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Energetische und leistungsphysiologische Untersuchungen im Rollstuhlsport

Unter besonderer Berücksichtigung präventivmedizinischer Aspekte

©2002 Doktorarbeit / Dissertation 178 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Präventivmedizinische Konzeptionen, welche die Situation von Menschen mit einer Rückenmarkserkrankung oder -verletzung berücksichtigen und auf systematischen Untersuchungen basieren, sind vor dem Hintergrund einer obligaten Kostenreduktion im Gesundheitswesen von großer Bedeutung. Die besondere Relevanz dieser Konzeptionen erschließt sich allerdings auch, weil für die Betroffenen neben der Rehabilitation zunehmend die individuelle Veränderung und Verbesserung der Lebenssituation und -qualität – in ihrer engen Verbindung mit der Prävention von sekundären Erkrankungen – in den Fokus des Interesses rückt. Dieser Wandel zur Selbstbestimmtheit und Eigenverantwortlichkeit impliziert eine Betonung der individuellen Kompetenzen und Ressourcen der betroffenen Menschen, die in ihrer Bildung auch auf Information angewiesen sind. Ziel aller – auch sportwissenschaftlichen und sportmedizinischen – Bestrebungen muss es deshalb sein, nicht nur die Integration in die Gesellschaft zu ermöglichen, sondern vor allem die selbstbestimmte, aktive Teilhabe in allen Bereichen unserer Gesellschaft nicht zu behindern. Diese Zielsetzung ist mittlerweile im Sozialgesetzbuch (SGB IX, § 1) gesetzlich festgeschrieben. Voraussetzung dieser hoffentlich sehr fruchtbaren Neuorientierung waren geradezu revolutionäre Veränderungen in der Behandlung und Versorgung von Menschen mit einer Rückenmarkserkrankung in der letzten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Im Bereich des Rollstuhlsports von Menschen mit einer Rückenmarkserkrankung oder -verletzung besteht aus präventivmedizinischer und leistungsphysiologischer Sicht ein erhebliches Wissensdefizit. Diese Vorenthaltung von Informationsressourcen ver- und behindert zweifelsfrei die gesetzlich geforderte aktive Teilhabe von Menschen, die vom Rollstuhl abhängig sind, da beispielsweise die selbstbestimmte aktive Prävention von Erkrankungen des atherogenen Formenkreises durch körperliche Aktivität aufgrund des Wissensdefizits nur unzureichend umsetzbar ist. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit war es möglich, umfangreiche physiologische Untersuchungen im Bereich des Rollstuhlsports durchzuführen, die darauf abzielten, diese Informationslücken zumindest teilweise zu schließen. Im Wesentlichen dienten die Untersuchungen dazu, folgende Fragen zu klären:
1. Wie hoch ist der belastungsbedingte Energieumsatz bei fünf ausgewählten, klassischen Rollstuhlsportarten? Durch welche zeitlichen Trainingsumfänge lassen sich die aus […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 5951
Abel, Thomas: Energetische und leistungsphysiologische Untersuchungen im Rollstuhlsport -
Unter besonderer Berücksichtigung präventivmedizinischer Aspekte
Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Köln, Sporthochschule, Dissertation / Doktorarbeit, 2002
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http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

Sport und Bewegung wirken wie ein Medikament, das gleichzeitig den Sauerstoffbedarf
des Herzens senkt und das Sauerstoffangebot erhöht, das Volumen der Mitochondrien
vergrößert, die Kapillarisierung erhöht, die Fließeigenschaften des Blutes verbessert und
dadurch antithrombotisch wirkt, hochsignifikante Einflüsse auf den Lipid- und
Kohlenhydratstoffwechsel hat, zum Beispiel den Insulinspiegel senkt und außerdem
noch zum psychischen Wohlbefinden beiträgt.
Gäbe es ein Medikament mit diesen Wirkungen, es wäre das
Medikament des Jahrhunderts.
(Wildor Hollmann)

Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1
2 Fragestellung
12
3 Methodik
13
3.1 Energieverbrauch beim Rollstuhlsport
13
3.1.1 Untersuchungsteilnehmer
13
3.1.1.1 Rollstuhl-Rugby
14
3.1.1.2 Rollstuhl-Tennis
16
3.1.1.3 Rollstuhl-Basketball
17
3.1.1.4 Rennrollstuhlfahren
18
3.1.1.5 Handbiken
20
3.1.2 Untersuchungsablauf
21
3.1.2.1 Messung des Energieumsatzes unter Ruhebedingungen
22
3.1.2.2 Messung des Energieverbrauchs unter Belastungsbedingungen
24
3.1.2.3 Berechnung des Energieverbrauchs mit Hilfe der indirekten
Kalorimetrie 26
3.2 Leistungsphysiologie im Handbiken und Rennrollstuhlfahren
27
3.2.1 Untersuchungsteilnehmer
27
3.2.2 Untersuchungsablauf
28
3.2.2.1 Ergometerstufentest im eigenen Handbike als Gleichzug oder
Wechselzug 31
3.2.2.2 Rollbandstufentest im Rennrollstuhl
33
3.2.2.3 Dauertest
34
3.2.3 Analytische Methoden
35
3.2.3.1 Meßmethode Körperfettwerte
35
3.2.3.2 Blutbilder und blutchemische Werte
36
3.2.3.3 Katecholamine im Blut
37
3.2.3.4 Katecholamine im Urin
38
3.3 Bestimmung der Laktatkonzentration
38
3.4 Messung der Herzfrequenzen
39
3.5 Statistik
40
3.5.1 t-Test für abhängige Stichproben
40
3.5.2 Varianzanalyse
41
3.5.3 Korrelation und Regression
41

3.6 Verwendete Geräte
42
4 Untersuchungsergebnisse
44
4.1 Energieverbrauch im Rollstuhlsport
44
4.1.1 Energieumsatz unter Ruhebedingungen
44
4.1.1.1 Absoluter Energieverbrauch
44
4.1.1.2 Relativer Energieverbrauch
45
4.1.1.3 Respiratorischer Quotient
47
4.1.1.4 Korrelation zwischen Energieverbrauch und Lokalisation der
Schädigung 48
4.1.1.5 Korrelation zwischen relativem Energieverbrauch und Lokalisation der
Schädigung bei kompletter Lähmung
48
4.1.2 Energieumsatz unter Belastungsbedingungen
49
4.1.2.1 Arbeitsumsatz
49
4.1.2.2 Absoluter belastungsbedingter Energieumsatz
51
4.1.2.3 Relativer belastungsbedingter Energieumsatz
52
4.1.2.4 Metabolische Einheiten (METs)
53
4.1.2.5 Respiratorischer Quotient
55
4.1.2.6 Herzfrequenz
56
4.1.2.7 Blutlaktatkonzentration
57
4.1.2.8 Korrelation zwischen relativem belastungsbedingten Energieumsatz
und der Lokalisation der Schädigung
59
4.1.2.9 Korrelation zwischen relativem belastungsbedingten Energieumsatz
von Athleten mit einer kompletten Lähmung und der Lokalisation
der Schädigung
59
4.1.2.10 Korrelation zwischen Herzfrequenzwerten und der Lokalisation der
Schädigung 60
4.1.2.11 Korrelation zwischen Herzfrequenzwerten von Athleten mit einer
kompletten Lähmung und der Lokalisation der Schädigung
61
4.2 Übersicht der Mittelwerte des Energieverbrauchs
63
4.3 Leistungsphysiologische Aspekte im Handbiken und Rennrollstuhlfahren
64
4.3.1 Vergleich verschiedener Zugformen beim Handbiken
64
4.3.1.1 Maximale Wattleistung beim Gleich- und Wechselzugtest
64
4.3.1.2 Maximale Herzfrequenzen beim Gleich- und Wechselzugtest
65
4.3.1.3 Maximale Laktatwerte beim Gleich- und Wechselzugtest
66
4.3.1.4 Maximale Sauerstoffaufnahme beim Gleich- und Wechselzugtest
66

4.3.1.5 Herzfrequenzen bei definierten Wattleistungen
67
4.3.1.6 Laktatkonzentrationen bei definierten Wattleistungen
69
4.3.1.7 Sauerstoffaufnahme bei definierten Wattleistungen
70
4.3.1.8 Respiratorischer Quotient bei definierten Wattleistungen
71
4.3.2 Verhalten der Plasmakatecholamine und der Katecholaminausscheidung
beim Handbiken und Rennrollstuhlfahren
72
4.3.2.1 Katecholaminkonzentrationen im Plasma
72
4.3.2.2 Katecholaminkonzentrationen im Urin
74
4.3.2.3 Korrelation zwischen den Noradrenalinkonzentrationen im Plasma und
der Läsionshöhe
76
4.3.2.4 Korrelation zwischen den Adrenalinkonzentrationen im Plasma und
der Läsionshöhe
77
4.3.2.5 Korrelation zwischen den Dopaminkonzentrationen im Plasma und der
Läsionshöhe 78
4.3.2.6 Korrelation zwischen den Noradrenalinkonzentrationen im Urin und
der Läsionshöhe
79
4.3.2.7 Korrelation zwischen den Adrenalinkonzentrationen im Urin und der
Läsionshöhe 80
4.3.2.8 Korrelation zwischen den Dopaminkonzentrationen im Urin und der
Läsionshöhe 81
4.3.3 Überprüfung von Trainingsempfehlungen im Dauertest beim Handbiken
und Rennrollstuhlfahren
82
4.3.3.1 Herzfrequenzen
83
4.3.3.2 Laktatkonzentrationen
87
4.3.3.3 Sauerstoffaufnahme
91
4.3.3.4 Respiratorischer Quotient
94
4.3.3.5 Energieverbrauch
97
5 Diskussion
101
5.1. Energieumsatz unter Ruhebedingungen
101
5.1.1 Energieverbrauch
101
5.1.2 Respiratorischer Quotient
104
5.1.3 Korrelation der Energieverbrauchswerte mit der Lokalisation der
Schädigung 105
5.2 Energieumsatz unter Belastungsbedingungen
106
5.2.1 Arbeitsumsatz
107

5.2.2 Absoluter und relativer belastungsbedingter Energieumsatz
112
5.2.3 Metabolische Einheiten (METs)
113
5.2.4 Respiratorischer Quotient
114
5.2.5 Herzfrequenz
116
5.2.6 Laktatkonzentration
119
5.2.7 Korrelation zwischen dem relativen belastungsbedingten Energieumsatz
und der Läsionshöhe
121
5.2.8 Korrelation zwischen der Herzfrequenz und der Läsionshöhe
123
5.3 Leistungsphysiologische Aspekte: Handbiken und Rennrollstuhlfahren
123
5.3.1 Vergleich verschiedener Zugformen beim Handbiken
123
5.3.1.1 Maximale Wattleistung beim Gleich- und Wechselzugtest
124
5.3.1.2 Maximale Herzfrequenzen beim Gleich- und Wechselzugtest
126
5.3.1.3 Maximale Laktatwerte beim Gleich- und Wechselzugtest
126
5.3.1.4 Maximale Sauerstoffaufnahme beim Gleich- und Wechselzugtest
127
5.3.1.5 Herzfrequenzen bei definierten Wattleistungen
127
5.3.1.6 Laktatkonzentrationen bei definierten Wattleistungen
128
5.3.1.7 Sauerstoffaufnahme bei definierten Wattleistungen
129
5.3.1.8 Respiratorischer Quotient bei definierten Wattleistungen
130
5.3.2 Katecholamine beim Handbiken und Rennrollstuhlfahren
130
5.3.2.1 Katecholamine unter Ruhebedingungen und beim Stufentest
131
5.3.2.2 Korrelation zwischen den Katecholaminwerten und der Läsionshöhe
133
5.3.3 Überprüfung von Trainingsempfehlungen im Dauertest beim Handbiken
und Rennrollstuhlfahren
134
5.3.3.1 Herzfrequenzen und Laktatkonzentrationen
135
5.3.3.2 Sauerstoffaufnahme und Respiratorischer Quotient
138
5.3.3.3 Energieverbrauch
140
6 Zusammenfassung
142
Literatur
150
Danksagung 161
Lebenslauf 162
Anhang
I

Verzeichnis der Abkürzungen
a.a.O.
am
angegebenen
Ort
Abb.
Abbildung
AF
Atemfrequenz
ANOVA Einfaktorielle
Varianzanalyse (analysis of variance)
bzw.
beziehungsweise
BTPS
Body temperature (BT), pressure (P), saturated (S). Umrechnung in der
Spirometrie zur Vergleichbarkeit von Werten aus unterschiedlichen Orten mit
unterschiedlichen Höhen- und Klimabedingungen. Standard: 37 °C, 760 mm
Hg,
100 % Luftfeuchtigkeit (63)
C
1-8
Bezeichnung der Läsionshöhe der Querschnittlähmung
im Bereich des Halsmarks (Cervikalbereich)
ca.
circa
cm
Zentimeter
d Tag
(day)
EE
Energieverbrauch
(energie
expenditure)
EKG
Elektrokardiographie
EMG
Elektromyographie
Fa.
Firma
FO
Fettsäureoxidation
auch
Beta
()-Oxidation
°C
Grad
Celsius
(Körpertemperatur)
h Stunde
(hour)
h.s.
hoch
signifikant
HF
Herzfrequenz
Kcal
Kilokalorien
kcal/h/kgKg
Kilokalorien pro Stunde pro Kilogramm Körpergewicht
Kg
Körpergewicht
kg
Kilogramm
km/h
Kilometer
pro
Stunde
La
Laktatwert
im
Blut,
auch
[lac]
m
Meter
MANOVA Mehrfaktorielle
Varianzanalyse
(multifactoral analysis of variance)
MET
Metabolische Einheit oder Metabolical Unit ( &V O
2
/kgKG/3,5)
µl
Mikroliter
(10
-6
l)
M.
Muskel
m/s
Meter
pro
Sekunde
min
Minute
ml
Milliliter
(10
-3
l)
mmol/l
Millimol
(10
-3
mol) pro Liter
mol
Stoffmenge
n Probandenanzahl

n.s.
nicht
signifikant
Nr.
Nummer
O
2
Sauerstoff
OS
A
Oberschenkelamputation
p Irrtumswahrscheinlichkeit
% FO
Prozentualer Anteil der Fettsäureoxidation
rpm
Umdrehungen pro Minute (rounds per minute)
RQ
Respiratorischer
Quotient
(CO
2
-Abgabe/O
2
-Aufnahme)
SD
Standardabweichung,
auch
±
S.
Seite
s.
siehe
sig.
signifikant
s.a.
siehe
auch
s.u.
siehe
unten
S/min
Schläge
pro
Minute
Tab.
Tabelle
u.a.
unter
anderem
&V CO
2
Kohlendioxydabgabe in Millilitern pro Minute
&V
E
Ventilation
in
Litern
pro
Minute
&V O
2
Sauerstoffaufnahme in Millilitern pro Minute
&V O
2max
maximale
Sauerstoffaufnahme
&V O
2max/kgKg
maximale Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm
Körpergewicht
vs.
versus
Watt/kgKg
Watt pro Kilogramm Körpergewicht
Mittelwert
z.B.
zum
Beispiel

Einleitung
1
1 Einleitung
Präventivmedizinische Konzeptionen, welche die Situation von Menschen mit einer Rücken-
markserkrankung oder -verletzung berücksichtigen und auf systematischen Untersuchungen
basieren, sind vor dem Hintergrund einer obligaten Kostenreduktion im Gesundheitswesen
von großer Bedeutung. Die besondere Relevanz dieser Konzeptionen erschließt sich aller-
dings auch, weil für die Betroffenen neben der Rehabilitation zunehmend die individuelle
Veränderung und Verbesserung der Lebenssituation und -qualität ­ in ihrer engen Verbindung
mit der Prävention von sekundären Erkrankungen ­ in den Fokus des Interesses rückt (1,
S.107;37;38;104). Dieser Wandel zur Selbstbestimmtheit und Eigenverantwortlichkeit impli-
ziert eine Betonung der individuellen Kompetenzen und Ressourcen der betroffenen
Menschen, die in ihrer Bildung auch auf Information angewiesen sind. Ziel aller ­ auch
sportwissenschaftlichen und sportmedizinischen ­ Bestrebungen muss es deshalb sein, nicht
nur die Integration in die Gesellschaft zu ermöglichen, sondern vor allem die selbstbestimmte,
aktive Teilhabe in allen Bereichen unserer Gesellschaft nicht zu behindern. Diese Zielsetzung
ist mittlerweile im Sozialgesetzbuch (SGB IX, § 1) gesetzlich festgeschrieben (130). Voraus-
setzung dieser hoffentlich sehr fruchtbaren Neuorientierung waren geradezu revolutionäre
Veränderungen in der Behandlung und Versorgung von Menschen mit einer Rückenmarkser-
krankung in der letzten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Funktionelle Konzepte in der Behandlung von Menschen mit einer traumatischen Quer-
schnittlähmung stellten nach dem Zweiten Weltkrieg eine segensreiche Veränderung für die
Betroffenen dar. Durch die von G
UTTMANN
entwickelte funktionelle Therapie in Kombination
mit den Errungenschaften der modernen Medizin wurde die Mortalitätsrate eindrucksvoll
reduziert (53). B
UCK
& B
ECKERS
(1993) konnten anhand von Literatursichtungen und Praxis-
beispielen aufzeigen, dass sich bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts für die
Betroffenen keinerlei positive Lebensperspektive bot (20, S.2):
-
,,Vom 30. Jahrhundert vor Christus bis zum 20. Jahrhundert
nach Christus blieben die Überlebenszahlen fast konstant:
-
Innerhalb von 2 Jahren waren nahezu alle Patienten mit einer
Tetraplegie verstorben.
-
Von den Patienten mit einer Paraplegie (inkl. tiefe und
inkomplette Läsion) starben 40-60 %.
-
Für alle Querschnittgelähmten betrug die Mortalität innerhalb
von drei Monaten 60 % und nach zwei Jahren 80 %."

Einleitung
2
Erst die neuen, funktionell orientierten Therapiekonzeptionen, die G
UTTMANN
nicht zuletzt
entwickelte, weil aufgrund des Zweiten Weltkriegs der Bedarf an Therapie und Pflege für
querschnittgelähmte Menschen exponentiell zunahm, brachte eine Verbesserung dieses Zu-
stands. Der neue Weg in der Behandlung der Verletzten lag für G
UTTMANN
einerseits darin,
fachliche Kompetenz in speziellen Zentren zur Behandlung von Rückenmarksschädigungen
zu bündeln und andererseits eine Mobilisierung der Betroffenen anzustreben, um die erhalte-
nen Funktionen zu trainieren (52). Dies stand im krassen Gegensatz zur üblichen
Einschätzung einer Querschnittlähmung als therapieresistente Erkrankung, mit der zwangsläu-
fig Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit verbunden waren und deren Prognose, wie
dargestellt, als infaust angesehen wurde. In der Mobilisation der Betroffenen lag für
G
UTTMANN
der Schlüssel zur Vermeidung von Sekundärschädigungen wie Druckgeschwüren
und bedrohlichen vegetativen Störungen sowie zur Prävention von Herz-Kreislauf-
Erkrankungen und der Aufarbeitung von psychologischen Problemen, die sich durch die Ver-
letzung bedingen. G
UTTMANN
formulierte dies 1973 folgendermaßen (54):
"Every person who has suffered severe injury or illness develops certain adverse
psychological reactions ­ he loses activity of mind, self-confidence, self-respect
and self-dignity. He resigns into his disability and becomes self-centred and anti-
social. Nothing can prevent and counteract these adverse psychological reactions
more than two measures: regular work and sport."
Sport beinhaltete für G
UTTMANN
dabei die planvolle Fortführung der krankengymnastischen
Therapie in der Frühphase der Behandlung, um eine häusliche, soziale und berufliche Rehabi-
litation zu erreichen (20, S.16). Heute entspricht die Lebenserwartung von Menschen mit
einer paraplegischen Querschnittlähmung nahezu der Lebenserwartung von ,,Fußgängern", für
Menschen mit einer tetraplegischen Lähmung ist die Lebenserwartung um etwa fünf Jahre
vermindert (36, S.15). An dieser überaus positiven Entwicklung haben sportbezogene Kon-
zeptionen maßgeblichen Anteil. Neben der quantitativen Lebensverlängerung ist mit der
sportlichen Aktivität für viele Betroffene eine enorme Steigerung der Lebensqualität und ins-
besondere der Mobilität verbunden. In umfangreichen Studien konnte belegt werden, dass
zwischen der Lebensqualität und der Mobilität von Menschen mit einer Rückenmarkserkran-
kung oder -verletzung eine enge Korrelation besteht (2;9;34;67;104;149;150;155). Das
Training von innervierbaren Muskeln erhöht die körperlichen Ressourcen, auf die es im All-
tag eines Menschen im Rollstuhl bei den häufigen Transfers oder dem Umgang mit dem
Rollstuhl ankommt, steigert die Möglichkeit zu selbstbestimmtem Handeln und vergrößert die

Einleitung
3
Unabhängigkeit. So konnte bei einem im Rahmen der vorliegenden Untersuchung durchge-
führten Dauertest ein Athlet mit einer Halsmarkschädigung ohne Hilfe, nur unter Nutzung der
Arme aus seinem Alltagsrollstuhl in sein Handbike gelangen, das bereits auf dem 70 cm hoch
stehenden Rollband mit seitlichem Geländer fixiert war. Dieser Transfer würde den meisten
durchschnittlich trainierten Sportstudierenden kaum oder nur unter großen Mühen gelingen.
Dabei entscheiden schon kleine Unterschiede in der Leistungsfähigkeit über die Selbständig-
keit im Alltag. J
ANSSEN
et al. (1996) zeigten, dass sportliches Training und eine damit
verbundene Leistungssteigerung um 5-10 Watt im Rollstuhlergometertest auf einem relativ
niedrigen Leistungsniveau (15-40 Watt) bereits die Selbständigkeit im Alltag möglich machen
kann. Umgekehrt kann ein Absinken der Leistungsfähigkeit um 5-10 Watt schon die völlige
Abhängigkeit und Pflegebedürftigkeit bedeuten (73). S
CHÜLE
et al. (2001) wiesen nach, dass
tetraplegisch geschädigte Menschen, die Sport betreiben (Rugby), sich in der Bewältigung
von 10 exemplarischen Aktivitäten des täglichen Lebens signifikant von nicht Sport betrei-
benden Menschen dahingehend unterschieden, dass eine wesentlich größere Selbständigkeit
erreicht wurde (126).
Sportliche Aktivitäten stellen somit eine fruchtbare Schnittstelle zwischen der Rehabilitation
von Menschen mit einer Rückenmarkserkrankung einerseits und der Prävention von Sekun-
därschäden, verbunden mit einer Erhöhung der Lebenserwartung sowie einer Steigerung der
Lebensqualität andererseits dar. Dabei waren es immer wieder auch leistungssportlich orien-
tierte Athleten
1
, die durch ihr systematisches Training und häufig gegen den Rat
vermeintlicher Experten deutlich machen konnten, welch großes körperliches Potenzial im
,,Athleten der oberen Extremität" steckt, womit sie wiederholt Anreiz und Inspiration für ähn-
lich Betroffene wurden. Neuere Untersuchungsergebnisse machen allerdings deutlich, dass
mit der gestiegenen Lebenserwartung das Risiko für Erkrankungen des Herz-Kreislauf-
Systems erheblich zunimmt (32). Hierdurch entsteht auf Seiten der Sportwissenschaften und
Sportmedizin erheblicher Handlungsbedarf. Dies gilt insbesondere, da Rollstuhlsportler in der
Einschätzung ihrer sportlichen Aktivität häufig wesentliche Auswirkungen ihres Sports in
Bezug auf das Vermeiden von Erkrankungen des kardiovaskulären Systems erwarten (1, S.
107). Diese Selbsteinschätzung kann für Rollstuhlsportler zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei-
tens der Sportwissenschaft und Sportmedizin nicht hinreichend bestätigt werden.
1
Innerhalb der vorliegenden Arbeit wird aus Gründen einer besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche
Form verwendet. Dies soll ausdrücklich nicht als Diskriminierung von Frauen und an den Untersuchungen
beteiligten Athletinnen verstanden werden.

Einleitung
4
Präventivmedizinische Aspekte
Im Wesentlichen fußen die meisten präventivmedizinischen Konzeptionen auf umfangreichen
Längsschnittuntersuchungen über den Zusammenhang zwischen dem zusätzlichen Energie-
verbrauch durch körperliche Aktivität einerseits und der Mortalitäts- und Morbiditätsrate
andererseits (13-15;40;84;93;94;98;100;115;146). Aus diesen Erhebungen lassen sich ent-
sprechende Empfehlungen für Sport und körperliche Aktivität ableiten, die das Risiko einer
Herz-Kreislauf-Erkrankung minimieren. So empfiehlt das American College of Sports Medi-
cine (ACSM) für nichtbehinderte Menschen regelmäßige körperliche Aktivität an mindestens
drei bis fünf Tagen pro Woche für etwa 20-60 Minuten in Abhängigkeit von der Intensität der
Aktivität, die als ausdauerbetonter Sport durchgeführt werden sollte (7). Nach der Harvard
alumni Studie führt ein zusätzlicher wöchentlicher Energieverbrauch von 2000 bis 2500 kcal
respektive einem täglichen zusätzlichen Energieverbrauch von etwa 300 bis 350 kcal dazu,
die Wahrscheinlichkeit eines Myokardinfarktes zu minimieren (98). An diesen Empfehlungen
und Studien orientiert sich auch die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention
(DGSP) in ihren 10 goldenen Regeln für gesundes Sporttreiben (33). Voraussetzung für die
Möglichkeit zur Umsetzung dieser Vorgaben im alltäglichen Leben sind allerdings Quantifi-
zierungen des Energieverbrauchs von körperlichen Aktivitäten, wie sie im Bereich der
Nichtbehinderten für nahezu alle denkbaren körperlichen Aktivitäten existieren (5).
Für Menschen, die hinsichtlich ihrer Mobilität vom Rollstuhl abhängig sind, existieren derar-
tige Empfehlungen nicht. Ursächlich ist dies darauf zurückzuführen, dass keine
experimentellen Quantifizierungen des Energieverbrauchs vorliegen und systematische, pro-
spektive Längsschnittuntersuchungen hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen dem
Energieverbrauch und der Herz-Kreislauf-Mortalität und -Morbidität dementsprechend noch
nicht durchgeführt werden konnten. Untersuchungen des Energieverbrauchs bei verschiede-
nen Rollstuhlsportarten sind somit zwingende Voraussetzung zur Überprüfung der
dargestellten Wechselwirkungen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Vorgabe von präventiv-
medizinischen Empfehlungen. Vor dem Hintergrund der gestiegenen Lebenserwartung und
dem erhöhten Risiko für Erkrankungen des atherogenen Formenkreises aufgrund des ge-
zwungenermaßen bewegungsarmen Lebensstils sind solche Untersuchungen von elementarer
Bedeutung (62;74;117;155). Die vorliegende Arbeit versucht diese Lücke zu schließen, indem
der Energieverbrauch wesentlicher, klassischer Rollstuhlsportarten systematisch mit Hilfe der
indirekten Kalorimetrie quantifiziert wurde. Diese zum Teil sehr aufwendigen Untersuchun-

Einleitung
5
gen wurden mit leistungs- und breitensportlich orientierten Athleten durchgeführt. Bei der
Gruppe der Handbiker und der Rennrollstuhlfahrer war es darüber hinaus möglich, umfang-
reiche trainingsrelevante Untersuchungen mit den Erhebungen des Energieverbrauchs zu
verknüpfen.
Leistungsphysiologische Aspekte
Während im Leistungssport der Fußgänger positive Beziehungen zum rehabilitativ-präventiv
betriebenen Sport zunehmend konterkariert werden, überwiegen im Bereich des Roll-
stuhlsports die fruchtbaren Synergien. Eine Vielzahl der technischen Verbesserungen der
Alltags- und Sportrollstühle sind auf Entwicklungen aus dem Bereich des Wettkampfsports
zurückzuführen. Die Entwicklung von Sportarten, die Modifikationen des Regelwerks, aber
auch Erarbeitungen von Klassifikationskonzeptionen sind wesentlich durch aktive Leistungs-
sportler gestaltet und vorgenommen worden. Darüber hinaus sind viele Möglichkeiten des
Sporttreibens erst von gut trainierten Wettkampfsportlern demonstriert worden. Dies gelang
häufig gegen Widerstände auf Seiten der vermeintlichen, nicht betroffenen Experten. Bei-
spielsweise wurde Menschen mit einer tetraplegischen Lähmung die Teilnahme an
Marathonveranstaltungen wegen der Gefahr einer Überbelastung und Hyperthermie so lange
verboten, bis ein gut vorbereiteter Athlet die Strecke erfolgreich absolvierte. In der vorliegen-
den Arbeit wurden neben den aus präventivmedizinischen Gesichtspunkten bedeutsamen
Messungen des Energieverbrauchs, für die Gruppe der Handbiker und die Gruppe der Renn-
rollstuhlfahrer, leistungsphysiologische Untersuchungen durchgeführt, um der beschriebenen
fruchtbaren Vernetzung zwischen rehabilitativ-präventivem Sport und Leistungssport Rech-
nung zu tragen
Beim Handbike erfolgt der Antrieb über zwei Kurbeln, die über einen Ketten- oder Riemen-
antrieb mit dem Vorderrad eines dreirädrigen Fahrrads verbunden sind. Die Anordnung der
Kurbeln kann sowohl synchron (parallel) als auch asynchron (versetzt um 180°) gewählt wer-
den. Von den Athleten wird nahezu ausschließlich die synchrone Anordnung gefahren, da
diese ein besseres Lenkverhalten des Bikes gewährleistet. In der Literatur liegen allerdings
widersprüchliche Ergebnisse hinsichtlich des Wirkungsgrades der beiden Zugformen vor
(70;95). Aus diesem Grund wurden physiologische Reaktionen auf die beiden Zugtechniken
insbesondere hinsichtlich der mechanischen Effizienz untersucht.

Einleitung
6
Kontrollen des Trainingszustands sowie die Empfehlung von Trainingsintensitäten aufgrund
der Laktatkinetik gehören seit geraumer Zeit zum Standard der sportwissenschaftlichen und
sportmedizinischen Praxis (58;76;89;129;132). Untersuchungen zur Übertragbarkeit dieser
Konzeptionen in den Bereich der Athleten mit einer Rückenmarksverletzung oder -
erkrankung liegen allerdings nur unzureichend vor (121). Aus diesem Grund wurde überprüft,
inwieweit Trainingsempfehlungen, die von der fixen Laktatschwelle nach M
ADER
et al.
(1976) abgeleitet wurden, im simulierten Training auf dem Rollband die gewünschten meta-
bolischen Intensitäten erzielten (89).
Das autonome Nervensystem spielt bei der Regulation von kardiovaskulären und pulmonalen
Funktionen sowie beim Ablauf von metabolischen Prozessen eine wesentliche Rolle (123).
Insbesondere die Veränderungen der Herzfrequenz und der Sauerstoffaufnahme unter Belas-
tung werden durch aktivierende Einflüsse des sympathischen und hemmende Einflüsse des
parasympathischen Nervensystems gesteuert (10, S.376;112;114). Stufenförmige Belastungen
führen bei nichtbehinderten Menschen zu einer Stimulierung des peripheren sympathischen
Systems ­ wobei dem zentralen Nervensystem die Steuerungsfunktion zukommt ­ und mün-
den in einem exponentiellen Anstieg der Katecholaminkonzentrationen im Plasma (16,
S.655;82). Eine komplette Querschnittlähmung führt zu einer Unterbrechung der absteigenden
Bahnen vom Gehirn zum peripheren sympathischen Nervensystem. Als Resultat dieser Un-
terbrechung kommt es zu pathologischen Veränderungen der sympathischen
Innervationsmuster und damit zu Veränderungen der kardiovaskulären und metabolischen
Gesamtsituation in Ruhe und unter Belastungsbedingungen (41;44;66;134). Aus diesem
Grund wurden die Katecholaminkonzentrationen der Rennrollstuhlfahrer und der Handbiker
unter Ruhe- und Belastungsbedingungen untersucht.
Bei den meisten Probanden lag die Ursache der Rollstuhlabhängigkeit in einem traumatischen
Ereignis, infolge dessen es zu einer Querschnittlähmung kam. Zum besseren Verständnis,
besonders auch in Bezug auf die Veränderung hormoneller Parameter, wird das Schadensbild
der traumatischen Querschnittlähmung an dieser Stelle ausführlicher dargestellt.

Einleitung
7
Schadensbild Querschnittlähmung
Eine Querschnittlähmung zeichnet sich durch eine Kontinuitätsunterbrechung der aufsteigen-
den und absteigenden Bahnen des Rückenmarks und/oder der im Wirbelkanal verlaufenden
Nervenwurzeln aus. Häufigste Ursache einer Rückenmarksschädigung ist ein Trauma. Andere
Ursachen, die zu einer Querschnittlähmung führen können, sind vaskuläre, maligne oder ent-
zündliche Prozesse sowie eine angeborene Querschnittlähmung (z.B. Spina bifida). Kommt es
auf Grund der Läsionshöhe auch zu einem teilweisen oder völligen Funktionsverlust der obe-
ren Extremitäten, wird das Schadensbild als Tetraplegie bezeichnet (20, S.8). Als
charakteristische Trias einer Querschnittlähmung werden Ausfälle im motorischen, sensiblen
und vegetativen Bereich bezeichnet. Während bei einer kompletten Lähmung alle Strukturen
des Rückenmarks auf der betroffenen Höhe geschädigt sind, können bei einer inkompletten
Läsion Teilfunktionen erhalten bleiben (102 S.12). Das Niveau einer Querschnittlähmung
wird nach dem letzten intakten Rückenmarksegment (Abb. 1) für die motorischen und sensib-
len Qualitäten benannt.
Schema der Segmentanordnung von
Rückenmark und Wirbelsäule
Abbildung 1: Schema der Segmentanordnung von Rückenmark und Wirbelsäule [Halsmark rosa, Brustmark
blau, Lenden- und Kreuzmark schwarz, Steißmark rot] (aus: Lippert 1990; (86) S. 117)

Einleitung
8
Bei der Diagnose der Läsionshöhe wird die motorische Funktion durch spezielle Kennmus-
keln (Tab. 1) und die sensible Qualität mit Hilfe des Dermatomschemas getestet (Abb. 2).
Dabei kann das Läsionsniveau durch die Registrierung der erhaltenen motorischen und sen-
siblen Funktion bestimmt werden.
Tabelle 1: Kennmuskeln zur motorischen Typisierung (nach B
UCK
&
B
ECKERS
(20) S. 9)
Rückenmarksegment
Kennmuskel
C
1-3
Nackenmuskel, M. trapezius pars ascendens
C
4
Zwerchfell, M. deltoideus
C
5
M. biceps brachii
C
6
M. extensor carpi radialis
C
7
M. triceps brachii
C
8
M. flexor digitorum
Th
1
Kleine
Handmuskulatur
Th
2-12
Interkostalmuskulatur
Th
7
-L
1
Bauchmuskeln
L
2
M. iliopsoas, Adduktorenmuskulatur
L
3
M. quadriceps femoris
L
4
M. tibialis anterior
L
5
M. tibialis posterior, M. extensor hallucis
S
1
M. gastrocnemius, M. soleus, M. flexor hallucis
S
2
M. flexor digitorum
S
3
Blase und Darm
Dermatomschema
Abbildung 2: Dermatomschema für die segmentale Versorgung der Haut (aus: Lippert 1990; (86) S. 121)

Einleitung
9
Die Tabelle der Kennmuskeln und das Dermatomschema machen deutlich, dass eine Schädi-
gung im Bereich von C
5
(kein aktives Strecken des Armes durch die fehlende
Tricepsfunktion) zu einer wesentlich schwerwiegenderen Funktionseinschränkung führt als
eine Schädigung im Brustmarksegment Th
12
. Dies macht sich im Sport beim Antreiben des
Rollstuhls oder Handbikes, aber auch beim Passen und Fangen von Bällen oder bei physiolo-
gisch limitierten Parametern der Leistungsfähigkeit (Herzfrequenz, Sauerstoffaufnahme)
erheblich bemerkbar. Um einen gerechten Wettkampf in den verschiedenen Sportarten zu
gewährleisten, muss eine spezielle Klassifikation der Athleten für die entsprechenden Sportar-
ten vorgenommen werden. Klassifikationen sind somit notwendige Voraussetzungen für einen
fairen und gerechten Wettkampf von Sportlern mit unterschiedlichen Funktionseinschränkun-
gen (6;136).
Infolge der Querschnittlähmung kommt es zum Verlust der willkürlichen Motorik unterhalb
der Läsionshöhe, da Impulse des Gehirns durch die Unterbrechung der absteigenden Lei-
tungsbahnen nicht mehr am Erfolgsorgan (Muskel) ankommen. Gleiches gilt für die sensiblen
Funktionen, wobei hier die aufsteigenden Bahnen unterbrochen sind. Dies führt dazu, dass
sensible Reize nicht zum Gehirn weitergeleitet werden können, was sich im fehlenden Emp-
finden von Berührung, Schmerz, Kälte und Wärme äußert. Daraus resultieren häufig
Störungen der Kinästhetik und der Körperwahrnehmung. B
UCK
&
B
ECKERS
beschreiben zwei
Beispiele für eine gestörte Körperwahrnehmung (20, S.7):
,,Ein Mädchen mit einer C
5
-Läsion beschreibt sich z.B. als einen lebenden Kopf,
und ein Junge mit einer Paraplegie reagiert psychotisch bei der ersten Rollstuhl-
mobilisation, weil er meint zu schweben."
Der dritte durch eine Querschnittlähmung beeinträchtigte Bereich ist die vegetative Funktion.
Durch die Markschädigung entstehen Störungen im Bereich des Herz-Kreislauf-Systems, der
Atmung, des Gefäßtonus und der Thermoregulation. Ferner sind die Blasen- und Darmfunkti-
on sowie die sexuellen Funktionen gestört (Abb. 3).

Einleitung
10
Zuordnung von Rückenmarkssegmenten und ihrer vegetativen Wirkung auf Organe
Abbildung 3: Zuordnung verschiedener Rückenmarkssegmente (Sympathikus und Parasympathikus) hinsicht-
lich ihrer vegetativen Wirkung auf einzelne Organe (aus: S
CHMIDT
-T
HEWS
1997; (123) S.341)
1999 waren in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes insgesamt 16091
Menschen von einer Querschnittlähmung betroffen (131). Eine Aufschlüsselung nach
tetraplegischer und paraplegischer Lähmung wird dabei nicht vorgenommen. Nach Angaben
von D
IETZ
(1996) betreffen allerdings 40 % der Querschnittlähmungen das Halsmark. Dem-
nach müssten 6436 Menschen mit einer tetraplegischen Querschnittlähmung in Deutschland
leben (36, S.15). Wie aus Abbildung 4 ersichtlich ist, sind Männer deutlich häufiger betroffen
als Frauen.

Einleitung
11
Querschnittlähmungen in der Bundesrepublik
Deutschland (Stand 1999; gesamt 16091)
10893
5198
männlich
w eiblich
Abbildung 4: Querschnittlähmungen in der Bundesrepublik Deutschland (S
TATISTISCHES
B
UNDESAMT
1999;
(131))
Die Verteilung zu Ungunsten der Männer sowie die Altersverteilung (Abb. 5) mit einem Gip-
fel um das dritte und vierte Lebensjahrzehnt sind auf die häufigsten Ursachen einer
traumatischen Querschnittlähmung zurückzuführen. Hier fallen Verkehrsunfälle mit 35 % am
stärksten ins Gewicht, vor den Arbeitsunfällen mit 25 %, Sport- und Badeunfällen mit 10 %,
anderen Unfallursachen mit 10 % und Suizidversuchen mit 5 % (36, S.15). Statistisch gesehen
treffen diese Ursachen für junge Männer häufiger zu als für den Rest der Bevölkerung.
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
3500
unter
15
15-25
25-35
35-45
45-55
55-65
65-75 75 und
mehr
Querschnittlähmungen nach Altersgruppen
Weiblich
Männlich
Abbildung 5: Altersverteilung von Querschnittgelähmten (Statistisches Bundesamt 1999; (131))

Fragestellung
12
2 Fragestellung
Wie in der Einleitung ausgeführt, besteht im Bereich des Rollstuhlsports von Menschen mit
einer Rückenmarkserkrankung oder -verletzung aus präventivmedizinischer und leistungsphy-
siologischer Sicht ein erhebliches Wissensdefizit. Diese Vorenthaltung von
Informationsressourcen ver- und behindert zweifelsfrei die gesetzlich geforderte aktive Teil-
habe von Menschen, die vom Rollstuhl abhängig sind, da beispielsweise die selbstbestimmte
aktive Prävention von Erkrankungen des atherogenen Formenkreises durch körperliche Akti-
vität aufgrund des Wissensdefizits nur unzureichend umsetzbar ist. Im Rahmen der
vorliegenden Arbeit war es möglich, umfangreiche physiologische Untersuchungen im Be-
reich des Rollstuhlsports durchzuführen, die darauf abzielten, diese Informationslücken
zumindest teilweise zu schließen. Im Wesentlichen dienten die Untersuchungen dazu, folgen-
de Fragen zu klären:
1. Wie hoch ist der belastungsbedingte Energieumsatz bei fünf ausgewählten, klassi-
schen Rollstuhlsportarten? Durch welche zeitlichen Trainingsumfänge lassen sich die
aus präventivmedizinischer Sicht empfohlenen Energieverbrauchswerte im Bereich
des Rollstuhlsports erreichen und wie hoch ist der wöchentliche Energieverbrauchs-
wert der Untersuchungsgruppe durch körperliche Aktivität?
2. Gibt es beim Handbiken aus leistungsphysiologischer Sicht Unterschiede hinsichtlich
des mechanischen Wirkungsgrades zwischen den Zugformen Gleich- und Wechsel-
zug?
3. Wie verhalten sich die Katecholamine im Blut und Urin unter Belastung in Abhängig-
keit von der Läsionshöhe?
4. Wie verhält sich die Laktatkinetik im Dauertest auf dem Rollband unterhalb und im
Bereich der Dauerleistungsgrenze bei Querschnittgelähmten? Sind Trainingsempfeh-
lungen aufgrund der Laktatkinetik, wie sie im Bereich des Fußgängersports zur
sportwissenschaftlichen und sportmedizinischen Routine gehören, auf Athleten im
Rollstuhl übertragbar?

Methodik
13
3 Methodik
3.1 Energieverbrauch beim Rollstuhlsport
An den Untersuchungen zur Messung des Energieverbrauchs bei verschiedenen Roll-
stuhlsportarten nahmen insgesamt 63 Sportler teil. Vor allen Untersuchungen erfolgte eine
detaillierte Information über die Ziele der Untersuchungen, die Untersuchungsdurchführung
sowie den zeitlichen Aufwand, die Risiken und den Nutzen der geplanten Untersuchungen.
Die Teilnahme an der Studie erfolgte auf freiwilliger Basis, wobei den Probanden zugesichert
wurde, die Untersuchungen jederzeit und ohne Angabe von Gründen abbrechen zu können.
Von den Athleten wurde eine schriftliche Einverständniserklärung eingeholt (s. Anhang).
Die Trainingsumfänge der Athleten, die zur Quantifizierung des wöchentlichen Energie-
verbrauchs dienten, wurden mit Hilfe eines Fragebogens mündlich erhoben, wobei den
Teilnehmern die anonyme Auswertung der Fragebögen zugesichert wurde.
3.1.1 Untersuchungsteilnehmer
In Tabelle 2 sind die anthropometrischen Daten sowie der Body-Mass-Index als Verhältnis
von Körpergewicht zu Körpergröße im Quadrat ersichtlich. Dargestellt sind alle Probanden,
bei denen der Energieverbrauch ermittelt wurde.
Tabelle 2: Mittelwerte ( ) und Standardabweichungen (SD) der anthropometrischen Daten der Einzelgruppen
sowie der Gesamtgruppe
Teilnehmerzahl
Größe
[cm]
Alter
[Jahre]
Gewicht
[kg]
BMI
[kg/m
2
]
n =
SD
SD
SD
SD
Rugby 12
-
12
184,8
± 6,1
31,7
± 5,3
73,7
± 12,7
21,6
± 3,7
Tennis 14
1
13
181,1
± 5,0
35,6
± 5,5
75,4
± 11,4
22,9
± 3,1
Basketball 10 1 9 178,4
± 12,5
38,9
± 5,8
73,9
± 20,6
23,1
± 5,0
Rennrollstuhl 10 3 7 171,5
± 10,1
33,9
± 7,9
58,8
± 8,94
20,1
± 3,0
Handbike 17
3 14
177,3
± 11,1
37,8
± 8,0
71,7
± 16,6
22,9
± 5,2
Gesamtgruppe 63 8 55 178,7
± 10,0
35,7
± 7,0
71,2
± 15,2
22,2
± 4,2
Im Mittel waren die Athleten seit 14,5 Jahren vom Rollstuhl abhängig und betrieben seit 10,3
Jahren Rollstuhlsport. Der durchschnittliche wöchentliche Trainingsaufwand für alle von ih-
nen betriebenen Sportarten lag bei 8,4 Stunden. 49 Athleten bezeichneten sich als
leistungssportlich orientiert, von denen 25 einem Kader des Deutschen-Rollstuhl-
Sportverbands (DRS) angehörten. 14 Athleten waren breitensportlich orientiert. Bei 49 Athle-
ten war die Ursache der Querschnittlähmung ein Trauma (81 % der Untersuchungs-

Methodik
14
teilnehmer), wobei 20 Läsionen im Bereich des Halsmarks (Tetraplegie) und 29 im Bereich
des Brust- oder Lendenmarks (Paraplegie) lokalisiert waren. Bei 1 Teilnehmer der Untersu-
chung war die Schädigungsursache eine Poliomyelitis, 5 Athleten waren einseitig oder
beidseitig oberschenkelamputiert. Bei 3 Untersuchungsteilnehmern war eine entzündliche
oder raumfordernde Erkrankung im Bereich des Rückenmarks Ursache der Schädigung. Zwei
Teilnehmer der Untersuchung waren seit ihrer Geburt infolge einer Spina bifida Erkrankung
vom Rollstuhl abhängig (Abb. 6). Detaillierte Angaben zu den Schädigungsursachen, der
Rollstuhlabhängigkeit in Jahren, der Fähigkeit zum Schwitzen und den Daten der Trainings-
anamnese werden in der folgenden Zuordnung zu den Einzelsportarten dargestellt.
Ursachen der Rollstuhlabhängigkeit
Traumatischer
Querschnitt
(Paraplegie)
48%
Amputationen
8%
Traumatischer
Querschnitt
(Tetraplegie)
33%
Andere
11%
Abbildung 6: Ursache der Rollstuhlabhängigkeit für die Untersuchungsteilnehmer der Energieverbrauchsmes-
sungen
3.1.1.1 Rollstuhl-Rugby
In der Sportart Rollstuhl-Rugby nahmen 12 männliche Athleten an den Untersuchungen zur
Messung des Energieverbrauchs teil. Bei allen Teilnehmern war die Ursache der Querschnitt-
lähmung ein Unfall. Die Läsionshöhe lag im Bereich des Halsmarks (Tetraplegie), so dass es
infolge dieser Schädigung zu einem Funktionsverlust im Bereich der oberen und unteren Ex-
tremität kam. Die Spieler spielten in der Champions League Bundesliga für die Vereine Köln
(Cologne Crocodiles) und Bochum (Bochum Rodrunners) sowie in einer belgischen Liga
(Flemish Lions). Fünf Athleten gehörten zum Kader der deutschen, zwei Athleten zum Kader

Methodik
15
der belgischen Rugby-Nationalmannschaft. In Tabelle 3 sind das Geschlecht, die Schädi-
gungsformen, die Fähigkeit zu schwitzen, die Rollstuhlabhängigkeit und die aktive Teilnahme
am Rollstuhlsport in Jahren dargestellt.
Tabelle 3: Läsionshöhe der Untersuchungsteilnehmer; Einzel- und Mittelwerte ( ) sowie Standardabweichun-
gen (SD) für die Rollstuhlabhängigkeit und Dauer des Rollstuhlsports in Jahren für Athleten aus der
Sportart Rollstuhl-Rugby
Proband /Geschlecht Schädigung
Fähigkeit zu
schwitzen
Rollstuhlabhängigkeit
in Jahren
Rollstuhlsport
seit Jahren
1 /
C 6
nein
9 9,0
2 /
C 7
nein 8
8,0
3 /
C 6/7
nein 8
2,5
4 /
C 6
nein 7
2,5
5 /
C 7
nein 20
20,0
6 /
C 6/7
nein 21
12,0
7 /
C 6/7
nein 13
1,0
8 /
C 6/7
nein 5
3,0
9 /
C 5/6
nein 6
6,0
10 /
C 6
nein 8
2,0
11 /
C 6/7
nein 11
7,0
12 /
C 5/6
nein 11
10,0
10,6 6,9
SD
5,1 5,5
Im Durchschnitt spielten die Athleten seit 3,5 Jahren Rollstuhl-Rugby, wobei die Sportart in
Deutschland erst 1992 eingeführt wurde. Pro Woche trainierten die Athleten durchschnittlich
5,6 Stunden. Hiervon entfielen 3,9 Stunden auf ein Rugby-spezifisches Training (Tab. 4).
Tabelle 4: Einzel- und Mittelwerte ( ) sowie Standardabweichungen (SD) der Trainingsjahre im Bereich Roll-
stuhl-Rugby; allgemeiner und Rugby-spezifischer Trainingsaufwand in Stunden pro Woche;
funktionelle Klassifizierung für das Rugby-Spiel in Punkten
Proband
Rollstuhl-Rugby
seit Jahren
Trainingsstunden
pro Woche
Trainingsstunden
Rugby pro Woche
Klassifizierung in
Punkten
1 5 12 8 1.5
2 5 10 8 2.5
3 2 3 3 2.0
4 3 4 4 1.5
5 5 5 4 2.5
6 5 2 2 2.0
7 1 12 4 1.5
8 3 5 3 2.0
9 6 9 7 0.5
10 2 6 4 1.0
11 6 5 4 2.0
12 3 5 4 1.0
3,8 6,5 4,6
SD 1,7 3,4 2,0
-

Methodik
16
3.1.1.2 Rollstuhl-Tennis
In der Sportart Rollstuhl-Tennis nahmen 14 Athleten, 1 Frau und 13 Männer an den Untersu-
chungen zur Messung des Energieverbrauchs teil. Bei 5 Athleten handelte es sich um
Leistungssportler der nationalen Spitzenklasse, 9 Athleten waren breitensportlich orientiert.
Die Untersuchungen fanden auf einer Freiplatzanlage (Malsch bei Heidelberg) und in Tennis-
hallen in Köln, Düren und erneut Malsch statt. In Tabelle 5 sind das Geschlecht, die
Schädigungsformen, die Fähigkeit zu schwitzen, die Rollstuhlabhängigkeit und die aktive
Teilnahme am Rollstuhlsport in Jahren dargestellt.
Tabelle 5: Läsionshöhe der Untersuchungsteilnehmer; Einzel- und Mittelwerte ( ) sowie Standardabweichun-
gen (SD) für die Rollstuhlabhängigkeit und Dauer des Rollstuhlsports in Jahren für Athleten aus der
Sportart Rollstuhl-Tennis
Proband / Geschlecht Schädigung
Fähigkeit zu
schwitzen
Rollstuhlabhängigkeit
in Jahren
Rollstuhlsport
seit Jahren
1 /
Th 8/9
Ja
21 21
2 /
Th 4/5
Ja
5 4
3 /
Th 7/10
ja
11 6
4 /
Th 12
ja
24 24
5 /
L 2/5
ja
3 1
6 /
Th 2
ja
13 12
7 /
Th 6/7
ja
5 4
8 /
Th 12
ja
14 12
9 /
Th 12
ja
20 20
10 /
C 7
nein
5 5
11 /
beids OS A
ja
34 20
12 /
Th 3
ja
14 11
13 /
Th 5/6
ja
19 19
14 /
L ½
ja
15 13
14,5 12,3
SD
-
8,7 7,5
Im Durchschnitt spielten die Athleten seit 12,3 Jahren Rollstuhl-Tennis. Pro Woche trainier-
ten die Athleten durchschnittlich 8,1 Stunden, wobei 3,1 Stunden auf ein Tennis-spezifisches
Training entfielen (Tab. 6).

Methodik
17
Tabelle 6: Einzel- und Mittelwerte ( ) sowie Standardabweichungen (SD) der Trainingsjahre im Bereich Roll-
stuhl-Tennis; allgemeiner und Tennis-spezifischer Trainingsaufwand in Stunden pro Woche
Proband
Rollstuhl-Tennis seit
Jahren
Trainingsstunden pro
Woche
Trainingsstunden Tennis
pro Woche
1 21 7 5
2 4 8 6
3 6 3 3
4 24 7 2,5
5 1 20 2
6 12 2 2
7 4 16 1
8 12 8 3
9 20 15 6
10 5 4 2
11 20 6 2
12 11 2 2
13 19 6 2
14 13 9 5
12,3 8,1 3,1
SD 7,53 5,41 1,67
3.1.1.3 Rollstuhl-Basketball
In der Sportart Rollstuhl-Basketball nahmen 10 Athleten, 1 Frau und 9 Männer an den Unter-
suchungen zur Messung des Energieverbrauchs teil. Bei den Athleten handelte es sich um
Mitglieder eines Basketballvereins (TVD Lohmar), der in der zweiten Bundesliga spielte. In
Tabelle 7 sind das Geschlecht, die Schädigungsformen, die Fähigkeit zu schwitzen, die Roll-
stuhlabhängigkeit in Jahren und die aktive Teilnahme am Rollstuhlsport in Jahren dargestellt.
Tabelle 7: Läsionshöhe der Untersuchungsteilnehmer; Einzel- und Mittelwerte ( ) sowie Standardabweichun-
gen (SD) für die Rollstuhlabhängigkeit und Dauer des Rollstuhlsports in Jahren für Athleten aus der
Sportart Rollstuhl-Basketball
Proband / Geschlecht Schädigung
Fähigkeit zu
schwitzen
Rollstuhlabhängigkeit
in Jahren
Rollstuhlsport
seit Jahren
1 /
Th 4
ja 21
18
2 /
Th 8
ja 17
17
3 /
Th 12
ja 27
15
4 /
Fußgänger
ja
5
5 /
L 1
ja 2,5
2
6 /
Th 8
ja 8
3
7 /
links beton-
te Parese
ja 12
12
8 /
Th 12
ja 41
35
9 /
Th 7
ja 7
6
10 /
Fußgänger
ja
5
17,0 11,8
SD
-
12,6 10,1

Methodik
18
Im Durchschnitt spielten die Athleten seit 10,6 Jahren Rollstuhl-Basketball. Pro Woche trai-
nierten die Athleten durchschnittlich 3,9 Stunden, wobei hiervon 3,3 Stunden auf ein
Basketball-spezifisches Training entfielen (Tab. 8).
Tabelle 8: Einzel- und Mittelwerte ( ) sowie Standardabweichungen (SD) der Trainingsjahre im Bereich Roll-
stuhl-Basketball; allgemeiner und Basketball-spezifischer Trainingsaufwand in Stunden pro Woche;
funktionelle Klassifizierung für das Basketball-Spiel in Punkten
Proband
Rollstuhl-
Basketball seit
Jahren
Trainingsstunden
pro Woche
Trainingsstunden
Basketball pro Woche
Klassifizierung in
Punkten
1 12 4 4 2.5
2 17 4 4 4.5
3 13 2 2 2.0
4 5 4 4 4.5
5 2 4 4 3.5
6 3 4 4 1.0
7 12 3 3 3.5
8 32 8 2 2.0
9 6 4 4 2.0
10 5 2 2 4.5
10,6 3,9 3,3
SD 9,5 1,7 1,0
-
3.1.1.4 Rennrollstuhlfahren
In der Sportart Rennrollstuhlfahren nahmen 10 Athleten, 3 Frauen und 7 Männer an den Un-
tersuchungen zur Messung des Energieverbrauchs teil. Die Athleten gehörten dem B-Kader
des Deutschen Rollstuhl Sportverbandes an. In Tabelle 9 sind das Geschlecht, die Schädi-
gungsformen, der Schädigungsgrad oder die Lokalisation der Schädigung im Bereich des
Rückenmarks, die Rollstuhlabhängigkeit und die aktive Teilnahme am Rollstuhlsport in Jah-
ren dargestellt.

Methodik
19
Tabelle 9: Schädigungsform und Schädigungsgrad / Läsionshöhe der Untersuchungsteilnehmer; Einzel- und
Mittelwerte ( ) sowie Standardabweichungen (SD) für die Rollstuhlabhängigkeit und Dauer des
Rollstuhlsports in Jahren für Athleten aus der Sportart Rennrollstuhlfahren
Proband / Geschlecht
Schädigung
Schädigungsgrad /
Läsionshöhe
Rollstuhlabhängigkeit
in Jahren
Rollstuhlsport
seit Jahren
1 /
Traumatischer
Querschnitt
C5 inkomplett
10
6
2 /
Traumatischer
Querschnitt
C5 10 4,5
3 /
Traumatischer
Querschnitt
Th 8
13
10
4 /
Traumatischer
Querschnitt
Th4 11 9
5 /
Traumatischer
Querschnitt
C6/C7 21
20
6 /
Querschnitt
infolge einer
Operation
Th7 8 6
7 /
Traumatischer
Querschnitt
Th 9/10
6
5
8 /
Traumatischer
Querschnitt
Th8 10 8
9 /
Traumatischer
Querschnitt
L1 inkomplett
27
11
10 /
Traumatischer
Querschnitt
Th4 6 6
12,2 8,6
SD
6,7 4,6
Im Durchschnitt betrieben die Athleten seit 8,3 Jahren das Rennrollstuhlfahren. Pro Woche
trainierten die Athleten durchschnittlich 10,9 Stunden, wobei hiervon 6,7 Stunden auf ein
Rennrollstuhl-spezifisches Training entfielen. Durchschnittlich wurden pro Woche 70,5 km
im Rennrollstuhl absolviert (Tab. 10).
Tabelle 10: Einzel- und Mittelwerte ( ) sowie Standardabweichungen (SD) der Trainingsjahre im Bereich des
Rennrollstuhlfahrens; allgemeiner und Rennrollstuhl-spezifischer Trainingsaufwand in Stunden pro
Woche sowie wöchentliche Kilometerzahl im Rennrollstuhl
Proband
Rennrollstuhl seit
Jahren
Trainingsstunden
pro Woche
Trainingsstunden
Rennrollstuhl pro
Woche
Kilometer pro
Woche
1 6 20 9 70
2 4,5 6 4 40
3 10 4 4 50
4 9 12 8 60
5 20 9 9 100
6 6 11 8 100
7 5 7 4 60
8 8 10 5 60
9 9 20 12
125
10 5 10 4 40
8,3 10,9 6,7 70,5
SD 4,6 5,4 2,9 28,5

Methodik
20
3.1.1.5 Handbiken
Innerhalb der Gruppe der Handbiker nahmen 17 Personen, 3 Frauen und 14 Männer, an den
Messungen des Energieverbrauchs teil. Bei den Probanden handelte es sich um Mitglieder
und Kandidaten der sich bildenden Nationalmannschaft des Deutschen Rollstuhl Sportver-
bandes (Fachbereich Handbiken) sowie Teilnehmern eines regionalen Handbike-
Trainingsprogramms zur Vorbereitung auf den 4. Ford Köln Marathon. In Tabelle 11 sind das
Geschlecht, die Schädigungsformen, der Schädigungsgrad oder die Lokalisation der Schädi-
gung im Bereich des Rückenmarks, die Rollstuhlabhängigkeit und die aktive Teilnahme am
Rollstuhlsport in Jahren dargestellt.
Tabelle 11: Schädigungsform und Läsionshöhe der Untersuchungsteilnehmer; Einzel- und Mittelwerte ( )
sowie Standardabweichungen (SD) für die Rollstuhlabhängigkeit und Dauer des Rollstuhlsports in
Jahren für Athleten aus der Sportart Handbike
Proband /
Geschlecht
Schädigung
Schädigungsgrad / Läsi-
onshöhe
Rollstuhlabhängigkeit
in Jahren
Rollstuhlsport
seit Jahren
1 /
Amputation
Beidseitig ober-
schenkelamputiert
3 2
2 /
Traumatischer
Querschnitt
Th 11/12
5
4
3 /
Amputation
Finger und
Vorderfüsse
8 0
4 /
Traumatischer
Querschnitt
Th 12
25
24
5 /
Traumatischer
Querschnitt
Th 4
25
24
6 /
Querschnitt-
lähmung
C 8
19
4
7 /
Amputation
Beidseitig ober-
schenkelamputiert
32 19
8 /
Amputation
Oberschenkelamputation
rechts
13 13
9 /
Spina Bifida
Th 12
40
25
10 /
Traumatischer
Querschnitt
Th 4
8
7
11 /
Traumatischer
Querschnitt
C6
inkomplett
17 7
12 /
Traumatischer
Querschnitt
C6 13 13
13 /
Cerebralparese
- 28
6
14 /
Traumatischer
Querschnitt
Th 5/6
22
16
15 /
Traumatischer
Querschnitt
Th 6-9
24
20
16 /
Polyomyelitis
Cervikalbereich Gehfähigkeit
erhalten
20
17 /
Entzündlicher
Querschnitt
C 8 inkomplett, Th 1
komplett
6 4
16,9 12,2
SD
11,2 8,6

Methodik
21
Im Durchschnitt betrieben die Athleten seit 2,9 Jahren das Handbiken. Pro Woche trainierten
die Athleten 6,9 Stunden, wobei hiervon 5,9 Stunden auf ein Handbike-spezifisches Training
entfielen. Die durchschnittliche wöchentliche Kilometerleistung lag bei 93,8 km (Tab. 12).
Tabelle 12: Einzel- und Mittelwerte ( ) sowie Standardabweichungen (SD) der Trainingsjahre im Bereich
Handbiken; allgemeiner und Handbike-spezifischer Trainingsaufwand in Stunden pro Woche so-
wie wöchentliche Kilometerleistung im Handbike
Proband
Handbike seit Jah-
ren
Trainingsstunden
pro Woche
Trainingsstunden
Handbike pro Woche
Kilometer pro
Woche
1 0 6 2 50
2 4 7 5 120
3 0 0 6 115
4 4 5 5 120
5 2 10 4,5
105
6 3 5 5 70
7 2 9 6 75
8 3 5 4 55
9 6 5 2,5 50
10 1 5 8 100
11 7 10 10 180
12 6 8 6 90
13 4 8 6 90
14 1 10 10 125
15 1 12 12 175
16 3 8 6 60
17 2 4 2 15
2,9 6,9 5,9 93,8
SD 2,1 2,9 2,8 43,8
3.1.2 Untersuchungsablauf
Die Untersuchungen zum Energieverbrauch im Rollstuhlsport fanden im Zeitraum von Mai
2000 bis November 2001 statt. Die Untersuchungen der Athleten im Handbike sowie die Un-
tersuchungen der Rennrollstuhlfahrer wurden als Labortestung im Institut für
Kreislaufforschung und Sportmedizin der Deutschen Sporthochschule Köln durchgeführt. Die
Untersuchungen des belastungsbedingten Energieumsatzes bei den Spielsportarten Basketball,
Rugby und Tennis erfolgten während des Trainings in den entsprechenden Trainingshallen
der Mannschaften (Lohmar, Köln, Duisburg, Bochum) beziehungsweise in einer Tennishalle
oder auf einem Tennisplatz (Dünnwald/Köln, Malsch/Heidelberg). Die Messung des Energie-
verbrauchs unter Ruhebedingungen erfolgte für die Athleten der Spielsportarten jeweils privat
bei den Athleten.
Beim Handbiken und Rennrollstuhlfahren wurden die Intensitäten während der Energie-
verbrauchsmessung durch den Versuchsleiter mit Hilfe einer definierten Herzfrequenz aus

Methodik
22
einem vorhergehenden Stufentest (s. 3.2.2.1 u. 3.2.2.2) vorgegeben und simulierten ein exten-
sives Ausdauertraining. Bei den Spielsportarten wurden die Energieverbrauchsmessungen
während des Trainings so durchgeführt, dass eine möglichst normale, für die Sportart reprä-
sentative Übungseinheit zustande kommen konnte. Eine exakte Standardisierung der
Trainings- und Spielformen war dementsprechend nicht möglich.
3.1.2.1 Messung des Energieumsatzes unter Ruhebedingungen
Aus organisatorischen Gründen konnten nur die Messungen des Ruheenergieumsatzes bei den
Handbikern und Rennrollstuhlfahrern als standardisierte Laboruntersuchung im Institut für
Kreislaufforschung und Sportmedizin durchgeführt werden. Bei den einzelnen Messungen des
Energieumsatzes unter Ruhebedingungen kam jeweils dasselbe Spirometriesystem zum Ein-
satz, welches auch zur Messung des Energieumsatzes unter Belastungsbedingungen
verwendet wurde.
Messungen des Energieverbrauchs bei den Spielsportarten Tennis, Rugby und Basketball
Die Messungen des Energieumsatzes erfolgten für die Spielsportarten aus organisatorischen
Gründen (große Entfernungen des Wohnorts der Athleten zum Kölner Untersuchungszent-
rum, terminliche Probleme der Athleten aufgrund familiärer und beruflicher Verpflichtungen)
jeweils privat bei den Athleten. Die Messungen wurden morgens, nüchtern in liegender Posi-
tion in einem abgedunkelten Raum unter Ausschluss externer Störungen für mindestens 30
Minuten durchgeführt. Die Probanden durften während der Untersuchung nicht schlafen. Bei
allen Untersuchungen wurden BTPS
-
Bedingungen
2
für die Bestimmung der spirometrischen
Daten berücksichtigt (Abb. 7).
2
Abkürzung für body temperature (BT), pressure (P), saturated (S). Umrechnung in der Spirometrie zur Ver-
gleichbarkeit von Werten aus unterschiedlichen Orten mit unterschiedlichen Höhen- und Klimabedingungen.
Standard: 37 °C, 760 mm Hg, 100 % Luftfeuchtigkeit (63).

Methodik
23
Abbildung 7: Messung des Ruheenergieumsatzes unter Feldbedingungen
Die ersten 5 Minuten jeder Messung wurden als Adaptation an das Untersuchungssetting ein-
gestuft und nicht statistisch ausgewertet. Für die Messungen wurde den Athleten eine Silicon-
Spirometriemaske mit Gummibändern so auf dem Gesicht befestigt, dass eine kontinuierliche
Analyse der gesamten Atemgasparameter möglich war. Bei dem verwendeten Gerät handelte
es sich um ein offenes, portables Spirometriesystem, bei dem die Probanden Umgebungsluft
atmen und die Analyse jedes einzelnen Atemzugs möglich ist (Cosmed K
4
b², s. 3.6). Dasselbe
Gerät kam auch bei der Messung des Energieverbrauchs unter Belastungsbedingungen beim
Basketball, Rugby und Tennis unter Trainingsbedingungen zum Einsatz. Während der Spiro-
metrie wurden folgende Parameter gemessen bzw. nach der Messung berechnet:
Atemfrequenz (AF), Ventilation in Litern pro Minute (
&V
E
oder AMV), Sauerstoffaufnahme in
Millilitern pro Minute (
&V
O
2
), Kohlendioxydabgabe in Millilitern pro Minute (
&V
CO
2
), Sauer-
stoffaufnahme pro Kilogramm Körpergewicht (
&V
O
2
/kgKg), Respiratorischer Quotient als
CO
2
-Abgabe/O
2
-Aufnahme (RQ) sowie der Energieverbrauch (kcal) entsprechend der unter
3.1.2.3 angegebenen Methode. Vor jeder Untersuchung erfolgte eine komplette Eichung des
Systems (Raumluft-, Verzögerungs-, Gas-, und Volumenkalibrierung) nach einer Aufwärm-
zeit von mindestens 30 Minuten. Die interne Gerätetemperatur lag bei 34-36°C.
Messungen des Energieverbrauchs bei den Sportarten Handbiken und Rennrollstuhlfahren
Bei den Handbikern und Athleten im Rennrollstuhl wurden neben den Messungen des Ener-
gieumsatzes umfangreiche weitere Untersuchungen im Institut für Kreislaufforschung und
Sportmedizin durchgeführt (s. 3.2). Aus diesem Grund war es möglich, die Messungen des
Energieumsatzes unter Ruhebedingungen als Labormessungen zu arrangieren. Die Messungen
erfolgten analog zu den Messungen bei den Spielsportarten morgens nüchtern in liegender
Position unter Berücksichtigung von BTPS-Bedingungen für mindestens 30 Minuten (Abb.
8).

Methodik
24
Abbildung 8: Messung des Ruheenergieumsatzes unter Laborbedingungen
Die ersten 5 Minuten der Messungen wurden erneut als Adaptation an das Untersuchungsset-
ting betrachtet und nicht statistisch ausgewertet. Bei den Messungen wurde den Athleten eine
Silicon-Spirometriemaske mit Gummibändern so auf dem Gesicht befestigt, dass eine konti-
nuierliche Analyse der gesamten Atemgasparameter möglich war. Bei dem verwendeten
Gerät handelte es sich um ein offenes, stationäres Spirometriesystem, bei dem die Probanden
Umgebungsluft atmen und die Analyse jedes einzelnen Atemzugs möglich ist (Jäger Oxycon
alpha, s. 3.6). Dasselbe Gerät kam auch bei der Messung des Energieverbrauchs unter Belas-
tungsbedingungen beim Handbiken und Rennrollstuhlfahren auf dem Rollband zum Einsatz.
Während der Spirometrie wurden wiederum die bei den Ruhemessungen in den Spielsportar-
ten gemessenen bzw. nach der Messung berechneten Parameter bestimmt. Auch hier erfolgte
vor jeder Untersuchung eine komplette Eichung des Systems (Raumluft-, Verzögerungs-,
Gas- und Volumenkalibrierung) nach einer Aufwärmzeit von mindestens 30 Minuten.
3.1.2.2 Messung des Energieverbrauchs unter Belastungsbedingungen
Sportartspezifische Messungen des Energieverbrauchs beim Handbiken und Rennrollstuhlfah-
ren lassen sich unter standardisierten Laborbedingungen auf dem Rollband sehr gut
simulieren. Bei den Spielsportarten Basketball, Rugby und Tennis war ein solches Verfahren
nicht umsetzbar. Aus diesem Grund wurden die Messungen bei den Spielsportarten als Feld-
test während des Trainings unter typischen, sportartspezifischen Bedingungen durchgeführt.
Dies machte den Einsatz von portablen Spirometriesystemen erforderlich. Vor allen Belas-
tungsuntersuchungen wurden die Probanden dazu aufgefordert, ihre Blase zu entleeren, um
eine provozierte Dysreflexie zu verhindern.

Methodik
25
Messung des Energieverbrauchs unter Belastungsbedingungen bei den Spielsportarten Bas-
ketball, Rugby und Tennis
Zur Bestimmung des Energieverbrauchs unter Belastungsbedingungen wurden Messungen
der Atemgasparameter während des Trainings durchgeführt und der Energieverbrauch gemäß
der unter 3.1.2.3 beschriebenen Methode berechnet. Die Messungen erfolgten jeweils in typi-
schen Trainingssituationen. Eine Standardisierung der Bedingungen ist in diesem Fall nicht
möglich. Da die Messungen dazu dienen sollten, den Energieverbrauch aus präventiven Ge-
sichtspunkten zu analysieren, wurden jeweils möglichst repräsentative Trainingsinhalte
während der Messung durch den Versuchsleiter eingefordert und durch die jeweiligen Trainer
umgesetzt. Die Trainingseinheiten bestanden zu etwa 50 % aus einem Aufwärm- und Ü-
bungsprogramm sowie zu 50 % aus Spielformen.
Messungen des Energieverbrauchs unter Belastungsbedingungen bei den Sportarten Handbi-
ken und Rennrollstuhlfahren
Zur Messung des Energieverbrauchs unter Belastung wurden für die Gruppen der Handbiker
und Rennrollstuhlfahrer Dauertests auf dem Rollband absolviert (Abb. 9 a + b).
a
b
Abbildung 9 a + b: Dauertest im Handbike (a) und Rennrollstuhl (b) auf dem Rollband
Während der spiroergometrisch durchgeführten Dauertests wurden die Sportgeräte der Athle-
ten mit einer Spezialvorrichtung so auf dem Rollband fixiert, dass eine durch Speziallager
nahezu reibungsfreie Bewegung nach vorne und hinten möglich war. Diese Bewegungsmög-
lichkeit wurde durch einen vorderen und hinteren Anschlag auf die Dimensionen des
Rollbands (s. 3.2.2.2 u. 3.2.2.3) begrenzt. Seitliche Bewegungen, die ein Sicherheitsrisiko
durch ein mögliches Verkanten des Sportgeräts darstellen würden, waren hingegen ausge-
schlossen. Vor dem Dauertest absolvierten alle Athleten einen stufenförmigen Belastungstest
bis zur subjektiven Erschöpfung im eigenen Handbike oder Rennrollstuhl. Anhand des Stu-
fentests konnten unterschiedliche Herzfrequenzen verschiedenen Stoffwechselsituationen
zugeordnet werden. Entsprechend dieser Resultate wurde der Dauertest mit einem Zielherz-

Methodik
26
frequenzwert gesteuert, der einer Herzfrequenz bei einer metabolischen Stoffwechselsituation
von 2 respektive 4 mmol/l Blutlaktat entsprach. Dies entspricht der gängigen sportwissen-
schaftlichen und sportmedizinischen Praxis, indem Herzfrequenzwerte aus einem Stufentest
verschiedenen metabolischen Belastungsintensitäten zugeordnet werden. In der Trainingspra-
xis können dann mit Hilfe der Herzfrequenzwerte verschiedene Stoffwechselintensitäten
umgesetzt werden. Gegenüber der Vorgabe von Geschwindigkeiten hat dies den Vorteil der
Unabhängigkeit von beispielsweise Trainingsstrecken oder Witterungsbedingungen, bei de-
nen ein unterschiedliches Höhenprofil oder unterschiedliche Windverhältnisse bei gleicher
Geschwindigkeit erhebliche Unterschiede in der metabolischen Stoffwechselsituation bewir-
ken können.
Das Einhalten der Zielherzfrequenz wurde durch Veränderungen der Geschwindigkeit des
Rollbands erreicht. Die Steigung des Rollbands lag kontinuierlich bei 1 %. Der Dauertest
umfasste jeweils 40 Minuten Testzeit mit einer zusätzlichen Aufwärm-, Einregulierungs- und
Gewöhnungsphase von mindestens 5 Minuten. In den ersten 20 Minuten des Dauertests ent-
sprachen die Herzfrequenzen einem Wert analog zu 2 mmol/l Blutlaktatkonzentration aus
dem Stufentest. Während des zweiten Intervalls des Dauertests entsprachen die Herzfre-
quenzwerte einem Wert analog zu 4 mmol/l Blutlaktat. Die Geschwindigkeit des Rollbands
wurde nach jeder Minute des Dauertests reguliert, um die Zielherzfrequenzen zu erreichen.
Das Rollband erlaubte dabei eine Feinregulation um 0,1 km/h. Die Herzfrequenz wurde kon-
tinuierlich registriert. Nach jeder Minute des Dauertests wurde das subjektive
Belastungsempfinden der Probanden mit Hilfe der Borg Skala abgefragt (17). Während der
Spirometrie wurden erneut die bei den Ruheumsatzmessungen registrierten Parameter gemes-
sen bzw. nach der Messung berechnet.
3.1.2.3 Berechnung des Energieverbrauchs mit Hilfe der indirekten Kalorimetrie
Der Energieverbrauch wurde über die indirekte Kalorimetrie aus den spirometrisch ermittel-
ten Werten der Sauerstoffaufnahme (
&V
O
2
) und der Berücksichtigung der
Kohlendioxydabgabe (
&V
CO
2
) durch den Respiratorischen Quotienten (RQ) berechnet. Aus
den spirometrisch gemessenen Werten wurde in 5-minütigen Sequenzen der jeweilige Mittel-
wert gebildet und daraus dann der Energieverbrauch errechnet:
Die hierzu verwendete Formel lautet (106):
EE
Stunde
=
&V
O
2
.
(3,9 + 1,1
.
RQ)
.
60

Methodik
27
Wobei:
EE
Stunde
= kcal/h
&V
O
2
= l/min
RQ =
&V
CO
2
/
&V
O
2
Um den belastungsbedingten Energieumsatz ­ also den Energiebedarf, der nur durch die
sportliche Belastung entsteht ­ zu bestimmen, muss der Ruheumsatz vom Arbeitsumsatz ab-
gezogen werden.
3.2 Leistungsphysiologie im Handbiken und Rennrollstuhlfahren
An der Untersuchung nahmen 33 Handbiker und 10 Rennrollstuhlfahrer im Alter von 23 bis
53 Jahren teil. Vor allen Untersuchungen erfolgte eine detaillierte Information über die Ziele,
die Untersuchungsdurchführung, den zeitlichen Aufwand, die Risiken und den Nutzen der
geplanten Untersuchungen. Die Teilnahme an der Studie erfolgte auf freiwilliger Basis, wobei
den Probanden zugesichert wurde, die Untersuchungen jederzeit und ohne Angabe von Grün-
den abbrechen zu können. Dies wurde seitens der Athleten schriftlich bestätigt (s. Anhang).
3.2.1 Untersuchungsteilnehmer
In Tabelle 13 sind die anthropometrischen Daten sowie der Body-Mass-Index aller Probanden
dargestellt.
Tabelle 13: Mittelwerte ( ) und Standardabweichungen (SD) der anthropometrischen Daten der Gruppe der
Handbiker und der Gruppe der Rennrollstuhlfahrer
Teilnehmer-
zahl
Größe
[cm]
Alter
[Jahre]
Gewicht
[kg]
BMI
[kg/m
2
]
n =
SD
SD
SD
SD
Handbike
33
( 8 / 25)
175,7
10,3 38,1 6,3 71,9 16,3 23,3 4,7
Rennrollstuhl
10
( 3 / 7)
171,5
10,1 33,9 8,0 58,8 8,9 20,1 3,0
Gesamtgruppe
43
( 11 / 32)
174,1
10,2 36,0 7,1 68,8 15,2 22,1 4,1
Da die leistungsdiagnostischen Untersuchungen der Rennrollstuhlfahrer mit der bei den Ener-
gieverbrauchsmessungen beschriebenen Probandengruppe identisch war (s. 3.1.1.4), wird die
Gruppe nicht erneut dargestellt. An den leistungsdiagnostischen Untersuchungen nahmen
deutlich mehr Handbiker teil als an den Messungen des Energieverbrauchs im Handbike. Aus
diesem Grund wird die Gruppe ausführlich dargestellt.

Methodik
28
Die Gruppe der Handbiker setzte sich aus 8 Frauen und 25 Männern zusammen. 17 der Teil-
nehmer gehörten zum sich bildenden Kreis der Handbike-Nationalmannschaft, 16 waren
leistungs- oder breitensportlich interessiert und bereiteten sich auf den 4. Köln-Marathon vor.
Die Ursache der Behinderung war bei 22 Athleten eine traumatische Querschnittlähmung, 3
Athleten litten an einer angeborenen Erkrankung des Rückenmarks (Spina bifida), 5 Teilneh-
mer waren einseitig oder beidseitig oberschenkelamputiert. Bei drei Teilnehmern der
Untersuchung lagen andere neurologische oder vaskuläre Ursachen der Lähmung zugrunde.
Durchschnittlich befanden sich die rollstuhlabhängigen Sportler seit 14,8
± 6,1 Jahren im
Rollstuhl, die aktive Teilnahme am Rollstuhlsport lag zum Zeitpunkt der Untersuchung bei
9,9
± 4,5 Jahren. Die allgemeine Trainingszeit umfasste 6,8 ± 3,0 Stunden pro Woche, wobei
es sich nahezu ausschließlich um handbike- oder rennrollstuhlspezifisches Training handelte
(5,0
± 3,3 Stunden). Die Daten wurden im Rahmen der Laboruntersuchungen mit Hilfe eines
Fragebogens mündlich erhoben, wobei den Teilnehmern die anonyme Auswertung der Frage-
bögen zugesichert wurde.
3.2.2 Untersuchungsablauf
Die Untersuchungen der Teilnehmer erfolgte jeweils an einem Tag, für die Teilnehmer mit
weiten Anreisewegen wurden Übernachtungsmöglichkeiten im Leistungszentrum für Hockey
und Judo der Deutschen Sporthochschule Köln arrangiert. Vor der ersten Belastung wurde
eine Anamnese erhoben und ein Ruhe-EKG der Extremitäten nach E
INTHOVEN
und
G
OLDBERGER
sowie der Brustwand (V1 bis V6) nach W
ILSON
abgeleitet. Auf Grund der er-
hobenen Befunde wurde über die Belastungsfähigkeit der Probanden entschieden. Während
der ersten Ergometrie im Handbike wurde ein Belastungs-EKG mit Hilfe von Vakuumsaug-
elektroden abgeleitet, so dass die Herztätigkeit in einer 3-Kanal-Darstellung auf dem
Bildschirm überwacht werden konnte. Die EKG-Messung und -Auswertung umfasste die
beim Ruhe-EKG beschriebenen Ableitungen.
Als Abbruchkriterium galt das Auftreten eines oder mehrerer der bei R
OST
und H
OLLMANN
(1982) beschriebenen Phänomene (110, S.31):
1.
Auftreten subjektiver Beschwerden wie Atemnot, Kopfschmerzen oder Angina pectoris.
2. Endstreckenveränderungen in Form von ST-Senkungen oder ST-Hebungen, die das
Ausmaß der bereits in Ruhe vorhandenen Veränderungen um mindestens 0,2 mV über-
treffen.

Methodik
29
3. Auftreten bedeutsamer Rhythmusstörungen wie polytope, salvenförmige, frühzeitig
einfallende oder systematisch erscheinende Extrasystolen, supraventrikuläre oder
Kammertachykardien, Umschlag in Vorhofflimmern, Arrhythmie, Auftreten von Erre-
gungsleitungsstörungen wie zunehmende AV-Blockierung, Auftreten von Links- oder
Rechtsschenkelblockaden.
Aufgrund der erhobenen Befunde des Ruhe- und Belastungs-EKG, der Blutparameter sowie
einer klinischen Anamnese wurde den Teilnehmern die Sporttauglichkeit im Rahmen der
behinderungsspezifischen Einschränkungen attestiert (s. Anhang). Diese wird vom Deutschen
Rollstuhl Sportverband für Kaderathleten jährlich vorgeschrieben und war bei den breiten-
sportlich orientierten Athleten im Handbike Voraussetzung für die Teilnahme am
Marathonprojekt.
Vor der Ruheumsatzmessung, die nüchtern erfolgte, wurden Messungen des Körperfettgehal-
tes mit einem Kaliper und mit einem elektrischen Bioimpedanzmessgerät durchgeführt.
Außerdem wurde den Athleten eine Venenverweilkanüle gelegt und eine erste Blutentnahme
vorgenommen. Zur Bestimmung der hormonellen Parameter erfolgte nach der Ruhemessung
sowie vor und nach jeder Belastung eine Blutentnahme. Das Vollblut wurde in eiswasserge-
kühlte EDTA-Blutröhrchen (3 ml) abgefüllt. Im Anschluss wurde das Blut direkt mit einem
Stabilisator vermischt, zentrifugiert, abgesert und eingefroren. Vor und zwei Stunden nach
jeder Belastung wurden die Teilnehmer gebeten, ihre Blase zu entleeren. Die Urinproben
wurden angesäuert und zur Bestimmung der Katecholamine ebenfalls eingefroren.
Nach der Ruheumsatzmessung erhielten die Athleten ein leichtes, koffeinfreies Frühstück.
Bei den einzelnen stufenförmigen Belastungen wurden die Teilnehmer durch den Versuchs-
leiter verbal ermuntert, sich maximal zu belasten. Als Kriterium für das Vorliegen einer
maximalen Ausbelastung wurde das Erreichen eines Wertes von mindestens 17 auf der Skala
nach B
ORG
festgelegt. Dieser Wert auf der numerischen Skala von 6-20 entspricht einer sub-
jektiven Einschätzung der Belastung als ,,sehr schwer" (17). Zwischen den jeweiligen
Belastungen wurden die Athleten angehalten, kohlehydrathaltige Getränke zu sich zu nehmen,
um einer möglichen Glykogenverarmung vorzubeugen.
Zur besseren Verdeutlichung des Untersuchungsablaufs stellen die Abbildungen 10 und 11
die zeitliche Abfolge der Untersuchungen schematisch dar.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832459512
ISBN (Paperback)
9783838659510
DOI
10.3239/9783832459512
Dateigröße
1.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Deutsche Sporthochschule Köln – Sportwissenschaften, Kreislaufforschung und Sportmedizin
Erscheinungsdatum
2002 (Oktober)
Note
1,0
Schlagworte
energieverbrauch handbiken rennrollstuhl rollstuhl-rugby rollstuhl-tennis
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