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Eine Analyse der Verschleißmechanismen in der Anwendung der Hüftgelenkendoprothetik unter realistischen Randbedingungen

©2000 Diplomarbeit 141 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Verschleiß ist eine der wichtigsten Hauptursachen von Material- und Bauteilbeschädigungen. Dieser Vorgang ist selbst eine Wirkung der Reibungsprozesse. Das griechische Verb „tribein“ bedeutet Reiben, wovon Tribologie - die Lehre von Reibung, Verschleiß und Schmierung - als einen relativ jungen Wissenschaftszweig stammt. Die Ziele aller tribologischen Untersuchungen werden letztendlich in folgenden Vorhaben zusammengefaßt:
Zusammensetzung aller beteiligten physikalischen und chemischen Parameter und Einflußfaktoren in einem tribologischen System und Festlegung sowie Klassifizierung ihrer Zusammenhänge möglichst in einer bestimmten allgemeingültigen Theorie.
Vorhersage des tribologischen Verhaltens des Systems mit Hilfe der Ergebnisse dieser Theorie.
Schlußfolgerungen in Form von Lösungsansätzen und Verbesserungsvorschlägen zur Verminderung der negativen Folgen der Reibungsvorgänge wie Verschleiß.
Die künstlichen Hüftgelenke sind ebenfalls von den schädlichen Wirkungen des Verschleißes nicht ausgenommen, im Gegensatz stellt der Verschleiß eine grundsätzliche Ursache für die Versagensfälle solcher Implantate, wie Osteolyse und Prothesenlockerung, dar. Im letzten Jahrzehnt wurde sehr erfolgreich an der Weiterentwicklung in Endoprothetik gearbeitet. Die Literatur in diesem Fachgebiet wächst mit zahlreichen Berichten weltweit verschiedener Forschungszentren rasch an. Eine der wesentlichsten Elementen der Forschungsvorhaben aller Akteuren besteht in den Anstrengungen, die Verschleißuntersuchungen am künstlichen Hüftgelenk ständig realitätsnäher zu gestalten. Diese Prüfungen können in mehreren Schritten durchgeführt werden:
Einsatz von bekannten tribologischen Prüfverfahren (Pin-on-Disc, Block-on-Journal, Pin-on-Ring, usw.) sollte insofern vorgenommen werden, als die anfängliche Informationen über Verschleißverhalten der Prüflinge gegeben sind.
Nach dieser Vorstufe kann man kompliziertere, präzisere und realistischere Simulator-Untersuchungen durchführen.
Bei einem erfolgsversprechenden Ergebnis in vitro kann erst mit klinischen Einsätze in vivo gestartet werden.
Es ist leicht zu merken, daß bei zahlreichen Veröffentlichungen keine Übereinstimmung der Ergebnisse aus klinischen Untersuchungen mit denen aus dem Labor vorhanden ist. Der Grund liegt darin, daß die wirklichen Bewegungsabläufe und Belastungsfälle im menschlichen Hüftgelenk außerordentlich kompliziert sind und bisher von keinem Hüftgelenksimulator genau […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 6031
Ahgary, Ahmad: Eine Analyse der Verschleißmechanismen in der Anwendung der
Hüftgelenkendoprothetik unter realistischen Randbedingungen
Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Berlin, Technische Universität, Diplomarbeit, 2000
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

Ahmad Ahgary
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Aufgabenstellung
1.
Einleitung...1
2.
Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe...3
2.1
Mechanische Kennwerte bei Kurzzeitversuche...3
2.1.1
Ermittlung der Kennwerte durch genormte Proben...3
Festigkeitswerte...4
Verformbarkeitswerte...4
Zähigkeitswerte...5
2.1.2
Härtewerte...6
2.2
Mechanische Langzeitverhalten der Werkstoffe...9
2.2.1
Retardations- und Relaxationsverhalten...10
2.2.2
Dauerfestigkeit...11
2.3
Verformungsmechanismen...13
Energie-Elastizität...13
Entropie-Elastizität...15
2.3.1
Verformungsverhalten der kristallinen Strukturen...16
2.3.2
Verformungsverhalten der polymeren Werkstoffe...17
Plastische Verformung von Thermoplasten...20
2.4
Bruchverhalten der Werkstoffe...21
2.4.1
Bruchformen...22
2.4.1.1 Duktil- und Sprödbruch...22
2.4.1.2 Dauerbruch...24
2.4.2
Bruchmechanik...25
2.4.2.1
Linear-elastische Bruchmechanik...25
2.4.2.2
Fließbruchmechanik...27
3.
Physikalische Grundlagen der Verschleißvorgänge...28
3.1
Allgemeines...28
3.2
Tribosysteme ...30
3.2.1
Struktur des Tribosystems...30
3.2.2
Tribologische Beanspruchung...31
3.2.2.1
Kontaktvorgänge...32
Adhäsion...32
Kontaktgeometrie und Kontaktmechanik...33
Werkstoffanstrengung...36
3.2.2.2
Kinematik...38
Bewegungsarten und ­ablauf...39
Kontakt-Eingriffsverhältnis...39
3.3
Beschreibungskriterien eines Verschleißsystems...41
3.3.1
Verschleißmeßgrößen...41

Ahmad Ahgary
Inhaltsverzeichnis
3.3.2
Verschleißerscheinungsformen...44
3.3.3
Verschleißmechanismen...45
3.3.3.1
Adhäsiver Verschleiß...46
3.3.3.2
Abrasiver Verschleiß...47
Dreikörper-Verschleißsystem...49
3.3.3.3
Oberflächenzerrüttung...51
3.3.3.4
Tribologische Reaktionen...53
3.4
Theoretische Betrachtungen für die Berührung Kugel-Pfanne am künstlichen
Hüftgelenk...54
4.
Analyse der Verschleißverhalten des Systems Kugel-Pfanne bei den
Hüftgelenkprothesen unter realistischen Randbedingungen...58
4.1
Materialbedingte Randbedingungen...60
4.1.1 Verschleißanalyse bei den Metall-Metall-Gleitpaarungen...61
4.1.1.1 Verschleißmeßgrößen...62
4.1.1.2 Analyse der Verschleißcharakteristik und der Verschleißmechanismen...64
4.1.1.3 Analyse der Partikelcharakteristik bei den Ganzmetallprothesen...68
4.1.2
Verschleißanalyse bei den Keramik-Keramik-GleitPaarungen...69
4.1.2.1 Verschleißmeßgrößen...72
4.1.2.2 Analyse der Verschleißcharakteristik und der Verschleißmechanismen...72
4.1.2.3 Analyse der Partikelcharakteristik bei den Keramik/Keramik-Paarungen...76
4.1.3
Verschleißanalyse bei den Metall-Kunststoff-GleitPaaungen...77
4.1.3.1 Verschleißmeßgrößen...77
4.1.3.2 Analyse der Verschleißcharakteristik und der Verschleißmechanismen...77
Metallbezogene Verschleißvorgänge bei Metall/Kunststoff-Paarungen...78
Adhäsiver Verschleiß bei Metall/Polyethylen-Paarung...79
Abrasiver Verschleiß bei Metall/Polyethylen-Paarung...80
Verschleißcharakteristik bei Polyethylenkomponenten...81
Makroskopische und mikroskopische Verschleißmechanismen auf UHMWPE-Oberfläche...84
4.1.4
Verschleißanalyse bei den Keramik-Kunststoff-GleitPaarungen...86
4.1.4.1 Verschleißmeßgrößen...87
4.1.4.2 Analyse der Verschleißcharakteristik und der Verschleißmechanismen...87
4.2
Konstruktionsbedingte Randbedingungen...89
4.2.1
Geometriebedingte Randbedingungen...89
4.2.1.1 Spiel und Verschleiß...89
4.2.1.2 Kopfdurchmesser und Verschleiß...90
4.2.1.3 Wanddicke der Pfannenkomponente und Verschleiß...92
4.2.1.4 Lage des Mittelpunktes und Verschleiß...93
4.2.2
Designsbedingte Randbedingungen...93
4.3
Einsatz- und Versuchsbedingte Randbedingungen...95
4.3.1
Belastungsbedingte Randbedingungen...95
4.3.1.1 Gewicht des Patienten und Verschleiß...95
4.3.1.2 Aktivitätsgrad des Patienten und Verschleiß...97
4.3.1.3 Besondere Belastungsfälle und Verschleiß...98
4.3.2 Kinematikbedingte
Randbedingungen...98
4.3.2.1 Bewegungsumfänge und Verschleiß...98
4.3.2.2 Anlaufvorgänge und Verschleiß...98

Ahmad Ahgary
Inhaltsverzeichnis
4.3.2.3 Konditionen bei Kugel-Pfanne-Anordnung im Simulator...99
4.3.3 Temperaturbedingte Randbedingungen...99
4.3.4 Schmierungsbedingte Randbedingungen...100
4.3.4.1 Art des Schmiermittels und Verschleiß...102
4.3.4.2 Konzentration und Zusammensetzung vom Serum und Verschleiß...103
4.3.4.3 Verteilung des Schmiermittels auf der Gleitfläche und Verschleiß...103
4.4
Fertigungsbedingte Randbedingungen...104
4.4.1
Oberflächenqualität und Verschleiß...104
4.4.2
Formgenauigkeiten und Verschleiß...105
4.4.3
Materialreinheiten und Verschleiß...106
4.4.4
Verarbeitungstechniken und Verschleiß...106
4.4.5
Oberflächenmodifikationen und Verschleiß...107
4.4.6
Vernetzungstechniken der Polymere und Verschleiß...108
4.5
Sterilisations- und Lagerungsbedingte Randbedingungen...112
4.5.1 Sterilisationsverfahren und Verschleiß...112
4.5.2 Alterung und Verschleiß...113
4.6
Handhabungsbedingte Randbedingungen...114
4.6.1 Lage der Kratzer und Verschleiß...115
4.6.2 Häufigkeit der Kratzer und Verschleiß...115
4.6.3 Geometrie der Kratzer und Verschleiß...115
4.7
Operationstechniksbedingte Randbedingungen...117
4.7.1
Verbindungstechnik und Verschleiß...117
4.7.2 Pfannenpositionierung und Verschleiß...118
4.7.3 Revisionsstrategien und Verschleiß...120
5. Zusammenfassung und Ausblick...122
6.
Anhang...125
Formelzeichen...125
Nomenklatur...126
7. Literaturverzeichnis
128
Danksagung

Ahmad Ahgary
Einleitung
1
1. Einleitung
Verschleiß ist eine der wichtigsten Hauptursachen von Material- und Bauteilbeschädigungen.
Dieser Vorgang ist selbst eine Wirkung der Reibungsprozesse. Das griechische Verb ,,tribein"
bedeutet Reiben, wovon Tribologie - die Lehre von Reibung, Verschleiß und Schmierung - als
einen relativ jungen Wissenschaftszweig stammt. Die Ziele aller tribologischen
Untersuchungen werden letztendlich in folgenden Vorhaben zusammengefaßt:
·
Zusammensetzung aller beteiligten physikalischen und chemischen Parameter und
Einflußfaktoren in einem tribologischen System und Festlegung sowie Klassifizierung
ihrer Zusammenhänge möglichst in einer bestimmten allgemeingültigen Theorie.
·
Vorhersage des tribologischen Verhaltens des Systems mit Hilfe der Ergebnisse dieser
Theorie.
·
Schlußfolgerungen in Form von Lösungsansätzen und Verbesserungsvorschlägen zur
Verminderung der negativen Folgen der Reibungsvorgänge wie Verschleiß.
Die künstlichen Hüftgelenke sind ebenfalls von den schädlichen Wirkungen des Verschleißes
nicht ausgenommen, im Gegensatz stellt der Verschleiß eine grundsätzliche Ursache für die
Versagensfälle solcher Implantate, wie Osteolyse und Prothesenlockerung, dar. Im letzten
Jahrzehnt wurde sehr erfolgreich an der Weiterentwicklung in Endoprothetik gearbeitet. Die
Literatur in diesem Fachgebiet wächst mit zahlreichen Berichten weltweit verschiedener
Forschungszentren rasch an. Eine der wesentlichsten Elementen der Forschungsvorhaben aller
Akteuren besteht in den Anstrengungen, die Verschleißuntersuchungen am künstlichen
Hüftgelenk ständig realitätsnäher zu gestalten. Diese Prüfungen können in mehreren Schritten
durchgeführt werden:
·
Einsatz von bekannten tribologischen Prüfverfahren (Pin-on-Disc, Block-on-Journal, Pin-
on-Ring, usw.) sollte insofern vorgenommen werden, als die anfängliche Informationen
über Verschleißverhalten der Prüflinge gegeben sind.
·
Nach dieser Vorstufe kann man kompliziertere, präzisere und realistischere Simulator-
Untersuchungen durchführen.
·
Bei einem erfolgsversprechenden Ergebnis in vitro kann erst mit klinischen Einsätze in
vivo gestartet werden.
Es ist leicht zu merken, daß bei zahlreichen Veröffentlichungen keine Übereinstimmung der
Ergebnisse aus klinischen Untersuchungen mit denen aus dem Labor vorhanden ist. Der
Grund liegt darin, daß die wirklichen Bewegungsabläufe und Belastungsfälle im

Ahmad Ahgary
Einleitung
2
menschlichen Hüftgelenk außerordentlich kompliziert sind und bisher von keinem
Hüftgelenksimulator genau nachgeahmt werden konnten. Des weiteren stimmen meistens die
anderen Randbedingungen, wie die bei Fertigung oder Sterilisation usw., bei
unterschiedlichen Prüfkategorien nicht vollständig überein. Eine wesentliche Aufgabe für eine
systematische Durchführung der Verschleißprüfungen ist daher durch die Erkennung und
Klassifizierung der in der Realität vorkommenden Randbedingungen in der Hüftendoprothetik
gekennzeichnet.
Diese Arbeit soll eine der ersten Versuche in diesem Gebiet darstellen. Es handelt sich vor
allem um einen Überblick in die theoretischen Grundlagen der Verschleißuntersuchungen. In
einer spezifischen Betrachtung des Kugel-Pfanne-Artikulationssystems werden für eine
Verschleißuntersuchung denkbare Randbedingungen aufgelistet, unter welchen die
Verschleißmechanismen dargestellt werden. Es wird anschließend durch eine vergleichende
Analyse mit Hilfe von einer umfangreichen Literaturrecherche gezeigt, welche Änderungen
im Verschleißverhalten eines Kugel-Pfanne-Systems unter diesen Randbedingungen
auftreten.

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe 3
2. Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe
Eine Untersuchung der Verschleißvorgänge in einem System setzt das Verständnis
zahlreicher werkstofftechnischer Grundbegriffe voraus. Der Verschleiß ist ein sehr komplexer
Vorgang, der keineswegs in einer einfachen Weise nur durch Ermittlung eines
Werkstoffkennwertes, oder mehreren davon, beschrieben werden könnte. Hierbei werden
diejenigen Kennwerte bzw. Begriffe erläutert, die eine Relevanz zum Hauptthema darstellen
und die Erklärung der Verschleißmechanismen vervollständigen. In diesem Zusammenhang
sind die Kennwerte zur Beschreibung der mechanischen Eigenschaften der metallischen und
nichtmetallischen Werkstoffe, wie Festigkeits-, Verformbarkeits-, Härtewerte,..., einerseits,
und eine Wiedergabe der bekannten Verformungsmechanismen sowie die Betrachtung des
Bruchverhaltens bei den Metallen und Kunststoffen, andererseits, von großer Bedeutung.
2.1 Mechanische Kennwerte bei Kurzzeitversuche
Viele mechanische Verhalten der Werkstoffe sind temperatur- und zeitabhängig. Die
Zeitabhängigkeit der Eigenschaften ist besonderes bei den Verformungsverhalten der
Kunststoffe, aber auch bei den Metallen stark ausgeprägt. Aus diesem Grund ist es sinnvoll,
die Kurzzeit- bzw. Langzeitverhalten der Werkstoffe mit den zugehörigen Prüfungsmethoden
getrennt in Betracht zu ziehen.
2.1.1 Ermittlung der Kennwerte durch genormte Proben
Eine der üblichsten Kurzzeit-Prüfungsmethoden, die die Ermittlung der mechanischen
Kennwerte zum Ziel hat, ist durch den Zugversuch gegeben. Um eine quantitative
Vergleichbarkeit aller Materialkennwerte zu realisieren, ist es notwendig, die Versuche unter
einheitlichen und definierten Bedingungen mit genormten Proben aus zu prüfenden
Materialien durchzuführen. Die Proben sollen hierbei quasistatisch, d.h. mit einer langsamen
Beanspruchungsgeschwindigkeit, unter einer einachsigen Zugkraft belastet werden. Die
Ergebnisse werden in Spannungs-Dehnungs-Diagramme (
- -
Diag.) zusammengefaßt. In
Abhängigkeit von Gitterstrukturen sowie vorhandenen Fremdatomen, die Legierungselemente
darstellen, werden mit der Aufnahme dieser Diagramme unterschiedliche mechanische
Verhaltensweise der Materialien nachgewiesen. Die Festigkeits- bzw.
Verformbarkeitskennwerte werden mit Hilfe von diesem Diagram (Abb. 2.1) ermittelt.

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe 4
Festigkeitswerte
Unter der Festigkeit versteht man den Widerstand des Werkstoffes gegen plastische
Verformung (bei duktilen Werkstoffen) oder den Widerstand gegen Bruch (bei spröden
Werkstoffen). Die Dehngrenze R
p
(R
p0.2
oder R
p0.01
) stellt als Vereinbarung den Übergang
von elastischen in plastischen Bereich dar. Dieser Kennwert ist die Spannung bei einer
bleibenden Dehnung von 0.2% oder 0.01%. Bei manchen Werkstoffen (wie Stahl oder
Polyethylen) weist dieser Übergang keinen kontinuierlichen Verlauf auf und die plastischen
Formänderungen werden durch einen Spannungsabfall begleitet. In diesen Fällen spricht man,
statt Dehngrenzen, von einer Streckgrenze. Während der plastischen Verformung steigt die
Spannung bis zu einem Maximalwert, was wir als Zugfestigkeit (R
m
) bezeichnen. Nach dem
Auftreten von Querschnitteinschnürrungen wird die Festigkeit bis zur vollständigen
Werkstofftrennung (Bruch) abfallen.
Abb. 2.1- Mechanische Kennwerte in einem Spannungs-Dehnungs-Diagramm [13]
A- mit Dehngrenze
B- mit Streckgrenze
Verformbarkeitswerte
Die Duktilität (plastische Verformbarkeit) des Werkstoffes wird durch die Bruchdehnung A
beurteilt. Bei den spröden Werkstoffen mit sehr kleinen Bruchdehnungen (Abb. 2.2) stimmen
Zugfestigkeit und Dehngrenze überein (R
p
/ R
m
1).
Unter Steifigkeit versteht man den Widerstand des Werkstoffes gegen elastische Verformung.
Die quantitative Bewertung der Steifigkeit wird durch den E-Modul (E = tan
:
Steigung der
Hoock'schen Gerade
)
angegeben. Während bei den Metallen mit energie-elastischen
Verformungsvorgängen das E-Modul konstant ist, stellt aber dieser Kennwert bei den
Kunststoffen mit temperatur- und zeitabhängigen Verformungsmechanismen eine
veränderliche Größe dar.

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe 5
Abb. 2.2- Vergleich der
- -
Diagramme bei einem spröden (links) und einem duktilen Werkstoff (rechts)
Zähigkeitswerte
Neben Festigkeit und Verformbarkeit kommt der Begriff Zähigkeit als eine komplexe
Werkstoffeigenschaft in Betracht. Unter der Zähigkeit versteht man den allgemeinen
Widerstand gegen Bruch ohne jegliche Betrachtung der Mechanismen, die zu diesem Bruch
geführt hat. Die Zähigkeit wird quantitativ durch die Fläche unter der Spannungs-Dehnungs-
Kurve dargestellt. Sie gibt die Höhe der aufgenommenen plastischen Verformungsenergie bis
zum Bruch des Werkstoffes wieder. Der Abb. 2.3 zeigt schematisch, daß harte Werkstoffe in
der Regel mit ihren niedrigen Bruchdehnung eine deutlich geringere Verformungsenergie bis
Abb. 2.3- Vergleich der Verformungsenergien bei einem spröden und einem duktilen Werkstoff [51]
zum Bruch im Vergleich zu den duktilen Werkstoffen aufnehmen. Außer der Festigkeit und
der Duktilität des Werkstoffes können die Beanspruchungsbedingungen auch die Zähigkeit
sehr stark beeinflussen. So verhält sich ein duktiler Werkstoff unter einer dynamischen
schlagartigen Beanspruchung sprödbruchempfindlicher als bei einer statischen oder
quasistatischen Zug- oder Druckbelastung. Aus diesem Grund ist es sehr schwierig, die
Zähigkeitskennwerte bei den duktilen Werkstoffen rechnerisch zu ermitteln. Es stehen aber

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe 6
für diese Materialien die Kerbschlagbiegeversuche zur Beurteilung ihrer Zähigkeiten zur
Verfügung. Die Höhe der geleisteten Arbeit zum Zerschlagen von genormten Proben gibt die
Zähigkeit des Werkstoffes wieder (Abb. 2.4). Sie ist abhängig von den Materialeigenschaften,
aber auch von der Versuchstemperatur, der Hammergeschwindigkeit bzw. dem
Spannungszustand innerhalb des Materials. Die Proben sind mit den Kerben vorgesehen, um
einen mehrachsigen Spannungszustand zu verursachen. Diese Mehrachsigkeit der
Spannungen bewirkt eine Begünstigung der Sprödbruchempfindlichkeit der Proben.
Abb. 2.4- Prinzip der Ermittlung der Zähigkeit von Proben [62] : A
v
= m . g. (H-h)
A
v
: an der Probe geleistete Schlagarbeit, m: Hammermasse
Man kann aber bei einem reinen spröden Verhalten, wie es bei den Keramiken der Fall ist,
einen rechnerischen Nachweis der Sprödbruchsicherheit der Werkstoffe durch die Ermittlung
der Rißzähigkeit K
Ic
vornehmen. Dieser Kennwert erlaubt die Berechnung einer kritischen
Belastung, deren Überschreitung einen Sprödbruch auslöst. Die Rißzähigkeit K
Ic
ist mit der
Nennspannung
und der Rißlänge a durch die folgende Beziehung verknüpft:
K
Ic
=
.
Y .a
1/2
[51, 13, 119, 156]
indem Y ein von der Geometrie der Probe abhängiger Faktor darstellt .
Im allgemeinen hat die Rißzähigkeit für das Verschleißverhalten der Werkstoffe eine große
Bedeutung.
2.1.2 Härtewerte
Härte gehört zu den mechanisch-technologischen Werkstoffeigenschaften, mit deren Hilfe
man zugleich einen Rückschluß auf andere, besonderes Festigkeitskennwerte, ziehen kann.

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe 7
Das Verfahren der Härtemessung benötigt deutlich geringeren Aufwand im Vergleich zu den
im Abschnitt 2.1.1 erwähnten Methoden, die eine Zerstörung der genormten Proben zur Folge
haben. Die meisten Härteprüfverfahren sind fast zerstörungsfrei und daher bei den
tatsächlichen Bauteilen einsetzbar. Bei den meisten Härteprüfverfahren wird die plastische
Verformbarkeit der Oberflächenbereiche des Werkstoffes ausgenutzt. Als Härte wird der
Widerstand eines Werkstoffes gegen das Eindringen eines anderen Prüfkörpers bezeichnet.
Bei einer statischen Härteprüfung wird ein genormter Eindringkörper mit einer konstanten
Prüfkraft auf der Werkstückoberfläche gedrückt. Der Prüfkörper hinterläßt nach einiger Zeit
ein bleibender Eindruck auf der Oberfläche. In Abhängigkeit von dem eingesetzten
Prüfverfahren kann man als Meßgröße die Eindrucksfläche oder Eindringtiefe nehmen. Die
aus dem Quotienten der Prüfkraft zur Eindrucksfläche berechneten Härtewerte besitzen somit
die Dimension des Druckes.
Die wichtigsten Härteprüfverfahren sind nach Brinell, Vickers und Rockwell gegeben. Für die
Prüfung der polymeren Werkstoffen mit Ausnahme des Vickersverfahrens, mit dem eine
große Palette der Werkstoffe, von weich bis hart, untersucht werden können, ist das Verfahren
nach Shore auch von großer Bedeutung. Bei den Kunststoffen ist die Härte in der Regel durch
den Widerstand gegenüber elastisch-plastischen Verformungen gegeben. Eine
Universalhärtemessung ermöglicht, neben der plastischen auch die elastischen
Verformungsanteile zu erfassen. Mit diesem Verfahren kann man ebenso alle Werkstoffe, von
sehr harten Metallen bis zu gummielastischen Kunststoffen, untersuchen. In der Tab. 2.1 sind
die fünf wichtigsten Verfahren mit einander verglichen.
In der Praxis können die mit den unterschiedlichen Verfahren gemessenen Härtewerte
ineinander umgerechnet werden, da theoretisch gesehen, die Härte eine reine
Materialeigenschaft darstellt. Diese Umrechnungen sind aber nur für einige Prüfverfahren mit
Einschränkungen möglich, weil die Härteeindrücke durch unterschiedliche, meist inhomogene
Verformungen (elastische, elastisch-plastische oder plastische Anteile) hervorgerufen werden.
Bei der Prüfmethode nach Vickers wird nach den Vorschriften einen Diamantpyramide mit
einem Spitzenwinkel von 136° als Eindringkörper verwendet. Die Tangente der Brinellkugel
schließen den Spitzenwinkel ein (Abb. 2.5), wodurch die gemessenen Brinell- und
Vickershärtewerte übereinstimmen.
Bei den Verschleißuntersuchungen ist es einfach festzustellen, daß die Oberflächenhärte einen
großen Einfluß auf das Verschleißverhalten des Werkstoffes hat. Mit der Betrachtung der
Tatsache, daß die Festigkeit einen Widerstand gegenüber plastischer Verformung und Bruch
darstellt, ist es leicht nachvollziehbar, daß mit ansteigender Härte und zunehmender

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe 8
Verfahren
Brinell
HB
Vickers
HV
Rockwell
HRB/HRC
Universal
HU
Shore
Shore A/D
Norm
DIN EN 1003
DIN EN ISO6507
DIN EN 10109
DIN 50539
DIN 53505
Vorgehen
- nach
Prüfkraftrück-
nahme messen des
Kalotten-
durchmessers
- Härtewert
aus Tabelle
- nach
Prüfkraftrück-
nahme messen
der Diagonalen
- Härtewert aus
Tabelle
- nach
Wegnahme der
Hauptlast
automatische
Registrierung
der
Eindringtiefe
- unter wirkender
Prüfkraft werden
während des
Prüfablaufes die -
Wertepaare
- Kraft/Eindring-
tiefe registriert
- nach der
Entlastung
Registrierung
der Eindringtiefe
- Direkte
Ablesung in
Shore-Einheiten
Prüfkörper
Stahlkugel/
Hartmetallkugel
Vierseitige
Diamant-
pyramide
Diamantkegel
(C) / Stahlkugel
(B)
Vierseitige
Diamant-pyramide
Kegel (D) /
Halbkegel (A)
aus Stahl
Einsatz
- Weiche
Werkstoffe
- Grobes Gefüge
Von dünnen
Schichten bis zu
Hartstoffen
Überwiegend
für sehr harte
Metalle
Alle Werkstoffe
von Elastomeren
bis zu Hartstoffen
Elastomere und
thermoplaste
Kunststoffe
Besonder-
heit
- Umwertung in
HV; HRC; R
m
möglich
-Belastungsgrad
nötig
(0.102 F/D²)
Lastbereiche:
-Mikrohärte
-Kleinlast-härte
-Makrohärte
Geringe
Oberflächen-
vorbereitung
möglich
Elastische und
plastische Anteile
der Härte erfasst;
Eine Skala für alle
Werkstoffe
Rein- elastische
Verformung
erfassbar
Tab. 2.1- Vergleich der verschiedenen Härteprüfverfahren [62, 51]
Rißzähigkeit der Verschleißwiderstand erhöht wird, falls die stoffliche Wechselwirkungen
zwischen den am Verschleiß beteiligten Elementen keine Rolle spielen. Obwohl die
Kennwerte Härte und Rißzähigkeit die Verschleißeigenschaften beeinflussen, ist aber keine
allgemeingültige Beziehung zwischen den beiden Kennwerten aus der Literatur festzustellen.
In der Tab. 2.2 sind drei in der Hüftgelenkimplantologie übliche Werkstoffe mit reinem Eisen
bezüglich Härte- und K
Ic
­Werte gegenübergestellt.

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe 9
Abb. 2.5- Geometrische Verhältnisse von den Eindringkörpern nach Brinell und Vickers [51]
(V: verformtes Volumen unter Eindringkörper)
Werkstoff
Härte
[HB; HV]*
K
Ic
[N/mm
3/2
]**
CoCrMo-Leg.
260
TiAl 6 V 4
300
1700
Aluminiumoxid
2300
126
Zirkonoxid
1000
380
Tab. 2.2- Gegenüberstellung einiger Implantatwerkstoffe bezüglich Härte und Rißzähigkeit [51, 140, 156]
* alte Bezeichnung: daN/mm² (1 HV = 1 HB = 1 daN/mm² = 10 N/mm²)
** neue Einheit: Mpa m
1/2
(1 Mpa m
1/2
= 31.6 . N/mm
3/2
)
2.2 Mechanische Langzeitverhalten der Werkstoffe
Zur Überprüfung der Zeitabhängigkeit der mechanischen Eigenschaften von
unterschiedlichen Werkstoffen stehen eine Reihe von Prüfmethoden zur Verfügung. Während
die Verformungen bei den Kunststoffen in unteren Temperaturbereichen eine starke
Zeitabhängigkeit aufweisen, werden die metallischen Werkstoffe nur bei hohen Temperaturen
(T
> 0.3 T
s
) unter unveränderten Beansprungsbedingungen mit der Zeit gedehnt. Diese
zeitabhängigen Verformungsprozesse bei konstanter Langzeitbeanspruchung bezeichnet man
als Kriechen. Bei Untersuchung der Verschleißmechanismen im System Kugel-Pfanne von
künstlichen Hüftgelenken besitzen die Kriechvorgänge der Metalle mit kristalliner Struktur
eine untergeordneten Bedeutung. Von großer Bedeutung ist aber in diesem Zusammenhang
das Langzeitverhalten der Kunststoffe, besonderes mit amorphen bzw. teilkristallinen
Strukturen (wie Polyethylen). Das unterschiedliche Kriechverhalten von amophen und
kristallinen Werkstoffen, besonderes bei amorphen und teilkristallinen Thermoplasten, basiert
auf unterschiedlichen Verformungsmechanismen. Diese Mechanismen sind bei den
Kunststoffen viskoser bzw. viskoelastischer Natur, während sie bei den Metallen überwiegend
durch die Gitterdefekte, die eine Abweichung von regelmäßiger Anordnung der
Kristallstruktur aufweisen, verursacht werden. Die Langzeitprüfungen Retardation und
Relaxation beziehen sich im folgenden Abschnitt auf spezifisches, zeitabhängiges

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe 10
Kunststoffverhalten.
2.2.1 Retardation- und Relaxationsverhalten
Mit Hilfe von Retardationsversuchen nimmt man in Form sog. Kriechkurven die
Formänderung des Kunststoffes bei konstanter Belastung über einer längeren Zeit auf. Diese
Prüfungsmethode ist sinnvoll, weil viele Kunststoffe in dem praktischen Einsatz bei langer
Belastungsdauer relativ zum Kurzzeitverhalten ein unterschiedliches mechanisches Verhalten
aufweisen. So kann ein Material, dessen Spannungs-Dehnungs-Diagramm bei kurzzeitiger
Belastung einen hartelastischen Zustand angibt, sich bei langer Belastungsdauer
weichelastisch-plastisch verhalten. Ein Extremfall für solche Kriecherscheinungen wird in der
Literatur als Kaltfluß (cold flow) bezeichnet. Der Kaltfluß kann erfolgen, falls das Material
über eine lange Zeitspanne unter der Wirkung des Eigengewichts, innerer Eigenspannungen
oder äußerer Belastungen liegt. Diese Eigenschaft kommt bei den duromeren Kunststoffen,
die eine hohe Vernetzungsgrad besitzen, nicht in Betracht.
Außer den Retardationsversuchen dienen zur Erfassung der Zeitabhängigkeit des
mechanischen Verhaltens noch weiteren Prüfmethoden. Der Relaxationsversuch stellt einer
der wichtigsten derartigen Verfahren dar. Die elastische Verformung wird besonderes bei
Thermoplasten von einer plastischen Verformung überlagert, die durch das Abgleiten der
Molekülketten aus den Haftpunkten hervorgerufen wird. Dabei läßt die der Zugspannung
entgegenwirkende Kraft nach. Diese Erscheinung wird Relaxation (Erschlaffung) genannt.
Abb. 2.6- Spannungs-
Dehnungs-Verhalten
der Kunststoffe bei
Langzeitbeanspruchung
[13]

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe 11
Die Relaxationsvorgänge werden mit zunehmender Temperatur, mit zunehmendem
Verformungsgrad und mit zunehmender Verformungsdauer gefördert. Ein zunehmender
Vernetzungsgrad behindert aber diesen Vorgang. Bei einem Relaxationsversuch bestimmt
man den Spannungsabfall bei konstanter Dehnung über einen längeren Zeitraum im sog.
Zeitstandschaubild. Um dem Konstrukteur die Handhabung solcher Werkstoff-Kennlinien zu
erleichtern, werden sie meist in ein anderes Diagramm transformiert. So sind neben den
Kriechkurven (
=
f (t),
=
const.) und Zeitstandschaubildern (
=
f (t),
=
const.) auch sog.
isochrone Spannungs-Dehnungs-Diagramme (
=
f (
),
t
=
const.) gebräuchlich (Abb. 2.6).
2.2.2 Dauerfestigkeit
Alle sich bewegenden Teile sind regelmäßigen oder unregelmäßigen Be- und Entlastungen
ausgesetzt. Man spricht von einer dynamischen Belastung. Verwendet man die Kennwerte des
Zugversuches (R
m
, R
p
) für Festigkeitsrechnungen, so können nur Bruchteile dieser
Spannungen als zulässige Werte betrachtet werden. Die Dauerfestigkeit wird für viele
Werkstoffe experimentell ermittelt. Die Materialproben werden dabei schwingend belastet,
wobei die zeitliche Änderung der Spannungen, mit bestimmten Amplituden, in Wirklichkeit
auftretende Belastungen simulieren können. Bei den Prüfeinrichtungen wird durch eine
rotierende Unwucht eine Zug-Druck-Belastung der Probe erzeugt. Im Idealfall lassen sich die
Schwingungen in einer sinusförmigen Spannung-Zeit-Kurve darstellen (Abb. 2.7).
Abb. 2.7- Die Spannung-Zeit-Kurve
bei Schwinglast [62]
Abb. 2.8- Wöhler-Diagramm mit
Grenzen der
Bruchwahrscheinlichkeiten [62]

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe 12
Eine Periode wird hierbei als ein Lastspiel bezeichnet. Das Ergebnis wird in einem sog.
Wöhler-Diagramm erfaßt, bei dem die Spannungsamplitude in Abhängigkeit von der
Lastspielzahl (meist 10
7
) dargestellt wird. Die optimale Lastspielzahlen werden dort
ausgewäht, wo der horizontale Verlauf der Wöhlerkurve anfängt. Weist der Werkstoff mit
zunehmenden Lastspielzahlen keinen horizontalen Verlauf der Kurve auf, so wird eine
willkürliche Grenze für die maximale Lastspielzahl und zugehörige Dauerfestigkeit gesetzt.
Nimmt man die Wöhlerkurven für unterschiedliche Bruchwahrscheinlichkeiten auf, so sind
drei Festigkeitsgebiete von einander zu unterscheiden. Eine Sicherheit gegen Bruch liegt nur
im Dauerfestigkeitsgebiet (III) vor (Abb. 2.8). Jedes Wöhler-Diagramm wird nur für eine
definierte Mittelspannung
m
aufgezeichnet. Um das Verhalten im gesamten Bereich der
Dauerschwingbeanspruchung zu erfassen, müssen mehrere Wöhlerkurven mit
unterschiedlichen
m
ermittelt werden. Die erhaltenen Werte nimmt man in einem
Dauerfestigkeitsdiagramm nach Smith auf (Abb. 2.9). Aus dem Diagramm läßt sich die
Dauerschwingfestigkeit in Abhängigkeit von jeder vorgegebenen Mittelspannung entnehmen.
Die Ermüdungsmechanismen an der Oberfläche spielen bei der Bestimmung des
Verschleißverhaltens eine große Rolle. Die Wichtigkeit der Dauerfestigkeit dürfte in diesem
Zusammenhang sowohl bei den Metallen als auch bei den Polymeren nicht außer Acht
genommen werden.
Abb. 2.9- Smith-Diagramm
[125]

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe 13
2.3 Verformungsmechanismen
Deformationen können reversibel oder irreversibel sein. Reversibel oder elastische
Verformungen verschwinden bei Entlastung des Werkstückes. Irreversible Deformationen
bleiben aber erhalten. Während reversible Formänderungen auf energie-elastischen oder
entropie-elastischen Vorgängen basieren, beruhren irreversible Verformungen auf plastischen
oder viskosen Prozesse (Abb. 2.10). Kristalline Strukturen (Metalle, Keramiken) reagieren auf
mechanischen Beanspruchung vorwiegend mit energie-elastischen und plastischen
Deformationen. Das Verformungsverhalten amorpher Strukturen ist dagegen wesentlich
Abb. 2.10- Unterteilung der Deformationen nach der Art, den Mechanismen und Strukturen
komplexer. Für amorphe Ketten- oder Netzwerkstrukturen (Kunststoffe) sind neben energie-
elastischen Vorgängen vor allem entropie-elastische und viskose Formänderungen bzw.
Kombinationen von ihnen (visko-elastisch) typisch.
Energie-Elastizität
Durch eine mechanische Belastung werden im Werkstoff Reaktionskräfte hervorgerufen, die
Deformation
Art
Mechanismen
Reversibel
Irreversibel
Energie-
elastisch
Entropie-
elastisch
Plastisch
Viskose
Werkstoffe
Metalle
Keramiken
Kunststoffe
Metalle
Kunststoffe
Kunststoffe
Strukturen
Kristallin
amorph
Kristallin
amorph

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe 14
mit den äußeren Belastungen im Gleichgewicht stehen. Mikrostrukturell werden in einem
Kristallgitter durch solche Reaktionskräfte die Atomabstände bei einer Normalbeanspruchung
geändert oder die Gitterebenen um einen bestimmten Winkel bei einer Schubbeanspruchung
verdreht. Da diese Abstands- bzw. Winkeländerungen eine lineare Funktion von Normal-
bzw. Schubspannungen sind, stellen sie nach der Entlastung des Werkstückes ihren
ursprünglichen Gleichgewichtszustand in unbelasteter Form wieder her. Mit der elastischen
Dehnung eines Stabes (Abb. 2.11) ist eine elastische Querschnittsverminderung (Querdehnug
q
= (d
0
­d`)/ d
0
) =
d/d
0
) verbunden. Das Verhältnis von Längsdehnung zu Querdehnung wird
als Querkontraktionszahl
µ
bezeichnet (µ =
q
/
l
). Wird ein Körper der Höhe l
0
und des
Querschnitts A
0
entsprechend Abb. 2.12 durch Schubspannungen
= F/ A
0
belastet, so wird
die obere Fläche um das Maß x bzw. um die Schiebung
= x / l
0
reversibel verschoben. Auch
hierfür gilt, in Analogie zum Hookeschen Gesetz bei einachsiger Normalbelastung
(
= . ),
mit
= G .
der lineare Zusammenhang zwischen Beanspruchung und
Deformation. Die elastische Konstante G (Schubmodul) gibt den Materialwiderstand gegen
energie-elastische Schubverformung an. Zwischen den elastischen Konstanten E und G
besteht folgender Zusammenhang: G = E / [2(1+µ)].
Abb. 2.11- Energie-elastische
Verformung bei
Normalspannung [13]
Abb. 2.12- Energie-
elastische Verformung
bei Schubspannung
[119]

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe
15
Neben der Reversibilität stellt die Zeitunabhängigkeit der energie-elastischen Vorgänge ein
weiteres Merkmal dieser Deformationen dar. Die Größe einer Verformung nach diesem
Mechanismus hängt nur von der Beanspruchungshöhe, nicht jedoch von der
Beanspruchungsgeschwindigkeit oder ­dauer, ab. Reversible Verformungen sind bei
kristalliner Materie stets, bei amorpher Materie nur bei Temperaturen deutlich unterhalb der
Glastemperatur, bei der eine Erweichung des Werkstoffes stattfindet, energie-elastisch.
Entropie-Elastizität
Die kettenförmigen Makromoleküle bei amorphen Strukturen liegen im unbeanspruchten
Zustand in geknäuelter Form vor und sind in größeren Abständen miteinander durch
Primärbindungen (Vernetzungen) verknüpft. Die Primärbindungen sind die innenmolekülaren
Verbindungen, deren Auflösung zu einem Molekülzerfall führt. Sekundärbindungen stellen
dagegen die Verbindungen zwischen den Molekülsegmenten dar, die für den Agregatzustand
des Stoffes verantwortlich sind. Bei einer Temperatur oberhalb der Glastemperatur werden
die Molekülsegmente zwischen den einzelnen Vernetzungspunkten beweglicher und lassen
sich besser verformen. Bei einem erhöhten Vernetzungsgrad finden die Bewegungen der
Molekülsegmente mit größeren Behinderungen statt. So ist beispielsweise ein duroplaster
Kunststoff mit engmaschiger Vernetzung der Molekülketten hinsichtlich mechanischer
Eigenschaften viel härter und spröder als diejenigen, die einen geringeren Vernetzungsgrad
aufweisen. Eine Streckung der Molekülkette infolge der äußeren Belastungen kennzeichnet
einen thermodynamischen Ungleichgewichtszustand mit verringerter Entropie. Aus der
Thermodynamik ist bekannt, daß ein Energiezufuhr in einem System mit erhöhtem Maß an
Ordnung des Systems und einer Entropieverminderung verbunden ist. Als Reaktion zeigt das
System die Neigung, bei einer günstigen Gelegenheit, z.B. einer Temperaturerhöhung oder
Abb. 2.13- a) Molekül
eines thermoplasten
Kunststoffes mit
Verschlaufungen im
ungedehnten und
gedehnten Zustand, b)
vernetzte Moleküle im
ungedehnten und
gedehnten Zustand
[119]

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe
16
einer Entlastung des Systems, den Gleichgewichtszustand durch Entropiesteigerung wieder
herzustellen (Abb. 2.13).
Im Fall einer Kettenstreckung wird in diesem Zusammenhang eine Rückknäuelungskraft
hervorgerufen, die eine Rückkehr der Molekülsegmente in die ursprüngliche Form anstrebt.
Während energie-elastische Deformationen eine Wiederherstellung des
Gleichgewichtszustandes durch eine Verminderung der inneren Energie versucht, basieren
aber entropie-elastische Verformungen in diesem Fall auf einem entropiesteigernden
Mechanismus. Diese rückknäuelnde Kraft stellt den Widerstand gegen eine reversible
Molekülstreckung dar, und bestimmt somit das gültige Elastizitätsmodul, das in diesem
Zusammenhang im Gegensatz zur Energie-Elastizität keine Konstante mehr darstellt. Die
entropie-elstische Verformung ist reversibel und, da sie größere Molekülumlagerungen
erfordert, mit einer gewissen Zeitabhängigkeit verbunden.
2.3.1 Verformungsverhalten der kristallinen Strukturen
Bei den kristallinen Strukturen sind plastische Verformungen neben elastischen von großer
Bedeutung. Die reversiblen Deformationen bei diesen Materialien sind energie-elastischer
Natur. Die Frage lautet nun, durch welche mikrostrukturellen Mechanismen die irreversiblen
Verformungen zu erklären sind. Ein reales Kristallgitter beinhaltet zahlreiche Kristalldefekte
und wird nie fehlerfrei aufgebaut. Eine der wichtigsten Defekte, sog. Versetzungen, stellen
einen linienförmigen Fehler dar. Man kann es sich so vorstellen, daß innerhalb des
Gittervolumens eine volle Reihe von Atomen eingeschnitten und dadurch ein
eindimensionaler Gitterfehler erzeugt worden ist. Abb. 2.14 zeigt eine skizzenhafte
Darstellung einer Gitterebene mit Versetzung.
Abb. 2.14- Schematische Darstellung der Versetzungsbewegungen [62]

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe
17
Da die Bindungskräfte an den Defektstellen deutlich geringer sind als die bei den fehlerfreien
Bereichen, sind dort, wo sich die Versetzungen befinden, die Atome oder anderen
Gitterbausteine instabiler. Aus diesem Grund sind die Versetzungen unter Auswirkung von
Schubspannungen bewegungsfähig. Bei einer Überbeanspruchung weit oberhalb der
Dehngrenze vermehren sich die Gitterdefekte und somit steigt die Anzahl der Versetzungen.
Tritt eine plastische Verformung auf, wandern die Versetzungen innerhalb der Gleitebenen.
Plastische Verformung ist nichts anderes als Bewegung der Versetzungen mit einer erhöhten
Versetzungsdichte. Mit fortschreitender Verformung behindern sich die Versetzungen in ihren
Bewegungen gegenseitig. Das führt zu einem zunehmenden Widerstand gegen plastische
Verformung. Das Ergebnis dieses Vorgangs ist eine Verfestigung des Gitters, die bei
anhaltender Überbeanspruchung zum Bruch führen kann.
Es gibt noch weitere Mechanismen, die durch eine Erschwerung der Versetzungsbewegungen
eine Festigkeitssteigerung hervorrufen. Die meisten Maßnahmen zur Festigkeitssteigerung
werden auf Kosten der Verformbarkeit des Werkstoffes ergriffen. Eine Ausnahme ist aber
durch sog. Kornverfeinerung gegeben, indem ein grobkörniges in ein feinkörniges Gefüge
umgewandelt wird. Ein feinkörniges Gefüge mit vermehrten Korngrenzen weist eine größere
Festigkeit im Vergleich zu grobkörnigem Gefüge auf, da die Versetzungen an den
Korngrenzen aufgestaut und angehalten werden. Im allgemeinen kann man durch Erzeugung
eines feinkörnigen Gefügezustandes bessere mechanische Eigenschaften des Werkstoffes,
also bessere Festigkeits-Zähigkeits-Verhältnisse, erzielen. Im Vergleich dazu ist bei den
keramischen Werkstoffen die Fähigkeit zur plastischen Verformung sehr schwach ausgeprägt.
Ein minimales Maß an Mikroplastizität ist immer erforderlich, damit die an Gefügefehlstellen
bei Überbeanspruchung auftretenden Spannungsspitzen abgebaut werden können. Die
Keramiken sind mit kristallinem Gitter aufgebaut, die wie bei den Metallen auch
Versetzungen besitzen. Der entscheidende Strukturunterschied zu den Metallen besteht aber
darin, daß die Gitterbausteine nicht Atome, sondern Ionen sind. Die Gleitebenen werden also
von Ionen ungleicher elektrischer Ladung gebildet. Die Verschiebung der Versetzungen in
solche Gleitebenen wird durch Annäherung gleichgeladener Ionen und Erzeugung von
Abstoßungskräften erheblich erschwert. Die extreme Sprödigkeit der Keramiken wird durch
diese Behinderung der Versetzungswanderungen verursacht.
2.3.2 Verformungsverhalten der polymeren Werkstoffe
Polymere Werkstoffe zeigen ein recht komplexes Verformungsverhalten. Als reversible

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe
18
Verformungsreaktionen kommen energie-, entropie- und visko-elastische Vorgänge, als
irreversible plastische und viskose Vorgänge in Betracht. Das gesamte Verformungsverhalten
der Kunststoffe tritt durch Überlagerung dieser Mechanismen in Erscheinung. Durch ein
mechanisches Analogiemodell, dem sog. Burgermodell, kann man dieses Verhalten
veranschaulichen. Abb. 2.15 zeigt die Anordnung der einzelnen mechanischen
Ersatzelementen als Symbole der Teilmechanismen, unter einer Zugkraft F, zur Beschreibung
der gesamten Verformungsverhalten von Kunststoffen. Im wiedergegebenen Modell kann
man jedem Werkstoff die geeigneten Parameter (Federkonstanten C und Viskositäten
)
zuordnen. Die reversiblen Vorgänge werden mit einer Feder und irreversiblen Vorgänge mit
einem Dämpfer mathematisch symbolisiert. Aus Mechanik ist es bekannt, daß die
aufgewendete Kraft zur Verlängerung einer Feder nur von dem Deformationsweg abhängig ist
(F
F
= C .
L). Eine Abhängigkeit der Verformungen von der Beansruchungsgeschwindigkeit
ist nicht vorhanden, d.h. die Zeitunabhängigkeit ist für die Deformation einer Feder
charakteristisch und darum alle energie-elastische Verformungen nur durch Federelemente (1)
symbolisiert werden. Der Federkennwert C
1
stellt den inner- und zwischenmolekülaren
Bindungszustand dar. Dagegen sind die eingesetzten Kräften bei einem Dämpfer von der
Beanspruchungsgeschwindigkeit abhängig (F
D
= D . dL/dt) und die daraus folgenden
Verformungen der verwendeten viskosen Flüssigkeit der Viskosität
s ind bleibend und stark
zeitabhängig. Deshalb werden alle irreversiblen, sog. visko-plastische Formänderungen, bei
den polymeren Werkstoffen mit reinen Dämpferelementen (3) mathematisch ersetzt.
Reversiblen, jedoch zeitabhängige Verformungen auf entropie-elastischem Basis können
durch Parallelschaltung von Feder (2`) und Dämpfer (2``) beschrieben werden. Die
Federkonstante C
2
erfaßt die Rückknäuelkraft gestreckter Kettenmoleküle. Derartige
Energie-elastisch
Entropie-elastisch
Visko-plastisch
Abb. 2.15-
Burgermodel für das
Verformungsverhalten
von Kunststoffen [13]

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe
19
Deformationen kommen nur in vernetzten Strukturen vor. Dieses Mechanismus ist für
amorphe und teilkristalline Thermoplaste (wie Polyethylen) ebenso gültig, da deren Struktur
wegen der Kettenverhakungen (Abb. 2.16) bzw. fester gebundenen kristallinen Bereiche
(Abb. 2.17) ebenfalls als Netzwerk aufgefaßt werden kann. Bei den vernetzten Strukturen
wird mit zunehmendem Vernetzungsgrad durch Einschränkung der Dämpferbewegungen (3)
das Verformungsverhalten vorwiegend durch reversible Anteile, sog. visko-elastische
Verformungen, bestimmt.
Das Deformationsverhalten realer Kunststoffe liegt im allgemeinen zwischen den beiden
Extremzuständen ,,spröder Festkörper" und ,,viskose Flüssigkeit". Wird der Modellkörper
durch eine Zugkraft F beansprucht, so reagiert er mit einer Längenänderung, wobei die
Deformationsanteile der einzelnen Verformungsmechanismen am Verformungsgesamtbetrag
je nach Temperaturlage und Belastungsdauer sehr unterschiedlich ausfallen können. Faßt man
qualitativ den zeitlichen Ablauf der Dehnung
in einem Diagramm zusammen (Abb. 2.18),
so erhält man bei einer konstanten Belastung in der Zeitspanne zwischen t
0
bis t
1
neben einer
zeitunabhängigen (
1
) einen zeitabhängigen Verformungsanteil. Bei einer Entlastung bei t
1
setzt sich die Deformationskurve aus einem reversiblen zeitunabhängigen (
1
), einem
reversiblen zeitabhängigen (
2
), und einem irreversiblen zeitabhängigen (
3
)
Verformungsanteil zusammen.
Abb. 2.16- Kettenverhakungen als
eine Art der zwischenmolekülaren
Verbindungen von amorphen
Kunststoffen [13]
Abb. 2.17- Entstehung von
Kristallinen Bereichen der
teilkristallinen Thermoplasten
durch Faltung der
Molekülketten mit amorphen
Restanteilen [119]

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe
20
Die organischen Polymere sind nicht nur wie zähe Flüssigkeiten viskos, sondern auch bei
etwas niedrigeren Temperaturen ähnlich wie kristalline Festkörper durch plastische Prozesse
irreversibel verformbar. Neben Kaltfluß (Kriechvorgänge) spielen die plastischen
Verformungen von Polyethylen beim Einsatz in der Hüftendoprothetik eine große Rolle.
Daher wird nun eine kurze Beschreibung der plastischen Deformationen, insbesondere bei
teilkritallinen Thermoplasten, vorgenommen.
Plastische Verformung von Thermoplasten
Die plastischen Verformungen bei den Kunststoffen sind temperaturabhängig. Sie finden bei
amorphen Strukturen unterhalb von Glas- und bei kristallinen Bereiche unterhalb von
Schmelztemperatur statt. Oberhalb der genannten Temperaturen bei jeweiligen
Strukturanordnungen werden plastische Formänderungen von einem viskosen Abgleiten der
Kettenmoleküle ausgelöst. Bei teilkristallinen Thermoplasten kann ein ausgeprägter
Streckbereich in amorphen Gebieten nur bei Temperaturen um die Glastemperatur beobachtet
werden, wogegen für kristalline Bereiche das Auftreten einer Streckgrenze mit einem sich
daran anschließenden Streckbereich, der bis mehrere hundert Prozent beträgt, charakteristisch
ist. Die Spannungs-Dehnungs-Kurve (Abb. 2.19) dieser Polymere zeigt, daß sich bis zur
Abb. 2.19- Spannungs-Dehnungs-
Diagramm bei teilkristallinen
Thermoplasten [13]
I- Linear-viskoelastische reversible
Verformungsbereich bezogen auf
amorphe Bereiche
II- Umwandlung der spärolithischen
Kettenlamellen in Form von
Mikrofibrillen
III- Abgleitung der Mikrofibrillen
nach der vollständigen Orientierung
Abb. 2.18- Deformations-Zeit-
Diagramm während der Be- und
Entlastungsphasen [62]

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe
21
Streckgrenze die Verformung reversibel und linear-viskoelastisch erweist (I), die
überwiegend durch die amorphen Bereiche getragen werden. Mit Erreichen der
Streckspannung wird eine lokale Einschnürung des Querschnitts ausgebildet, woraus sich ein
Spannungsabfall ergibt. Die Erweiterung der Einschnürung in der gesamten Probelänge ist
mikrostukturell mit einer Umwandlung der sphärolithischen Kettenlamellen in Form von
neugefalteten Mikrofibrillen verbunden (Abb. 2.20). Zwischen den Mikrofirillen wachsen
Hohlräume in Beanspruchungsrichtung. Während des Streckvorgangs steigt die Spannung nur
wenig an (II), nach der vollständigen Orientierung aber findet eine starke Verfestigung wegen
der Abgleitung der Mikrofibrillen statt (III), was einen erhöhten Widerstand gegen weitere
Verformungen zur Folge hat. In diesem Stadium führt das bei anhaltender
Überbeanspruchung zum Fibrillenbruch.
Eine stark ausgeprägte plastische Verformung von Polyethylen beim Einsatz in Endoprothetik
steht in einer engen Verbindung mit dem Verschleißverhalten des Werkstoffes.
2.4 Bruchverhalten der Werkstoffe
Der Bruch stellt eine makroskopische Werkstofftrennung infolge der Überwindung der
Bindungen im Festkörper dar. Das Anfangsstadium jedes Bruchvorgangs besteht in einer
Rißbildung. Erreichen die gebildeten Risse nach einer Ausbreitungsphase eine kritische
Größe, so können sie unter anhaltender Auswirkung der äußeren Belastungen zum Bruch
führen. Die üblichste Kriterien zur Einteilung der Brüche sind durch die Art der
Beanspruchungen gegeben. Durch bestimmte Beanspruchungsarten können bestimmte
Bruchmerkmale ausgelöst werden.
2.4.1 Bruchfomen
Abb. 2.21 gibt die wichtigsten Bruchformen mit zugehörigen Beanspruchungen wieder.
Abb. 2.20- Verstrecken
einer sphärolithischen in
einer mikrofibrillären
Struktur [13]

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe
22
2.4.1.1 Duktil- und Sprödbruch
Der Bruch kann unter der Wirkung von Normalspannung durch Trennung (Sprödbruch) oder
unter der Wirkung von Schubspannungen durch Abgleitung der Bruchfläche (Duktilbruch)
Abb. 2.21- Einteilung der Bruchformen mit auslösenden Beanspruchungsarten
hervorgerufen werden. Bei einem Duktilbruch verläuft die Bruchfläche in Richtung
maximaler Schubspannung, unter 45° Winkel zur Hauptbeanspruchungsrichtung.
Sprödbrüche liegen dagegen senkrecht zur Hauptbeanspruchungsrichtung.
Abb. 2.22- Rißausbreitung bei A) spröden, B) geringplastischen, C) duktilen Werkstoff [13]
In der Praxis treten die Brüche meist in Form von einem Mischbruch mit sowohl Gleit- als
auch Spaltbruchanteilen auf. Das Auftreten eines Duktilbruches setzt eine beachtliche
plastische Verformung an der Bruchfläche voraus. Ein Sprödbruch erfolgt dagegen ohne
Bruchformen
Duktil- und
Sprödbruch
Dauerbruch
Kriechbruch
zügige
Überbeanspruchung
schwingende
Überbeanspruchung
langzeitige
Überbeanspruchung

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe
23
bemerkenswerte makroplastische Deformation, er ist damit ein energiearmer Bruch. Ist
aufgrund einer ungünstigen schlagartigen Beanspruchung die Möglichkeit einer plastischen
Verformung stark eingeschränkt, so kann bei einem duktilen Werkstoff ein Sprödbruch
stattfinden. An der Spitze der Risse können durch Spannungserhöhung Beanspruchungen
auftreten, die lokal die tatsächliche atomare Bindungskraft erreichen und durch Aufreißen der
Bindungen eine Rißausbreitung bewirken (Abb. 2.22).
In Polymeren erfolgt die Rißbildung über Entstehung von Fließzonen, sog. Crazes. Sie sind
Hohlräume, die im stark verstreckten Polymer zwischen den Fibrillen entstehen (Abb. 2.23).
Die Dichte dieser Fließzonen beträgt nur die Hälfte des kompakten Materials, sie können als
Schwachstellen sehr leicht aufreißen. Eine Spannungserhöhung sowie das Eindringen
benetzter Medien fördern die Entstehung von Crazes. Durch steigende Belastungen werden
die Crazes gedehnt. Sie kommen in amorphen und teilkristallinen Thermoplasten vor.
Abb. 2.23- Crazebildung vor einer Rißausbreitung bei Polymeren [13]
Die Rißausbreitung kann instabil, unter Energiefreisetzung, oder stabil, unter Energiezufuhr
erfolgen. Stabile Rißausbreitung verläuft langsam und kann zu jeder Zeit nach der Entlastung
gestoppt werden. Eine instabile Ausbreitung dagegen führt zu einem explosionsartigen
Sprödbruch mit sehr hoher Ausbreitungsgeschwindigkeit. Die Kritische Rißlänge stellt den
Übergang von stabiler zu instabiler Rißausbreitung dar. Durch Betrachtung der
Energievorgänge kann man nachvollziehen, unter welchen Bedingungen ein vorhandener
Anriß zu einem Riß wächst. Die rißbehaftete Stelle weist eine hohe Verzerrungsenergie auf.
Ist der Riß ausbreitungsfähig, so wird dieser Verzerrungszustand entlastet und damit seine
Energie vermindert. Die erzeugte zusätzliche Rißoberfläche infolge von Rißausbereitung löst
aber eine Steigerung der Oberflächenenergie aus. Die elastische Verzerrungsenergie beträgt:
W
E
= -
² / E
mit a: Rißlänge,
:
Normalspannung senkrecht zu Riß, E: Elastizitätsmodul
Die Oberflächenenergie für die Vergrößerung der Anrißfläche beträgt:
W
0
= 4 a

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe
24
mit
: spezifische freie Oberflächenenergie (siehe 4.1.3.2 und 4.3.4.3)
Die Bedingung für eine instabile Rißausbreitung lautet: W
E
> W
0
Die kritische Spannung
c
für einen instabile Rißausbreitung läßt sich wie folgt berechnen:
dW/da = d(W
E
+ W
0
)/da = -2
a
² / E + 4
= 0
è
c
= [2
E /(
a)]
1/2
Diese Beziehung gilt nur für spröde Werkstoffe wie Keramik. Bei duktilen Werkstoffen ist
die Spannung
c
durch Erhöhung der Rißausbreitungsenergie wegen plastischer Verformung
beträchtlich höher. Liegt die Streckgrenze unterhalb von Spannung
c
, so verformt sich der
Werkstoff plastisch. Die Rißausbreitung kann somit unter Energiezufuhr, also stabil
fortschreiten.
2.4.1.2 Dauerbruch
Werden die Beanspruchungsamplituden größer als die Dauerfestigkeit, so können bei einer
zyklischen Beanspruchung Dauerbrüche (Ermüdungsbrüche) hervorgerufen werden. In der
Tat müssen die wiederholten Schwingbeanspruchungen deutlich unterhalb der Streckgrenze
liegen. Bei einem Dauerbruch fehlen makroplastische Verformungen. Er weist ein
charakteristisches Aussehen auf. Das Auftreten eines Dauerbruches wird über drei Stadien
vollzogen. Im ersten Stadium (I) wird ein Anriß mit einem Winkel von 45° zu
Hauptbeanspruchungsrichtung, also entlang der maximalen Schubspannung, gebildet (Abb.
2.24). In der Ausbreitungsphase (II) richten sich die Mikrorisse mit zunehmender Wirkung
der Normalspannung senkrecht zur Beanspruchungsrichtung aus. Ein Mikroriß wächst in
diesem Stadium mit ansteigender Geschwindigkeit zu einem Makroriß an. Beim Durchlaufen
der Schwingspiele bilden sich Furchen oder Schwingungsstreifen aus, die charakteristisch für
Rißausbreitungsstadium II sind. Infolge des Rißwachstums wird der Querschnitt verringert, so
kann der Restquerschnitt die auftretende Kraft nicht mehr aufnehmen. In diesem Stadium
finden ein Gewalt- oder Restbruch statt. Makroskopisch kann man dann eine zerklüftete
Oberfläche erkennen.
Bei den polymeren Werkstoffen wird bei jedem Verformungszyklus ein Teil der
Deformationsenergie in Wärme umgewandelt. Die viskoelastischen Verformungsanteile des
hierbei erwärmten Materials steigen mit zunehmender Wärmeerzeugung an. Werden die
Wärmeerzeugung und Wärmeabführung gleich groß, so stellt sich eine
Gleichgewichtstemperatur ein. Da die Wärmeleitfähigkeit des Kunststoffes in der Regel
relativ gering ist, führt eine unangemessen erhöhte Schwingbelastung mit erhöhter Frequenz
zur einer Temperaturerhöhung bis oberhalb der Glas- oder Schmelztemperatur. Es folgt dann
eine irreversible viskose Deformation des Materials. Bei teilkristallinen Thermoplasten, deren

Ahmad Ahgary Verschleißrelevante werkstofftechnische Grundbegriffe
25
Gebrauchstemperatur oberhalb von Glastemperatur liegt, tritt bei höheren Temperaturen eine
viskoplastische Verformung auf, welche eine deutliche Geometrieänderung des Bauteils
hervorrufen kann. Das Rißausbreitungsstadium bei den Kunststoffe dauert viel länger. Der
Anriß bei diesen Werkstoffen wird durch die bereits gebildeten Crazezone ausbreitet. Die
Bruchfläche am Anfang des Rißausbreitungsstadiums sind wegen niedriger
Ausbreitungsgeschwindigkeit glatt und spiegelähnlich. Die Geschwindigkeit steigt mit der
Erhöhung der Spannungsintensität an der Rißspitze und mit wachsender Rißlänge. Es ergibt
sich dann eine rauhe Oberfläche. Im allgemeinen ist die Schwingfestigkeit bei den Polymeren
sehr stark von der Geometrie des Werkstoffes abhängig, weil die Wärmeabfuhr aus den
Proben von dem Verhältnis Probenoberfläche zu ­volumen abhängt.
2.4.2 Bruchmechanik
Bruchkriterien liefern einige Informationen über die Bedingungen, welche zum Versagen des
Werkstoffes führen können. In der Bruchmechanik strebt man an, über Entwicklung von
Bruchkriterien Kennwerte für den Widerstand eines Werkstoffes gegen Rißausbreitung zu
gewinnen. Es ist nun gelungen, solche Kennwerte für nichtplastische Materialien zu ermitteln.
2.4.2.1 Linear-elastische Bruchmechanik
Bei der linear-elastischen Bruchmechanik wird angenommen, daß der Werkstoff sich bis zum
Bruch makroskopisch elastisch verhält, an der Rißspitze tritt aber eine lokalisierte plastische
Abb. 2.24- Stadien der
Ermüdungsrisse [62]
a) schematisch
b) reales Beispiel

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2000
ISBN (eBook)
9783832460310
ISBN (Paperback)
9783838660318
DOI
10.3239/9783832460310
Dateigröße
2.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Berlin – Biomedizinische Technik
Erscheinungsdatum
2002 (November)
Note
1,0
Schlagworte
gleitpaarung kopf hüftgelenkendoprothese verschleißmechanismen dreikörperverschleiß
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Titel: Eine Analyse der Verschleißmechanismen in der Anwendung der Hüftgelenkendoprothetik unter realistischen Randbedingungen
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