro verdreifacht.
Ähnliches gilt für ausländische Direktinvestitionen in Deutschland. Hier kam es im
gleichem Zeitraum zu einem Wachstum von 101 Milliarden auf 282 Milliarden Euro.
Ein häufig verwendeter Maßstab für die Integration der Finanzmärkte ist die internationale
Streuung der Wertpapierportefeuilles. Zum Jahresende 2000 belief sich in Deutschland der
Anteil ausländischer Wertpapiere in den Wertpapierfonds inländischer Privatkunden auf 41
Prozent und lag damit um 20 Prozentpunkte höher als 1987. Wertmäßig hat sich der Kauf
bzw. Verkauf ausländischer Wertpapiere durch deutsche Anleger in den letzten fünf Jahren
mit einem Umsatz von 1,5 Billionen Euro im Jahr 2000 mehr als verzehnfacht (vgl.
Deutsche Bundesbank 2001).

Konjunkturübertragung im Lichte der Globalisierung
10
-4,0
-2,0
0,0
2,0
4,0
6,0
8,0
19
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20
01
Deutschland
USA
2.3 Aktuelle Krise der Weltwirtschaft
Die seit Frühjahr 2001 in der Weltwirtschaft spürbare globale Konjunkturschwäche hat
sich im weiteren Zeitverlauf verstärkt und immer mehr Länder und Regionen in
Mitleidenschaft gezogen. Anlaß gibt dabei weniger die deutliche Abschwächung in den
einzelnen Länder, sondern vielmehr die Tatsache, daß sich die federführenden
Wirtschaftsregionen fast im Gleichschritt in die Krise bewegt haben. Das unerwartet rasche
Tempo, mit dem sich die Konjunkturschwäche ausgebreitet hat, ist ein deutlicher Hinweis
darauf, daß Globalisierungsprozeß und weltwirtschaftliche Integrationsstruktur neue
Dimensionen erreicht haben. Die traditionelle Konjunkturübertragung über die
Handelsströme scheint an Bedeutung verloren zu haben, die derzeitigen
Exportentwicklungen kann die derzeitige Konjunkturschwäche nur unvollkommen
wiedergeben. Konjunkturelle Impulse werden nicht mehr nur über die intensive
Verflechtung der Gütermärkte in Gestalt von Exporten weitergegeben (vgl. DIW 2002a).
Die nachfolgende Abbildung zeigt die Konjunkturentwicklung in Deutschland und den
USA im Zeitraum von 191 bis 2001 im Vergleich.
Abb.2: Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts in Deutschland und den USA
(Veränderung gegenüber dem Vorjahr, in %), 1971-2001
Quelle: IMF, eigene Berechnungen

Konjunkturübertragung im Lichte der Globalisierung
11
In den siebziger Jahren waren die Veränderungsraten des realen Bruttoinlandsprodukts der
beiden Länder sehr ähnlich, während in den achtziger Jahren die Entwicklung teilweise
sehr stark differenzierte. Die drastische Abnahme des deutschen Realeinkommens zu
Beginn der neunziger Jahre stellt die unmittelbaren Auswirkungen der Wiedervereinigung
dar. Nach 1993 verläuft die wirtschaftliche Entwicklung beider Länder (wieder) parallel
und ist zu Beginn des neuen Jahrtausends von einem drastischen Abschwung
gekennzeichnet. In den neunziger Jahren kann im Gegensatz zum vorangegangenen
Jahrzehnt ein enger Konjunkturzusammenhang konstatiert werden. Aktuelle Berechnungen
des Sachverständigenrates auf Basis der jeweiligen Output-Lücken bestätigen diese
Vermutung. Er führt dies insbesondere auf die zunehmende Verflechtung der
Kapitalmärkte zurück (vgl. Sachverständigenrat 2001, S. 251 ff.).
2.4 Übertragungswege von Konjunkturschwankungen
2.4.1 Außenhandel als traditioneller Transmissionskanal
Der Welthandel ist seit den sechziger Jahren mindestens doppelt so schnell wie die
Weltproduktion angestiegen.
1
Zwangsläufig hat sich auch in den meisten Ländern der
Anteil an Exporten an der gesamtwirtschaftlichen Produktion erhöht. Vor allem die
führenden Industrieländern sind über einen regen Handel mit Waren und Dienstleistungen
eng miteinander verflochten. Durch die Zunahme der weltwirtschaftlichen
Interdependenzen hat die Bedeutung des Außenhandels als Übertragungskanal
konjunktureller Schwankungen im Zeitverlauf zugenommen. Daß die Volkswirtschaften
durch den Außenhandel enger zusammengewachsen sind, wird unter anderem daran
deutlich, daß die Elastizität des Welthandelsvolumens bezüglich der Weltproduktion
gestiegen ist (vgl. Abb.3). Eine prozentuale Veränderung der Weltproduktion wirkte sich
demnach in den neunziger Jahren ungefähr doppelt so stark auf den globalen Handel aus
als in den achtziger Jahren.
2
1
Vgl. Europäische Kommission (2001), Statistischer Anhang
2
Auf eine Zwei-Länder-Welt reduziert, läßt sich das Ergebnis dahingehend interpretieren, daß die
wirtschaftliche Entwicklung des In- und Auslands aufgrund zunehmender Handelsverflechtungen sehr viel
stärker von dem Einkommen bzw. der Importnachfrage des jeweils anderen Landes abhängt (vgl. Kapitel 3)

Konjunkturübertragung im Lichte der Globalisierung
12
Abb.3: Elastizität des Welthandelsvolumens bezüglich der Weltproduktion
Quelle: Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e. V. (2001), S.5
Doch ist darauf hinzuweisen, daß die Handelsinterdependenz der führenden Industrieländer
zwischen 1974 und 2000 nur wenig zugenommen hat. Daraus läßt sich mutmaßen, daß
auch Richtung und Ausmaß konjunktureller Übertragung durch den Handelskanal sich
nicht wesentlich verändert haben. Diesem Aspekt steht eine zunehmende Synchronität im
Konjunkturverlauf der einzelnen G-7-Staaten gegenüber. Diese Entwicklung, läßt sich,
nicht nur nach Meinung des Internationalen Währungsfonds, nicht alleine durch
bestehende Handelsbeziehung erklären läßt:
It also seems very unlikely that actual changes in trade interdependence among G-7
countries have led to significantly higher correlations among country-specific disturbances
that could have strengthened cross-country output correlations. (IMF 2001, S. 71)
Dies heißt allerdings nicht, daß der Außenhandel als Transmissionskanal absolut an
Bedeutung verloren hat. Vielmehr ist dies ein Hinweis darauf, daß durch den heutigen
Stand der globalen Entwicklung neben dem Handel noch weitere Übertragungskanäle
existieren müssen.

Konjunkturübertragung im Lichte der Globalisierung
13
2.4.2 ,,Neuere" Transmissionskanäle
2.4.2.1 Direktinvestitionen
Der massive Anstieg grenzüberschreitender Direktinvestitionen seit Mitte der achtziger
Jahre hat dazu geführt, daß multinationale Unternehmen im internationalen
Konjunkturverbund stark an Bedeutung gewonnen haben. Deren globale und weniger
nationale Produktions- und Investitionsentscheidungen führen zu einer schnellen
Schockübertragung, die nicht in den Handelsströmen erfaßt werden. Eine Einschränkung
der wirtschaftlichen Aktivität wirkt sich sofort ungünstig auf das betreffende Land aus.
Zudem wirken sich mögliche Personalentlassungen negativ auf den privaten Konsum aus.
Darüber hinaus können von den Produktions- und Investitionseinschränkungen des
Unternehmens lokale Zulieferbetriebe betroffen sein. Aufgrund dieser Folgewirkungen
kann der direkte Effekt einer Investitionskürzung zusätzliche Konsequenzen für die
betreffende Volkswirtschaft haben.
2.4.2.2 Aktien- und Finanzmärkte
Neue Informations- und Kommunikationstechnologien spielen insbesondere bei der
dynamischen Wachstumsentwicklung des internationalen Aktien- und Anleihengeschäfts
eine bedeutende Rolle. Durch ein höheres Maß an Transparenz ermöglichen sie eine
internationale Streuung des Portfoliokapitals und helfen das Verhältnis von Risiko und
Rendite zu optimieren. Zusammen mit der zunehmenden Bedeutung der Aktien als
Finanzierungsquelle für Unternehmen und zur Vermögensbildung für private Haushalte,
deutet die wachsende Verflechtung der Finanzmärkte auf eine schnelle und umfassende
Konjunkturübertragung hin.
2.4.2.3 Stimmungsübertragung
Mit der zunehmende Integration der Kapitalmärkte ist auch eine ,,Globalisierung der
Stimmungen" (Sachverständigenrat 2001, S. 3) von Verbrauchern und Investoren zu

Konjunkturübertragung im Lichte der Globalisierung
14
verzeichnen. Stimmungsfaktoren können möglicherweise der tatsächlichen Konjunktur-
entwicklung vorangehen. Die künftige wirtschaftliche Entwicklung könnte unabhängig von
der aktuellen Lage verstärkt von diesen beeinflußt werden.

Welthandel und Konjunkturangleichung
15
3 Welthandel und Konjunkturangleichung
3.1 Triebkräfte und aktueller Stand
Eine zentrale Ursache der Globalisierung ist die sukzessive Handelsliberalisierung in den
letzten Jahrzehnten. Der weltweite Güterhandel hat seit den fünfziger Jahren mindestens
doppelt so rasch wie die Weltproduktion expandiert. Zwangsläufig ist der Anteil der
Exporte an der gesamtwirtschaftlichen Produktion in den meisten Ländern gestiegen.
Das zentrale Motiv liegt eindeutig darin, daß der internationale Handel in einer
arbeitsteiligen Weltwirtschaft es ermöglicht, komparative Kosten- und Produktivitäts-
vorteile einzelner Volkswirtschaften in hohem Maße zu nutzen und zusätzliches
Wirtschaftswachstum in den beteiligten Ländern zu erzeugen. Grundsätzlich profitieren
alle Länder von diesem durch Produktivitätsdifferenzen bedingten Warenausstausch.
Allerdings ist der hieraus resultierende Wohlfahrtsgewinn wie auch der Gewinn an
Wirtschaftswachstum von Land zu Land nicht gleich groß. Die Wohlfahrtssteigerungen
durch die Handelsliberalisierung beim Güterhandel nach der sogenannten Uruguay-Runde
1997 betrugen nach verschiedenen Modellrechnungen weltweit zwischen 260 Mrd. und
680 Mrd. US$. Dabei entfielen bis zu 490 Mrd. US$ auf die Industriestaaten und bis zu
190 Mrd. US$ auf die Entwicklungsländer (vgl. Sachverständigenrat 2001).
Der Prozeß der internationalen Arbeitsteilung schreitet jedoch nicht nur wegen
Produktivitätsunterschieden voran. Handelsmäßig eng verflochtene Volkswirtschaften sind
in aller Regel hoch entwickelte Volkswirtschaften, die geographisch nahe beieinander
liegen und einen hohen Anteil ähnlicher Güter tauschen. Hier ist der Handelsanreiz
weniger auf die komparativen Kostenvorteile als vielmehr auf die starke
Nutzendifferenzierung der Konsumenten zurückzuführen.
Eine steigende Verflechtung von Volkswirtschaften durch den Handel schlägt sich in
einem steigenden Anteil der Exporte und Importe am Bruttoinlandsprodukt nieder. Die
zunehmende wirtschaftliche Interdependenz bringt es mit sich, daß konjunkturelle
Schwankungen in einem Land über den Handelskanal verstärkt auf andere Länder
übergreifen.

Welthandel und Konjunkturangleichung
16
Im Jahr 2000 haben 29 Industrieländer drei Viertel des Welthandels auf sich vereint,
während 153 Transformations- und Entwicklungsländer zu 24,3 Prozent am internationalen
Warenaustausch beteiligt worden sind (vgl. Tab.1).
Tab.1: BIP und Handel im Jahre 2000 (Anteile in %)
Quelle: WTO (2001)
Die Vereinigten Staaten sind als größter Markt für den Welthandel mit einem nominalen
Bruttoinlandsprodukt im Jahre 2000 von 10 Billionen US$ besonders entscheidend, auch
wenn der Außenhandel für die USA selbst, aufgrund der Größe des Landes, eine
vergleichsweise geringe Rolle spielt. Immerhin betrug der Wert der durch die USA
importierten Waren und Dienstleistungen etwa 1,5 Billionen US$, der Wert der Exporte
etwa 1,1 Billionen US$. Der Wirtschaftsverbund der Europäischen Union kann inzwischen
ähnliche Dimensionen aufweisen.
Für den Welthandel war das Jahr 2000 besonders erfolgreich. Laut IMF (2001) konnte er
nach einem Plus von 5 Prozent 1998 und 1999 im Jahr 2000 mit über 12 Prozent den
größten realen Anstieg der vergangenen 10 Jahre verzeichnen. Diese Dynamik sollte
insbesondere im Lichte des hohen Weltwirtschaftswachstums, das mit über 4 Prozent
Anzahl an
Länder
Anteil am
Welt-BIP
Anteil am Welthandel
(Exporte von Waren
und Dienstleistungen)
29
57,0
75,7
7
45,4
47,7
USA
22,0
14,2
Japan
7,3
7,0
Deutschland
4,6
8,4
Frankreich
3,2
5,0
Italien
3,1
3,9
UK
3,1
5,1
Kanada
2,0
4,2
15
20,0
36,0
Transformationsländer
28
5,9
4,3
Entwicklungsländer
125
37,0
20,0
Industrieländer
G 7
EU (inkl. Binnenhandel)

Welthandel und Konjunkturangleichung
17
ebenfalls ein Rekordniveau erreichte, betrachtet werden. Die Zahlen machen deutlich,
welch hohe Relevanz der Außenhandel für die Wirtschaft einzelnen Länder hat.
Auch für Deutschland, als eines der führenden Länder im Welthandel, war das Jahr 2001
ein Höhepunkt. Laut Statistischem Bundesamt betrug der Wert der deutschen Exporte im
Jahr 2001 rund 637 Mrd. Euro, der Wert der Importe belief sich auf rund 543 Mrd. Euro.
Das stellt gegenüber dem Jahr 2000 eine Zunahme von 6,7 Prozent bei den Ausfuhren und
von 2,2 Prozent bei den Einfuhren dar. Mit einem positiven Außenhandelssaldo in Höhe
von rund 94 Mrd. Euro wurde der höchste Handelsüberschuß in der Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland erzielt.
3.2 Grad der Offenheit
Der zunehmende Außenhandel ist von mehr internationaler Konvergenz im
Wirtschaftswachstum begleitet. Am Grad der Offenheit einer Volkswirtschaft, ausgedrückt
im Verhältnis von Exportvolumen und realem BIP, läßt sich seine internationale
Handelsaktivität direkt ablesen. Es ist empirisch belegt, daß offenere Entwicklungs- und
Transformationsländer rascher gegenüber den führenden Industrienationen aufholen als
weniger offene Volkswirtschaften. Am Grad der Offenheit kann aber auch abgeschätzt
werden, inwiefern sich außenwirtschaftliche Impulse auf die inländische Wirtschaft eines
Landes übertragen. (vgl. Sachverständigenrat 2001).
Die weltwirtschaftliche Integration hat seit dem Zweiten Weltkrieg durch den globalen
Handel auf allen Kontinenten zunehmend an Tragweite gewonnen. Die Zahlen des
Welthandels belegen, welche Bedeutung er für die Binnenwirtschaft einzelner Länder
heute hat. Jedoch wächst mit der wirtschaftlichen Interdependenz auch das Risiko,
Konjunkturschwächen aus dem Ausland zu ,,importieren".
In ihrer empirischen Untersuchung stellen Prasad und Gable die zunehmende globale
Bedeutung des Außenhandels überzeugend dar. In den meisten OECD-Ländern war der
Außenhandel seit 1970 gemessen an der spezifischen ,,Offenheit" eines Landes mit
starkem Wachstum verbunden. Insbesondere die achtziger Jahre prägte eine zunehmende
Öffnung der nationalen Handelsmärkte und auch im Verlauf der neunziger Jahre ist diese

Welthandel und Konjunkturangleichung
18
Tendenz noch zu erkennen, jedoch in abgeschwächter Form (vgl. Prasad/Gable 1997). Dies
ist zum einen ein Indiz für zunehmende internationale Handelsverflechtungen, zum
anderen ein höheres Gefahrenpotential für die inländische Wirtschaft durch exogene
Schocks. Diese stetig wachsende handelsmäßige Verflechtung spricht für eine
konjunkturelle Angleichung der Volkswirtschaften.
Um die grundsätzlichen Zusammenhänge konkrete Transmissionsmechanismen sowie
Ausmaß und Wirkung internationaler Konjunkturübertragung zu verdeutlichen, wird im
nachfolgenden Abschnitt zunächst auf eine modelltheoretische Analyse außen-
wirtschaftlicher Handelsbeziehungen zurückgegriffen. Dabei läßt sich u.a. zeigen, daß eine
Abhängigkeit von außenwirtschaftlichen Wachstumsimpulsen sowie die Übertragung
direkter und indirekter Effekte in- und ausländischer Fiskal- und Geldpolitik durch den
Handelskanal zu bisweilen starken exogenen Störungen der inländischen Wirtschaft führen
können.
3.3 Theoretische Analyse ­ das Zwei-Länder-Modell
Im Bretton-Wood-System fixer Wechselkurse war die Notwendigkeit einer international
koordinierten Stabilitätspolitik offensichtlich. Durch ihre Funktion als
Reservewährungsland besaßen die Vereinigten Staaten innerhalb des Systems eine
stabilitätspolitischen Vormachtstellung. Entsprechend hatte jedes Land geeignete
Maßnahmen zu treffen, um die Währungsparität gegenüber dem Dollar (Reservewährung)
aufrecht zu erhalten. Dies wurde weitgehend dadurch erreicht, daß die einzelnen Länder
ihre geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen nach dem US-Dollar ausrichteten.
Aufgrund der fehlenden Autonomie der nationalen Geld- und Fiskalpolitik, aber
insbesondere aufgrund der zunehmenden internationalen Übertragung ökonomischer
Störungen kam es im März 1973 zum Übergang in ein System flexibler Wechselkurse. Die
Erwartungen waren hoch und begründeten sich vor allem auf den theoretischen Arbeiten
der fünfziger und sechziger Jahre. So zeigte Meade (1951) in einem keynesianischen
Fixpreismodell unter Vernachlässigung internationaler Kapitalströme eine vollkommene
Isolierung der inländischen Volkswirtschaft vor Konjunkturübertragungen aus dem
Ausland. Auch Friedman (1953) sah die Abschirmung vor Inflationsgefahr aus dem
Ausland durch flexible Wechselkurse gewährleistet. Die meisten Befürworter flexibler

Welthandel und Konjunkturangleichung
19
Wechselkurse stützten sich auf theoretische Modelle, die die Überlegung dieses Systems
darin begründen, daß automatisch ein globales Pareto-optimum erreicht würde. Eine
internationale Koordinierung der Stabilitätspolitik wäre somit überflüssig (vgl. Marris
1984).
Die Realität war jedoch eine andere. Zwar erlaubte das neue System durch die Befreiung
von langfristigen Zahlungsbilanzrestriktionen den Ländern geldpolitische Maßnahmen zur
Abschirmung von exogenen Störungen aus dem Ausland. Der internationale
Konjunkturzusammenhang konnte jedoch nicht verringert werden. Im Gegenteil: Die
Korrelation der länderspezifischen Konjunkturzyklen, insbesondere der führenden
Industriestaaten, hat nach 1973 stetig zugenommen (vgl. Gerlach 1988). Die zunehmenden
internationalen Handels- und Kapitalströme bewirken einen höhere globale Integrität der
einzelnen Volkswirtschaften und machen sie dadurch anfälliger für externe Schocks. Auch
zeigte sich in der Praxis, daß Geld- und Fiskalpolitik bei einer schnellen Anpassung der
nominalen Wechselkurse und einer trägen Reaktion von Löhnen und Preisen zu großen
realen Wechselkursschwankungen führten, die direkt ins Ausland übertragen wurden (vgl.
Fischer 1987).
Die Literatur zu traditionellen Transmissionskanälen ist sehr umfangreich. Die meisten
Analysen untersuchen die Auswirkungen exogener Störungen auf kleine, offene
Volkswirtschaften. Unter globalen Gesichtspunkten sind jedoch makroökonomische
Modelle für große Industriestaaten bzw. Wirtschaftsräume besser geeignet, um die
internationalen Übertragungseffekte stabilitätspolitischer Aktivitäten zu analysieren (vgl.
Prasad/Gable 1997).
Von den existierenden Modellen einer offenen Volkswirtschaft lassen sich internationale
makroökonomische Interdependenzen am einfachsten im Rahmen des sogenannten
Mundell-Fleming-Zwei-Länder-Modells darstellen. In dem von Mundell (1968) und
Fleming (1962) um außenwirtschaftliche Aspekte erweiterteten Keynesianischen IS/LM-
Modell wird neben internationalen Rückwirkungen von Geld- und Fiskalpolitik auch dem
internationalen Kapitalverkehr Rechnung getragen. Es handelt sich hierbei um eine
sogenannte makroökonomische Totalanalyse, weil das Modell die Bedingungen für ein
simultanes Gleichgewicht am Güter-, Geld- und Devisenmarkt formuliert. Es läßt somit
eine Betrachtung interdependenter offener Volkswirtschaften zu.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832460785
ISBN (Paperback)
9783838660783
DOI
10.3239/9783832460785
Dateigröße
723 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München – VWL
Erscheinungsdatum
2002 (November)
Note
1,7
Schlagworte
globalisierubg konjunktur transmissionskanäle direktinvestionen außenhandel
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Titel: Konjunkturelle Entwicklungen unter dem Einfluß weltwirtschaftlicher Verflechtungen
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