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Die deutsche Frage in den Texten von Walter Ulbricht 1945-1961

Eine grammatische und lexikalische Analyse

©2002 Magisterarbeit 116 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die deutsche Frage ist noch im Jahr 2002 als ein Diskussionsthema aktuell. Heute, 12 Jahre nach der Wende, wird über das Problem der deutschen Einheit, oder manchmal, auch der deutschen Spaltung, der vergangenen, wie auch der immer noch existierenden, diskutiert.
Die Wiedervereinigung hat die Spaltung im geographischen Sinne aufgehoben, jedoch die politische, ökonomische, bestimmt auch kulturelle Kluft existiert bis heute.
Der Staat DDR „lebte“ 41 Jahre lang. Er hinterließ bei vielen die „sozialistische Sicht der Dinge“ - psychischen, beruflichen und politischen Ratlosigkeitszustand, wie auch die innere Spaltung zwischen der fremden Gegenwart und der vertrauten Vergangenheit.
Zum Glück für mich, hinterließ er auch unendlich viele Sprachdokumente - sichtbare Beweise für die Existenz des „zweiten“ Deutschlands.
Zu der DDR-Sprache wurden schon mit der Gründung der SBZ Termini geschaffen. Es wurden Artikel, Aufsätze und Publikationen geschrieben. Bis zum Ableben der DDR hat die gespaltene deutsche Sprache die westlichen, wie auch die östlichen Sprachwissenschaftler dazu bewegt das „andere Deutsch“ zu untersuchen und zu beschreiben.
Die mir als erste bekannte Publikation, die den Terminus LQI einführt, sind die Tagebücher Klemperers aus den Jahren 1945-1960 So sitze ich denn zwischen allen Stühlen. Klemperer nannte die gegenwärtige deutsche Sprache - „Kaderwelsch“.
Der vor allem als LTI-Verfasser bekannte Romanist schrieb 1953 die kleine Broschüre Zu der gegenwärtigen Sprachsituation in Deutschland. Auch wenn der Autor nicht politisch objektiv blieb, bemerkte er die Veränderungen der deutschen Sprache in Ostdeutschland und versuchte sie schriftlich zu fixieren.
Der Terminus LQI wird heute als eine Kontinuation des Begriffs LTI verstanden, natürlich sind heutige Überlegungen eher Vermutungen, da die Ausgangsidee sich aus der Lektüre der Tagebücher nicht eindeutig erschließen läßt.
Wichtig sind auch weitere, westliche Publikationen, die schon seit den fünfziger Jahren erschienen sind, zu erwähnen: Die Parteisprache in der Sowjetzone von Ernst Otto Maetzke (1953), Die Sprache im geteilten Deutschland von Hugo Moser (1964) und Sprache in der Politik von Walther Dieckmann (1969). Bedeutungsvoll sind``` 0von H.H. Reich Sprache und Politik. Untersuchungen zu Wortschatz und Wortwahl des offiziellen Sprachgebrauch in der DDR (1968), Wolfgang Fleischers Wortschatz der deutschen Sprache in der DDR (1988), von Horst Dieter […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


INHALTSVERZEICHNIS

Abkürzungen

1. Einleitung
1.1. Zum Forschungsstand
1.2. Thema und Vorgehensweise
1.3. Methoden

2. Geschichtlich- sozialer Hintergrund
2.1. SBZ
2.2. DDR

3. Walter Ulbricht
3.1. Biographie
3.2. Walter Ulbricht als Redner

4. Historisch-politischer Hintergrund der deutschen Frage 1945-

5. Ideologie und Sprache,
5.1. Sprachpolitik, Sprachlenkung
5.2. Politische Propagandasprache, Newspeak
5.3. Rituelle Sprache
5.4. Der politische Diskurs in der DDR
5.5. LQI, DDR-Deutsch

6. Grammatische, lexikalische und rhetorische Analyse der Reden 1945-
6.1. Die Hauptmerkmale der Sprache
6.1.1. Die Vagheit
6.1.2. Die Emotionalität
6.1.3. Die Aggressivität
6.1.4. Die Ironie
6.1.5. Die Ritualität
6.2. Die Techniken der Einprägung von Inhalten
6.3. Der Macht- und Alleinvertretungwunsch von Walter Ulbricht

7. Zusammenfassung der Ergebnisse der sprachlichen Analyse

8. Schluβwort

9. Quellen

10. Literatur

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Die deutsche Frage ist noch im Jahr 2002 als ein Diskussionsthema aktuell. Heute, 12 Jahre nach der Wende, wird über das Problem der deutschen Einheit, oder manchmal, auch der deutschen Spaltung, der vergangenen, wie auch der immer noch existierenden, diskutiert.

Die Wiedervereinigung hat die Spaltung im geographischen Sinne aufgehoben, jedoch die politische, ökonomische, bestimmt auch kulturelle Kluft existiert bis heute.

Der Staat DDR „lebte“ 41 Jahre lang. Er hinterlieβ bei vielen die „sozialistische Sicht der Dinge“ - psychischen, beruflichen und politischen Ratlosigkeitszustand, wie auch die innere Spaltung zwischen der fremden Gegenwart und der vertrauten Vergangenheit.

Zum Glück für mich, hinterlieβ er auch unendlich viele Sprachdokumente - sichtbare Beweise für die Existenz des „zweiten“ Deutschlands.

1.1. Zum Forschungsstand

Zu der DDR-Sprache wurden schon mit der Gründung der SBZ Termini geschaffen. Es wurden Artikel, Aufsätze und Publikationen geschrieben. Bis zum Ableben der DDR hat die gespaltene deutsche Sprache die westlichen, wie auch die östlichen Sprachwissenschaftler dazu bewegt das „andere Deutsch“ zu untersuchen und zu beschreiben.

Die mir als erste bekannte Publikation, die den Terminus LQI einführt, sind die Tagebücher Klemperers aus den Jahren 1945-1960 So sitze ich denn zwischen allen Stühlen. Klemperer nannte die gegenwärtige deutsche Sprache - „Kaderwelsch“[1].

Der vor allem als LTI- Verfasser bekannte Romanist schrieb 1953 die kleine Broschüre Zu der gegenwärtigen Sprachsituation in Deutschland. Auch wenn der Autor nicht politisch objektiv blieb, bemerkte er die Veränderungen der deutschen Sprache in Ostdeutschland und versuchte sie schriftlich zu fixieren.

Der Terminus LQI wird heute als eine Kontinuation des Begriffs LTI verstanden[2], natürlich sind heutige Überlegungen eher Vermutungen, da die Ausgangsidee sich aus der Lektüre der Tagebücher nicht eindeutig erschlieβen läβt.

Wichtig sind auch weitere, westliche Publikationen, die schon seit den fünfziger Jahren erschienen sind, zu erwähnen: Die Parteisprache in der Sowjetzone von Ernst Otto Maetzke (1953), Die Sprache im geteilten Deutschland von Hugo Moser (1964) und Sprache in der Politik von Walther Dieckmann (1969). Bedeutungsvoll sind`````` 0von H.H. Reich Sprache und Politik. Untersuchungen zu Wortschatz und Wortwahl des offiziellen Sprachgebrauch in der DDR (1968), Wolfgang Fleischers Wortschatz der deutschen Sprache in der DDR (1988), von Horst Dieter Schlosser Die deutsche Sprache zwischen Stalinismus und Demokratie (1990) und Martin Ahrends Allseitig gefestigt, Stichwörter zum Sprachgebrauch der DDR (1989), die als Nachschlagwerke und Kompendien des Wissens über DDR-Sprache dienen können.

Es sind auch von weiteren Autoren viele sehr interessante Publikationen zum Thema der DDR-Sprache und der Sprache nach der Wende erschienen, die ich in der Bibliographie aufgelistet habe.

Nach der Wende wurde die DDR-Thematik mit groβer Sorgfalt wieder aufgenommen Es entstanden umfangreiche Wortschatzlisten und Wortschatzaufteilungen von zahlreichen Autoren unter dem Gesichtspunkt der Wende, vor allem im Zusammenhang mit ihren politischen und sozialen Folgen. Nennenswert sind die zwei Publikationen von Ulla Fix Ritualität in der Kommunikation der DDR (1998) und Sprachgeographien. Sprache und Sprachgebrauch vor und nach der Wende[3] (1999). Es entstanden auch Lexika der Jugendsprache, der Umgangssprache, wie auch „Lexika“ des DDR-Wortschatzes, die den politischen Sprachwitz in der ehemaligen DDR schildern. Als Beispiele können von Bern-Lutz Lange Bonzenschleuder&Rennpappe (1996) und von Armin Ahrends Trabbi, Telespargel und Tränenpavillon (1986) dienen.

1.2. Thema und Vorgehensweise

Meine Arbeit hat das Ziel, unter Berücksichtigung des historischen Hintergrundes die Tendenzen und Merkmale der politischen Sprache von Walter Ulbricht hinsichtlich der deutschen Frage festzustellen.

Meine Untersuchung beginnt parallel mit dem „Luftabwurf“ der Ulbricht-Gruppe (30.04.1945) und endet mit dem Mauerbau im August 1961.

Diese zwei Zäsuren schienen mir für die genaue Fokussierung sehr wichtig zu sein.

Am 30.04.1945 landete Walter Ulbricht mit elf anderen Kommunisten in einem sowjetischen Flugzeug in Kalau. Er kam als erster Vertreter der im Exil arbeitenden KPD-Führung nach Deutschland.

Mit dem Erscheinen seiner Person auf dem deutschen Gebiet fängt die politische Organisation der KPD und Aufbau der SBZ an.

Die bekannte Pressekonferenz von Walter Ulbricht vom 15.08.1961, während der er den Satz „Es besteht keine Absicht eine Mauer zu errichten...“ ausspricht, bedeutet eine territoriale Abgrenzung der DDR für weitere 29 Jahre. Die Errichtung „des antifaschistischen Schutzwalles“ folgte der früheren politischen Abgrenzung.

Ich habe aus der sehr reich ausgestatteten Sammlung der Reden, Aufsätze und Interviews von Walter Ulbricht sieben Texte ausgesucht.

Die untersuchten und zitierten Texte stammen aus den Bänden Die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung von Walter Ulbricht und aus Neuem Deutschland, des SED-Parteiorgans.

1.3. Methoden

Meine Vorgehensweise hat sich im Laufe der genauen Textlektüre verändert. Die Absicht, alle sieben Reden in einer chronologischen Reihenfolge unter dem Gesichtspunkt der grammatischen, lexikalischen und rhetorischen Analyse mit dem Schwerpunkt auf die Nationalfrage gerichtet zu untersuchen, schien mir in der Vorgehensweise nicht zutreffend. Ich habe festgestellt, daβ in den Referaten und Interviews Walter Ulbrichts dieselben sprachlichen Mitteln gebraucht werden. Es variiert nur ihre Häufigkeit. Eine chronologische Untersuchung müβte zwangsläufig zu einer Wiederholung werden. Jedoch die sprachlichen Techniken könnten nicht auf diese Weise hervorgehoben, zusammengefaβt und erörtert werden.

Mein Ziel war und blieb es, anhand des aufgezeichneten Vokabulars, der Satzstruktur und rhetorischer Figuren, die Abhängigkeit der Sprachfunktionen dieser Texte von der politischen Situation zu beweisen. Die Grundzüge der Texte sind typisch für politische Texte, Werbung und Sprachformen der Persusion. Wichtig erscheinen mir die Häufigkeit, Art und Funktion der sprachlichen Mittel. Mein besonderes Interesse widme ich den Hauptmerkmalen der Sprache von Walter Ulbricht, wie auch den von ihm gebrauchten sprachlichen Mitteln. Ich versuche auch ihre Wirkung auf die Empfänger der Texte darzustellen und den Bezug zu dem politisch-geschichtlichen Hintergrund in den Jahren 1945-1961 zu schildern.

2. Geschichtlich-sozialer Hintergrund

2.1. Die Geschichte der SBZ

Wolfgang Leonhard, einer der zwölf[4] Mitglieder der „Gruppe Ulbricht“ beschrieb in seinen Büchern Die Revolution entläßt ihre Kinder und Das kurze Leben der DDR die Hintergründe des Aufbaus von SBZ und die Aufgaben der „Gruppe Ulbricht“. Anfang 1944 wurden die Hauptaufgaben in dem künftigen Nachkriegsdeutschland festgelegt. Am 13. Januar fand eine Besprechung zwischen Wilhelm Pieck und dem damaligen Leiter der Abteilung für internationale Informationen im ZK der KPdSU, Georgi Dimitroff, statt.

Am 6. Februar 1944 wurde vom Exil-Politbüro der KPD eine zwanzigköpfige Arbeitskommission gebildet, die die Aufgabe hatte die politische Neuorganisation im künftigen Deutschland durchzuführen.

Zu dieser gehörte auch Walter Ulbricht. Am 15. Februar 1945 schrieb er den Entwurf zur Anweisung für die Anfangsmaßnahmen zum Aufbau der Parteiorganisation. Ulbrichts Programm setzte sich für eine schnelle Bildung einer Massenpartei ein, deren Mitglieder möglichst viele ehrliche Antifaschisten sein sollten. Ende 1945 begann der Schulungskurs für ca. 150 deutsche Kommunisten.

Am 30.04.1945 traf als erste die „Gruppe Ulbricht“ in Bruchmühle bei Strausberg ein.

Zu den wichtigsten Personen zählten:

- Hans Mahle
- Gustav Gundelach
- Karl Maron
- Richard Gyptner
- Otto Winzer
- Walter Köppe
- Franz Erpenbeck
- Wolfgang Lorenz.

Am 3. Mai begann die organisatorische Tätigkeit. Jedes Mitglied der Ulbricht-Gruppe bekam einen Berliner Bezirk unter seine Kontrolle. Auf diesem Gebiet sollte er die Antifaschisten ausfindig machen und mit deren Hilfe eine Bezirksverwaltung neu aufbauen.

Die nächsten zwei Gruppen der Exil-Kommunisten kamen im Mai 1945 nach.

Die „Gruppe Ackermann“ landete am 10. Mai in der Nähe von Sagan, wurde dort von Semjonov (dem Leiter der Politabteilung der SMAD) empfangen. Sie organisierte in der nächsten Zeit, ähnlich wie die Ulbricht-Gruppe, die Bezirksverwaltung in Sachsen.

Die „Gruppe Sobottka“ landete am 6. Mai in Stargard, wurde von den Sowjets nach Stettin gefahren und war für Mecklenburg zuständig.[5]

Am 8. Mai fand die Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands statt.

Zur Zeit der Kapitulation umfaβte die sowjetische Besatzungszone ein Gebiet von 108 000 km². 1946 wurde es von 18,3 Millionen Einwohnern[6] bewohnt.

Schon im Juni 1945 setzte die SMAD in den Ländern Sachsen, Mecklenburg und Thüringen eine deutsche Landesverwaltung und in den Provinzen Brandenburg und Sachsen-Anhalt Provinzialverwaltungen ein. Ebenfalls 1945 wurde eine deutsche Polizei aufgebaut. Markant war, daβ diese Neubesetzung gleichzeitig eine Entnazifizierung (bis 1948 - ca. 520 000 Personen) und Besetzung der entscheidenden Funktionen mit Kommunisten war. Es wurden der deutsche Rundfunk und eine eigene Parteizeitung (KPD) - Deutsche Volkszeitung gegründet. Natürlich verliefen alle diese Arbeiten unter strenger Kontrolle Moskaus.

Seit dem 9. Juni 1945 lag die höchste politische Gewalt bei der SMAD (Sowjetische Militäradministration in Deutschland). Am 10. Juni 1945 schuf die SMAD mit dem Befehl Nr.2 die rechtliche Grundlage für die Bildung der antifaschistisch-demokratischen Parteien und Gewerkschaften.

Die Parteibildung verlief anfangs demokratisch. Zu den wichtigsten Parteien gehörten KPD und SPD. Auch im Juni und Juli wurde die Bildung der „bürgerlichen“ Parteien der LDP und der CDU, wie auch des FDGB (Gewerkschaft der SBZ) zugelassen. In der Anfangsphase war die Zusammenarbeit zwischen den Parteien auf den Gebieten Ost- und Westdeutschlands noch möglich.

1946 entstand unter der Leitung von Erich Honecker die FDJ, die kommunistische Jugendorganisation. Ihre Hauptaufgaben bestanden darin, die Jugend im „sozialistischen Geist“ zu erziehen und die neuen Kader auszubilden.

Obwohl die KPD über gröβere Finanzierungsquellen verfügte, war eher die SPD diejenige, die unter der deutschen Bevölkerung populärer war.

Die kommunistischen Führer sahen als einzige Möglichkeit für Wählerzuwachs und gleichzeitige Stärkung ihrer Partei die Vereinigung von KPD und SPD. Der Gründungsparteitag der SED, die eigentliche Zwangsvereinigung, fand am 21. und 22. April 1946 statt.

Im Oktober 1946 erhielt die SED bei den Wahlen zum Landtag in der Sowjetzone nur knapp die Hälfte der Stimmen. Die Partei formulierte ihr politisches Programm als „den besonderen deutschen Weg zum Sozialismus“, der als Distanzierung vom sowjetischen Modell verstanden werden sollte.

Im April 1948 lieβ die SMAD die DBD (Bauernpartei, ein Satellit der SED) und im Juni die bürgerliche Partei NDP (die ehemalige NSDAP-Mitglieder aufnahm) zu.

Die sowjetische Geheimpolizei NKWD errichtete, meistens in den ehemaligen faschistischen KZ-Lagern, neue Konzentrationslager. Sie wurden erst im Jahre 1950 auf deutschem Boden aufgelöst. Zu den Häftlingen zählten ehemalige aktive NSDAP-Mitglieder, jedoch viele der Häftlinge waren der SMAD politisch unbequeme oder auch nur einfach zufällige Personen[7] (Denunziationen mit materiellem oder persönlichem Hintergrund waren sehr verbreitet).

Der Mangel an Facharbeitskräften hinderte sichtbar den wirtschaftlichen Neuaufbau. Bekannt wurden, genauso wie auf der westlichen Seite, so auch im Osten - die Trümmerfrauen, die Zahl der weiblichen Erwerbstätigen stieg um 30%. Viele Männer, die im Zweiten Weltkrieg nicht gefallen waren, kamen oft erst nach 1955[8] nach Deutschland zurück. Auf dem Gebiet der SBZ fehlte es an Bodenschätzen und an Schwerindustrie. Die Teilung und die Demontage der bedeutender Industriezweige und fast der Hälfte der Bahngleise schwächten die wirtschaftliche Lage und lieβen die wirtschaftliche Dissproportion zwischen der SBZ und den Westzonen sichtbar erscheinen.

1946 wurde eine Justizreform durchgeführt, die vor allem einen Personenwechsel beabsichtigte, die ehemaligen Richter und Anwälte, zu 84% NSDAP-Mitglieder, wurden von kommunistischen Volksrichtern abgelöst.

Unter der Losung: „Enteignung der Kriegsverbrecher“ wurden 1945 durch die Bodenreform Groβgrundbesitzer (mit Landflächen über 100 ha) entschädigungslos enteignet.

1948 wurde in der Wirtschaft der erste Halbjahresplan eingeführt, ein sichtbares Zeichen für die Angleichung der deutschen Wirtschaft an das sowjetische ökonomische Modell - die Planwirtschaft nahm ihren festen Platz in der deutschen wirtschaftlichen Realität ein.

2.2. Die Geschichte der DDR

Am 7. Oktober 1949 konstituierte sich eine provisorische Volkskammer - Deutscher Volksrat, und nahm eine Verfassung an.

Auf diesem Weg entstand der zweite deutsche Staat - die DDR, die als „Gegenpol“ zu der BRD (08.-09. 1949 gebildet) erschaffen worden war und auch als Resultat des Kalten Krieges verstanden werden konnte.

Die neugebildete Volkskammer wählte Wilhelm Pieck zum Staatspräsidenten, Otto Grotewohl (ehemaliges SPD-Mitglied) zum Ministerpräsidenten und zu den stellvertretenden Ministerpräsidenten - Walter Ulbricht (SED), Otto Nuschke (CDU) und Hermann Kastner (LDP). Sechs der Regierungsmitglieder gehörten der SED, die übrigen acht den anderen Parteien an.

Die DDR galt als eine unteilbare Republik, die Verfassung bestimmte eine zentralistische Staatsform, die Volkskammer wurde zum höchsten Organ der Republik ernannt. Dieses Prinzip lieβ in der DDR die Gewaltkonzentration und die Abkehr von der Gewaltenteilung erkennen. Der Artikel 3 bestimmte, daβ alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe. Es wurden die Grundrechte der Bürger (Rede-, Presse, Versammlungs-, Religionsfreiheit, etc.) garantiert.

Noch im Juni 1948 beschloβ der Parteivorstand, in einer Situation, in der die politische Entscheidungsmacht sich bei der Partei kumulierte, den ersten Zweijahrplan für 1949-1950. Im gröβten Teil wurden die Betriebe und das Land verstaatlicht.

Im Juli 1950 wurde von Walter Ulbricht vor der Volkskammer der Fünfjahrplan 1951-1955 vorgestellt und auch natürlich akzeptiert. Dieser setzte die Produktionssteigerung der Industrie (vor allem der Schwerindustrie) und Landwirtschaft vor. Der Braunkohleabbau, die Energiegewinnung und Rohstahlproduktion wurde jedoch nicht, wie vorausgesetzt, erreicht. Man versuchte die Arbeitsproduktivität mit der Hilfe von Aktivistenbewegung (bekannt wurde der deutsche Stachanow - Adolf Hennecke) in die Höhe zu schrauben. Die geplante Lebensstandardverbesserung wurde nicht erzielt. Die HO-Laden Preise waren enorm hoch. Erst nach den Ereignissen im August 1953 wurde der Plan verändert. Die verweigerte Annahme des Marshall-Planes und die Nachkriegsdemontagen lieβen ihre Folgen die DDR-Bürger bitter spüren.

1950 trat die DDR dem RGW bei und erweiterte ihre auβenwirtschaftlichen Beziehungen zu der UdSSR und den Ländern des Ostblockes.

Auch im Jahre 1950 wurden die Wahlen in der DDR durchgeführt. Schon nach der Wende fanden sich sichere Beweise für umfangreiche Wahlfälschungen (die 98% der Wahlbeteiligung und 99,7% der Stimmen für die Einheitsliste sprachen schon für sich selbst).

Das Entscheidungsrecht lag nach dem sowjetischen Vorbild nur bei der SED-Spitze. Das Mehrparteiensystem entwickelte sich in eine Alleinherrschaft von SED. Die Partei lenkte die Justiz, die Wirtschaft und die Massenorganisationen. 1950 zählten die der SED untergeordneten Organisationen die FDGB - 4,7 Millionen, die FDJ- 1,5 Millionen, die Jungen Pioniere - 1,6 Millionen, der DFD - 1 Million, die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft[9] - 1,9 Millionen Mitglieder.

Die Monopolstellung von SED wurde durch rigorose Säuberungen sichergestellt.

Es fanden Schauprozesse (wie auch in den anderen kommunistischen Ländern) statt. Der bekannteste von ihnen war der Slansky-Prozeβ in Prag. Im August 1950 wurden die führenden Altkommunisten aus der SED ausgeschlossen, manche von ihnen haben im Laufe der Säuberungen ihr Leben verloren. Die Einschüchterung, Repressalien und ideologische Indoktrination bestimmten den Alltag nicht nur der Parteimitglieder, sondern auch des einfachen DDR-Bürgers. Die politische Opposition wurde entweder eliminiert oder zumindest enorm unterdrückt und verfolgt. Medien, Bildungswesen, Kulturleben, Kirche und Kunst wurden kontrolliert. Schon zum Anfang der DDR entwickelte sich rasch der Staatssicherheitsapparat, das Agentennetz, oft noch die ehemaligen NSDAP-Mitglieder, wie auch SS-Offiziere überwachten das öffentliche Leben. Das Ministerium für Staatssicherheit wurde Anfang 1950 gegründet. Die Volkspolizei wurde zum bewaffneten Organ ausgebaut und das Ministerium für Inneres wurde erweitert. Den Marxismus-Leninismus erklärte man zur herrschenden Ideologie. Auch der sichtbare Beweis für die Unterdrückung - der Aufstand vom 17. Juni 1953 wurde ignoriert (mehr im Kapitel 5).

Das stalinistische Regime beruhte auf der verstaatlichten und zentralistisch geplanten Wirtschaft. In den Vordergrund kam der Personenkult - Stalins und auch Ulbrichts.

Im Oktober 1954 fanden die Wahlen für die Volkskammer und Bezirkstage statt. Die überhöhte Wahlbeteiligung und gefälschte Ergebnisse dienten nur der Erhaltung von Macht, nicht zu ihrer Legitimation. Das MfS verhaftete acht Volksabgeordnete aus den Wahlen 1950, siebzehn Personen sind in die BRD geflüchtet. 44 Abgeordnete haben auf den Druck von SED ihr Mandat niederlegen müssen. Die Volkskammer wurde nur zu einem Instrument der SED, aus der heutigen Sicht kann man sie nicht als eine selbständige Legislative betrachten. Die Verschmelzung mehrerer Funktionen bei einer Person, die Mehrzahl der SED-Mitglieder in der Regierung, wie auch auf niedrigeren Instanzen wiesen darauf hin, daβ das sowjetische Modell in der DDR schon seit längerer Zeit existierte.

Ab 1955 wurde in der Wirtschaftsplanung wieder der Schwerpunkt auf die Schwerindustrie gelegt. Die Regierung proklamierte neue Planungs- und Produktionsmethoden. Das „neue Bewuβtsein“ der Arbeiter sollte bei der Senkung der Kosten und zur Erhöhung der Qualität behilflich werden.

Der Fünfjahrplan schuf eine schwerindustrielle Grundlage, neue Werke wurden erbaut, die alten erweitert. Die wirtschaftliche Instabilität der DDR blieb jedoch erhalten. Es existierten viele Lücken, da die Planziele nicht erreicht worden waren. Der Grund, auch wenn damals mit Propaganda übertönt, war einfach: die wirtschaftliche Rückständigkeit, mangelhafte Qualität und die unzufriedenen Arbeitskräfte lieβen nicht zu, die Wirtschaft der BRD nachzuholen.

Die Entstalinisierung nach 1956 verlief in den Ländern des Ostblockes unterschiedlich. In der DDR war diese Wendung schwer zu meistern. Die SED, wie auch Walter Ulbricht selbst, waren auf die bisherigen Anweisungen Moskaus angewiesen. Der andere Kurs der KPdSU blieb jedoch wie alle anderen ein Befehl. Ulbricht paβte sich der neuen Linie an. Die Verdammung von Stalin, seiner Verbrechen, des Dogmatismus und des Personenkultes fand wie erwünscht statt. Es wurden mehrere Personen begnadigt oder rehabilitiert. Die früheren Beschlüsse, wie gegen Titoismus, wurden revidiert. Es fanden zwar heftige Debatten um das Thema Stalin und die Möglichkeit eines „dritten Weges“ (antistalinistisch und nicht antikommunistisch) der Partei, jedoch die Generallinie der SED blieb dieselbe. Es bildeten sich Oppositionsgruppen, z.B. die Gruppe um Wolfgang Harich, oder um Karl Schirdewan, die dem Sozialismus ein menschliches Gesicht verleihen wollten und sich für Reformen innerhalb der Partei einsetzten. Solche Gruppen, die für die Stabilität der SED-Strukturen gefährlich waren, schaltete man mit der Hilfe der Staatsgewalt aus dem politischen Leben aus. Die Hardliner gewannen auch diesen Machtkampf.

Während der 3. Parteikonferenz im Jahre 1956 beschloβ man den zweiten Fünfjahrplan. Den Anstoβ zur Produktionssteigerung sollte die Parole: „Modernisierung, Mechanisierung, Automatisierung“[10] geben. Die Regierung versprach gewisse „Lockerungen“:

7-Stunden-Arbeitstag (in bestimmten Industriezweigen), 40-Stunden-Woche ohne Lohneinbüssen und Erhöhung des Reallohnes. Auch die Lebensmittelkarten verschwanden. Der Lebensstandard der DDR-Bürger verbesserte sich langsam.

Im Jahre 1958 konnte man eine gewisse Stabilisierung des Systems bemerken. Die Flüchtlingszahlen sanken, viele Menschen schienen sich in der DDR „einzurichten“. Die „Errungenschaften“ wie Erholungsheime, Kulturhäuser, Polikliniken und erträgliches Arbeitsklima lieβen die positive Stimmung wachsen. Diese kleinen Erfolge und Vergünstigungen überwogen die politische Unterdrückung. Die Mehrheit interessierte sich nach den schweren Kriegs- und Nachkriegsjahren weniger für die Politik als für die ökonomische Verbesserung. Viele fingen an sich in die sozialistische Realität zu engagieren.

Die SED schmiedete nach einer günstigen wirtschaftlichen DDR-Entwicklung völlig irreale Wirtschaftspläne. Zum Ziel wurde das Einholen der BRD.

Den Fünfjahrplan muβte man jedoch 1959 abbrechen und durch einen Siebenjahrplan ersetzen.

Die DDR wurde zum wichtigen wirtschaftlichen Partner der UdSSR. Die RGW-Länder versuchten ein System der wirtschaftlichen Verschmelzung und Arbeitsteilung zu realisieren.

Die Volkskammerwahlen wiederholten das bekannte Schema: fast 100%-ige Wahlbeteiligung und Zustimmung für die Einheitskandidaten.

1957 erschien im Neuem Deutschland eine Erklärung warum es in der DDR keine Opposition gab. Der Satz erläutert das politische Klima ausreichend. Jeder Kommentar scheint fehl am Platz zu sein.

„Eine Opposition in der DDR könnte doch nur gegen die Politik unserer Regierung gerichtet sein: Sie müßte für den Einsatz von Faschisten und Militaristen in hohen Machpositionen (...) und für die Vorbereitung eines Atomkrieges sein. Solche Opposition zu dulden wäre verbrecherisch“[11].

Der nächste Schritt zur Angleichung an die sowjetischen Wirtschaftsmethoden war die Forcierung der Kollektivierung der Landwirtschaft. Der gezwungene „freiwillige Eintritt“ in die LPG drängte die Bauer entweder in die LPG oder zur Flucht in den Westen.

Anfang 1960 verabschiedete die Volkskammer das Gesetz über den „Nationalen Verteidigungsrat“. Zum Vorsitzenden wurde Walter Ulbricht bestimmt, diese Funktion gewährte ihm noch mehr Macht.

Im September 1960 verstarb der Präsident der DDR - Wilhelm Pieck. Das Amt des Präsidenten wurde abgeschafft und stattdessen ein Staatsrat gebildet. Seine Funktionen entsprachen denen des Präsidiums des Obersten Sowjets in der UdSSR. In der DDR war jedoch die Stellung des Vorsitzenden herausgehoben.

Walter Ulbricht vereinte die Funktionen des Ersten Sekretärs des ZK der SED und des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR. Diese beiden Positionen sicherten ihm die höchste Stellung im Staat.

Parallel zum Machtanstieg wuchs auch der Personenkult um seine Person.

Das industrielle und landwirtschaftliche Wachstum lieβ auf sich warten. In den Jahren 1960 und 1961 konnte man erhebliche Probleme beim Erzielen des Planes bemerken.

Die Berlin - Drohungen Chruschtschows, wirtschaftlichen Probleme und die Kollektivierung in der Landwirtschaft führten zu einer allgemeinen Krise. Die Flüchtlingszahlen wuchsen enorm im Vergleich zu der Mitte der fünfziger Jahre (1959 - 143 000, 1960 - 199 000, April 1961 - 30 000[12] ).

3. Walter Ulbricht

3.1.Biographie

„Ein gefährlicher Bursche, dieser Ulbricht, der wird uns noch zu schaffen machen“[13].

Walter Ulbricht wurde am 30. Juni 1893 in Leipzig als erstes Kind[14] eines Schneiders geboren. Die Eltern waren streng und sozialdemokratischer Gesinnung. Sie erwarteten von ihren Kindern viel Disziplin und gute schulische Leistungen. Ulbricht besuchte eine Volksschule und erlernte den Beruf eines Möbeltischlers. Nach der Ausbildung verbrachte er 1911/1912 auf einer Zunftwanderung mit zwei anderen Gesellen durch Europa. Wie er sich später äuβerte, war diese Erfahrung für ihn sein Kunst-, Natur und Technikverständnis prägend. 1912 trat er mit 19 Jahren der SPD bei. Er gehörte zu dem radikalsten Flügel dieser Partei. Seit 1916 nahm er an der Tätigkeit des Spartakusbundes in Sachsen teil.

Im Ersten Weltkrieg diente er als Soldat, obwohl unter Zwang, und desertierte zwei Mal (im Frühjahr und Herbst 1918). Nach einem Fluchtversuch wurde er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Das zweite Mal flüchtete er aus dem Militärgefängnis. 1919 trat er der KPD bei.

Carola Stern antwortet in Ulbrichts Biographie[15] auf die Frage was der Marxismus für den jungen Ulbricht bedeutete:

„Dem 20jährigen erschloß er (Marxismus-N.H.) eine Welt und gab ihm einen Lebenssinn, nach dem sich Menschen, besonders junge, so sehr sehnen. Ulbricht war ein aufgeschlossener junger Mann, ehrgeizig und interessiert, aber ihm fehlten die Voraussetzungen zum Denken: Anregung, Wissen, Bildung, Denkbegabung. Zwei dieser Voraussetzungen konnten ihm die sozialistischen Bildungsinstitutionen ohne weiteres vermitteln: Anregung und größeres Wissen. (...) Die dem nicht Vorgebildeten so einfach und einleuchtend erscheinenden Formeln der marxistischen Ideologie - dem jungen Ulbricht besonders einleuchtend durch die wirtschaftliche Not und das Milieu des Elternhauses - befähigten ihn, alles, was er lernte, hörte und sah, zu erklären und einzuordnen. Die »Wahrheit« war gefunden - jene Wahrheit, Ideologie immer wieder neu an der Wirklichkeit zu messen und am Ende das kostbare Instrument ganz aus den Händen zu legen. Die Kommunisten erlaubten ihm, ja forderten es sogar, am Dogma festzuhalten, denn die kommunistische Partei würde ohne das Marxsche Weltbild von 1910 ihre Existenzgrundlage verlieren“[16].

Um Ulbrichts Weltanschauung näher darzustellen möchte ich aus seinen „Zehn Geboten der sozialistischen Moral“, 1958 formuliert, zitieren. Zu den wichtigsten Prinzipien gehörten:

- „Du sollst gute Taten für den Sozialismus vollbringen, denn der Sozialismus führt zu einem besseren Leben für alle Werktätigen
- Du sollst nach Verbesserung Deiner Leistungen streben, sparsam sein und die sozialistische Arbeitsdisziplin festigen
- Du sollst sauber und anständig leben und deine Familie achten[17]
- Klassisches Erbe pflegen
- Sozialismus feiern
- Dekadenz verdammen“.[18]

Er gehörte zu den KPD-Mitgliedern, die für eine „Bolschewisierung“ der KPD plädierten. In den Jahren 1924 und 1925 erhielt er verschiedene Aufträge von der Komintern (EKKI-Instrukteur in Wien, Prag und Deutschland). In den Jahren 1926-1927 und 1938-1943 (bis zur Auflösung der Internationale) war er offizieller Vertreter der KPD in der Komintern. In den Jahren 1928-33 war er KPD-Abgeordneter im Deutschen Reichstag, seit 1929 Bezirkssekretär der KPD von Groß-Berlin und Brandenburg.

Die KPD führte das Prinzip der Betriebszellen als Grundorganisation ein. Ulbrichts Begabung wurde schon schnell als die konsequente Durchsetzung dieses kommunistischen Organisationsprinzips erkannt. Er erhielt den Spitznamen “Genosse Zelle“.

Nach Hitlers Machtantritt 1933 verlieβ er Deutschland nach paar Monaten illegaler Arbeit und ging im Oktober 1933 nach Paris. Weiter wurde er nach Prag versetzt. Seine Arbeitsziele waren: „(...) die Kader auf Linie zu halten, Abweichungen von den Beschlüssen der Komintern und der KPdSU-Führung zu verhindern, die Organisation der Partei aufrecht zu erhalten und die illegale Arbeit in Deutschland anzuleiten“[19].

1936 nahm Ulbricht auch am spanischen Bürgerkrieg teil, wo er für „die Liquidierung revolutionärer antistalinistischer Kämpfer in der spanisch-republikanischen Armee“[20] bekannt war.

Während der groβen Säuberung 1936-38 in der Sowjetunion grenzte er sich von den „Agenten des Faschismus“ ab, nahm an der Hetzjagd gegen viele alte Kommunisten teil (schrieb Reden und Artikel). Viele der Alt-Kommunisten wurden nach dem Ribentropp – Molotov – Pakt nach Deutschland ausgeliefert, starben in den Konzentrationslagern oder Gefängnissen, nur wenige von ihnen überlebten[21].

Nach der Ausbürgerung aus Deutschland (1937) übersiedelte er bis 1945 nach Moskau.

In den Jahren 1941-44 war Walter Ulbricht in der Politischen Verwaltung der Roten Armee tätig. Dort war er für die Propagandaarbeit unter den deutschen Kriegsgefangenen zuständig[22]. Im Frühjahr 1945 gehörte er zu der kommunistischen Führungsgruppe in Moskau neben Wilhelm Pieck und Anton Ackermann[23]. Nach der Ankunft in Deutschland am 29. April 1945 fing er seine organisatorische Tätigkeit auf den von der sowjetischen Armee besetzten Gebieten an.

Im Juni 1945 wurde er zum Mitglied des neuen Zentralkomitees der KPD und im April 1946 zum Sekretär des ZK der SED.

Sein Hauptgebiet war der Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft, sein Werk waren die Bodenreform (1945), der Volksentscheid in Sachsen zur Enteignung der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten in Sachsen (1946) und der Zweijahrplan (1949/1950). 1949 wurde Ulbricht zum Mitglied des neugebildeten Politbüros und Vorsitzenden des Kleinen Sekretariats, 1950 zum Generalsekretär der SED. Er hatte ein absolutes Weisungs- und Kontrollrecht gegenüber allen Organen und Institutionen. Er wurde zum eigentlichen Machthaber der DDR.

Sein nächster Schritt war der wirtschaftliche Fünfjahrplan nach dem sowjetischen Muster.

Nach Stalins Tod verschwand sein politischer Protektor. Nach dem Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 wurde er öffentlich von der Zaisser- und Herrnstadtgruppe kritisiert. Jedoch nach den Auseinandersetzungen und der Ausschaltung seiner politischen Gegner wurde Ulbricht zum Ersten Sekretär des ZK gewählt.

Wolfgang Leonhard beschrieb 1955 Walter Ulbricht in Revolution entläßt ihre Kinder: „Seine Hauptstärke ist sein organisatorisches Talent, sein phänomenales Namengedächtnis, seine Fähigkeit, jeweilige Kurswechsel vorauszuahnen, und seine unermüdliche Arbeitskraft. Selbst nach den arbeitsreichsten Tagen schien er nicht erschöpft zu sein. Unbelastet von theoretischen Überlegungen und persönlichen Gefühlen - ich habe ihn selten lachen hören und erinnere mich nicht, jemals bei ihm eine persönliche Gefühlsregung bemerkt zu haben - gelang es ihm meines Wissens immer, die ihm von sowjetischer Seite übermittelten Direktiven mit List und Rücksichtslosigkeit durchzusetzen“[24].

Erich W. Gniffke beschrieb Walter Ulbricht aus dem Jahr 1945 in seinen Erinnerungen Jahre mit Ulbricht: „Was wir bisher über Ulbricht erfahren haben, war unterschiedlich, die meisten, die ihn schon vor 1933 gekannt hatten, schilderten ihn als einen verschlagenen, skrupellos und energiegeladen auf sein Ziel hinsteuernden Menschen“[25].

Wie von den Zitaten leicht zu erkennen ist, war Walter Ulbricht bei seinen Kollegen in der KPD-Zentrale nicht besonders beliebt. Thälmann nannte ihn den „Ulan von Leipzig“[26].

Ulbrichts Stärke „bestand in einer unermüdlichen Geschäftigkeit (...). Er hielt seine Mitarbeiter und Untergebenen (er brauchte Untergebene) fortgesetzt in Bewegung und kontrollierte unnachsichtig deren Arbeit. Seine Überlegenheit über andere bestand nicht in tiefer Einsicht oder größerer Reife, sondern in seiner Fähigkeit, stets besser informiert zu sein als andere und viel hartnäckiger der Durchführung von Einzelheiten nachzugehen.“[27]

In der Zeit zwischen seinem Sieg im politischen Kampf, seinem Rücktritt, dem Machtwechsel an Erich Honecker 1971, führte er mit eiserner Hand den Staat DDR zur politischen Abschirmung und wirtschaftlich zur Ruine. Zur Rettung der Wirtschaft, dem Halten der Arbeitskräfte in der DDR, sollte der Mauerbau dienen. Auch mit diesem Bauwerk wird Walter Ulbricht immer im Zusammenhang gebracht.

Sein Ziehsohn Erich Honecker löste mit dem Moskauer Erlaubnis in der KPD-Zentrale Walter Ulbricht ab. Auf der 16. Tagung des ZK der SED im Mai 1971 bat Ulbricht ihn aus „Altersgründen“ von der Funktion des Ersten Sekretärs der SED zu entbinden[28]. Honecker beauftragte Staatsminister Erich Mielke Ulbricht zu überwachen und seine Telefongespräche abzuhören. Das Öffentlichkeitsbild des ehemaligen Ersten Sekretärs wurde revidiert und seine Politik kritisiert. Am 1. August 1973, fast 12 Jahre nach dem Mauerbau, verstarb Walter Ulbricht im Alter von achtzig Jahren in Ost-Berlin aufgrund eines Herzversagens[29].

Julij A. Kwizinskij, ein sowjetischer Diplomat erinnerte sich schon nach der Wende an Walter Ulbricht:

„Walter Ulbricht war ein typisches Produkt seiner Zeit, ein Kader der Komintern, der sozusagen durch Feuer und Wasser gegangen war. Er war zweifellos der stärkste unter den Politikern, die die DDR regierten. Und das nicht deswegen, weil er als ein Meister der politischen Intrige, ein Virtuose der Kaderpolitik und der Schauprozesse gegen »Abweichler« galt, dem jedes Mittel recht war, um er kommunistischen Idee zu dienen. Für (...) ihn (...) bedeutete, dem Kommunismus zu dienen, der Sowjetunion zu dienen.“[30]

Derselbe Autor schrieb weiter zu Ulbrichts Wiedervereinigungspolitik:

„Natürlich wollte Ulbricht keine Wiedervereinigung, weil ihm durchaus klar war, daß die DDR dann von der Bundesrepublik überrollt würde. Da er aber wußte, wie brisant das Thema der nationalen Frage in Deutschland war, bastelte er beharrlich an allen möglichen politischen Wiedervereinigungsplänen - bald durch Wahlen zu einem paritätisch zusammengesetzten gesamtdeutschen Parlament, dann durch die Bildung einer deutschen Konföderation und dann wieder durch die Einrichtung eines Staatssekretariats für gesamtdeutsche Fragen in seiner Regierung.“[31]

3.2. Walter Ulbricht als Redner

„Ich habe den Eindruck, daß bei ihm jedes Wort eine andere Bedeutung hat als im normalen Sprachgebrauch“[32].

Erich W.Gniffke schrieb: „Bei seiner Rede[33] im Stadthaus war er (W. Ulbricht-N.H.) noch als gemütlicher Sachse erschienen, etwas unbeholfen, an seinem Konzept klebend, stockend und mit falscher Betonung ablesend; nun mußten wir dieses Bild während der Verhandlung schnell revidieren. (...) Wir fanden sein Organ nicht mehr gemütlich, sondern unangenehm. Er sah keinen von uns an. Sein kalter Blick huschte unstet von einem zu anderen. Wenn er sich zu einem Lächeln zwang, so glich sein Gesicht einer Maske. Seine Augen lächelten nie mit“[34].

Das Kennzeichen von Walter Ulbricht war sein starker sächsischer Dialekt, und mit dem auch eine für das Hochdeutsche falsche Satzintonation zusammenhing (die einer Fragestellung glich). Diese Artikulation erregte bei den Zuhörern außerhalb des sächsischen Sprachraumes oft negative Emotionen. Walter Ulbricht besaß auch keine Rednerstimme. Sein Organ beschrieb man als Pieps- oder Quietschstimme. Eine unkontrollierte, zu hohe Artikulation erregte zusätzlich einen parodierenden Eindruck. Natürlich muβ man im Zusammenhang mit diesen Merkmalen zwei andere Faktoren unterstreichen:

1. Die sächsische Artikulation klang für „fremde Ohren“ belustigend, parodierend und konzentrierte ein Teil der Aufmerksamkeit auf sich.
2. Der Inhalt der Reden stand bestimmt im Vordergrund und der erweckte die meisten negativen Emotionen bei den Zuhörern.
4. Historischer Hintergrund der deutschen Frage 1945-1961
„Die Partei hat immer Recht.“[35]

Während der Potsdamer Konferenz (7.Juli - 2.August 1945) formulierten die Staatschefs von Groβbritannien, der USA und der UdSSR die gemeinsamen Beschlüsse. Die Ziele der Deutschlandbesetzung waren:

- völlige Entwaffnung,
- Demilitarisierung,
- die Verantwortung des deutschen Volkes für die Folgen des faschistischen Regimes,
- Entnazifizierung,
- Umgestaltung des politischen Lebens, d.h. seine Demokratisierung,
- Dezentralisierung, d.h. es sollte keine zentrale deutsche Regierung gebildet werden. Dieses Prinzip sollte auch im Bezug auf die Wirtschaft gelten - es sollte eine übermäβige Konzentration der wirtschaftlichen Kräfte aufgehoben werden. Die deutsche Frage wurde in folgenden Punkten berührt:

1. Die Stellung der deutschen Gebiete jenseits der Oder unter polnischer Verwaltung,
2. Die Betrachtung Deutschlands als einer wirtschaftlichen Einheit während der Okkupation.

Im Zeitraum zwischen 1945-47 wurde Deutschland, trotz der Aufteilung noch als Ganzes betrachtet.

Die während der Auβenministerkonferenz der vier Besatzungsmächte in Moskau (Mai/April 1947) und in November 1947 geführten Verhandlungen lieβen zu keinem Konsens zwischen den Okkupanten kommen. Die Teilung Deutschlands war ein Ergebnis ihrer Unstimmigkeit. Beide Teile ordneten sich in die sich gegenüberstehenden Allianzsysteme ein. Die Sowjetunion forderte eine Zentralisierung der Staatsgewalt. Natürlich kann man im Hinblick auf diese Forderung von der Hoffnung der Sowjetunion ihren Einfluβ auf ganz Deutschland auszudehnen sprechen.

Die Westmächte neigten zur Dezentralisierung. Diese hatte auch die Aufgabe der Demilitarisierung Deutschlands. Im Westen schlug man eine Föderation beider deutschen Staaten vor. Frankreich plädierte sogar für einen losen Bund der deutschen Staaten.

Die Sowjetunion, nach Hermann Weber, lieβ die deutsche Frage nicht eindeutig schlieβen. Ein nichtkommunistisches Gesamtdeutschland, aus praktischen Gründen (Reparationen, Mitsprache im Ruhrgebiet) schien verlockender, als ein kommunistisches Teildeutschland. Es gab sichtbare Bemühungen auf Befehl der UdSSR in den westlichen Teilen Deutschlands den Einfluβ von KPD zu stärken.

Nach der Pariser Konferenz (Juli/Oktober 1946), mit dem sich entwickelten Kalten Krieg und Titos Verdammung veränderte sich in den Reihen der Kommunisten der ursprüngliche „besondere deutsche Weg zum Sozialismus“ in eine kritiklose Nachahmung des sowjetischen Modells. Den Veränderungen erlag auch die SED selbst (Strukturveränderungen). Es wurde auch die wirtschaftliche Zentrallenkung geschaffen.

Diese Lage zerstörte den früheren Einheitsgedanken. In 1947 verkündeten die USA die Trumann-Doktrin und realisierten den wirtschaftlichen Marshall-Plan. Der Zusammenschluβ der amerikanischen und britischen Zone im Jahre 1947 führte zur Bildung der Bizone. Zu dieser rückte die französische Zone und damit begann zuerst die wirtschaftliche Trennung von West und Ost. Am 17. März wegen des Brüsseler Paktes zeichnete sich die politische Spaltung zwischen den Westmächten und der Sowjetunion. Die Sowjetunion protestierte gegen den Pakt und postulierte einen Abzug aller Besatzungstruppen aus Deutschland und eine Viermachtenverwaltung. Die westlichen Besatzungsmächte lehnten diesen Vorschlag ab. Der Dialog zwischen den Besatzungsmächten wurde immer schwieriger.

Nach der ergebnislosen Moskauer Konferenz fand im Juni 1947 die ebenfalls miβgelungene Konferenz der deutschen Ministerpräsidenten in München statt, während deren die Vertreter der SBZ eine Zentralverwaltung Deutschlands verlangten und die westdeutschen Regierungschefs ablehnten. Die westdeutsche Seite hat zu diesem Zeitpunkt die SBZ entweder schon „abgeschrieben“ oder gedachte keinen Kompromiβ mit den ostdeutschen Politikern einzugehen. Die Westmächte planten einen wirtschaftlichen und politischen Neuaufbau Deutschlands. Die am 20. Juni 1948 eingeführte Währungsreform war ein sichtbares Zeichen dafür. Im Jahre 1948 folgte die Übergabe der politischen Verantwortlichkeit an deutsche Politiker.

Die Einführung der D-Mark in West-Berlin hatte die erste Blockade Berlins zur Folge. Das Jahr 1948 wird als der Anfang des Kalten Krieges genannt.

Die sowjetische Seite lähmte den Verkehr nach Berlin und schnitt die Stadt vom Westdeutschland ab. Berlin wurde ein Jahr (24.06.1948-06.06.1949) von den Westmächten aus der Luft mit Lebensmitteln, Kohle, Medikamenten, u.a. beliefert.

Im Jahre 1948 fand die politische Trennung von Stalin und Tito statt. Der jugoslawische Diktator wählte den „eigenen Weg“ um eine von der UdSSR unabhängige Politik zu betreiben. Stalin negierte die Möglichkeit der „unterschiedlichen Wege“ zum Sozialismus. Es galt nur den sowjetischen. Nach diesem Konflikt muβten auch die deutschen Kommunisten ihren „deutschen Weg zum Sozialismus“ verwerfen. Viele Politiker wählten die Flucht in die BRD. Bekannte politische Flüchtlinge waren Wolfgang Leonhard (SED) und Erich W.Gniffke (früher SPD-Mitglied), einer der engsten Mitarbeiter Grotewohls.

Am 9. Mai 1949 wurde die BRD proklamiert. In der Ostzone wurde im 1948 die Ost-Mark eingeführt. Die Umgestaltung der SBZ in die DDR fand am 7. Oktober 1949 statt. Am 11. Oktober wurde der ehemalige KPD-Vorsitzende Wilhelm Pieck zum ersten Präsidenten der DDR gewählt.

Trotz der DDR-Gründung und ihrer theoretischer Selbständigkeit behielt die UdSSR ihre Kompetenzen als Besatzungsmacht. Die SMAD wurde durch die Sowjetische Kontrollkommission ersetzt. Die ostdeutsche Regierung richtete sich nach den Anweisungen Moskaus.

Auch wenn das theoretische politische Ziel die deutsche Einheit blieb und die Staatsgründung als eine Reaktion auf die BRD-Gründung erklärt wurde, war die DDR ein Produkt und zugleich später auch ein Satellitenstaat der UdSSR. Die Macht wurde im Auftrag und unter Kontrolle der Besatzungsmacht ausgeübt Die BRD wurde zu einem politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Fixierpunkt in der Politik DDR. Die Regierung Adenauers erhob den Anspruch auf die Alleinrepräsentanz von Deutschland und den deutschen Bürgern. Die Existenz und der Anspruch von Ostdeutschland auf eine politische Anerkennung wurden negiert. Die Auβenpolitik wurde nach der Hallstein-Doktrin geführt. Mit den Ländern, die die DDR anerkannten, brach die BRD automatisch diplomatische Beziehungen (die Ausnahme war natürlich die UdSSR) ab. Die Kontroversen zwischen der DDR und den westdeutschen Politikern verschärften sich. Noch im Juli 1950 wurde offiziell die Oder-Neiβe-Grenze von der DDR anerkannt, was zu einer weiteren Gesprächsverweigerung zwischen den westlichen und östlichen deutschen Politikern führte. Die Ablehnung der östlichen Grenze wurde zum langjährigen Programm der Bonner Politiker.

Im Jahre 1952 schickte Stalin die sogenannte „Stalin-Note“ an die Westmächte. Der gröβte Mann in Osteuropa und Asien schlug „unverzüglich die Frage eines Friedensvertrages mit Deutschland zu erwägen“[36]. Die UdSSR bereitete den Entwurf eines Friedensvertrages vor, der mit einer gesamtdeutschen Regierung abgeschlossen werden sollte. Deutschland durfte nach diesem Vertrag eigene Streitkräfte besitzen, aber keine Militärbündnisse eingehen. Die Sowjetunion erklärte sich bereit für eine Durchführung freier Wahlen im ganzen Deutschland, und willigte eine Kontrolle der Besatzungsmächte ein. Die Westmächte und die Bundesregierung lehnten dieses Angebot ab. Eine freie Bündnispolitik wurde zum Hauptargument. Der Entwurf wurde als ein Störmanöver gegen das Einbeziehen der BRD in die EVG interpretiert. Ab Mai 1952 riegelte die DDR ihre Grenze mit einer Demarkationslinie und einer Sperrzone ab.

Nach dem Tod Stalins (5. März 1953) schlug Churchills Regierung im Mai 1953 einen Garantievertrag für ein geeintes und freies Deutschland vor. Der Vorschlag fand im Kreml Beachtung, jedoch der Sturz Berijas, der Aufstand vom 17. Juni und die blockierende Haltung Adenauers lieβen den Vorschlag im Sande verlaufen.

Der Tod Stalins war ein Schock für die DDR-Regierung, der Machtwechsel (Malenkow, Berija, Molotow, Chruschtschow) im Kreml sicherte Ulbricht seinen „harten Kurs“ nicht mehr.

Im Politbüro bildete sich eine unsichere Opposition gegen den Generalsekretär. Rudolf Herrnstadt und Wilhelm Zaisser forderten einen Politikwechsel und Selbstkritik von Ulbricht.

Die Normerhöhung im Mai 1953 gab den Anlaβ für Streik und Demonstrationen der unzufriedenen Arbeiter. Am 17. Juni 1953 fand der einzige Aufstand in der Geschichte der DDR statt. Es kam zu den Zusammenstössen zwischen den Demonstranten und der Polizei. Der Aufstand wurde mit den sowjetischen Panzern niedergeschlagen. Sein Ergebnis waren über 400 Opfer, politische Verfolgungen (über 6 000 Personen wurden inhaftiert) und die schreckliche Einsicht über die SED-Herrschaft, die von der UdSSR garantiert blieb. Jedoch auch die Regierung zog eine Lehre für sich. Seit 1953 wurde das Transformationstempo verlangsamt (d.h. die Entbehrungen der Bevölkerung verringert). Die Preise sanken, die UdSSR erklärte ihren Verzicht auf die Reparationen und die Senkung der Besatzungskosten.

Die anfängliche Einschüchterung des Generalsekretärs verschwand mit der nächsten Regierung der UdSSR. Die Person von Nikita Chruschtschow sicherte die Ulbrichtsposition an der SED-Spitze. Der Aufstand vom 17. Juni 1953 stärkte seine Position in der Partei. Die neue sowjetische Regierung setzte auf die „DDR ohne Experimente“. Die Herrnstadt-Opposition wurde vernichtet und die anderen oppositionellen SED-Mitglieder aus der Monolithpartei ausgeschlossen.

Nach dem IV. Parteitag der SED im April 1954 lieβ sich die Abkehr von dem kurzen „Neuen Kurs“ erkennen. Die Grundstrukturen des stalinistischen Systems, trotz des Bemühens Chruschtschows die stalinistischen Herrschaftsmethoden abzuschaffen, blieben erhalten.

Nach dem Juni-Aufstand beharrte die Adenauer-Regierung auf der Ablehnung jeglicher Kontakte mit der DDR. Ostdeutschland forderte die deutsche Einheit. Die in der DDR formulierten Propaganda-Parolen „Deutsche an einem Tisch“ und, die am IV. Parteitag der SED von Walter Ulbricht ausgesprochene Sätze, wie: „Die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands sei eine unumstößliche Gesetzmäßigkeit“[37] fanden in der BRD keine Resonanz. Ab November 1956 wurde die KPD in der BRD verboten.

Während der Auβenministerkonferenz der Groβmächte in Berlin in Januar und Februar 1954 kam es zu keiner Annäherung in der deutschen Frage. So folgte auch die NATO-Mitgliedschaft der BRD. Die UdSSR gewährte der DDR erweiterte Souveränitätsrechte. Im Mai 1955 wurde die DDR als Mitglied des Warschauer Paktes aufgenommen.

Die bekannte Genfer Gipfelkonferenz (Juli 1955) brachte eine internationale Entspannung, aber keine Fortschritte in der Frage der deutschen Einheit.

Zum Wendepunkt der deutschen Frage wurde die „Zwei-Staaten-Theorie“, die Chruschtschow und Bulganin auf ihrer Rückreise während des Besuchs in Ost-Berlin verkündeten. Die Theorie zerstörte die Hoffnung auf freie Wahlen und eine baldige Wiedervereinigung. Die Sowjetunion gewährte diese nur unter Wahrung der „sozialistischen Errungenschaften“[38].

Es folgte eine starke wirtschaftliche und politische Integration der DDR in den Ostblock. DDR wurde von der UdSSR politisch aufgewertet. Ostdeutschland als eine Besatzungszone verwandelte sich in einen Partnerstaat.

Im Jahre 1955 wurde in Moskau ein „Vertrag über die Beziehungen zwischen der DDR und der UdSSR“ abgeschlossen und die Souveränität von DDR anerkannt. Die Besatzungsmacht löste die Hohe Kommission in Ost-Berlin auf, obwohl die Kontrolle des Verkehrs der Alliierten nach West-Berlin der Sowjetunion vorbehalten blieb. Es blieben auch weiterhin die sowjetischen Truppen in der DDR stationiert.

Die Berlin-Krise im Herbst 1958 war ein Beispiel der „Politik der Stärke“ von der UdSSR, die seit 1953 im Besitz der Wasserstoffbombe war. Im Jahre 1958 forderte Chruschtschow in einer ultimativen Form den Status einer „freien und entmilitarisierten Stadt“ für West Berlin. Er bestand auf dem Abzug der Westmächte aus West-Berlin innerhalb eines Jahres. Im Mai 1959 wurde die angespannte Stimmung während der Auβenministerkonferenz der Groβmächte gedämpft. Zum ersten Mal nahmen die beiden deutschen Delegationen als Berater daran teil. Die DDR-Führung verstand diesen Schritt als einen Anfang bei der Anerkennung ihres Staates. Der Besuch Chruschtschows in den USA schien endgültig die Spannung in den internationalen Beziehungen aus der Welt geschaffen zu haben. Die DDR erwartete einen Friedensvertrag der Westmächte mit den beiden deutschen Staaten (und gleichzeitige Anerkennung der DDR als einen Partner). Bei der Berlinfrage postulierte die DDR-Regierung eine neutrale Stadt. Die wirtschaftlichen und politischen Probleme führten zur Verhärtung des SED-Kurses. In den Jahren 1960 und 1961 führte dieser zu einer Krise. Die internationalen Spannungen spitzten sich nach dem Abschuβ eines US-Aufklärungsflugzeuges über dem Gebiet der UdSSR im Mai 1960 zu. Die Pariser Konferenz (05.1960) scheiterte. Im Juni 1961 fand ein Kennedy-Chruschtschow Treffen in Wien statt. Jedoch die UdSSR bestand dort nur auf ihren Berlin-Forderungen. Die DDR kündigte noch für 1961 eine Regelung an, die die Berlinfrage betreffen sollte.

Der Konflikt zwischen der UdSSR und der Volksrepublik China enthüllte einen Bruch im Weltkommunismus. Moskau war sich ihrer militärischen Überlegenheit bewuβt.

Nach Kennedys Klarstellung am 25. Juli 1961, in der er die Unverzichtbarkeit der Anwesenheit der westlichen Truppen und den ungehinderten Zugang der USA zu West-Berlin erklärte, traf die UdSSR-Regierung die Entscheidung über die Abriegelung Ost-Berlins. Dieser Zug tangierte die Interessen der USA nicht direkt, erfüllte aber die Aufgabe der politischen Abgrenzung und beendete den Arbeitskräfteverlust.

Im März 1961 versuchte Ulbricht seine Pläne - eine Stacheldrahtbarriere um West-Berlin zu ziehen, auf der Tagung des Warschauer Paktes durchzusetzen. Der Vorschlag wurde damals auch von Chruschtschow abgelehnt. Die wachsende Fluchtwelle zwang die DDR-Regierung zum schnellen Handeln. Vom 3. bis 5. August 1961 berieten die Ersten Sekretäre der Kommunistischen Parteien der Warschauer Vertragsstaaten in Moskau. Die UdSSR stimmte für die Variante der Mauer um West- Berlin zu. In der Nacht vom 12. auf den 13. August errichteten Volkspolizei, NVA und Betriebskampfgruppen entlang der Sektorengrenze Stacheldrahtverhaue und Steinwälle, die dann in der nächsten Zeit zur Mauer wuchsen.

Der Mauerbau machte die Möglichkeit einer deutschen Einheit zunichte. Die westliche Politik der Stärke, ihr Programm - die DDR durch den Druck von auβen zu verändern, war eine Fehleinschätzung.

Auf der ostdeutschen Seite wurde man sich dessen bewuβt, daβ das menschliche Arbeitspotenzial nur unter Zwang in der DDR zu halten sei.

Nach der Abriegelung der DDR und der Neutralisierung der Bevölkerung wurde „die sozialistische Leine“ gelockert. Es kam die zweite Welle der Entstalinisierung und eine Verbesserung des Lebensstandards.

[...]


[1] Klemperer,Victor: So sitze ich denn zwischen allen Stühlen, Berlin, 1999, S. 469

Diesen Terminus benutzt auch Wolf Oschlies: Würgende und wirkende Wörter-Deutschsprechen in der DDR, Berlin, 1989, S. 85

[2] Kämper, Heidrun: LQI - Sprache des Vierten Reiches. Viktor Klemperers Erkundungen zum Nachkriegsdeutsch, in: Burkhard, Armin, Cherubim, Dieter, (Hrsg): Sprache im Leben der Zeit. Beiträge zur Theorie, Analyse, und Kritik der deutschen Sprache in Vergangenheit und Gegenwart. Helmut Henne zum 65. Geburtstag, Tübingen, 2001

[3] im Zusammenarbeit mit Barth,Dagmar,Bayer, Franziska

[4] In der späteren DDR-Geschichtsschreibung wurden die Namen von Leonhard, Gundelach, Mahle weggelassen.

[5] Leonhard, Wolfgang: Das kurze Leben der DDR, Stuttgart, 1999, S. 13-27

[6] Weber, Hermann, DDR. Grundriß der Geschichte 1945-1990, München, 1993, S. 31

[7] eine von ihnen war die ehemalige Frau eines politisch “neuorientierten“ Wehrmachtoffiziers - Margret Bechler

Bechler, Margret, Stalmann, Mine: Warten auf Antwort, München, 1978

[8] In 1955 fand der Adenauersbesuch in Moskau statt. Er ermöglichte die Entlassung der deutschen Soldaten aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft.

[9] 1947 gegründet

[10] Weber, Hermann: DDR. Grundriß der Geschichte 1945-1990, S. 48

[11] nach Weber, Hermann: DDR. Grundriß der Geschichte 1945-1990, S. 51 aus Neues Deutschland, Nr.116 vom 17.5.1957

[12] Weber, Hermann: DDR Grundriß der Geschichte 1945-1990, S. 55

[13] Grotewohls Worte zitiert nach Gniffke, Erich W.: Jahre mit Ulbricht, Köln, 1966, S. 34

[14] nach Frank, Mario: Walter Ulbricht, Eine deutsche Biographie, Berlin, 2001, S. 275

Walter Ulbricht besaβ zwei Geschwister: Erich und Hildegard, die nach dem Krieg in den USA und in Westdeutschland lebten.

[15] Stern, Carola: Walter Ulbricht. Eine politische Biographie, Köln, Berlin, 1964

[16] ebenda: S. 32,33

[17] Dieses Gebot befolgte er aber selbst nicht. Seine Eltern starben während seiner Abwesenheit. Seine Geschwister hat er nach seiner Rückkehr aus der UdSSR nie gesehen. Sie lebten in den USA und in der BRD. Er ließ sich von seiner ersten Frau scheiden und kümmerte sich nie um seine erste Tochter. Die mit Lotte Kühn adoptierte Tochter Beate erzog er zu einem Mustermädchen. Die Adoptiveltern zerstörten ihre Ehe. Sie starb als Alkoholikerin.

[18] nach Stern, Carola, S. 33,34

[19] Hrsg. Friedrich Ebert Stiftung, Die DDR Realitäten-Argumente, Zur Geschichte der DDR-40 Jahre unter Ulbricht und Honecker, Bonn, S. 11-12

[20] Leonhard, Wolfgang: Die Revolution entläßt ihre Kinder, Köln, Berlin, 1955, S. 218

[21] vergleiche Leonhard, Susanne: Gestohlenes Leben, Frankfurt/Main, 1988

[22] vergleiche Talbott, Strobe (Hrsg.): Chruschtschow erinnert sich, Die authentischen Memoiren, Reinbek bei Hamburg, 1992, S. 192-194

[23] Seit 1935 residierte im Hotel Lux in Moskau die Zentrale der KPD, vgl. Keiderling, Gerhard: „Gruppe Ulbrichts“ in Berlin, April bis Juni 1945, Berlin, 1993, S. 25-26

[24] Talbott, Strobe , S. 218

[25] Gniffke, Erich, W.: Jahre mit Ulbricht, S. 32

[26] nach Stern, Carola: Walter Ulbricht. Eine politische Biographie, S. 70

[27] ebenda, S. 75

[28] vgl. Weber, Hermann: DDR, Grundriß der Geschichte 1945-1990, S. 129-130

[29] vgl. Frank, Mario: Walter Ulbricht, Eine deutsche Biographie, Berlin, 2001, S. 440, 442, 444

[30] Kwizinskij, Julij A.: Vor dem Sturm. Erinnerungen eines Dipolmaten, Berlin, 1993, S. 173

[31] ebenda, S. 177

[32] Gniffkes Worte nach Gniffke, Erich W.: Jahre mit Ulbricht, S. 34

[33] Am 19. Juni 1945 fand ein Zusammentreffen der Vertreter der KPD und SPD.

[34] Gniffke, Erich W.: Jahre mit Ulbricht, S. 32

[35] der Liedtitel von Louis Fürnberg, nach Weber, Hermann: Die. DDR 1945-1990, S. 31

[36] nach Weber, Hermann: Die DDR 1945-1990, S. 44

[37] nach Weber, Hermann: Die DDR 1945-1990, S. 44

[38] nach Weber, Hermann: Die DDR 1945-1990, S. 45

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832459024
ISBN (Paperback)
9783838659022
Dateigröße
838 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Uniwersytet Warszawski (Universität Warschau) – unbekannt
Note
1,7
Schlagworte
sprachpolitik propagandasprache ideologie sprachlenkung newspeak
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Titel: Die deutsche Frage in den Texten von Walter Ulbricht 1945-1961
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