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Zypern in seinen Beziehungs- und Konfliktverhältnissen zu Türkei und Griechenland

©2002 Magisterarbeit 208 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Zypern ist mit einer Fläche von 9251 Quadratkilometern nach Sizilien und Sardinien die drittgrößte Insel des Mittelmeeres. Sie liegt auf dem 35. Grad nördlicher Breite und 33. Grad östlicher Länge. Die Entfernung zur türkischen Küste beträgt 65 Kilometer, zur syrischen 104 Kilometer, zur ägyptischen gut 350 Kilometer und bis zur griechischen Insel Rhodos muss eine Strecke von rund 380 Kilometer zurückgelegt werden. Der Küstenstreifen umfasst insgesamt 780 Kilometer und die Topographie der Insel ist durch zwei Gebirgszüge geprägt. Einerseits durch die Kyrenia-Berge (Pentedaktylos Range) im Norden und andererseits durch das Troodos Gebirgsmassiv im Südwesten der Insel. Geographisch betrachtet gehört die Insel zum asiatischen Kontinent. Die Gebirgszüge Zyperns stellen erdgeschichtlich eine Fortsetzung des Taurus-Gebirges in der Türkei dar.
Politisch fühlt sich die überwiegende Mehrheit der "Zyprioten" als Teil der europäischen Völkerfamilie. Die Geschichte Zyperns, die häufig mit den klangvollen Namen "Insel der Liebe" versehen wird, wurde in der Vergangenheit und wird in der Gegenwart immer noch stark durch seine geographische Lage geprägt. Die Insel ist ein Knotenpunkt, an dem drei Kontinente mit ihren drei Kulturkreisen, dem europäischen, asiatischen und afrikanischen, aufeinanderprallen, sich überlappen und sich durchdringen. Mit der Folge, dass Zypern als "Treffpunkt" für allerlei Mächte herhalten muss. Neben Kleinasien fungiert Zypern als natürliche Schnittstelle zwischen Orient und Okzident. Es ist eingebettet in den historisch-politisch gewachsenen Raum des östlichen Mittelmeeres. "Aphrodites Eiland" hat viele Herren kommen und gehen gesehen. Alle haben ihre Spuren – mehr oder weniger stark – auf der Insel zurück gelassen.
Ab dem 9. Jahrhundert vor Christus beginnt der kontinuierliche wirtschaftliche und kulturelle Aufstieg der Insel. Als politische Akteure agieren souveräne und autonome Stadtkönigtümer mit absolutistischen Herrschern an der Spitze. Die Bevölkerung der Königtümer besteht mehrheitlich aus Mykenern, d.h. Siedlern vom griechischen Festland und den indigenen Stammesverbänden. Zu ihnen gesellen sich in den Umwälzungen des 12. Jahrhunderts die "Seevölker" hinzu, als ein Element, das die demographische und politische Struktur der Insel mit beeinflusst. Mit dem Anlegen von Handelskolonien seitens der Phönizier und dem damit verbundenem Gewinn von politischem Einfluss verlieren die Stadtkönigtümer mehr und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


I. Einleitung

(1) Entwicklung der Fragestellung (en)

Zypern[1] ist mit einer Fläche von 9251 Quadratkilometern nach Sizilien und Sardinien die drittgrößte Insel des Mittelmeeres. Sie liegt auf dem 35. Grad nördlicher Breite und 33. Grad östlicher Länge. Die Entfernung zur türkischen Küste beträgt 65 Kilometer, zur syrischen 104 Kilometer, zur ägyptischen gut 350 Kilometer und bis zur griechischen Insel Rhodos muss eine Strecke von rund 380 Kilometer zurückgelegt werden. Der Küstenstreifen umfasst insgesamt 780 Kilometer und die Topographie der Insel ist durch zwei Gebirgszüge geprägt. Einerseits durch die Kyrenia-Berge (Pentedaktylos Range) im Norden und andererseits durch das Troodos Gebirgsmassiv im Südwesten der Insel. Geographisch betrachtet gehört die Insel zum asiatischen Kontinent. Die Gebirgszüge Zyperns stellen erdgeschichtlich eine Fortsetzung des Taurus-Gebirges in der Türkei dar. Politisch fühlt sich die überwiegende Mehrheit der ,,Zyprioten“ als Teil der europäischen Völkerfamilie. Die Geschichte Zyperns, die häufig mit den klangvollen Namen ,,Insel der Liebe“[2] versehen wird, wurde in der Vergangenheit und wird in der Gegenwart immer noch stark durch seine geographische Lage geprägt. Die Insel ist ein Knotenpunkt, an dem drei Kontinente mit ihren drei Kulturkreisen, dem europäischen, asiatischen und afrikanischen, aufeinanderprallen, sich überlappen und sich durchdringen. Mit der Folge, dass Zypern als ,,Treffpunkt“ für allerlei Mächte herhalten muss. Neben Kleinasien fungiert Zypern als natürliche Schnittstelle zwischen Orient und Okzident. Es ist eingebettet in den historisch-politisch gewachsenen Raum des östlichen Mittelmeeres. ,,Aphrodites Eiland“ hat viele Herren kommen und gehen gesehen. Alle haben ihre Spuren – mehr oder weniger stark – auf der Insel zurück gelassen. Ab dem 9. Jahrhundert vor Christus beginnt der kontinuierliche wirtschaftliche und kulturelle Aufstieg der Insel. Als politische Akteure agieren souveräne und autonome

Stadtkönigtümer mit absolutistischen Herrschern an der Spitze. Die Bevölkerung der Königtümer besteht mehrheitlich aus Mykenern, d.h. Siedlern vom griechischen Festland und den indigenen Stammesverbänden. Zu ihnen gesellen sich in den Umwälzungen des 12. Jahrhunderts die ,,Seevölker“ hinzu, als ein Element, das die demographische und politische Struktur der Insel mit beeinflusst. Mit dem Anlegen von Handelskolonien seitens der Phönizier und dem damit verbundenem Gewinn von politischem Einfluss verlieren die Stadtkönigtümer mehr und mehr ihre Selbständigkeit und es beginnt die lange Zeit der ,,Fremdherrschaft“, eine Phase die gut 2500 Jahre andauern sollte. In den Folgejahrhunderten wird Zypern zu einem Vasallen der Großmächte herabgestuft. Mal hießen die Herren Assyrier, mal Ägypter oder zu einer anderen Zeit Perser. Im Jahre 58 v. Chr. wird Zypern Provinz des römischen Imperiums. Mit dem Auseinanderbrechen der römischen Reichseinheit nach dem Tod des Kaisers Theodosius des Großen 495 nach Chr. fällt Zypern in den

,,Verwaltungsbereich“ Ostroms. Im 12. Jahrhundert erweist sich Byzanz machtpolitisch als zu schwach, um die Insel weiter im Reichsverband zu halten. Im Jahre 1192 verkauft der englische König Richard Löwenherz, der neue Herrscher über das Eiland, die Insel an das französische Adelsgeschlecht der Lusignan. Die griechisch-orthodoxe Bevölkerung versucht in verschiedenen Aufständen

(1427, 1472 und 1562) sich aus dem Joch der lateinisch-katholischen Herrscher zu befreien. Alle Erhebungen werden blutig niedergeschlagen. Die Aufständischen, intellektuell geleitet von den orthodoxen Bischöfen, lehnen es ab sich religions- und kirchenrechtlich einem katholischen Erzbischof unterzuordnen. Bereits hier wird erkennbar, wie eng Klerus und Bevölkerung miteinander verzahnt sind. Eine symbiotische Aktionseinheit, die unter Makarios aufgegriffen und neu belebt werden sollte. Die fränkische Herrschaft endet 1489 und geht über auf die Venezianer. Der Wechsel wurde mit der Heirat des zyprischen Königs Jakob II. 1468 mit der venezianischen Patrizierin Caterina Cornaro eingeleitet. Die Bindung des Franken- geschlechts an Venedig bricht die bis dato privilegierte Stellung Genuas. Genua, dem ewigen Gegenspieler Venedigs, war es gelungen 1382 die Lusignan zur Abtretung Famagustas zu zwingen und den Genuesen ein absolutes Handelsmonopol über Zypern zu bewilligen.[3]

Das Jahr 1570/71 ist eine markante Zäsur im geschichtlichen Entwicklungsprozess der Insel. Im März 1570 lässt der osmanische Herrscher Selim II. an die Adresse Venedigs verlauten : ,,Wir verlangen von euch Cypern, und ihr werdet es freiwillig

oder gezwungen an uns abtreten.“[4] Ein Ultimatum, dessen Vollzug nicht lange auf sich warten lässt. Mit der Einnahme von Famagusta und Nikosia fällt Zypern und die Insel wird in den osmanischen Vielvölkerstaat eingegliedert. Nunmehr sind die neuen Herren keine Christen, sondern erstmals Muslime.[5] Eine Tatsache, die für die Genese des Zypernkonflikts von entscheidender Größe sein wird. Im Zuge des Berliner Kongresses sind die Osmanen gezwungen Zypern als Gegenleistung an Großbritannien abzutreten. Die politische Souveränität wird Zypern nach den Vertragswerken von Zürich und London 1960 zugestanden. Eine oft zitierte Behauptung; ,,Wer im Orient eine Großmacht werden und bleiben will, muß Zypern besitzen“[6],bringt das politische Schicksal Zyperns auf den Punkt. Die Insel ist ein Opfer seiner geostrategischen Lage. Eine Lage, für die Mächte willens sind zu kämpfen. Für die Venezianer bedeutet Zypern ein einziges großes Handelskontor, ein Umschlagsort für den Levantehandel. Es heißt: ,,Alle Karawanen mit Spezereien kamen zu Beirut und Tripolis in Syrien an, und von hier führten die Landbewohner auf ihren Schiffen diese Spezereien nach Famagusta; auf denselben Schiffen wurden aber auch die Baumwolle und andere Erzeugnisse Syriens dahin geschafft. Und nun fanden sich alle Nationen des Abendlandes in Famagusta ein und machten ihre Handelsgeschäfte.“[7] Die Briten nannten Zypern liebevoll ihren ,,unversenkbaren Flugzeugträger“. Jeder Eroberer verfolgte seine eigenen Interessen, seien sie nun ökonomischer oder machtpolitischer Natur, eines hatten sie aber gemeinsam: In ihren Planspielen war die indigene Inselbevölkerung irrelevant. Doch hinterließen all diese

,,Herren der Insel“ Spuren, aus denen die ,,Zyprioten“ ihre Identität speisen.

Was hier aber offen dargelegt werden muß, ist die demographische Struktur der Insel.

Folgende Bevölkerungsstruktur lässt sich auflisten:

a) etwa 550 000 griechische Zyprioten leben, bis auf etwa 600, im Süden der Insel, der Republik Zypern;
b) etwa 90.000 türkische Zyprioten leben, bis auf wenige Ausnahmen, im Norden der Insel, der ,,Türkischen Republik Nordzypern“, die allein von der Türkei international anerkannt ist;
c) nach 1974 wurden zwischen 40 000 und 80 000 türkische Siedler vom Festland im Norden der Insel angesiedelt. Ihr rechtlicher Status ist bis heute umstritten;
d) 2500 Maroniten[8] leben im Süden der Insel, rund 300 im Norden;
e) 3500 Armenier bewohnen ausschließlich den Südteil der Insel und sind mehrheitlich in Nikosia angesiedelt, wie auch die etwa 4500 Lateiner, d.h. die Angehörigen des römisch-katholischen Glaubens.

Fasst man die Zahlen zusammen, so ergibt sich eine Gesamtbevölkerung zwischen

690 500 und 730 500 Menschen. Werden die türkischen Siedler abgezogen, da sie nach internationalen Rechtsnormen nicht als Staatsbürger der Republik Zypern gelten, so kommt man auf etwa 650 500 Menschen. Daraus ergibt sich folgende ethnische Zusammensetzung der Inselbevölkerung:

- griechische Zyprioten 84%
- türkische Zyprioten 14%
- Armenier, Lateiner und Maroniten zusammen genommen 2%[9]

Als Kreisdiagramm lässt sich das graphisch wie folgt darstellen:

1. ohne türkische Siedler[10]
2. mit türkischen Siedlern[11]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die oben aufgelisteten Zahlen können freilich nur eine Schätzung sein, da die letzte ,,gesamtzyprische“ Volkszählung 1960 durchgeführt wurde und manche der heutigen ,,offiziellen“ Zahlen, die die Regierungsapparate verbreiten, ideologisch stark durchsetzt sind. Denn wie Klaus Hillenbrand resümierend festhält sind Stärke oder Schwäche der eigenen ethnischen Gruppe ein Politikum, gegen das die Statistik keine Chance habe.[12]

Alle Jahre wieder, mal in einem Zyklus von zwei, mal in einem Zyklus von drei Jahren, treffen sich Berufspolitiker und Diplomaten, um sich des Zypernproblems anzunehmen. Der Konfliktherd wird für die Zeit der Treffen vom Rande der internationalen Politik in die Mitte der Weltöffentlichkeit gerückt. Kaum ist das mehr oder weniger friedliche Beisammensein vorüber und die Akteure in alle vier Himmelsrichtungen enteilt, verschwindet Zypern vom ,,Schreibtisch“ der internationalen Staatenwelt und wird schleunigst in eine ,,Schublade“ – am liebsten in die unterste – , hineingelegt und bis zur nächsten ,,Pflichtsitzung“ verschlossen.

Die Verantwortlichen, vorausgesetzt jemand fühlt sich bezüglich der Zypernfrage verantwortlich, hoffen und beten, dass das eherne Gesetz ,,alle Jahre wieder“ diesmal nicht zwei oder drei, sondern acht oder zehn Jahre lautet. Eine, zugegebenermaßen sarkastisch pointierte Beschreibung der Tatsachen, aber doch eine zutreffende Verortung des Problems innerhalb der internationalen Realpolitik.

Der türkische Ministerpräsident Ismet Inönü antwortet 1964 auf die Frage eines Spiegel-Redakteurs, ob er sich vorstellen könnte als letztmögliche Lösung des Zypernproblems eine Rückführung der 110 000 Inseltürken auf das türkische Festland durchzuführen: ,,Nein. Nein. Niemals. Daran haben wir nie gedacht und werden wir nie denken.“[13] Zehn Jahre später, Herbst 1974, nach der türkischen Intervention auf Zypern hält Zyperns Präsident Erzbischof Makarios in einem Spiegel-Interview fest : ,,Ich habe den Türken keinen Anlass zur Intervention geliefert. (...) Ich übe immer Selbstkritik.“[14] Zwei Regierungschefs, zwei Aussagen, die divergent zu einander stehen. Beide sind davon überzeugt, das Recht auf ihrer Seite zu haben, quasi das Recht für sich gepachtet zu haben und doch sind beide unfähig bzw. nicht willens über ihren eigenen politischen Tellerrand hinüber zu schauen. Die Zypernfrage ist meiner Meinung nach einer der komplexesten und verzahntesten Konflikte der Gegenwart. Ein machtpolitischer Interessenwirrwarr breitet sich wie ein Spinnennetz über die Insel und ihre Akteure aus. Es scheint ein immer währender Konflikt zu sein. Ein Konflikt, der nicht lösbar zu sein scheint. Viele haben in der Vergangenheit sich der Zypernfrage angenommen, ob nun aus staatsegoistischen oder idealistischen Gründen sei dahingestellt, und doch haben sie sich entweder die Finger verbrannt oder aus purer Verzweiflung über die Starrheit der Konfliktparteien ihre Bemühungen desillusioniert aufgegeben. An Zypern scheiterten sowohl ,,Idealisten“ wie Pérez de Cúellar, als auch ausgebuffte ,,Machtpolitiker“ wie Henry Kissinger. Einige Akteure haben einen langen Atem bewiesen und sind bis in die Gegenwart darum bemüht eine Antwort auf die Zypernfrage zu finden, den Gordischen Knoten zu zerschneiden. An vorderster Stelle ist hier die Europäische Union zu nennen, die nach Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Zypern sich unter Zugzwang setzte. Die Vereinten Nationen sehen sich trotz vieler fehlgeschlagener Verhandlungsmarathons ,,moralisch“ verpflichtet, sich des Zypernkonflikts anzunehmen. Nicht außer Acht zu lassen sind die USA als einzig verbliebene Supermacht, die zwar häufig im Hintergrund verbleiben, aber von dort die Konflikt- und dritte Parteien mehr oder weniger direkt beeinflussen, wenn sie ihre nationalen Interessen bedroht sehen.

Die hier vorliegende Magisterarbeit – Zypern in seinen Beziehungs- und Konfliktverhältnissen zu Türkei und Griechenland – unternimmt den Versuch den Interessenknäuel des Zypernkonflikts zu entwirren, zu analysieren und darzustellen. Sie kann nicht den Anspruch erheben eine Anleitung zu bieten, um den ,,Gordischen Knoten“, der wie ein Fluch über die Insel zu liegen scheint, zu zerschlagen. Der Zypernkonflikt stellt für jeden Wissenschaftler bzw. für jeden angehenden Wissenschaftler eine interessante Herausforderung dar. Eine Herausforderung und zugleich eine Motivation für mich, der ich versuche mit dieser Arbeit gerecht zu werden. Im ersten Teil meiner Schrift werde ich mich mit dem sogenannten historischen Erbe auseinander setzen, denn die Genese der Zypernfrage ist in der Vergangenheit zu suchen, im Verhältnis der türkischen und griechischen Volksgruppen zu einander, d.h. in der Vergangenheit wurden die Gleise gestellt, die in einem gewissen Grad die Zukunft determinieren, oder anders gesagt wurden in der Vergangenheit Entscheidungen getroffenen, die Handlungsoptionen in der Gegenwart einschränken. Zu untersuchende Fragestellungen werden in diesem

Zusammenhang u.a. sein:

(1) Wie gestaltet sich die Herrschaft der Osmanen auf Zypern?
(2) Warum und wie kommt es zur Genese des griechischen und türkischen Nationalismus und welche machtpolitischen und psychologischen Veränderungen hat er zu Folge?
(3) Wie wirkt sich der griechische Freiheitskampf auf die Entwicklung Zyperns aus?
(4) Wie lassen sich die Begriffe Enosis und Taksim als ideologische Antriebsfedern im historisch-politischen Prozess einordnen?
(5) Wer sind die Akteure im ,,zyprischen“ Befreiungskrieg gegen Großbritannien und wie sind die Verträge von London und Zürich zu bewerten?

In einem zweiten und dritten inhaltlichen Abschnitt wird die Zeitperiode von 1960 bis 1983 Gegenstand der Untersuchung sein, sprich vom Jahr der Ausrufung der Unabhängigkeit bis zur Etablierung ,,zweier“ Staaten.

Zentrale Fragestellungen in diesem Kontext lauten:

(1) Was sind die Gründe, die zum Scheitern der Republik führen bzw. worauf beruht die dichotome Interessenkonstellation der politisch Agierenden?
(2) Welche Rolle nehmen die Türkei und Griechenland im ,,Trauerspiel Zypern“ ein?

Im letzten und vorletzten Gliederungsteil meiner Magisterarbeit werde ich die Phase nach 1983 bis in die Gegenwart hinein analysieren unter den Gesichtspunkten:

(1) Wie ist das Verhältnis zwischen der Europäischen Gemeinschaft/Europäische Union und Zypern zu charakterisieren?
(2) Welche Rolle spielen die Vereinten Nationen, die Vereinigten Staaten und die Europäische Union als Vermittler in der Zypernfrage?
(3) Wie sind die jüngsten Entwicklungen zu kennzeichnen?
Die oben aufgelisteten Fragen dienen als Richtungsweiser für die Arbeit. Neben dem Fragenkatalog, der zur Analyse der Zypernfrage herangezogen wird, muss zum besseren Verständnis das interessenpolitische Verhältnis der einzelnen Konfliktebenen mit ihren jeweiligen Akteuren Gegenstand der Untersuchung werden.

Als Interessengruppen und Kontrahenten tauchen auf, die Zyperngriechen- und türken, die Festlandsgriechen- und türken, die internationale Staatengemeinschaft repräsentiert durch die Vereinten Nationen, die Europäische Union, die NATO sowie die aus strategischen Beweggründen agierenden Staaten Großbritannien und USA.

Sowohl die Fragen, wie auch die Akteure dürfen nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Im Gegenteil, sie stehen in direkter Wechselbeziehung zueinander, überlappen und ergänzen sich.

(2) Zur angewandten Methode

Jede Wissenschaft und Teildisziplin verfügt über einen mehr oder weniger ausgeprägten Katalog von Methoden, um aufgeworfene Problemstellungen zu lösen. Methoden sind Arbeitstechniken und Verfahren, sprich Instrumente, derer man sich bedient, um wissenschaftliches Arbeiten zu gewährleisten. Im Zuge meiner Arbeit greife ich auf die methodischen Überlegungen und Arbeitstechniken zurück, die einerseits Werner J. Patzelt in seinem Handbuch ,,Einführung in die Politikwissenschaft“ und andererseits Klaus Schulte in seinem Werk ,,Einführung in die Arbeitstechnicken der Politikwissenschaft“ ausführlich darlegen. Die bereits in

I a) von mir aufgestellten Fragestellungen sollen im Zuge einer Dokumenten- und Inhaltsanalyse erforscht werden. Als Dokumente gelten Texte aller Art, Bilddokumente, sowie Sachverhalte und Zustände. Bei ihnen allen handelt es sich um Gegenstände, die Informationen enthalten, welche zur Lösung der entwickelten Fragen beitragen. Den Textdokumenten (Zeitungen, Zeitschriften, Akten, Protokolle und Vertragswerke) kommt in meiner Arbeit eine zentrale Position zu. Als Hilfsmittel bzw. Arbeitsverfahren zur Analyse der Dokumente fungieren dabei die hermeneutische[15], die ars interpretandi, im engen Zusammenspiel mit der historischen Methode[16].

Klaus Schulte fasst in seinem Handbuch die grundlegenden Regeln von Methoden zusammen, die René Descartes (1596 – 1650), einer der Gründungsväter der neuzeitlichen Philosophie in Europa, entworfen hat. Bei Descartes lassen sich vier Arbeitsschritte herausfiltern, die ein Muss für wissenschaftliches Denken und Arbeiten sind.

1) Abstraktion: Der Forschende muß Distanz wahren gegenüber Alltagsvorstellungen, Vorurteilen, generalisierenden Aussagen usw. In diesem Sinne muss er einen gesunden Grundzweifel an allen gängigen Voreinstellungen, die zu einem Gegenstand existieren, aufbauen;
2) Analyse: Damit ist das ,,Zerpflügen“ zusammengesetzter Dinge gemeint, d.h. man muß weg von der Makro- und hinein in die Mikroebene eintauchen;

1) Synthese: Ist der Umkehrprozess der Analyse. Das Auseinandergenommene wird, nachdem es einzeln analytisch betrachtet wurde, zur einer größeren Einheit zusammengeschweißt;
2) Synopse: Das ist die Zusammenschau der analysierten und wieder aneinander gefügten Teile im Zusammenhang mit anderen Wissensteilen.[17]

Abstraktion, Analyse, Synthese und Synopse sind Kernelemente methodisch-wissenschaftlichen Arbeitens, die als Richtschnur bei der Erarbeitung von Aussagen für meine Magisterschrift zu Grunde liegen.

(3) Zum Stand der Forschung

,,Viele Zypernexperten neigen dazu, monokausale Erklärungen für die Entwicklungen auf der Insel zu finden. Je nach politischer Couleur sind dies ,,ausländische kapitalistische Mächte“ (Vereinigte Staaten/Großbritannien), die Sowjetunion, die Türkei und ihr angebliches ,,Großmachtstreben“, oder die griechische Militärjunta. Andere weisen dem griechischen Nationalismus die Alleinverantwortung zu.“[18] Monokausale Erklärungen mit voreilig gezogenen Hypothesen und Schuldzuweisungen für die eine oder andere Seite werden der Zypernfrage und ihrer Brisanz nicht gerecht, trüben aber – in nicht zu unterschätzender Weise –, den aktuellen Forschungsstand im Zypernkonflikt.

Die Inselfrage trifft im englisch-, deutsch-, türkisch-, und griechischsprachigen Raum auf eine breite Resonanz. Ein nicht unerheblicher Anteil der wissenschaftlichen Arbeiten ist politisch ideologisiert und unterliegt einer bewussten Parteinahme. Griechen und Türken stehen sich in der Perzeption des Zypernkonflikts diametral gegenüber. Wenn wir uns die Schriften der griechischen- wie türkischen Wissenschaftler[19] näher anschauen lässt sich feststellen, dass beide die Ereignisse, in einem nicht zu unterschätzenden Umfang, durch eine nationale Brille betrachten, d.h. die Realität wird verzerrt, politische Fakten übergangen bzw. Kernelemente des Konflikts werden in wenigen Sätzen abgeklärt, falls sie den nationalen Befindlichkeiten widersprechen mit dem Ergebnis, dass ein Zypernbild aufgebaut wird, das die jeweils eigene Seite in einem guten Licht darstellen lässt. Rationalität, Wertneutralität und Streben nach Wahrheit, das Ziel wissenschaftlichen Arbeitens wird zu Gunsten einer emotional-propagandistischen ,,Gut – Böse – Sicht“ der Dinge geopfert. So lässt sich in den griechischen Schriften beobachten, dass die unrühmliche Zeit der Militärherrschaft 1967 bis 1974 und dessen wenig konstruktive Zypernpolitik am liebsten ausgelassen bzw. in ihrer Tragweite verharmlost wird. Ziel ist es, eine Mitschuld an der Genese des Konflikts weit von sich zu weisen. Die Schriften der türkischen Gegenseite sind ihrerseits dadurch gekennzeichnet, dass sie ihren Forschungsschwerpunkt auf die Zeit vor 1974 verlagern und verhältnismäßig wenig über die Phase nach der militärischen Intervention berichten. Der internationalen Gemeinschaft soll die Botschaft gesendet werden, man habe 1974 keinen anderen Ausweg gesehen, ja man sei moralisch verpflichtet gewesen militärisch einzugreifen, um das eigene Volk vor dem ,,Abschlachten“ zu verhindern. In den Hintergrund wird die Tatsache gerückt, dass mit der militärischen Teilung der Insel 1974 die Türkei aus machtpolitischen Interessen eine Lösung des Konflikts bis zum heutigen Tag stets torpediert.

Trotz der oben beschriebenen Problematik, der politischen Ideologisierung und der bewussten Geschichtsverzerrung findet sich bei der Frage nach dem Forschungsstand des Zypernkonflikts in der Fachwelt eine verwirrende Vielfalt von ,,exzellenten“

Veröffentlichungen. Hervorzuheben sind:
1. Das Standardwerk von Pavlos Tzermias ,, Geschichte der Republik Zypern“. Tzermias, ein ausgewiesener Zypern- und Griechenlandexperte, ist als Dozent an den Universitäten Freiburg und Zürich tätig und fungiert für die Neue Zürcher Zeitung als Berichterstatter.
2. Die Inaugural-Dissertation: ,,Das vergessene Volk. Der Weg der Zyperntürken von der Kolonialzeit zur Unabhängigkeit“, verfasst von Uwe Berner 1992 setzt sich mit dem ,,Schicksal“ der türkischen Bevölkerungsgruppe auseinander. Uwe Berner, der 1993 verstorben ist, hielt sich 1986 für ein Jahr in Nordzypern auf, wo er im Dienste der UNO – Truppen als Berater für das Touristikministerium arbeitete. Er half mit, ein deutschsprachiges Radioprogramm im Staatsrundfunk Radio Bayrak aufzubauen. Nach 1990 war er als Redakteur im Zeitungsverbund ,,Mittelbadische Presse“ tätig. Die Arbeit Berners ist trotz seiner stark protürkischen Haltung allein wegen der Fülle von Dokumenten und Originalschriften ein ausgewiesenes Forschungswerk.
3. Die Arbeit von Jan Asmussen ,, ,,Wir waren Brüder“ – Zusammenleben und Konfliktentstehung in ethnisch gemischten Dörfern auf Zypern“, das als Band sieben in den Studien zur Zeitgeschichte des Nahen Ostens und Nordafrikas erschienen ist.
4. Das von Uli Piller geschriebene Werk ,,Zypern, die ungelöste Krise“.

Neben Monographien dienen Zeitschriftenaufsätze und Zeitungsartikel als wichtige Literatur- und Quellenlage für die Magisterarbeit. Bedeutende Zeitschriften und Zeitungen, die von mir herangezogenen wurden, sind u.a.:

- Das Europa-Archiv;
- Aussenpolitik. Zeitschrift für internationale Fragen;
- Zeitschrift für Türkeistudien;
- Südosteuropa – Mitteilungen;
- Zypern-Nachrichten;
- Athener Zeitung;
- Turkish Daily News und die
- Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Die Arbeit, Zypern in seinen Interessen- und Konfliktverhältnissen zu Türkei und Griechenland, ist im Bereich der internationalen Politik angesiedelt. Untersucht und vergleicht man die Willens- und Entscheidungsprozesse der politischen Akteure in der Zypernfrage wird deutlich, dass eine Dominanz der ,,realistischen Schule“[20]

auszumachen ist. So will ich an dieser Stelle die Schriften von Ursula Lehmkuhl[21] - Theorien internationaler Politik -, und Reinhard Meyers[22] – Grundbegriffe und theoretische Perspektiven der Internationalen Beziehungen – würdigen, die mir als Basis dienen, um die Verhaltensweisen der Konfliktparteien nachvollziehen und charakterisieren zu können.

II. Hauptteil

(1) Das historische Erbe

1. Zypern unter der Herrschaft der Pforte

Das Jahr 1301 stellt die Geburtsstunde des Osmanischen Reiches dar, gegründet von Osman I. aus dem Geschlecht der Osmanen.[23] In drei Jahrhunderten gelingt es den Osmanen ein Imperium aufzubauen.[24] Unter Süleyman II. den Großen (1520 – 66), erreicht das Osmanische Reich[26] den Zenit seiner Macht. Sein Sohn

Selim II. (1566 – 74) folgt ihm auf den Thron.[25] In seine Herrschaft fällt die Inbesitznahme Zyperns. Die Insel ragt Mitte des 16. Jahrhunderts neben Kreta als einzig verbliebener Vorposten des Christentums im ansonsten vom Islam beherrschten östlichen Mittelmeer hervor. So ist es eine Zwangsläufigkeit bis die Osmanen versuchen, Zypern in ihren Machtbereich einzuverleiben. Unter Leitung des Heeresführers Lala Mustafa Pascha landet im Juli 1570 eine osmanische Streitmacht von 200.000 Mann auf Zypern. Allein Famagusta leistet nennenswerten Widerstand und kann erst nach zehnmonatiger Belagerung am 1. August 1571 eingenommen werden.[26] Die Eroberung der Insel führt zu einer Verschiebung des Machtpotenzials zu Gunsten der Osmanen in Europa[27], die mit dem militärischen

Sieg ihren hegemonialen Herrschaftsanspruch auf das östliche Mittelmeer gefestigt haben und nun über ein ,,mare osmanum“ verfügen.[28] Venedig schließt 1573 Frieden mit dem Sultan und tritt Zypern offiziell an die Pforte ab. Im Gegenzug erneuert Istanbul der Lagunenstadt die garantierten wirtschaftlichen Privilegien.[29]

Die ehemals katholischen Herren Zyperns fliehen, soweit sie bei der Eroberung nicht den Tod gefunden haben. Die Osmanen beschlagnahmen die katholischen Besitztümer und wandeln ihre Kathedralen in Moscheen um.[30] Die griechisch-orthodoxe Bevölkerung wird von den Plünderungen ausgenommen. Die überwiegende Mehrheit der Griechen begrüßten die neuen Herren und empfanden es als Freiheit die Herrschaft[31] der ,,Lateiner“ abgeschüttelt zu haben.[32] Die Herrschaft der Osmanen unterscheidet sich in ihrer Ausübung diametral von denen der Venezianer. Die Leibeigenschaft der griechischen Bevölkerung wird abgeschafft und die Griechen können ihren christlich-orthodoxen Glauben praktizieren ohne Sanktionen befürchten zu müssen.[33] Das Amt des Erzbischofs, das unter den Venezianern abgeschafft wurde, wird wieder eingeführt. Der Erzbischof und der Dragoman werden einflussreiche Interessenvertreter der griechisch-orthodoxen Bevölkerungsgruppe. Der Posten des Dragoman (dt. amtlicher Übersetzer/ Dolmetscher), in späterer Zeit ein gewichtiges Amt innerhalb der Verwaltungshierarchie , wird vom osmanischen Gouverneur neu installiert und durch die Wahl seitens der Griechen personell bestimmt. Die Beschränkungen, die der orthodoxen Kirche oblagen, werden aufgehoben und sie erhält ihre alten Privilegien aus byzantinischer Zeit zugestanden.[34]

Das osmanische Reich ist ein Vielvölkerstaat, ein multireligiöses Gebilde, wo Muslime und Nichtmuslime friedlich zusammenleben. Eine homogene Einheit bilden die Nichtmuslime nicht.[35] Es wäre unsinnig, die für die Zeit doch beachtliche Religionstoleranz der Osmanen gleichzusetzen mit einer allgemein praktizierten ,,Christen- oder Judenfreundlichkeit“.[36] Die Akzeptanz Andersgläubiger ist erstens eine Frage der Staatsräson und zweitens eine Frage wie das eigene Verhältnis zur Religion definiert wird.[37] Die Osmanen haben ein eher moderates, auf Pragmatik und Machtpolitik beruhendes Verhältnis zur Religion.[38]

Die Eroberung Zyperns 1571 und seine Einverleibung in das osmanische Reich führt auf der Insel zu einer Verschiebung der demographischen Struktur. Mit der Einwanderung von muslimischen Siedlern tritt ein neues Element auf. Rund 20.000 Mann des siegreichen Heeres von Lala Pascha lassen sich auf die über die ganzen Insel verteilten Ländereien der katholischen Herren nieder. In den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten kommen mehrere tausend Einwohner hinzu. Sultan Selim II. erlässt am 21. September 1571 einen Ferman (heiliger Erlass) an die Kadis (islamische Richter) die damit aufgefordert werden, Familien für eine Ansiedlung auf Zypern zu gewinnen. Im Zeitraum von 1572 bis 1581 setzen schätzungsweise 24.000 bis 40.000 Siedler vom Festland auf die Insel über. Sie stammen weitgehend aus den osmanischen Provinzen Anatolien, Rum (Westtürkei), Karaman (Südtürkei um Konya) und Dulgadir (Südosttürkei).[39] Neben den osmanischen Türken lassen sich auch kleinere Gruppen aus anderen Reichsteilen[40] auf der Insel nieder.[41]

Zu Konflikten zwischen Neusiedlern und der griechischen Bevölkerung kommt es nicht. In der Folgezeit entwickeln sich im Rahmen des Millet-Systems jeweils ein griechisches bzw. ein türkisches Gemeindewesen heraus. Zwei Welten entstehen, die friedlich nebeneinander, häufig auch in ethnisch-gemischten Dörfern[42], aber doch nicht miteinander leben. Ein Prozess, der für die weitere Entwicklung der zyprischen ,,Leidensgeschichte“ von Tragweite wurde, da unter diesen Bedingungen die Genese einer gesamtzyprischen Identität unmöglich wird. Zu groß scheint die Diskrepanz in Fragen der Religion und Kultur zu sein. Mischehen sind eine Seltenheit und die Kinder, die von ihnen ausgehen, entscheiden sich jeweils für die eine oder andere Kultur. Ein ,,Zwischen-den-Stühlen-sitzen“ wird nicht ermöglicht. Von einem nationalen Gedanken im 16./17. Jahrhundert zu sprechen wäre verfrüht, aber ein verbindendes Gemeinschaftsgefühl beider Bevölkerungsgruppen ist zu spüren. Ein Gefühl, das vielleicht keine Kluft zwischen beiden entstehen lässt, die aber die bereits existierende ,,natürliche“ Distanz nicht zu überbrücken hilft.[43]

Die unter der Herrschaft der Katholiken vor Prosperität strotzende Insel verarmt nach 1571 rapide. Wie lässt sich dieser wirtschaftliche Verfall erklären?

Zypern, das als Hafen im Levantehandel eine Mittlerfunktion ausübte, verliert diese und wird herabgestuft zu einer einfachen Provinz des osmanischen Reiches. Zugleich sind die europäischen Mächte nach der Entdeckung des Seeweges nach Indien auf die Osmanen als Zwischenhändler nicht mehr angewiesen. Zyperns ökonomische und geostrategische Bedeutung relativiert sich. So ist es nicht verwunderlich, dass der Sultan in Istanbul den Posten des zyprischen Gouverneurs gemäß den Gesetzen des Basars an den Meistbietenden versteigert. Die Stellung eines Provinzgouverneurs ist beliebt, da sie schnellen Profit verspricht. Die Provinzen müssen, je nach wirtschaftlicher Potenz, einen festgesetzten Steuersatz an die Pforte abtreten, der Rest der ,,überschüssigen“ Einnahmen steht dem Gouverneur und seiner Klientel zu. Eine Regelung, die Provinzen in Selbstbedienungsläden umfunktioniert. ,,Die eigentlich festgelegten Steuersätze bleiben deshalb meist unbeachtet; stattdessen trachtete der Gouverneur nur danach, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Abgaben aus seinen Untertanen - gleich ob christlich oder moslemisch – herauszupressen.“[44] Mit der unkontrollierten Ausbeutung wächst die Unzufriedenheit und das Konfliktpotenzial, aber nicht wie zu erwarten zwischen der griechischen- und türkischen Bevölkerungsgruppe, sondern zwischen Untertanen und Herrschenden. In der Theorie gehören die Türken, egal ob sie auf dem Lande oder in den Städten wohnen, zum herrschenden Volk. In der politischen Realität finden sie sich, besonders die bäuerliche Unterschicht, neben den Griechen als Beherrschte wieder, die sich dem Gewaltmonopol der Gouverneure zu beugen haben. An dieser Stelle muß auf die Rolle, besser gesagt auf die doppelte Verantwortung der orthodoxen Kirche und ihres Führers, dem Erzbischof, eingegangen werden. Der Erzbischof wird in die Herrschaftsausübung der osmanischen Gouverneure integriert. Die undankbare Aufgabe des obersten Steuereintreibers für die griechische Bevölkerungsgruppe wird ihm zugeteilt. Seine Position wird gestärkt, als er 1660 das Recht auf eigenständige Vertretung an der Pforte erhält. Der Erzbischof wandelt sich zum Ethnarchen, d.h. er ist nicht nur allein Oberhaupt der geistigen Gemeinde, sondern zugleich politischer Führer des griechischen Volkes in Personalunion. Unterstützt wird der Ethnarch vom Dragomanen. Die orthodoxe Kirche geht mit der osmanischen Elite ein freiwilliges Zweckbündnis ein, das sie in eine Zwickmühle hineinmanövriert. Einerseits sind sie gegenüber Konstantinopel in Verantwortung, was das Sammeln der Steuersätze angeht, andererseits stehen sie gegenüber ihrer Volksgruppe in Verantwortung, da die Kirche den Anspruch erhebt ,,Sprachrohr“ des gemeinen Volkes zu sein. Ein gespanntes Verhältnis zwischen Kirche und Gemeinde ist unvermeidbar. Vom Zusammengehen von orthodoxer Kirche und Osmanen profitieren beide Lager. Die Osmanen, weil 1. die Arbeit mit ihren willigen Kirchenhelfern ihre Herrschaft zu stabilisieren hilft und 2. sie die lästige Aufgabe der Steuererhebungen auf andere abwälzen kann. Die orthodoxe Kirche, weil sie erstens politischen Einfluss gewinnen und somit bei den Steuergeldern in ihre eigene Tasche wirtschaften kann und zweitens, und das spricht aus griechischer Seite für eine Zusammenarbeit mit den Osmanen, sie durch politische Teilhabe die Möglichkeit erhält Repressionen gegenüber der griechischen Bevölkerungsgruppe zu verhindern bzw. abzuschwächen. Im Verlauf des 17. Jahrhunderts, nach mehreren Hungersnöten, halbiert sich die Bevölkerungszahl Zyperns auf 100.000. Viele, insbesondere griechische Zyprioten, verlassen die Insel und suchen woanders ihr Glück.[45] Aufstände[46] brechen aus. Auf der einen Seite die Beherrschten, Griechen und Türken vereint in ihrem Wunsch aus dem sozialen Elend auszubrechen, auf der anderen Seite die korrupten Herrscher, Griechen und Türken vereint in ihrem Wunsch den Status quo beizubehalten. Weder sind die Aufstände vom Erfolg gekrönt, noch dienen sie trotz Verbrüderung der Volksgruppen als Fundament zur Entstehung einer gesamtzyprischen Identität. Die Aktionseinheit bleibt sporadisch und oberflächlich. ,,Die soziale Komponente, welche unter anderem im Schulterschluss ausgebeuteter Griechen und Türken der Unterschicht zum Ausdruck kam, gab den Freiheitsregungen zuweilen einen übernationalen Charakter. Doch die nationalen und religiösen Gegensätze wurden dadurch nicht aus der Welt geschafft.“[47] Die Erzbischöfe beginnen eine unabhängige Selbstverwaltung für die Zyperngriechen und eigene Handelsbeziehungen aufzubauen und dehnen so ihre Machtposition aus. Die Ethnarchen des 18. Jahrhunderts stehen mindestens auf gleicher ,,Augenhöhe“ mit den osmanischen Gouverneuren, wenn nicht gar über ihnen. Im Gegenzug wächst die Unzufriedenheit der türkischen Bevölkerung mit ihren Führern. Den machtpolitischen Zenit erreicht die orthodoxe Kirche unter der Ägide Chrysanthos´ (1767 – 1810) und des Dragoman Chatzigeorgakis Kornesios. In Nikosia bricht 1804 ein Aufstand der Zyperntürken gegen den osmanischen Gouverneur aus, dem vorgeworfen wird zur Marionette des Erzbischofs verkommen zu sein. Den Stein ins Rollen bringt das vom Dragomanen Kornesios in die Welt gesetzte Gerücht, die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln sei nicht mehr gewährleistet. Das Gerücht war ein bewusstes Kalkül, da Kornesios über mehrere Lebensmittelgeschäfte verfügt und sich erhofft aus der ,,Panik“ der Bevölkerung finanziellen Profit zu schlagen. Der Zorn der Aufständischen richtet sich rasch zum Entsetzen des Klerus gegen die reichen Pfründe der orthodoxen Kirche. Der Dragoman erbittet von der Pforte ein Heer, um den Aufstand zu zerschlagen und die rechtmäßige Ordnung auf Zypern wieder herzustellen. Istanbul sendet zwei Trupps, die den Aufstand in Keim ersticken. Die Besitzbestände der Kirche werden gewahrt und ihre dominierende Stellung gegenüber den Gouverneuren bleibt erhalten.[48]

Es ist ein Sieg mit einem bitteren Nachgeschmack, ein Pyrrhussieg. Die türkische Inselbevölkerung verinnerlicht die demütigende Erniedrigung, die ihnen als ,,Herrschervolk“ von den Griechen, ihren ,,Untertanen“ zugefügt wurde. Nach 1804 schlägt der Hass mehr und mehr von den eigenen unfähigen Herren über auf die griechisch-orthodoxe Kirche, die nun als der ,,wahre“ Herr der Insel empfunden wird. Eine Tatsache, die der Katastrophe von 1821 den Boden vorbereitet. Der Dragoman Kornesios kann nicht lange aus der Erstickung des Aufstandes Gewinn ziehen, da er einige Jahre später auf Geheiß des Sultans in Istanbul geköpft wird.

Fünf politische Parteien gestalten nach 1571 das ,,Schicksal“ der Insel.

1. Die osmanischen Gouverneure, die bis Anfang des 18. Jahrhunderts weitgehend allein die Geschicke Zyperns bestimmen.
2. Die orthodoxe Kirche, der es gelingt auf Kosten der osmanischen Gouverneure ihre Machtbasis im Verlauf des 18. Jahrhunderts auszudehnen. Ihre Vorherrschaft findet 1821 ein jähes Ende.
3. Das Oberhaupt des osmanischen Reiches, der Sultan in Istanbul bleibt bis 1821 eine Macht im Hintergrund, die nur interveniert wenn es seine ,,wirtschaftlichen“ Interessen gefährdet sieht. Nach den Ereignissen des Jahres 1821 und im Zuge der griechischen Nationalbewegung greift Istanbul verstärkt in das politische Innenleben der Insel ein.
4. Die griechischzyprische Bevölkerung, die bis zum 19. Jahrhundert eine eher politisch untergeordnete Rolle spielt, vollzieht mit Import nationalen Gedankengutes eine Bewusstseinsveränderung. Sie verlangt das Recht der politischen Selbstbestimmung.
5. Die türkischzyprische Bevölkerung wird wie die griechische in politische Entscheidungsprozesse nicht eingebunden. Eine Politisierung der türkischen Volksgruppe und damit das Begehren nach Mitwirkungsrechten geht einher mit der ,,Nationalisierung“ der Zyperntürken, beginnend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

2. Genese des griechischen Nationalismus, der Freiheitskampf der Festlandsgriechen gegen die Osmanen und die Haltung Zyperns

Alljährlich wird der 25. März in Griechenland als nationaler Feiertag begangen. Der 25. März ist das Symbol für das Aufstehen der ,,Hellenen“, um sich der Tyrannei der Türkenherrschaft zu erledigen und ihr eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen.

Der Erzbischof Germanos von Patras soll am 15./25. März 1821 im Kloster Hagia Lawra bei Kalavrita die ,,allgemeine Volkserhebung ausgerufen haben.“[49]

Was war geschehen? Das 19. Jahrhundert ist eingegangen in die Geschichte als das Jahrhundert der Nationalstaaten. Der nationale Gedanke wird geprägt und in seinem Entstehungsprozess katalysiert durch die Ideen der französischen Revolution. War im Zeitalter der Metaphysik Religion das einigende Band von Gesellschaften, ist es im Zeitalter der Moderne der Nationalismus, dem diese Aufgabe zukommt. Die Griechen gehören zu den Völkern, die als erste Begriffe wie Nation[50], Nationalismus und nationale Staatswerdung verinnerlichen. Die Genese des griechischen Nationalismus wäre ohne Mitwirken der griechischen Diaspora in Europa und der USA nicht möglich gewesen. Traditionell stark verankert ist der Philhellenismus in den europäischen Staaten.[51] Zwei Visionen eines zukünftigen Griechenlands konkurrieren hier miteinander:

1. Die ,,kleine“ Idee des ,,antiken Hellas“, das zurückgreift auf die Wurzeln der griechischen Identität in der Zeit der Klassik, und eine Staatsgründung im Zentrum des Griechentums vorsieht;
2. Die ,,Megali Idea“, die große Idee, die das Ziel verfolgt das byzantinische Reich wiederaufleben zu lassen mit Konstantinopel als alte und neue Hauptstadt. Die Enosis ist ein Instrument der ,,Megali Idea“, d.h. die Heimbringung aller griechischer Territorien (Inseln) und ihre Fusion zu einem Großhellas.[52]

Die Auslandsgriechen sind von entscheidender Größe bei der Organisation und der Durchführung des Aufstandes gegen die Osmanen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gründen sich im Aus- und im Inland mehrere Geheimbünde, sogenannte Hetärien (Freundschaftsbünde) , die sich der griechischen Freiheitsidee annehmen.[53]

Der griechische Freiheitskampf, die Epanastasis Tu Ikosiena, bricht 1821 aus.[54]

Die Massaker von Tripolitsa und Patras stehen für den Beginn eines blutigen Teufelskreises zwischen Griechen und Türken nach dem Motto Aug um Aug, Zahn um Zahn. Ein Kreislauf der in die kleinasiatische Katastrophe mündet und das Verhältnis der beiden Völker bis heute prägt. Die hohe Pforte ist vom Umfang des Aufstandes überrascht. Kleinere Erhebungen und Versuche an den Peripherien gewaltsame Autonomiebestrebungen durchzusetzen, sind nichts Neues. Neu und für Istanbul befremdlich ist der national-staatliche Charakter der Epanastasis.

Hinzu kommt, dass die Osmanen auf mehreren Konfliktherden zugleich agieren müssen, was ihre Schlagkraft spaltet und schwächt. Außerdem wird die Tragweite und Gefahr des griechischen Unabhängigkeitskrieges unterschätzt. So wird die Abspaltung Ali Paschas[55] in Thessalien ernster genommen als das ,,griechische Problem“. Die griechischen Freiheitskämpfer profitieren militärisch davon, dass die Osmanen nur über wenige Kontingente auf der Peloponnes, in Morea und Attika verfügen.[56] Der Sultan ist enttäuscht vom Verhalten des ,,griechischen Millet“, deren Patrizier- und Kaufmannsfamilien einflussreiche Positionen im Reich einnehmen und zu den Günstlingen der Pforte zählen.[57] Das Fanal von Chios, mit der Massakrierung bzw. Versklavung der Zivilbevölkerung, erschreckt die europäische Öffentlichkeit. Die nationalen Regierungen sind gezwungen sich dem Druck der Philhellenisten zu beugen und in den Konflikt zu intervenieren.[58] Die europäische Staatenwelt ist nach dem Wiener Kongress von 1815 geprägt durch das Fünf-Mächte-System, der Pentarchie, in der sich mit Großbritannien und Russland zwei dominierende Flügelmächte und mit Frankreich, Österreich (nach 1867 Österreich-Ungarn) und Preußen (nach 1871 Deutsches Reich) drei Kontinentalmächte gegenüberstehen.[59] Interessengegensätze und der Versuch einen Interessenausgleich zu erzielen, ob nun mit Mitteln der Diplomatie oder des Krieges, bestimmen das Verhältnis der Pentarchiemächte zueinander.[60]

Die orientalische Frage[61], die entgültig im Vertrag von Lausanne gelöst wird, ist ein permanenter Streitpunkt unter den Pentarchie- und insbesondere zwischen den Flügelmächten Großbritannien und Russland. Der orientalische Gegensatz bildet sich heraus, weil 1. die Pentarchiemächte sich nicht einig werden können, wer was und in welcher Form vom Kuchen des osmanischen Reiches erhalten soll und 2., weil das osmanische Reich aus eigener Kraft nicht mehr über die machtpolitischen Ressourcen verfügt, um seinen Besitzstand zu sichern. So spricht man in Europa Treffenderweise nicht vom Sultan in Istanbul, sondern vom ,,kranken Mann am Bosporus“. Von geostrategischer Bedeutung ist die Frage nach dem Status der Meerengen. Eine Konstante der russischen Außenpolitik bis zur Niederlage im 1.Weltkrieg und dem Friedensdiktat von Brest-Litowsk (1917) ist die Einbeziehung des Bosporus in den Moskauer Machtbereich. Interesse Großbritanniens (später Deutschlands) und Österreichs ist es die Dardanellenfrage zu ihren Gunsten zu entscheiden, d.h. einen russischen Zugriff auf die Meerengen zu verhindern und damit dem Zarenreich den direkten Zugriff auf das Mittelmeer zu verweigern.[62]

Eine detaillierte Beschreibung des griechischen Freiheitskampfes kann hier nicht geleistet werden, da es den Umfang der Magisterarbeit sprengen und die Problemstellung verfehlen würde.[63] Das Jahr 1826 ,,markiert das militärische Ende des griechischen Unabhängigkeitskrieges“[64] und den Beitritt Europas in den Konfliktherd.[65] Mit dem Zweiten Londoner Protokoll von Februar 1830 wird Griechenland die volle Unabhängigkeit zugesichert. Der griechische Nationalstaat ist geboren.[66]

Welchen Part Zypern und die Zyperngriechen beim griechischen Befreiungskrieg spielen, ist umstritten. ,,Über das Ausmaß der Beteiligung der Griechischzyprioten an der nationalen Unabhängigkeitsbewegung gibt es Unklarheiten und Meinungsunterschiede.“ [67] Der Erzbischof der griechisch-orthodoxen Kirche auf Zypern Kyprianos, der den Posten seinen ,,Fürsprechern“ am Hof in Istanbul zu verdanken hat, unterhält mit hoher Wahrscheinlichkeit Kontakte zum Geheimbund Filiki Etäria. Er verfolgt eine zweigleisige Politik. Einerseits unterstützt er den Freiheitskampf ideologisch und verspricht finanzielle Unterstützung, andererseits lehnt er ab die Zyperngriechen zu einem Aufstand aufzuwiegeln und verurteilt offiziell die

Epanastasis. Kyprianos scheint nach machiavellistischer Denkweise sein weiteres Vorgehen abzuwägen. Was dient ihm mehr, das Anzetteln eines Aufstandes oder die Beibehaltung des Status quo und damit de-facto der ,,klerikalen Herrschaft“ [68] über Zypern. W. Turner hält in seinem Reisebericht Anfang des 19. Jahrhunderts fest: ,,Cypern, nominell unter der Herrschaft eines Bey ... wird in Wahrheit vom griechischen Erzbischof regiert.“[69] Wie schon an anderer Stelle beschrieben, übt die Kirche mit dem Ethnarchen an der Spitze seit Ende des 18. Jahrhunderts die reale Macht in Zypern aus. Politisch relevante Entscheidungen werden ohne Konsultierung des Erzbischofs nicht getroffen. Die osmanischen Gouverneure sind zu Statisten degradiert worden. Zugespitzt bedeutet es, dass Zypern unter der Kontrolle der griechisch-orthodoxen Kirche steht, warum also einen Aufstand anzetteln, um diese ,,Kontrolle“, die man ja bereits schon in den Händen hält, aufs Spiel setzen? Dem osmanischen Gouverneur Kutschuk Mehmed, dem die Vormacht der Kirche in Politik und Wirtschaft ein Dorn im Auge ist, gelingt es, die hohe Pforte zu überzeugen, dass ein Exempel an den griechischen Bevölkerung vonnöten ist, um ein Übergreifen der Unabhängigkeitsbewegung auf die Insel zu verhindern. Istanbul zögert, willigt aber in der Hoffnung ein, einem möglichen Freiheitskampf so den Boden zu entziehen. Kutschuk Mehmed, wie auch die türkische Inselbevölkerung, begrüßen mehrheitlich den ,,Blankoscheck“ des Sultans. Die Zyperntürken haben die Schmach von 1804 nicht vergessen und nehmen nun Rache an den Griechen. Der Rachlust fallen gut 500 Griechen zum Opfer, unter ihnen Kyprianos, der am 9. Juli 1821 in Nikosia öffentlich gehängt wird.[70] Für Kutschuk Mehmed spielt es keine Rolle, dass Kyprianos sich von den griechischen Freiheitskämpfer distanziert hat. Er befürwortet die Exekution von Kyprianos, nicht aus Sorge das Zypern in die Wirren des Freiheitskampfes hineingezogen werden könnte[71], sondern allein aus egoistischen Gründen. Die Hinrichtung der griechischen Elite würde zwangsläufig zur Verschiebung der machtpolitischen Balance, weg von der Kirche, hin zum Gouverneur führen und der ,,alte“ Handlungsspielraum der türkischen Verwaltung wäre zurückgewonnen, d.h. die Dominanz der Kirche im politischem Herrschaftsgefüge wird gebrochen und sie muß sich nicht nur nominell, sondern auch real wieder der Türkenherrschaft beugen. Die zyprischgriechische Volksgruppe und die orthodoxe Kirche, die sich während der klerikalen Herrschaft voneinander entfremdet hatten, rücken nun wieder enger zusammen. Weite Teile der griechischen Bevölkerungsgruppe auf Zypern sympathisieren mit dem Freiheitskampf ihrer Brüder auf dem Festland.[72] Die Inselgriechen sind im Geiste mit den Freiheitskämpfern verbunden, lehnen aber den Aufruf zu den Waffen ab. Nach den türkischen Massakern ändert sich die Wahrnehmung der Inselgriechen, die Kluft zwischen den Volksgruppen wächst und mit ihnen entstehen erstmals nationale Ressentiments der Griechen an der Herrschaft der Osmanen. Die Mehrheit der Volksgruppe, nun erstmals auch die Kirchenoberen, lehnten es ab weiter dem osmanischen Reich anzugehören und verlangten, dass Zypern dem Territorium eines zu schaffenden griechischen Nationalstaates zugeteilt wird.[73] Mit dem Zweiten Londoner Vertrag, Februar 1830, kann sich die griechische Seite in der Zypernfrage nicht durchsetzen. Zypern bleibt unter türkischer Herrschaft. Die Verhandlungen von 1830 sind der Startschuss einer Vielzahl von Anträgen und Petitionen der griechischen Seite, den Anschluss (Enosis) Zyperns an Griechenland mit den Waffen der Diplomatie zu erreichen oder anders ausgedrückt, wird 1830 das Problem Zypern erstmals auf dem internationalen Parkett erörtert.[74]

Die griechische Diaspora im europäischen Ausland entwickelt das geistige Gerüst des griechischen Nationalismus und die Idee von einem souveränen griechischen Nationalstaat. Die griechisch-orthodoxe Kirche und die überwiegende Mehrheit der Kaufleute und Händler unterstützen die griechische Nationalbewegung und tragen zur ihrer Verfestigung in den Gemeinden bei. Im Zuge des griechischen Freiheitskampfes in den 1820er Jahren vollzieht sich eine Radikalisierung der Nationalbewegung.

Die Megali Idea (,,große Idee“) drückt der Nationalbewegung und den politischen Akteuren mehr und mehr ihren Stempel auf. Das Ziel der Megali Idea ist es, alle Griechen und alle Territorien, die einst griechisch waren oder es noch sind, zu einem hellenistischen Einheitsstaat zusammen zufügen, also das Rad der Zeit zurückzudrehen und das byzantinische Imperium mit Konstantinopel als Hauptstadt wieder auferstehen zu lassen. Die ,,große Idee“ verdrängt die ,,kleine“, die

sich für einen griechischen Nationalstaat auf dem antiken Kernland der Hellas ausspricht und die Vorstellung, überall da wo ein Grieche wohnt, hat er in einem griechischen Staate zu leben, ablehnt.[75] Die Enosis (dt. Vereinigung/Anschluss) ist integraler Bestandteil der Megali Idea. Eines der elementaren Ziele der Megali Idea ist die ,,Heimholung“ aller griechischen Inseln, die Enosis. Als griechisch gelten die Inseln der Ägäis, Kreta und Zypern.[76] Die Megali Idea verleugnet in ihrer nationalistischen Verblendung die Tatsache, dass in den Gebieten[77], die sie beansprucht, Hunderttausende von Türken, Bulgaren, Albanern, Russen und Angehörige anderer Völker leben. Zielsetzungen der Megali Idea werden erstmals in einer öffentlichen Rede seitens des griechischen Premierministers Ionannis Kolettis Januar 1844 festgehalten: ,,Das Königreich Griechenland ist nicht Griechenland; es macht nur einen Teil, und zwar den kleinsten und ärmsten, Griechenlands aus. Grieche ist nicht nur, wer im Königreich wohnt, sondern auch der Einwohner von Ioannina, Thessaloniki, Serres, Konstantinopel, Trapezunt, Kreta, Samos oder irgendeines Landes der griechischen Geschichte oder des Stammes (...) Es gibt zwei große Zentren des Griechentums. Athen ist die Hauptstadt des Königreichs. Konstantinopel ist die große Hauptstadt, der Traum und die Hoffnung der Griechen“.[78] Die Megali Idea ist kein singulär griechisches Ereignis in den Nationalismusbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Andere Balkanvölker[79] standen dem in nichts nach und schufen sich eigene ,,große Ideen“.

In den 1820er Jahren schwappt die Megali Idea mit ihrem Enosisgedanken auf Zypern über, d.h. der zyprisch-griechische Nationalismus entwickelt sich nicht auf der Insel, sondern wird vom Festland ,,importiert“. Der orthodoxe Klerus fungiert hierbei erstens als Empfänger und zweitens als Katalysator des Enosisgedanken. Der Zuspruch bei den Zyperngriechen für die Enosis wächst rapide in den Folgejahrzehnten. Die blutigen Ereignisse des Jahres 1821 haben die ,,Staatsloyalität“ der Kirche brechen und sie für nationale Ideen empfänglicher werden lassen. Die schleichende ,,Enonisierung“ der Inselgriechen wird begünstigt durch die Monopolstellung der Kirche auf Bildung und Kultur über die eigene Religionsgemeinschaft.[80] Bewusst organisiert politisch relevant wird die

Enosisbewegung auf Zypern nicht zur osmanischer Zeit, sondern erst unter britischer Kolonialherrschaft in den 1920er Jahren.[81]

3. Der Berliner Kongress und die ,,Convention of Defensive Alliance“

Spätestens mit dem Frieden von Kücük Kaynarca (1774), der den osmanisch-russischen Krieg zu Gunsten des Zarenreiches beendet, zerbricht die hegemoniale Stellung der Pforte auf dem Balkan. Der langsame, aber scheinbar nicht aufhaltbare Auflösungsprozess des osmanischen Reiches nimmt seinen Anfang.[82] Unter den Sultanen Mahmud II. (1808 – 1839) und Abdul Mejid I. (1839 – 1861) werden verschiedene Reformbestrebungen unternommen, die sogenannte Tanzimat-bewegung[83], die den schleichenden Verfall des Staates stoppen sollen.[84] Die Reformen stellen einen relativen Fortschritt dar, können den Machtverfall bremsen, ihn aber nicht aufhalten.[85] Die Träger der Reformen sind die Jungtürken bzw. die Jungosmanen, die sich aus dem Verwaltungsapparat und dem Militär rekrutieren und sich dem Geiste der Aufklärung verbunden fühlen. Für sie stellt die Modernisierung eine Notwendigkeit dar, um den Erhalt des osmanischen Reiches zu sichern. Zwei ideologische Leitbilder bezüglich der ,,nationalen“ Identität des Reiches stehen sich bei den Jungtürken diametral gegenüber. Die Gruppe der ,,Dezentralisten“ verlangten, dass der Charakter des osmanischen Reiches, nämlich der eines multiethnischen und konfessionellen Reiches beibehalten wird und favorisieren den ,,Osmanismus“ als Identitätsklammer für alle Völker, d.h. alle Bewohner des Staates sollen als Bürger mit gleichen Rechten und Pflichten eine Staatsloyalität aufbauen und in diese gebunden sein. Eine im ,,Zeitalter der Nationalstaaten“ anachronistische Vorstellung, die in erster Linie für die nicht-muslimischen Völker inakzeptabel ist. Die Gruppe der ,,Zentralisten“, geführt von Enver Pascha, fordert, dass der türkische Nationalismus gestärkt und als integrierendes Element in den Vordergrund gerückt werden muss, mit der Konsequenz, dass nur eine türkisch-nationalistische Politik den Zusammenhalt des Reiches gewähren kann.[86] Der moderne türkische Nationalismus fasst unter der Herrschaft Sultan Abdülhamids II. (1876 – 1909) in Teilen des Militärs und der Verwaltung Fuß.

Die große Orientkrise[87] 1875 – 1878 mündet im Frieden von Berlin, der die Ergebnisse des Berliner Kongresses[88] (13. Juni – 17. Juli 1878) zusammenfasst. Das osmanische Reich, das nach militärischer Niederlage am Rande eines Zusammenbruchs steht, schließt am 23.5/4.6. 1878 mit Großbritannien die ,,Convention of Defensive Alliance“.

[...]


[1] Die Insel Zypern (griechisch: Kypros, türkisch: Kibris) trug im Verlauf der Geschichte viele Namen u.a. Kypros, Kriptos, Kerastia, Amathusia, Akmantis, Myonis und Kition. Wo der Ursprung des Namens Zyperns liegt, konnte nicht mit Sicherheit geklärt werden. Am wahrscheinlichsten ist, dass das griechische Kypros in der Antike als Synonym für Kupferinsel, Zypern also, gängig war. Eine Karte Zyperns ist im Anhang als Karte 1 (Seite IV) der Magisterarbeit abgebildet.

[2] Den klangvollen Beinamen ,,Insel der Liebe“ verdankt Zypern der griechischen Liebesgöttin Aphrodite, die ihren ,,Wohnsitz“ auf der Insel hatte.

[3] Vgl. Nelles, G. (Hrsg.): Zypern. Slovenia 1993. S. 22 – 34. (Künftig zitiert: Nelles: Zypern)

[4] zit. nach Hillenbrand, K.: Cypern. Beck´sche Länderreihe. Aktuelle Länderkunden. München 1990. S. 34. (Künftig zitiert: Hillenbrand: Cypern)

[5] Die Insel kannte bereits muslimische Herren, nämlich die Araber. Unter den Wahlkalifen Othman (644 – 656) finden die ersten Überfälle, auf die zum byzantinischen Reich gehörenden Insel, statt. So wird bei einem Plünderungszug Salamis-Constantia eingenommen, das sich vom Überfall nie mehr erholen kann. Zypern wechselt in den drei Jahrhunderten vom 7. bis zum 10. insgesamt elfmal den Besitzer. Byzanz gelingt es der militärischen Expansion des Islam entgegenzuwirken, trotz Verlust der afrikanischen und mesopotamischen Provinzen. Zwei arabische Belagerungen Konstantinopels 674 – 678 und 717/18 können abgewehrt werden. In der Dynastiezeit der Omajjaden (661 – 750) bauen die Araber eine maritime hegemoniale Stellung auf und kontrollieren uneingeschränkt das östliche Mittelmeer, damit auch Zypern und die Inseln der Ägäis. Mit Beginn des 9. Jahrhunderts gelingt es den Byzantinern Schritt für Schritt die absolute Vorherrschaft der Araber in der Ägäis und in den küstennahen Regionen des Mittelmeeres zu beschränken. Kaiser Nikephoros II. Phokas von Konstantinopel erobert 965 die Insel zurück und beendet das ,,Intermezzo“ der Araber. Zypern wird als Provinz dem byzantinischen Reich wieder angegliedert.

[6] zit. nach Nelles: Zypern. S. 37.

[7] zit. nach Mavrouleas, N.: Entstehungsbedingungen, Bestimmungsfaktoren und Entwicklung des Cypern-Konflikts nach dem zweiten Weltkrieg. Dissertationsschrift. Osnabrück 1978. S. 4f. (Künftig zitiert: Mavrouleas: Entstehungsbedingungen)

[8] Die Maroniten wanderten im Zeitalter der Kreuzzüge aus ihrer Heimat, dem heutigen Libanon, auf der Insel ein. Sie sind Araber levantinischer Herkunft und wurden unter der Herrschaft der Lusignan christianisiert.

[9] Zahlen zur ethnischen Zusammensetzung der Inselbevölkerung sind entnommen aus Hillenbrand: Cypern. S. 21.

[10] Die Prozentzahlen im Kreisdiagramm beruhen auf die Angaben zur Inselbevölkerung von Hillenbrand: Cypern. S. 21.

[11] ebd. S. 21.

[12] Vgl. Hillenbrand: Cypern. S. 21.

[13] Zitiert. nach einem Interview mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ismet Inönü. In: Der Spiegel. Nr. 11 / 1964.

[14] Zitiert nach einem Interview mit dem zyprischen Präsidenten Makarios. In: Der Spiegel. Nr. 36 / 1974.

[15] Die Hermeneutik ist eine Methode mit der ein Sachverhalt verstanden werden soll. Nach Platzet muß der im Sachverhalt verborgene Informations- und Sinngehalt ausfindig gemacht werden. Im Kern gilt es, den zu verstehenden Sachverhalt als Teil eines Ganzen aufzufassen, als ,,Dokument“ eines größeren Zusammenhangs, des letzteren ,,Gestalt“ man teils schon kennt, teils eben durch das Bemühen um die angemessene Verortung des zu verstehenden Sachverhalts in einem größeren besser kennen lernen will.

[16] Die historische Methode wird benutzt, um Quellen auszuwerten und Aussagen über Sachverhalte in der Vergangenheit zu gewinnen. Dabei unterteilt sich die historische Methode in drei Arbeitsschritte: Quellenanalyse, Quellenkritik und Quelleninterpretation.

[17] Vgl. Schlichte, K.: Einführung in die Arbeitstechniken der Politikwissenschaft. Germany 1996. S. 68 – 70.

[18] Zitiert nach Asmussen, J.: ,,Wir waren wie Brüder“. Zusammenleben und Konfliktentstehung in ethnisch gemischten Dörfern auf Zypern. Studien zur Zeitgeschichte des Nahen Ostens und Nordafrikas, Band 7. Hamburg 2001. S. 13. (Zukünftig zitiert: Asmussen: Brüder)

[19] z.B. die pseudowissenschaftlichen Arbeiten von Nedjatigil, Z.: The Cyprus Conflict. A Lawyers View. Nikosia 1992 oder Tyllirides, A.: Apo tin Istoria ton Exislamismon sti Kypro (Über die Geschichte der Übertritte zum Islam in Zypern). In: Kypriakes Spoudes 14 (1987). Nikosia, S. 111 - 140

[20] Die realistische Schule geht in ihrer Prämisse davon aus, dass der Nationalstaat der einzig relevante Akteur der internationalen Beziehungen ist. Die internationale Staatenwelt ruht auf einen anarchischen Naturzustand. Ein übergeordneter Souverän, der dirigierend und pazifizierend einwirken kann, existiert nicht. Die Akteure sind gleichberechtigt und streben über einen Prozess der nullsummenartige Konkurrenz um Macht, Einfluss und Ressourcen Sicherheit an. Sicherheit (Sicherheitsdilemma!) ist die Voraussetzung zur Gewährleistung des Überlebens des Staates. Als Instrumente sind zu beobachten einen nach außen hin gerichtetes Aktions-/Interaktionsverhalten der Akteure (unit-level-explanation), Machtakkumulation, (gewaltsame) Selbsthilfe zur Durchsetzung von Eigeninteressen, Abschreckung und Gleichgewichtspolitik. Die Ideologie des Realismus fußt auf ein misanthropisches Menschenbild. Zugespitzt bedeutet es, der Mensch ist ,,schlecht“ und kein von Natur aus vernunftbegabtes Wesen.

[21] Vgl. Lehmkuhl, U.: Theorien internationaler Politik. Einführung und Texte. München 2001. S. 71 – 109.

[22] Vgl. Meyers, R.: Grundbegriffe und theoretische Perspektiven der Internationalen Beziehungen. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Grundwissen Politik. Bonn 1997. S. 313 – 434.

[23] Vgl. Werner, E.: Die Geburt einer Großmacht – Die Osmanen. S. Germany 1985. S. 243 – 300.

[24] Wie eine ,,Heuschrecke“ breiten sich die Osmanen auf dem Balkan, der arabischen Halbinsel und weiten Teilen Nordafrikas aus. Der Widerstand der christlichen Balkanvölker wird 1389 in der Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo Polje) gebrochen. Die Niederlage gegen Timur Lenk und seine Mongolen 1402 bei Angora erschüttert das nach Macht strebende Reich in seinen Grundfesten, fegt es aber nicht aus der Geschichte. Die Osmanen konsolidieren ihre Reichsgebilde und nehmen unter Mehmed II. Fatih am 29. Mai 1453 Konstantinopel ein. Das byzantinische Reich, das Bollwerk des christlichen Abendlandes, wird eingerissen und hört nach 1000 Jahren auf zu existieren. Konstantinopel wird unter dem Namen Istanbul Hauptstadt des Reiches. Das Jahr 1453 ist der Beginn des ,,glorreichen“ langen osmanischen Jahrhunderts, das bis 1566 andauert. Mit der Einverleibung der arabischen Halbinsel, Mesopotamiens und Ägyptens während der Regentschaft Selim I. (1512 – 20) übernimmt dieser den Kalifentitel von den Mamelucken und erhebt damit den Anspruch nicht nur weltliches, sondern auch geistliches Oberhaupt aller Muslime zu sein. Weiterführende Literatur: Vgl. Faroqhi, S.: Geschichte des Osmanischen Reiches. München 2000. S. 16 – 39.

[25] Eine Karte Europas im 16. Jahrhundert (um 1550) mit dem Territorium des Osmanischen Reiches ist im Anhang als Karte 2 (Seite V) der Magisterarbeit abgebildet.

[26] Vgl. Hillenbrand: Cypern. S. 35.

[27] Die Einverleibung Zyperns in den Osmanenstaat ruft die anderen Mächte auf den Plan, die sich auf Initiative des Papstes Pius V. zu einer antiosmanischen Liga (Kirchenstaat, Spanien und Venedig) zusammenschließen. Ihnen gelingt es am 1. Oktober 1571 bei Lepanto (gr. Naupaktos) die osmanische Flotte zu versenken. Die maritime Schwächung der Osmanen wird nicht genutzt, um Zypern zu ,,befreien“. Die antiosmanische Liga, ein reines Zweckbündnis, zerfällt nach dem Seesieg, da die beteiligten Mächte sich über ein gemeinsames Vorgehen nicht einigen können. Die Stärke bzw. die Schwäche des osmanischen Reiches ist bis zu einem gewissen Grad abhängig von der Einigkeit oder Zerstrittenheit der christlichen Staatenwelt. Ein politisch-historisches Gesetz, das sowohl im 16. Jahrhundert, wie auch im 19. Jahrhundert Gültigkeit hat.

[28] Vgl. Matuz, J.: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. Darmstadt 1985. S. 139. (Künftig zitiert: Matuz: Reich)

[29] Vgl. Majores, F. und B. Rill : Das Osmanische Reich 1300 – 1922. Die Geschichte einer Grossmacht. Germany 1994. S. 251ff.

[30] Vgl. Piller, U.: Zypern, die ungelöste Krise. Pfaffenweiler 1997. S. 8. (Künftig zitiert: Piller: Krise)

[31] So erzwangen die orthodoxen Bewohner von Kyrenia die kampflose Übergabe ihrer Stadt an die Osmanen.

[32] Vgl. Oberling, P.: The Road to Bellapais – The Turkish Cypriot Exodus to Northern Cyprus. New York 1982. S. 3. (Künftig zitiert: Oberling: Road)

[33] Die katholischen Feudalherren hatten das Ausüben des orthodoxen Glaubens unter Strafe gestellt und versucht im Zuge von Repressionen eine Konvertierung der Griechen zu erzwingen. Aber es blieb allein beim Versuch, da der Erfolg nur marginal war.

[34] Vgl. Piller: Krise. S. 9f.

[35] Die Nichtmuslime lassen sich pauschal unterteilen in Christen und Juden, und diese wiederum lassen sich differenzieren a) in eine christliche Bevölkerung, die der orthodoxen Glaubensrichtung angehört. Sie stellen unter den Christen zahlenmäßig deutlich die größte Gruppe dar. Sie leben vorwiegend im Balkanraum, den ägäischen Inseln, Kreta und auf Zypern; b) es existiert eine mehrere tausend Mann starke gregorianische Armeniergemeinde in Istanbul; c) es leben christliche Kopten in Ägypten; d) katholische und protestantische Untertanen sind in Siebenbürgen und Ungarn sesshaft und e) die Juden, die unterschieden werden zwischen den einheimischen ,,romaniotischen“ Juden und den Juden, die im 15. und 16. Jahrhundert aus Spanien, Portugal und Italien eingewandert sind.

[36] Politisch waren die Nichtmuslime den Muslimen untergeordnet. Staatsämter durften in der Regel nur von Muslimen ausgeübt werden. Wollte ein Christ oder Jude ,,Karriere“ machen, war der Übertritt zum Islam und damit der Eintritt in die Herrscherklasse obligatorisch.

[37] Die osmanischen Türken sind keine missionarischen Eiferer wie die Araber. Sie teilen zwar die Welt, wie die Araber, auf in einen Dar al-Islam (Haus des Islam) und in einen Dar al-harp (Haus des Krieges) und erkennen es als die Pflicht eines rechtgläubigen Muslims an den Dar al-harp, das ,,Kriegsgebiet“, sprich alle nicht muslimischen Gebiete zu unterwerfen, aber leiten daraus keinen Zwang ab die Unterworfenen zu bekehren. Muslimische wie nichtmuslimische Gemeinden sind organisiert im sogenannten Millet-System. Die Selbstregulierung der Gemeinden wird durch die Millet-Struktur ermöglicht bzw. gar vorgesehen. Quasi findet hier eine frühe Form des Subsidiaritätsprinzips seine Anwendung. Die christlichen und muslimischen Gemeinden erhalten in rechtlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und religiösen Fragen eine weitgehende Autonomie und sind allein im Bereich der Politik in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt.

[38] Das Juden- und Christentum sind nach islamischer Auffassung Buchreligionen und ihre Anhänger zwar ,,fehlgeleitet“, aber ihnen kommt trotzdem der Status von Schutzbefohlenen zu. So sind alle männlichen Nichtmuslime verpflichtet eine Cizye (Kopfsteuer) zu zahlen. Die Höhe der Abgabe richtet sich nach dem Einkommen. Im Gegenzug können sie ihre Religion frei ausüben. Die Einnahmen durch die Kopfsteuererhebungen sind eine nicht zu unterschätzende feste Größe im ,,Haushaltsbudget“ der osmanischen Herrscher. Das verdeutlicht eine Tabelle von Kopfsteuern und wichtigen Steuerpachten (mukata ´as) um 1475 nach Promontorio de Campris (Quelle: Babinger, F.: Die Aufzeichnungen des Genuesen Iacopa de Promontori de Campis über den Osmanenstaat um 1475. München 1957. S. 62 – 72.) Aus der Tabelle ergibt sich, dass 1 456 000 Golddukaten aus dem Steuerbezirk Rumelien und 331 000 Golddukaten aus dem Steuerbezirk Anatolien in die Staatskasse einfließen. Zwei Schlussfolgerungen können daraus gezogen werden. Erstens: Das wirtschaftliche Herz des osmanischen Reiches liegt in Rumelien, d.h. auf ihren europäischen Besitzungen und nicht in Anatolien, den asiatischen Teil des Reiches. Zweitens: Die Erträge der Kopfsteuer mit 850 000 Golddukaten stellen 58,38% der Einkünfte Rumeliens dar und 47,57% der Gesamteinnahmen Rumeliens und Anatoliens. Realpolitisch würde der osmanische Staat ökonomischen Selbstmord begehen, wenn es alle Nichtmuslime bekehren und damit die Cizye – Steuerquelle versiegen lassen würde. Also muss eine tolerante Religionspolitik der Pforte im Interesse des Staates liegen.

[39] Vgl. Berner, U.: Das vergessene Volk. Der Weg der Zyperntürken von der Kolonialzeit zur Unabhängigkeit. Pfaffenweiler 1992. S. 5f. (Künftig zitiert: Berner: Volk)

[40] Einzelne ethnische Gruppen aus den Bereich der heutigen Staate Irak, Iran, Syrien, Israel, Ägypten und Sudan siedelten nach Zypern über.

[41] Die osmanische Ansiedlungspolitik beruht im 16. und 17. Jahrhundert weitgehend auf der Freiwilligkeit der Untertanen. Er ab Mitte des 18. Jahrhundert dient Zypern als Verbannungsort, wo unliebsame Gegner abgeschoben oder gefangen gehalten werden. So saß u.a. der türkische Nationaldichter Namik Kemal im 19. Jahrhundert für drei Jahre im Gefängnis von Famagusta ein.

[42] Vgl. Asmussen: Brüder. S. 27 – 35.

[43] Ebenda S. 6 – 41.

[44] Vgl. Hillenbrand: Cypern. S. 36.

[45] Vgl. Piller: Krise. S. 9f.

[46] Der Grieche Spyros Melas (1883 – 1966) geht von sieben Aufständen (1578, 1607, 1765, 1799, 1804, 1821 und 1833) aus, die auf Zypern unter osmanischer Herrschaft ausgebrochen sind.

[47] Zitiert nach Tzermias, P.: Geschichte der Republik Zypern: mit Berücksichtung der historischen Entwicklungen der Insel während der Jahrtausendwende. Germany 1991. S. 16. (Künftig zitiert: Tzermias: Zypern)

[48] Vgl. Piller: Krise. S. 10f.

[49] Zitiert nach Weithmann, M.W.: Griechenland. Vom Frühmittelalter bis zur Gegenwart. Regensburg 1994. S. 166. (Künftig zitiert: Weithmann: Griechenland)

[50] Benedict Anderson definiert Nation wie folgt: ,,Nation ... ist eine vorgestellte politische Gemeinschaft – vorgestellt als begrenzt und souverän..“ Zitiert nach: Anderson, B.: Die Erfindung der Nation. Frankfurt am Main 1988. S. 15.

[51] Anhänger des Philhellenismus in Europa sind u.a. die Literaten Winckelmann, Goethe, Barthelemy und Chateaubriand. Die Humanisten greifen auf Vorbilder der griechischen Antike zurück. Sie verbreiten ein idealistisches Blick des alten Hellas, der Wiege der Demokratie.

[52] Vgl. Weithmann: Griechenland. S. 163f. und Asmussen: Brüder. S. 151 – 155.

[53] Der sich im russischen Odessa befindliche Hetaira Philikon (,,Gesellschaft der Freunde“), dem u.a. Kaufleute, Händler, Handwerker, Kleriker der unteren Ränge und Lehrer angehören, ist der mit Abstand wichtigste Geheimbund.

[54] Es finden zeitgleich Erhebungen in den rumänischen Donaufürstentümern Moldau und Walachai, der Peloponnes und Morea statt. Der Erhebungsversuch in den rumänischen Territorien scheitert kläglich. Auf der Peloponnes und Morea gelingen zum Teil spektakuläre Anfangserfolge. Vor Spetsä erringen die Griechen einen Seesieg über die türkische Kriegsflotte. Im Oktober fällt mit Tripolitsa die Stadt des Statthalters Kurschid Pascha (ein geborener Grieche, der zum Islam konvertierte) in Morea.

[55] Ali Pascha wird 1788 als Statthalter im Sandschak Janina (gr. Yoannina, in Epirus) eingesetzt. In der Folgezeit weitet er seinen Machtbereich nach Südalbanien und in die benachbarten griechischen Gebiete aus. Er baut systematisch eine halbautonome Herrschaft auf und unterhält eigene Land- und Seestreitkräfte. Als der Sultan 1820 ihn vom Amt des Statthalter enthebt, weigert sich Ali Pascha seinen Posten abzutreten und provoziert einen Krieg mit Istanbul. Nach mehreren kostspieligen Feldzügen gelingt es der Pforte das ,,Reich“ Ali Paschas zu zerschlagen.

[56] Die türkische Bewohnerschaft der Stadt wird niedergemetzelt. In Patras fallen die Griechen einem Massaker der Türken zum Opfer.

[57] So war noch kurz vor dem Aufstand der Munitionshandel- und transport im Reich ausschließlich griechisches Privileg. Der Vertrauensverlust und ,,Schock“ der Pforte schlägt rasch in blinden Hass um. Der orthodoxe Patriarch von Istanbul Gregorios, als Leiter der griechisch-orthodoxen Kirche und der griechischen Millet wird zur ,,Bestrafung“ hingerichtet. Da half es auch nicht, dass er den Aufstand verurteilte und die Aufständischen exkommunizierte. Die Kirchenführung lehnt die Epanastasis, jedenfalls in ihrer Anfangsphase, ab. Zu viele Privilegien stehen auf dem Spiel, die es zu bewahren gilt. In allen größeren Städten des osmanischen Reiches kommt es zu antigriechischen Ausschreitungen. Der Sultan beauftragt dem Kapudan-Pascha Kara Ali, die abtrünnigen Inseln Chios und Samos für ihren ,,Verrat“ zu bestrafen. Chios wird eingenommen und das türkische Heer statuiert ein Exempel. Die Zivilbevölkerung wird entweder hingerichtet oder in die Sklaverei verkauft. Samos gelingt es die Landung türkischer Truppen zu verhindern und entgeht dem Schicksal seiner Nachbarinsel.

[58] Tzermias, P. Neugriechische Geschichte. Eine Einführung. Tübingen 1986. S. 67ff. (Künftig zitiert: Tzermias: Griechenland)

[59] Gall, L.: Europa auf dem Weg in die Moderne 1850 – 1890. In: Bleicken, J. u.a. (Hrsg.): Oldenbourg Grundriss der Geschichte. Band 14. München 1997. S. 92 – 99.

[60] Vgl. Craig, A.: Geschichte Europas 1815 – 1980. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart. München 1983. S. 23 – 35.

[61] Vgl. Stöckl, G.: Russische Geschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart 1997.

S. 517 – 527.

[62] Vgl. Schramm, G. (Hrsg.): Handbuch der Geschichte Russlands. Band III: 1856 – 1945. Von den autokratischen Reformen zum Sowjetstaat. Stuttgart 1983. S. 171 – 190.

[63] So will ich nur auf einige markante Ereignisse eingehen, die das griechisch-türkisch/osmanische Verhältnis in der Folgezeit belasten sollten. In der ersten griechischen Nationalversammlung in Piada bei Epidauros wird die Unabhängigkeit des hellenischen Volkes verkündet und eine Deklaration verabschiedet, die in ihren Grundzügen der französischen Verfassung von 1793 nachempfunden ist. Auf der Nationalversammlung wird erkennbar, dass der griechische Freiheitskampf nicht nur mit einer Stimme spricht. Machtkämpfe und Zwistigkeiten brechen unter den verschiedenen Lagern aus, die in den Folgejahren in bürgerkriegsähnliche Situationen münden. Oft ist allein der Kampf gegen die Türken die einzige Klammer, die die verschiedenen Interessenparteien zusammenhält. Für viele heißt die Reihenfolge 1. Erhalt und Absicherung der eigenen Macht, 2. Schwächung der internen Konkurrenten und erst 3. der Freiheitskampf gegen die Türken. Militärisch gerät der Freiheitskampf der Griechen in die Bredouille. Der Sultan in Istanbul, der militärisch aufgrund der Heeresreform und der Entmachtung der Janitscharen, dem bisherigen Rückgrat der Armee, nur eingeschränkt handlungsfähig ist, schlägt den Khediven (Vizekönig) von Ägypten Mehmed Ali vor sich des Griechenproblems anzunehmen und im Gegenzug Kreta und Morea als Paschaliks zugeteilt zu bekommen. Mehmed Ali, der nominell unter der Oberhoheit des Sultans steht, aber de facto eigenständig agiert willigt ein. Den Oberbefehl über den ,,ägyptischen Feldzug“ erhält Ibrahim Pascha. Kreta fällt rasch in seine Hand und er landet Februar 1825 mit einem Heer von 80. 000 Mann in Methone auf der Peloponnes und nimmt Tripolitsa ein. Im Jahr darauf werden die ätolische Hafenstädte Missolunghi und Athen erobert. Der Fall der beiden Städte wird mit verschuldet durch die Unfähigkeit der griechischen Freiheitskämpfer, besser gesagt ihrer Führer sich hierarchisch zu organisieren und den Kampf zu koordinieren.

[64] Zit. nach Weithmann: Griechenland. S. 174.

[65] Die Mächte Großbritannien, Frankreich und Russland einigen sich mit dem Londoner Vertrag vom Juli 1827 (der ,,Juli-Traktat“) auf ein Kompromisspapier zur Lösung der ,,Griechenlandfrage“. Es sieht eine weitgehende Autonomie Griechenlands vor, lehnt aber eine Souveränität, wie in der Verfassung verankert ab, d.h. Griechenland soll unter der Oberhoheit der Pforte bleiben. Ein Vertragswerk, das sowohl bei den Griechen wie auch bei den Türken auf Ablehnung stößt. Um ihren Forderungen Druck zu verleihen, setzen die Signaturmächte dem Sultan ein Ultimatum und bringen eine gemeinsame Flotte bei Navarino (Hafenstadt in Messenien) in Stellung. Die Zerstörung der osmanischen Flotte im Hafen von Navarino, die ohne eine Kriegerklärung erfolgte, nimmt das Zarenreich als Anlass um im Alleingang die Donau zu überqueren, in osmanische Gebiete vorzudringen und Istanbul zum Friedensdiktat von Adrianopel im Februar 1829 zu zwingen. London und Paris sind brüskiert über das imperialistische Verhalten von Zar Nikolaus und verlangen, dass die Integrität des osmanischen Reiches nicht angetastet werden darf. Für die Osmanen ergibt sich trotz militärischer Unterlegenheit gegenüber Russland diplomatisch die Möglichkeit einen Sieg zu erringen. Die Chance bleibt aber ungenutzt, da die Pforte in Fall Griechenland sich nicht auf London und Paris zu bewegt, sondern beim nicht haltbaren Status quo ante und damit bei der Ablehnung jeglicher Autonomie bleibt. Die starre Haltung Istanbuls und der Druck seitens des Zaren führen zum Zweiten Londoner Protokoll vom 1830.

[66] Eine Karte mit den Grenzen des griechischen Nationalstaates und den europäischen Besitzungen des osmanischen Reiches vor dem Vertrag von Berlin 1878 ist im Anhang als Karte 3 (Seite VI) der Magisterarbeit abgebildet.

[67] Zit. nach Tzermias: Zypern. S. 18.

[68] ebd. S. 18.

[69] Zit. nach Hillenbrand: Cypern. S. 38.

[70] Vgl. Berner: Volk. S. 12f.

[71] Aufgrund der geographischen Lage, der Entfernung zum griechischen Festland und dem hohen Prozentsatz der türkischen Volksgruppe an der Gesamtbevölkerung der Insel ist es höchst unwahrscheinlich, dass ein Aufstand von Erfolg gekrönt gewesen wäre. Dennoch hebt Tzermias die Bedeutung der Insel hervor, indem er schreibt: ,,Der Freiheitsbewegung der Filiki Etäria lag eine großangelegte Strategie zugrunde, die auf dem Gedanken der Mobilisierung der aller Kräfte des Griechentums beruhte. Unter dem Geschichtspunkt dieser Strategie war die Rolle des zypriotischen Griechentums wichtig – auch im Sinne der Ablenkung der Aufmerksamkeit der Pforte vom ,,Herd“ der Revolution..“ Zitiert nach Tzermias: Zypern. S. 10.

[72] Das demonstriert sich u.a. als eine Flottille unter dem Kommando von Konstantinos Kanaris im Juni 1821 auf Zypern frenetisch empfangen wird.

[73] Eine griechischzyprische Dreierdelegation (Pavlos Valsamakis, Charalambos Malis und Dimitrios Frangoudis) übergibt Januar 1828 der festlandsgriechischen Regierung ein Dokument, in der sie den Wunsch vortragen, das die Festlandsgriechen alles Mögliche tun sollen, damit Zypern Teil Griechenlands werden kann.

[74] Vgl. Tzermias: Zypern. S. 20ff.

[75] Vgl. Kallis, I.: Griechenlands Weg nach Europa. Das Ringen um demokratische Strukturen im 20.

Jahrhundert. Münster 1999. S. 81ff. (Künftig zitiert: Kallis: Griechenland)

[76] Vgl. Asmussen: Brüder. S. 151 – 155.

[77] Dazu zählen u.a. die heutigen Staaten Mazedonien, Albanien, weite Teile Serbiens und Bulgariens sowie die türkische Ägäisküste und Istanbul.

[78] Zit. nach Gunnar, H.: Die politischen Parteien in Griechenland 1821 – 1936. Band 1. München 1992. S. 190.

[79] Was den Griechen ihr Panhellenismus ist, sind den slawischen Völkern (Bulgaren, Serben, Rumänen, Russen u.a.) ihr Panslawismus, d.h. die Vereinigung aller slawischen Gebiete und ihre Kontrolle durch die eigene Volksgruppe.

[80] Piller: Krise. S. 12f.

[81] Vgl. Berner: Volk. S. 18 – 23.

[82] Die Krise des Osmanenstaates ist im wesentlichen auf drei Ursachen zurück zuführen, 1. mit dem Aufkeimen von nationalen Emanzipationsbestrebungen, in erster Linie auf dem Balkan, ist das osmanische Reich militärisch schnell überfordert, 2. die Osmanen werden im Zuge der ,,orientalischen Frage“ Spielball der imperialistischen Mächte und 3. die Unfähigkeit eine Industrialisierung nach europäischen Vorbild durchzuführen.

[83] Vgl. Canter, B.: Tendenzen der Moderne im Osmanischen Reich. In: TS, Heft 2 / 1999. S. 175 – 198.

[84] Westliche Ideen werden übernommen und eine partielle Säkularisierung des politischen Lebens setzt ein, um über Modernisierung von Militär und Verwaltung die Schlagkraft des Staates zu erhöhen.

[85] Atatürk urteilt später über die Reformära, alles sei nur halbherzig angepackt worden und ein totaler Bruch mit der Religion und dem Patronagesystem sei nicht gewagt worden. Außerdem findet die Tanzimatbewegung in der breiten Masse der Landbevölkerung keine nennenswerte Unterstützung. Für sie bleibt es unverständlich, dass die Religion ein ,,Gefängnis“ sein soll, die Ursache für die Rückständigkeit. Je weiter eine Säkularisierung vorangetrieben wird, desto größer wird die Entfremdung zwischen beiden Lagern.

[86] Vgl. Matuz: Reich. S. 249 – 261.

[87] Die Unruhen auf dem Balkan, ausgelöst durch einen antitürkischen Aufstand in Bosnien (Juli/August 1875), und die Erhebung in Bulgarien (Mai/September 75) sowie die Kriegserklärungen Serbiens (30. Juni 1875) und Montenegros (2. Juli 1875) an die Hohe Pforte, entzünden das Pulverfass Balkan. Russland, das sich als ideologischer und politischer Führer der slawischen Völker des Balkans sieht, unterstützt die Aufständischen. Das Zarenreich erklärt dem osmanischen Staat den Krieg und geht aus diesem als Sieger hervor. Im Präliminarfrieden von San Stefano diktiert Moskau dem Sultan seine Bedingungen.

[88] Großbritannien und Österreich-Ungarn lehnen das ,,Friedensdiktat“ von San Stefano aus machtpolitischen Gründen ab. Der Präliminarfrieden sieht ein großbulgarisches Reich bis zur Ägäis vor. Ein Reich, das unter russischem Protektorat steht und so zwangsläufig eine permanente Bedrohung der Meerengen darstellen würde. Russland scheut eine Konfrontation mit London und Wien und willigt ein, die Bestimmungen von San Stefano neu zu verhandeln. Bismarck bietet sich ,,als ehrlicher Makler“ an und lädt die Konfliktparteien nach Berlin ein. Auf dem Berliner Kongress einigen sich die Parteien auf einen Kompromiss. Großbritannien kann sich durchsetzen. Russland ist der Verlierer von Berlin. Es muss Teile seines neu hinzugewonnen Macht- und Einflussbereiches an die Osmanen wieder abtreten.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832462741
ISBN (Paperback)
9783838662749
Dateigröße
14.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Münster – Philosophische Fakultät, Politikwissenschaft
Note
1,3
Schlagworte
internationale politik zypernkonflikt nationalismus machtpolitik abhängigkeiten
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Titel: Zypern in seinen Beziehungs- und Konfliktverhältnissen zu Türkei und Griechenland
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