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Kommunale Förderung von selbst genutztem Wohneigentum

Wie erfolgreich ist das München Modell?

©2002 Diplomarbeit 126 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In der Wohnungspolitik der Großstädte wird in den letzten Jahren die Förderung von selbst genutztem Wohneigentum verstärkt forciert. Dabei plädieren die Kommunen mit anderen Argumenten für die Subvention als in der Politik von Bund und Ländern üblich. Die Wissenschaft hat das Thema Wohneigentumsförderung aus lokaler Perspektive bislang kaum diskutiert.
DIE AUSGANGSLAGE: Was die Städte sich von der Förderung versprechen, wird an der Situation der bayerischen Landeshauptstadt München deutlich. Ein aus dem Gleichgewicht geratener Wohnungsmarkt stellt die Kehrseite der prosperierenden wirtschaftlichen Entwicklung dar. Das entscheidende Hemmnis für den privatwirtschaftlichen Wohnungsbau sind seit langem die Bodenpreise. Der Mietwohnungsbau ist für Investoren uninteressant geworden, ein immer größerer Anteil der neu erstellten Wohnungen wird an Eigennutzer verkauft. Längst sind nicht mehr nur Geringverdiener von Engpässen betroffen sondern auch Familien mit mittlerem Einkommen – insbesondere, wenn sie Kinder haben. Seit langem zieht es die Familien ins Umland, wo sie ihre Lebensvorstellungen besser verwirklichen können. Fester Bestandteil dieser Vorstellungen ist für viele das Wohnen in den eigenen vier Wänden. Schwächung der kommunalen Finanzhaushalte, regionale Segregation, Kaufkraftabfluss und Verkehrsprobleme sind die schwerwiegenden Folgen dieser Entwicklung.
DAS MÜNCHEN MODELL: Der erste Spatenstich für geförderte Eigentumswohnungen im München Modell fand im Frühjahr 1997 auf der Panzerwiese im Münchner Norden statt. Ansatzpunkt des Instruments ist eine Subventionierung der Baugrundstücke. Inzwischen wird das Programm in jede größere städtebauliche Entwicklungsmaßnahme integriert. Zum Zeitpunkt der Untersuchung existieren bereits knapp 500 bezogene Wohneinheiten.
Explizit genannte Ziele des München Modells sind: Steigerung des Wohnungsbaus, weniger Stadt-Umland-Wanderung von Familien, Erhalt einer heterogenen Stadtgesellschaft und ausgewogener sozialer Mischungen in den Wohngebieten, Zuwanderung von Arbeitseinpendlern aus dem Umland und Entlastung des Mietwohnungsmarktes durch Sickereffekte. Bei der Planung von Gebäuden und Wohngebieten wird besonders auf ökologische Bauweise und eine Wohnumgebung mit familiengerechter Infrastruktur Wert gelegt. Dadurch soll auch zur Verminderung des Straßenverkehrs beigetragen werden.
DIE UNTERSUCHUNG: Aber erreicht das München Modell diese Ziele auch? Evaluation bedeutet in diesem […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6052
Burgmaier, Florian: Kommunale Förderung von selbst genutztem Wohneigentum - Wie
erfolgreich ist das München Modell?
Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: München, Technische Universität, Diplomarbeit, 2002
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http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

Gliederung
1 Einführung: Eine besondere Perspektive und viele Fragen ... 2
2 Wohnungsmärkte und Wohneigentumsförderung ... 6
2.1 Regionale Wohnungsmärkte und die Situation in München ... 6
2.2 Für und Wider der staatlichen Wohneigentumsförderung ... 13
2.3 Kommunale Wohneigentumsförderung... 16
3 Das München Modell ... 20
3.1 Wie funktioniert das München Modell? ... 20
3.2 Die Standorte... 26
4 Evaluationsforschung ... 35
4.1 Was ist Evaluation? ... 35
4.2 Theoretische Grundlagen: Die Programmwirkungstheorie ... 39
4.3 Die Evaluation des München Modells... 42
5 Erfolgskontrolle: Erreicht das München Modell seine Ziele?... 49
5.1 Der Beitrag zum Wohnungsbau ... 51
5.1.1 Das Münchner Wohnungsbauvolumen ... 51
5.1.2 Sickereffekte... 54
5.2 Erreicht die Förderung ihre Zielgruppe? ... 56
5.2.1 Die sozialökonomische Struktur der Geförderten... 57
5.2.2 Gründe für den Wohnungswechsel ... 61
5.2.3 Der Eigentumssinn der Käufer... 63
5.2.4 Die Vorzüge der Großstadt ... 64
5.2.5 Die Gebäudetypen: Wunsch und Wirklichkeit ... 66
5.2.6 Räumliche Bezüge: Verlagerung von Wohnort und Arbeitsplatz... 67
Exkurs: Stadt-Umland-Wanderung in anderen Verdichtungsräumen ... 69
5.3 Städtische Verwaltung und Werbung ... 75
5.4 Wohnanlagen, Wohnumfeld und Infrastruktur... 79
5.4.1 Wohnanlagen und Umgebung ... 79
5.4.2 Auswahl der Bauträger und bauliche Umsetzung der Planung ... 87
5.5 Bewertungen und Änderungsvorschläge der Beteiligten ... 90
6 Ergebnisse und Empfehlungen ... 93
6.1 Ergebnisse der Empirie ­ eine Zusammenfassung ... 93
6.2 Verbesserungsvorschläge und Handlungsempfehlungen ... 98
7 Ausblick ... 103
Literatur ... 105
Verzeichnis der Abbildungen, Karten und Tabellen ... 110
Anhang ... 111

1 Einführung: Eine besondere Perspektive und viele Fragen
2
1 Einführung: Eine besondere Perspektive und viele Fragen
,,Erfolgsstory München Modell (...) die Subventionen im Münchner Wohnungsbau
lohnen sich für alle Beteiligten: Bauträger, Investoren, Wohnungssuchende und die
Stadt."
1
Stimmt das? Zumindest bei der Süddeutschen Zeitung scheint man vom München Modell
überzeugt zu sein. Am 28. Januar 2002 hatten die genannten Beteiligten Gelegenheit, sich
bei einer Diskussionsveranstaltung im Rahmen des SZ-Forums auszutauschen. Und der
Andrang war groß!
In München sind Wohnungsfragen längst Dauerbrenner in der politischen Auseinander-
setzung und in der wissenschaftlichen Diskussion geworden. Ein aus dem Gleichgewicht
geratener Wohnungsmarkt stellt die Kehrseite der prosperierenden wirtschaftlichen
Entwicklung der Landeshauptstadt dar. Längst sind nicht mehr nur Geringverdiener von
Engpässen betroffen, sondern auch Familien mit mittlerem Einkommen ­ insbesondere,
wenn sie Kinder haben.
Auf dem beinahe einzigartig teuren Boden der Landeshauptstadt ist der Mietwohnungsbau
aufgrund vergleichsweise geringer Rendite und dauerhaft hohem Verwaltungsaufwand für
Investoren uninteressant geworden. ,,Eine Umfrage bei Münchner Bauträgern bezüglich
der in den Jahren 1996 bis 2000 verkauften Wohnungen zeigt einen starken Anstieg des
Anteils der Wohnungen für Eigennutzer von rund 30% auf fast zwei Drittel (...)".
2
Bis
heute dürfte dieser Anteil eher noch zugenommen haben. Wegen der Bodenpreise muss
auch die Stadt selbst für jede Intervention tiefer in die Tasche greifen als irgendwo sonst.
Einwohnerverluste durch die Suburbanisierung wirken sich negativ auf Bevölkerungs- und
Sozialstruktur sowie die Finanz- und Verkehrssituation aus.
Kann ausgerechnet eine zusätzliche Förderung von selbst genutztem Wohneigentum in
dieser Situation aus der Klemme helfen? Das München Modell stellt eine für deutsche
Großstädte bislang einzigartige Maßnahme dar. In der Lokalpolitik scheint Einigkeit zu
herrschen, was ihre Zweckmäßigkeit anbelangt - ein Grund für fehlenden Widerspruch
mag sein, dass sich eine Förderung auf der Basis von Grundstückswertverzichten nicht im
städtischen Haushalt niederschlägt.
Ansatzpunkt des Instruments ist eine Subvention der Baugrundstücke. Der erste
Spatenstich für Eigentumswohnungen im München Modell fand im Frühjahr 1997 auf der
1
GÜGEL in SÜDDEUTSCHE ZEITUNG Nr. 21 vom 25. Januar 2002, S. VP2/2
2
LH MÜNCHEN 2001a, S. 10

1 Einführung: Eine besondere Perspektive und viele Fragen
3
Panzerwiese statt. Gefördert werden sollen Haushalte mit mittlerem Einkommen,
sogenannte ,,Schwellenhaushalte". Zielgruppe sind insbesondere Familien mit Kindern,
denn gerade sie wandern seit vielen Jahren von der Stadt ins Umland. Allein im Jahr 1998
hat die Landeshauptstadt für das München Modell Grundstückswertverzichte von 29,9
Mio. DM geleistet.
3
Inzwischen wird das Instrument in jede größere städtebauliche
Entwicklungsmaßnahme integriert.
Standorte des München Modells
Karte 1
: eigener Entwurf. Nicht in die Karte und die Untersuchung aufgenommen wurden Projekte,
die für städtische Angestellte und Beamte reserviert sind und einige kleine Projekte von
Genossenschaften.
Zum Thema Notwendigkeit, Gerechtigkeit, Effektivität der Wohneigentumsförderung auf
Bundesebene ist die Literatur schier unüberschaubar. Über Maßnahmen auf kommunaler
Ebene hingegen liest man recht wenig. Die Lage Münchens macht aber deutlich, dass die
Situation einer einzelnen Großstadt ein anderes Licht auf die Eigentumsförderung wirft.
Aus der Münchner Perspektive wird mit anderen Argumenten für eine Förderung plädiert
als in der Bundespolitik. Es werden Ziele angestrebt, die über jene beinahe gebetsmühlen-
3
vgl. LH MÜNCHEN 2001c

1 Einführung: Eine besondere Perspektive und viele Fragen
4
artig wiederholten Argumente für die allgemeine staatliche Eigentumsförderung und die
Vorteile von Wohneigentum hinausgehen.
Aber werden diese Ziele auch erreicht? Eine Reihe von erhofften und propagierten
Wirkungen soll unter die Lupe genommen und evaluiert werden. Trifft das Instrument die
richtige Zielgruppe? Ist es geeignet, einen Beitrag gegen die Stadt-Umland-Wanderung zu
leisten. Wird das Wohnungsbauvolumen angekurbelt, der Mietwohnungsmarkt entlastet?
Stehen die Projekte im Einklang mit den übergeordneten Leitbildern der Stadtplanung
(,,Stadt der kurzen Wege", ,,Kompakt, urban, grün"...)? Auch die Bürgerfreundlichkeit des
Verwaltungsapparates steht auf dem Prüfstand.
Wie erfolgreich ist das München Modell? Evaluation heißt in diesem Zusammenhang
Erfolgskontrolle. In Form eines Soll-Ist-Vergleichs werden die von Politik und Programm-
verantwortlichen genannten bzw. erwünschten Ziele operationalisiert und in der Realität
überprüft. Als empirische Herangehensweise wurde eine schriftliche Befragung der
Bewohner geförderter Wohneinheiten in Kombination mit Experteninterviews gewählt.
Weitgehend unberücksichtigt bleiben muss die Erforschung von ungewollten Aus-
wirkungen der Subvention. Die Frage nach etwaigen ,,Nebenwirkungen" wird aber nicht
völlig ausgeklammert. Erkenntnisse, die sich diesbezüglich aus Literaturstudium und
Experteninterviews ergeben, werden in die Arbeit mit aufgenommen.
Viele Fragen, aber was ist mit der Beantwortung gewonnen? Im Kern geht es um eine
gesellschaftspolitische Intervention. In die Mechanismen des Wohnungsmarktes wird mit
dem Ziel eingegriffen, soziale und gesellschaftliche Probleme zu lösen oder wenigstens
ihre Auswirkungen zu mildern. Politiker und Bürger erwarten, dass diese Intervention auch
die versprochenen Effekte zur Folge hat. Die Münchner haben ein Recht darauf, zu wissen,
ob öffentliche Mittel sinnvoll investiert werden. Den Programmverantwortlichen werden
die Ergebnisse beim weiteren Umgang mit ihrem Instrument hilfreich sein.
Im größeren Rahmen und in Verbindung mit anderen Forschungsergebnissen kann die
Untersuchung den politischen Gremien der Stadt als Entscheidungsgrundlage für über-
greifende Wohnungsmarktkonzepte dienen. Zwar ist die Münchner Situation einzigartig.
Aber gerade deshalb entstehen hier neue Ideen zur Lösung von Problemen, die auch für
andere Ballungsräume kennzeichnend sind. Erfahrungen mit dem München Modell können
auch für die Wohnungspolitik anderer Großstädte von Bedeutung sein.
Ob Stadtflucht durch Boden-, Immobilien- und Mietpreise in München oder in erster Linie
durch den Wunsch nach einem ländlichen Wohnumfeld verursacht wird, ist bisher strittig.
Die vorliegende Arbeit soll auch im Zusammenhang aktueller Bemühungen um neue
Erkenntnisse hinsichtlich der Wohnwünsche moderner Haushalte und der wahren Ur-

1 Einführung: Eine besondere Perspektive und viele Fragen
5
sachen von Stadtflucht und Suburbanisierung gesehen werden. Denn hier handelt es sich
um ein Themenfeld, in dem mit veralteten und klischeehaften Vorstellungen erst langsam
aufgeräumt wird. Berührungspunkte ergeben sich insbesondere mit der brandaktuellen
Befragung von Stadt-Umland-Wanderern, die im Auftrag der Landeshauptstadt München
vom Institut für Medienforschung und Urbanistik (IMU)
4
durchgeführt wurde.
Das folgende zweite Kapitel führt den Leser an das Thema Regionale Wohnungsmärkte
heran und gibt einen Überblick zur Kontroverse um die Wohneigentumsförderung, wobei
auf die Situation der Kommunen besonders eingegangen wird. Anschließend gibt Kapitel
drei einen Einblick in die Grundlagen der Evaluationsforschung und schafft somit eine
methodische Basis für die empirische Arbeit. Im vierten Kapitel werden Entstehung und
Funktionsweise des München Modells detailliert beschrieben und die Standorte der
untersuchten Objekte vorgestellt.
Erreicht die Stadt München ihre Ziele? In Kapitel fünf wird anhand der Ergebnisse der
empirischen Arbeit im einzelnen geprüft, ob politisch formulierte Ziele erreicht werden
oder nicht. Schließlich werden im sechsten Kapitel die Ergebnisse zusammengefasst und
bewertet. Es werden Handlungsempfehlungen für die Verantwortlichen des München
Modells abgeleitet.
4
IMU 2001

2 Wohnungsmärkte und Wohneigentumsförderung
6
2 Wohnungsmärkte und Wohneigentumsförderung
Beim München Modell handelt es sich um eine staatliche Intervention, mit der bewusst in
die vorhandenen Strukturen des Wohnungsmarktes eingegriffen wird. Als Einstieg in den
Themenbereich empfehlen sich deshalb einige Anmerkungen zu den Besonderheiten der
Märkte für Wohnen, der aktuellen Situation des Münchner Wohnungsmarktes und der
grundlegenden Debatte, die sich um die Förderung von selbst genutztem Wohneigentum
entspinnt.
2.1 Regionale Wohnungsmärkte und die Situation in München
Der Wohnungsmarkt ist der ,,gedachte" ökonomische Ort, an dem sich der Austausch von
Angebot und Nachfrage nach Wohnnutzungen vollzieht. Aufgrund der besonderen
Eigenschaften des Gutes Wohnen gibt es jedoch nicht ,,den" Wohnungsmarkt. Er ist
unterteilt in eine Vielzahl von Teilmärkten, die aber sowohl auf der Angebots- als auch auf
der Nachfrageseite miteinander verbunden sind und sich zum Teil gegenseitig beein-
flussen.
5
In der Literatur hat sich eine Unterscheidung in sachliche und räumliche Teilmärkte des
Wohnens durchgesetzt. Sachlich wird der Markt z.B. nach Eigentumsform, Gebäudetyp,
Baualter oder Preislage in verschiedene Segmente unterteilt. Die hier in erster Linie
interessierenden räumlichen Teilmärkte resultieren aus der Standortgebundenheit von
Wohn- und Arbeitsstätten. Es ergibt sich eine Vielzahl von möglichen Untergliederungen
in Teilmärkte, die sich auf verschiedenen Maßstabsebenen abgrenzen lassen. So wird
häufig der Faktor der Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes als Abgrenzungskriterium für
regionale Wohnungsteilmärkte herangezogen. Auch beim Vergleich verschiedener
Landkreise, Planungsregionen, Bundesländer oder im internationalen Vergleich hat man es
mit voneinander getrennten Teilmärkten mit jeweils eigener Struktur von Angebot,
Nachfrage und Preisbildung zu tun.
Wichtige Variablen zur Abschätzung regionaler Marktsituationen sind Wanderungsströme,
natürliche Bevölkerungsentwicklung eines Gebietes und die innerregionale Einkommens-
und Kaufkraftsituation. Die letztgenannte Variable ist selbstverständlich wiederum
abhängig von der Entwicklung der regionalen Arbeitsmärkte, die zugleich einen großen
Einfluss auf die Zuwanderung zusätzlicher Wohnungsnachfrager hat.
5
vgl. MAYER 1998, S. 42

2 Wohnungsmärkte und Wohneigentumsförderung
7
Die Situation in den Ballungsräumen
Besonders die Ballungsräume haben sich von jeder allgemeinen Marktentwicklung abge-
koppelt. Sie gelten als Brennpunkte der ,,Neuen Wohnungsnot", in denen trotz bundesweit
ausgeglichenen Marktes und der Verlagerung von Bevölkerungszuwachs und Siedlungs-
tätigkeit in den ländlichen Raum weiterhin Versorgungsengpässe bestehen. Verschärft wird
die Problemlage der Großstädte (ab 500.000 Einwohner) durch den Sachverhalt, dass hier
fast zwei Drittel der wohnungssuchenden Haushalte zu den geringverdienenden zu rechnen
sind, während diese Gruppe in Kleinstädten (bis 20.000 Einwohner) nur knapp die Hälfte
ausmacht und im ländlichen Raum noch geringer ausfällt.
6
Jedoch haben längst nicht mehr nur Geringverdiener mit Marktengpässen zu kämpfen.
Während diese besonders von der Abnahme des Sozialwohnungsbestandes betroffen sind,
machen zunehmende Ansprüche an Wohnfläche, mangelndes Engagement der Investoren
im Mietwohnungsbereich sowie Zweckentfremdung, Gentrification und Umwandlung von
Miet- in Eigentumswohnungen das Angebot auch für Durchschnittsverdiener knapp.
Besonders betroffen sind Familien mit Kindern, die viel Wohnraum mit einem pro Kopf
vergleichbar geringen Haushaltseinkommen finanzieren müssen.
Aber auch Ballungsraum ist nicht gleich Ballungsraum, und es lohnt sich, einen Blick auf
München als dem eigentlichen Schauplatz des Geschehens zu werfen.
München ist anders
Zugegeben, die Überschrift ist geklaut. Sie stammt aus ,,Wohnen in München III", dem
wohnungspolitischen Handlungsprogramm der Stadt München für die Jahre 2001 bis
2005
7
. Hier werden die zentralen Indikatoren des Wohnungsmarktes beschrieben, anhand
derer sich München von den anderen deutschen Großstädten unterscheidet:
Aufgrund der günstigen wirtschaftlichen Situation ist die Arbeitslosenquote in München
niedriger als anderswo, die Kaufkraft der Bevölkerung höher. Arbeitsplatzorientierte
Zuwanderung sorgt seit 1999 wieder für einen positiven Wanderungssaldo. In den letzten
Jahren hat das Ansteigen der Einwohnerzahl, der Anzahl der Haushalte und des
verfügbaren Einkommens vieler Haushalte zu einer steigenden Nachfrage auf dem
Wohnungsmarkt geführt. Sie richtet sich verstärkt auf preiswerte Unterbringungen, große
Wohnungen, besonders luxuriöse Objekte und Reihenhäuser. Die Angebotsseite zieht
nach: Fertigstellungen und Baugenehmigungen nehmen in München zu, während sie in den
6
vgl. BARNER 1999, S. 13-14
7
LH MÜNCHEN 2001a

2 Wohnungsmärkte und Wohneigentumsförderung
8
alten Bundesländern insgesamt sinken. Der Nettozuwachs des Münchner Wohnungs-
bestandes im Jahr 2000 betrug 4.285 Wohneinheiten. Politik und Planung sind bemüht,
sich der Herausforderung zu stellen, die Neubautätigkeit soll auf 7.000 Wohneinheiten pro
Jahr angehoben werden. Längerfristig jedoch stößt die Stadt an ihre relativ enge räumliche
Umgrenzung: Das Planungsreferat schätzt, dass nur noch Flächenpotenziale für 60.000
neue Wohneinheiten vorhanden sind.
8
Die Kehrseite der prosperierenden Entwicklung manifestiert sich in der Entwicklung der
Bodenpreise. Kaum eine andere Stadt der Bundesrepublik bewegt sich auf ähnlich hohem
Niveau. Und das hat weitreichende Konsequenzen: Korrespondierend zum Bauland steigen
alle Immobilienpreise. München weist derzeit das höchste Niveau für Miet- und
Kaufpreise in Deutschland auf. Durch den starken Anstieg der Wohnnebenkosten wird die
Situation noch verschärft. Nach Ansicht von Maklern und Wohnungsbauentwicklern ist
der Markt überhitzt, die Preise sind oft völlig überzogen und eine immer weitere Schere tut
sich zwischen Angebot und Nachfrage auf.
9
Bei allen Fördermaßnahmen muss die
Landeshauptstadt erheblich tiefer in die Tasche greifen als andere Städte. Die Eigen-
tumsbildung der Haushalte wird erschwert. Investoren ziehen sich aus dem Wohnungsbau
zurück, weil ihre Renditeziele hier kaum mehr zu realisieren sind. Dass es sich bei
Wohnraum um ein zunehmend knappes Gut handelt, beweist auch der Rückgang der
durchschnittlich pro Person beanspruchten Wohnfläche um einen knappen Quadratmeter
auf 38 im Jahr 2000.
Dass der Wohnungsmarkt inzwischen zum drängenden Problem geworden ist, beweist
auch die politische Diskussion. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude forderte
wiederholt und erfolglos von Bundesbauminister Kurt Bodewig ein spezielles Wohn-
bauprogramm des Bundes für Ballungsräume.
10
Und der städtische Referent für Arbeit und
Wirtschaft, Reinhard Wieczorek musste unlängst zugeben, dass das spärliche Angebot an
Wohnraum sich zunehmend zum limitierenden Faktor für die Münchner Wirtschaft ent-
wickelt.
11
Indes sind Indikatoren wie Kaufkraft und Wohnfläche Durchschnittswerte ohne Aussage-
kraft bezüglich der Verteilung. Von Marktengpässen besonders betroffen sind Ausländer,
Studenten, Haushalte mit Kindern und generell jene, die auf eine Sozialwohnung
8
Vortrag von HANS-JOACHIM KLEIN (Plan HA III) anlässlich des SZ-Forums am 28.01.02
9
vgl. FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG vom 14. Oktober 2001 (Sonntagszeitung), zitiert
nach www.thomas-daily.de, Stand: 4. Februar 2002
10
vgl. BIELICKI/HOFFMANN in SÜDDEUTSCHE ZEITUNG Nr. 240 vom 18. Oktober 2001, S. 47
11
vgl. HOLZAMER in SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Nr. 247 vom 26. Oktober 2001, Seite V2/2
(Sonderbeilage zur Expo Real 2001)

2 Wohnungsmärkte und Wohneigentumsförderung
9
angewiesen sind (Grenze = §9 WoFG, zuvor §25 II. WoBauG
12
), denn hier steht der
steigenden Zahl der Vormerkungen ein sinkendes Angebot gegenüber. ,,Kaum weniger
problematisch ist aber die Wohnungsversorgung für die Haushalte, die knapp über der
Einkommensgrenze des §25 II. WoBauG liegen: Auch ihr Einkommen ist nicht hoch, aber
sie erhalten kein staatliches Wohngeld und haben keinen Anspruch auf eine Sozial-
wohnung (...)."
13
Obwohl eine verstärkte Zuwanderung seit 1999 wieder für einen leichten Bevölkerungs-
anstieg sorgt, setzt sich die Tendenz zur Verlagerung von Siedlungstätigkeit und Bevöl-
kerungszuwachs in den ländlichen Raum auch in der Region München fort. Als
problematisch wird bewertet, dass Ab- und Zuwanderung hinsichtlich der Altersgruppen,
sozialen Schichten und Lebensstile stark selektiv verlaufen. Besonders Haushalte mit
Kindern kehrten in den 1990er Jahren zunehmend der Stadt den Rücken (Tabelle 1).
Hingegen sind die Zuwanderer zum größeren Teil kinderlos.
Alter
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
0
89
-81
-205
-263
-127
-114
-207
-197
-208
-120
1
-250
-309
-402
-419
-431
-389
-399
-623
-345
-378
2
-164
-228
-330
-495
-365
-357
-400
-544
-337
-347
3
-53
-174
-283
-483
-281
-321
-326
-456
-214
-356
4
94
4
-149
-307
-239
-243
-213
-353
-175
-256
5
89
-55
-77
-227
-250
-201
-214
-290
-123
-151
6
20
-51
-70
-204
-197
-190
-228
-401
-167
-185
7
115
29
-111
-144
-141
-121
-184
-388
-89
-126
8
154
120
-17
-109
-148
-85
-145
-377
-45
-59
9
193
119
-6
-10
-66
-72
-119
-314
4
-59
10
155
133
40
-85
-64
-46
-81
-293
4
-28
11
186
172
17
-15
-30
-52
-33
-275
42
-13
12
253
144
38
-75
-31
-20
-54
-217
19
-2
13
229
200
101
33
35
34
-70
-227
49
46
14
272
279
116
54
23
24
32
-136
63
30
15
344
340
220
109
120
156
26
-96
99
87
16
586
553
413
211
242
295
210
72
297
183
17
770
638
417
411
363
407
386
326
484
245
Tab. 1: Wanderungssalden der Minderjährigen in München 1991-2000. Quelle: Berechnung aus
Daten nach Auskunft des STATISTISCHEN AMTES DER LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN
Die Aussichten für die nächsten Jahre versprechen kaum Besserung. Mit einem Nachlassen
der Nachfrage wird nicht gerechnet. Die Wohnungsprobleme der Landeshauptstadt werden
nicht zurückgehen, sondern eher noch zunehmen. Kein anderer deutscher Wohnungsmarkt
ist derzeit so aus dem Gleichgewicht geraten wie der Münchner. Aber welchen Platz in
12
Das Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) trat am 13. September 2001 an die Stelle des
II. Wohnungsbaugesetzes (WoBauG), ein Auszug findet sich im Anhang dieser Arbeit.
13
LH MÜNCHEN 2001a, S. 22

2 Wohnungsmärkte und Wohneigentumsförderung
10
diesem Szenario nimmt das München Modell ein? Wie soll ein Programm zur Eigen-
tumsförderung zur Problemlösung in dieser schwierigen Lage beitragen?
Der Markt für Wohneigentum in München und im Umland
Auch auf die Gefahr hin, dass größere Ansammlungen von Zahlen auf den Leser eher
trocken und ermüdend wirken, soll im Folgenden die Entwicklung und die heutige Si-
tuation des Münchner Marktes für Wohneigentum anhand einiger Daten skizziert werden.
Der Anteil des selbst genutzten Wohneigentums beträgt derzeit knapp 20 Prozent. Im
Vergleich der deutschen Großstädte liegt München damit weit vor Düsseldorf, Frankfurt
und Berlin, ungefähr gleichauf mit Hamburg und wird nur von Stuttgart (mit über 25
Prozent) übertroffen.
14
In den letzten 10 Jahren hatten die Eigentumswohnungen einen
Anteil am gesamten Neubauvolumen von stets über 40 Prozent (Tabelle 2).
Neue
Eigentums-
wohnungen
Anteil am
gesamten
Bauvolumen
Neue
Eigentums-
wohnungen
Anteil am
gesamten
Bauvolumen
1991
2.920
50,7%
1996
3.880
51,9%
1992
3.005
48,1%
1997
2.148
47,4%
1993
3.080
42,4%
1998
2.304
45,6%
1994
2.487
43,2%
1999
2.270
40,6%
1995
2.849
48,9%
2000
2.434
42,6%
Tab. 2: Bauvolumen von Eigentumswohnungen in München 1991-2000. (durch Neubau, Um-, An-
und Ausbau) Quelle: STATISTISCHES AMT DER LANDESHAUPTSTADT MÜNCHEN
(www.muenchen.de/statamt)
Die durchschnittlichen Kaufpreise für Neubau-Eigentumswohnungen haben sich seit 1980
von 3.538 DM/m² auf 6.800 DM/m² im Jahr 2000 erhöht. Für die Jahre 1990 bis 1999 lässt
sich diese Entwicklung auch aus nachfolgender Abbildung 1 entnehmen. Aus der Ab-
bildung geht allerdings nicht hervor, dass der 1995 einsetzende Preisrückgang im Neubau-
bereich nur ein vorübergehendes Phänomen war. Das liegt zum einen daran, dass hier alle
Transaktionen erfasst wurden, nicht bloß die Verkäufe von Neubauten und zum anderen
daran, dass die Datenreihe mit dem Jahr 1999 endet. In den letzten drei Jahren sind die
Preise für Neubau-Eigentumswohnungen jedenfalls wieder deutlich gestiegen.
15
14
vgl. LH MÜNCHEN 2002d
15
Auskunft der BULWIEN AG

2 Wohnungsmärkte und Wohneigentumsförderung
11
Abb. 1: Aufgeführt sind Transaktionen von Neubau- und Bestandsobjekten. Quelle: RIWIS-Daten-
bank der BULWIEN AG.
Tabelle 3 verfolgt die Immobilienkaufpreise noch weiter zurück. Die durchschnittlichen
jährlichen Wachstumsraten spiegeln die langfristige Marktentwicklung wider. Auch hier
wird deutlich, dass sich der Münchner Immobilienmarkt längst mit seiner rasanten Ver-
teuerung vom Geschehen in der restlichen Bundesrepublik abgekoppelt hat.
16
1975
1998
Veränderung
p. a.
Zum
Vergleich:
Deutschland
Eigentums-
wohnung
1.534 DM/m² 3.119 DM/m²
3,1 %
2,4 %
Reihenhaus
138.049 DM
357.904 DM
4,2 %
2,8 %
Einfamilienhaus-
grundstück
176,4 DM/m²
562,4 DM/m²
5,2%
4,7 %
Tab. 3: Durchschnittliche Wachstumsraten der Preise für Wohneigentum in München 1975-1998.
Aufgeführt sind Transaktionen von Neubau- und Bestandsobjekten. Quelle: RIWIS-Datenbank der
BULWIEN AG.
Auf das Phänomen der ,,Stadtflucht" und den Verdacht, dass daran besonders Käufer von
Wohneigentum beteiligt sein könnten, wurde bereits eingegangen. Wie also stellt sich der
16
Die Währungsumstellung erfolgte während der Bearbeitungszeit. Dass Preisangaben in der
Arbeit sowohl in DM als auch in Euro vorkommen, ließ sich deshalb nicht vermeiden.
Preisentwicklung von Wohneigentum in München
80
90
100
110
120
130
140
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
Index 1990 = 100
Einfamilienhäuser
Eigentumswohnungen

2 Wohnungsmärkte und Wohneigentumsförderung
12
Münchner Markt für Wohneigentum im Verhältnis zu den Angeboten im Umland dar? Die
folgende Tabelle listet aktuelle Preise von Wohneigentum einiger großer Bauprojekte in
Stadt und Umland auf.
Stadt München
Umland
Daglfing
6.300 - 6.400
Poing
6.000
Friedenspromenade
6.000 - 6.600
Heimstetten
5.800 - 5.900
Messestadt Riem
6.200 - 6.500
(Niedrigenergiehäuser)
Unterföhring
6.900
Kirchtrudering
6.400 - 6.900
Ismaning
6.100
Johanneskirchen
6.000
Cosimapark
5.300 - 5.600
(Erbbaurecht)
Berg am Laim
6.900
Tab. 4: Preise (in
DM/m²)
von Neubau-Eigentumswohnungen in München und Umland 2001.
Quelle: Auskunft der BULWIEN AG.
Das Angebot unterscheidet sich im durchschnittlichen Preisniveau deutlich. Im Umland
werden niedrigere Preise verlangt als im Stadtgebiet, allerdings sind auch hier die
Schwankungsbreiten sehr hoch. Entlang der S-Bahn- und der Autobahnachsen sind die
Immobilienpreise oft schon genauso hoch wie in der Stadt. Außerdem kennzeichnet ein
Süd-Nord-Gefälle die Umlandregion. Der Süden zählt traditionell zu den guten Wohn-
lagen, in Pullach, Grünwald oder Unterhaching unterscheiden sich die Bodenpreise kaum
von denen der Stadt München. Allerdings werden in den südlich gelegenen Gemeinden
kaum noch Wohnbauflächen ausgewiesen, weshalb sie in der obigen Tabelle gar nicht
auftauchen. Aktuelle Schwerpunkte der siedlungsstrukturellen Entwicklung liegen eher im
Norden und Osten der Landeshauptstadt. Hier sorgen der verlagerte Flughafen und die
Neue Messe München auch wirtschaftlich für Wachstumsimpulse und die Preise sind
deutlich niedriger als im Süden. Eine Ausnahme stellt Unterföhring an der nordöstlichen
Stadtgrenze dar; hier liegt aufgrund des hohen Siedlungsdrucks ein sehr hohes Preisniveau
vor.

2 Wohnungsmärkte und Wohneigentumsförderung
13
2.2 Für und Wider der staatlichen Wohneigentumsförderung
,,Um die moderne, revolutionäre Klasse des Proletariats zu schaffen, war es absolut
notwendig, daß die Nabelschnur durchschnitten wurde, die den Arbeiter der
Vergangenheit noch an den Grund und Boden knüpfte."
FRIEDRICH ENGELS
17
Seit der Nachkriegszeit ist in der Bundesrepublik die vorherrschende Meinung zu diesem
Thema eine andere. Bereits 1951 wurde das ,,Gesetz über das Wohnungseigentum und das
Dauerwohnrecht" verabschiedet; man war auf der Suche nach neuen Wegen zur Schaffung
von Wohnraum und zum Wiederaufbau der zerstörten Stadtkerne. Damit erhielten die
Menschen die Möglichkeit der Eigentumsbildung, sei es als Kapitalanlage oder zur
Eigennutzung. Philosophie der Regierung Adenauer: ,,möglichst breites Eigentum ­ politi-
sche Stabilität".
18
Dessen ungeachtet wird die staatliche Förderung von Wohneigentum in Wissenschaft und
Politik nicht nur ausgiebig, sondern auch kontrovers diskutiert. Gegner und Befürworter
von Fördermaßnahmen tragen ihren Disput auf zwei inhaltlich klar voneinander
unterscheidbaren Ebenen aus: Im Großteil der Literatur zum Thema geht es lediglich um
die Qualität und Ausgestaltung der eingesetzten Instrumente, um deren Zielkonformität,
Effizienz und soziale Gerechtigkeit sowie um eventuell auftretende ,,Nebenwirkungen".
Soweit diese Diskussion die Förderinstrumente auf Bundesebene betrifft, ist sie für die
Thematik der vorliegenden Arbeit von geringer Relevanz und soll nicht weiter verfolgt
werden.
Eine viel grundlegendere Debatte betrifft die Legitimität des angestrebten Ziels (Erhöhung
der Eigentumsquote) ­ allerdings scheinen diejenigen, die dem selbst genutzten Wohn-
eigentum eine Förderungswürdigkeit kategorisch absprechen, stark in der Minderheit zu
sein. Da sich auch für eine Betrachtung der kommunalen Ebene interessante
Schlussfolgerungen ergeben, sollen die Argumente beider Seiten (Pro und Contra) im
Folgenden knapp umrissen werden.
Zur Begründung und Rechtfertigung der staatlichen Wohneigentumsförderung wird im
Allgemeinen auf ihre Bedeutung für drei verschiedene Politikfelder und ­ziele verwiesen:
Gesellschafts- und Familienpolitik, Wohnungspolitik und Wirtschaftspolitik.
19
17
ENGELS 1947, S. 19
18
vgl. KYREIN 1992, S. 17 sowie STENGER 2001, S. 12
19
vgl. FORSCHUNGSINSTITUT DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 1995, S. 7

2 Wohnungsmärkte und Wohneigentumsförderung
14
Gesellschafts- und Familienpolitik
Pro: Wohneigentum bietet im Vergleich zum Wohnen zur Miete mehr Sicherheit,
persönlichen Freiraum und Lebensqualität. Insbesondere kommt es den Wohnbedürfnissen
von Familien mit Kindern entgegen und zeichnet sich durch eine langfristig geringere
Wohnkostenbelastung aus.
20
Contra: Von einem generellen Vorteil des Wohneigentums gegenüber dem Wohnen zur
Miete kann nicht ausgegangen werden, die komparative Bewertung fällt je nach Nutzer
unterschiedlich aus. Der persönliche Verwaltungsaufwand ist für Eigentümer wesentlich
höher als für Mieter. Gerade ältere Menschen wollen oder können sich nicht mehr um
Wohneigentum kümmern. Zudem schränkt Wohneigentum die volkswirtschaftlich
wünschenswerte und für viele Berufe unerlässliche räumliche Mobilität ein, weil ein
Wohnungswechsel mit ungleich höheren Transaktionskosten verbunden ist.
21
Es ist nicht
ersichtlich, warum Wohnen im Eigentum generell familienfreundlicher sein soll als
Wohnen zur Miete. Über die langfristige Wohnkostenbelastung herrscht in der Literatur
keine Einigkeit, insgesamt zahlen Mieter und Eigentümer wohl ungefähr dasselbe.
22
Wohnungspolitik
Pro: Aufgrund der Mobilisierung von privatem Kapital und Eigeninitiative kommt den
Staat die Eigentumsbildung weniger teuer als der Mietwohnungsbau. Sie ist deshalb
besonders für den Abbau von Engpässen auf dem Wohnungsmarkt geeignet. Über Sicker-
prozesse profitieren auch einkommensschwächere Haushalte von der Subvention: Sie
können in die von Eigentumserwerbern frei gemachten Mietwohnungen nachziehen.
23
Contra: Das mangelnde Gleichgewicht auf dem Mietwohnungsmarkt ist nicht nur auf
Marktversagen, sondern auch auf marktinkonforme staatliche Regulierungen zurück-
zuführen. Engpässen in der Wohnungsversorgung ist deshalb nicht durch mehr Staat (auch
nicht durch Eigentumsförderung), sondern durch weniger Staat zu begegnen.
24
Sickerverluste (bedingt durch Wohnungszusammenlegung, Umwidmung, Abriss etc.)
schränken die Wirksamkeit der Sickereffekte beträchtlich ein. Eine empirische Studie am
Beispiel des Münchner Wohnungmarktes (auf die in Kapitel 5.3.2 detailliert eingegangen
20
vgl. OBERHAUSER 1996, S. 420 sowie FORSCHUNGSINSTITUT DER FRIEDRICH-EBERT-
STIFTUNG 1995, S. 7
21
vgl. VERHÜLSDONK 2000, S. 14
22
vgl. a.a.O. , S. 18
23
vgl. JOKL/ZEHNDER 1996, S. 404-406 sowie FORSCHUNGSINSTITUT DER FRIEDRICH-
EBERT-STIFTUNG 1995, S. 8
24
vgl. VERHÜLSDONK 2000, S. 29-30

2 Wohnungsmärkte und Wohneigentumsförderung
15
wird) konnte solche Effekte nur in sehr begrenztem Maße nachweisen.
25
Ein soziales
Konzept, bei dem einkommensschwächere Schichten nur indirekt von der Förderung
einkommensstärkerer profitieren, kann auch prinzipiell als ungerecht bewertet werden.
Wirtschaftspolitik
Pro: Die Bauwirtschaft eignet sich in besonderem Maße als Ansatzpunkt für die
antizyklische Ausgabenpolitik des Staates. Durch sogenannte Multiplikatoreffekte zieht
jede in den Bau von Wohneigentum investierte Mark je nach Schätzung weitere 1 bis 2, 50
DM in vor- und nachgelagerten Produktionsleistungsbereichen nach sich.
26
Aus vermögenspolitischer Sicht ist die Erhöhung und Stabilisierung der gesamtwirt-
schaftlichen Sparquote positiv zu beurteilen. Deshalb macht Wohneigentum den Besitzer
unabhängig von staatlicher Hilfe und kann eine wichtige Rolle für die private Alters-
vorsorge breiter Bevölkerungskreise spielen.
27
Contra: Die Möglichkeiten einer Stabilisierungspolitik mittels antizyklischer Ausgaben ist
in der Wissenschaft grundsätzlich umstritten. Wirkungsverzögerungen von konjunktur-
politischen Maßnahmen fallen bei Bauinvestitionen besonders groß aus, was antizyklisch
geplant war, fällt oft in die nächste Aufschwungphase. Außerdem müssten beim Bau von
Sozial-/Mietwohnungen dieselben Effekte wirken.
Eigentumsförderung unterstützt die Vermögensbildung von Haushalten, die bereits über
Kapital verfügen. Weniger wohlhabende Haushalte bleiben außer Stande, Wohneigentum
zu bilden und nehmen deshalb auch keine Förderung in Anspruch. Gefördert wird also
nicht die Vermögensbildung derjenigen, die staatliche Hilfen am meisten bräuchten und
auch tatsächlich in Anspruch nehmen.
28
Besonders benachteiligt sind solche Haushalte, für
die aufgrund ihrer Vermögenssituation weder der Bezug einer Sozialwohnung noch der
Erwerb von Wohneigentum in Frage kommt.
Aus wissenschaftlicher Sicht kann nicht Partei für oder gegen die Förderung von
Wohneigentum ergriffen werden. Es konnte gezeigt werden, dass bei Betrachtung des
(imaginären) gesamtdeutschen Wohnungsmarktes für jedes Argument mindestens ein
Gegenargument existiert. Die Notwendigkeit des staatlichen Eingriffs liegt also nicht so
offensichtlich auf der Hand, wie in der Politik oft behauptet wird. Denn: ,,Daß das selbst
genutzte Wohneigentum besonders förderungswürdig ist, ist in der bundesdeutschen
25
vgl. DISTLER/PIESCH/TIPPMANN 1991, S. 357
26
vgl. FORSCHUNGSINSTITUT DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 1995, S. 9
27
vgl. ARING 1999, S. 46
28
vgl. VERHÜLSDONK 2000, S. 15-17

2 Wohnungsmärkte und Wohneigentumsförderung
16
Wohnungspolitik weitgehender Konsens."
29
Bleibt anzumerken, dass wohnungspolitische
Entscheidungen eben nicht von Wissenschaftlern getroffen werden, sondern von
Politikern. Ob man für oder gegen die Förderung von Wohnungseigentum ist, hat weit
mehr mit Ideologien zu tun als mit stichhaltigen Argumentationen. Wie Engels und
Adenauer belegen, kann deshalb ein und derselbe Zusammenhang völlig unterschiedlich
bewertet werden.
30
Als Alternative zur Ideologie kommt lediglich noch die Orientierung
am Interesse der Mehrheit der Wähler in Frage ­ und die wünscht sich nun einmal die
eigenen vier Wände. In diesem Falle wird ,,das Politikum Wohneigentumsförderung (...)
zum opportunen Instrument der Parteien zur Maximierung der auf sie entfallenden
Wählerstimmen."
31
Der folgende Abschnitt verdeutlicht, dass auf kommunaler Ebene (gemeint sind
insbesondere die Großstädte) aus einem anderen Blickwinkel argumentiert wird als in der
oben beschriebenen Diskussion. Hier werden andere, zusätzliche Argumente für die
Förderung von selbst genutztem Wohneigentum ins Feld geführt.
2.3 Kommunale Wohneigentumsförderung
Wenn über Wohnungspolitik diskutiert wurde, dann war bis vor kurzem meist die
Wohnungsbaupolitik des Bundes gemeint. Die kommunalen Akteure als Anwender und
Nutzer von Instrumenten wurden auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit
dem Thema kaum berücksichtigt. Dabei reicht das Engagement der Gemeinden im
Wohnungswesen bis ins späte Mittelalter zurück, als erste städtische Mietswohnungen
(sog. ,,Buden") für Tagelöhner, städtische Beamte und Juden bereitgestellt wurden. Auch
heute noch kommt den Kommunen mit ihrer Verantwortung für die Bauleitplanung und
ihren Möglichkeiten zur Einflussnahme auf den lokalen Bodenmarkt ,,eine zentrale Rolle
für die Entfaltung lokaler Wohnungsmärkte und die Siedlungsentwicklung zu."
32
Städte
und Gemeinden sind die administrative Ebene des Staates, die mit wohnungsmarkt-
bezogenen Problemen direkt konfrontiert wird. ,,Insbesondere Kommunalpolitiker sind
durch die räumliche Nähe zum Problem am ehesten in der Lage, dessen Besonderheiten zu
erkennen und Benachteiligungen auf dem Wohnungsmarkt gezielt zu beseitigen."
33
29
JAEDICKE 1996, S. 201
30
In ihrem Buch ,,Soziologie des Wohnens" widmen HÄUßERMANN u. SIEBEL 1996 den
Vorstellungen von sozialstrukturellen Wirkungen des Wohneigentums ein ganzes Kapitel.
31
VERHÜLSDONK 2000, S. 63
32
ARING 1999, S. 44
33
NASSMACHER 1985, S.3

2 Wohnungsmärkte und Wohneigentumsförderung
17
In der Wohnungspolitik der Ballungsräume dominiert traditionell die Förderung des
Mietwohnungsbaus, während das Wohneigentum bislang nur eine untergeordnete Rolle
spielt. Ursache ist nicht zuletzt ein Interessenkonflikt zwischen verschiedenen Teilen der
Kommunalverwaltung hinsichtlich der Verwendung vorhandener Fördermittel: Der Käm-
merer hat ein Interesse am Verbleib und Zuzug junger Haushalte mit relativ hohem
Einkommen und plädiert für Eigentumswohnungen. Sozialverwaltung und Amt für Woh-
nungswesen beklagen einen Verlust an preiswerten Mietwohnungen gerade durch die
häufige Umwandlung zu Eigentum, sie fordern eine Ausweitung des sozialen Miet-
wohnungsbaus.
34
Inzwischen hat ein Umdenken eingesetzt und die Förderung von selbst genutztem Wohn-
eigentum wird in Ballungsräumen verstärkt forciert. Konkrete Programme und Maß-
nahmen der Städte sind allerdings eine erst langsam einsetzende Entwicklung der letzten
Jahre. Umso ausdauernder wird aber von Politik und Planung ihre Notwendigkeit und die
Dringlichkeit ihrer Einführung beschworen. 1999 fand in Königstein im Taunus eine
Tagung von Experten und Politikern zum Thema ,,Wohneigentum in Ballungsräumen"
statt. Nach Meinung aller im Tagungsbericht aufgelisteten Teilnehmer ,,wird die Bildung
von Wohneigentum zu einem kommunalen Schwerpunkt werden müssen (...)."
35
Drei generelle Entwicklungen sind prägend für die aktuelle Situation des Wohnens in
vielen deutschen Großstädten. Erstens: Das Bodenpreisniveau hat sich von der allgemeinen
Entwicklung abgekoppelt und steigt kontinuierlich. Für den größten Teil der Bevölkerung
ist der Erwerb von Wohneigentum hier unmöglich geworden, nach dem ,,Gießkannen-
prinzip" verteilte Fördermaßnahmen von Bund und Ländern greifen hier nicht mehr. Auch
Münchner Politiker verschiedener Parteien setzen sich seit langem für eine
Regionalisierung der Eigentumsförderung mit einer besseren Verteilung zugunsten der
Großstädte ein.
36
Zweitens: Zumindest auf Teilmärkten kommt es zu Versorgungseng-
pässen, betroffen ist vor allem der Bereich kostengünstiger Mietwohnungen. Drittens: Die
finanziellen Spielräume der Kommunen schrumpfen und es entsteht Druck, die knappen
Mittel möglichst effizient zu verwenden.
Aus der beschriebenen Situation erwachsen den Städten eine ganze Reihe von Problemen,
die sowohl über das Feld des Wohnens als auch über die administrativen Grenzen weit
34
vgl. LAUMANN 1985, S. 30
35
GÖTZ 1999, S. 61
36
Information aus einem Interview (G 5) Anmerkung: Die Identität des Gesprächspartners wird
hier wie im Rest der Arbeit nicht preisgegeben, eine aufgeschlüsselte Personenliste liegt aus-
schließlich für die Korrektoren bei.

2 Wohnungsmärkte und Wohneigentumsförderung
18
hinaus wirken und als Argumentationspunkte für eine kommunale Förderung von Wohn-
eigentum verwendet werden:
Selektive Abwanderung
Nach Ansicht von Experten wie Hartmut Bulwien, dem Vorstandschef der Immobilien-
forschungsgesellschaft Bulwien AG trägt der Staat maßgeblich zur Stadtflucht bei. Der
politische Wunsch nach Eigenheimen äußert sich z.B. durch die Bausparförderung oder die
günstigeren Bedingungen für Pendler bei der Kilometerpauschale, die das Wohnen im
Umland erst richtig attraktiv machen.
37
Aber ganz gleich, ob Wohneigentum von
politischer Seite als wünschenswert erachtet wird oder nicht, entscheidend sind letztendlich
die Präferenzen der Bürger. Folge der hohen Bodenpreise in den Städten ist eine
,,Abstimmung mit den Füßen". Die Wanderungssalden zeigen, dass viele bereit sind, der
Stadt den Rücken zu kehren, um sich den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllen zu
können. Die Städte verlieren damit vor allem junge und einkommensstarke Haushalte. Die
unangenehmsten Folgen sind:
§ Finanzielle Einbußen: Der Arbeitsplatz bleibt in der Stadt, die Einkommenssteuern
wandern in die Umlandgemeinden.
§ Flächenverbrauch, Zersiedelung und Verkehr: Die ständige Zunahme der Boden-
inanspruchnahme für Siedlungszwecke übersteigt weit die Relation zur Bevölkerungs-
zunahme. Florian Ismaier hat mit seiner Untersuchung des Salzburger Zentralraums
deutlich gemacht, ,,(...) dass die beobachteten Trends der Siedlungsentwicklung in
engem Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Wohneigentumsförderung stehen."
38
Gleichzeitig werden die Wege der Arbeitspendler immer länger und der Verkehr auf
den Ein- und Ausfallstraßen wächst ständig. Vor diesem Hintergrund wird die
Wohnungspolitik der Städte ein zunehmend wichtiger Faktor für die Regionalplanung
und Regionalpolitik.
§ Abfluss von Kaufkraft: Für den innerstädtischen Einzelhandel wird die Konkurrenz
durch großflächige Einkaufsmöglichkeiten in der Peripherie ein immer größeres
Problem, sein größter Vorteil ist die Bevölkerungskonzentration. Wenn aber die
kaufkräftigen Schichten der Stadt den Rücken kehren, dann ist auch der Einzelhandel
hier nicht mehr überlebensfähig.
39
37
vgl. MÜLLER in MÜNCHNER MERKUR Nr. 249 vom 29. Oktober 2001, S. 3
38
ISMAIER 2000, S. 297
39
vgl. BUTTOLO 1999, S. 71-72

2 Wohnungsmärkte und Wohneigentumsförderung
19
Engpässe auf dem Wohnungsmarkt
Nicht alle städtischen Haushalte, die gerne Wohneigentum erwerben würden, ziehen ins
Umland. Als weitere Folge des mangelnden Angebotes treten mehr einkommensstarke
Haushalte als Nachfrager auf dem Mietwohnungsmarkt auf. Hier sorgen sie für oft massive
Verdrängungseffekte.
40
Im Gegensatz zum vergleichsweise teuren sozialen Wohnungsbau wird bei der Förderung
von Wohneigentum mit relativ geringen Fördermitteln privates Kapital mobilisiert. Sie
wird deshalb vielfach als probates Mittel zur Wohnraumschaffung bei leeren Kassen
empfohlen.
41
Leider fließt die Eigentumsförderung von Bund und Ländern zum großen Teil an den
Großstädten vorbei, da die Schwelle zum Eigentum dort zu hoch geworden ist. Sie erhöht
den Abwanderungsdruck ins Umland und trägt somit eher noch zur Verschärfung der
Situation bei. Wenn eine Förderung der Kommunen den Kaufwilligen zusätzlich unter die
Arme greift, kann auch hier aus den Töpfen der übergeordneten staatlichen Ebenen
geschöpft werden.
42
Soziale Stabilität in den Stadtquartieren
Die Bildung von Eigentum durch Mieterhaushalte steigert die Identifikation mit dem
Wohnquartier und die Bereitschaft, sich selbst bei der Lösung von Problemen
einzubringen. ,,Es ist davon auszugehen, daß eine Mischung von Wohneigentümern und
Mietern in den großen Stadtquartieren zur sozialen Stabilisierung beiträgt (...)."
43
Auch
deshalb ist der Erhalt einer Stadtgesellschaft mit möglichst heterogener Struktur in Bezug
auf sozioökonomischen Status und Alter ein wichtiges Ziel. In § 9 WoFG (siehe Anhang)
wird dieses Ziel im Zusammenhang mit der Festlegung von Einkommensgrenzen bei der
Eigentumsförderung explizit erwähnt.
In den letzten Jahren wurde die Eigentumsförderung verstärkt diskutiert und auch um-
gesetzt. Die Landeshauptstadt München reagierte als eine der ersten Großstädte auf ver-
änderte Rahmenbedingungen und den oben beschriebenen Umdenkprozess, indem sie das
München Modell als Instrument zur Eigentumsförderung beschloss.
40
vgl. MÖLLER 1999, S. 32
41
vgl. MÖLLER 1999, S. 31
42
vgl. LAUMANN 1985, S. 31
43
BUTTOLO 1999, S. 72

3 Das München Modell
20
3 Das München Modell
Nachdem der Schauplatz des Geschehens mit knappen Zügen umrissen wurde, wird es
Zeit, das eigentliche Untersuchungsobjekt vorzustellen. Funktionsweise und Regelungen
des Modells werden in Abschnitt 3.1 erklärt und es wird auf die Rolle der beteiligten
Akteure eingegangen. In Abschnitt 3.2 folgt eine Beschreibung der fünf Standorte, an
denen Bauprojekte des München Modells untersucht werden.
3.1 Wie funktioniert das München Modell?
Das entscheidende Hemmnis für den privatwirtschaftlichen Wohnungsbau in München
sind seit langem die Bodenpreise. Inzwischen kostet Bauland für ein Mehrfamilienhaus in
guter Wohnlage bei einer Geschossflächenzahl (GFZ) von 0,8 zwischen 1.270 und 1.680
DM pro Quadratmeter.
44
Die Preise für neu errichtete Eigentumswohnungen liegen selbst
in schlechteren Lagen deutlich über 6.000 DM pro Quadratmeter Wohnfläche und somit
bundesweit an der Spitze.
45
Nach Ansicht von Wohnungsbauentwicklern entsprechen die
Preise in vielen Fällen nicht mehr dem tatsächlichen Wert der Grundstücke und ihre Ent-
stehung ist zum Teil nicht nachvollziehbar.
46
Diese einzigartige Situation forderte Politik
und Stadtverwaltung zum Handeln heraus. Mit Beschluss des Planungsausschusses vom
14. Februar 1996 wurde ein von den Mitarbeitern des Referats für Stadtplanung und
Bauordnung entwickeltes Programm zur Förderung von Wohneigentum mit der
Bezeichnung ,,München Modell" ins Leben gerufen. Der erste Spatenstich für
Eigentumswohnungen fand im Frühjahr 1997 auf der Panzerwiese statt. Die Förderung der
vorgesehenen Zielgruppe beim Erwerb von Wohneigentum ist in München kein absolutes
Novum, bereits in den 1970er und 1980er Jahren wurden mit dem ,,Sonderförderprogramm
für Familien mit Kind" (SFP) ähnliche Ziele verfolgt.
Akteure und Ablauf
Die Subvention setzt beim München Modell folgerichtig bei den Bodenpreisen an. Die
Stadt München verkauft Bauland aus ihrem Besitz zu festen, nicht von der Lage
abhängigen Preisen an ausgewählte Wohnungsbauunternehmen (seltener auch an Ge-
44
vgl. RDM Immobilienpreisspiegel, erstes Quartal 2000 zitiert nach LH MÜNCHEN 2001a,
Tabelle 26
45
Auskunft der BULWIEN AG
46
Informationen aus einem Interview (G 4)

3 Das München Modell
21
nossenschaften), die darauf Eigentumswohnungen und vereinzelt Reihenhäuser bauen. Die
durchschnittliche Grundstückssubvention beläuft sich auf 500 je m ² Geschossfläche, in
guten Wohnlagen macht der Festpreis weniger als die Hälfte des Marktwertes aus. Die
Stadt limitiert die zukünftigen Verkaufspreise, um sicher zu stellen, dass die Subvention
auch an den Käufer der Eigentumswohnung weitergegeben wird.
Private und stadteigene Bauträgergesellschaften werden prinzipiell gleich behandelt. Die
Güte der Planung, der günstigste Endverkaufspreis der Wohnungen und die Bonität der
Firma sind entscheidend für den Zuschlag. In der Regel sind die München-Modell-
Wohnungen in größere Bauprojekte eingebunden und werden nicht alleine vergeben. Der
Bauträger muss zur Hälfte (gemessen an der Geschossfläche) auch freifinanzierte
Wohnungen auf nicht subventioniertem Boden oder aber Sozialmietwohnungen erstellen.
Abb. 2: eigener Entwurf
Bisher wurden die Wohneinheiten mit wenigen Ausnahmen einzeln an Eigennutzer
verkauft, die bestimmte Zugangsvoraussetzungen (siehe unten) erfüllen müssen. Ziel-
gruppe der Förderung sind Münchner Familien mit Kindern und mittlerem Einkommen
(sog. ,,Schwellenhaushalte"). Auch Berufspendler und ihre Familien sollen dazu animiert
werden, ihren Wohnsitz vom Umland in die Stadt zu verlegen.
Die Größe der geförderten Wohnung muss für die Personenzahl des Haushalts ange-
messen, d.h. weder zu groß noch zu klein sein. Der Erwerb ist mit der Auflage verbunden,
dass das Wohneigentum nicht vor Ablauf von zehn Jahren verkauft wird. Jedoch können
auch Kapitalanleger als Käufer auftreten. Sie sind verpflichtet, als Mieter nur Haushalte
Die Akteure beim München Modell
Freistaat
Bayern
Kapitalanleger
Investoren /
Bauträger
Stadt
München
Mieter
Eigennutzer

3 Das München Modell
22
zu wählen, die die Kriterien der Eigennutzer erfüllen und sind hinsichtlich der Miethöhe
festgelegt.
Im Folgenden sind die wichtigsten Konditionen des München Modells zusammengestellt.
Die Informationen sind auf aktuellstem Stand, sie stammen aus den beiden Info-
Broschüren die seitens der Stadt für Kaufinteressenten bereitgehalten werden.
47
Auf
Neuerungen, die für die bisherigen Käufer noch nicht gültig waren, wird anschließend
gesondert hingewiesen.
Förderung und Finanzierung
Wer eine Modell-Wohnung zur eigenen Nutzung erwirbt, kann letztendlich von vier
Förderquellen profitieren (die Musterberechnung für eine Wohnungsfinanzierung findet
sich im Anhang):
§ Bodensubvention durch die Stadt
§ Zinsloses Baudarlehen vom Staat im Rahmen des sog. 3. Förderweges. Laufzeit: 15
Jahre (Ca. 25.000 bis 45.000 je nach Wohnungsgröße und Einkommen des
Geförderten, 1 Prozent Tilgung + 0,5 Prozent Verwaltungskosten)
§ Zinsverbilligtes Ergänzungsdarlehen von der bayerischen Landesbodenkreditanstalt.
Laufzeit: 10 Jahre (aktuell 5,1 Prozent Zinsen + 1 Prozent Tilgung)
§ Eigenheimzulage und Baukindergeld als Einkommenszuschüsse vom Finanzamt:
aktuell 20.448 plus weitere 6.136 je Kind, verteilt auf 8 Jahre.
Preise und Kosten
Beim München Modell gibt es zwei Förderkategorien, die basierend auf der Einkommens-
grenze für Sozialmietwohnungen abgegrenzt werden. Rechtliche Grundlage ist seit 19.
September 2001 §9 des Wohnraumförderungsgesetzes (WoFG). Die Bestimmungen
wurden im wesentlichen unverändert aus §25 des nun abgelösten II. Wohnungsbaugesetzes
(II. WoBauG) übernommen (Text: siehe Anhang):
§ 1. Förderkategorie: bis 30 Prozent über der Einkommensgrenze für Sozialwohnungen
- Grundstückspreis 300 /m² Geschossfläche + 75 /m² Erschließungskosten
- Endverkaufspreis 2.200 -2.550 /m² Wohnfläche
47
vgl. LH MÜNCHEN 2002a, 2002b und 2002c

3 Das München Modell
23
§ 2. Förderkategorie: bis 60 Prozent über der Einkommensgrenze für Sozialwohnungen
- Grundstückspreis 450 /m² Geschossfläche + 75 /m² Erschließungskosten
- Endverkaufspreis 2.400-2.750 /m² Wohnfläche
§ Erwerbsnebenkosten: jeweils ca. 3 Prozent Grunderwerbssteuer, ca. 1 Prozent
Notarkosten
Zugangsvoraussetzungen (für Selbstnutzer)
Hinsichtlich der Einkommens- und Eigenkapitalvoraussetzungen gelten generell die
Bestimmungen der staatlichen Eigentumsförderung. Wer im München Modell gefördert
werden will, darf maximal 60 Prozent mehr verdienen als ein Sozialwohnungs-
berechtigter. Die Berechnung des maßgeblichen Einkommens ist relativ kompliziert und
soll deshalb hier nicht weiter verfolgt werden. Die einschlägigen Regelungen finden sich in
den §§20-24 WoFG.
§ Einkommensvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Untersuchung:
Personenzahl im Haushalt
§9 Abs. 2 WoFG +30%
§9 Abs. 2 WoFG +60%
1
23.200
28.400
2
34.400
42.100
3 (Ehepaar + 1 Kind)
42.900
52.600
4 (Ehepaar + 2 Kinder)
51.500
63.200
5 (Ehepaar + 3 Kinder)
60.100
73.700
Spezielle Förderung junger
Ehepaare (max. 5 Jahre verhei-
ratet, beide unter 40)
+ 7.400
+ 9.100
Neu ab 2002:
Kinderkomponente für Haus-
halte mit mindestens 2 Kindern
+ 3.000 je Kind
+ 3.000 je Kind
Tab. 5: Maximales Bruttojahreseinkommen beim München Modell (gerundet). Quelle: LH
MÜNCHEN 2002b
Zu wenig darf man allerdings auch nicht verdienen. Es wird geprüft, ob dem Haushalt
nach Abzug aller monatlichen Belastungen noch genügend Geld für eine ,,normale"
Lebensführung übrig bleibt. Beispielsweise muss eine vierköpfige Familie pro Monat
noch mindestens 1.270 zur Verfügung haben.
48
§ Hauptwohnsitz oder Arbeitsstätte seit mindestens 5 Jahren in München
§ Mind. 25 Prozent Eigenkapital für Käufer (Ausnahme: 10 Prozent für junge Familien)
48
vgl. LH München 2002c, S. 14

3 Das München Modell
24
§ Kein Besitz von Wohneigentum
§ Bis vor kurzem Ehe bei Paaren
Bindung
§ Selbstnutzer: Zehn Jahre kein Verkauf und keine Vermietung. Ausnahmen werden nur
in Härtefällen gemacht (z.B. finanzielle Überlastung, Scheidung, berufsbedingter
Wegzug, zu wenig Wohnfläche wegen Familienzuwachs ...). Bisher war der Verkäufer
in einem solchen Fall gezwungen, die Wohnung ohne Wertsteigerung zu verkaufen,
d.h. die Förderung in vollem Umfang weiterzugeben. Inzwischen dürfen für jedes in
der Wohnung verbrachte Jahr 10 Prozent der beim Kauf durch Subvention eingesparten
Summe auf den Wiederverkaufspreis aufgeschlagen werden. Nach Ablauf der zehn
Jahre ist der Eigentümer frei und kann über seine Wohnung verfügen als hätte es nie
eine Subvention gegeben.
§ Vermieter: Vermietet werden darf nur an Haushalte, die seit fünf Jahren in München
wohnen oder arbeiten und ein Einkommen von maximal §9 WoFG + 30 Prozent bzw.
60 Prozent haben. Die Kaltmiete ist für die ersten fünf Jahre auf 15 DM/m² festgelegt,
danach darf jährlich um maximal fünf Prozent bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete
erhöht werden. Diese Bindung gilt für 15 Jahre, ein Verkauf der Wohnung (zusammen
mit den Auflagen) ist dagegen jederzeit möglich.
Änderungen des München Modells ab 2002
Für das Jahr 2002 und die weitere Zukunft wurden einige wichtige Änderungen des
München Modells beschlossen, die in ,,Wohnen in München III", dem wohnungs-
politischen Handlungsprogramm der Stadt für die Jahre 2001 bis 2005
49
nachgelesen
werden können:
§ Mietwohnungsbau: Das Instrument soll verstärkt für den Mietwohnungsbau ange-
kurbelt werden. Da das Interesse der Investoren aufgrund schwacher Renditen und
hohem laufenden Aufwand sehr zu wünschen übrig lässt, soll in einem modifizierten
,,München Modell-Miete" seitens der Stadt mit zinslosen oder zinsvergünstigten Bau-
darlehen und einem Aufwendungszuschuss ergänzend gefördert werden.
49
LH München 2001a, der alte §25 II. WoBauG und die DM-Angaben wurden übernommen.

3 Das München Modell
25
§ Wohnungsbaugenossenschaften: Eine Modifizierung des München Modells für
Wohnungsbaugenossenschaften soll deren stärkere Beteiligung ermöglichen und somit
den Mietwohnungsbau fördern.
§ Einkommensgrenze: Die Einkommensgrenze für alle städtischen Wohnbauflächen
wird einheitlich auf §9 WoFG + 60 Prozent festgelegt (bisher wurden die Flächen
getrennt ausgewiesen). Die Einteilung in zwei Gruppen verschieden hoher Förderung
(§9 + 30% und §9 + 60%) bleibt aber nach wie vor gleich. Trotzdem wird das Modell
damit zugänglicher für die höhere Einkommensgruppe, weil bislang maximal 25 Pro-
zent der München Modell-Flächen in großen Siedlungsgebieten für sie ausgewiesen
wurden.
·
Kinderkomponente: Da für die Höhe der Einkommensgrenze die Anzahl der im
Haushalt lebenden Personen maßgeblich ist, waren Familien mit Kindern auch bisher
schon die bevorzugten Nutzer des München Modells. Zusätzlich werden nun die
Einkommensbestimmungen so modifiziert, dass Haushalte mit zwei und mehr Kindern
die Einkommensgrenze von §9 + 60 Prozent um bis zu 6.000 DM brutto (ab
01.01.2002, glatt gerundet: 3.000 Euro) jährlich je Kind überschreiten dürfen (Kinder-
komponente) und trotzdem den förderfähigen Grundstückspreis von 900 DM/m² GF
(ab 01.01.2002, glatt gerundet: 450 Euro) noch in Anspruch nehmen können. Aller-
dings können in diesen Fällen keine Fördermittel des 3. Förderwegs zusätzlich in An-
spruch genommen werden, da die Einkommensgrenze hierfür bei §9 + 60 Prozent liegt.
·
Unverheiratete Paare: Sogenannte ,,eheähnliche Partnerschaften" und ihre Familien
werden zukünftig den verheirateten Paaren gleichgestellt. Bislang konnten sie sich
zwar um eine Wohnung bewerben, bei der Berechnung von Einkommen, Belastungs-
situation und Wohnflächenanspruch wurde jedoch nur eine erwachsene Person berück-
sichtigt, weshalb die Förderung für solche Haushalte selbstverständlich kaum attraktiv
war.
Da man sich von den vorgenannten Ausweitungen des München Modells zusätzliche
Nachfrageimpulse erwartet, ist für die Jahre 2002 bis 2005 eine erhöhte Fertigstellungsrate
an Eigentumswohnungen vorgesehen (siehe Kapitel 5.1.1)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832460525
ISBN (Paperback)
9783838660523
Dateigröße
2.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität München – Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Geographisches Institut
Note
1,3
Schlagworte
wohnen eigentumsförderung immobilienpolitik stadt
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Titel: Kommunale Förderung von selbst genutztem Wohneigentum
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