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Fachinformationen in der schwedischen Tages- und Wirtschaftspresse

Lexikologische Aspekte der Vermittlung komplexer ökonomischer Modelle in den Laienbereich, dargestellt am Beispiel der Europäischen Währungsunion

©2001 Magisterarbeit 124 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In dieser Magisterarbeit wird untersucht wie komplexe ökonomische Information über die Europäische Währungsunion in den Laienbereich vermittelt werden.
Die Währungsunion ist ein Thema von tagespolitischer Aktualität, über das in Schweden noch nicht politisch entschieden ist. Für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess ist die Information, die Menschen ohne besonderes ökonomisches Vorwissen über dieses Thema den Tageszeitungen entnehmen besonders wichtig.
Für die Arbeit wurden zwei Schwerpunkte gesetzt. So wurde zum Einen untersucht mit welchen sprachlichen Techniken Wissen aufbereitet wird, zum Anderen durch welche Merkmale das Modell Währungsunion im Theorie und Laienbereich gekennzeichnet ist.
Die Vermittlung von Fachwissen an Laien ist bislang wenig untersucht, so dass sowohl Fachsprachenforschung als auch Linguistik zur Wahl der Methode herangezogen wurden.
Zur Beantwortung der gestellten Fragen wird eine Auswahl von Begriffen in Theorie- und Alltagssprache verglichen. Mit der Darstellung der untersuchten Begriffe in ihren vernetzen Umgebungen wurde ein neues grafisches Darstellungsverfahren gewählt, das dem Netzwerkcharakter der untersuchten Begriffe besonders Rechnung trägt.
Im Ergebnis der Arbeit konnten für die Darstellung der Währungsunion im Alltagsbereich die Merkmale Geld, Administration und festgestellt werden. Dies zeigt, dass im Vergleich zu den sieben Teilbereichen der Währungsunion im Theoriemodell, eine wirkliche Reduktion der Komplexität in der Darstellung der Währungsunion in Tageszeitungen zutage tritt. Dies kann einerseits als Leerstelle der Vermittlung interpretiert werden, aber durch die Vermittlungstechniken Verbindung zur alltäglichen Erfahrungswelt kann jedoch gezeigt werden, dass diese Auswahl an Kriterien der Relevanz des Dargestellten für die Zielgruppe ausgerichtet ist.
Es konnten Vermittlungstechniken Konkretisierung, die Verbindung zur alltäglichen Erfahrungswelt, die Analogiebildung, die Erklärung und Umschreibung, die Merkmalsreduktion und die Prägung neuer Begriffe wurden identifiziert. Dabei konnte mit bisher bekannten Vermittlungsstrategien eine große Übereinstimmung erzielt werden, teilweise konnten sie noch konkretisiert werden.
Auch der Theorietext weist Vermittlungstechniken auf und in den alltagssprachlichen Texten werden Fachwörter ohne Anpassungen für den Laienbereich übernommen. Ursachen hierfür und weitere Differenzierungen müssen in weiter führenden Arbeiten […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 5870
Gurr, Gisela: Fachinformationen in der schwedischen Tages- und Wirtschaftspresse -
Lexikologische Aspekte der Vermittlung komplexer ökonomischer Modelle in den Laienbereich,
dargestellt am Beispiel der Europäischen Währungsunion
Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Berlin, Universität, Magisterarbeit, 2001
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http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
3
1
Einleitung __________________________________________________________ 6
2
Stand der Forschung _________________________________________________ 9
2.1
Die Vermittlung von Fachwissen als Untersuchungsgegenstand __________________9
2.2
Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes ________________________________12
3
Theoretischer Hintergrund ___________________________________________ 14
3.1
Die hierarchische Struktur von Wissen und vertikale Fachsprachenschichtung ____15
3.2
Vermittlungsprozesse ____________________________________________________19
3.2.1
Definition von Vermittlung __________________________________________________ 19
3.2.2
Gründe für die Untersuchung von Vermittlungsprozessen___________________________ 20
3.3
Die Beschreibung des Vermittlungsprozesses ________________________________21
3.3.1
Modell der kommunikativen Bezugswelten ______________________________________ 21
3.3.2
Weitere Ansätze zur Beschreibung des Vermittlungsprozesses _______________________ 25
3.4
Die Voraussetzungen zur Beschreibung fachexterner Kommunikation ___________27
3.4.1
Allgemeines Kommunikationsmodell __________________________________________ 27
3.4.2
Die Merkmale fachexterner, massenmedial vermittelter Kommunikation _______________ 29
3.4.3
Besonderheiten der Pressesprache _____________________________________________ 31
3.4.4
Lexikalische Eigenschaften von Fachsprachen ­ das Fachwort _______________________ 33
3.5
Ökonomischer Hintergrund ­ die inhaltliche Struktur und Kernbegriffe des Modells
Währungsunion in der Fachsprache ____________________________________________35
3.5.1
Währungen und Wechselkurssysteme __________________________________________ 36
3.5.2
Effektivität, Kosteneinsparungen und verbesserter Wettbewerb ______________________ 37
3.5.3
Makroökonomische Störungen________________________________________________ 38
3.5.4
Geld-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik: die klassischen Bereiche der Wirtschaftspolitik___ 38
3.5.5
Politische Aspekte _________________________________________________________ 39
3.6
Hypothesen meiner Arbeit ________________________________________________39
4
Korpuswahl und Methode der Untersuchung _____________________________ 41
4.1
Quellen ________________________________________________________________41
4.1.1
Der Calmforsbericht ­ Quellengrundlage der Fachwortanalyse_______________________ 41
4.1.2
Der Korpus aus Dagens Nyheter und Finanstidningen _____________________________ 42
4.2
Vorgehen bei der Frequenzerhebung _______________________________________45

Inhaltsverzeichnis
4
4.3
Operationalisierung der Untersuchungskriterien zur qualitativen Analyse ________46
4.3.1
Kriterium Weltausschnitt ____________________________________________________ 46
4.3.2
Vernetzung und die grafische Darstellung _______________________________________ 47
4.3.3
Relevanzfokussierung ______________________________________________________ 47
4.3.4
Syntaktische Genauigkeitsregulierung __________________________________________ 47
5
Untersuchung ­ die Repräsentation von Fachbegriffen in Tageszeitungen _____ 49
5.1
Überblick über das Untersuchungsmaterial__________________________________49
5.1.1
Themenbereiche im Vergleich zwischen Fachsprache und Sprache in Tageszeitungen ____ 49
5.1.2
Einzelbegriffe im Vergleich zwischen Fachsprache und Sprache in Tageszeitungen ______ 51
5.1.3
Ziele der qualitativen Untersuchung und Begriffsauswahl___________________________ 55
5.2
Qualitative Analyse der Begriffe ___________________________________________57
5.2.1
Die Währungsbezeichnungen euro und krona ____________________________________ 57
5.2.2
Der Begriff valuta _________________________________________________________ 66
5.2.3
Der Begriff ERM __________________________________________________________ 70
5.2.4
Der Begriff optimalt valutaområde ____________________________________________ 72
5.2.5
Der Begriff inflation________________________________________________________ 74
5.2.6
Der Begriff penningpolitik ___________________________________________________ 77
5.2.7
Der Begriff ECB___________________________________________________________ 81
5.2.8
Der Begriff ränta __________________________________________________________ 85
5.2.9
Die Begriffe eurosedlar und euromynt__________________________________________ 89
5.2.10
Der Begriff target__________________________________________________________ 90
5.2.11
Die Begriffe stabilitetspakt, konvergenskriterier und budgetunderskott ________________ 93
5.2.12
Der Begriff integration______________________________________________________ 97
5.3
In den Tageszeitungen unterrepräsentierte Begriffe __________________________100
6
Wie wird das Modell Währungsunion in den Laienbereich vermittelt ­ Ergebnisse
der Untersuchung______________________________________________________ 102
6.1
Merkmale des Modells Europäische Währungsunion_________________________102
6.1.1
Das Merkmal Geld ________________________________________________________ 102
6.1.2
Das Merkmal Administration ________________________________________________ 103
6.1.3
Das Merkmal Politik ______________________________________________________ 104
6.2
Vermittlungstechniken und Strategien _____________________________________106
6.2.1
Konkretisierung __________________________________________________________ 106
6.2.2
Verbindung zur alltäglichen Erfahrungswelt ____________________________________ 107
6.2.3
Analogiebildung durch Verknüpfung von Neuem mit Bekanntem ___________________ 108
6.2.4
Umschreibungen und Erklärungen ____________________________________________ 109

Inhaltsverzeichnis
5
6.2.5
Merkmalsreduktion _______________________________________________________ 110
6.2.6
Prägung neuer Begriffe_____________________________________________________ 110
6.2.7
Zusammenfassung ________________________________________________________ 111
6.3
Weitere Ergebnisse _____________________________________________________112
6.3.1
Merkmale der alltagssprachlichen Texte _______________________________________ 112
6.3.2
Merkmale des Theorietexts _________________________________________________ 112
6.3.3
Die Rolle von Erklärungen __________________________________________________ 113
6.3.4
Die Kriterien Weltausschnitt und Relevanz _____________________________________ 114
6.3.5
Zusammenfassung ________________________________________________________ 114
7
Zusammenfassung und Ausblick______________________________________ 116
8
Literaturverzeichnis ________________________________________________ 117

Einleitung
6
1 Einleitung
Tatsächlich nämlich vermag die Ökonomie in vielen Fragen, an
denen sich die Gemüter erhitzen, ganz wesentlich zur Klärung bei-
zutragen. All diese Sachverhalte lassen sich zweifellos auch ohne
viel Fachjargon darlegen und erläutern, wenn man sich die nötige
Mühe gibt. Bisher mangelt es an dieser Klarheit leider gewaltig. Wir
sind ein Berufsstand ohne Popularisierer.
Paul Krugman
1
In meiner Magisterarbeit möchte ich untersuchen, wie komplexe wirtschaftliche
Fachinformation an Laien vermittelt wird. Dies soll am Beispiel der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion erfolgen, die seit der Vorbereitung eines schwe-
dischen Regierungsbeschlusses 1996 bis zur Einführung des Euro in elf europäi-
schen Ländern 1999 mit wechselnder Intensität in der Tagespresse thematisiert
wird. Dabei wird untersucht, welche Techniken der Vermittlung in Tageszeitungs-
artikeln festgestellt werden können und ob das Modell Währungsunion in der
Theoriesprache andere Merkmale als in der Alltagssprache enthält. Tageszeitun-
gen sind mit ihrer hohen Verbreitung in Haushalten ein geeignetes Medium, um
ein breites Publikum ohne besonderen Bezug zum Sachgebiet zu erreichen.
Die Frage nach Vermittlungstechniken ökonomischer Fachinformation hat hohe
praktische Relevanz, da jedem im Alltag ökonomische Konzepte begegnen, z.B
bei Geldgeschäften oder der Lektüre der Wirtschaftsinformationen in der Zeitung.
Die Europäische Währungsunion wird im Alltagsbereich Umstellungen für jeden
Menschen beinhalten. Sie müssen sich auf neue Banknoten, Münzen, ein anderes
Preissystem, die Änderung von Konten uvm. einstellen. Die Vermittlung von
Fachwissen spielt eine wichtige Rolle, um die Teilhabe von Laien am Wissen des
Sachgebietes zu ermöglichen und damit dem Barrierencharakter der Fachspra-
chen entgegen zu wirken. Durch die Vermittlung wird Laien überhaupt erst der
Zugang zu spezialisiertem Fachwissen ermöglicht. Diese Publikationen sind oft
1
Krugman (2000, S. 9) Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler widmet sich der verständli-
chen Darstellung ökonomischer Sachverhalte. Zuletzt ist auf Deutsch sein Buch ,,Schmalspur-
Ökonomie" erschienen. Im Vorwort beschreibt er die Probleme populärwissenschaftlicher Darstel-
lung von Wirtschaft.

Einleitung
7
der einzige Zugang zu Wissenschaft für Laien und bestimmen damit das Bild der
Wissenschaft in der Öffentlichkeit.
Das theoretische Modell Währungsunion befindet sich im Schnittbereich zwischen
den Sachgebieten Geld-, Finanz- und Arbeitsmarkttheorie. Außerdem ist es durch
eine besondere Nähe zur Tagespolitik gekennzeichnet, da sich weitreichende
Auswirkungen auf die nationalstaatliche Politik ergeben. Das Modell weist eine
Mischung und Teile von Terminologien verschiedenener ökonomischer Bereiche
auf.
Fragen der Vermittlung von Fachwissen an Laien interessieren mich besonders,
da das Interesse für Fachsprachen und Terminologie mich für Darstellungs- und
Kommunikationsformen meines zweiten Faches, der Volkswirtschaftslehre (VWL),
sensibilisiert hat. Besonders interessant sind die hochgradig formalisierten Struk-
turen der Theoriesprachen der VWL. Im Zusammenhang damit stellte sich die
Frage nach Vermittlungsprozessen in diesem Gebiet. Bei den Vorarbeiten zur Ma-
gisterarbeit zeigte sich, dass die Vermittlung von Fachwissen insgesamt in der
Fachsprachenforschung erst langsam Beachtung findet
2
und außerdem die Wirt-
schaftsfachsprachen nicht systematisch untersucht sind, so dass die hier vorge-
nommene lexikalische Untersuchung einen Beitrag zur Darstellung linguistischer
Mittel bei der Vermittlung von Wirtschaftswissen an Laien leistet.
Dazu soll geklärt werden, welche Arbeiten es zur Vermittlung von Fachwissen bis-
her gibt. Darauf aufbauend werden theoretische Grundlagen aus der Linguistik für
meine Arbeit dargestellt. Der Ansatz der kommunikativen Bezugswelten
3
, der je
nach kommunikativem Zweck wie Fachkommunikation und Kommunikation im
Alltagsbereich die Verwendung unterschiedlicher sprachlicher Mittel annimmt, ist
in dieser Arbeit zentral. Aus diesem Material werden Thesen abgeleitet (Kapitel
zwei, drei). Es folgt die Beschreibung der Quellen der Fachbegriffsanalyse (Kapitel
vier). Untersucht wird eine Auswahl von 41 relativ allgemeinen ökonomischen Be-
griffen im Fachtext und in einer Auswahl von 101 Artikeln aus zwei Tageszeitun-
2
Niederhauser (1999) stellt fest, dass die Popularisierung von Wissenschaft ein praktisch nicht
beachtetes Thema ist (Niederhauser 1999, S. 39).
3
Vgl. Steger (1981, 1999)

Einleitung
8
gen, deren Vorkommen in beiden Textsorten verglichen wurde. Einige Begriffe
werden detailliert qualitativ untersucht, um Aufschluss über verschiedene für den
Vermittlungsprozess relevante Merkmale zu erhalten (Kapitel fünf). Dabei werden
vor allem die Begriffe ausgewählt, die inhaltliche Merkmale des Modells Wäh-
rungsunion beinhalten. Diese Merkmale werden zusammengestellt und zueinan-
der in Beziehung gesetzt. Die festgestellten Vermittlungstechniken werden an-
schließend zusammengefasst (Kapitel sechs).
,,Ökonomen gelten als Langweiler"
4
fasst Krugmann das Bild der Wirtschaftswis-
senschaften in der Öffentlichkeit zusammen. Hier drückt sich ein Widerspruch zwi-
schen den Möglichkeiten der Wirtschaftswissenschaft, zur Klärung wichtiger ge-
sellschaftlicher Fragen beizutragen, und der öffentlichen Akzeptanz, die ihr entge-
gengebracht wird, aus. Es gibt auf dem Gebiet der Vermittlung ökonomischen
Wissens an Laien noch viel zu tun.
4
Krugmann (2000, S. 7).

Stand der Forschung
9
2 Stand der Forschung
Zu Beginn der Fachsprachenforschung stand das Fachwort im Zentrum des Er-
kenntnisinteresses. Diese Forschungen sind aus dem Bedürfnis der Fächer nach
Sprachnormung und Erarbeitung von Nomenklaturen
5
, nach adäquaten Darstel-
lungsmitteln motiviert. Solche Fragestellungen sind auch heute aktuell. Direkte
Vorläufer der Fachsprachenforschung sind die Terminologielehre, die in den 30er
Jahren speziell in den technischen Fächern entstand und oft normative Fragen
beantwortet, und die Wirtschaftslinguistik, die in den 20er und 30er Jahren an
Wirtschaftshochschulen entstand und diachrone, linguistische Fragestellungen
bearbeitet
6
. Die Konzentration auf das Fachwort als Untersuchungsgegenstand
wird durch eine stärkere Hinwendung zu umfassenderen Fragestellungen ersetzt.
Heute ist die Fachkommunikation im Ganzen Forschungsgegenstand, deren Be-
sonderheiten sich in Fachtexten und in den Argumentations- und Darstellungsfor-
men der Disziplinen zeigen.
2.1 Die Vermittlung von Fachwissen als Untersuchungsgegenstand
Die Beschreibung der Vermittlung von Fachwissen ist ein bislang nicht umfassend
erforschtes Gebiet
7
, es existieren aber Berührungspunkte mit anderen Bereichen.
So gibt es einen medienwissenschaftlichen Zugang zum Thema. Dabei stehen
Themenauswahl und Arbeitsbedingungen des Wissenschaftsjournalisten im Vor-
dergrund, vereinzelt gibt es sprachkritische Betrachtungen. Spezielle Strategien
der Umwandlung des wissenschaftlichen Texts in journalistische Textformen wer-
den nicht repräsentiert (vgl. Kalt 1990). Wissenschaftsjournalismus beschäftigt
sich direkt mit der Vermittlung wissenschaftlichen Wissens in die Öffentlichkeit. Da
5
Johan Jakob Berzelius (1779-1848) erarbeitete die chemische Nomenklatur und auf Carl von
Linné (1707-1779) geht die botanische Nomenklatur zurück, mit der auch noch heute wissen-
schaftliche Pflanzennamen gebildet werden. Er entwickelte sowohl das System der Benennungen
als auch Regeln zur Schaffung der Fachwörter.
6
Ausführlich stellen Hoffmann, Kalverkämper, Wiegand (1998, S. 295-354), Laurén (1993, S. 18-
27), Drozd, Seibicke (1973, S. 9-32), Laurén, Myking, Picht (1997, S. 13-31) die Vorläufer und An-
fänge der Fachsprachenforschung dar.
7
Vermittlungsprozesse wurden in der Fachsprachenforschung bisher nicht berücksichtigt, da der
Übergang von internen zu öffentlichen Kommunikationszusammenhängen nicht in dem Maße wie
die Untersuchung fachinterner Kommunikation die Möglichkeit für eine fruchtbare Diskussion und

Stand der Forschung
10
es kaum reflektierende Arbeiten von Wirtschaftsjournalisten gibt, gehen von die-
sem angrenzenden Gebiet keine großen Impulse aus. Eine weitere Forschungs-
richtung sind gesprächsanalytische Untersuchungen der Kommunikation in Institu-
tionen zwischen Fachvertretern und Laien. Es gibt eine Reihe von Untersuchun-
gen zu Arzt-Patient-Gesprächen sowie Verkaufs- und Beratungsgesprächen. Die-
se Untersuchungen beschäftigen sich mit mündlicher Kommunikation.
Zur Wirtschaftssprache gibt es eine Fülle von Einzelarbeiten, die sich mit unter-
schiedlichen Teilaspekten auseinandersetzen. Ein grundsätzliches Defizit ist je-
doch die fehlende Systematik und theoretische Anbindung der Einzeluntersuchun-
gen. Die Wirtschaftsfachsprache wurde bislang kaum systematisch erforscht, und
ist damit ,,aus linguistischer Sicht noch weitgehend eine terra incognita" (Hundt
1999, S. 1301). So ist die Wirtschaftsfachsprache in Handbüchern und Einführun-
gen kaum vertreten (vgl. Hoffmann, Kalverkämper, Wiegand 1998 und 1999,
Fluck 1996). Außerdem sind Theorietexte der Wirtschaft kaum untersucht, vielen
Untersuchungen liegen Pressetexte zugrunde.
Linguistische Arbeiten von Wichter (1990, 1994) und Steger (1988, 1991) setzen
sich mit Experten- und Laienwortschätzen auseinander. Die Arbeiten sind auf Lai-
enwissen und seine Repräsentation im Wortschatz ausgerichtet. In diesen Arbei-
ten werden mit dem Experten- und Laienwissen die Anfangs- und Endpunkte der
Vermittlung untersucht. Steger (1988) unterscheidet zwischen alltagsweltlicher
Laiensemantik und fachgeprägter Expertensemantik mit dem Ziel, den Status der
Alltagssprache zu beschreiben. Der der Kommunikationssituation zugrunde lie-
gende funktionale Zweck bestimmt dabei die sprachlichen Mittel. Kritisch zu sehen
ist die starke Trennung zwischen den einzelnen Kommunikationsbereichen, denn
auch hier gibt es fließende Übergänge
8
. Wichter (1994) untersucht das sich in Lai-
enwortschätzen manifestierende Laienwissen. Zur Beschreibung schlägt er das
Schemakonzept aus der Psycholinguistik vor. Außerdem wird die Methode von
Bedeutungsinterviews bei Laien dargestellt, um die tatsächliche Bedeutungsreprä-
sentation von Fachbegriffen bei Laien feststellen zu können. Diese ,,Kontrolle" der
Erkenntniserweiterung für das Sachgebiet bietet. (Homberger 1990, S. 383).
8
Vgl. Wichter (1994, S. 86-90).

Stand der Forschung
11
Bedeutungsrepräsentation geht über mein Erkenntnisinteresse hinaus. Die Arbei-
ten von Steger (1988, 1991) und Wichter (1990, 1994) sind theoretisch ausge-
richtet und werden von mir zur Ausarbeitung der Methode herangezogen. Stegers
Modell der kommunikativen Bezugswelten wurde zur Ausbildung der Untersu-
chungskriterien herangezogen. Es wird in Kapitel 3.3.1 eingehend erläutert.
Eine umfangreiche Arbeit zum Wissenschaftstransfer eines physikalischen The-
mas in die Öffentlichkeit legt Niederhauser (1999) vor. Diese empirische Arbeit
untersucht Vermittlungsprozesse aus der Wissenschaft in die Öffentlichkeit. Es
werden Inhalts- und Argumentationsstrukturen in Fachtexten, das Vorkommen von
Bildern und Abbildungen
9
, die Funktion des wissenschaftlichen Apparats aus Fuß-
noten und Verweisen, syntaktische und textlinguistische Aspekte und deren Um-
setzung in populärwissenschaftlichen Artikeln untersucht. Der Korpus besteht aus
wissenschaftlichen Artikeln, populärwissenschaftlichen Zeitschriftenartikeln, Sach-
büchern und Zeitungsartikeln von überregionalen Zeitungen bis zur Boulevardzei-
tung. In den Korpus sind auch englischsprachige Zeitschriftenaufsätze einbezo-
gen, was ich problematisch finde, da hier Unterschiede und Konventionen unter-
schiedlicher Nationalsprachen nicht berücksichtigt werden. Andererseits kann nur
durch die Einbeziehung englischsprachiger Theorietexte gewährleistet werden,
dass auch die theoretische Ebene im Korpus vertreten ist, da Englisch in den Wis-
senschaften eine dominierende Stellung einnimmt
10
.
Methodisch scheint mir die Erfassung eines Themas in der gesamten fachinternen
und fachexternen Fachkommunikation ein umfassender und brauchbarer Ansatz
zu sein, um am Text die Techniken und Strategien der Vermittlung für verschiede-
ne Adressatengruppen zu untersuchen. Das setzt voraus, dass das wissenschaft-
liche Thema auch in anderen Textsorten vom wissenschaftlichen Originalartikel
bis zum Zeitungsartikel aufgenommen wird. Dies ist oft der Fall bei Themen, die
einen Bezug zum alltäglichen Leben der Menschen haben und außerdem über
9
Grafiken, Abbildungen und die Auslagerung von Fachinformationen in Kästen sind wichtige In-
strumente der Aufbereitung von Fachwissen. Meine Arbeit konzentriert sich auf die Textebene und
klammert grafische Mittel aus der Untersuchung aus. Die Analyse der Umsetzung von Fachwissen
in Grafiken und Abbildungen ist ein wichtiger Ansatz zur Weiterentwicklung meiner Untersuchung.
10
Niederhauser bewertet diesen Aspekt so hoch, dass Überlegungen zum Englischen in der Wis-

Stand der Forschung
12
einen gewissen Nachrichten- und Sensationswert verfügen. Mit diesem Untersu-
chungsdesign können populärwissenschaftliche Texte vor dem Hintergrund der
Eigenheiten der jeweiligen wissenschaftlichen Kenntnisse und Texte untersucht
werden (Niederhauser 1999, S. 77ff). Bislang gibt es zu diesem Untersuchungs-
ansatz kaum Untersuchungen. Niederhauser beschreibt als Ergebnis seiner Un-
tersuchung Techniken und Strategien der Vermittlung wissenschaftlichen Wissens
in die Öffentlichkeit (siehe Kapitel 3.3.2 ). Auch wenn meine Untersuchung anhand
anderer Kriterien durchgeführt wurde, können Parallelen zur Niederhausers Er-
gebnissen gezogen werden (siehe Kapitel 6.2).
Zusammenfassend kann der Stand der Forschung so festgehalten werden: Ver-
mittlungsprozesse sind umfassend in der mündlichen Kommunikation besonders
in institutionalen Kommunikationssituationen wie Beratungsgesprächen und Arzt-
Patient-Gesprächen untersucht. Wenig untersucht sind hingegen Vermittlungspro-
zesse, die über schriftliche Kanäle vollzogen werden. Hier konnte nur die Arbeit
von Niederhauser (1999), der eine ähnliche Fragestellung wie meiner Magisterar-
beit zugrunde liegt, einbezogen werden. Zur Vermittlung theoretischen Wissens
aus der Wirtschaft gibt es keine Arbeiten. Da diese Literaturbasis nicht ausreicht,
wurden auch linguistische Arbeiten einbezogen, die nicht aus der Fachsprachen-
forschung kommen, um eine geeignete Untersuchungsmethode zu entwickeln.
2.2 Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes
Die vorangegangenen Darstellungen haben gezeigt, dass sowohl die Beschrei-
bung des Vermittlungsprozesses als auch die Beschreibung der Wirtschaftsspra-
che Lücken in der Forschung aufweisen. Dies betrifft Fragen der Theoriebildung,
aber auch Untersuchungen von Teilaspekten, die sich in einen theoretischen
Rahmen einordnen lassen.
Meine Arbeit konzentriert sich auf die Untersuchung der Vermittlung anhand von
Fachwörtern und deren Erklärungen. Die Untersuchung wird auf zwei Stufen der
Vermittlung, den journalistischen Tageszeitungsartikel in zwei auf unterschiedliche
senschaft ein eigenes Kapitel eingeräumt wird (Niederhauser 1999, S. 111ff).

Stand der Forschung
13
Adressatenkreise ausgerichteten Zeitungen und einen Text aus dem Theoriebe-
reich eingegrenzt. Die Arbeit stützt sich auf das Modell der kommunikativen Be-
zugswelten von Steger (1988, 1991). Dieses Modell bietet Kriterien an, mit denen
die Ebene der Theoriesprache und die Ebene der Alltagssprache beschrieben
werden kann. Ein Vergleich ermöglicht dann eine detaillierte Beschreibung der
Anpassungen für die kommunikativen Bedürfnisse des Alltags.

Theoretischer Hintergrund
Vertikale Schichtung der Fachsprache
14
3 Theoretischer Hintergrund
Das Thema Vermittlungsprozesse vom Experten zum Laien gehört zur Fachspra-
chenlinguistik, wird in der Literatur aber nur am Rande unter dem Stichwort
fachexterne Kommunikation thematisiert
11
. In diesem Kapitel werden die theoreti-
schen Grundlagen der Vermittlung von Fachbegriffen an Laien beschrieben.
Zunächst soll der Fachsprachenbegriff geklärt werden. Dabei gibt es eine eng an
die Terminologielehre angelehnte Sichtweise, die auf die linguistische Ebene des
Wortes begrenzt ist und nach welcher Fachsprache mit Terminologie gleichgesetzt
wird (Drozd, Seibicke 1973, S. 8). In dem Maße, wie die Fachsprachenlinguistik ihr
Erkenntnisinteresse über die Wortebene hinaus erweitert hat, wurde auch der
Umfang der Fachsprachendefinition erweitert:
,,Fachsprache ­ das ist die Gesamtheit aller sprachlichen Mittel, die in einem fachlich be-
grenzbaren Kommunikationsbereich verwendet werden, um die Verständigung zwischen den
in diesem Bereich tätigen Menschen zu gewährleisten" (Hoffmann 1987, S. 53).
In dieser neueren Definition wird der enge Fachsprachenbegriff um die sprachli-
chen Mittel über Fachwörter hinaus erweitert. Die zweite Erweiterung bezieht un-
terschiedliche Kommunikationsbereiche ein. Ein Kommunikationsbereich ist der
,,Ausschnitt aus der gesellschaftlichen Wirklichkeit [...], in dem die jeweilige Fach-
sprache verwendet wird" (Hoffmann 1987, S. 53). Diese Ausschnitte können wis-
senschaftlich, theoretisch, praktisch-produzierend, administrativ-leitend sein
(Hoffmann 1987, S. 54). Hier wird eine vertikale Schichtung der Fachsprache mo-
delliert, die unterschiedliche Ausprägungen in verschiedenen kommunikativen Be-
reichen annimmt. Es schließt sich die Frage an, wie der Übergang von einer Sphä-
re in die nächste vollzogen wird und was dabei mit den Fachbegriffen geschieht.
Dieser Frage soll in der Magisterarbeit nachgegangen werden.
Die theoretischen Voraussetzungen zur Bearbeitung der Fragestellung sind ver-
schiedene Modelle der vertikalen Variation von Fachsprachen, die daraufhin be-
wertet werden müssen, ob sie überhaupt zur Beschreibung wirtschaftswissen-
schaftlicher Sachgebiete geeignet sind und wie der Übergang von einer Hierar-
11
Von Bausch, Schewe, Spiegel (1976, S. 14) wird festgestellt, dass Studien fehlen, ,,die [...] die

Theoretischer Hintergrund
Vertikale Schichtung der Fachsprache
15
chiestufe in die nächste modelliert wird. Eine zweite theoretische Vorüberlegung
muss zum Begriff Vermittlung erfolgen. Was bedeutet Vermittlung und welche An-
sätze zur Beschreibung des Vermittlungsprozesses gibt es in der Sekundärlitera-
tur (siehe Kapitel 3.3). Voraussetzungen des Vermittlungsprozesses können auf
den Ebenen des Kommunikationsmodells, der Pressesprache und des Fachworts
bestimmt werden (siehe Kapitel 3.4). Ein kurzer Überblick über die ökonomischen
Hintergründe und Voraussetzungen der Europäischen Währungsunion (siehe Ka-
pitel 3.5) soll zum besseren Verständnis der volkswirtschaftlichen Informationen
dienen.
3.1 Die hierarchische Struktur von Wissen und vertikale Fachsprachen-
schichtung
Die vertikale Schichtung von Fachsprachen gehört zu den Standardordnungsprin-
zipien der Fachsprachenlinguistik. Das Hauptinteresse liegt bisher im oberen Be-
reich bei den Fachleuten; der untere Skalenbereich, der Bereich der Laien, wird
erst in Fragestellungen zur fachexternen Kommunikation berücksichtigt. Für die
Untersuchung fachexterner Kommunikationssituationen ist auch das Medienver-
halten zu berücksichtigen, ,,[...] da ein großer Teil des öffentlichen Information-
sumschlages unter den besonderen Bedingungen der vertikalen Wissens- und
Sprachverteilung steht" (Wichter 1990, S. 478)
12
.
Trotz vielfältiger in der Literatur existierender Definitions- und Ordnungsformen der
Fachsprachen lassen sich Gemeinsamkeiten formulieren: Die Fachsprache eines
Sachgebiets ist gemäß verschiedener Adressatenkreise und Reichweiten der
Kommunikation vertikal gegliedert. Die Vertikalität ist ein anerkanntes, praktisches
Ordnungskonzept, das auf der Anerkennung von Experten und auf der Übernah-
me von Wissen von Anderen basiert (Wichter 1994, S. 9).
In älteren, oft dreistufigen Schichtenmodellen werden verschiedenen Sprecher-
gruppen Sprachformen zugeordnet. Ischreyt (1965, S. 43) unterscheidet
Problematik fachsprachlicher Vermittlungsprozeduren untersuchen".
12
Die Rolle der Massenmedien bei der Vermittlung von Fachwissen wird auch bei Fluck (1996,
S. 257) und bei Möhn, Pelka (1984, S. 152) dargestellt.

Theoretischer Hintergrund
Vertikale Schichtung der Fachsprache
16
1. Wissenschaftliche Fachsprache, 2. Werkstattsprache und 3. Verkäufersprache.
Von Hahn (1980, S. 283) schlägt 1. Theoriesprache, 2. fachliche Umgangssprache
und 3. Verteilersprache vor. Die dritte Stufe bezeichnet in beiden Einteilungen die
sprachliche Form der fachexternen Kommunikation. Hoffmanns Schichtenmodell
(Hoffmann 1987, S. 65ff) weist fünf Abstraktionsstufen fachsprachlicher Äußerun-
gen auf: 1. theoretische Grundlagenwissenschaften, 2. experimentelle Wissen-
schaften, 3. angewandte Wissenschaften und Technik, 4. materielle Produktion
und 5. Konsumption. Diesen Bereichen werden jeweils eine Sprachcharakteristik
und Sprechergruppe zugeordnet. Dieses Modell lässt sich schwer auf die Wirt-
schaftswissenschaften anwenden, da sich kaum materielle, konsumierbare Pro-
dukte identifizieren lassen. Ein zweiter problematischer Punkt ist, dass selten eine
reine Fachsprachenschicht auftritt. So weisen ökonomische Textsorten im Theo-
riebereich immer künstliche Sprache wie Zahlen und Formeln auf, die in natürliche
Sprache eingebettet sind. Hoffmanns Modell weist hier eng abgegrenzte Kategori-
en auf, die sich nicht uneingeschränkt auf alle Sachgebiete übertragen lassen.
Aber gerade der Bereich, der sich über das Sachgebiet hinaus an den Konsu-
menten oder Anwender, der eigentlich keinen Bezug zum Fachgebiet hat, wendet,
ist interessant für meine Arbeit. Fachexterne Kommunikation und Vermittlung sind
in den Schichtenmodellen kaum, teilweise in der Sprechergruppe des Milieus
Konsumption, erfasst. Wissensvermittlung kann auf unterschiedlichen Ebenen von
semiwissenschaftlich bis zum Boulevardzeitungsartikel erfolgen, deshalb entspre-
chen die abgegrenzten Ebenen nicht der Kommunikationsrealität, es gibt fließende
Übergänge zwischen den Schichten. Diese Übergänge, die dynamischen Ele-
mente der Kommunikationsformen, sind für meinen Untersuchungszusammen-
hang interessant.
Die vorab diskutierten ausdrucksseitigen Ansätze sind statisch und damit schwer
auf komplexe sozialwissenschaftlich orientierte und politikabhängige Sachgebiete
wie die Wirtschaftswissenschaften übertragbar. Außerdem bleibt der Aspekt der
massenmedialen Kommunikationssituation unberücksichtigt, obwohl er einen
wichtigen Stellenwert bei der Vermittlung neuer Sachverhalte hat.
Auch in der Sekundärliteratur werden die Schichtenmodelle kritisiert. Jakob (1991)

Theoretischer Hintergrund
Vertikale Schichtung der Fachsprache
17
fasst die Kritikpunkte zusammen:
,,Trotz aller Differenzierungen zeigen die genannten Arbeiten letztendlich immer wieder
die Vorstellung von einer stilistischen, ausdruckseitigen Abstufung. Trotz aller beliebig zu
steigernden Verfeinerungen werden die grundsätzlichen semantischen und pragmatischen
Unterschiede nicht herausgestellt, sondern im Prinzip wird die einfache lexikologische
Schichtung ,,Fachwortschatz" und ,,allgemeinsprachlicher Wortschatz" lediglich feingeraster-
ter wiederzugeben versucht" (Jakob 1991, S. 101).
Ansätze, um die Schichtung der Fachsprachen besser darzustellen, müssten also
bei den semantischen und pragmatischen Unterschieden der kommunikativen Be-
reiche ansetzen. Kriterien für ihre Beschreibung bietet der Ansatz von Steger, der
in Kapitel 3.3.1 beschrieben wird. Auch Wichter (1994) und Jakob (1991) setzen
an diesem Punkt mit ihren Klassifikationen an.
Wichter (1994) differenziert nach dem Kriterium der unterschiedlichen Teilhabe am
Fachwissen. Auch hier liegt eine hierarchische Struktur des Sachgebiets zugrun-
de. Wichter (1994, S. 43ff) teilt den vertikalen Raum in die drei Ebenen Fachwis-
sen, Fachumfeld und Fachaußenfeld ein. Die Experten haben das Fachwissen, im
Fachum- und Fachaußenfeld ist das Wissen der Laien zum Fachgebiet verankert.
Der informierte Laie hat einen Bezug zum Fach und bildet das Fachumfeld
(Wichter 1994, S. 54). Wichter betont, dass mit dieser Strukturierung der Wis-
senshaushalt in komplexen Technologiegesellschaften mit seinen engen kommu-
nikativen Vernetzungen in der Medienlandschaft dargestellt werden kann. Durch
die Medien wird die Verbreitungsmobilität von Inhalten groß, die Nachrichten wer-
den sehr schnell übertragen und erreichen ein breites Publikum. Wichter präzisiert
vier Grundtypen der Vertikalität von Wissen (Wichter 1994, S. 11). Das Wissen-
schafts-Praxis-Modell beschreibt die Umsetzung und die Nutzung wissenschaftli-
cher Erkenntnisse. Der Nachteil ist, dass dieses Modell die komplizierte Verflech-
tung zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und anderen Institutionen
nicht berücksichtigt. Der zweite Grundtyp der Vertikalität ist das Produktstationen-
Modell. Hier werden die verschiedenen Stadien von Produkten vom Entwurf über
die Produktion und den Verkauf bis zur Nutzung als Vertikalitätsebenen erfasst. Es
ist für meine Untersuchung ungeeignet, da mein Thema nicht ohne weiteres als
Fertigungsprozess beschrieben werden kann. Das dritte Modell, das Organisati-

Theoretischer Hintergrund
Vertikale Schichtung der Fachsprache
18
onsmodell, ist durch den Funktionsablauf bzw. die Organisation in einer Firma, die
beteiligten Personen und die Schnittstellen zur Außenwelt gegliedert. Dieses Mo-
dell ist geeignet, um sprachliche Prozesse zu charakterisieren, die in einer Orga-
nisationseinheit wie einer Firma ablaufen. Auch dieses Modell lässt sich schwer
auf das Thema Währungsunion anwenden. Modell vier, das Bildungsmodell, glie-
dert vertikale Wissensstrukturen in verschiedene Wissens- und Fähigkeitenni-
veaus. Dieses Modell könnte für meine Untersuchung geeignet sein, da die Ein-
teilung in Experten und Laienstrukturen am Vorwissen der Rezipienten ansetzt.
Überzeugend an Wichters Vertikalitätsmodell ist seine Flexibilität. Hier kann auch
der Übergang von einer Systemebene in die andere modelliert werden.
Jakob (1991, S. 75) klassifiziert verschiedene Wissensebenen eines Sachgebiets
und schafft damit eine Präzisierung zu Wichter (1994). Er unterscheidet in einer
typisierten Abstufung ­ eigentlich handelt es sich um ein Kontinuum vom Experten
zum Laien ­ folgende Ebenen:
1. Operatives Können, das durch Training und Routine ausgebildet wird.
2. Funktionales Regelwissen, Wissen über das Funktionieren eines Gegen-
standes, Anwenderwissen des Konsumenten.
3. Strukturales Regelwissen, das heißt Wissen, das Einblick in die Struktu-
ren des Fachs erfordert, aber praxisorientiert ist.
4. Theoretisches Grundlagenwissen.
Die ersten beiden Punkte sind Alltagswissen, die Ebenen drei und vier Fachwis-
sen. Gegenstand der Vermittlung wird hauptsächlich Wissen auf den Ebenen zwei
und drei sein. Für den Laien ist das Anwenderwissen interessant. Er benötigt In-
formationen über Alltagsprozesse. Dabei sind auch Inhalte, die Einblick in die
Strukturen des Sachgebiets erfordern, als Gegenstand der Vermittlung denkbar.
Beiden Kategorien ist Praxisbezug gemeinsam, der sich an den Bedürfnissen der
Rezipienten der Tageszeitungen orientiert. Das Merkmal der Relevanzfokussie-
rung (siehe Kapitel 3.3.1.2) wird auch hier deutlich.

Theoretischer Hintergrund
Vermittlungsprozesse
19
3.2 Vermittlungsprozesse
3.2.1 Definition von Vermittlung
Für eine erste Annäherung an den Begriff Vermittlung kann die Überlegung von
Niederhauser (1999) herangezogen werden:
,,Populärwissenschaftliche Wissenschaftsvermittlung bedeutet Transformation, Transfer,
Umsetzung oder Übersetzung wissenschaftlicher Inhalte in fachexterne Darstellungen unter
Anwendung bestimmter Methoden, Techniken und Strategien der Popularisierung" (Nieder-
hauser 1999, S. 117).
Ganz allgemein steht der Begriff Vermittlung für die Verbreitung von Wissen über
die Grenzen des Fachgebietes hinaus an Laien
13
. Homberger (1990, S. 383)
spricht von Wissenstransfer und ,,Vermittlungsproblematik" und bezieht den Begriff
sowohl auf den wissenschaftsinternen Bereich, auf die Aneignung des Fachwis-
sens durch den wissenschaftlichen Nachwuchs, als auch auf den fachexternen
Bereich
14
. Damit koppelt Homberger den Bereich Vermittlung stärker an didakti-
sche Aspekte als andere Autoren, die eher den Zugang zu Fachwissen im Zen-
trum sehen.
Der Vermittlungsprozess muss eine Verbindung herstellen: Der Experte hat ein
signifikant höheres Wissensniveau im Sachgebiet als der Laie. Sein fachsprachli-
ches Modell ist sehr komplex, dahinter steht ein vernetztes Begriffssystem, das
das Modell möglichst vollständig und theorieadäquat beschreiben soll. Die einzel-
nen Begriffe implizieren oft Ursache-Wirkungszusammenhänge oder andere Ver-
knüpfungen, die dem Laien nicht zugänglich sind. Bei der Vermittlung dieses fach-
lichen Modells in den Laienbereich muss das Expertenwissen für den Laien nach-
vollziehbar gemacht werden. Die Komplexität des Modells muss auf das für den
Laien relevante Maß reduziert werden, dabei muss es veranschaulicht werden,
z.B. mittels Analogien und metaphorischer Konzepte. Implizierte Gedankengänge
müssen explizit gemacht werden. Fachwörter, deren Bedeutung sich nicht er-
schließt, können mit Erläuterungen versehen werden. So kann eine nachvollzieh-
bare Darstellung erfolgen.
13
So wird er von den Autoren Lüger (1995, S. 30) und Steger (1991) verwendet.
14
Hier wird vor allem Schule und Ausbildung betont.

Theoretischer Hintergrund
Vermittlungsprozesse
20
3.2.2 Gründe für die Untersuchung von Vermittlungsprozessen
In der Sekundärliteratur werden unterschiedliche Motivationen, sich mit Vermitt-
lung zu beschäftigen, genannt. So können beim Übergang von einem vertikalen
Bereich in den nächsten Bereich Kommunikationsstörungen auftreten, die durch
asymmetrische Rollen- und Kompetenzverhältnisse bedingt sind (Homberger
1990, S. 383). Wichter hält fest, dass durch das Wachstum von Fachwissen eine
starke Spezialisierung des Wissens erfolgt, in deren Folge es zu einer Ungleich-
verteilung von Wissen kommt (Wichter 1990, S. 479). Um diese Ungleichvertei-
lung auszugleichen, ist Vermittlung notwendig.
Eine weitere Motivation leitet sich aus der Exklusivität der Fachsprachen ab, die
kommunikative Barrieren bildet (Fluck 1996, S. 44; Homberger 1990, S. 384). Da-
bei wird betont, dass eine Vermittlung von Denk- und Sprechweisen der Experten
an Laien eine Voraussetzung für aktive Teilhabe an politischen Entscheidungen
ist. Das Argument, dass mit der Vermittlung von Fachwissen der breiten Bevölke-
rung aktive Teilhabe an politischen Entscheidungen ermöglicht werden soll, kann
für die Diskussion über die Währungsunion zutreffen. Das Sachgebiet wird mas-
senmedial vermittelt und eine Teilhabe der Bevölkerung am Entscheidungspro-
zess wird erwogen. Die Konsequenzen der Entscheidung betreffen jeden Bürger.
Durch die neue Währung und Verlagerung der staatlichen Administration wird das
wirtschaftspolitische Handeln des Staates von europäischen Institutionen be-
stimmt. Aber das Argument der Exklusivität von Fachsprachen muss im Zeitalter
des Internets, das den Zugang zu Fachinformationen erheblich vereinfacht, relati-
viert werden. Auch Fluck ist der Ansicht, dass vom Laien eine Einarbeitung in
neue, gesellschaftlich relevante Sachverhalte oder eine bessere Nutzung des In-
formationsangebotes verlangt werden kann, da nicht in allen Fällen eine Redukti-
on der Fachlichkeit bzw. allgemeinverständliche Erläuterungen möglich sind (Fluck
1996, S. 260).
Weitere Motivationen für die Untersuchung von Vermittlungsprozessen können
auch ein Interesse an der Optimierung des Informationstransfers aus wirtschaftli-

Theoretischer Hintergrund
Vermittlungsprozesse
21
chen Erwägungen
15
oder die Schulung von Transferqualifikationen bei Experten
sein (Fluck 1996, S. 255, 260).
3.3 Die Beschreibung des Vermittlungsprozesses
Zur Darstellung von Vermittlungsprozessen wird zuerst untersucht, wie die Be-
griffsordnung in den unterschiedlichen Kommunikationsbereichen organisiert ist. In
einem zweiten Schritt muss dann danach gefragt werden, welche Prinzipien für
den Transfer gelten. Steger beschreibt den Vermittlungsprozess als Uminterpreta-
tion von Begriffen und Hinzufügen neuer Teilbedeutungen, die sich an der Rele-
vanz orientieren (Steger 1991, S. 100). Im zweiten Teilkapitel wird dargestellt, wie
der Vermittlungsprozess in anderen Arbeiten beschrieben wird.
3.3.1 Modell der kommunikativen Bezugswelten
Um den Vermittlungsprozess in dieser Arbeit zu beschreiben, wird ein Modell zu-
grunde gelegt, das den kommunikativen Funktionen der Sprache besonderen
Raum einräumt. Das Modell der kommunikativen Bezugswelten (vgl. Steger 1988,
1991) eignet sich für die Untersuchung von Vermittlungsprozessen, da es einer-
seits die beiden Pole Fachsprache und Alltagssprache präzisiert und andererseits
Kriterien für die Beschreibung von Begriffen in ihrem kommunikativen Zusammen-
hang liefert. Durch die Betonung des kommunikativen Zwecks kann die Auswahl
bestimmter Bedeutungsmerkmale motiviert werden. Außerdem wird im Modell
auch die Verwendung von Fachbegriffen in anderen Kommunikationsbereichen
berücksichtigt, und es ist kompatibel zu hierarchisch strukturierten Fachspra-
chenmodellen.
Steger unterscheidet sprachliche Ausdruckssysteme mit unterschiedlichen sozial-
räumlichen Reichweiten (Dialekte, Gruppensprachen) für die optimale Verständi-
gung in sozialen Gruppen und speziellen semantischen und pragmatischen Lei-
stungen der Sprache für unterschiedliche Zwecke und Situationen wie Alltag, Wis-
senschaft, Kultur und Technik. Hinzu kommt die Dimension ,,historischer Zeit-
15
Dies ist z.B. der Fall in der technischen Dokumentation, wo der Hersteller im Rahmen der Pro-
dukthaftung für missverständliche Deutungen seiner Produkte haftet.

Theoretischer Hintergrund
Vermittlungsprozesse
22
punkt", die die Fachbegriffe in ihren historischen Kontext stellt (Steger 1991,
S. 63f). Stegers Hypothese besagt, dass sich das Deutsche bis zur Gegenwart
wesentlich durch die Ausbildung kommunikativer Bezugswelten, die der steigen-
den Komplexität der sozialen und gesellschaftlichen Wirklichkeit Rechnung tragen,
ausdifferenziert hat
16
. Die sechs Kommunikationsbereiche Alltag, Institutionen,
Theorie und Wissenschaften, Ideologie und Religion, Literatur und Technik unter-
scheiden sich in ihren spezifischen Kommunikationsaufgaben und -zielen erheb-
lich und besitzen, jeweils in einem Kernbereich, eigene semantische Systeme
(Steger 1991, S. 74). Diese semantischen Systeme sind normalerweise unabhän-
gig voneinander. Vermittlungsprozesse in die Alltagswelt gibt es z.B. an Schnitt-
stellen zwischen Wirtschaft und Verbraucher, die auch durch die Währungsunion
tangiert werden, wie Bankgeschäfte und Reisen ins Ausland. Insofern kommen im
untersuchten Sachgebiet Vermittlungsprozesse vor. Theorie- und Alltagssprache
werden mit den Kriterien Weltausschnitt, Relevanz, Vernetzung und syntaktische
Genauigkeitsregulierung
17
beschrieben.
3.3.1.1 Weltausschnitt
Der Weltausschnitt der Theoriesprachen ist viel kleiner als der der Alltagssprache,
in der das gesamte Spektrum der Begriffe abgedeckt wird, die die kommunikativen
Bedürfnisse des Alltags erfordern. Alltagswissen über die Europäische Währungs-
union deckt einen wichtigen Teil des täglichen Lebens ab ­ den Umgang mit der
neuen Währung, Kontoführung, Preisauszeichnungen, Lohn- und Gehaltsstreifen
und Steuererklärungen. Das theoriezentrierte Kommunikationssystem bezieht sich
auf einen schmaleren Weltausschnitt: makroökonomische Prognosen über Preis-
und Inflationsentwicklung, Wechselkursbewegungen, Konsequenzen auf dem Ar-
beitsmarkt, wirtschaftspolitische Handlungsspielräume in ökonomischen Krisen,
die Unabhängigkeit der Zentralbanken usw. Diese Beispiele zeigen, dass die wis-
senschaftlichen Fachsprachen einen hohen Detailreichtum, eine präzisere Be-
schreibung ermöglichen und ein sehr viel höheres Auflösungsvermögen als die
Alltagssprachen haben. Daraus folgt eine stärkere Vernetzung und Hierarchisie-
16
Hundt (1995, S. 56) über Steger.
17
Steger (1991) und Hundt (1995, S. 58ff).

Theoretischer Hintergrund
Vermittlungsprozesse
23
rung (Steger 1991, S. 76f).
Der Begriff Weltausschnitt, bei Steger ,,Ausschnitt der Wirklichkeit" (Steger 1991,
S. 76), ist nicht näher erläutert. Ich möchte hier präzisieren, in welcher Bedeutung
er in meiner Arbeit verwendet wird. Der Weltausschnitt bezieht sich auf den Teil
der realen Welt bzw. auf das Umfeld, in dem die volle Bedeutung des Begriffs mit
allen Teilbedeutungen und Nuancen dekodiert werden kann. Dieser Teil der au-
ßersprachlichen Wirklichkeit ist für einen spezialisierten Begriff sehr viel kleiner als
für einen Begriff, der von einem großen Adressatenkreis verstanden wird. Zur Vor-
stellung könnte man auch sagen, je größer der Weltausschnitt ist, der von einem
Begriff abgedeckt wird, umso größer ist auch der Adressatenkreis, der ihn deko-
dieren kann. Je größer der Weltausschnitt ist, umso mehr Menschen können an
ihm teilhaben. Hier wird noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig die Einbezie-
hung der Kommunikationssituation und der Zielgruppe ist.
3.3.1.2 Relevanz
Das Prinzip der lebenspraktischen Relevanz (Steger 1991, S. 87) begrenzt die
Komplexität des Alltagsbegriffs auf die lebenspraktischen Dinge. Dieses Prinzip ist
ein wichtiger Bestimmungsgrund für den Weltausschnitt. In den im Alltag verwen-
deten Begriff geht ein, was für den Alltag relevant ist, d.h. was alltäglichen kom-
munikativen Zwecken entspricht. Da in der Theorie ein spezialisiertes, weit über
Anwenderwissen hinausgehendes Wissen benötigt wird, kommt es bei der Ver-
mittlung von Theoriewissen in den Alltag zu einer Umordnung und Neuinterpretati-
on der Begriffe. Sie werden in lebenspraktische Assoziationsketten eingeordnet.
Die Relevanzfokussierung ist ein wichtiges Selektionskriterium dafür, welche Be-
griffe für Gegenstände, Probleme, Handlungen in die Alltagssprache umgesetzt
werden. Dabei ist die Frequenz der Indikator für die Relevanzabstufung (Steger
1991, S. 90).
,,Relevanz orientiert sich an der durch die Lebenspraxis gestellten (kommunikativen) Pro-
blemlage, sie bewirkt die Fokussierung des lebenspraktischen Wissens/ Sprachwissens auf
aktuelle Bedeutungskomplexionen (Verwendungszwecke, Erreichbarkeit, Bewertung, Preis
usw.) und schließt überschüssiges zweckfreies Sprachwissen weitgehend aus: d.h. nur die
alltagssprachlich relevanten Teilbedeutungen gehen in den Begriff ein" (Steger 1991, S. 90).

Theoretischer Hintergrund
Vermittlungsprozesse
24
3.3.1.3 Vernetzung der Begriffe
Der Alltagsbegriff ist prototypisch strukturiert und wird als stereotype Vorstellung
erfasst, die je nach konkreter Erfahrung mit tatsächlichen Werten angepasst wird.
In der Theoriesprache werden Begriffe theorieabhängig oder durch rechtliche Be-
stimmungen definiert, sie sind durch einen klassifizierenden, analysierenden Kon-
zeptzugang gekennzeichnet. Die Begriffe der Theoriefachsprachen sind meist ho-
rizontal und vertikal in ein System von Ober- und Unterbegriffen eingebunden. Der
klassifizierte Teilbereich soll durch diese Begriffssysteme möglichst vollständig
und theoriekonsistent erfasst werden.
,,Geschlossene und hierarchisch vielstufig gegliederte Systeme mit vollständigen Ver-
weiszusammenhängen und Vernetzungen, wie sie gewöhnlich die Fachsprachen besitzen,
werden in der Alltagssprache nicht gebildet" (Steger 1991, S. 97).
Solche Systeme kommen in der Alltagssprache nicht vor. Dort werden semanti-
sche Reihen aufgrund von Relevanzzusammenhängen hergestellt, die unterein-
ander nicht vernetzt und deren Hierarchiestufung nicht vielstufig weitergeführt wird
(Steger 1991, S. 98). Wortfelder können daher eine Darstellungsgrundlage für die
Vernetzung von Alltagswissen sein. Damit kann der Ausschnitthaftigkeit des Mate-
rials Rechnung getragen und der assoziative Charakter der semantischen Reihen
festgehalten werden.
3.3.1.4 Syntaktische Genauigkeitsregulierung
Fachsprachen verdichten ihre Aussagen in definierten Fachtermini
18
, während in
der Alltagssprache Genauigkeit, d.h. eine Verminderung der Randunschärfe, häu-
fig durch Erläuterungen und Paraphrasen erreicht wird. Je höher die erforderliche
Genauigkeit, umso länger werden die Formulierungen (Hundt 1995, S. 62). Steger
bezeichnet die Fachsprache als ,,Wort-/ Terminologiesprache" und die Alltags-
sprache als ,,Satz-/ Textsprache" (Steger 1991, S. 95). Die Syntax hat in den
Fachsprachen weniger genauigkeitsregulierende Aufgaben, während in der All-
tagssprache die Genauigkeit in Satz und Text optimiert wird und dadurch die Re-
lationen zwischen den Termini ausformuliert werden. Damit wird eine Komplexi-
18
Hundt (1995, S. 61), Hoffmann (1987, S. 177) u.a.

Theoretischer Hintergrund
Vermittlungsprozesse
25
tätsreduktion erreicht. Bei der Vermittlung des Theoriekonzepts in den Alltag
könnte die alltagssprachliche Genauigkeitsregulierung wichtig sein, um das theo-
retische Modell mit seiner Begriffsstruktur dem Laien verständlich zu machen.
3.3.2 Weitere Ansätze zur Beschreibung des Vermittlungsprozesses
Zur Beschreibung des Vermittlungsprozesses konnten bei Steger erste Anhalts-
punkte gefunden werden. Bei der Vermittlung in den Alltag werden theoriesprach-
liche Begriffe aus ihren differenzierten Begriffssystemen herausgelöst, mit alltags-
sprachlich relevanten Teilbedeutungen versehen und in lebenspraktische Argu-
mentations- und Assoziationsketten nach dem Relevanzprinzip eingeordnet (Ste-
ger 1991, S. 100). Darin zeigt sich, dass die Alltagssprache grundsätzlich andere
Leistungen als die Theoriesprache erbringen muss.
Ähnlich beschreibt Fraas (1998, S. 437) den Prozess der Entterminologisierung.
Dabei steht ein Fachwort in alltagssprachlichen Zusammenhängen und hat seine
spezielle Fachbedeutung verloren. Die Entterminologisierung kann als ein Ergeb-
nis der Vermittlung von Fachwissen in den Alltagsbereich angesehen werden:
,,Vorher nur dem Kreis der Fachleute zugänglich, dringen diese fachlichen Lexeme in
gemeinsprachliche Kontexte ein und werden so auch für den Laien verständlich. Dabei wird
nicht mehr das gesamte Fachwissen, das ein Spezialist mit einem Terminus verbindet, in
dessen gemeinsprachlicher Verwendung realisiert. Dem Laien genügt eine ungefähre Vor-
stellung vom entsprechenden fachlichen Phänomen oder Sachverhalt [...]. Das Alltagswis-
sen, das Laien mit Fachwörtern verbinden, knüpft an Alltagserfahrungen an, die sie mit den
entsprechenden fachlichen Phänomenen machen" (Fraas 1998, S. 437) .
Auch die Massenmedien haben einen Einfluss auf diesen Prozess der Vermitt-
lung:
,,Die Verwissenschaftlichung der Medien führt dazu, daß in immer größerem Umfang
fachliche Lexik in die Gemeinsprache übernommen wird. Fachwörter werden aus dem Kon-
text herausgelöst, ihre Gebrauchsregeln werden erweitert, sie werden entterminologisiert"
(Fraas 1998, S. 437).
Die hier beschriebenen Merkmale wie Alltagsrelevanz und Umwandlung in proto-
typisch repräsentierte Begriffe ähneln den Kriterien Stegers sehr. Diese Beschrei-

Theoretischer Hintergrund
Vermittlungsprozesse
26
bung ist präziser im Hinblick auf die sprachlichen Veränderungen beim Vermitt-
lungsprozess. Problematisch ist die Feststellung, wann dieser Prozess als abge-
schlossen betrachtet werden kann und das ehemalige Fachwort mit neuer Be-
deutung in die Alltagssprache übergegangen ist. Dies ist mit meinem auf einen
Zeitpunkt fixierten Korpus nicht festzustellen.
Wichter (1994, S. 245) beschreibt, welche lexikalischen Veränderungen bei der
Einführung einer Neuerung auftreten. Diese können 1. die Einführung neuer Zei-
chen, 2. die Markierung bestehender Zeichen als veraltet, 3. die Zuordnung neuer
Bedeutung an vorhandene Signifikanten und 4. die Veränderung bestehender Be-
deutungen sein. Wenn man davon ausgeht, dass die Tageszeitungen ein gutes
Rezeptionsumfeld mit großer Reichweite für die Ausbreitung der Neuerung dar-
stellt, müssten diese lexikalischen Merkmale auch in Tageszeitungen zu beob-
achten sein.
Niederhauser (1999) untersucht die Umsetzung und Aufbereitung spezieller fachli-
cher Informationen und Darstellungsformen wie Fachwörter, syntaktische Beson-
derheiten, Fußnoten, Verweise, Bibliographien und grafische Darstellungen und
konkretisiert Techniken und Strategien der Wissenschaftsvermittlung. Die Ver-
mittlungstechniken zielen dabei auf die konkreten sprachlichen Mittel, während mit
Strategien übergreifende Prinzipien zur attraktiven Gestaltung wissenschaftlichen
Wissens gemeint sind (vgl. Niederhauser 1999, S. 197ff).
Vermittlungstechniken sind die Reduktion der Informationsfülle durch das Weglas-
sen von Einzelheiten. Gleichzeitig werden komplexe Sachverhalte ausgeführt und
entfaltet, um sie für für den Laien nachvollziehbar zu machen. So wird die Infor-
mationsdichte reduziert. Ein dritter wichtiger Punkt ist die Präsentation in anderen
Zusammenhängen mit dem Ziel, der Unterhaltungsfunktion gerecht zu werden und
eine attraktive Gestaltung zu ermöglichen. Mit narrativen Merkmalen wird der rigi-
de Aufbau wissenschaftlicher Texte unterbrochen. Elemente narrativer Textge-
staltung sind die Personalisierung, der Bezug zur Alltagswelt und der Rückgriff auf
die Forschungsgeschichte. Die von Niederhauser ausführlich untersuchten Phä-
nomene sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt.

Theoretischer Hintergrund
Vermittlungsprozesse
27
Tabelle 1: Techniken und Strategien der Vermittlung wissenschaftlichen Wissens.
Eigene Darstellung nach Niederhauser (1999).
Vermittlungstechnik
Ziel
Merkmal des wiss. Texts
Reduktion der Informationsfülle
Weglassen von z.B. Einordnung in Forschungsstand
und Ablauf der Arbeit, Literaturverweisen und An-
merkungen, detaillierter Beschreibung der Untersu-
chung, reduzierte Wiedergabe von Theorien
Vereinfachung
Komplexe Inhalte und
Textmuster
Dokumentation
Nachvollziehbarkeit
Reduktion der Informationsdichte
Auflösung von Formeln und Erläuterung wissen-
schaftlicher Aussagen
Entfaltung von
Einzelheiten
Verdichtung
Präsentation in anderen Zusammenhängen
Umordnung nach verschiedenen Gesichtspunkten
s. Strategien
Attraktive Ge-
staltung
Leseanreiz
Präsentation in fachwis-
senschaftlichen Zusam-
menhängen
Vermittlungsstrategie
Narrativer Aufbau
Personalisierung, mit Rückgriff auf Geschichte der
Forschung und Betonung von Nutzen und Möglich-
keiten der Forschungsresultate
Unterhaltsamkeit,
Attraktivität
Rigider Aufbau mit Fuß-
noten und Verweisen
Deskriptiver Aufbau
Personalisierung
Lebendige Darstellung, den Menschen hervorholen
Autorisierung
Deagentivierung
Bezug auf Alltagserfahrungen und alltägli-
che Vorstellungen
Verbindung, Assoziation zwischen wiss. Phänomen
und Alltag der Leser, Rückgriff auf handfeste Verglei-
che und einprägsame Bilder
Konkretisierung
Abstraktion
3.4 Die Voraussetzungen zur Beschreibung fachexterner Kommunikati-
on
Im Folgenden wird die untersuchte Kommunikationssituation mit ihren wichtigsten
Einflussfaktoren dargestellt. Es werden spezielle Merkmale des Texttyps Presse-
text sowie des Fachbegriffs, als kleinste untersuchte Einheit, dargestellt. Diese
Ausführungen ermöglichen es, die Untersuchung in einem größeren Zusammen-
hang zu sehen und die Ergebnisse zu erklären.
3.4.1 Allgemeines Kommunikationsmodell
Die informationstheoretische Beschreibung von Kommunikation als ,,Austausch
von Informationen zwischen dynamischen Systemen, [...] die in der Lage sind, In-
formationen aufzunehmen, zu speichern und zu verarbeiten" (Hoffmann 1998,

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832458706
ISBN (Paperback)
9783838658704
DOI
10.3239/9783832458706
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin – Philosophische Fakultät II
Erscheinungsdatum
2002 (September)
Note
1,0
Schlagworte
wirtschaftssprache fachsprache vermittlung fachwissen laien experten-laien-kommunikation massenmediale kommunikation
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Titel: Fachinformationen in der schwedischen Tages- und Wirtschaftspresse
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