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Die Haftung des Alleingesellschafters für existenzvernichtende Eingriffe in die GmbH

©2002 Diplomarbeit 54 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Anläßlich des BGH-Urteils „Bremer Vulkan“ befaßt sich die vorliegende Diplomarbeit mit dem Haftungsproblem des Gesellschafters in der Einmann-GmbH. Anlassgebender Sachverhalt ist der existenzvernichtende Eingriff des Alleingesellschafters in die GmbH. In vergleichender Weise wird auf die Rechtslagen in Österreich und Deutschland eingegangen.
Um der Frage nach der Haftung des eingreifenden Gesellschafters auf den Grund zu gehen, werden zunächst die folgenden österreichischen Normen untersucht: § 159 StGB Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen; § 69 KO Konkursverschleppung; § 1295 Abs 2 ABGB Schadenersatz; § 61 Abs 2 GmbHG Treuepflichthaftung; § 25 Abs 5 GmbHG analog Geschäftsführerhaftung; anerkannte Fälle der Durchgriffshaftung.
Anschliessend folgt eine Kurzdarstellung der wichtigsten Judikate zur Durchgriffshaftung in Deutschland. Der BGH hat sich im „Bremer Vulkan“ Urteil zwar für eine Haftung des Gesellschafters ausgesprochen, schweigt sich aber gleichzeitig über die Anspruchsgrundlagen aus. Dementsprechend verschieden sind die einzelnen Anspruchsmodelle aus der Literatur.
Da auch im österreichischen GmbH-Recht eine planwidrige Lücke angenommen werden kann, versucht der Autor in Anlehnung an die deutsche Diskussion und Rechtsprechung Lösungsansätze für das österreichische GmbH-Recht aufzuzeigen. Im Ergebnis spricht er sich für eine Innenhaftung des Alleingesellschafters aus, die auf einem erweiterten Verständnis der Kapitalerhaltungsregeln beruht.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
Abkürzungsverzeichnis4
1.Einleitung
1.1Der Sachverhalt6
1.2Das Problem7
1.3Die Forschungsfragen8
2.Gesellschafterhaftung in Österreich
2.1Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen § 159 StGB8
2.1.1Der Gesellschafter als unmittelbarer Täter des § 159 StGB9
2.1.2Der Gesellschafter als Beteiligter des § 159 StGB9
2.2Konkursverschleppung nach § 69 KO11
2.3Schadenersatz nach § 1295 Abs 2 ABGB11
2.4Treuepflichthaftung nach § 61 Abs 2 GmbHG12
2.5§ 25 Abs 5 GmbHG analog13
2.5.1Beschlussnichtigkeit wegen Verstoß gegen § 82 Abs 1 GmbHG15
2.5.2Beschlussnichtigkeit wegen Verstoß gegen § 25 Abs 3 GmbHG16
2.5.3Beschlussnichtigkeit wegen Verletzung des § 159 StGB16
2.5.4Beschlussnichtigkeit wegen Verletzung der §§ 67, 69 KO16
2.5.5Ergebnis17
2.6Durchgriffshaftung17
2.6.1Entwicklungsstand in Österreich17
2.6.2OGH Urteil zum Haftungsdurchgriff vom 12.4.200120
2.7Ergebnis22
3.Feststellung […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Der Sachverhalt
1.2 Das Problem
1.3 Die Forschungsfragen

2 Gesellschafterhaftung in Österreich
2.1 Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen § 159 StGB
2.1.1 Der Gesellschafter als unmittelbarer Täter des § 159 StGB
2.1.2 Der Gesellschafter als Beteiligter des § 159 StGB
2.2 Konkursverschleppung nach § 69 KO
2.3 Schadenersatz nach § 1295 Abs 2 ABGB
2.4 Treuepflichthaftung nach § 61 Abs 2 GmbHG
2.5 § 25 Abs 5 GmbHG analog
2.5.1 Beschlussnichtigkeit wegen Verstoß gegen § 82 Abs 1 GmbHG
2.5.2 Beschlussnichtigkeit wegen Verstoß gegen § 25 Abs 3 GmbHG
2.5.3 Beschlussnichtigkeit wegen Verletzung des § 159 StGB
2.5.4 Beschlussnichtigkeit wegen Verletzung der §§ 67, 69 KO
2.5.5 Ergebnis
2.6 Durchgriffshaftung
2.6.1 Entwicklungsstand in Österreich
2.6.2 OGH Urteil zum Haftungsdurchgriff vom
2.7 Ergebnis

3 Feststellung einer Gesetzeslücke
3.1 Rechtstechnischer Ansatz
3.2 Argumente pro und contra einer Lücke
3.3 Ergebnis

4 Durchgriffshaftung in Deutschland
4.1 Kurze Entwicklungsgeschichte
4.1.1 Autokran, Tiefbau & Video
4.1.2 TBB
4.2 BGH-Urteil "Bremer Vulkan" vom
4.2.1 Allgemeines
4.2.2 Haftungsvoraussetzungen
4.2.3 Bewertung
4.2.4 Vergleich mit OGH-Urteil zum Haftungsdurchgriff vom
4.3 Anspruchsmodelle für „Bremer Vulkan“
4.3.1 Kapitalerhaltung
4.3.1.1 Ausgleichsanspruch nach § 31 dGmbHG analog
4.3.1.2 Ersatzanspruch wegen Treuepflichtverletzung
4.3.2 Bestandsschutz
4.3.2.1 Eigeninteresse
4.3.2.2 Pflicht aus der Sonderverbindung zur GmbH
4.3.2.3 Sorgfaltshaftung analog § 43 dGmbHG

5 Lösungsansätze für das österreichische GmbH-Recht
5.1 Eigeninteresse
5.2 Pflicht aus der Sonderverbindung zur GmbH
5.3 Sorgfaltshaftung analog § 25 GmbHG
5.4 Kapitalerhaltung und Bestandsschutz
5.4.1 Die rechtsdogmatische Herleitung
5.4.2 Die rechtstechnische Umsetzung
5.4.2.1 Gewinnerzielung als Gesellschaftszweck
5.4.2.2 Bindung des Alleingesellschafters an den Zweck
5.4.2.3 Zweckänderung oder Dispens vom Zweck
5.4.2.4 Treuepflicht des Alleingesellschafters
5.4.3 Ergebnis
5.5 Kapitalerhaltung § 82 GmbHG analog

6 Zusammenfassung
6.1 Anspruchsgrundlage
6.2 Anspruchsinhaber
6.3 Anspruchsinhalt

7 Schlussbemerkung

8 Quellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Der Sachverhalt

Untersucht werden soll die Haftung des Alleingesellschafters einer GmbH für existenzvernichtende Eingriffe.

Es werden die Besonderheiten der Einmann-GmbH behandelt. Der vernichtende Eingriff erfolgt durch einen Weisungsbeschluss an die Geschäftsführung oder durch faktische Einflussnahme.

Die vernichtete Existenz der GmbH stellt sich zwangsläufig durch den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und den darauf folgenden Konkurs dar. Als wichtigster Beweggrund für die Auseinandersetzung mit dieser Haftungsproblematik taucht immer wieder das Interesse der Gesellschaftsgläubiger auf Schutz vor einer Schädigung durch einen Forderungsausfall im Konkurs auf.

Die folgenden Beispiele sollen helfen, dem Sachverhalt mehr Kontur zu verleihen:

Beispiel 1 „Ressourcenabzug“: Der Alleingesellschafter weist den Geschäftsführer mittels Beschluss an, alle betriebsnotwendigen Anlagen zu veräußern und mit dem Erlös Schulden zu tilgen. Vorausgesetzt, dass nicht alle Verbindlichkeiten getilgt werden können, wird die Gesellschaft zahlungsunfähig und ein Konkurs wird die Folge sein.

Beispiel 2 „GmbH-Stafette“: Eine Muttergesellschaft bedient sich zur Auftragsabwicklung einer 100%igen Tochter-GmbH. Die wirtschaftliche Entwicklung der Tochtergesellschaft verläuft jedoch eher schlecht. Anstatt teure Sanierungsmassnahmen zu setzen, werden der Tochtergesellschaft schlicht alle Aufträge entzogen und auf eine neue Gesellschaft übertragen. Durch die Wegnahme der Existenzgrundlage erreicht die Tochtergesellschaft zwangsläufig die Zahlungsunfähigkeit und wird in Konkurs fallen.

Beispiel 3 „Cash Pool“: Dem BGH Urteil "Bremer Vulkan" kann im Wesentlichen das folgende Problem entnommen werden. Im Konzern weist die Muttergesellschaft die Tochtergesellschaft an, alle verfügbaren liquiden Mittel in einen sogenannten Cash-Pool der Mutter einzubringen. Es findet ein Aktivtausch statt, wobei die Tochtergesellschaft eine gleichwertige Forderung erhält. Dieser Cash-Pool hat das Ziel, konzernweit den Zinsaufwand zu minimieren und darüber hinaus Zinserträge zu maximieren. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht stellt dies sicherlich ein sinnvolles Instrument dar. Problematisch wird die Situation aber, wenn die Muttergesellschaft zahlungsunfähig wird und die verbleibende Gegenforderung der Tochtergesellschaft durch den Konkurs entweder völlig wertlos oder der Wert zumindest vehement verringert wird. Die existenzvernichtende Wirkung gegenüber der Tochtergesellschaft entfaltet sich, wenn die Zahlungs- und Lebensfähigkeit von den eingebrachten Barmitteln abhängt und die Tochtergesellschaft in der Folge ebenfalls in Konkurs fällt.

1.2 Das Problem

§ 61 Abs 2 GmbHG besagt, dass den Gläubigern für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur das Gesellschaftsvermögen haftet. Damit wird das Haftungsprivileg des Gesellschafters normiert, wodurch dieser nur mit seiner Stammeinlage haftet[1].

Die Frage nach der Möglichkeit eines Haftungsdurchgriffs ist von der österreichischen Judikatur bisher nicht abschließend entschieden worden[2]. Lediglich einzelne Entscheidungen des OGH lassen erkennen, dass er den Durchgriff unter dem Gesichtspunkt der Gesetzesumgehung oder des Rechtsmissbrauchs jedenfalls nicht für ausgeschlossen hält[3]. Die qualifizierte Unterkapitalisierung als Fallgruppe wird von einem Urteil behandelt, aber nicht entschieden[4]. In einem neuen Urteil nimmt der OGH Stellung zur Haftung des Gesellschafters auf der Grundlage des faktischen Geschäftsführers[5]. Auf die zuletzt genannte Entscheidung wird später noch genauer eingegangen[6].

Das Weisungsrecht des Gesellschafters erschwert die Begründung eines Haftungsdurchgriffs nochmals erheblich. § 20 Abs 1 GmbHG ermöglicht dem Alleingesellschafter auf die Geschäftsführung aktiv und in verbindlicher Weise Einfluss zu nehmen[7]. Nach Harrer können die Gesellschafter jede Angelegenheit der Geschäftsführung initiativ aufgreifen[8].

1.3 Forschungsfragen

Nach einer Auslotung der Grenzen der bestehenden Anspruchsgrundlagen und der Prüfung hinsichtlich des Vorliegens einer Gesetzeslücke, werden verschiedene Lösungsmöglichkeiten näher betrachtet. Das Urteil des BGH zu "Bremer Vulkan"[9] vom 17.9.2001 gab der Diskussion über die Haftungsdurchgriffsproblematik eine neue Dynamik und liefert durch mehrere Beiträge aus der deutschen Literatur verschiedene Ansätze für die Haftung des Gesellschafters. Deren Verträglichkeit mit dem österreichischen Gesellschaftsrecht wird am Ende untersucht. Im Rahmen dieser Arbeit soll daher versucht werden die folgenden Fragen zu beantworten.

1) Auf welcher Grundlage haftet der Alleingesellschafter einer GmbH für existenzvernichtende Eingriffe?
2) Wer ist der Anspruchsinhaber?
3) Wie bemisst sich der Anspruchsinhalt?

2 Gesellschafterhaftung in Österreich

2.1 Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 StGB

§ 159 StGB bestraft Schuldner, die ihre Zahlungsunfähigkeit grob fahrlässig durch eine kridaträchtige Handlung herbeigeführt haben. Die kridaträchtigen Handlungen sind im Abs 5 definiert, und zwar in Form einer taxativen Aufzählung ohne jede weitergehende Generalklausel[10]. § 159 StGB ist ein Sonderpflichtdelikt, da der Täter Schuldner sein muss. Ihm gleichgestellt ist der Personenkreis des § 161 StGB. Die Schuldnereigenschaft des Haupttäters betrifft das Unrecht der Tat gemäß § 14 Abs 1 erster Satz StGB[11].

2.1.1 Der Gesellschafter als unmittelbarer Täter des § 159 StGB

Der Alleingesellschafter ist bzgl § 159 StGB ein extraneus, da er nicht selbst Schuldner ist. Nach traditioneller Auffassung kann ein extraner Täter nach § 159 StGB nie unmittelbarer Täter sein[12]. Die Rsp behandelte im Bereich fahrlässiger Krida extranei nicht als unmittelbare Täter[13]. Auch die Neufassung des § 159 StGB führt insoweit zu keinem anderen Ergebnis[14].

Fraglich bleibt eine mögliche Gleichstellung des Gesellschafters mit dem Schuldner durch die §§ 161 und 309 Abs 2 StGB.

Eine Gleichstellung mit dem Schuldner durch § 161 StGB erfolgt für den Gesellschafter eher nicht, da er kein leitender Angestellter ist[15]. Aus Geschäftführerpflichten lässt sich nicht auf Gesellschafterpflichten zurückschließen. Solange keine Strohmannsituation vorliegt, kann das Weisungsrecht aus § 20 GmbHG über die §§ 161 und 309 StGB nicht zu einer De-facto-Geschäftsführerhaftung uminterpretiert werden[16]. Im Ergebnis gestaltet sich die Strafbarkeit des Gesellschafters als unmittelbarer Täter des § 159 StGB entweder unmöglich oder zumindest äußerst schwierig.

2.1.2 Der Gesellschafter als Beteiligter des § 159 StGB

Voraussetzung für eine Strafbarkeit des Gesellschafters als Bestimmungs- oder Beitragstäter nach den §§ 12 2. + 3. Fall, 14 Abs 1 erster Satz und 159 StGB ist die Strafbarkeit des Geschäftsführers als unmittelbarer Täter.

Der Geschäftsführer wird durch die §§ 161 und 309 StGB dem Schuldner nach § 159 StGB gleichgestellt[17]. Ein Geschäftsführer kann strafrechtlich nicht belangt werden, wenn er zivilrechtlich zu der ihm vorgeworfenen Handlung verpflichtet war[18]. Für seine Strafbarkeit kommt es also darauf an, ob der Inhalt des Gesellschafterbeschlusses mit § 159 in Konflikt gerät und somit nichtig ist.

In den Fällen des § 159 Abs 1 und Abs 5 StGB stellt sich die Nichtigkeit des Beschlusses schon als problematisch heraus. Die Anwendbarkeit dieser Tatbestände auf den konkreten Sachverhalt wird auf Grund der ex-ante Betrachtung eher unsicher sein[19].

Der Kern dieses Problems liegt im Adäquanzzusammenhang, also in der Prüfung der objektiven Voraussehbarkeit der Zahlungsunfähigkeit. Ein Geschäftsführer und ein Gesellschafter, die mit den rechtlich geschützten Werten verbunden, besonnen und einsichtig sind, hätten den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit als Folge des Beschlusses bereits zum Zeitpunkt der Beschlussfassung objektiv vorausgesehen[20]. Sie hätten also erkannt, dass der Beschluss voraussichtlich einen Tatbestand des § 159 Abs 5 StGB erfüllt und, dass die Verwirklichung eines dieser Tatbestände so intensiv erfolgt, dass die GmbH zahlungsunfähig wird.

Selbst wenn Fahrlässigkeit festgestellt wird, stellt § 159 StGB nur grob fahrlässige Handlungen unter Strafe. Die Latte der Sorgfaltspflicht wird also im Zuge der Entkriminalisierung der Wirtschaft noch weiter herabgesetzt. Den Tätern muss eine ungewöhnliche, auffallende Sorglosigkeit zur Last liegen und der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit darf nicht nur entfernt möglich, sondern muss geradezu schon als wahrscheinlich vorhersehbar sein[21].

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Alleingesellschafter nach § 159 StGB nicht für einen existenzvernichtenden Eingriff in die GmbH haftet, wenn der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit auf Grund des Beschlusses nicht als wahrscheinlich vorhersehbar einzustufen war. Die bloße Möglichkeit der Existenzvernichtung verursacht für den Gesellschafter keine strafrechtlichen Konsequenzen.

2.2 Konkursverschleppung nach § 69 KO

Zusammen mit § 67 KO verpflichtet § 69 KO die Geschäftsführer einer zahlungsunfähigen oder überschuldeten GmbH die Konkurseröffnung zu beantragen[22]. Der Sinn des Konkursverfahrens und auch der Antragspflicht ist der Schutz der Gesellschaftsgläubiger. Die noch vorhandene Vermögensmasse, des in der Krise befindlichen Unternehmens soll für die Gläubiger erhalten bleiben[23].

Als Haftungsgrundlage gegen den Alleingesellschafter kommt diese Norm in Verbindung mit § 1301 ABGB meist nur in Frage, wenn er den Geschäftsführer dazu veranlasst, den gebotenen Konkursantrag nicht zu stellen[24].

Für den zu untersuchenden Sachverhalt gibt diese Haftungsgrundlage allerdings nichts her, weil hier nur Schäden geltend gemacht werden können, die durch die Verschleppung des Konkurses verursacht werden. Das Unternehmen muss also bereits zahlungsunfähig oder überschuldet gewesen sein[25]. Eine Haftung für Handlungen, welche die Zahlungsunfähigkeit selbst verursachen, kann dieser Norm aber nicht entnommen werden.

Die §§ 67 und 69 KO können den Gesellschaftsgläubigern im vorliegenden Sachverhalt keine Anspruchsgrundlage liefern.

2.3 Schadenersatz nach § 1295 Abs 2 ABGB

Die Anwendung von § 1295 Abs 2 ABGB ist denkbar. Diese Bestimmung ist nach hA entsprechend ihrem Wortlaut eng zu verstehen[26]. Als Haftungsgrundlage ist diese Norm nur heranzuziehen, wenn die Schädigung vorsätzlich und sittenwidrig erfolgte und im Falle der Ausübung eines Rechts nur unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass die Rechtsausübung mit dem ausschließlichen Zweck der Schädigung erfolgte. Die genannten Voraussetzungen werden auch laut OGH bei Gesellschafterweisungen in der Regel eben nicht vorliegen[27]. Wegen der Schwierigkeit des Nachweises der subjektiven Anforderungen von § 1295 Abs 2 ABGB ist diese Haftungsgrundlage praktisch aber fast bedeutungslos[28].

Für den vorliegenden Sachverhalt kann also auch § 1295 Abs 2 ABGB keine befriedigende Lösung liefern.

2.4 Treuepflichthaftung nach § 61 Abs 2 GmbHG

Bei der mehrgliedrigen Gesellschaft werden seit langem Treue- und Loyalitätspflichten anerkannt. Für eine Haftungsbegründung im vorliegenden Fall interessieren vor allem Treuepflichten der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft[29]. Über die Grundlage dieser Pflicht herrscht noch keine Klarheit. Nach Koppensteiner ist die Pflichtenquelle in der durch die Satzung ausgedrückten gleichförmigen Verpflichtung auf das gemeinsame Interesse, also das Gesellschaftsinteresse, zu finden[30]. Dieser verbandsrechtliche Grundsatz gilt demzufolge unabhängig von der personalistischen oder kapitalistischen Struktur der Gesellschaft.

Die Inhalte der Treuepflicht können in allgemeiner und aussagekräftiger Weise nicht beschrieben werden[31]. Einerseits liegt dies an der Abhängigkeit des Pflichtenausmaßes von der Realstruktur der Gesellschaft, andererseits am nach der Entscheidungssituation variierenden Pflichteninhalt. Allgemein kann aber festgestellt werden, dass alle Gesellschafter die Pflicht trifft, die Gesellschaft nicht zu schädigen[32].

Problematisch wird die Haftungsbegründung mit der Treuepflicht bei der Einmann-GmbH. Denn hier können besondere Gesellschafterpflichten nicht mit dem Interesse der Minderheit begründet werden. Vielmehr ist zu prüfen, ob sich bei der Einmann-GmbH das Gesellschafterinteresse sinnvoll vom Gesellschaftsinteresse unterscheiden lässt. Ist dies nicht der Fall, so kann den Gesellschafter im Verhältnis zur GmbH keine Treuepflicht treffen[33].

Ulmer und Koppensteiner halten ein eigenes Interesse der Gesellschaft, das sich von dem des Alleingesellschafters unterscheiden lässt, der nicht Unternehmer ist, für unmöglich[34]. Betrachtet man die Gesellschaft unabhängig von dem an ihrem gedeihen interessierten Menschen, so bleibt nur noch eine juristische Fiktion, die selbst keinen tauglichen Interessenträger darstellt.

Einen Bestandsschutz der Gesellschaft gegen den Gesellschafterwillen gibt es nach Koppensteiner nicht, da nur dieser über die Auflösung befinden kann[35]. Koppensteiner lehnt sowohl öffentliche Interessen, als auch Arbeitnehmerinteressen zur Begründung eines Eigeninteresses der Gesellschaft ab. Genauso verneint er auch die Zulässigkeit von Gläubigerinteressen, da dies mehr einer Beseitigung des Instituts der Haftungsbeschränkung gleichkommt, als mit § 61 Abs 2 GmbHG vereinbar ist. Koppensteiner verneint daher im Ergebnis die Existenz eines Eigeninteresses der Einmann-GmbH.

Bei der Einmann-GmbH lassen sich mit den bisherigen Argumenten auf Grund der Treuepflicht keine Haftungsgrundlagen zu Lasten des Gesellschafters bestimmen.

2.5 § 25 Abs 5 GmbHG analog

Denkbar ist auch eine analoge Anwendung des § 25 Abs 5 GmbHG auf den Alleingesellschafter, der den Fremdgeschäftsführer zu einer schädlichen Handlung anweist. Zur Antwortfindung muss zuerst die Reichweite der Geschäftsführerhaftung beleuchtet werden.

Anspruchsgläubiger nach § 25 GmbHG ist die Gesellschaft, obwohl diese Bestimmung gläubigerschutzorientiert ist. Aus dem Wortlaut der Abs 1 und 2 ergibt sich eine bewusste und gewollte Innenhaftung. Der Gesetzgeber wollte den Gesellschaftsgläubigern nach § 25 keinen eigenen Anspruch geben. Natürlich steht dem eine Pfändung und Überweisung des Ersatzanspruchs der Gesellschaft nicht entgegen.

Als Anspruchsschuldner wird nach dem Wortlaut des § 25 GmbHG der Geschäftsführer herangezogen. Darüber hinaus kann es auch zu einer Haftung des Notgeschäftsführers oder auch des sogenannten faktischen Geschäftsführers kommen.

§ 25 GmbHG setzt schuldhaftes Verhalten voraus. Dies ist zu bejahen, wenn die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wird[36]. Es geht also darum, dass sich die Mitglieder des geschäftsführenden Organs nicht wie ein beliebiger Unternehmer, sondern wie jemand in verantwortlich leitender Position bei selbständiger treuhändiger Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen verhalten müssen[37].

Von grundlegender Bedeutung ist die Haftungsentlastung durch Weisung[38]. Aus § 25 Abs 5 GmbHG ergibt sich, dass ein Weisungsbeschluss der Gesellschafter grundsätzlich entlastend wirkt, da der Geschäftsführer durch § 20 GmbHG an derartige Weisungen gebunden ist. Die gleiche Wirkung entfaltet eine Weisung des Alleingesellschafters[39].

Nichtige Weisungsbeschlüsse lassen die Haftung jedoch weiterbestehen, da sie ja nicht verbindlich sind. Zur inhaltlichen Nichtigkeit gelangt man über eine analoge Anwendung des § 199 Abs 1 Z 3 und 4 AktG. Eine Weisung ist nichtig, wenn sie mit dem Wesen der GmbH nicht vereinbar ist, im Widerspruch zu einer Norm steht, die ausschließlich oder überwiegend dem Schutz der Gläubiger der Gesellschaft oder öffentlichen Interessen dient oder gegen die guten Sitten verstößt[40].

Für den gegenständlichen Sachverhalt drängt sich somit bezüglich einer Beschlussnichtigkeit die Untersuchung der Reichweite der folgenden Normen auf.

2.5.1 Beschlussnichtigkeit wegen Verstoß gegen § 82 Abs 1 GmbHG

§ 82 GmbHG gehört zu den Kapitalerhaltungsvorschriften, deren Abs 1 vor allem eine verdeckte Einlagenrückgewähr oder Begünstigung der Gesellschafter verbietet[41]. Unzulässig ist jeder Vermögenstransfer von der Gesellschaft zum Gesellschafter in Vertragsform oder auf jede andere Weise, der den Gesellschafter auf Grund des Gesellschaftsverhältnisses zu Lasten des gemeinsamen Sondervermögens bevorteilt[42].

Im Beispiel 1 wäre durch den Verkauf der betriebsnotwendigen Anlagen zur Schuldentilgung an eine Verletzung der Kapitalerhaltung zu denken. Der VwGH hat beispielsweise im Fall der verbilligten Veräußerung eines Grundstücks durch die Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter eine verdeckte Gewinnausschüttung gesehen[43]. Diese Beurteilung kann auf den Beispielfall 1 aber nicht übertragen werden, da das Grundstück erstens nicht an den Gesellschafter und zweitens nicht verbilligt verkauft wurde.

Ebenfalls schwierig erscheint die Verletzung des § 82 Abs 1 GmbHG im Beispiel 2 zu begründen. Dazu müsste man den Entzug von künftigen Aufträgen als einen Vermögenstransfer im obigen Sinn interpretieren. Nimmt man diese Prämisse als richtig an, so würde dies bedeuten, dass die potentiellen künftigen Aufträge für die Tochter einen bereits vorhandenen Vermögensgegenstand darstellen würden, der wiederum durch die Kapitalerhaltungsregeln geschützt ist. Nach dem bisherigen Verständnis über die Reichweite der Kapitalerhaltungsvorschriften wird § 82 GmbHG hier nicht greifen. Im Beispiel 1 wird seitens der Gesellschaft an den Gesellschafter keine Leistung erbracht. Im Beispiel 2 gestaltet sich die Qualifikation der Auftragserteilung als Gesellschaftsvermögen äußerst schwierig.

Auch der Forderungsausfall im Fall 3 ist kaum mit § 82 Abs 1 GmbHG zu lösen. Durch die Einbringung der Barmittel wird zwar ein Vermögenstransfer von der Gesellschaft auf den Gesellschafter durchgeführt, die Tochter erhält aber gleichzeitig eine aktivierungsfähige Gegenforderung, so dass sich diese Transaktion in der Bilanz der Tochter zunächst nicht negativ niederschlägt. Es findet bloß ein Aktivtausch statt. Die Wertminderung erfolgt ja erst später durch die Zahlungsunfähigkeit der Muttergesellschaft.

2.5.2 Beschlussnichtigkeit wegen Verstoß gegen § 25 Abs 3 GmbHG

§ 25 Abs 3 Z 1 GmbHG verbietet dem Geschäftsführer eine Verteilung des Gesellschaftsvermögens entgegen dem Gesetz oder dem Gesellschaftsvertrag. Damit wird ebenfalls auf die Kapitalerhaltungsvorschriften bezug genommen. Zur inhaltlichen Würdigung kann hier auf die Ausführungen unter 2.5.1 verwiesen werden.

§ 25 Abs 3 Z 2 GmbHG gibt für den zu untersuchenden Sachverhalt keine geeigneten Anspruchsgrundlagen, da in dieser Bestimmung Zahlungen verboten werden, die nach dem Zeitpunkt der Konkurseröffnungsantragspflicht erfolgen, aber keine Ursache zur Zahlungsunfähigkeit selbst betreffen. Wie Roth herausgearbeitet hat, ist die Z 2 nur eine Art Fortsetzung der Konkursantragspflicht nach § 69 KO aufzufassen[44].

2.5.3 Beschlussnichtigkeit wegen Verletzung des § 159 StGB

Die beispielhaften Fälle 1 - 3 können wahrscheinlich alle unter die kridaträchtigen Handlungen des § 159 Abs 5 StGB subsummiert werden, es bleibt aber wieder das unter 2.1.2 dargelegte Problem der objektiven Voraussehbarkeit des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit.

2.5.4 Beschlussnichtigkeit wegen Verletzung der §§ 67, 69 KO

Wie bereits unter 2.2 dargelegt, geben die §§ 67, 69 KO für den zu untersuchenden Sachverhalt keine geeignete Anspruchsgrundlage ab.

2.5.5 Ergebnis

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass auch eine analoge Anwendung des § 25 Abs 5 GmbHG keine befriedigende Lösung für die Existenzvernichtung durch den Alleingesellschafter ergibt.

[...]


[1] Koppensteiner, § 61 Rn 1 ff.

[2] Koppensteiner, § 61 Rn 34.

[3] OGH, EvBl 1995/144, ecolex 1992, 707.

[4] OGH, WBl 1990, 348.

[5] OGH, RdW 2001, 469.

[6] siehe 2.6.2.

[7] Koppensteiner, § 20 Rn 9.

[8] Harrer, 134.

[9] BGHZ 178/99 = ZIP 2001, 1874.

[10] Rainer in Triffterer, § 159 Rn 20.

[11] Rainer in Triffterer, § 159 Rn 7.

[12] Kirchbacher/Presslauer, WK, § 159 Rn 35; Kienapfel, E7 Rn10.

[13] 14 Os 68/90.

[14] Kirchbacher/Presslauer, aaO.

[15] Kirchbacher/Presslauer, WK, § 161 Rn 13.

[16] Koppensteiner, WBl 1988, 1, 9f.

[17] Kirchbacher/Presslauer, WK, § 161 Rn 6.

[18] Koppensteiner, WBl 1988, 1, 9f.

[19] Koppensteiner, aaO.

[20] Rainer in Triffterer, § 159 Rn 50; Kirchbacher / Presslauer, WK, § 159 Rn 21.

[21] Rainer in Triffterer, § 159 Rn 59.

[22] Koppensteiner, § 25 Rn 35.

[23] Koppensteiner, WBl 1988, 1, 8.

[24] Koppensteiner, aaO.

[25] Koppensteiner, § 25 Rn 36.

[26] Koppensteiner, WBl 1988, 1, 7f.

[27] OGH, JBl 1986, 713, 714.

[28] Koppensteiner, § 61 Rn 35.

[29] Koppensteiner, § 61 Rn 9 ff.

[30] Koppensteiner, aaO.

[31] Koppensteiner, § 61 Rn 10.

[32] Koppensteiner, WBl 1988, 1, 3.

[33] Koppensteiner, WBl 1988, 1 , 3f.

[34] Ulmer, ZHR 148 (1984) 391, 416 ff; Koppensteiner, WBl 1988, 1, 3f; Koppensteiner, § 61 Rn 12.

[35] Koppensteiner, WBl 1988, 1, 3f.

[36] Koppensteiner, § 25 Rn 14.

[37] OGH, GesRZ 1986, 97.

[38] Koppensteiner, § 25 Rn 17.

[39] OGH, ecolex 1990, 419.

[40] Koppensteiner, § 41 Rn 12; OGH ecolex 1994, 684.

[41] Koppensteiner, § 82 Rn 15.

[42] Hachenburg/Koppensteiner, § 29 Rn 129.

[43] Koppensteiner, § 82 Rn 17; VwGH, GesRZ 1978, 137.

[44] Roth, § 64 Anm 3.2.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832459499
ISBN (Paperback)
9783838659497
DOI
10.3239/9783832459499
Dateigröße
546 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Salzburg – Rechtswissenschaften
Erscheinungsdatum
2002 (Oktober)
Note
2,0
Schlagworte
gesellschafter geschäftsführer konkurs krida kapital
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