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Ordnungspolitik in China

©2001 Seminararbeit 92 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Anfang des 21. Jahrhunderts erscheint China als ein Land, dessen Führung abgetaucht ist und offensichtlich Angst vor der eigenen Bevölkerung verspürt, dessen Wirtschaft unter Vollgas und unter Vollbremsung zugleich steht und dessen äusseres Erscheinungsbild vom Zwang dauernden Beschönigens und Wegretuschierens geprägt ist. Man sieht diese Entwicklung deutlich an der derzeitigen Währungsdiskussion, ob denn die chinesische Währung Remimbi (RMB) abgewertet werden soll oder nicht. Von offizieller chinesischer Seite wird eine Abwertung kategorisch ausgeschlossen, die Realität allerdings sieht anders aus – nur der Zeitpunkt der Abwertung ist noch ungewiss.
Offensichtlich hat man es bei der Volksrepublik immer noch mit einer Übergangsgesellschaft zu tun, in der die Revolution geht, die Tradition aber wieder kommt. Die grossen Rhythmen der chinesischen Geschichte haben gezeigt, dass auf jeden grossen Umbruchversuch, der zumeist 30 bis 40 Jahre in Anspruch zu nehmen pflegt, wieder eine Phase der Konsolidierung und vor allem der Rückbesinnung auf Stabilitätsmuster der Vergangenheit folgt.
Wie ein Blick auf die Entwicklungen seit 1978 nahelegt, sind Geschichte und Tradition in China auch nach den Erschütterungen der maoistischen Revolution keineswegs tot, sondern beginnen sich im Alltag auf subtile und auch auf subversive Weise erneut Geltung zu verschaffen. Auch der Konfuzianismus ist aktueller denn je, sei es, dass sich gewisse Formen der „Grossen Tradition“ wieder bemerkbar machen, sei es, dass vor allem der Metakonfuzianismus (Konfuzianismus des kleinen Mannes) zu kräftigem Leben erwacht ist.
Die chinesische Regierung versucht mit aller Kraft eine funktionsfähige Marktwirtschaft nach westlichem Vorbild zu errichten. Die derzeit stattfindenden Beitrittsverhandlungen zur World Trade Organisation (WTO) zeigen einerseits den Willen, China in die Weltwirtschaft einzubinden. Andererseits zeigt sich, wie schwer es den Machthabenden fällt, Zugeständnisse zu machen. Die politische Macht und Kontrolle der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) soll erhalten bleiben. Dies steht im Gegensatz zu den Freiheiten, die eine Marktwirtschaft mit sich bringt. Somit stellt sich um so nachdrücklicher die Frage, was für eine Gesellschaftsordnung bzw. Wirtschaftsordnung in diesem Staat derzeit eigentlich vorliegt und wer historisch die gedanklichen Väter des aktuellen Konstrukts sind.
Aufgabe dieser Arbeit ist es, die wichtigsten traditionellen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 5871
Fochler, Oliver: Ordnungspolitik in China
Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Zürich, Universität, Seminararbeit, 2001
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

II
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis... III
1. Einleitung ... 1
2. Traditionelle ordnungspolitische Denkrichtungen Chinas ... 3
3. Der Maoismus ... 11
4. Chinas aktuelle Wirtschaftsordnung... 22
5. Kritische Stellungnahme und Ausblick ... 66
Tabellenverzeichnis...VI
Abbildungsverzeichnis...VII
Abkürzungsverzeichnis...VIII
Anhang ... XVIII

III
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ... 1
1.1. Aktuelles... 1
1.2. Problemstellung... 1
1.3. Zielsetzung... 2
1.4. Aufbau... 2
2. Traditionelle ordnungspolitische Denkrichtungen Chinas ... 3
2.1. Der Konfuzianismus ... 3
2.2. Der Legalismus ... 5
2.3. Der Taoismus... 6
2.4. Vergleich der drei Denkrichtungen ... 8
3. Der Maoismus ... 11
3.1. Bezug zum Kommunismus... 13
3.1.1. Bezug zum Leninismus... 14
3.1.2. Bezug zum Stalinismus ... 15
3.2. Folgen für die chinesische Wirtschaftsordnung im Maoismus... 16
3.3. Gemeinsamkeiten zwischen dem Kommunismus und dem Maoismus ... 19
3.4. Unterschiede zwischen dem Kommunismus und dem Maoismus... 20
4. Chinas aktuelle Wirtschaftsordnung... 22
4.1. Positionierung auf der Idealebene... 22
4.2. Sozialistische Marktwirtschaft... 23
4.2.1. Definition von sozialistischer Marktwirtschaft... 24
4.2.2. Besonderheiten... 25
4.3. Vergleich mit den Benchmarks Marktwirtschaft und Sozialismus nach
Eucken`schen Kriterien ... 27
4.3.1. Funktionsfähiges Preissystem ... 29
4.3.1.1. Strategie der Reform des Preissystems ... 29
4.3.1.2. Folgen der Reform des Preissystems... 30
4.3.1.3. Beurteilung von Chinas Preissystem ... 30

IV
4.3.2. Geldwertstabilität ... 31
4.3.2.1. Reform von Chinas Finanzsystem ... 31
4.3.2.1.1. Chinas Zentralbank ... 33
4.3.2.1.2. Ausländische Banken ... 33
4.3.2.2. Probleme der Reform ... 33
4.3.2.3. Lösungsansatz 1999 ... 34
4.3.2.4. Beurteilung der Reformstrategie... 34
4.3.2.5. Beurteilung von Chinas Geldwertstabilität ... 38
4.3.3. Freier Marktzugang... 38
4.3.3.1. Wettbewerbspolitik der chinesischen Regierung... 39
4.3.3.2. Externe Perspektive ... 41
4.3.3.2.1. Ausländische Investitionsmöglichkeiten... 41
4.3.3.2.2. Bankbranche ... 44
4.3.3.2.3. Börse... 44
4.3.3.2.4. Aussenhandel... 45
4.3.3.3. Interne Perspektive ... 46
4.3.3.3.1. Telekomreform ... 47
4.3.3.3.2. Weitere Massnahmen zur Monopolbekämpfung... 47
4.3.3.4. Beurteilung von Chinas Marktzugang ... 48
4.3.4. Privateigentum... 48
4.3.4.1. Bedeutung des Privateigentums... 49
4.3.4.2. Bedeutung des Privatsektors... 50
4.3.4.3. Privatisierungsformen Chinas... 51
4.3.4.4. Beurteilung von Chinas Privateigentum... 52
4.3.5. Vertragsfreiheit ... 52
4.3.5.1. Gesetzlicher Rahmen für Verträge ... 53
4.3.5.2. Praxis bei Vertragsschlüssen in verschiedenen Bereichen... 54
4.3.5.2.1. Arbeitsverträge ... 54
4.3.5.2.2. Vertraglich gebundene Ankaufssysteme... 54
4.3.5.2.3. Pachtverträge ... 54
4.3.5.2.4. Know-How-Lizenzverträge... 55
4.3.5.2.5. Andere Bereiche... 55
4.3.5.3. Beurteilung von Chinas Vertragsfreiheit ... 56
4.3.6. Prinzip der vollen Haftung... 56
4.3.6.1. Gesetzlicher Rahmen für Konkurse... 56

V
4.3.6.1.1. Das Unternehmenskonkursgesetz... 57
4.3.6.1.2. Das Zivilprozessgesetz... 57
4.3.6.1.3. Das Gesellschaftsgesetz ... 57
4.3.6.2. Folgen des Konkursrechts... 58
4.3.6.3. Konsolidierung der Wirtschaft mit Hilfe des Konkursrechts... 59
4.3.6.3.1. GITIC-Konkurs als Warnsignal ... 59
4.3.6.3.2. Weitere staatlich angeordnete Konkurse ... 60
4.3.6.4. Verantwortungssysteme ... 61
4.3.6.5. Beurteilung vom Prinzip der vollen Haftung in China ... 62
4.3.7. Konstanz der Wirtschaftspolitik... 62
4.3.7.1. Wechsel der Wirtschaftsordnungen... 62
4.3.7.2. Rechtssicherheit... 63
4.3.7.2.1. Menschenrechte ... 63
4.3.7.2.2. Durchsetzbarkeit von Forderungen... 64
4.3.7.3. Beurteilung von Chinas Konstanz der Wirtschaftspolitik ... 65
5. Kritische Stellungnahme und Ausblick ... 66
Tabellenverzeichnis...VI
Abbildungsverzeichnis...VII
Abkürzungsverzeichnis...VIII
Anhang ... XVIII

1
1. Einleitung
1.1. Aktuelles
Anfang des 21. Jahrhunderts erscheint China als ein Land, dessen Führung
abgetaucht ist und offensichtlich Angst vor der eigenen Bevölkerung verspürt,
dessen Wirtschaft unter Vollgas und unter Vollbremsung zugleich steht und dessen
äusseres Erscheinungsbild vom Zwang dauernden Beschönigens und
Wegretuschierens geprägt ist. Man sieht diese Entwicklung deutlich an der
derzeitigen Währungsdiskussion, ob denn die chinesische Währung Remimbi (RMB)
abgewertet werden soll oder nicht. Von offizieller chinesischer Seite wird eine
Abwertung kategorisch ausgeschlossen, die Realität allerdings sieht anders aus - nur
der Zeitpunkt der Abwertung ist noch ungewiss.
Offensichtlich hat man es bei der Volksrepublik immer noch mit einer
Übergangsgesellschaft zu tun, in der die Revolution geht, die Tradition aber wieder
kommt. Die grossen Rhythmen der chinesischen Geschichte haben gezeigt, dass auf
jeden grossen Umbruchversuch, der zumeist 30 bis 40 Jahre in Anspruch zu nehmen
pflegt, wieder eine Phase der Konsolidierung und vor allem der Rückbesinnung auf
Stabilitätsmuster der Vergangenheit folgt.
Wie ein Blick auf die Entwicklungen seit 1978 nahelegt, sind Geschichte und
Tradition in China auch nach den Erschütterungen der maoistischen Revolution
keineswegs tot, sondern beginnen sich im Alltag auf subtile und auch auf subversive
Weise erneut Geltung zu verschaffen. Auch der Konfuzianismus ist aktueller denn je,
sei es, dass sich gewisse Formen der "Grossen Tradition" wieder bemerkbar
machen, sei es, dass vor allem der Metakonfuzianismus (Konfuzianismus des
kleinen Mannes) zu kräftigem Leben erwacht ist.
1.2. Problemstellung
Die chinesische Regierung versucht mit aller Kraft eine funktionsfähige
Marktwirtschaft nach westlichem Vorbild zu errichten. Die derzeit stattfindenden
Beitrittsverhandlungen zur World Trade Organisation (WTO) zeigen einerseits den
Willen, China in die Weltwirtschaft einzubinden. Andererseits zeigt sich, wie schwer
es den Machthabenden fällt, Zugeständnisse zu machen. Die politische Macht und
Kontrolle der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) soll erhalten bleiben. Dies
steht im Gegensatz zu den Freiheiten, die eine Marktwirtschaft mit sich bringt. Somit

2
stellt sich um so nachdrücklicher die Frage, was für eine Gesellschaftsordnung bzw.
Wirtschaftsordnung in diesem Staat derzeit eigentlich vorliegt und wer historisch die
gedanklichen Väter des aktuellen Konstrukts sind.
1.3. Zielsetzung
Aufgabe dieser Arbeit ist es, die wichtigsten traditionellen Denkrichtungen, aber auch
die modernere und praktizierte Ordnungspolitik von Mao (Maoismus) vorzustellen
und den Stand der aktuellen Wirtschaftsordnung zwischen den beiden Polen
Planwirtschaft und Marktwirtschaft anhand der konstituierenden Bedingungen für
eine marktwirtschaftliche Ordnung nach Walter Eucken zu beschreiben.
1.4. Aufbau
Im ersten Teil der Arbeit werden die drei wichtigsten traditionellen Denkrichtungen
Konfuzianismus, Legalismus und Taoismus vorgestellt. Dabei werden die
ordnungspolitisch relevanten Eigenschaften hervorgehoben und die Bedeutung für
das heutige China erläutert. Danach werden die drei Denkrichtungen miteinander
verglichen, um grundlegende Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufzuzeigen.
Im zweiten Teil wird die Philosophie des Maoismus vorgestellt. Dabei werden, wie im
ersten Teil, die ordnungspolitischen Merkmale hervorgehoben. Anschliessend wird
der Maoismus mit dem Kommunismus und dessen beiden russischen Spielarten,
dem Leninismus und dem Stalinismus, verglichen. Es werden Folgen für die
chinesische Wirtschaftsordnung im Maoismus dargestellt. Am Ende dieses
Abschnitts sollen Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede zwischen dem
Kommunismus und dem Maoismus aufgezeigt werden.
Im dritten und letzten Teil wird die derzeitige Wirtschaftsordnung Chinas untersucht.
Dabei soll gezeigt werden, wie sich die Wirtschaftsordnung auf der Idealebene
zwischen den beiden Polen Marktwirtschaft und Planwirtschaft positioniert. Danach
wird anhand der konstituierenden Bedingungen für eine marktwirtschaftliche
Ordnung nach Walter Eucken untersucht, wo die real existierende
Wirtschaftsordnung heute steht und inwiefern sie wettbewerbswirtschaftliche bzw.
zentralverwaltungswirtschaftliche Merkmale aufweist.

3
2. Traditionelle ordnungspolitische Denkrichtungen Chinas
Die drei wichtigsten traditionellen Denkrichtungen stellen Konfuzianismus,
Legalismus und Taoismus dar. Diese werden im folgenden vorgestellt und
schliesslich miteinander verglichen, um grundlegende Unterschiede und
Gemeinsamkeiten aufzuzeigen. Zuletzt wird jeweils kurz die aktuelle Bedeutung der
einzelnen Denkrichtungen für China erläutert.
2.1. Der Konfuzianismus
Der Begriff Konfuzianismus (rujia) wird häufig als Sammelbezeichnung für die Vielfalt
verschiedenster chinesischer Traditionen verwendet und bezieht sich auf Konfuzius
1
,
der 551-479 v. Chr. lebte. Unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten kann man den
Konfuzianismus als marktwirtschaftlich, wenn auch feudal geprägt, bezeichnen.
Die Ausrichtung auf ethische Standards ­ im chinesischen mit ,,li" bezeichnet - ist das
Grundprinzip der konfuzianischen Wirtschaftsordnung.
2
Konfuzius nennt den idealen
Menschen ,,Junzi". Er besitzt die Tugenden: ,,ren", was Mitmenschlichkeit, ,,yi", was
Gerechtigkeit, ,,li", was Sittlichkeit , ,,zhi", was Klugheit, ,,xin", was Verlässlichkeit,
,,zhong", was Loyalität und ,,xiao", was soviel wie Pietät bedeutet.
3
Somit wird das
Menschenbild des homo ethicus begründet.
Eine solide vertikale Ordnung der Gemeinschaft steht im Vordergrund. Vertikal
bedeutet in diesem Zusammenhang, ,,(...) dass die Beziehungen unter Aktoren, die
auf der gleichen Ebene agieren und interagieren nicht eigens regelbedürftig sind"
4
,
da dies als naturgegeben betrachtet wird. Es besteht eine Hirarchieordnung, bei der
der Herrscher Weisungen, Verantwortlichkeit und Fürsorge von oben nach unten
weitergibt und der Beherrschte Gehorsam, Respekt und Hingabe von unten nach
oben erweist. Horizontale Ordnungen ­ also Ordnungen unter Gleichgestellten, für
die Angebot und Nachfrage und der freiwillige Austausch von Leistung und
Gegenleistung kennzeichnend sind ­ gibt es nicht, nur solche, die eine Über- bzw.
Unterordnung beschreiben.
1
vgl. Anhang 1.
2
vgl. Binswanger (1997), S.7.
3
vgl. Gu (1999), S.133.
4
Kirsch/ Mackscheidt (1988), S.11.

4
Dem homo ethicus ist das egoistische Streben nach mehr Reichtum, das den homo
oeconomicus charakterisiert, untergeordnet. Letzteres wird jedoch nicht völlig
aufgegeben, da dabei ein Mass an Selbstverwirklichung des Individuums erreicht
werden kann. Besonderes Augenmerk gilt den Reichen in guter gesellschaftlicher
Position, die eine Vorbildfunktion haben und daher die Regeln besonders beachten
sollen. Willkürherrschaft, bei der dem Reich die Ordnung des Herrschenden
aufgedrängt wird, soll verhindert werden. Ferner gilt das Prinzip der Genügsamkeit,
das besagt: jeder soll mit seinem Status zufrieden sein und seinen Lebensstil diesem
anpassen. Sparsamkeit wird empfohlen. Wirtschaftlicher Erfolg bzw. Misserfolg ist
von den Naturkräften abhängig. Darum soll der Mensch mit der Natur kooperieren.
Dem Staat kommt eine ,,Nachtwächterrolle" zu, wobei der Herrschende für
Zufriedenheit unter den Bürgern zu sorgen hat; diese dürfen mit maximal 10% auf
den Jahresertrag besteuert werden.
5
Menzius
6
(390-305 v. Chr.), ein Schüler von Konfuzius, ergänzt dessen Theorie in
einigen Punkten. Bestehen bleibt die ethische Ausrichtung. Besondere Bedeutung
wird jedoch dem ,,permanenten Eigentum", also dem Privateigentum, zugemessen,
dass auf möglichst viele Eigentümer verteilt sein soll, um eine gewisse Beharrlichkeit
zu erzeugen.
7
Denn beharrliche Menschen verfolgen mit Ausdauer ihr Ziel und sind
nicht zügellos und verschwendungssüchtig. Landwirtschaftliches, gewerbliches und
kommerzielles Eigentum sind zu trennen; das Eigentum sollte auf möglichst viele
kleine Wirtschaftsobjekte aufgeteilt werden, um eine möglichst hohe Produktivität zu
erreichen und die soziale Ordnung zu sichern. Diese Theorie begründet somit die
ethische Grundlage des Wirtschaftens, der Redlichkeit und des Masshaltens.
Im heutigen China wird ein grosser Anteil des Einkommens gespart. Eltern geben
grosse Summen für die Ausbildung ihrer Kinder aus. Noch immer können nur die
besten Schüler und Studenten des jeweiligen Jahres in den Staatsdienst gehen. Die
Staatsideologie in China ist fast die ganze Zeit über so gut wie unverändert
geblieben, auch wenn es in einigen Bereichen Korrekturen gegeben hat. Alles in
allem zeigt sich, dass der Konfuzianismus im Denken des Durchschnittschinesen,
wie auch der Regierenden des 21. Jahrhunderts nach wie vor höchst lebendig ist und
niemanden gleichgültig lässt.
5
vgl. Binswanger (1997), S.8.
6
vgl. Anhang 1.
7
vgl. Binswanger (1997), S.9.

5
2.2. Der Legalismus
Der Legalismus (fajia) ist die Philosophie der Schule der ,,Legalisten", die behaupten,
dass den Gesetzen - im chinesischen mit ,,fa" bezeichnet - und nicht der Ethik
ordnende Kraft zukommt. Somit wird das Menschenbild des homo politicus
begründet.
8
Das Menschenbild des homo oeconomicus steht für die Legalisten an zweiter Stelle.
Sie glauben, dass der homo oeconomicus durch den Vorrang des Rechts, welches
mit polizeilicher Gewalt durchgesetzt werden soll, signifikant gestärkt wird, weil die
Bürger von der ethischen Verantwortung freigestellt würden. Dadurch wird Freiraum
für die Verwirklichung von Eigeninteressen - soweit diese mit der Rechtsordnung
konform sind - geschaffen. Zuwiderhandlungen müssen ausnahmslos und durch
hohe Strafmasse geahndet werden. Hierzu bedarf es eines Beamtensystems und der
Kontrolle der Amtsleitung durch Beamte.
Han Fei
9
(ca. 280-233 v. Chr.) ist der Hauptvertreter der Legalisten; er entwickelte
seine Ordnungsgedanken zeitgleich mit der Entstehung des Konfuzianismus. Er
beurteilt Gerechtigkeit, Vorteile und Erfolg, die er sehr hoch gewichtet, wie folgt:
,,Wenn ein Beamter weiss, dass er auf gerechtfertigte Weise Vorteil haben kann,
dann will er sicher sein Bestes tun, seinem Monarchen zu dienen".
10
Daraus lassen
sich folgende Verhaltensregeln für einen erfolgreichen Monarchen ableiten: Ein guter
Monarch wird immer Prämien und Vorteile bekannt geben, um das Volk
anzuspornen.
11
Der Herrschende soll sich der Eigeninteressen bzw. der
Nutzenmaximierung der Bürger bedienen, indem er sie auf materieller Basis
entweder entlohnt oder bestraft und sie dadurch zur Stärkung seiner Macht
verwendet.
12
Als beständigen Trieb des Menschen werden das Aufsuchen von
Vorteilen und das Vermeiden von Nachteilen formuliert. Gemeinsame Interessen
stellen die Grundlage für alle zwischenmenschlichen Beziehungen dar und es wird
nur dort gerechte Taten geben, wo sich Vorteile finden lassen. Die vollständige
Zufriedenheit aller Bürger ist nach Han Fei nicht erstrebenswert, da daraus nur
Faulheit und Verschwendungssucht entstehen würde; sie ist auch nicht möglich, da
8
vgl. Binswanger (1997), S.10.
9
vgl. Anhang 1.
10
Shaoping (1997), S.59.
11
vgl. Shaoping (1997), S.59.
12
vgl. Binswanger (1997), S.12.

6
das Bevölkerungswachstum grösser als die benötigte Nahrungsmittelproduktion ist
und daraus Hunger resultiert. Er verneint soziale Unterstützungsmassnahmen und
Landverteilung an Arme mit der Begründung, dass eine Umverteilung stattfinden
würde, die Reiche, die effizient arbeiten, benachteiligt und Arme, die sich nicht
anstrengen wollen, bevorzugt. Somit beschreibt er eine Art von
Leistungsgesellschaft.
Die Landwirtschaft wird als wichtigster Teil der Wirtschaft dem Handwerk und dem
Handel vorgezogen. Privateigentum und funktionierende Märkte sind erwünscht im
Rahmen einer feudalen Ordnung.
13
Der Staat schützt die Wirtschaft vor Konflikten
und die Wirtschaft ihrerseits verhilft dem Staat zu mehr Wohlstand.
In der Qin-Dynastie
14
galt der Legalismus als vorherrschendes ordnungspolitisches
Konzept. Die Bücher des Konfuzianismus wurden verbrannt. Einige
Konfuziusanhänger wurden sogar getötet. Im zwanzigsten Jahrhundert bediente sich
vor allem Mao legalistischer Ideen, um mittels seiner von der Klasse der Bauern
angeführten Revolution die Macht zu erlangen und zu sichern. Die dauernde Kritik
des Auslandes an der Menschenrechtssituation in China könnte man ebenfalls mit
dem Legalismus in Zusammenhang bringen. Der chinesische Staat setzt mit allen
ihm zur Verfügung stehenden Mitteln (Militärgewalt, Folter usw.) seine politischen
Interessen durch, selbst wenn dabei Menschenleben geopfert werden. Als Beispiel
ist hier die Zerschlagung der Studentenaufstände am Tiananmen ­ dem ,,Platz des
himmlischen Friedens" - in Peking im Jahre 1989 zu nennen.
2.3. Der Taoismus
Der Begründer des Taoismus (daojia) ist Laotse
15
(ca. 571-480 v. Chr.). In seiner
fundamental-ökologischen Lehre wird der natürliche Ursprung und die Unberührtheit
aller Dinge ­ im chinesischen mit ,,dao" bezeichnet - in den Vordergrund gestellt.
16
Der Mensch wird als homo oecologicus beschrieben, der sich auf seine ,,Wurzeln"
besinnt und bei seinem wirtschaftlichen Handeln möglichst wenig in die Natur
eingreift. Auch der Staat greift möglichst wenig ein. Intellektuelle Ausbildung wird
abgelehnt, da primitive Menschen über den Zivilisierten stehen; ausserdem soll so
13
vgl. Binswanger (1997), S.12.
14
vgl. Anhang 1.
15
vgl. Anhang 1.
16
vgl. Binswanger (1997), S.19.

7
verhindert werden, dass das Volk in Streit gerät. Natürliche unbearbeitete Rohstoffe
stehen über den veredelten, da sie der ,,Natur der Dinge" näher kommen.
Rechtschaffenheit in Einklang mit der Natur ist ein weiteres Ziel.
Die Arbeitsteilung wird abgelehnt - eine deutliche Unterscheidung gegenüber der
Markwirtschaft - und die Selbstversorgung der einzelnen Wirtschaftsobjekte wird als
Ziel genannt. Humanität soll beseitigt und Gerechtigkeit soll aufgegeben werden, da
diese konfuzianischen Sittlichkeitsgedanken gemäss dem Taoismus die Ursache für
Unordnung darstellen.
Der optimale Staat hat wenige Bürger und ist klein, und er soll nicht nach aussen
expandieren oder Krieg führen. Die Staaten stellen ursprünglich Dörfer dar, die ihre
Nachbarn jedoch nie besuchen sollen.
Zufriedenheit wird als Ziel formuliert, denn man sei reich, wenn man sich mit den
Dingen, die man besitzt, begnügt und arm, wenn man nach mehr strebt. Reichtum
kann nur durch Zufriedenheit erreicht werden und nicht durch Geld oder Güter.
Laotse lehnt eine Leistungsgesellschaft ab und stellt unter anderem folgende
Massregeln auf: ,,Die Tüchtigen nicht bevorzugen, so macht man, dass das Volk
nicht streitet. Köstlichkeiten nicht schützen, so macht man, dass das Volk nicht
stiehlt. Nichts Begehrenswertes zeigen, so macht man, dass das volle Herz nicht wirr
wird".
17
Diese originären Ideen liessen sich nicht verwirklichen, trugen aber in Verbindung mit
konfuzianischen und buddhistischen Elementen ab dem 6. Jahrhundert n. Chr. zur
Zurückhaltung gegenüber modernen Ideen bei. Mitte des 17. Jahrhunderts gelangte
der Taoismus nach Taiwan. Derzeit gibt es dort ca. 30`600 taoistische Geistliche und
ca. 3,6 Mio. Anhänger. Die langjährige kategorische Abschottung Chinas gegenüber
dem Ausland und die Ablehnung, sich dem ,,Westen" gegenüber zu öffnen, sind
somit auf den Taoismus zurückzuführen. Taoistische Isolationsgedanken verlieren
immer mehr an Bedeutung, leben jedoch in der Diskussion um das Internet wieder
auf. Die chinesische Führung fühlt sich massiv durch dieses weltweit offene Medium
bedroht und befürchtet die Einschleusung von staatsfeindlichen Gedanken; immerhin
ist die Zahl der Internetnutzer in China von 2,1 Mio. (1998) auf 3,6 Mio. (1999) und 6
Mio. (2000e) gestiegen und soll sich dieses Jahr auf 16,9 Mio. erweitern.
18
Der Staat
17
Binswanger (1997), S.19, zitiert nach: Patricia Bucley Ebrey, China, S.48.
18
vgl. China Aktuell, 1/1999, S.12.

8
hält konsequent an seinem Informationsmonopol fest und versucht, dieses durch die
Zulassung von nur wenigen internationalen Zugängen, Staatsservern und Zensur zu
erhalten. Auch diese Anstrengungen kann man auf den Taoismus zurückführen.
2.4. Vergleich der drei Denkrichtungen
In Tabelle 1 werden die grundlegenden Eigenarten der wichtigsten Denkrichtungen
Konfuzianismus, Legalismus und Taoismus stichwortartig anhand von sieben
Kriterien umrissen und miteinander verglichen.
Tabelle 1: Vergleich der drei wichtigsten traditionellen Denkrichtungen
Konfuzianismus
Legalismus
Taoismus
Wie ist die
menschliche Natur
beschaffen?
gut; erziehbar;
vertrauensvoll;
= Erziehung zum
Guten
schlecht; schwer
erziehbar (Vertrauen
ist gut, Kontrolle
besser)
= Abschreckung vom
Übel
weder gut noch
schlecht, sondern
natürlich
= Erziehung
verfremdet
In welchem Rahmen
ereignet sich
Sozialisierung?
in der Gemeinschaft
(d.h. im organischen
Verband)
· Familie
· Clan
· Dorf
· ringförmig sich
erweiternd
keine Flucht vor der
Wirklichkeit
in der Gesellschaft
(d.h. im
Zweckverband)
· Baojia
19
· Landkreis
· Provinz, Staat
usw.
keine Flucht vor der
Wirklichkeit
am Rande der
Gesellschaft/
Gemeinschaft und in
der Natur
Tendenz zur Flucht
vor der Gemeinschaft
19
Das Baojia-System war dadurch charakterisiert, dass zehn Haushalte jeweils zu einem "bai",
zehn "bai" zu je einer "jia" und zehn "jia" zu einer "bao" gebündelt wurden.

9
Wie sind die
menschlichen
Beziehungen zu
regeln?
mit Hilfe von li, d.h.
· permanente
Erziehung (und
Selbsterziehung)
· jeder nach seinem
hierarchischen
Rang; Ungleich-
heit der
Menschen
· gutes Vorbild
(Modell)
· Vermeidung von
Rechtsstreitig-
keiten
mit Hilfe von fa, d.h.
· lenken, verwalten,
strafen
· Gleichheit vor
dem Gesetz
· gutes Vorbild nur
subsidiär
· Rechtsstreitig-
keiten als
legitimes
Vorgehen
durch Geschehen-
lassen:
,,Wasser findet von
selbst den richtigen
Weg": (=dao)
· keine Rang-
Differenzierung
· wu wei: "Nicht-
handeln"
· rang: entsagen,
geschehen lassen
Zeitliche
Orientierung?
Vergangenheits-
orientierung, d.h.
permanente
Neubelebung des
Goldenen Zeitalters
der Frühen Zhou
20
Zukunftsorientierung,
d.h. Perfektionierung
der rechtlichen Regel-
ungsmechanismen
ewige Gegenwart
durch ständigen
Wechsel
Leitfigur des
Staats?
der "Edle" (Junzi)
· als sittliches
Modell, der durch
li beispielgebend
und erzieherisch
wirkt
· verkörpert im
"Fürsten", "Vater"
der Beamte
· als Rechtsgarant,
der durch seine
Gerechtigkeit aus-
gleichend wirkt
· verkörpert im
Administrator,
Richter, Militär
der "Anarch"
Menschenbild ?
homo ethicus,
in zweiter Linie
homo oeconomicus
homo politicus,
in zweiter Linie
homo oeconomicus
homo oecologicus
Idealzustand einer
guten Gesellschaft?
Sittlichkeit Rechtlichkeit
Unberührtheit
Quelle: eigene Darstellung.
20
vgl. Anhang 1.

10
Es wird deutlich, dass alle Denkrichtungen von unterschiedlichen Menschenbildern
ausgehen und dadurch auch von verschiedenen Idealzuständen in der Gesellschaft.
Abschliessend ist festzustellen, dass im Konfuzianismus und Legalismus
marktwirtschaftliche Tendenzen - wenn auch feudaler Prägung - vorhanden sind und
der Taoismus erste sozialistische Tendenzen beschreibt. Der Markt stand somit in
den klassischen Überlegungen der Begründer der chinesischen Dogmengeschichte
im Vordergrund und nicht die Regulierung.
21
Im folgenden wird die Philosophie des Maoismus aus ordnungspolitischer Sicht
untersucht. Danach wird der Bezug zum Kommunismus und Folgen für die damalige
chinesische Wirtschaftsordnung dargestellt.
21
vgl. Binswanger (1997), S.20.

11
3. Der Maoismus
Begründer der Philosophie des Maoismus ist Mao Tse-tung (1893-1976). Mao misst
der KPCh besondere revolutionäre Bedeutung bei und nennt sie die treibende Kraft
an der Spitze. Ihre theoretische Grundlage wird durch die Lehre des Marxismus-
Leninismus, also des sowjetischen Weges, beschrieben, und sie steht über einer
Massenbasis von Bauern.
22
Sie soll zur Unabhängigkeit, Befreiung und
Modernisierung der Landwirtschaft beitragen und mit den Mitteln der ständigen
Selbstkritik, der Unterstützung der Massen und einer ihr unterstellten Armee den
postulierten Feind des Kapitalismus besiegen.
23
In Maos Klassengesellschaft ist jeder Mitglied einer Klasse (im wesentlichen: Bauern,
Arbeiter und Führende (KPCh)). Die Bourgeoisie (wohlhabendes Bürgertum) und die
Intellektuellenklasse werden als Feinde betrachtet. Mao beschreibt den historischen
Materialismus wie folgt: Bei Klassenkämpfen gewinnen einige Klassen, die anderen
werden ausgelöscht. Das sei die Geschichte der Zivilisation. Wenn man in
Opposition zu dieser Ansicht stehe, zeige man historischen Idealismus.
24
Für ihn
zeigen sich Widersprüche zwischen den Produktivkräften und den
Produktionsverhältnissen. Diese Widersprüche sollen beseitigt werden.
25
In Chinas
feudal geprägter Gesellschaft werden die skrupellose Ausbeutung und
Unterdrückung der Kleinbauern und deren Aufstand gegen die Obrigkeit als
bewaffneter und gewaltsamer Klassenkampf instrumentalisiert. Dies wird als
Revolution bezeichnet. Um Feinde (Kapitalisten, Bürokraten, Grossgrundbesitzer,
Reaktionäre, Intellektuelle usw.) zu erkennen, muss eine Analyse des
wirtschaftlichen Status der verschiedenen Klassen in der chinesischen Wirtschaft
und ihrer Haltung zur Revolution durchgeführt werden.
26
Der Kommunismus wird von Mao zugleich als vollständiges System der
proletarischen Ideologie und als das neue Sozialsystem für China bezeichnet, das
den Feudalismus und den Kapitalismus verdrängt.
27
Die von Mao geplanten
22
vgl. Linhart/Pilz (1999), S.179.
23
vgl. Mao (1966), S.2.
24
vgl. Mao (1966), S.8.
25
vgl. Mao (1966), S.9.
26
vgl. Mao (1966), S.13.
27
vgl. Mao (1966), S.23.

12
Veränderungen in Chinas Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung betreffen
vorwiegend zwei Bereiche:
28
· Politik: Die KPCh basiert auf der Allianz von Bauern und Arbeitern und übernimmt
die politische Führung in Form von ,,demokratischer Diktatur" im Namen der
Arbeiterklasse. Die Diktatur hat dabei folgende Aufgaben: Unterdrückung von
reaktionären Elementen, z.B. durch Arretierung und Bestrafung von
Konterrevolutionären, Entzug des Wahlrechts und der Redefreiheit von
Grossgrundbesitzern, Erhaltung der öffentlichen Ordnung durch harte Bestrafung
von kriminellen Banden, Betrügern und Mördern, Schutz vor dem Umsturz des
Landes und vor externen feindlichen Kräften.
· Eigentumsverhältnisse: Ziel ist eine Liberalisierung der Produktionskräfte mit Hilfe
einer sozialistischen Transformation. Privateigentum in der Landwirtschaft und im
Handwerk soll durch Gemeinschaftseigentum ersetzt werden. Die sozialistische
Transformation soll im landwirtschaftlichen Bereich gemäss sowjetischem Vorbild
vollzogen werden. Es sollen Genossenschaften entstehen, die vor allem arme
und mittelständische Bauern an der Spitze enthalten, da diese beiden Gruppen
zur damaligen Zeit einen Anteil von 90% der Gesamtbevölkerung Chinas (ca. 600
Mio.) haben. Mao benutzt hier legalistische Ordnungsschemata, indem er den
Kleinbauern zwar Anreize bietet, sie jedoch für seine Zwecke instrumentalisiert. In
Industrie und Handel soll ebenfalls ein Wandel vom kapitalistischen Eigentum
zum Gemeinschaftseigentum stattfinden. Der Kapitalismus soll schrittweise durch
den Sozialismus ersetzt werden.
Das Handwerk soll durch die industrielle Massenproduktion ersetzt werden.
Grundsätzlich ist geplant, eine Art Zentralverwaltungswirtschaft zu etablieren, die mit
Fünfjahresplänen operiert, jedoch zellularisiert ist, um eine regionale Autarkie zu
erzeugen. Rückschläge in einzelnen Zellen bzw. negative externe Einflüsse könnten
somit besser verkraftet werden.
Laut Mao bestehen grundsätzlich zwei Arten von sozialen Widersprüchen: zum einen
zwischen den Feinden und dem sozialistischen System; zum anderen in der
Gesellschaft selbst.
29
Das politische Leben in der Gesellschaft wird anhand von
mehreren marxistisch-leninistischen Regeln, den ,,Verfassungsprinzipien",
28
vgl. Mao (1966), S.25 ff.
29
vgl. Mao (1966), S.45.

13
geordnet.
30
Diesen Prinzipien übergeordnet steht die Verwaltung und erlässt
Regulierungen.
Mao will eine grösstmögliche Form von Einheitlichkeit in allen Gesellschaftsschichten
erreichen. Er legt besonderen Wert auf deren Einhaltung in der Kommunistischen
Partei, in allen vorhandenen Klassen und in der Armee.
31
Innerhalb der
Klassengesellschaft steht Freiheit mit Disziplin in einer Wechselbeziehung.
32
Die
Disziplin in der Partei wird wie folgt beschrieben: das Individuum ist der Organisation,
die Minderheit der Mehrheit, tiefere den höheren Ebenen und die ganze
Parteimitgliedschaft ist dem Zentralkomitee untergeordnet.
33
Die Minderheiten
unterstützen nach erfolgter Wahl die Entscheide der Mehrheiten. In der Armee wird
absoluter Gehorsam in Bezug auf Befehle gemäss den ,,Drei Hauptregeln" und ,,Acht
Punkten der Aufmerksamkeit" vorausgesetzt und keine Verletzung geduldet.
34
3.1. Bezug zum Kommunismus
Ein Kennzeichen des Maoismus ist die Ablehnung des ,,dritten Wegs" zwischen der
proletarischen Weltrevolution (von Mao als ,,rotes Banner" bezeichnet), die den
Sozialismus zum Ziel hat, und der imperialistischen Konterrevolution (von Mao als
,,weises Banner" bezeichnet), die den Kapitalismus beschreibt.
35
Eine Mischung aus
beiden ist nicht möglich, da die Ausgangslagen zu verschieden und daher nicht
kombinierbar seien. Grundsätzlich ist festzustellen, dass der Maoismus die
chinesische Variante des Kommunismus, also des Marxismus nach Karl Marx (1818-
1883) und Friedrich Engels (1820-1895), darstellt. Gleiches gilt für den Leninismus
respektive den Stalinismus, die die russischen Varianten darstellen. Anschliessend
soll der Bezug von den letztgenannten zu Maos Ordnungspolitik aufgezeigt werden.
30
vgl. Mao (1966), S.48.
31
vgl. Mao (1966), S.253.
32
vgl. Mao (1966), S.254.
33
vgl. Mao (1966), S.255.
34
vgl. Mao (1966), S.256 f.
35
vgl. Autorenkollektiv (1997), S.15 f.

14
3.1.1. Bezug zum Leninismus
Der Leninismus stellt den durch Lenin (1870-1924) beeinflussten und geprägten
Marxismus dar. Die Führung der kommunistischen Länder liegt zur damaligen Zeit
fest in sowjetischer Hand und somit wird auch in China die Machtverlagerung in
Sowjetgebiete vollzogen. Gemäss Maos Philosophie soll jedoch die Herrschaft beim
inländischen Proletariat liegen. Daher markiert die totale Loslösung der KPCh von
ihrer städtisch-proletarischen Basis den Beginn für eine faktische Häresie. Entgegen
dem Leninismus kommt Mao jedoch zu der Einsicht, ,,(...) dass die Bauernschaft die
Massenbasis und die Antriebskraft für eine revolutionäre Umwandlung selbst stellen
kann".
36
Tabelle 2 illustriert den Bezug des Maoismus zum Leninismus.
Tabelle 2: Bezug des Maoismus zum Leninismus
Zweifel am Konzept einer organischen Beziehung zwischen Partei und Klasse gem. Lenin.
Gleiche Verschleierungspolitik der KPCh wie des Kremls in Bezug auf Loslösung der Partei
von ihrer proletarischen Basis (faktisch: Auseinanderfall der Land- und Stadtbewegungen).
Eine ,,Rote Armee" mit grossem Territorium wird nach russischem Vorbild errichtet.
Ein ,,Sowjet-System" (Organ der Selbstverwaltung im Kommunismus) wird mit einer
Mehrheitsbeteiligung der Kommunisten an dessen Regierung errichtet.
In der ,,Gesamtchinesischen Sowjet-Konferenz" von 1931 wird eine Verfassung für China
niedergeschrieben, die eine Reihe von Arbeitsgesetzen über Arbeitszeit bzw. Kinder- und
Frauenarbeit enthält.
Später erfolgt ein Wechsel von ,,Sowjets" zu ,,Versammlungen"; andere Parteien werden
zugelassen.
Aufbau von Gewerkschaften mit der Basis des ländlichen Proletariats gem. Lenin.
Nichtverfolgung einer Politik des bäuerlichen Sozialismus wie von russischer Seite gefordert,
da die KPCh ein Elitecorps politisch profilierter Führer darstellt (nur ca. 20% sind Proletarier).
Übernahme von marxistisch-leninistischen Gedanken für die politische Führung (KPCh hat
totalitäre Tendenz, ist alleiniger Handlungsbeauftragter und letzter Richter in allen
Bereichen).
Übernahme von leninistischen Desintegrationsgedanken für die Wirtschaftsordnung.
Verwendung der leninistischen Imperialismuslehre => Kritik am Marxismus und am
Liberalismus.
Quelle: eigene Darstellung.
36
Opitz (1972), S.34.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832458713
ISBN (Paperback)
9783838658711
DOI
10.3239/9783832458713
Dateigröße
2.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Zürich – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2002 (September)
Note
2,0
Schlagworte
wirtschaftsordnung konkurs marktwirtschaft privateigentum wettbewerb
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Titel: Ordnungspolitik in China
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