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Currency Boards

Theoretische Aspekte und Erfahrungen anhand des Beispiels Argentinien

©2002 Diplomarbeit 94 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Argentinien befand sich im Jahr 2002 in der schwersten Krise, die das Land in seiner Geschichte erlebt hat. Diese Krise betraf nicht nur die Ökonomie, sie belastete auch die sozialen Verhältnisse, die politische Ebene und die internationalen Beziehungen zu anderen Nationen. Zu Beginn des Jahres 2002 gab Argentinien sein Currency Board mit einer festen Wechselkursbindung an den US-Dollar auf und ging zu einem flexiblen Wechselkurssystem über. Die argentinische Währung verlor in der Spitze um fast 75 % an Wert und die Aussichten für die Volkswirtschaft sind alles andere als vielversprechend.
Ist Argentinien ein Land ohne funktionierende Währungs- und Geldpolitik? Die Auflösung des Currency Board war nicht das erste Scheitern eines Währungsregimes in Argentinien. Die Errichtung des Currency Board im Jahr 1991 sollte Argentinien von einer Hyperinflation und langjähriger Rezession befreien. Dies gelang in den folgenden Jahren auch, langfristige Stabilität und Wachstum konnte es aber nicht garantieren.
Ein Currency Board ist eine feste Wechselkursbindung, bei der eine Währungsbehörde die Zentralbank ersetzt und die heimische Währung zum gesetzlich fixierten Wechselkurs gegen eine Ankerwährung austauscht und vollkommene Konvertibilität gewährleistet. Die Inlandswährung muss daher zu mindestens 100 % durch Währungsreserven gedeckt sein. Bereits in der Kolonialzeit war das Currency Board ein weit verbreitetes währungspolitisches Arrangement, welches aber durch die Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien ausgedient hatte, da das Currency Board als Zeichen der Abhängigkeit vom ehemaligen „Mutterland“ angesehen wurde. Die Aufgabe des Currency Board war in den meisten Fällen mehr politisch als ökonomisch begründet.
Die geballt aufgetretenen Währungs- und Finanzkrisen der 90er Jahre – in Mexiko 1994/95, in Asien 1997/98, in Russland 1998, in Brasilien 1999 und in der Türkei 2001 – haben die Diskussion um die Frage nach dem „richtigen“ Währungsregime wiederbelebt. Die aktuelle Argentinien-Krise führte dabei zum ersten Mal zur Aufgabe eines der Currency Board, die in den 90er Jahre ins Leben gerufen wurden. Diese „Innovation“ stellt die Motivation zu dieser Arbeit dar.
Das Ziel dieser Diplomarbeit soll zum einen der theoretische Vergleich des Currency Board mit währungspolitischen Alternativen und zum anderen die Analyse des argentinischen Currency Board sein. Aufbauend auf den erlangten Erkenntnissen wird abschließend noch die Frage […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 5928
Huber, Arno: Currency Boards - Theoretische Aspekte und Erfahrungen anhand des Beispiels
Argentinien
Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Konstanz, Universität, Diplomarbeit, 2002
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http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

iii
Inhaltsverzeichnis:
Seite
Widmung... ii
Inhaltsverzeichnis...iii
Abkürzungsverzeichnis... v
Darstellungsverzeichnis ... vi
1 Einleitung ... 1
2 Währungspolitische Systeme: Ein Überblick... 4
2.1 "Trilemma"
der
Währungspolitik... 4
2.2 Flexibler
Wechselkurs... 5
2.2.1 Begriff ... 5
2.2.2 Merkmale ... 6
2.2.3 Stärken ... 7
2.2.4 Schwächen ... 8
2.3 Flexible Bindung an eine Leitwährung... 9
2.3.1 Begriff ... 9
2.3.2 Merkmale ... 10
2.3.3 Stärken ... 11
2.3.4 Schwächen ... 12
2.4 Currency
Board ... 13
2.4.1 Begriff ... 13
2.4.2 Merkmale ... 14
2.4.3 Stärken ... 17
2.4.4 Schwächen ... 18
2.5 Dollarisierung... 20
2.5.1 Begriff ... 20
2.5.2 Merkmale ... 21
2.5.3 Stärken ... 21
2.5.4 Schwächen ... 22

iv
3 Argentinien und das Currency Board... 24
3.1 Argentinien: Überblick und historische Entwicklung... 24
3.1.1 Überblick... 24
3.1.2 Auf dem Weg zur Hyperinflation ... 25
3.1.3 Stabilität
und
Wachstum ... 27
3.1.4 Rezession, Krise und Schuldenmoratorium ... 29
3.1.5 Argentinien nach der Aufgabe des Currency Board ... 30
3.2 Kritische Würdigung des Currency Board in Argentinien... 34
3.2.1 Die stabilisierende Wirkung des Currency Board... 34
3.2.2 Das Currency Board auf dem Prüfstand... 36
3.2.3 Inkonsistente Wirtschaftspolitik und exogene Schocks bringen das
Currency Board zu Fall ... 39
3.2.4 Zusammenfassung... 42
4 Währungspolitische
Alternativen für Argentinien... 46
4.1 Flexibler
Wechselkurs... 46
4.2 Wechselkursbindung... 49
4.3 Currency
Board ... 52
4.4 Dollarisierung... 52
4.5 Währungsunion
Mercosur... 56
4.6 Zusammenfassung und weitere wirtschaftspolitische Anmerkungen... 59
5 Schlussbetrachtung
und
Ausblick ... 61
Anhang ... 68
Literaturverzeichnis... 80

v
Abkürzungsverzeichnis
ARS Argentinischer
Peso
BCRA
Banco Central de la República Argentina
BIP Bruttoinlandsprodukt
CB
Currency Board bzw. Currency Boards
ECLAC
Economic Commission for Latin America and the Carribean
EU Europäische
Union
EUR Euro
GPI Großhandelspreisindex
IWF Internationaler
Währungsfonds
JPY Japanischer
Yen
LOLR
Lender of Last Resort
Mercosur
Mercado Común del Cono Sur
USD
Dollar der Vereinigten Staaten von Amerika (US-Dollar)
VPI Verbraucherpreisindex

vi
Darstellungsverzeichnis
Seite
Darstellung 1: Das "magische" Dreieck der nationalen Währungspolitik ... 5
Darstellung 2: Bilanz-Vergleich:
Orthodoxes Currency Board und Zentralbank... 15
Darstellung 3: Bilanz
eines
modifizierten Currency Board ... 16
Darstellung 4: Verbraucherpreisindex Argentiniens 05/89 - 01/91 ... 26
Darstellung 5: Verbraucherpreisindizes Mercosur 1997 - 2003 ... 57
Darstellung 6: Verbraucherpreisindizes Argentiniens und Lateinamerikas
1980 - 2003... 68
Darstellung 7: Terms of Trade für Argentiniens und Lateinamerikas 1991 - 2001.. 68
Darstellung 8: Daten
zum
Bruttoinlandsprodukt 1980 - 2003 ... 69
Darstellung 9: Ausgewählte
Zahlungsbilanzdaten 1980 - 2003 (in Mrd. USD)... 70
Darstellung 10: Arbeitsmarktdaten Argentiniens 1991 - 2001 ... 71
Darstellung 11: Ausgewählte Finanzdaten des Staates Argentinien 1988 - 2002 ... 72
Darstellung 12: 3-Monats-Zinssätze Argentiniens und der USA im Vergleich
1991 - 2002... 73
Darstellung 13: Wechselkurse USD/EUR und USD/JPY 1997 - 2002 ... 73
Darstellung 14: Währungsreserven und Bankeinlagen 2001 - 2002... 74
Darstellung 15: Präsidenten- und Wirtschaftsminister Argentiniens 1983 - 2002 ... 74
Darstellung 16: Wechselkurs ARS/USD 2001 - 2002 ... 75
Darstellung 17: Währungsreserven der BCRA 1980 - 2002... 75
Darstellung 18: Verbraucher- und Großhandelspreisindizes Argentinien 2002 ... 76
Darstellung 19: Realer effektiver Wechselkurs Argentiniens 1990 - 2002 ... 76
Darstellung 20: Wechselkurssysteme ... 77
Darstellung 21: Ablaufschema der Argentinienkrise... 79

1
1 Einleitung
Argentinien befindet sich derzeit in der schwersten Krise, die das Land in seiner
Geschichte erlebt hat. Die aktuelle Krise betrifft nicht nur die Ökonomie, sie belastet
auch die sozialen Verhältnisse, die politische Ebene und die internationalen
Beziehungen zu anderen Nationen. Zu Beginn des Jahres 2002 gab Argentinien sein
Currency Board (im Folgenden kurz: CB) mit einer festen Wechselkursbindung an den
US-Dollar (im Folgenden kurz: USD) auf und ging zu einem flexiblen
Wechselkurssystem über. Die argentinische Währung hat in der Spitze um fast 75 % an
Wert verloren und die Aussichten für die Volkswirtschaft für das laufende und das
kommenden Jahr sind alles andere als vielversprechend.
Ist Argentinien ein Land ohne funktionierende Währungs- und Geldpolitik? Die
Auflösung des CB war nicht das erste Scheitern eines Währungsregimes in Argentinien.
Die Errichtung des CB im Jahr 1991 sollte Argentinien von einer Hyperinflation und
langjähriger Rezession befreien. Dies gelang in den folgenden Jahren auch, langfristige
Stabilität und Wachstum konnte es aber nicht garantieren.
Ein CB ist eine feste Wechselkursbindung, bei der eine Währungsbehörde die
Zentralbank ersetzt und die heimische Währung zum gesetzlich fixierten Wechselkurs
gegen eine Ankerwährung austauscht und vollkommene Konvertibilität gewährleistet.
Die Inlandswährung muss daher zu mindestens 100 % durch Währungsreserven gedeckt
sein.
1
Bereits in der Kolonialzeit war das CB ein weit verbreitetes währungspolitisches
Arrangement, welches aber durch die Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien aus-
gedient hatte, da das CB als Zeichen der Abhängigkeit vom ehemaligen "Mutterland"
angesehen wurde. Die Aufgabe des CB war in den meisten Fällen mehr politisch als
ökonomisch begründet.
Die geballt aufgetretenen Währungs- und Finanzkrisen der 90er Jahre ­ in Mexiko
1994/95, in Asien 1997/98, in Russland 1998, in Brasilien 1999 und in der Türkei
2001 ­ haben die Diskussion um die Frage nach dem "richtigen" Währungsregime
wiederbelebt. Die aktuelle Argentinien-Krise führte dabei zum ersten Mal zur Aufgabe
eines der CB, die in den 90er Jahre ins Leben gerufen wurden. Diese "Innovation" stellt
die Motivation zu dieser Arbeit dar.
Eine Währungskrise wird als eine Situation definiert, in der ein Angriff auf eine
Währung zu einem starken Verlust an Währungsreserven und/oder zu einer massiven
1
Vgl. Williamson (1995), S. 2. In Abschnitt 2.4 wird die Theorie des CB ausführlich dargestellt.

2
Abwertung des Wechselkurses führt, wenn eine spekulative Attacke gegen die Währung
erfolgreich war.
2
Eine Finanzkrise definiert Mishkin (1998) wie folgt: "A financial crisis is a non-
linear disruption to financial markets, in which asymmetric information problems
(adverse selection and moral hazard) become much worse, so that financial markets are
unable efficiently to channel funds to the economic agents with the most productive
investment opportunities. A financial crisis thus prevents the efficient functioning of
financial markets, which therefore leads to sharp contraction in economic activity."
3
Abgesehen von einfachen spieltheoretischen Analysen sind zur Untersuchung von
Währungskrisen zwei Strömungen entstanden, die sich beide mit Attacken auf fixe
Wechselkursregime befassen. Die Modelle der ersten Generation kommen zu dem
Schluss, dass schlechte Fundamentaldaten für die Krise verantwortlich sind. Die
grundlegenden Arbeiten stammen hier von Krugman (1979) sowie Flood/Garber
(1984). Die Modelle zweiter Generation sehen in der Veränderung der Erwartungen des
Marktes und in sich selbst erfüllenden spekulativen Attacken die Auslöser für
Währungskrisen. In diesem Szenario kann auch ein fundamental stabiles Land von einer
Währungskrise betroffen sein. Modelle dieser Richtung finden sich beispielweise bei
Obstfeld (1986) und Obstfeld (1994).
4
Finanzkrisen werden in enge Verbindung zu Bank Runs und Bankenkrisen gebracht,
deren Untersuchungen durch das Modell von Diamond/Dybvig (1983) geprägt wurden.
Für Minsky (1972) und Kindleberger (1978) geht das Untersuchungsfeld über den
Bankensektor hinaus (Asset-Preise, Preisniveauentwicklung, Devisenmärkte, Insolven-
zen im realen Sektor und im Finanzbereich).
5
Auch Mishkin (1999b) fast den Begriff
weiter und kommt zu folgendem Szenario. Die Abwertung der heimischen Währung,
lässt die in Fremdwährung denominierten Schulden von Unternehmen ansteigen. Da die
Passivseite der Bilanz hauptsächlich in Inlandwährung denominiert ist, kommt es zu
starken Bilanzverzerrungen und einem geringeren Reinvermögen des Unternehmens.
Kommt eine asymmetrisches Informationsproblem auf den Finanzmärkten hinzu,
kommt es zur Finanzkrise, die zur Kontraktion der realwirtschaftlichen Aktivität führt.
Den kausalen Zusammenhang zwischen Finanz- und Währungskrisen untersuchen
Kaminsky/Reinhart (1999).
2
Vgl. Goldstein et al. (2000), S. 19.
3
Mishkin (1998), S. 88.
4
Einen Überblick bietet Aschinger (2001), S. 137-189. Auch die Darstellung von Schuler (2002a) bietet
einen guten Einstieg.
5
Einen Überblick bietet Mishkin (1992).

3
Das Ziel dieser Diplomarbeit soll zum einen der theoretische Vergleich des CB mit
währungspolitischen Alternativen und zum anderen die Analyse des argentinischen CB
sein. Aufbauend auf den erlangten Erkenntnissen wird abschließend noch die Frage
nach der währungspolitischen Zukunft Argentiniens betrachtet.
Die Arbeit gliedert sich wie folgt: In Abschnitt 2 werden alternative
währungspolitische Systeme vorgestellt, ihre Merkmale erörtert und ihre Stärken und
Schwächen aufgezeigt. In Abschnitt 3 wird im ersten Teil die ökonomische
Entwicklung und die Geschichte Argentiniens bis Juli 2002 dargestellt, im zweiten Teil
wird dann anhand der gewonnenen theoretischen Erkenntnisse und der argentinischen
Erfahrung das CB einer kritischen Betrachtung unterzogen und mit einer
Zusammenfassung abgeschlossen. In Abschnitt 4 wird der Fokus auf die Zukunft der
Geld- und Währungspolitik Argentiniens gelegt, die Frage nach potenziellen
Alternativen gestellt und weitere notwendige wirtschaftspolitische Maßnahmen
angesprochen. In Abschnitt 5 werden die zentralen Erkenntnisse noch einmal
zusammengefasst und ein Ausblick auf die weiterführende Diskussion sowie die weitere
Entwicklung Argentiniens gegeben.

4
2 Währungspolitische Systeme: Ein Überblick
Die grundlegende Erkenntnis von Mundell (1961) und McKinnon (1963), den
Pionieren im Forschungsgebiet optimaler Währungsräume, dass es keine einheitliche
Währungspolitik für alle Länder gibt, hat auch nach 40 Jahren noch Bestand und wird
auch in absehbarer Zukunft nicht revidiert werden.
Dieser Abschnitt soll einen Überblick über die währungspolitischen Möglichkeiten
liefern, die die Nationen dieser Welt anwenden können. Die Gliederung erfolgt von
flexiblen zu immer festeren Währungsregimen
6
. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt,
wie die gesamte Arbeit, auf dem CB. Im Folgenden werden die Alternativen definiert,
ihre Funktionsweise erläutert, sowie deren Stärken und Schwächen aufgezeigt. Eine
Bewertung oder Empfehlung erfolgt in diesem Abschnitt nicht.
Die ausführlich dargestellten Regime bilden nur Ausschnitte des währungspoliti-
schen Spektrums. Aus Vollständigkeitsgründen wird auch auf die weiteren Spielarten in
kurzer Form eingegangen.
7
Zunächst wird den Währungssystemen noch das "Trilemma"
der Währungspolitik vorangestellt.
2.1 "Trilemma" der Währungspolitik
Stabile Wechselkurse, offene Finanzmärkte und geldpolitische Autonomie sind drei
grundlegende Ziele, an denen sich die Währungspolitik aller Nationen orientiert.
Aufgrund von Zielkonfliktbeziehungen ist es aber nur möglich zwei dieser drei Ziele
gleichzeitig zu verfolgen. Für dieses Phänomen der Währungspolitik stehen die Begriffe
"Trilemma" der Währungspolitik oder "magisches" Dreieck der nationalen
Währungspolitik.
Möchte eine Zentralbank einen fixen Wechselkurs zu einer Ankerwährung aufrecht-
erhalten und dabei auf Devisen- und Kapitalverkehrskontrollen verzichten, verliert sie
die Kontrolle über die eigene Geldpolitik (vgl. Abschnitt 2.3.2). Sollen ein stabiler
Wechselkurs zu einer Ankerwährung und die geldpolitische Autonomie verfolgt
werden, müssen Kapitalverkehrskontrollen eingeführt werden, um die Effekte der
internationalen Kapitalbewegungen zu verhindern. Wird auf den fixen Wechselkurs
verzichtet, kann die Zentralbank eine eigenständige Geldpolitik durchführen und auf
6
Aktuelle Wechselkursregelungen ausgewählter Länder der Erde sowie deren geldpolitische Ausrichtung
sind in einer übersichtlichen Tabelle in Deutschen Bundesbank (2002) zu finden.
7
Für einen tabellarischen Überblick vgl. Darst. 20, S. 77-78.

5
Kapital- und Devisenverkehrskontrollen verzichten.
8
Darst. 1 gibt die Beziehungen und
Zielkonflikte in schematischer Form wieder.
Darst. 1: Das "magische" Dreieck der nationalen Währungspolitik
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Duwendag (1999), S. 2032.
2.2 Flexibler
Wechselkurs
2.2.1 Begriff
Das Regime des flexiblen Wechselkurses verzichtet im Vergleich zu den anderen
Regimen auf den Wechselkurs als nominalen Anker. Der Wechselkurs bildet sich beim
"vollkommen" flexiblen Wechselkurs durch Angebot und Nachfrage am Devisenmarkt.
Ausgangspunkt für die weitere Betrachtung soll eine unabhängige Zentralbank sein.
Diese verfolgt ihre Geldpolitik frei von Weisungen der jeweiligen Regierung und
anderen Nationen. Grundsätzlich besitzt eine unabhängige Zentralbank ein hohes Maß
an diskretionärer Freiheit, d. h. dass ihre Geldpolitik zunächst durch keine bindende
Regel, wie z. B. die Fixierung eines bestimmten Wechselkurses oder des jährlichen
Geldmengenwachstums eingeschränkt ist. Zumeist verfolgen die Zentralbanken aber
explizite geldpolitische Strategien und somit verstärkt regelgebundene anstatt diskre-
tionäre Geldpoltik um beispielweise das Endziel Preisniveaustabilität zu erreichen.
9
Darüber hinaus hat die unabhängige Zentralbank auch das Monopol auf die Ausgabe der
8
Eine etwas ausführlichere Darstellung bieten Krugman/Obstfeld (2000) oder Duwendag (1999).
9
Einen Überblick über die alternativen geldpolitischen Strategien einer unabhängigen Zentralbank bietet
Kempa (2002).
Verzicht
auf...
Offene
Finanzmärkte
Geldpolitische
Autonomie
Stabile
Wechselkurse
... geldpolitische
Autonomie
... offene
Finanzmärkte
... stabile Wechselkurse

6
jeweiligen Währung in Form von Noten und Münzen. Vollkommen flexible Wechsel-
kurse sind eine extreme Form.
Weitere Spielarten flexibler Wechselkurse sind das "Managed oder Dirty Floating",
bei dem die Zentralbank grundsätzlich die Kräfte des Marktes über den Wechselkurs
entscheiden lässt und nur in Ausnahmefällen oder gemäß zuvor definierten Regeln in
die Wechselkursbildung mit Hilfe ihrer Devisenreserven eingreift. Die Verwendung
einer Wechselkurszielzone ("Target Zone") fällt auch in den Bereich flexibler
Wechselkurse, da die Zentralbank nur interveniert, wenn die Ränder des Bandes erreicht
werden. Bei einem "Sliding band" ist die Parität und die Bandbreite von der Zentralbank
jederzeit veränderbar.
10
2.2.2 Merkmale
Ist ein Land gegenüber der "restlichen Welt" auf den Güter- und Kapitalmärkten
geöffnet, wird der flexible Wechselkurs, aufgrund der grenzüberschreitenden Kapital-
ströme und Handelsbeziehungen, ein geldpolitisch wichtiges Instrumentarium. Flexible
Wechselkurse bieten die Möglichkeit geldpolitisch auf exogene Schocks zu reagieren,
insbesondere wenn diese asymmetrischer Natur sind. Die Zentralbank erhöht die
inländische Geldmenge beispielsweise durch den Ankauf inländischer Wertpapiere und
senkt somit das inländische Zinsniveau. Kapital fließt ins Ausland ab, da dort die
Erträge höher sind. Die Nachfrage nach inländischer Währung sinkt und es kommt zur
Abwertung. Die Abwertung erhöht den zukünftigen Ertrag der inländischen Wert-
papiere in heimischer Währung und kann die heimischen Unternehmen auf dem
Weltmarkt wieder konkurrenzfähig machen. Mit der Folge, dass sich die Exporte
erhöhen, die zumeist durch die Krise negativ gewordene Handelsbilanz ins Positive
dreht und somit auch die Zahlungsbilanz verbessert. Die Beschäftigung steigt und das
Bruttoinlandsprodukt (im Folgenden kurz: BIP) wächst.
11
Ein flexibler Wechselkurs
kann die kurzfristig stimulierende Wirkung einer expansiven Geldpolitik im Inland über
den oben beschriebenen Wechselkurskanal als zusätzlichen Transmissionsmechanismus
10
Die zusammenfassende Darstellung der Untersuchungen von Reinhart (2000) verdeutlicht, dass insbe-
sondere viele Emerging Market Nationen de jure ihre Währung frei schwanken lassen, de facto aber
starke Stabilisierungsmassnahmen ergreifen. Das "Free Floating" ist mehr ein theoretisches Konzept,
das in der Realität in Reinform praktisch nicht anzutreffen ist.
11
Vgl. Kopcke (1999), S. 34-35.

7
der Geldpolitik verstärken. Je größer die Kapitalmobilität ist, desto stärker kommt
dieser Effekt zum Tragen.
12
Die Wirkungsweise diskretionärer Geldpolitik ist aber keineswegs eindeutig und
unumstritten. Friedman (1961) betonte, dass die Geldpolitik mit evtl. langen und nicht
vorher abzuschätzenden Verzögerungen ihre Wirkung zeigt. Der Effekt einer stabilisie-
renden geldpolitischen Maßnahme kann somit ausbleiben oder sogar zyklisch wirken.
Sargent/Wallace (1975) kamen zu einer weitergehenden Erkenntnis. Sie haben unter der
Annahme vollkommen flexibler Güter- und Faktorpreise gezeigt, dass Individuen, die
rationale Erwartungen über die Geldpolitik der Zentralbank haben, diese korrekt
antizipieren werden und somit die realwirtschaftliche Wirkung der politischen
Maßnahme ausbleibt. Durch das korrekt angepasste Verhalten der Individuen steigt nur
die Inflationsrate. Die Geldpolitik kann nur durch eine überraschende Maßnahme, die
die Individuen täuscht, eine Wirkung erzielen. Da es aber "dauerhafte Überraschungen"
nicht geben kann, und die Individuen bei mehrfach verwendeter diskretionärer Politik
den Wirkungsmechanismus durchschauen, kann systematische Geldpolitik keine
Wirkung erzielen. Diese Erkenntnis ist unter dem Begriff "Politikineffektivitäts-
hypothese" bekannt. Die Preise auf den Güter- und Faktormärkten sind aber nicht
vollkommen flexibel. Daher wurde dieser Ansatz in der Folge beispielsweise von
Fischer (1977) aufgegriffen und er zeigte, dass durch die Modellierung von
Lohnrigiditäten, trotz rationaler Erwartungen, Geldpolitik reale Effekte auslösen kann.
Festzuhalten ist, dass die Diskussion um die Wirkungsweise der Geldpolitik weiter
andauern wird, man aber der grundlegenden Erkenntnis folgen kann, dass die Geld-
politik kurzfristig in irgendeiner Form eine Wirkung erzielt, dieser Effekt langfristig
aber nicht aufrechtzuerhalten ist.
2.2.3 Stärken
Die absorbierende Wirkung flexibler Wechselkurse kann die realwirtschaftlichen
Folgen eines exogenen Schocks mildern und kann zur Überwindung von Krisen-
situationen eine Hilfe sein. Dieses Wechselkursregime bietet somit als wichtigsten
Vorteil Flexibilität in der Geldpolitik als Reaktionsmöglichkeit auf exogene und
inländische Schocks.
12
Dieses Ergebnis liefert das Mundell-Fleming-Modell einer offenen Volkswirtschaft. Den Grundstein
für die Wirkungsweise der Geld- und Fiskalpolitik in einer offenen Volkswirtschaft legte Mundell
(1963).

8
Die Flexibilität der Geldpolitik macht auch die Funktion der Zentralbank als Lender
of Last Resort
13
(im Folgenden kurz: LOLR) möglich. Diese Funktion bietet dem
Bankensystem eine erhöhte Stabilität.
Durch die Emission einer eigenen Währung erwirtschaftet die Zentralbank
Geldschöpfungsgewinne ("Seigniorage"), d. h. dass die Bürger zinslos Noten und
Münzen halten und die Zentralbank den entsprechenden Gegenwert in Form von
zinsbringenden Aktiva hält, wodurch sie Zinserträge erzielt.
2.2.4 Schwächen
Kydland/Prescott (1977) entwickelten das Konzept der Zeitinkonsistenz. Eine
Verhaltensweise V
0
ist im Zeitpunkt t
0
optimal, wohingegen im Zeitpunkt t
1
eine
alternative Verhaltensweise V
1
besser als V
0
sein kann. Ohne glaubwürdige Bindung an
Verhaltensweise V
0
kann sich diese im Zeitablauf als instabil erweisen. Barro/Gordon
(1983) verwendeten dieses Konzept, um auf die Glaubwürdigkeitsproblematik unab-
hängiger Zentralbanken hinzuweisen. In ihrem Modell, in dem eine unabhängige
Zentralbank gleichzeitig die Ziele Preisniveaustabilität und Vollbeschäftigung verfolgt,
erweist sich eine ex ante öffentlich bekannt gegebene geldpolitische Strategie als
zeitlich inkonsistent. Um den beiden oben genannten Zielen bestmöglichst zu genügen,
hat die Zentralbank einen großen Anreiz, ex post eine alternative Strategie durch-
zuführen. Daraus ergibt sich der zentrale Nachteil eines Regimes ohne nominalen
Anker. Eine diskretionäre Geldpolitik kann bei der Aufgabe, Inflationserwartungen zu
stabilisieren, scheitern. Die Konsequenz kann eine dauerhaft erhöhte Inflationsrate sein,
die zusätzlich dem Risiko unterliegt, zu akzelerieren und zu einer Hyperinflation zu
werden. Ist das Inflationsrisiko in einer Volkswirtschaft hoch und/oder verfügt die
ansässige Zentralbank nicht über eine Reputation bezüglich ihrer Fähigkeit das
Preisniveau zu stabilisieren, kann der Fall eintreten, dass die Kosten, die durch die
fehlende Glaubwürdigkeit entstehen nicht durch den Nutzen der Flexibilität der
Geldpolitik überkompensiert werden. Die Ausrichtung der Geldpolitik an einem
13
Diese Funktion ermöglicht es der Zentralbank gesunde Banken, die in kurzfristige Zahlungsschwierig-
keiten gekommen sind, mit Liquidität (Ausweitung der Geldmenge über Kreditvergabe an
Geschäftsbanken) zu versorgen, um einen Ansturm der Einleger auf diese Bank zu verhindern. Ein
Bank Run hat oft weitreichende Folgen, da er im Falle eines panikartigen Herdentriebverhaltens der
Einleger eine Bankenpanik und im schlimmsten Fall den Zusammenbruch des gesamten Zahlungs- und
Finanzsystems eines Landes nach sich ziehen kann. Die LOLR-Funktion einer Zentralbank kann also
das Einlegervertrauen erhöhen. Vergessen darf man hierbei allerdings nicht, dass dieser Notausstieg
des Bankensystems nicht ohne Kosten für die Volkswirtschaft bleibt. Hier wären zum Beispiel eine
höhere Inflationsrate und ein Abwertungsdruck an den Devisenmärkten zu nennen. Zur Funktion der
Zentralbank als LOLR vgl. Abschnitt 2.4.2.

9
alternativen Anker, wie beispielweise einem expliziten Inflationsziel, kann das Glaub-
würdigkeitsproblem verringern, wobei aber der Reputationsaufbau der Zentralbank im
Zeitablauf erst noch zu erfolgen hat.
Der Anreiz, Staatsdefizite durch die Notenbank finanzieren zu lassen und über die
Inflationsrate zusätzliche Staatseinnahmen in Form einer "Inflationssteuer" zu erwirt-
schaften kann dazu führen, dass die Geldpolitik die Fiskalpolitik nicht disziplinieren
kann. Ein Schaden kann durch die fehlende Preisstabilität entstehen, da die Kosten der
Preisanpassung, erhöhte Transaktionskosten durch geringere Geldhaltung und eine
"kalte" Steuerprogression die Folge einer antizipierten Inflationsrate sind. Die
zusätzlichen Kosten einer nicht antizipierten Inflation sollen hier nicht unerwähnt
bleiben. Die Preise verlieren ihre Signalwirkung wodurch die Allokation verzerrt wird
und es kommt zu Umverteilungseffekten von Gläubigern zu Schuldnern.
Eine möglicherweise vorhandene massive Volatilität des nominalen Wechselkurses
führt zu starken Veränderungen der Relativpreise im Inland. Diese durch den flexiblen
Wechselkurs ausgelösten Preisschwankungen sind zumindest für einige Gruppen im
Inland mit hohen Kosten verbunden.
14
Das freie Spiel der Märkte führt nicht zu gleichgewichtigen Wechselkursen. Seit
dem Ende des Bretton Woods Systems und dem Aufstieg der flexiblen Wechselkurse
1973 führte die Preisbildung auf den Devisenmärkten des öfteren zu Fehlausrichtungen.
Hier sind die Über- und Unterbewertungsphasen USD in den 80er Jahren und die
Unterbewertung des Euro (im Folgenden kurz: EUR) im Vergleich zum USD in den
letzten Jahren zu nennen. Flexible Wechselkurse führen nicht automatisch zum "besten"
Wechselkurs aus Sicht einer Volkswirtschaft.
15
2.3 Flexible Bindung an eine Leitwährung
2.3.1 Begriff
Ein flexible Bindung ("Adjustable Peg") an eine Leitwährung bedeutet, dass eine
angestrebte Parität der inländischen Währung zu einer Ankerwährung von der
Zentralbank öffentlich bekannt gegeben wird und diese Parität mit geringer
Schwankungsbreite verteidigt werden soll. Falls sich die fundamentalen Daten der
14
Vgl. Eichengreen (1994), S. 10-11. Die Erkenntnis des Überschiessens eines Wechselkurses von Dorn-
busch (1976), das sogenannte "Overshooting", ist eine bekannte Begründung für die, in der kurzen
Frist, häufig beobachteten starken Wechselkursschwankungen frei floatender Währungen.
15
Vgl. Williamson (2000), S. 6.

10
Volkswirtschaft aber ändern, hat die Zentralbank jederzeit die Option, die Parität oder
die Bandbreite der erlaubten Schwankungen anzupassen.
16
In den 70er Jahren hatten praktisch alle südamerikanischen Länder eine fixe
Bindung. Die Schuldenkrise Anfang der 80er Jahre führte zu deren Aufgabe und zum
Übergang zu flexiblen Wechselkursbindungen. Die flexible Wechselkursbindung war
die dominierende Wechselkurspolitik des 20. Jahrhunderts.
17
Weitere Spielarten flexibler Bindungen sind die sogenannten "BBC-Regime" (Band,
Basket, Crawl), (i) kann eine Bandbreite für den Wechselkurs festgelegt werden, an
dessen oberem und unterem Ende die Zentralbank interveniert, (ii) kann eine Währung
an einen Korb von Währungen gebunden werden, was den Ab- oder Aufwertungsdruck
zu einer bestimmten Währung diversifiziert und (iii) kann ein aktiver oder passiver
"Crawling Peg" implementiert werden, bei dem die Bindung regelmäßig angepasst wird,
um beispielsweise die Veränderung der relativen Preise, bzw. eine höhere Inflationsrate
zu berücksichtigen. Dies kann die Überbewertung des realen Wechselkurses mindern
und zu verringerten Spekulationsanreizen führen. Beim aktiven "Crawling Peg" wird
die angestrebte Abwertung ex ante veröffentlicht und beim passiven "Crawling Peg"
wird die Abwertung ex post durchgeführt. Eine Kombination der "BBC-Regime" ist
möglich. Ein sogenannter "Soft Peg", bei dem die Verteidigung der Währung nicht um
jeden Preis erfolgt, ist eine weitere Alternative, wobei an dieser Stelle der Übergang zu
einem "Managed Floating" fließend ist. In die andere Richtung sind auch Regime mit
harter Wechselkursbindung möglich. Diese können mit fixem aber veränderbaren
Wechselkurs oder mit einem sogenannten "Escape Clause" versehen werden, der die
Anpassung des Wechselkurses oder den Ausstieg aus dem Wechselkursregime in zuvor
definierten Fällen ermöglicht. Sollen diese Konstellationen noch fester gebunden
werden, muss ein Übergang zu den Regimen CB oder Dollarisierung stattfinden.
2.3.2 Merkmale
Die Betrachtung der Funktionsweise einer Wechselkursbindung zeigt das Gewicht
des nominalen Ankers, welches so schwer auf der Geldpolitik lastet, dass sie keinen
Spielraum als Krisenstabilisator oder Schockabsorbierer hat, wenn sie die Parität
aufrecht erhalten will. Im Fall offener Kapitalmärkte mit hoher Kapitalmobilität müssen
in- und ausländischer Zinssatz übereinstimmen, wenn der Wechselkurs fix ist. Folgt
16
Vgl. Goldstein (2002), S. 13.
17
Die Arbeit von Edwards (1995) untersucht die südamerikanischen Erfahrungen mit Wechselkursregi-
men insbesondere der 70er und 80er Jahre.

11
man der Zinsparität, entspricht der ausländische Zinssatz der Summe aus inländischem
Zinssatz und erwarteter relativer Aufwertung der inländischen Währung in Einheiten
der ausländischen Währung. Da es bei fixen Wechselkursen per Definition keine
Veränderung geben kann, müssen die Zinssätze übereinstimmen. Solange der Wechsel-
kurs wirklich fix ist, wird der Inlandszinssatz im Ausland festgelegt. Betrachtet man ein
mögliches Zentralbank-Szenario ergibt sich folgendes Bild. Eine expansive Geldpolitik
lässt das reale Geldangebot steigen. Aufgrund des bestehenden Zinssatzes im Ausland
wollen die Individuen im Inland dieses zusätzliche Geldangebot aber nicht halten. Sie
tauschen daher ihre Überschussbestände an heimischer Währung in die Ankerwährung
um, damit sie vom ausländischen Zinssatz profitieren können. Die Zentralbank nimmt
die heimische Währung zur fixierten Parität entgegen und verliert folglich in dem Maße,
wie sie die heimische Geldmenge erhöht, Währungsreserven der Ankerwährung. Somit
bleibt die Summe aus heimischer Geldmenge und Währungsreserven konstant. Würde
sie den Ankauf heimischer Währung verweigern, würde dies zur Abwertung führen. Die
Zentralbank verliert durch die Fixierung des Wechselkurses die Kontrolle über die
heimische Geldmenge, bzw. den heimischen Zinssatz.
18
2.3.3 Stärken
Die Unsicherheit, die durch die Volatilität eines flexiblen Wechselkurses entsteht,
wird mit der Bindung an eine Ankerwährung beseitigt. Ohne Wechselkursrisiko besteht
mehr Sicherheit für In- und Exporteure und Investoren, was theoretisch den Handel und
die Investitionsbeziehungen mit dem Ankerland fördert.
Die Verwendung des Wechselkurses als nominalen Anker wirkt auf die Politik
disziplinierend. Die Bindung kann als glaubwürdige Regel für die Geldpolitik dienen
und so verhindern, dass die Geldpolitik diskretionär eingesetzt wird. Eine zu häufig
eingesetzte expansive Geldpolitik führt zu inflationären Tendenzen, aber nicht zu einer
langfristigen Stimulation der Volkswirtschaft.
Durch die Bindung wird darüber hinaus die Preisentwicklung international
gehandelter Güter an die Entwicklung des preisstabilen Ankerlandes gekoppelt, was die
Inflationserwartungen im Inland senken kann. Die Wechselkursbindung unterstützt eine
Disinflationspolitik, wenn die heimische Zentralbank keine Reputation besitzt und das
Land eine Hyperinflation erlebt hat.
19
Die Flexibilität bei der Wahl der Parität und der
18
Vgl. Obstfeld/Rogoff (1995), S. 74-75. Dieses Ergebnis liefert das Mundell-Fleming-Modell einer
offenen Volkswirtschaft, dessen Grundstein Mundell (1963) legte (vgl. Abschnitt 2.2.2).
19
Vgl. Obstfeld/Rogoff (1995), S. 76-77.

12
Bandbreite kann langfristige Fehlentwicklungen (Unter- bzw. Überbewertungen) des
Wechselkurses verhindern.
2.3.4 Schwächen
Die relativ schwache Glaubwürdigkeit der Bindung lässt Spekulanten auf den Plan
treten, die versuchen werden, in Zeiten in denen die Volkswirtschaft Schwächen zeigt,
eine spekulative Attacke zu starten. Insbesondere in Ländern, die große Kapitalzuflüsse
aufweisen und auf diese angewiesen sind, kann die spekulative Attacke zum Versiegen
der Kapitalzuflüsse führen, was die nun ohnehin schon bedrohliche Situation für die
Volkswirtschaft des Landes zusätzlich beeinträchtigt. Angenommen, die privaten
Schuldner halten den Großteil ihrer Verbindlichkeiten in der Leitwährung, da die
Wechselkursbindung günstigere Zinskonditionen ermöglicht. Sie erzielen aber ihre
Einnahmen vorwiegend in der heimischen Währung und haben aufgrund der
zugesicherten Parität auf die Absicherung des potenziellen Währungsrisikos verzichtet.
Kann nun die Zentralbank den Wechselkurs aufgrund einer spekulativen Attacke nicht
mehr verteidigen und die heimische Währung wird abgewertet, steigen die
Verbindlichkeiten, in heimischer Währung ausgedrückt, stark an. Folglich kann eine
sich anbahnende Währungskrise über diese Konstellation zu einer Welle von
Unternehmenspleiten und einer Bankenkrise führen. In Krisensituationen kann die
bindende Wirkung des System somit hohe Ausstiegskosten nach sich ziehen.
20
Die Verteidigung der Parität bedarf eines ausreichenden Bestands an
Währungsreserven. Ist dieser nicht gegeben, erhöht sich die Gefahr einer spekulativen
Attacke auf die heimische Währung. Ebenso ist die bedingungslose Verteidigung im
Ausstiegsfall mit zusätzlich hohen Kosten verbunden. Zum einen verliert das Land die
Zinsgewinne aus den Währungsreserven, die bei der Verteidigung geopfert werden
müssen, zum anderen werden die im Gegenzug erworbenen heimischen Geldbestände
der Zentralbank im Falle der Aufgabe der Bindung zusätzlich abgewertet. Die
Schwächen der flexiblen Bindung liegen also in den hohen Ausstiegskosten und der
geringen Glaubwürdigkeit des nominalen Ankers.
21
Die Funktionsweise der Wechselkursbindung schränkt den geldpolitischen Spiel-
raum ein und macht eine Variation der heimischen Geldmenge praktisch unmöglich.
20
Vgl. Goldstein (2002), S. 13-15.
21
Vgl. Obstfeld/Rogoff (1995), S. 75-76.

13
Selbst eine Sterilisierungspolitik
22
kann die Beziehung zwischen Geldpolitik und
Wechselkurs, wenn überhaupt, nur temporär und in geringem Unfang aufheben.
23
Veränderungen des Wechselkurses können Fehlentwicklungen der Wirtschafts-
politik wiederspiegeln. Durch die Fixierung des Wechselkurses wird unter Umständen
"nur eine wichtige Informationsquelle ausgeschaltet, das Fieber nicht bekämpft, nur das
Thermometer zerbrochen."
24
2.4 Currency
Board
2.4.1 Begriff
"Currency Board ­ A substitute for central banking and a monetary arrangement
under which a country ties its monetary policy to that of another country by statute or
constitution"
25
.
Ein CB
26
in Reinform (orthodoxes CB) ist somit ein Währungsregime, bei dem die
Währungsbehörde, das eigentliche CB, die heimische Währung gegen eine Reserve-
währung
27
zu einem per Gesetz fixierten Wechselkurs ausgibt bzw. umtauscht. Die
heimische Währung wird somit fest an eine Ankerwährung gebunden, wobei die
gesamte inländische Geldbasis
28
durch die Ankerwährung gedeckt sein muss. Die
Währungsbehörde gewährleistet die volle Konvertibilität nach außen und innen, d. h.
dass sowohl der Umtausch zu Transaktionszwecken mit dem Ausland, als auch der
reine Umtausch von der einen in die andere Währung im Inland von der Währungs-
behörde zur festgelegten Parität gesichert ist.
29
Die Funktionsweise des CB weist viele
Parallelen zum historischen Goldstandard
30
auf (vgl. Abschnitt 2.4.2).
Die ersten CB wurden in britischen Kolonien Mitte des 19. Jahrhunderts aufgrund
der starken ökonomischen Verflechtungen und Abhängigkeiten der Commonwealth-
Nationen (früher British Empire) zum Mutterland eingeführt. Die Kolonien importierten
auf diese Weise die Vorteile einer konvertierbaren und stabilen Reservewährung ohne
22
Eine kurze Beschreibung dieser Politik ist in Williamson (1995), S. 4 zu finden.
23
Vgl. Obstfeld/Rogoff (1995), S. 75-76.
24
Issing (1991), S. 21.
25
Eichengreen (1996), S. 198.
26
Einen Überblick zur Funktionsweise, zu Problemen und historischen Erfahrungen in knapper Form
bieten auch Freytag/Krüger (1999b).
27
Anstelle einer Währung kann auch ein Korb von Währungen oder Gold als nominaler Anker dienen.
28
Mit Geldbasis sind Noten, Münzen und die Einlagen der Geschäftsbanken bei der Währungsbehörde/
Zentralbank gemeint, oft M0 genannt. Weitergefasste Geldmengenkonzepte, wie beispielsweise M1
oder M2 werden im weiteren Verlauf als Geldmenge bezeichnet, da eine detaillierte Unterscheidung
für das Verständnis nicht unbedingt notwendig ist.
29
Vgl. Williamson (1995), S. 2.
30
Einen guten Überblick zum Goldstandard bieten Eichengreen/Flandreau (1997).

14
die hohen Kosten der direkten Verwendung der Reservewährung. Vorwiegend aus
politischen Erwägungen heraus wurden die meisten CB während der Zeit der Entkolo-
nialisierung als Zeichen der Unabhängigkeit durch landeseigene Zentralbanken wieder
verdrängt. Die historischen CB der Ära vor dem zweiten Weltkrieg unterscheidet sich
deutlich von den heutigen CB, was auf die veränderten Bedingungen zurückzuführen
ist.
31
Die heutige ökonomische Landschaft hat es verstärkt mit rechtlich und fiskalisch
selbständigen Ländern, hoher Kapitalmobilität und integrierten Kapitalmärkten zu tun,
um hier nur einige Unterschiede zu nennen.
32
Auf die historischen CB wird in dieser
Arbeit nicht eingegangen, da die Zielsetzung ist, die aktuelle Situation am Beispiel
Argentinien zu beleuchten. Dass das CB trotzt der Krise in Argentinien aktuell ist,
zeigen die Nationen, die derzeit ein CB als währungspolitisches Regime verwenden.
Dies sind in alphabetischer Reihenfolge: Bosnien-Herzigowina, Brunei Dassusalam,
Bulgarien, Dschibuti, Estland, Hong Kong und Litauen.
33
2.4.2 Merkmale
Das orthodoxe CB stellt eine theoretische Konstruktion dar, die in praxi zumeist in
der einen oder anderen Form auf die individuellen Bedürfnisse eines Landes
zugeschnitten wird.
34
Abgewandelte CB werden als modifizierte CB bezeichnet.
Insbesondere die CB, die in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts eingeführt
wurden, sind alle in irgendeiner Form vom reinen CB abgewandelt. Ein Vergleich
zwischen orthodoxem CB und einer unabhängigen Zentralbank macht die Unterschiede
deutlich.
Im Fall eines orthodoxen CB gibt die Währungsbehörde Noten und Münzen der
Inlandswährung nur gegen Einlage von Währungsreserven des Ankerlandes aus. Die
Reserven werden in Form schnell liquidierbarer Wertpapiere oder in Form von Noten
der entsprechenden Währung gehalten. Um das Kursrisiko der Aktiva, z. B. bei einer
Zinserhöhung des Ankerlandes zu berücksichtigen, hält die Währungsbehörde einen
Teil der Reserven zurück, der in der T-Kontendarstellung als Eigenkapital ausgewiesen
ist. Einlagen von Geschäftsbanken können ebenfalls entgegengenommen werden.
Wichtig ist, dass sich die Geldmengenbasis, also die Summe aus Noten, Münzen und
31
Für detailliertere Informationen über CB vor dem zweiten Weltkrieg siehe Hanke/Schuler (1993) und
Williamson (1995).
32
Vgl. Baliño et al. (1997), S. 1-2.
33
Vgl. Devisenkursstatistik der Deutschen Bundesbank (Juni 2002).
34
Einen 7-Punkte-Plan zur Implementierung eines CB in Russland liefern Hanke/Schuler (1993) und
einen allgemeinen Überblick über die vorbereitenden Maßnahmen und Voraussetzung bei der
Einführung eines CB beschreiben Enoch/Gulde (1997).

15
Einlagen der Geschäftsbanken, nur durch Variation der Währungsreserven ändern kann.
Hier wird die strenge Regelbindung der Währungsbehörde sichtbar. Eine aktive
Geldpolitik ist wie zu Zeiten des Goldstandards nicht zulässig. Die Aktivseite der
Zentralbankbilanz beinhaltet zusätzlich Kredite an Geschäftsbanken und heimische
Staatsschuldtitel. Diese beiden Komponenten ermöglichen es der Zentralbank über
Kreditvergabe als LOLR zu agieren und durch den An- und Verkauf von Wertpapieren
den Zinssatz oder die Geldmenge aktiv zu steuern.
35
Darst. 2 stellt die zwei Bilanzen
graphisch gegenüber.
A
Currency Board
(orthodox)
P
A
Zentralbank
P
Währungs-
reserven
Noten und
Münzen
Währungs-
reserven
Noten und
Münzen
(Einlagen von
Geschäfts-
banken)
Kredite an
Geschäfts-
banken
(Einlagen von
Geschäfts-
banken)
Eigenkapital
inländische
Staatsschuldtitel
Eigenkapital
Darst. 2: Bilanz-Vergleich: Orthodoxes Currency Board und Zentralbank
Quelle: Feuerstein (2000), S. 230
Die fehlende Liquiditätssicherungsfunktion, die im Bedarfsfall das Bankensystem
stabilisieren kann, sorgte für eine entsprechende Modifikation der CB der neunziger
Jahre des 20. Jahrhunderts.
36
Diese CB führten eine Mindestreserve ein, d. h. dass die
Deckung der Währung zu mehr als 100 % gewährleistet ist. Im Falle einer drohenden
Zahlungsunfähigkeit inländischer Banken kann diese Mindestreserve in Form von
Krediten an die Geschäftsbanken aufgelöst werden und so die Geschäftsbanken im
Umfang der Mindestreserve vor einer Zahlungsunfähigkeit bewahrt werden. Die
Währungsbehörde kann somit in begrenztem Umfang als LOLR fungieren. Durch
häufige Änderung der Mindestreserve zur aktiven Steuerung der inländischen
Geldmenge kann die eigentliche Idee der Regelbindung des CB aber untergraben
werden. An dieser Stelle wird deutlich, dass Flexibilität und Glaubwürdigkeit immer
einen "Trade off" bilden. Währungsreserven können auch von einer ausländischen
Institution in Form von Krediten zugeführt werden. Diese Form des "Bailouts" z. B. von
35
Vgl. Feuerstein (2000), S. 229-230 und Williamson (1995), S. 2-4.
36
Eine weiterführende Darstellung der Unterschiede zwischen bestehenden CB und orthodoxer Defi-
nition, insbesondere zu Organisation und gesetzlicher Ausgestaltung bietet Ho (2002).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832459284
ISBN (Paperback)
9783838659282
DOI
10.3239/9783832459284
Dateigröße
994 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Konstanz – Wirtschaftswissenschaften und Statistik, Internationale Geld- und Währungspolitik
Erscheinungsdatum
2002 (Oktober)
Note
2,0
Schlagworte
währung wechselkurs mercosur wirtschaftspolitik währungssystem
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Titel: Currency Boards
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