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Kapitänleutnant Hellmuth von Mücke (1881-1957) Marineoffizier - Politiker - Widerstandskämpfer

Ein Leben zwischen den Fronten

©2002 Magisterarbeit 94 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Das Thema der hier vorliegenden Arbeit ist die Biographie eines ungewöhnlichen Menschen. Das Leben des Hellmuth von Mücke könnte aus der Feder eines Marineschriftstellers wie Alexander Kent oder Cecil Scott Forrester stammen. Es begann mit einer kurzen aber erfolgreichen Kaperfahrt mit dem leichten Kreuzer „Emden“ am Anfang des Ersten Weltkrieges durch die Weiten des indischen Ozeans. Hellmuth von Mücke diente als Erster Offizier an Bord der „Emden“ , die Fahrt verlief ganz im Stile der französischen Freibeuter des 18.und 19. Jahrhundert.
In weiterer Folge eine waghalsige Flucht: Zuerst mit einem altersschwachen Segelschiff, und dann mit einem Dampfer über den indischen Ozean. Es folgte ein strapaziöser Zug durch die arabische Halbinsel bis nach Konstantinopel. Nur durch die außerordentliche Menschenführung Hellmuth von Mückes war der Marsch durch die Wüsten Arabiens und die glückliche Heimkehr möglich. Es folgten weitere Einsätze am Euphrat und am Balkan. In der Zeit der Matrosenrevolte von 1918 war Hellmuth von Mücke aktiv beteiligt. Auch beim Kapp-Putsch spielte er eine Rolle. In der Weimarer Republik war Hellmuth von Mücke erfolgreicher Politiker im sächsischen Landtag und eine Zeitlang Mitglied der NSDAP. Aufgrund unüberbrückbarer Gegensätze mit Hitler wurde Mücke ab 1929 zu einem der striktesten Gegner der Nationalsozialisten. Er zog sich gänzlich ins Privatleben zurück hielt Reden und verfasste politische Schriften gegen die Nationalsozialisten . Nach der Machtübernahme der NSDAP war der Kriegsheld Mücke als „Nationalbolschewist“ verdammt und sogar kurze Zeit inhaftiert. In den Jahren 1933 bis 1945 wurde der berühmte Seeheld totgeschwiegen. Nach dem Ende des Dritten Reiches widmete sich von Mücke der Friedensarbeit. Sein leidenschaftliches Eintreten gegen eine Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland brachte Hellmut von Mücke wiederholt Schwierigkeiten ein. Er geriet in den Verdacht kommunistischer Gesinnung.
Das Aberkennen seiner Rente und sogar die zwangsweise Psychiatrierung wurde von Mücke angedroht. Doch bis zu seinem Tode im Jahre 1957 blieb er bei seiner patriotisch, kompromisslosen Haltung. Wer war dieser Hellmuth von Mücke?
In meiner Arbeit möchte ich das Schicksal dieses ungewöhnlichen und aufrechten Mannes darstellen. Einige seiner Handlungen waren von Idealismus und auch von einer gewissen Weitsicht bestimmt. Schon früher als so mancher andere Zeitgenosse sah Hellmuth von Mücke wohin der Weg […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Der Marineoffizier
1.1. Herkunft und Familie
1.2.Der Werdegang in der kaiserlichen Marine bis zum Ersten Weltkrieg
1.3..Kriegsausbruch und die Kaperfahrt der Emden
1.4.Der Landungszug und die Fahrt der Ayesha
Exkurs: Der Kriegsschauplatz Naher Osten im Jänner 1915
1.5. Der Marsch durch Arabien und die Ankunft in Konstantinopel
1.6.Diplomatisches Nachspiel in der Heimat
1.7.Kommando am Euphrat und bei der Donauflottille
1.8.Matrosenrevolte in Wilhelmshafen und Ausscheiden aus der Marine

2. Der Politiker 1919 bis 1929
2.1. Politische Prägung nach der Novemberrevolution 1918
2.2.Der Eintritt in die NSDAP 53
2.3. Vortragsreise in die Vereinigten Staaten
Exkurs: Der Hitler Putsch 1923 und das Verbot der NSDAP
2.4.Fraktionsvorsitz in Sachsen
Exkurs: Die zweite Gründung der NSDAP
2.5.Politiker und Publizist
2.6.Die Krise Sachsen 1929

3. Der Hitler Gegner
3.1. Im Kampf gegen den Nationalsozialismus
Exkurs: Nationalbolschewismus in Deutschland
3.2. Das Ende der Weimarer Republik
3.3.Berufsverbot und Widerstand im Dritten Reich
3.4.Die letzten Lebensjahre

4.Nachwort
4.1.Zeittafel

Quellen und Literaturangabe

Anhang : Bilder

Vorwort

Das Thema der hier vorliegenden Arbeit ist die Biographie eines ungewöhnlichen Menschen. Das Leben des Hellmuth von Mücke könnte aus der Feder eines Marineschriftstellers wie Alexander Kent oder Cecil Scott Forrester stammen. Es begann mit einer kurzen aber erfolgreichen Kaperfahrt mit dem leichten Kreuzer „Emden „am Anfang des Ersten Weltkrieges durch die Weiten des indischen Ozeans. Hellmuth von Mücke diente als Erster Offizier an Bord der „Emden“ , die Fahrt verlief ganz im Stile der französischen Freibeuter des 18.und 19. Jahrhundert .[1]

In weiterer Folge eine waghalsige Flucht: Zuerst mit einem altersschwachen Segelschiff, und dann mit einem Dampfer über den indischen Ozean. Es folgte ein strapaziöser Zug durch die arabische Halbinsel bis nach Konstantinopel. Nur durch die außerordentliche Menschenführung Hellmuth von Mückes war der Marsch durch die Wüsten Arabiens und die glückliche Heimkehr möglich. Es folgten weitere Einsätze am Euphrat und am Balkan. In der Zeit der Matrosenrevolte von 1918 war Hellmuth von Mücke aktiv beteiligt. Auch beim Kapp-Putsch spielte er eine Rolle. In der Weimarer Republik war Hellmuth von Mücke erfolgreicher Politiker im sächsischen Landtag und eine Zeitlang Mitglied der NSDAP. Aufgrund unüberbrückbarer Gegensätze mit Hitler wurde Mücke ab 1929 zu einem der striktesten Gegner der Nationalsozialisten. Er zog sich gänzlich ins Privatleben zurück hielt Reden und verfaßte politische Schriften gegen die Nationalsozialisten . Nach der Machtübernahme der NSDAP war der Kriegsheld Mücke als „Nationalbolschewist“[2] verdammt und sogar kurze Zeit inhaftiert. In den Jahren 1933 bis 1945 wurde der berühmte Seeheld totgeschwiegen. Nach dem Ende des Dritten Reiches widmete sich Mücke der Friedensarbeit. Sein leidenschaftliches Eintreten gegen eine Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland brachte Hellmut von Mücke wiederholt Schwierigkeiten ein. Er geriet in den Verdacht kommunistischer Gesinnung.

Das Aberkennen seiner Rente und sogar die zwangsweise Psychiatrierung wurde von Mücke angedroht. Doch bis zu seinem Tode im Jahre 1957 blieb er bei seiner patriotisch, kompromisslosen Haltung. Wer war dieser Hellmuth von Mücke ?

In meiner Arbeit möchte ich das Schicksal dieses ungewöhnlichen und aufrechten Mannes darstellen. Einige seiner Handlungen waren von Idealismus und auch von einer gewissen Weitsicht bestimmt. Schon früher als so mancher andere Zeitgenosse sah Hellmuth von Mücke wohin der Weg Hitlers führen würde. Im Gegensatz vielen frühen Parteigängern der NSDAP, welche in der Bundesrepublik zu Ehren kamen, wurde Hellmuth von Mückes mutige Opposition zum Nationalsozialistischen Regime einfach vergessen. Für gewisse Leute ist eine solche Haltung unbequem. Wirkliche Haltung und Standhaftigkeit wird nicht honoriert, der „Wendehals“ schlüpft eben leichter durch die Zeiten.

Die Schwierigkeiten beim Abfassen dieser Arbeit war das äußerst spärliche vorhandene Material. Ein großer Teil der von Hellmuth von Mücke verfassten Schriften, Flugblätter etc. sind verschollen.

Diese Arbeit wäre nicht möglich gewesen ohne, die freundliche Unterstützung des Sohnes Hellmuth von Mückes , Herrn Dirk von Mücke und seiner Frau Renate. Ihnen beiden gebührt mein aufrichtiger Dank.

1. Der Marineoffizier

1.1.Herkunft und Familie

Kurt Hellmuth von Mücke, so lautete sein vollständiger Name wurde am 25. Juni 1881 als Sohn des sächsischen Hauptmanns und späteren kaiserlichen Beamten Kurth und Luise von Mücke, in Zwickau in Sachsen geboren. Hellmuth wurde evangelisch-lutheranisch getauft . Sein Vater starb 1886 an den Spätfolgen einer im Deutsch-Französischen Krieg (1870-1871) zugezogenen Verletzung. Hellmuth von Mückes Mutter Luise, eine geborene Alberti, stammte aus einer alten Bremer Kaufmannsfamilie. Nach dem Tode ihres Ehemannes heiratete Luise von Mücke ein zweites Mal. Die Vorfahren väterlicherseits waren durchwegs Offiziere oder Staatsbeamte. Die Familie von Mücke stammte aus der sächsischen Lausitz. Den Adelstitel hatten sie 1806 von Kaiser Franz II. erhalten.[3]

Das Familienmajorat, das Rittergut Nieder- Rennersdorf in der Oberlausitz, war zwei Generationen vorher an eine Seitenlinie gefallen. Hellmuth von Mücke hatte zwei Brüder, Kurt und Fritz. In ihren Kinder und Jugendtagen waren sie, aufgrund ihrer zahlreichen Streiche als die „drei Junker“ bekannt. Hellmuth von Mücke besuchte das humanistischen Gymnasium in Dresden . Nach seiner nicht gerade glücklichen Schulzeit, entschied sich Hellmuth von Mücke nach seinem Abitur für die Laufbahn eines Marineoffiziers. Zu dieser Zeit war die Marinebegeisterung in Deutschland hoch. Bereits Mitte der neunziger Jahre hatte in Deutschland unter der Leitung des Großadmirals Alfred von Tirpitz ein massives Flottenbauprogramm begonnen. 1899 erschien erstmals das „Jahrbuch für Deutschlands Seeinteressen. Es gab zahlreiche Flottenvereine und Kaiser Wilhelm II. förderte intensiv den Flottenbau.

1.2.Der Werdegang in der Kaiserlichen Marine bis zum Ersten Weltkrieg

Im April 1900 trat Hellmuth von Mücke als Seekadett in die kaiserliche Marine ein. Im Winter 1900/01 machte er auf dem Schulschiff „Charlotte“ eine Ausbildungsfahrt in das Mittelmeer. Die kaiserliche Marine bildete die Seekadetten und Schiffsjungen auf sogenannten gedeckten Korvetten, zirka 82 Meter langen Vollschiffen mit 2210 qm Segelfläche aus. Insgesamt waren fünf Schulschiffe, nämlich die „S.M. S. Moltke“, „S.M.S. Stosch“, „S.M.S.“ Stein“, „S.M.S.“ Gneisenau“ und die „S.M.S.Charlotte“ im Dienst. Diese Schiffe unternahmen regelmäßige Ausbildungsreisen zur Schulung ihrer Crew.[4]

Auf den Schulschiffen erlernten die Kadetten die Grundlagen der Seemannschaft, die das Fundament ihres zukünftigen Lebens in der Marine war. In erster Linie lernten sie das rein Praktische des Seemannberufes. Mit Ausnahme derjenigen Verrichtungen, welche nicht direkt zum seemänischen Fach gehörten, mussten die Kadetten genau die gleichen Arbeiten machen wie die Matrosen.

Das Prinzip dieser umfassenden Ausbildung war, daß die zukünftigen Seeoffiziere jede Arbeit welche auf einen Schiff vorkommt , kennenlernten. Später als Vorgesetzte waren mit sie mit der Arbeit der Matrosen durch eigene Erfahrung vertraut. Der Offizier war somit in der Lage jede Arbeit, sowie die dazu notwendige Zeit beurteilen zu können. Damit konnte er sich bei der Mannschaft den notwendigen Respekt verschaffen. Auf einem Schiff war , und ist auch heute noch die Disziplin und das Vertrauen zum Vorgesetzten unerläßlich.[5]

Im April 1901 wurde Hellmuth von Mücke zum Fähnrich zur See befördert und besuchte danach die Marineschule in Kiel. Dort erhielten die zukünftigen Offiziere eine ordentliche theoretische Ausbildung. Auch eine praktische Verwendung auf einem Artillerieschulschiff, sowie auf einem Torpedoschulschiff waren ein Bestandteil der Ausbildung.

Nachdem Fähnrich zur See Hellmuth von Mücke die Artillerie-und Torpedo Spezialkurse absolviert hatte, erhielt er auf dem Linienschiff Kaiser Friedrich III. sein erstes Bordkommando. Im September 1903 erfolgte die Beförderung zum Leutnant zur See. Am 1. Oktober wurde Mücke Wachoffizier auf dem Kleinen Kreuzer Nymphe. 1904 wurde er Oberleutnant und Kompanieführer bei den Schultorpedobooten. 1907 war Mücke bereits Erster Offizier bei der 3. Torpedoboots-Reserve-Halbflottille, und 1908 Flaggleutnant beim Befehlshaber der Aufklärungsstreitkräfte. 1909 wurde Mücke der Königlich-Preußische Kronenorden IV. Klasse verliehen. Im April 1912 erfolgte die Beförderung zum Kapitänleutnant . Er wurde Kommandant des Flottillenführerbootes S 149 bei der ersten Torpedobootsflottille.

Die Dienstbeurteilungen der Vorgesetzten lassen das spätere Profil von Hellmuth von Mücke klar erkennen und kehren seine Eigenwilligkeit hervor. So stehen in der Dienstbeurteilung über den Flaggleutnant Hellmuth von Mücke vom Jahre 1910 die folgenden handschriftlich verfassten Bemerkungen:

„ Hat seine Stellung als Flaggleutnant der Flottille hervorragend ausgefüllt. Strafe: August 1910: Strenger Verweis weil Lt. v. Mücke einen älteren Offizier die schuldige Achtung verweigert hat. Gez. Von Restorff.

Im allgemeinen einverstanden. Hat als Leutnant zufriedenstellendes geleistet, es aber an der nötigen Gleichmäßigkeit und der Stetigkeit seines Fleißes fehlen lassen.“[6]

Bei seiner Beförderung 1912 zum Kapitänleutnant wurde Hellmuth von Mücke mit der Note „gut“ beurteilt:

Admiralitätsstellung mangels Praxis auf großen Schiffen und wegen nicht völliger Gesundheit noch nicht ausgestellt. Wird sich später vielleicht zum Admiralitätsoffizier eignen. Als Torpedobootsreferent gut beurteilt.“[7]

Im Herbst 1912 wurde Hellmuth von Mücke Admiralstabsoffizier beim Dritten Admiral der Aufklärungsstreitkräfte.[8]

Der Dienst in der Heimat bot einem jungen, tatendurstigen Offizier wie es Hellmuth von Mücke war, wenig Abwechslung. Um der täglichen Routine zu entgehen, meldete er sich für eine Auslandsverwendung in Übersee. Das Kaiserliche Deutschland hatte einige Kleine Kreuzer zum Schutz der Überseeverbindungen zu den Kolonien, im indischen und im pazifischen Ozean stationiert.

Die Kleinen Kreuzer waren aufgrund ihrer leichten Bauweise und der relativ starken Bewaffnung sehr gut geeignet die Interessen Deutschlands in den Kolonien zu vertreten. An einen möglichen Kaperkrieg auf den Weltmeeren dachte man kaum.

Im Herbst 1913 kam Hellmuth von Mücke nach Ostasien als Navigationsoffizier auf den Kleinen Kreuzer „Emden“. Mücke gewöhnte sich rasch an das Leben in Übersee. Der Dienst auf dem Kleinen Kreuzer war für ihn eine neue Herausforderung. Heute mag der Begriff „Kreuzer“ vor allem die Vorstellung von schicken Kreuzerjachten, Urlaubskreuzfahrtschiffen und Seenotkreuzer wecken. Im Jahr 1914 bezeichnete es ein schnelles, leicht gepanzertes und bewaffnetes Kriegsschiff, das nicht für den Kampf in der Gefechtslinie einer Seeschlacht bestimmt war, sondern in erster Linie zur Aufklärung und zur Torpedobootabwehr diente. Eine weitere Funktion war die als militärischer Repräsentant des eigenen Landes. Frei nach den Worten von Admiral Nelson: „Kriegsschiffe sind die besten Diplomaten.“[9]

Für den Einsatz der deutschen kleinen Kreuzer wurde besonderer Wert auf eine hohe Geschwindigkeit gelegt. Die britischen Kleinen Kreuzer waren den Deutschen Schiffen an Geschwindigkeit unterlegen. Allerdings war der Kleine Kreuzer „Emden“ in der Bewaffnung den britischen Kreuzen mit ihren 15-cm Geschützen unterlegen. (Die Deutschen Kreuzertypen trugen zumeist 10,5-cm Geschütze).

Der Kleine Kreuzer „Emden“ stand unter dem Kommando von Fregattenkapitän Karl von Müller.[10] Die „Emden“ stammte aus der kaiserlichen Werft in Danzig, der Stapellauf war der 26. Mai 1908 und ab 1910 war die „Emden“ im Auslandsdienst in Ostasien.[11]

Die „Emden“ hatte auf Grund ihres weißen Anstriches den Beinamen „ Schwan des Ostens“, und gehörte zum Ostasiengeschwader unter dem Kommando von Vizeadmiral Maximilian Graf von Spee. Diese Flottenabteilung hatte den Auftrag die deutschen Kolonien in Ostasien und der Südsee zu schützen. Im Kriegsfalle sollte das deutsche Ostasiengeschwader einen Handelskrieg gegen den jeweiligen Gegner führen. Der Stützpunkt des Flottengeschwaders war der an der Nordchinesischen Küste gelegene Hafen von Tsingtau im deutschen Pachtgebiet von Kiautschou.

Im Februar 1914 ging die „Emden“ das Schwimmdock der kaiserlichen Werft von Tsingtau. Die Kessel und Maschinen wurden einer Generalüberholung unterzogen und der Anstrich des Schiffes wurde erneuert.

Während der Liegezeit in Tsingtau stießen zwei aus Indochina desertierte Fremdenlegionäre zur „Emden-Besatzung“.

Einer der beiden Legionäre , der in Nordafrika gedient hatte, sollte später dem Landungszug unter Kapitänleutnant von Mücke gute Dienste erweisen. Nur er wusste , wie man mit Kamelmist Feuer macht.

Am 2. Juni 1914 wurde ein Teil der „Emden -Mannschaft“ turnusmäßig abgelöst. Kapitänleutnant Hellmuth von Mücke war anstelle des abgelösten Kapitänleutnant Peuer vom Navigationsoffizier zum Erster Offizier (I.O.) aufgerückt.[12]

1.3.Kriegsausbruch und die Kaperfahrt der Emden

Im Juni 1914 lag der Kleine Kreuzer „Emden“ im Hafen des deutschen Stützpunktes Tsingtau am Chinesischen Meer. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges , Ende Juli 1914 kreuzte die „Emden“ im Gelben Meer zwischen China und der Halbinsel Korea.

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges waren die im Ausland befindlichen deutschen Kreuzer völlig auf sich alleine gestellt.

Sie hatten weder die Möglichkeit ihre Munitionsvorräte zu ergänzen, noch verfügten sie über eigene Kohleversorgung oder über Docks für notwendige Instandsetzungsarbeiten. Den Komandanten der Auslandskreuzer war vollkommen bewußt, daß sie früher oder später dem Feind zum Opfer fallen würden. Die Lage konnte man als fast aussichslos bezeichnen. Hauptgegner war die weit überlegene Royal Navy.[13]

Auf einen Krieg mit Großbritannien, war die deutsche Marine nicht vorbereitet. Seit Nelsons Sieg 1805 bei Trafalgar herrschte auf See der Zustand, den man als „Pax Britannica“ bezeichnete. Nach der japanischen Kriegserklärung am 23. 8. 1914 kam die moderne und kampferfahrene japanische Marine als Gegner hinzu.

In seinem Buch „Emden“ schildert Hellmuth von Mücke die Wirkung des Kriegsausbruches auf die Mannschaft und ihm selbst:

Es war am 2. August 1914 nachmittags gegen 2 Uhr mitten im Gelben Meer als Fregattenkapitän Karl von Müller, der Kommandant der Emden auf der Hütte erschien, in der Hand einen Zettel wie er für funktelegraphische Meldungen benutzt wird. Erwartungsvoll hingen 600 Augen an den Lippen des Kommandanten als er begann:

„Es ist soeben folgender Funkspruch von Tsingtau eingetroffen: Seine Majestät der Kaiser haben am 1. August die Mobilmachung der gesamten Marine und des Heeres befohlen.

Infolge Überschreitens der deutschen Grenze durch russische Truppen befindet sich das Reich im Kriegszustand mit Rußland und Frankreich. Drei Hurras auf S. M. den Kaiser brausten hallend über die weite Fläche des gelben Meeres. Dann rief der Befehl. Klar Schiff zum Gefecht jedem auf seinen Posten.“ Da war also der Krieg. Kurze Zeit später erhielt die Mannschaft die Nachricht von der Kriegserklärung Englands an das Deutsche Reich. Einige Tage danach traf das Ultimatum Japans ein.[14]

Somit befand sich das kleine deutsche Geschwader in Ostasien in feindliche Gewässer. Es war anzunehmen, daß die englischen und japanischen Schiffe gemeinsam gegen die Deutschen Besitzungen in Ostasien vorgehen würden.[15]

Nach Kriegsausbruch operierte die „Emden“ vorerst vom deutschen Schutzgebiet Tsingtau aus. Gleich in der ersten Kriegsnacht gelang es der „Emden“ den ersten feindlichen Dampfer aufzubringen. Es war der russische Dampfer „Rjesan“. Er wurde als Hilfskreuzer ausgerüstet und unter dem Namen „Cormoran“ in Dienst gestellt. Nach kurzem Zusammentreffen mit dem ostasiatischen Kreuzergeschwader unter Vizeadmiral Graf Spee erhielt die „Emden“ am 13. August 1914 den Befehl zur selbständigen Kreuzerkriegführung im Indischen Ozean In Begleitung der „Emden“ befand sich der Kohledampfer Markomannia.

Am 22. September 1914 erfolgte die Beschießung der Hafenanlagen und Öltanks von Madras. Fregattenkapitän von Müller war bemüht nur militärisch wichtige Ziele zu treffen. Durch die gezielten Treffer der „Emden“ konnte ein Großteil der Öltanks zerstört werden.

Das plötzliche Erscheinen der „Emden“ vor Madras sorgte für erhebliche Aufregung in Britisch-Indien. In den einfachen indischen Volkskreisen wurden dem Kreuzer „Emden“ geradezu übernatürliche Kräfte beigemessen.[16]

Am 28. Oktober nahm die „Emden“ die Hafenanlagen von Penang, an der Malakkastraße unter Beschuß. Dabei wurden der russische Kreuzer „Schemtschug“ und der französische Zerstörer „Mousquet“ versenkt.

Achtzehn allierte Kriegschiffe beteiligten sich an einer Suchaktion, um die „Emden“ aufzuspüren. Doch der Kleine Kreuzer entging den Verfolgern, und setzte seine erfolgreiche Kaperfahrt fort.

Die Kaperung der feindlichen Dampfer beschreibt Kapitänleutnant von Mücke mit folgenden Worten:

„In den nächsten Tagen blühte unser Geschäft. Es spielte sich folgendermaßen ab:

Wenn ein Dampfer kam, wurde er zum Stoppen gebracht und ein Offizier mit etwa 10 Mann an Bord geschickt. Diese machten den Dampfer fertig zum versenken und gaben die notwendigen Anordnungen für das Vonbordgehen der Passagiere usw. Während wir damit beschäftigt waren tauchte in der Regel schon die nächste Mastspitze über den Horizont auf. Wir brauchten uns gar nicht zu beeilen. Die Dampfer kamen ganz alleine auf uns zu. Wenn der nächste Dampfer nahe genug herangekommen war, fuhr die „Emden“ ihm entgegen., machte ihm ein freundliches Signal, was ihn veranlaßte, sich zu unserem ersten gekaperten Dampfer zu begeben.

Dann ging wieder ein Offizier und einige Mann an Bord, machte den Dampfer klar zum Versenken, gab die nötigen Anordnungen für Vonbordgehen der Passagiere usw., und wenn dies geschehen war , tauchte die dritte Mastspitze schon auf. „Emden „ fuhr wieder entgegen, und das neckische Spiel wiederholte sich . So haben wir zeitweise fünf bis sechs Dampfer auf einem Fleck gehabt.“[17]

Für die Versorgung der „Emden’“ mit Kohle , Lebensmitteln, Gebrauchsartikel, Tabak usw. war die Aufbringung der Schiffe von kriegswichtiger Bedeutung. In der Tat war die Kohleversorgung das größte Problem. Ein Kreuzer wie die „Emden“ hattte eine normale Bunkerkapazität von 790 Tonnen.

Bei einem Kohlevorrat von über 1000 Tonnen litt das Bordleben und die Gefechtstüchtigkeit des Schiffes. Bei ökonomischer Fahrt lag die Seeausdauer des Kreuzers bei rund 20 Tagen und einer Strecke von 5700 Seemeilen. Bei forcierter Höchstfahrt reichte die Kohle nur für zwei Tage und 1200 Seemeilen.[18]

Die „Emden“ konnte nur durch Selbstversorgung die Kampfkraft aufrechterhalten. Kapitänleutnant von Mücke war als I.O. für die logistische Versorgung des Kleinen Kreuzers verantwortlich..

Aufgrund des beschränkten Platzangebot an Bord der „Emden“ mußte von Mücke sorgfältig auswählen welche Dinge an Bord kamen und welche mit dem aufgebrachten Dampfer versenkt werden konnten .

Am frühen Morgen des 9. November 1914 lief die „Emden“ die Keeling Islands (Cocos-Keeling -Inseln), einer australischen Inselgruppe im Indischen Ozean an.

Ihre Absicht war, die Kabelstation auf Direction Island, der nördlichsten Insel des Archipels, zu zerstören. Von Direction Island gingen drei Kabelstränge aus. Eine Leitung führte nach Mauritius, eine andere nach Batavia und der dritte Strang ging nach Perth in Australien. Die Station war die letzte direkte Verbindung zwischen dem englischen Mutterland und Australien.

Sie zu zerstören wurde daher als wichtige militärische Aktion betrachtet. Im Gegensatz zu allen bisherigen Unternehmungen der „Emden“ mußte diesmal ein Landungskommando von Bord geschickt werden. Es sollte die auf der Insel befindlichen Anlagen der wichtigen Kabel und Funkstation zerstören. Um 6.30 Uhr ankerte der Kreuzer in Port Refuge, dem Ankerplatz vor Directions Island. Der klarstehende Landungszug ging in die Boote und fuhr auf Land zu. Befehlshaber des Landungskommando war Kapitänleutnant von Mücke. Der Auftrag lautete : „Die Funk- und Kabelstation auf Direction Island zu zerstören“. Da mit Widerstand gerechnet werden mußte, wurde Vorsoge getroffen, daß der Landungszug möglichst stark auftreten konnte.

Die vier an Bord vorhandenen Maschinengewehre wurden mitgenommen. Es wurde ein Zug in der Stärke von 50 Mann zusammengestellt. Mehr Mannschaftsmitglieder konnte die „Emden“ bei ihrer geringen Besatzungsstärke nicht abgeben.[19]

Um 06.30 Uhr machte Kapitänleutnant von Mücke dem Kommandanten folgende Meldung: „ Melde gehorsamst Landungszug in der Stärke von drei Offizieren, sechs Unteroffizieren und einundvierzig Mann von Bord“.

In zwei Kuttern, geschleppt von der Dampfpinasse machte der Landungszug an einer kleinen Brücke der inneren Lagune fest. Kurze Zeit später waren das Telegraphengebäude und die Funkstation besetzt. Der Funkstation gelang es noch den Hilferuf : „ Strange warship at the entrace „ über den Äther abzusetzen. Aufgefangen wurde er von einem britischen Geleitzug, der in nur 50 Seemeilen Abstand die Inselgruppe passierte. Ein Begleitschiff, der Kreuzer Sydney nahm um 06.50 Uhr Kurs auf Direction Island.

Der Landungszug sprengte den Funkmast, und machte die wichtigen Geräte unbrauchbar. Schwierig erwies sich das Durchtrennen der im Meer laufenden Kabelverbindungen. Während die Männer arbeiteten, erreichte Kapitänleutnant von Mücke von der Emden der Morsespruch „Arbeiten beschleunigen“.[20]

Um 09.45 Uhr signalisierte die „Emden“ dem Landungszug durch Flaggen und Dampfpfeifensignale sofort an Bord zurückzukehren. Kapitänleutnant von Mücke konnte den Befehl sofort nachkommen, da der Auftrag des Landungszuges erledigt war. Die Engländer hatten keinen Widerstand geleistet.

Als die Boote ein Stück vom Land entfernt waren, sahen die Insassen, daß die „Emden“ den Hafen verließ. Sie setzte die Gefechtsflaggen und eröffnete das Feuer auf einen Gegner der von den Booten aus nicht zu sehen war.

Die Landungsboote konnten die mit hoher Geschwindigkeit wegfahrende „Emden“ nicht mehr erreichen und mußten nach Direction Island zurückkehren. Der Gegner der „Emden“ war der australische leichte Kreuzer „H.M.S.A.S Sydney“.[21]

Mit seiner überlegenen, weitreichenden Artillerie, die es ihm erlaubte, außerhalb des Feuerbereichs des deutschen Kreuzers zu bleiben, nahm die „Sydney“ die „Emden“ unter Beschuß. Es hagelte Treffer auf Treffer auf die „Emden“. Nachdem die „Emden“ kampfunfähig war, ließ Fregattenkapitän von Müller sein Schiff auf an der Südküste der North-Keeling -Insel auf ein Riff setzen.

Den Überlebenden wollte er damit ermöglichen, sich schwimmend an Land zu retten. Nach erneuten Artillerietreffern der „Syndey“ befahl Fregattenkapitän von Müller die Kriegsflagge auf dem bereits völlig zerstörten Schiff zu streichen.[22]

133 Mann der Besatzung sowie die drei chinesischen Wäscher (die in Tsingtau freiwillig an Bord geblieben waren), fielen. Die Bergung der Verwundeten wurde von den Australiern mit großer Sorgfalt und seemännischen Geschick durchgeführt. Fregattenkapitän Karl von Müller und der Rest der Besatzung wurde gefangengenommen.

Die Australier behandelten den geschlagenen Gegner mit allen Ehren. Die Versorgung der Verwundeten durch die Australier war beispielhaft. Viele verdankten ihnen das Leben. Die Gefangenen wurden zuerst nach Colombo und von dort in ein Kriegsgefangenenlager nach Malta gebracht. Insgesamt brachte der Kleine Kreuzer „Emden“ während seiner kurzen Kaperfahrt 22 feindliche Handelsschiffe auf.

1.4.Der Landungszug der Emden und die Fahrt der Ayesha

Nachdem die Boote an der gleichen Stelle wie zuvor gelandet waren, ließ Kapitänleutnant von Mücke alle Engländer auf der Insel zusammenrufen, beschlagnahmte alle Waffen, hißte die deutsche Flagge und stellte die Insel unter das Kriegsrecht. Der Landungszug erhielt den Befehl , den Strand zur Verteidigung klarzumachen, die Maschinengewehre in Stellung zu bringen und mehrere Schützengräben anzulegen. Kapitänleutnant von Mücke hatte nicht die Absicht, die Insel kampflos aufzugeben. Nach Erteilen der Befehle eilte Mücke zum Nordstrand der Insel um das Gefecht zu beobachten. Er sah, daß die „Emden“ schon beschädigt war. Der vorderste Schornstein fehlte, und auf dem Schiff war ein Brand ausgebrochen. Beim Gegner der „Emden“ waren keine Beschädigungen wahrzunehmen. Um zirka 11.00 Uhr verschwanden die beiden Schiffe am Horizont. Für Mücke hatte es den Anschein als würde das Gefecht abgebrochen werden. Er hatte den Eindruck, daß die „Emden“ im Laufe des Gefechtes stärker litt, als ihr Gegner. Das war das letzte was Mücke beobachten konnte.[23]

Selbst bei günstigen Ausgang des Gefechtes konnte die „Emden“ nur so schnell wie möglich einen Hafen anlaufen um die Verwundeten abzugeben und die Schäden auszubessern. An eine Rückkehr zur Insel war nicht mehr zu denken.

Kapitänleutnant von Mücke mußte rasch entscheiden was der Landungszug unternehmen sollte. Laut Angaben der des englischen Funkpersonals befanden sich mehrere englische Kreuzer in der Nähe der Insel. Ein britisches Kriegsschiff würde bald einlaufen um nachzusehen , was mit der Funk und Kabelstation geschehen sei.

Den Landungsversuch einer kleinen britischen Mannschaft hätte Kapitänleutnant von Mücke mit seinen vier Maxim- Maschinengewehren (2000 Schuß), 29 Gewehren (60 Schuß), und zehn Pistolen (24 Schuß), zunächst abwehren können.[24]

Gegen das Geschützfeuer eines englische Kreuzers war der Landungszug allerdings wehrlos. Im besten Falle stand britische Gefangenschaft bevor. Im Hafen befand sich ein kleiner weißer Schoner, dessen Sprengung nach der Landung verschoben worden war . Mit diesem Schiff beschloß von Mücke die Insel so schnell wie möglich, zu verlassen. Der Schoner hieß „Ayesha“ ( benannt nach der Lieblingsfrau des Propheten Mohammed) war 30 Meter lang, 7 bis acht Meter bereit und wog 97 Tonnen.[25]

Das Fahrzeug war schon länger Zeit aus Dienst gestellt, jedoch äußerlich gut erhalten. Nach Aussagen der Engländer war des Schiff alt und morsch. Früher hatte die „Ayesha“ zum Kopra -Transport von den Keeling - Inseln nach Batavia gedient.[26]

Nachdem sich Kapitänleutnant von Mücke von der Seetüchtigkeit des Schoner überzeugt hatte, gab er dem Befehl das Schiff seeklar zu machen. Der Schoner wurde von der „Emden Mannschaft“ aufgetackelt. Die Engländer unterstützten die Deutschen nach Möglichkeit. Sie brachten Kochgeräte, Decken, Kleider, Petroleum, Wasser selbst zu dem Schoner. Ihre Hilfe begründeten sie, weil sich die Deutschen „generously“ (edel, fair) verhalten hatten.[27]

Schließlich hatte der Landungszug nur das nötigste von Bord der „Emden“ mitgenommen. Zum Glück hatten einige Matrosen Erfahrung im Umgang mit Segelschiffen. Somit war die Handhabung der „Ayesha“ für die Mannschaft kein großes Problem.

Am Nachmittag kam die „Sydney“ und die „Emden „ wieder in Sicht, woraus auf eine Fortdauer des Gefechts geschlossen werden konnte, da Artilleriefeuer beobachtet wurde. Nachdem festgestellt worden war, daß die „Sydney“ in nordwestlicher Richtung wegdampfte , und die „Emden“ östlich eingeschätzt wurde, beschloß Kapitänleutnant von Mücke bei einbrechender Dunkelheit die Insel zu verlassen. Die Segeln waren gesetzt, Proviant für acht Wochen , Wasser für vier Wochen an Bord .[28]

Bei Anbruch der Dunkelheit schleppte die Dampfpinasse die „Ayesha“ durch die Korallenriffe auf die offene See. Die Dampfpinasse wurde um 20.30 Uhr losgeworfen, die beiden Kutter im Schlepp behalten, um für den Fall des Wrackwerdens der „Ayesha“ Rettungsboote zur Verfügung zu haben. Zunächst wurde ein westlicher Kurs gesteuert, um dem feindlichen Kreuzer auszuweichen und um die zurückgebliebenen Engländer zu täuschen. In der Nacht ging die „Ayesha“ auf Nordostkurs. Kapitänleutnant von Mücke beschloß entweder Batavia , oder Padang auf Sumatra im neutralen Niederländisch-Indien gelegen, anzulaufen. „Ayesha“ mußte ,gleichgültig welchen der Häfen sie anlaufen wollte, zunächst in nördlicher Richtung Raum gewinnen, um in das Gebiet des Nord-Westmonsun zu gelangen. Gegen den Süd-Ost-Monsun, und Äquatorialstrom nach Batavia zu kreuzen, war ausgeschlossen. Auch fehlten auf der „Ayesha“ wichtige naviagtorische Mittel. Das Chronometer-Journal, zur Berechnung der geographischen Länge, war nicht an Bord. Einziges Navigationsmittel zur Standortbestimmung war die Mittagsbreite.[29]

Die nächsten Tage wurden zur weiteren Instandsetzung des Schiffes genutzt. Die Unterbringung der Mannschaft machte erhebliche Schwierigkeiten, da daß Schiff nur für eine Besatzung von insgesamt sechs Mann vorgesehen war. Die Frischwasserversorgung war nicht gegeben, da von den vier Tanks drei so verrottet waren , daß das Wasser für die Mannschaft ungenießbar geworden war.

Doch die Wasserfrage löste sich in zufriedenstellender Weise, da bei den häufigen tropischen Regenschauern genügend Regenwasser aufgefangen werden konnte. Die Fahrt der „Ayesha“ verlief äußerst wechselvoll, wie Auszüge des Original-Logbuches zeigen:

Mittwoch 11. November 1914

Vormittags wurde außer den täglich wiederkehrenden Arbeiten, wie Schiffsreinigung, Prüfung der Takelage, Lenzpumpen des Schiffes, nun auch das Untermarssegel untergeschlagen und gesetzt. Das Schiff machte 3.8 bis 5.1 Seemeilen Fahrt. Nachts 23.35 Uhr riß die Kutterschleppleine. Der Kutter wurde treiben gelassen. Er war leck.

Freitag 13. November 1914

Das Wetter wurde böig. Segel bergen und setzen war mehrmals nötig. Um 5.00 Uhr setzte eine heftige Regenbö ein Ein großes Segel und das Kajütdach dienten zur Ansammlung von Wasser. Die gesammte Besatzung war unbekleidet an Deck und benutzte die Gelegenheit, wie nun immer, sich in Süßwasser zu waschen und Zeugwäsche machen zu können. Es wurde ein Faß voll Trinkwasser aufgefangen. 16.40 Uhr nochmals Regen.

Freitag 20. November 1914

Besteck gegißt aus einer Vormittagsstandlinie. Immer noch Flaute. Mannschaft Unterricht im Spleissen und Knoten, Kompaß,Takelage usw. Sonnensegel gesetzt. 13.00 Uhr leichte Regenbö aus Süd. Kurs Nordnordost. Geringe Fahrt.14.00 Uhr Totenstille. Regen mit wenig Wind. Wasser aufgefangen.

Am 22. November 1914 entschloß sich Kapitänleutnant von Mücke in den Hafen von Padang einzulaufen. Drei folgende Gründe sprachen dafür: Erstens, weil dort die „Emden“ getroffen werden konnte zweitens ein deutscher Konsul sich vor Ort befand, und mit ziemlicher Sicherheit deutsche Handelschiffe im Hafen lagen und drittens, weil die an Bord befindlichen beiden Leutnants Schmidt und Gyssling mit dem Schweren Kreuzer „Gneisenau“ bereits Padang besucht hatten,und dort bekannt waren.

Zusätzlich erschwert wurde die Navigation, da an Bord keine Seekarte von Sumatra vorhanden war. Am 23. November wurde Land gesichtet. Abends stand die „Ayesha“ vor dem Seaflower Channel. Kapitänleutnant von Mücke ließ auf der „Ayesha“ die Gefechtsbereitschaft herstellen. Er beabsichtigte , falls er ein feindliches Schiff vor Anker liegend treffen würde, dieses überraschend zu entern. Ab dem 26. November folgte der „Ayesha“ der holländische Zerstörer „Lynx“. „Ayesha“ befand sich in den neutralen Gewässern Niederländisch-Indiens. An Bord der „Lynx“ erhielt Kapitänleutnant von Mücke die erste Nachricht über das Schicksal der „Emden“.[30]

Am 27. November ging die „Ayesha“ in Padang vor Anker. Kapitänleutnant von Mücke ließ dem holländischen Neutralitätsoffizier ausrichten, das deutsche Kriegsschiff S.M.S. „Ayesha“ habe den Hafen wegen Seenot (Zustand des Schiffes) und wegen Mangels an Wasser und Proviant angelaufen. Nach Behebung dieser Umstände würde die „Ayesha“ wieder in See gehen. Am 28. November wurde Kapitänleutnant von Mücke mitgeteilt, daß die „Ayesha „ von den Niederländern als Prise (erbeutetes Schiff) behandelt werden würde. Eine Proklamation bezüglich der Neutralität der Niederlande war dem Kommandanten der „Ayesha“ vom Neutralitätsoffizier überreicht worden. Kapitänleutnant von Mücke legte unverzüglich energischen Protest gegen das Verhalten der Niederländer ein.

In seinem Schreiben betonte Kapitänleutnant von Mücke daß alle Merkmale für ein Kriegsschiff bezüglich der „Ayesha“ zutreffen würden: Es wären nur Angehörige der kaiserlichen Marine an Bord, die Besatzung sei militärisch organisiert. Mücke berief sich ausdrücklich auf das Abkommen der II. Haager Konferenz von 1907 über die Verwandlung von Handelschiffen in Kriegsschiffen.[31]

Das Verhalten der Niederländer war in diesem Fall verständlich. Jegliche Neutralitätsverletzung würde unverzüglich eine Reaktion Englands und Japans hervorrufen. Der Neutralitätsoffizier verweigerte die Lieferung von Seekarten, Kleidern und Decken, da dies eine Verstärkung der Kampfkraft des Schiffes bedeuten würde. Die Stimmung auf der „Ayesha“ war,trotz aller Hindernisse gut. Die im Hafen befindlichen deutschen Handelschiffe halfen mit den notwendigen Gütern aus.[32]

Die „Ayesha“ konnte noch am selben Tag auslaufen. Mit Hilfe des deutschen Konsuls wurde Hilfe durch einen deutschen Dampfer organisiert, welcher die „Ayesha „auf See treffen sollte. Am 14. Dezember 1914 traf die „Ayesha „ den Lloyddampfer „Choising“.

Die Besatzung wurde umgeschifft, und am 16. Dezember wurde die „Ayesha“ durch Anbohren versenkt, nachdem sie 1709,6 Seemeilen zurückgelegt hatte.[33]

Kapitänleutnant von Mücke beschreibt diesen Augenblick mit bewegten Zeilen:

„Ich wollte in der Nähe Ayeshas bleiben bis sie gesunken war. Der Dampfer wurde daher gestoppt, und wir blieben in einer Entfernung von 300 bis 400Meter liegen. Der Verlust des braven Schiffes ging uns doch zu tief zu Herzen. Wenn auch das Lebean Bord alles eher als glänzend genannt werden konnte, so wußten wir doch alle, daß wir nur „Ayesha“ unsere Freiheit zu verdanken hatten.

Fast eineinhalb Monate war sie unser Heimat gewesen. 1709 Seemeilen unter Segeln hatten wir auf ihr zurückgelegt. Wir standen alle hinten auf der Heckreling der Choising und verfolgten den letzten Kampf der Ayesha mit den Wellen. Langsam und allmählich sank sie tiefer und tiefer. Drei Hurras tönten ihr über ihr nasses Wellengrab nach. Es war um 4 Uhr 58 Minuten am 16. Dezember des Jahres 1914.“[34]

Auf der „Chosing“ waren die Bedingungen für die Mannschaft weitaus besser. Zuerst wollte von Mücke in Richtung Deutsch-Ostafrika fahren, und sich dort bei der deutschen Kolonialtruppe melden. Außerdem erfuhr er , daß der Kleine Kreuzer „Königsberg“ im Rufiji Delta lag. Doch über Funk wurde die Meldung vom englischen Angriff auf Deutsch Ostafrika bekannt gegeben. Nach eingehender Beratung mit seinen Offizieren faßte Kapitänleutnant von Mücke den Entschluß zuerst die Malediven und dann die arabische Halbinsel anzusteuern. Von der militärische Lage im Nahen Osten hatte Kapitänleutnant von Mücke jedoch nur sehr vage Informationen.

[...]


[1] Stellvertretend seien hier nur die Namen Jean Bart und Robert Surcouf angeführt, vgl A.T. Mahan, Der Einfluß der Seemacht auf die Geschichte. Bielefeld 1967 S. 87.

[2] Ausführliche Erklärung des Nationalbolschewismus auf den Seiten 74-76 dieser Arbeit.

[3] Christian Siegfried von Mücke ( 1744-1818) , Leutnant der königlich polnischen Kronarmee wurde am 8. April 1806 von Kaiser Franz II. in den erblichen Reichsadelstand erhoben. Diese Ernennung war eine der letzten des Römisch Deutschen Kaisers. Am 6. August 1806 verzichtete Kaiser Franz II. unter dem Druck Napoleons auf die Kaiserkrone. Es war das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Vgl. Rittergut und Reichsadelsstand für die Familie von Mücke. Dokumente zur Familiengeschichte ab 1792.

[4] Charlotte: Die gedeckte Korvette- Ersatz Viktoria, Eisenbau Vollschiff 23 00 qm ² Segelfläche, später Bark mit 1580 qm ² Segelfläch. 3288/3763 Tonnen, Länge : 87, 80 m, Tiefgang 6,90m. Maschine: zwei 2-Zylinder 2fach Expansionsmaschinen 2x 600 PS, Geschw. 11 Knoten, Besatzung 506,später 495 Mann (einschließlich 50 Seekadettten und 230 Schiffsjungen) erbaut in der kaiserlichen Werft Wilhelmshafen. Stapellauf am 5. 9. 1886 Umbau in Kiel. 1888/89 im Ausland, 1897-1909 Schulschiff der kaiserlichen Marine, außer Dienst gestellt am 26. 5. 1909, 1921 verkauft. Vgl. Gerhard Koop, Die deutschen Segelschulschiffe, Bonn

1989 S.11-16.

[5] Viktor Lauerrenz, Deutschland zur See. Bilder aus dem deutschen Kriegsschiffleben. Berlin o.J. S. 70,71.

[6] Bundesarchiv Freiburg, BA-MA-RM 2/837

[7] RM 2/837.

[8] R.K.Lochner, Die Kaperfahrten des Kleinen Kreuzers Emden. München (1980) S.443.

[9] Lochner, S. 31.

[10] Fregattenkapitän Karl von Müller (1873-1923). Für seine erfolgreiche Kreuzerkrieg-Führung erhielt er den Orden >Pour le Merit<. Er war einer der beliebtesten Kommandanten der kaiserlichen Marine. Sein Geschick, sein Mut und seine Ritterlichkeit brachten ihm Weltruhm ein. Die Patenstadt Emden verlieh ihm die Ehrenbürgerrechte. Eine „Karl von Müller „ Kaserne der Bundeswehr befindet sich heute in Emden. Vgl Lochner, Die Kaperfahrten des Kleinen Kreuzers Emden S. 428-432. Karl Parz, Der Kommandant der Emden Berlin 1939.

[11] S.M.S. Kleiner geschützter Kreuzer Emden. Wasserverdrängung 3650 Tonnen, Länge 117,9 Meter, Breite 13,5 Meter, Tiefgang 5,1 Meter, Geschwindigkeit 24,5 Seemeilen. Bewaffnung: Zwölf 10,5 Zentimeter, vier 5,25 Zentimeter Kanonen, zwei Maschinenkanonen und zwei Torpedo-Lancierrohren unter Wasser. Die Emden war der letzte mit Kolbenmaschinen ausgerüstete Kleine Kreuzer der Kaiserlichen Marine. Vgl. Lochner, Die Kaperfahrten des Kleinen Kreuzers Emden, S. 64.

[12] Ebenda, S.17.

[13] Lochner, S. 23.

[14] Hellmuth von Mücke, Emden, Ayesha, Berlin 1915 S. 6.

[15] Hellmuth von Mücke, Emden, Ayesha, S,6,7.

[16] Noch heute gezeichnet in der tamilischen Landessprache das Wort „emden“ einen listigen , klugen Mann. Vg: .Beer/Debelius, S.M.S. Emden S.66.

[17] Mücke, Emden. S. 27.

[18] Karl Theo Beer, Helmuth Debelius, S.M. S. Emden. Hamburg 2001 (2. Aufl.) S. 45.

[19] Mücke, Emden. S. 91.

[20] Karl-Theo Beer, Helmut Debelius, S.M. S. Emden. Hamburg 2001 (2. Aufl.) S. 93.

[21] Leichter Kreuzer Sydney, Stapellauf am 29. 8. 1913, Länge: 139,7 m, Breite 15,2m. Antrieb : 4 Parsons-Turbinen, 12 Yarrow-Kessel. Geschwindigkeit: 25,5 Knoten. Bewaffnung 8 Sk-15,2 cm, 4 Geschütze 7,6 cm, „ TR-50cm , Kommandant Kapitän z. See John A. Glossop, vgl. Beer /Debelius, S.M. S. Emden S. 85.

[22] Lochner, S.244.

[23] Mücke meldete nach seiner Rückkehr nach Deutschland dem Admiralitätstab, daß zwei feindliche Schiffe an der Versenkung der „Emden“ beteilgt waren. Seiner Ansicht nach daß das feindliche Schiff welches der „Emden“ den Rest gegeben hat, nicht dasjenige war, welches den Kampf eröffnet hatte. Mücke meint, daß es sich bei dem zweiten Schiff um die „Melbourne“ gehandelt hat, welche ein Schwesternschiff von der „Sydney“ war. Die These von den zwei Schiffen ist nach dem heutigen Wissensstand wiederlegt. Vgl., Mücke, Ayesha, S. 15,16, Lochner, Die Kaperfahrten des Kleinen Kreuzers Emden S.279-282.

[24] Bundesarchiv Freiburg, BA-MA-RM 99/605

[25] Mücke, Ayesha, S. 20.

[26] Mücke, Ayesha, S, 18.

[27] Ebenda, S.19.

[28] Mücke, Ayesha, S. 20.

[29] Die Mittagsbreite ist einer der ältesten , einfachsten und genauesten Navigationsmethoden. Schiffsmittag ist dann, wenn die Sonne den höchsten Punkt ihrer Laufbahn erreicht hat. Auf der Nordhalbkugel im Süden (180°) auf der Südhalbkugel im Norden (360°). Vgl. Bobby Schenk, Astronavigation, ohne Formeln-praxisnah. Bielefeld, 1983 S.25-30.

[30] Lochner, S. 317.

[31] Erich Raeder, Der Kreuzerkrieg in den ausländischen Gewässern 2. Band .Die Tätigkeit der Kleinen Kreuzer „Emden“ ,“Königsberg“ und „Karlsruhe“. Berlin 1923 S. 113.

[32] Lochner, S.319

[33] Raeder, Der Kreuzerkrieg in den ausländischen Gewässer. . Band, S. 116.

[34] von Mücke, Ayesha, S.62.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832460532
ISBN (Paperback)
9783838660530
DOI
10.3239/9783832460532
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Wien – Philosophie
Erscheinungsdatum
2002 (November)
Note
1,0
Schlagworte
erster weltkrieg kaiserliche marine weimarer republik nsdap
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Titel: Kapitänleutnant Hellmuth von Mücke (1881-1957) Marineoffizier - Politiker - Widerstandskämpfer
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