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Implizite Bewertung der Lieferoption für den Bund-Future

©1998 Diplomarbeit 92 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Was ist der Bund-Future? Was ist die Lieferoption? Welchen Sinn hat sie? Warum ist ihre Analyse nötig? Wie wird bei ihrer Analyse verfahren?
Dem im November 1990 an der Deutschen Terminbörse (DTB) eingeführten Bund-Future liegt eine fiktive 6%-Bundesanleihe mit einer Restlaufzeit von zehn Jahren (Notional Bond) zugrunde. Während sich der Verkäufer eines Bund-Futures verpflichtet, am Liefertag den Notional Bond zum vorher vereinbarten Preis zu liefern, muss ihn der Käufer zu diesem Preis abnehmen. Da eine 6%-Bundesanleihe mit zehn Jahren Restlaufzeit am Liefertag regelmäßig nicht existiert, hat der Verkäufer das Recht, aus einer gegebenen Menge an Bundesanleihen (Lieferkorb) eine Anleihe zur Lieferung auszuwählen. Dieses Recht des Verkäufers heißt Lieferoption.
Mit der Einführung einer Lieferoption bezweckt man erstens, die Anzahl der lieferbaren Anleihen zu erhöhen und so eine mögliche Marktenge zu erschweren. Zweitens wird die Liquidität, die alternativ für viele entsprechende Terminkontrakte auf die einzelnen Bundesanleihen bereitsteht, auf den Bund-Future konzentriert. Allerdings werden diese Vorteile mit einer verminderten Hedging-Effektivität erkauft, da der Preis des Bund-Futures bei Verfall aufgrund der Lieferoption nicht perfekt mit dem Kassakurs einer bestimmten abzusichernden Bundesanleihe korreliert.
Um den Wert der Lieferoption zu ermitteln, bedient man sich folgender Überlegung: Der Käufer eines Forwards auf eine bestimmte im Lieferkorb enthaltene Anleihe ist bereit, einen gewissen Preis für diesen Forward zu bezahlen. Für den Bund-Future wird er weniger zu zahlen bereit sein, da er nicht wissen kann, welche Anleihe ihm am Liefertag geliefert werden wird. Der Verkäufer wird seine Lieferoption zum eigenen Vorteil ausüben, d.h. er wird die im Lieferzeitpunkt günstigste Anleihe liefern. Diese Chance des Verkäufers ist gleichzeitig das Risiko des Käufers, das er sich über einen geringeren Futurepreis vergüten lässt. Zentral ist, dass sich diese ex ante-Unsicherheit allein aus der Existenz der Lieferoption ergibt.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass an der DTB Preisfaktoren eingeführt wurden, die zum Ziel haben, die verschiedenen lieferbaren Anleihen im Lieferzeitpunkt gleichwertig zu manchen. Dazu wird der Futurepreis bei Verfall mit dem Preisfaktor der im Gegenzug gelieferten Anleihe multipliziert. Im wesentlichen resultiert der Wert der Lieferoption daraus, dass die Preisfaktoren ihren Zweck nicht bzw. nur […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Darstellungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der DTB-Bund-Future
2.1 Kontraktmerkmale und Liefervorgang
2.2 Zweck und Konsequenzen der Lieferoption
2.2.1 Futures ohne physische Lieferung
2.2.2 Futures mit physischer Lieferung
2.2.3 Notwendigkeit von Preisfaktoren
2.3 Der Preisfaktor der DTB
2.4 Preisbildung durch Cash-and-Carry-Arbitrage
2.4.1 Genau eine lieferbare Anleihe
2.4.2 Mehrere lieferbare Anleihen
2.4.3 Klassifizierung der Basis

3 Analyse und Kritik des Preisfaktors der DTB
3.1 Die CTD und der Futurepreis
3.2 Determinanten der CTD
3.2.1 Rendite bis Fälligkeit
3.2.2 Modified Duration
3.2.3 Verzerrung durch unpräzise Zeitmessung
3.3 Ein alternatives Preisfaktorsystem
3.4 Preisfaktorvergleich und CTD
3.4.1 Flache Zinsstrukturkurven
3.4.2 Nichtflache Zinsstrukturkurven

4 Konzept der impliziten Bewertung der Lieferoption
4.1 Bewertungsvoraussetzungen
4.2 Implizite Prämie für die Lieferoption
4.3 Ausübungswert der Lieferoption
4.4 Klassifizierung der Lieferoption
4.5 Kritik

5 Empirische Untersuchung
5.1 Beschreibung von Vorgehensweise und Datenbasis
5.2 Implizite Optionsprämien
5.3 Ausübungswerte der Rollover-Strategie
5.4 Ausübungswerte der Buy-and-Hold-Strategie
5.5 Vergleich der Ergebnisse mit anderen Untersuchungen

6 Zusammenfassung

Anhang

A Herleitung der Preisfaktorformel der DTB
B Untere Schranke für den arbitragefreien Futurepreis bei mehreren lieferbaren Anleihen
C Vergleich der Preisfaktoren und futuresäquivalenten Kassakurse
D Bestimmung des arbitragefreien Forwardpreises
E Stammdaten der lieferbaren Anleihen
F Statistische Angaben zu Optionsprämien und Ausübungswerten

Literaturverzeichnis

Ehrenwörtliche Erklärung

Darstellungsverzeichnis

Darstellung 1: Die Entwicklung des Bund-Futures an der DTB

Darstellung 2: Der Liefervorgang an der DTB

Darstellung 3: Perfekte Absicherung einer leer­verkauften Anleihe durch einen Future ohne Lieferoption

Darstellung 4: Arbitragetableau zur Bestimmung des fairen Preises eines Futures ohne Lieferoption

Darstellung 5: Unterschiedliche Anleihekurse trotz identischer Rendite und Restlaufzeit

Darstellung 6: Modified Duration versus Yield to Maturity bei exemplarischen Zinsstrukturkurven

Darstellung 7: Zahlungsströme der kontinuierlichen Rollover-Strategie

Darstellung 8: Anzahl der lieferbaren Anleihen je Liefermonat

Darstellung 9: Durchschnittliche Restlaufzeit und durch­schnittlicher Kupon der lieferbaren Anleihen je Liefermonat

Darstellung 10: Implizite Optionsprämien in Abhängig­keit von der Restlaufzeit des Bund-Futures

Darstellung 11: Rollover-Ausübungswerte in Abhängig­keit von der Restlaufzeit des Bund-Futures

Darstellung 12: Buy-and-Hold-Ausübungswerte in Ab­hängig­keit von der Restlaufzeit des Bund-Futures

Darstellung 13: Mittelwertvergleich der Ergebnisse für die impliziten Optionsprämien

Darstellung 14: Mittelwertvergleich der Ergebnisse für die Ausübungswerte der Buy-and-Hold-Strategie

Darstellung 15: Mittelwertvergleich der Ergebnisse für die Ausübungswerte der Rollover-Strategie

Darstellung 16: Arbitragetableau zur Bestimmung der unteren Schranke des Futurepreises bei mehreren lieferbaren Anleihen

Darstellung 17: Vergleich der alternativen Preis­faktoren mit den Preisfaktoren der DTB und die Gegen­überstellung der jeweiligen futures­äquivalente Kassakurse bei verschiedenen flachen Zinsstrukturkurven

Darstellung 18: Vergleich der futuresäquivalenten Kassakurse bei verschiedenen nichtflachen Zinsstrukturkurven

Darstellung 19: Zeitliche Lage der relevanten Tage beim kreditfinanzierten Anleihekauf

Darstellung 20: Stammdaten der lieferbaren Anleihen

Darstellung 21: Statistische Angaben zu Optionsprämien und Ausübungswerten

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Was ist der Bund-Future? Was ist die Lieferoption? Welchen Sinn hat sie? Warum ist ihre Analyse nötig? Wie wird bei ihrer Analyse verfahren?

Dem im November 1990 an der Deutschen Terminbörse (DTB)[1] ein­geführten Bund-Future liegt eine fiktive 6%-Bundes­anleihe mit einer Restlaufzeit von zehn Jahren (Notional Bond) zugrunde.[2] Während sich der Verkäufer eines Bund-Futures verpflichtet, am Liefertag den Notional Bond zum vorher vereinbarten Preis zu liefern, muß ihn der Käufer zu diesem Preis abnehmen. Da eine 6%-Bundes­anleihe mit zehn Jahren Restlaufzeit am Liefertag regelmäßig nicht existiert, hat der Verkäufer das Recht, aus einer gegebenen Menge an Bundesanleihen (Liefer­korb) eine Anleihe zur Lieferung auszuwählen. Dieses Recht des Verkäufers heißt Lieferoption.

Mit der Einführung einer Lieferoption bezweckt man erstens, die Anzahl der lieferbaren Anleihen zu erhöhen und so eine mögliche Marktenge zu erschweren. Zweitens wird die Liquidität, die alternativ für viele entsprechende Terminkontrakte auf die einzelnen Bundesanleihen bereitsteht, auf den Bund-Future konzentriert. Allerdings werden diese Vorteile mit einer verminderten Hedging-Effektivität erkauft, da der Preis des Bund-Futures bei Verfall aufgrund der Lieferoption nicht perfekt mit dem Kassakurs einer bestimmten abzusichernden Bundesanleihe korreliert.

Um den Wert der Lieferoption zu ermitteln, bedient man sich folgender Überlegung: Der Käufer eines Forwards auf eine bestimmte im Lieferkorb enthaltene Anleihe ist bereit, einen gewissen Preis für diesen Forward zu bezahlen. Für den Bund-Future wird er weniger zu zahlen bereit sein, da er nicht wissen kann, welche Anleihe ihm am Liefertag geliefert werden wird. Der Verkäufer wird seine Lieferoption zum eigenen Vorteil ausüben, d.h. er wird die im Lieferzeitpunkt günstigste Anleihe liefern. Diese Chance des Verkäufers ist gleichzeitig das Risiko des Käufers, das er sich über einen geringeren Futurepreis vergüten läßt. Zentral ist, daß sich diese ex ante-Unsicherheit allein aus der Existenz der Lieferoption ergibt.

Dabei ist zu berücksichtigen, daß an der DTB Preisfaktoren eingeführt wurden, die zum Ziel haben, die verschiedenen lieferbaren Anleihen im Lieferzeitpunkt gleichwertig zu manchen. Dazu wird der Futurepreis bei Verfall mit dem Preisfaktor der im Gegenzug gelieferten Anleihe multipliziert. Im wesentlichen resultiert der Wert der Lieferoption daraus, daß die Preisfaktoren ihren Zweck nicht bzw. nur unzureichend erfüllen.

In der vorliegenden Arbeit werden drei Ansätze zur impliziten Bewertung der Lieferoption verfolgt, wobei stets der Wert der Lieferoption aus beobachtbaren Marktdaten ermittelt werden soll. Vor Fälligkeit entspricht die Optionsprämie für die Lieferoption dem Überhang des Terminpreises der günstigsten lieferbaren Anleihe über den mit ihrem Preisfaktor multiplizierten Preis des Bund-Futures. Bei Fälligkeit des Futures ergibt sich der Ausübungswert über die Zahlungsströme einer Strategie, bei der man vor Fälligkeit des Futures die billigste Anleihe (Anleihe j) kauft und eine entsprechende Anzahl Bund-Futures verkauft. Bei der diskreten Buy-and-Hold-Variante wird lediglich die bei Fälligkeit billigste Anleihe (Anleihe l) gegen den Future geliefert, und der Ausübungswert ergibt sich als Liefergewinn aus der Lieferung der Anleihe l statt j. Wird die kontinuierliche Rollover-Strategie verfolgt, so werden auch zwischen diesen beiden Zeitpunkten profitable Umschichtungen des Portefeuilles vorgenommen, sobald sich die Möglichkeit dazu bietet. Aus der ex ante ermittelten Optionsprämie und dem sich ex post ergebenden Ausübungswert kann dann der Ausübungsgewinn berechnet werden.

Diese Arbeit untersucht ausschließlich die Lieferoption bezüglich der zu liefernden Anleihe (Quality Option), da sie die einzige Lieferoption im Bund-Future ist. Weitere Lieferoptionen, wie die Wild-Card-Option[3], die End-of-the-Month-Option[4] oder die Timing- (Accured-Interest-) Option[5], sind nicht im Bund-Future enthalten.

Die vorliegende Arbeit ist wie folgt gegliedert: In Kapitel 2 wird der Bund-Future näher vorgestellt, die Lieferoption von der theoretischen Seite aus betrachtet und die Preisbildung anhand der Cash-and-Carry-Arbitrage erläutert. Im Mittelpunkt des Kapitels 3 steht der Preisfaktor der DTB, der, wie gezeigt wird, durch seine Ausgestaltung der Lieferoption erst einen Wert verschafft. Ein theoretisches Konzept zur Bewertung der Lieferoption wird in Kapitel 4 erarbeitet, worauf in Kapitel 5 die Ergebnisse der empirischen Untersuchung für die impliziten Optionsprämien und die beiden Varianten des Ausübungswertes vorgestellt, diskutiert und mit ähnlichen Untersuchungen verglichen werden. Kapitel 6 enthält abschließende Bemerkungen und faßt die Ergebnisse zusammen.

2 Der DTB-Bund-Future

Der Bund-Future wird seit dem 23. November 1990 an der DTB gehandelt.[6] Im Jahre 1997 wurden durchschnittlich 125.854 Kontrakte (1996: 65.987) geschlossen, was bei einem Kontraktwert von 250.000 DM einem täglichen Volumen von ca. 31,5 Mrd. DM entspricht. Damit war der Bund-Future 1997 der „am meisten gehandelte Zinsterminkontrakt an der DTB.“[7] Im Jahre 1998 setzte der DTB-Bund-Future seine Erfolgsgeschichte fort. Darstellung 1 zeigt die Ent­wicklung der abgeschlossenen Kontrakte und den Marktanteil der DTB am Bund-Future.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellung 1: Die Entwicklung des Bund-Futures an der DTB

Quelle: Deutsche Börse AG

Der Bund-Future ist in die Gattung der unbedingten Termingeschäfte einzuordnen. Ein Future unterscheidet sich von einem Forward durch das tägliche Marking to Market, bei dem die Gewinne und Verluste börsentäglich berechnet und den Kontraktpartnern gutgeschrieben bzw. belastet werden (Variation Margin).[8]

Dieses Kapitel erläutert zunächst die Kontraktmerkmale des DTB-Bund-Futures sowie das Verfahren bei Lieferung der Anleihe. Anschließend wird die theoretische Begründung der Lieferoption aufgegriffen. Nach der Vorstellung des Preisfaktorsystems der DTB wird die Preisbildung anhand der Cash-and-Carry-Arbitrage beschrieben.

2.1 Kontraktmerkmale und Liefervorgang

Der Käufer (long) eines Bund-Futures verpflichtet sich, am Liefertag den Basiswert gegen Zahlung des Futurepreises abzunehmen. Der Verkäufer (short) verpflichtet sich, am Liefertag den Basiswert gegen Erhalt des Futurepreises zu liefern.[9]

Der Basiswert oder Notional Bond ist eine fiktive langfristige Schuldverschreibung des Bundes oder der Treuhandanstalt mit zehnjähriger Laufzeit und einem Zinssatz von sechs Prozent.[10]

Zur Erfüllung kann der Verkäufer eines Bund-Futures de facto aus der Menge der lieferbaren Anleihen (Lieferkorb) auswählen. Damit eine Anleihe lieferbar ist, muß sie mehrere Bedingungen erfüllen: Es muß sich erstens entweder um eine Bundesanleihe oder aber um eine börsennotierte, von der Bundesrepublik Deutschland uneingeschränkt und unmittelbar garantierte Schuldverschreibung der Treuhand­anstalt handeln. Bis einschließlich 10.09.1997 mußte die Anleihe zweitens am Liefertag eine Restlaufzeit von achteinhalb bis zehn Jahren aufweisen.[11] Seit dem Verfall im Dezember 1997 muß die Restlaufzeit im Bereich zwischen achteinhalb und zehneinhalb Jahren liegen.[12] Drittens muß die Anleihe am letzten Handelstag notiert sein, um am Liefertag geliefert werden zu können, und viertens muß es sich um eine Anleihe mit festem Kupon handeln. Eine theoretische Begründung für die Lieferoption soll in Kapitel 2.2 erfolgen.

Der Kontraktwert beträgt 250.000 DM, d.h. der Verkäufer eines Bund-Futures hat am Liefertag Anleihen im Nennwert von 250.000 DM zu liefern.[13]

Die Quotierung erfolgt in Prozent pro 100 DM Nominalwert und wird auf zwei Stellen genau berechnet.[14] Damit ist die kleinste Preisveränderung (Tick Size) auf 0,01 festgelegt, was einem Wert von 25 DM (Tickwert) entspricht.[15]

Liefermonate sind der März, Juni, September und Dezember. An der DTB sind jedoch nur Kontrakte auf die nächsten drei Liefermonate verfügbar. So sind beispielsweise am letzten Handelstag im März die Bund-Futures mit den Liefermonaten März, Juni und September handelbar. Ab dem nächsten Börsentag können dann die Laufzeiten Juni, September und Dezember gehandelt werden. Die maximale Laufzeit eines DTB-Bund-Futures beträgt somit neun Monate.[16]Liefertag ist der 10. Kalendertag des Liefermonats.“[17] Ist dieser Tag kein Börsentag - wobei als Börsentage grundsätzlich die Handelstage der Frankfurter Wertpapierbörse gelten und Ausnahmen extra bekanntgegeben werden - so ist der nächstfolgende Börsentag der Liefertag.[18]

„Der letzte Handelstag eines DTB-Bund-Futures ist immer der zweite Börsentag vor dem jeweiligen Liefertag. Handelsschluß ist 12.30 Uhr des letzten Handelstages.“[19] Hat der Verkäufer zu diesem Zeitpunkt noch Kontrakte des fälligen Liefermonats offen, so muß er der DTB bis zum Ende der Post Trading Periode[20] anzeigen, welche Anleihen er liefern möchte (Lieferanzeige).[21]

Der tägliche Abrechnungspreis bildet die Grundlage für das Marking to Market. „Als täglicher Abrechnungspreis gilt der Durchschnitt der Preise innerhalb der letzten Minute der Handelszeit eines Börsentages.“[22] Sollten in der letzten Handelsminute weniger als fünf Abschlüsse zustande gekommen sein, so wird der Durchschnitt aus den letzten fünf Abschlüssen gebildet.[23] Die täglichen Gutschriften bzw. Belastungen (Variation Margin) errechnen sich aus der Anzahl der offenen Kontrakte, der Kursänderung in Ticks und dem Tickwert:[24]

Gleichung 1

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Beispiel: Ein Investor ist am 18. Mai 1998 fünf Juni-Bund-Futures short, d.h. er hat fünf Bund-Futures - fällig im Juni - leerverkauft. Der tägliche Abrechnungspreis wird am 18. Mai mit 106,82 festgestellt. Am Vortag betrug der tägliche Abrechnungspreis 106,71. Der Investor bekommt somit am 18. Mai 1998 (5 · 11 · 25 DM =) 1.375 DM seinem Konto belastet.

Wurde ein Kontrakt am selben Tag abgeschlossen, so errechnet sich die Kursänderung aus dem vereinbarten Futurepreis und dem Abrechnungspreis.

Der tägliche Abrechnungspreis am letzten Handelstag heißt Schlußabrechnungspreis oder Exchange Delivery Settlement Price (EDSP)[25] und wird um 12.30 Uhr ermittelt[26]. Er bildet sowohl die Grundlage für die Berechnung der Variation Margin diesen Tages als auch für die Vergütung, die der Lieferant der Anleihe erhält.[27] Die DTB berechnet für jede lieferbare Anleihe einen Preisfaktor (PF), welcher die sich in Restlaufzeit und Kupon unterscheidenden Anleihen vergleichbar machen soll.[28] Der Rechnungsbetrag für den Verkäufer eines Bund-Futures ergibt sich als:[29]

Gleichung 2

[AB1] Rechnungsbetrag = (EDSP · PF · 2.500 DM) + Stückzinsen

Der EDSP wird mit dem Preisfaktor der Anleihe multipliziert, die der Verkäufer des Futures liefert. Da sich der EDSP auf 100 DM nominal und der Preisfaktor sich auf 1 DM Nennwert bezieht, ist das Produkt daraus noch mit 2.500 DM zu multiplizieren, damit der Kontraktwert von 250.000 DM erreicht wird.[30] „Zusätzlich werden die vollen bis zum Liefertag angefallenen Stückzinsen mit berücksichtigt, da diese noch dem Verkäufer [des Futures] zustehen.“[31] Die Berechnung der Stückzinsen erfolgt nach der Vorschrift

Gleichung 3

[AB2] Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten,

wobei als Tage alle Zinstage exklusive des Liefertages gelten. Der Monat wird dabei mit 30 Tagen und das Jahr mit 360 Tagen angenommen.[32]

Von den Kontraktpartnern sind Sicherheitsleistungen (Margins) einzuschießen, welche die DTB nach dem Verfahren des Risk-Based-Margining berechnet.[33] Kann ein Bör­sen­teilnehmer die von ihm geforderten Einschüsse (bzw. im Verlustfall auch Nachschüsse) nicht leisten, wird seine Position von der DTB geschlossen bzw. glattgestellt.

Am letzten Handelstag (Notification Day) zeigen die Marktteilnehmer mit offenen Short-Positionen der Clearing-Stelle an, welche Anleihen sie liefern wollen. Im Allocation Process, der nächtlichen Datenverarbeitung im Anschluß an den letzten Handelstag, werden die zur Lieferung angezeigten Anleihen den offenen Long-Positionen per Zufallsverfahren zugeordnet. Den Clearing-Mitgliedern wer­den die Informationen aus dem Zuordnungsverfahren und die entsprechenden Rechnungsbeträge am ersten Börsentag nach dem letzten Handelstag zur Verfügung gestellt. Die tatsächliche Lieferung erfolgt am zweiten Börsentag nach dem letzten Handelstag.[34]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellung 2: Der Liefervorgang an der DTB

Quelle: Deutsche Börse AG

Damit benötigt die DTB zur Abwicklung der Lieferung einen Börsentag weniger als die London International Financial Futures and Options Exchange (LIFFE).[35]

2.2 Zweck und Konsequenzen der Lieferoption

Beim Design eines Future-Kontraktes bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die Erfüllung zu regeln: Durch Differenzausgleich oder durch physische Lieferung eines entsprechenden Titels. Es soll nun kurz dargestellt werden, wieso man sich beim Bund-Future für die physische Lieferung entschieden hat und welche Konsequenzen daraus erwachsen.

2.2.1 Futures ohne physische Lieferung

Kontrakte, bei denen keine physische Lieferung erfolgt, werden allein durch den Ausgleich der Differenz zwischen Schlußabrechnungspreis und vereinbartem Futurepreis (Cash-Settlement) erfüllt. Zumeist liegen ihnen breite Indizes zugrunde, was in mehrerer Hinsicht problematisch ist: Beim Hedging ist es relativ schwer, einem Future seinen Index gegenüber zu stellen. Auch die Bildung eines Index auf Anleihen per se ist problematisch, da sich der Kurs von Anleihen allein durch Zeitablauf ändert. In der Praxis werden Befürchtungen geäußert, der Future könnte die Anbindung an den Kassamarkt verlieren.

Wird dagegen die physische Belieferung zugelassen, so ist es relativ einfach, eine einzelne Anleihe gegen einen Future zu stellen, um sich so gegen Veränderungen des Anleihekurses zu hedgen. Auch bei zahlreichen anderen bedeutenden Futures besteht deshalb zumindest die Möglichkeit der physischen Lieferung, wenn dies nicht sogar vorgeschrieben ist.[36] Dies zeigt, daß die Marktteilnehmer an das Kontraktmerkmal der physischen Lieferung gewöhnt sind und es auch akzeptieren.

2.2.2 Futures mit physischer Lieferung

Entscheidet man sich, bei einem Future die physische Lieferung zur Erfüllung der Verbindlichkeit zuzulassen, so sind zwei Möglichkeiten denkbar: Entweder ist genau eine Anleihe zu liefern oder es sind mehrere lieferbare Anleihen in einem Lieferkorb zusammengefaßt. Im letzten Fall hat der Verkäufer des Futures eine Lieferoption.

Für den Lieferkorb und die damit verbundene Lieferoption spricht nach Manaster grundsätzlich eine Erweiterung der lieferbaren Anleihen. Je größer der Lieferkorb, desto geringer die Gefahr der künstlichen Verknappung der lieferbaren Anleihen. Diese als Squeezing the Short bekannte Mani­pulation der Märkte läuft grundsätzlich wie folgt ab: Der Manipulator stellt ein Portefeuille aus gekauften Futures und lieferbaren Anleihen zusammen, wobei jeweils der Großteil der am Markt verfügbaren Instrumente erworben wird. Die Anzahl der Futures long muß die Zahl der nicht im Eigentum befindlichen lieferbaren Anleihen übersteigen, damit sich der nötige Kaufdruck (bezüglich der lieferbaren Anleihen) auf den Verkäufer eines Futures einstellt.

Die Manipulation ist erfolgreich, wenn der Short entweder kurz vor dem Liefertag bei dem Manipulator die lieferbaren Anleihen zu überhöhten Preisen erwerben oder den Kontrakt zu dem ebenfalls überhöhten Futurepreis glattstellen muß.

Allerdings ist diese Strategie riskant, denn nach Lieferung fällt der Anleihekurs wieder auf sein normales Niveau zurück, wodurch der Manipulator die Differenz zwischen dem erhöhten Lieferpreis und dem nicht manipulierten Gleichgewichtspreis verliert.[37] Ein weiteres Risiko besteht darin, daß der Verkäufer die lieferbaren Anleihen bei einem Dritten erwerben kann.

Eine Ausweitung der lieferbaren Anleihen durch die Einführung einer Lieferoption macht ein Squeezing the Short aufwendiger, riskanter und damit unwahrscheinlicher.[38]

Nachteilig ist die durch die Lieferoption verminderte Hed­ging-Effektivität des Futures.[39] Möchte sich beispielsweise ein Marktteilnehmer gegen steigende Kurse einer leerverkauften Anleihe absichern, so findet er in einem Future long auf seine Anleihe ein optimales Instrument, wenn mit dem Future keine Lieferoption verbunden ist.[40] Am Verfallstag werden Kassakurs (KT) und Abrechnungspreis des Futures (FT) identisch sein, da andernfalls Arbitrage möglich wäre.[41]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellung 3: Perfekte Absicherung einer leerverkauften Anleihe durch einen Future ohne Lieferoption

Enthält der Future eine Lieferoption seitens des Verkäufers, so ist die Konvergenz von Schlußabrechnungspreis und Kassakurs der abzusichernden Anleihe nicht unbedingt gegeben. Wie in Kapitel 3.1 gezeigt wird, ist lediglich die Konvergenz gegen den Kassakurs einer vorher nicht bekannten Anleihe gewährleistet. Somit entsteht dem Marktteilnehmer infolge der nicht vollständigen Korrelation von Anleihekurs und Futurepreis am Verfallstag ein Risiko.

Auf der anderen Seite führt die Existenz einer Lieferoption zu variableren Einsatzmöglichkeiten des Futures: Nicht nur eine bestimmte Anleihe kann abgesichert werden, sondern jede im Lieferkorb befindliche Anleihe. Dadurch wird die Liquidität, die für viele Futures auf verschiedene Anleihen bereitsteht, auf einen einzigen Future konzentriert.[42] Für die Marktteilnehmer ist in der Realität der Zugewinn an Liquidität wichtiger als der Verlust an Effizienz beim Hedging.[43]

Der Wert der Lieferoption kommt in einem geringeren Futurepreis zum Ausdruck. Während bei einem Future ohne Lieferoption der Käufer sich bezüglich der zu liefernden Anleihe sicher ist, kann der Verkäufer eines Futures mit Lieferoption unter mehreren Anleihen wählen. Diese Flexibilität (Chance) des Verkäufers wird dieser zu seinem Vorteil nutzen, weshalb der Käufer einen Abschlag vom alternativen vereinbarten Preis vornehmen wird.

Diese Überlegung wird bei Chance/Hemler präzisiert: Ist der Wert der Lieferoption positiv, so muß der Preis eines Futures mit Lieferoption (FmL) niedriger sein als der Preis eines sonst identischen Futures ohne Lieferoption (FoL). Dabei sei angenommen, daß die dem letzteren Future zugrundeliegende Anleihe auch im Lieferkorb des ersten Futures enthalten ist. Hat die Lieferoption einen (positiven) Wert, so gilt FoL > FmL. Ist die Lieferoption wertlos, so gilt FoL = FmL.

Zur Begründung sollen folgende Arbitrageüberlegungen angestellt werden: Wenn FoL < FmL gilt, so ist es möglich, heute den Future mit Lieferoption zu verkaufen und den Future ohne Lieferoption zu kaufen. Die Zahlungskonsequenz heute ist null, da beide Kontrakte Termingeschäfte sind. Zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Futures wird die vom einen Kontraktpartner gelieferte Anleihe einfach an den anderen Kontraktpartner weitergeleitet. Dies ist möglich, weil der Future mit Lieferoption verkauft wurde, und sich die Lieferoption in der Hand des Arbitrageurs befindet. Die posi­tive Differenz der beiden Futurepreise (FmL - FoL) verbleibt als Arbitragegewinn beim Arbitrageur. In arbitragefreien Märkten ist daher FoL < FmL nicht denkbar.

Ist es für den Verkäufer des Futures mit Lieferoption immer optimal, die Anleihe zu liefern, die auch dem Future ohne Lieferoption zugrunde liegt, so ist die Lieferoption ökonomisch wertlos. Es muß dann FoL = FmL gelten.

Damit hat die Lieferoption genau dann einen (positiven) Wert, wenn der Preis des Futures mit Lieferoption unter dem Preis des Futures ohne Lieferoption liegt.[44]

2.2.3 Notwendigkeit von Preisfaktoren

Wenn die Entscheidung beim Kontraktdesign für eine Lieferoption fällt, so kommt es in der Regel dazu, daß bei Verfall des Futures eine andere Anleihe (Anleihe i) geliefert wird, als diesem eigentlich zugrunde liegt. In diesem Fall ist der Kontrakt anzupassen, wobei grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Verfügung stehen: Die Anpassung über die Anzahl der zu liefernden Anleihen i und die Anpassung der Vergütung für die gelieferte Anleihe i.

Wählt man die Anpassung über die Anzahl, so müssen für einen Notional Bond KNB/Ki Einheiten der Anleihe i geliefert werden.[45] KNB steht für den Kurs des Notional Bond und Ki für den Kurs der Anleihe i. Der Käufer des Bund-Futures erhält damit zwar keinen Notional Bond, aber er bekommt Anleihen in dessen Wert geliefert. Das Verhältnis von Kurs des Notional Bond zum Kurs der lieferbaren Anleihe entspricht (unter Einschränkungen) dem Kehrwert des Preisfaktors.[46] Damit gibt der reziproke Preisfaktor die „wertgleiche Anzahl der entsprechenden lieferbaren Titel an, die zur Lieferung einer Einheit des Notional Bond [...] benötigt wird.“[47] Diese Art der Anpassung ist jedoch problematisch, da Anleihen in der Realität nicht beliebig teilbar sind.

Bei der Anpassung über die Vergütung besteht dieses Problem nicht. Dabei erhält der Verkäufer eines Bund-Futures bei Lieferung einer anderen Anleihe (Anleihe i) statt des Notional Bond einen angepaßten Preis. Der vereinbarte Futurepreis wird mit Ki/KNB multipliziert und er bekommt seine gelieferte Anleihe so mit dem aktuellen Marktpreis vergütet. Ki/KNB entspricht (unter Einschränkungen) dem Preisfaktor, der damit angibt, „wieviel DM Nominalbetrag der fiktiven Anleihe [...] gleichwertig zu nominal einer Mark der lieferbaren Anleihe sein soll.“[48]

Die erwähnten Einschränkungen folgen aus den Interessen der Marktteilnehmer, die sich gegen Zinsrisiken hedgen möchten. Sie müssen im voraus wissen, wieviel Bund-Futures zur Absicherung ihrer riskanten Position nötig sind. Dies wird dadurch gelöst, daß man die Kurse Ki und KNB unter einer fiktiven und im voraus festgelegten Zins­struktur­kurve berechnet. Dabei hat man sich für eine flache Zinsstrukturkurve von 6 Prozent entschieden - mit der Folge, daß KNB immer gleich 100 DM (pro 100 DM Nennwert) ist.[49] Stimmt diese Annahme nicht mit der Realität überein, so wird durch den Preisfaktor keine perfekte Anpassung vorgenommen, und das Hedging wird riskant.[50]

Der Preisfaktor hat auch die Aufgabe zu verhindern, daß der Lieferkorb ökonomisch auf eine oder wenige Anleihen reduziert wird. Ohne Preisfaktor wird am Liefertag die Anleihe mit dem geringsten Kassakurs gegen den Future geliefert. Liegt ihr Kassakurs deutlich unter dem Kassakurs der zweitbilligsten Anleihe, so reduziert sich der Lieferkorb de facto auf diese billigste Anleihe. Dies ist unter anderem deshalb problematisch, weil jetzt ein Short-Squeeze (zumindest in Bandbreiten) möglich wird[51], was eigentlich mit Einführung einer Lieferoption verhindert werden sollte. Diese Problematik wird in Kapitel 3 aufgegriffen.

2.3 Der Preisfaktor der DTB

Die DTB berechnet für jede Anleihe einen Preisfaktor, mit dem der EDSP bei Lieferung genau dieser Anleihe multipliziert wird. Er ist definiert als:[52]

Gleichung 4

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der so ermittelte Preisfaktor ist schon vor Fälligkeit des Bund-Futures bekannt und nicht unsicher oder gar zufällig. Ferner ist er während eines Lieferquartals konstant.

Die DTB bedient sich der Formel

Gleichung 5

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

mit f als Anzahl der vollen Monate bis zum nächsten Kupontermin geteilt durch zwölf und n als Restlaufzeit in ganzen Jahren.[53] Für f=0 gilt f=1 und n=n-1.[54] Der Kupon der lieferbaren Anleihe wird mit c bezeichnet.[55]

Der Preisfaktor setzt den Wert der gelieferten Anleihe zum Wert des Notional Bond ins Verhältnis. Demnach erhalten Anleihen mit einem Kupon über 6 Prozent einen Preisfaktor über eins, Anleihen mit einer Nominalverzinsung unter 6 Prozent einen Preisfaktor kleiner eins.[56]

Bei der Berechnung des Preisfaktors geht die DTB, unabhängig von der herrschenden Zinsstruktur, von einer flachen Zinsstrukturkurve bei 6 Prozent aus, wodurch sich bei einer in der Realität abweichenden Zinsstruktur systematische Verzerrungen ergeben.[57]

2.4 Preisbildung durch Cash-and-Carry-Arbitrage

Der Kassakurs und der Terminpreis für Bundesanleihen sind über den Bund-Future eng aneinander gekoppelt. Weicht der Futurepreis zu stark noch oben oder unten ab, so bringt ihn Arbitrage wieder in das Gleichgewicht.[58]

Für die folgenden Betrachtungen gelten die Annahmen:

a) Kapitalmärkte sind perfekt und friktionslos,[59]
b) die Summe der Variation Margins wird erst im Fälligkeitszeitpunkt zahlungswirksam, wodurch das Marking to Market keinen Einfluß auf die Preisbildung bei Forward und Future hat,[60]
c) die Finanzinstrumente sind beliebig teilbar und verfügbar.

i Index der lieferbaren Anleihen

t Zeitindex; 0 £ t £ T

T Zeitpunkt der Fälligkeit des Bund-Futures

tc Zeitpunkt der Kuponzahlung; 0 < tc £ T

F(t1,t2) Preis eines Futures in t1, der in t2 verfällt

ci Kupon der Anleihe i in Prozent vom Nennwert

ct,i Stückzinsen der Anleihe i im Zeitpunkt t

Kt,i Fairer Kurs der Anleihe i im Zeitpunkt t

PFi Preisfaktor der DTB für die Anleihe i

Die Zinsstrukturkurve sei, ohne Beschränkung der Allgemeinheit, flach bei r.

In einem ersten Schritt wird der Fall genau einer lieferbaren Anleihe betrachtet. Danach werden die gewonnenen Erkenntnisse auf den Fall mehrerer lieferbarer Anleihen angewandt. Im dritten Schritt folgt die Betrachtung der Kursdifferenz zwischen Kassakurs der Anleihe und Futurepreis, der sogenannten Basis.

2.4.1 Genau eine lieferbare Anleihe

Steht nur eine einzige lieferbare Anleihe (dies sei die Anleihe j) zur Verfügung, so hat der Verkäufer eines Bund-Futures de facto keine Lieferoption mehr. Der faire Futurepreis kann über folgende Arbitrageüberlegungen ermittelt werden:[61]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten0

Darstellung 4: Arbitragetableau zur Bestimmung des fairen Preises eines Futures ohne Liefer­option

Nach der in Darstellung 4 abgebildeten Strategie wird in t=0 eine Anleihe j gekauft und zum Zinssatz r finanziert. Die Kuponzahlung in tc wird für die Zeit T-tc zum Zinssatz r angelegt. Auf der anderen Seite werden PFj Einheiten des Futures zum Preis F(0,T) leerverkauft. Da jedoch zur Lieferung der gekauften Anleihe in T genau ein Future short nötig ist, werden kurz vor Handelsschluß so viele Futures gekauft (PFj > 1) bzw. verkauft (PFj < 1), daß das Portefeuille bei Handelsschluß genau einen Future short aufweist.[62] Die Variation Margins für PFj Einheiten des Futures fallen annahmegemäß in T an und betragen PFj · [F(0,T) - EDSP]. Der Rechnungsbetrag für den einen verbleibenden Future short ergibt sich als PFj · EDSP + CT,j, der Wert der gelieferten Anleihe beträgt KT,j + cT,j.

Da diese Strategie weder in t=0 noch in tc zu einer Aus­­­zahlung führt, darf die Summe der Zahlungen in T nicht positiv sein. Setzt man diese Summe gleich null, so ergibt sich der faire Preis des betrachteten Futures als[63]

Gleichung 6

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Überschreitet der tatsächlich beobachtete Futurepreis diesen fairen Futurepreis, so kann durch die oben beschriebene Cash-and-Carry-Long-Arbitrage ein sicherer Gewinn erzielt werden.

Liegt der beobachtete Futurepreis darunter, so führt die Umkehrung der Strategie zu einem Arbitragegewinn (Cash-and-Carry-Short-Arbitrage). Hierfür ist die Annahme, daß nur eine lieferbare Anleihe existiert, zentral.[64]

Alternativ zum obigen Vorgehen, bei dem der Preis des Futures die Variable und die Zinssätze gegeben waren, kann man auch bei gegebenem Futurepreis die impliziten Kosten bzw. Erträge aus dem Halten der Anleihe errechnen. Diese Implied Repo Rate (IRR) ist der Zinssatz, der den Futurepreis bei gegebenen Anleihekursen erklärt und läßt sich bei der Long-Arbitrage wie folgt bestimmen: Der Zahlungsüberschuß der Arbitragestrategie ohne Berücksichtigung von Finanzierungskosten setzt sich zusammen aus dem Rechnungsbetrag (PFj · F(0,T) + cT,j), dem Kupon (cj) und dem Kaufpreis der Anleihe (K0,j + c0,j). Der Kapitaleinsatz beträgt ebenfalls K0,j + c0,j. Die IRR ist der Effektivzins, den der Investor erhält, wenn er die Anleihe in t=0 am Kassamarkt erwirbt und in T gegen den Future liefert.[65]

Gleichung 7

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Kann sich der Arbitrageur günstiger als die IRR verschulden, so kann er die Cash-and-Carry-Long-Arbitrage durchführen.

2.4.2 Mehrere lieferbare Anleihen

Im Falle mehrerer lieferbarer Anleihen wird sich der Verkäufer des Futures zur Lieferung der Anleihe entscheiden, die für ihn am günstigsten ist. Diese Anleihe heißt Cheapest-to-Deliver-Anleihe (CTD)[66] und sei hier mit dem Index j bezeichnet.

Liegt der beobachtete Futurepreis nun über dem fairen Futurepreis aus Gleichung 6, so kann die oben[67] dargestellte Strategie zur Erzielung von Arbitragegewinnen verwandt werden. Dies liegt darin begründet, daß der Arbitrageur in diesem Fall den Future verkauft und selbst das Recht der Auswahl der zu liefernden Anleihe hat. Damit ist der Arbitrageur der aktive und der Käufer des Futures der passive Teil.

Liegt der Preis des Bund-Futures unter dem fairen Futurepreis, so kommt die Cash-and-Carry-Short-Arbitrage in Frage. Zu beachten ist hierbei, daß der Arbitrageur den Future kaufen muß, und er so Stillhalter der Lieferoption wird. Er weiß nicht, welche Anleihe ihm am Liefertag aus dem Future geliefert werden wird. „This could have a major impact upon the profitability of the arbitrage.“[68]

Die arbitragefreie untere Schranke für den Bund-Future im Falle mehrerer lieferbarer Anleihen ergibt sich als[69]

Gleichung 8

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2.4.3 Klassifizierung der Basis

Die Differenz zwischen Futurepreis und Kassakurs der CTD wird als Basis bezeichnet. Sie kann, entsprechend den Einflußfaktoren, weiter in die Carry-Basis und in die Value-Basis zerlegt werden.[70]

Die Carry-Basis geht auf die Cost of Carry oder Nettofinanzierungskosten zurück. Sie stellen sich als Differenz von Haltekosten der Anleihe (z.B. Finanzierungskosten) und Halteerträgen (z.B. Stückzinsertrag) dar.[71] Positive Cost of Carry entstehen, wenn der Quotient aus Stückzinsertrag und Anleihekurs kleiner ist als der entsprechende Zinssatz[72], d.h. wenn die Haltekosten die Halteerträge übersteigen. Negative Nettofinanzierungskosten entstehen analog, wenn die Rendite aus dem Wertpapier die Finanzierungskosten über­steigt.

In der Value-Basis wird der Teil der Basis erfaßt, der nicht durch die Cost of Carry erklärt werden kann, z.B. Marktliquidität, Erwartungen der Marktteilnehmer und Tagesereignisse. Damit kommt in der Value-Basis die „Differenz zwischen dem aktuellen und dem theoretischen Kurs des Futures“[73] zum Ausdruck.

Der Preisabschlag aufgrund der Lieferoption wird dadurch, ebenso wie Marktverwerfungen, in der Value-Basis erfaßt.

3 Analyse und Kritik des Preisfaktors der DTB

In diesem Kapitel wird gezeigt, daß nicht der Notional Bond, sondern die jeweilige CTD den Preis des Bund-Futures bestimmt. Es werden die Determinanten der CTD vorgestellt und ein alternativer Preisfaktor hergeleitet, der keine CTD-Problematik hervorruft. Das Kapitel schließt mit exemplarischen Vergleichen der beiden Preisfaktorsysteme, wobei auch jeweils auf die Determinanten der CTD eingegangen wird.

3.1 Die CTD und der Futurepreis

Zu Beginn des Betrachtungszeitraums (t=0) läßt sich der arbitragefreie Preis eines Forwards auf die Anleihe i als

Gleichung 9

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

schreiben, wobei die Subtraktion der von tc nach T aufgezinsten Kuponzahlung nur im Falle einer Zahlung während der Laufzeit des Forwards erfolgt.[74]

Der Preisfaktor der DTB soll einen Ausgleich schaffen, wenn der Kupon der lieferbaren Anleihe über oder unter 6 Prozent liegt.[75] Der Grund liegt darin, daß selbst für Anleihen identischer Laufzeit, identischer Rendite bis Fälligkeit (Yield to Maturity) aber unterschiedlichen Kupons unterschiedliche Preise gezahlt werden. Übersteigt der Kupon der Anleihe i bei gleicher Restlaufzeit und Rendite wie der Notional Bond 6 Prozent, so notiert die Anleihe i über dessen Kurs.[76] Darstellung 5 zeigt dies für den Fall, daß der Betrachtungszeitpunkt ein Kupontermin ist. Die Yield to Maturity beträgt bei beiden Anleihen 6 Prozent.

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Darstellung 5: Unterschiedliche Anleihekurse trotz identischer Rendite und Restlaufzeit

Der Preisfaktor der DTB unterstellt unabhängig von der tatsächlichen Zinsstrukturkurve eine flache Zins­struktur von 6 Prozent bzw. eine interne Verzinsung der lieferbaren Anleihe und des Notional Bond von 6 Prozent.[77]

Zunächst gilt es nun, die CTD am Liefertag (T) zu identifizieren: Da der Verkäufer bei Lieferung der Anleihe i vom Käufer den Rechnungsbetrag (PFi · EDSP + cT,i) erhält und er die Anleihe i nebst Stückzinsen (KT,i + cT,i) liefern muß, läßt sich sein Liefererfolg wie folgt berechnen:

Gleichung 10

Liefererfolg Anleihe i = PFi · EDSP + cT,i - (KT,i + cT,i)

= PFi · EDSP - KT,i

Die für den Verkäufer günstigste zu liefernde Anleihe ist diejenige, die seinen Liefergewinn maximiert bzw. seinen

[...]


[1] Seit dem 18.06.1998 heißt die DTB „Eurex Deutschland“ (vgl. o. V. (1998a)).

[2] Vgl. Deutsche Börse AG (1998a), S. 5.

[3] Vgl. Stickland (1992), S. 87; Kolb (1991), S. 353-356; Hedge (1990), S. 743; Duffie (1989), S. 325 f; Hedge (1988), S. 471 f.

[4] Vgl. Chance/Hemler (1993), S. 127; Stickland (1992), S. 87; Kolb (1991), S. 357; Hedge (1990), S. 743; Duffie (1989), S. 325; Hedge (1988), S. 471.

[5] Vgl. Chance/Hemler (1993), S. 127; Stickland (1992), S. 86; Duffie (1989), S. 325.

[6] Vgl. Pscherer (1991), S. 776.

[7] Vgl. Deutsche Börse AG (1998a), S. 5.

[8] Vgl. Franke (1990), S. 46.

[9] Vgl. DTB (1992), S. 6.

[10] Vgl. Kirschner (1992a), S. 387; Kirschner (1992b), S. 648.

[11] Vgl. Deutsche Börse AG (1998a), S. 7; DTB (1992), S. 18; Kirsch­ner (1992a), S. 387; Kirschner (1992b), S. 648.

[12] Nach einem Schreiben der DTB vom 04.04.1997 an die Mitglieder der DTB Deutsche Terminbörse wurde am 01.04.1997 beschlossen, die notwendige Restlaufzeit auf achteinhalb bis zehneinhalb Jahre auszuweiten. Da für den Bund-Future mit Verfall im Juni und September bereits offene Positionen bestanden, fand die Änderung erstmals für den Dezember-Future Anwendung.

[13] Vgl. Deutsche Börse AG (1998a), S. 7.

[14] Vgl. DTB (1992), S. 18.

[15] Vgl. DTB (1992), S. 18. 250.000 DM / 100 * 0,01 = 25 DM.

[16] Vgl. DTB (1992), S. 19.

[17] Siehe DTB (1992), S. 19 [Hervorhebung nicht im Original].

[18] Vgl. DTB (1992), S. 19.

[19] Siehe DTB (1992), S. 19 [Hervorhebung nicht im Original].

[20] Die Post Trading Periode dauert von 19 Uhr bis 19.30 Uhr.

[21] Vgl. DTB (1992), S. 19.

[22] Siehe DTB (1992), S. 19.

[23] Vgl. DTB (1992), S. 19.

[24] Vgl. Hahn (1990), S. 24.

[25] Vgl. DTB (1992), S. 24.

[26] Vgl. Deutsche Börse AG (1998a), S. 8.

[27] Vgl. Franke (1990), S. 48.

[28] Vgl. Hahn (1995), S. 41.

[29] Vgl. DTB (1992), S. 25.

[30] Vgl. Deutsche Börse AG (1998a), S. 17; DTB (1992), S. 26.

[31] Siehe DTB (1992), S. 24.

[32] Vgl. DTB (1992), S. 25.

[33] Vgl. Deutsche Börse AG (1998a), S. 8; DTB (1992), S. 22 f.

[34] Vgl. DTB (1992), S. 27.

[35] Vgl. Hahn (1995), S. 36.

[36] Zum CBOT Treasury Bond Future vgl. Chance/Hemler (1993), S. 127; Hedge (1990), S. 743; Hemler (1990), S. 1567; Duffie (1989), S. 324-326; Hedge (1988), S. 470 f. Zum LIFFE Long Gilt Futures Contract vgl. Stickland (1992), S. 85. Zum LIFFE Bund-Future vgl. Franke (1990), S. 47 f.

[37] Das Problem des Manipulators, die Anleihen zu einem überhöhten Lieferpreis akzeptieren zu müssen, wird als „where do you bury the body?“ bezeichnet (vgl. Manaster (1992), S. 144).

[38] Zur Strategie des Squeezing the Short vgl. Manaster (1992), S. 143 f. Zu ähnlichen Strategien (Position Fraud und Ownership Fraud) vgl. Easterbrook (1986), S. 106 f. Beim Bund-Future mit Verfall im September 1998 ergibt sich durch den Überhang der Lieferverpflichtungen über die lieferbaren Anleihen eine dem Short-Squeeze vergleichbare Situation (vgl. o. V. (1998b); o. V. (1998c)).

[39] Vgl. Chance/Hemler (1993), S. 143; Manaster (1992), S. 145; Easterbrook (1986), S. 108.

[40] Von der Erhebung von Sicherheitsleistungen und vom täglichen Marking to Market sei hier abgesehen.

[41] Vgl. Darstellung 3.

[42] Vgl. Manaster (1992), S. 145.

[43] Vgl. Manaster (1992), S. 145.

[44] Vgl. Chance/Hemler (1993), S. 129 f.

[45] Es wird dabei vereinfachend angenommen, daß sich lieferbare Anleihen und Notional Bond im Nennwert entsprechen.

[46] Vgl. Gleichung 4.

[47] Siehe Kirschner (1992a), S. 387.

[48] Siehe Kirschner (1992a), S. 387.

[49] Zur Konstruktion des Preisfaktors für den LIFFE Long Gilt Futures Contract vgl. Stickland (1992), S. 88. Für den CBOT Treasury Bond Future vgl. Hedge (1990), S. 745. Für den LIFFE Bund-Future vgl. Hahn (1995), S. 41.

[50] Vgl. Kane/Marcus (1986), S. 231.

[51] Vgl. Manaster (1992), S. 146.

[52] Vgl. Kirschner (1992a), S. 387.

[53] Vgl. Deutsche Börse AG (1998a), S. 17 und die Herleitung in Anhang A dieser Arbeit.

[54] Vgl. Bonnländer (1995), S. 164; Hahn (1995), S. 41; Beiner/Mathes (1990), S. 451.

[55] Beträgt der Kupon 7%, so gilt c=7 (vgl. Hahn (1995), S. 41).

[56] Vgl. Bonnländer (1995), S. 165.

[57] Vgl. Kapitel 3 dieser Arbeit.

[58] Vgl. Hahn (1995), S. 38.

[59] Vgl. Hedge (1990), S. 744 f.

[60] Vgl. Hedge (1990), S. 744 f; Hedge (1988), S. 481.

[61] Vgl. Hahn (1995), S. 38-40.

[62] Hier sei angenommen, daß diese Transaktion zum EDSP erfolgt. Dies ist in der Praxis nicht möglich. Vgl. Hahn (1995), S. 41.

[63] Vgl. Bonnländer (1995), S. 167.

[64] Diese Annahme wird Kapitel 2.4.2 aufgehoben.

[65] Vgl. Fabozzi (1996), S. 487; Fitzgerald (1990), S. 117.

[66] Zur Bestimmung der CTD vgl. Kapitel 3.1 dieser Arbeit.

[67] Vgl. Kapitel 2.4.1.

[68] Siehe Fitzgerald (1990), S. 121.

[69] Vgl. Anhang B dieser Arbeit.

[70] Vgl. DTB (1992), S. 12; Beilner/Mathes (1990), S. 450.

[71] Vgl. Hahn (1995), S. 40.

[72] Vgl. DTB (1992), S. 12 f.

[73] Siehe Hahn (1995), S. 40.

[74] Vgl. Hedge (1988), S. 473. Vgl. auch Gleichung 6, wenn PFj = 1 und r durch den entsprechenden laufzeitkongruenten (Termin-) Zinssatz ersetzt wird.

[75] Vgl. DTB (1992), S. 24; Kirschner (1992b), S. 649.

[76] Vgl. Kirschner (1992b), S. 649.

[77] Vgl. Kirschner (1992a), S. 387; Kirschner (1992b), S. 649; Beiner/Mathes (1990), S. 451, wenn dort auch etwas anders dargestellt.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1998
ISBN (eBook)
9783832458782
ISBN (Paperback)
9783838658780
DOI
10.3239/9783832458782
Dateigröße
664 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Mannheim – Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2002 (September)
Note
1,3
Schlagworte
cheapest-to-deliver preisfaktor notional bond
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Titel: Implizite Bewertung der Lieferoption für den Bund-Future
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