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Landwirtschaft und Schule

©2002 Examensarbeit 171 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Gang der Untersuchung:
Die vorliegende wissenschaftliche Hausarbeit „Landwirtschaft und Schule“ gliedert sich in zwei Themenschwerpunkte.
Das Kapitel „Agrargeschichtlicher Überblick der deutschen Landwirtschaft“ soll den Wandel der deutsche Landwirtschaft von den Anfängen der bäuerlichen Landwirtschaft bis heute thematisieren. In neun Unterkapiteln sollen Ansätze und Thesen zur Klärung des Wandels besprochen und die Strukturen des Umformungsprozesses dargestellt werden. Dieser Überblick der deutschen Landwirtschaft bleibt nicht auf den Bereich der Landwirtschaft im engsten Sinne beschränkt, sondern Handel, Handwerk, Gewerbe und Gesellschaftsstruktur wurden mit einbezogen, da die Entstehung von nicht an der Nahrungsproduktion beteiligten Konsumentengruppen mit ihren Auswirkungen auf die Nahrungserzeugung schon in die frühe Zeit zurückreicht.
Das Kapitel „Mit Kindern Landwirtschaft erleben – Ausgewählte außerschulische Lernorte zu Thema Landwirtschaft“ soll außerschulische Lernorte, Initiativen zur Förderung einer Begegnung von Landwirtschaft und Schule, Materialien und Medien vorstellen, die alle das Ziel haben, Landwirtschaft und Schule zusammenzuführen und somit die Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten von Kindern zu erweitern.
Für mich ist es wichtig, nicht nur eine wissenschaftliche Arbeit über die Landwirtschaft im Wandel zu verfassen, sondern auch einen Bogen zur Schule herzustellen. Mich interessiert, welche Möglichkeiten das Thema Landwirtschaft bietet, es zum Unterrichtsthema werden zu lassen. Dazu möchte ich zwei strukturierte außerschulische Lernorte und einen unstrukturierten außerschulischen Lernort vorstellen und diese daraufhin prüfen, ob sie Kindern ein Lernen mit Kopf, Herz und Hand ermöglichen.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.Einleitung6
2.Agrargeschichtlicher Überblick der deutschen Landwirtschaft8
2.1Die Anfänge der bäuerlichen Landwirtschaft8
2.1.1Zur Entstehung der bäuerlichen Wirtschaftsweisen8
2.1.2Die Landwirtschaft im Neolithikum11
2.1.3Die Landwirtschaft in der Bronze- und vorrömischen Zeit15
2.2Die Landwirtschaft in der Römerzeit18
2.2.1Die Landwirtschaft im römischen Germanien18
2.2.2Die Landwirtschaft im freien Germanien24
2.3Die Landwirtschaft im Mittelalter28
2.3.1Die Landwirtschaft im Frühmittelalter28
2.3.2Die Landwirtschaft im Hochmittelalter33
2.3.3Die Landwirtschaft im Spätmittelalter38
2.4Die Landwirtschaft in der frühen Neuzeit39
2.4.1Ausweitung und Verbesserung der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 5756
Seim, Christine: Landwirtschaft und Schule
Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Gießen, Fachhochschule, Staatsexamensarbeit, 2002
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http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ______________________________________________6
2 Agrargeschichtlicher Überblick der deutschen Landwirtschaft __8
2.1 Die Anfänge der bäuerlichen Landwirtschaft _______________________ 8
2.1.1 Zur Entstehung der bäuerlichen Wirtschaftsweisen _________________ 8
2.1.2 Die Landwirtschaft im Neolithikum ____________________________ 11
2.1.3 Die Landwirtschaft in der Bronze- und vorrömischen Zeit __________ 15
2.2 Die Landwirtschaft in der Römerzeit_____________________________ 18
2.2.1 Die Landwirtschaft im römischen Germanien ____________________ 18
2.2.2 Die Landwirtschaft im freien Germanien ________________________ 24
2.3 Die Landwirtschaft im Mittelalter _______________________________ 28
2.3.1 Die Landwirtschaft im Frühmittelalter __________________________ 28
2.3.2 Die Landwirtschaft im Hochmittelalter__________________________ 33
2.3.3 Die Landwirtschaft im Spätmittelalter __________________________ 38
2.4 Die Landwirtschaft in der frühen Neuzeit _________________________ 39
2.4.1 Ausweitung und Verbesserung der Ernährungsbasis _______________ 40
2.4.2 Soziale Stellung des Bauernstandes und soziale Schichtung auf dem Lande
_____________________________________________________________ 42
2.4.3 Produktionstechnik, Betriebs- und Wirtschaftsformen ______________ 43
2.4.4 Treibende Ideen und ihre Vertreter in der Zeit des ausklingenden
Feudalismus ___________________________________________________ 46
2.5 Die Umgestaltung der Landwirtschaft im 19. Jahrhundert___________ 49
2.5.1 Die Bauernbefreiung ________________________________________ 49
2.5.2 Agrarwissenschaft und Agrarbildung als Grundlage der Umgestaltung_ 50
2.5.3 Die Intensivierung der pflanzlichen und tierischen Produktion _______ 52
2.6 Der Weg der deutschen Landwirtschaft zwischen Reichsgründung und
Erstem Weltkrieg ________________________________________________ 58
2.6.1 Vom Agrarstaat zum Industriestaat_____________________________ 58
2.6.2 Die Einführung der Agrarschutzzölle ___________________________ 61
2.6.3 Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Erzeugung ______________ 63
2.7 Landwirtschaft im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik __ 69
2.7.1 Die Kriegsernährungswirtschaft im Ersten Weltkrieg ______________ 70

2.7.2 Die Agrarwirtschaft in der Weimarer Republik ___________________ 72
2.8 Die Agrarpolitik des Nationalsozialismus _________________________ 74
2.8.1 Die Blut und Boden ­ Ideologie _______________________________ 75
2.8.2 Reichsnährstand und Erzeugungsschlacht________________________ 78
2.8.3 Die Kriegsernährungswirtschaft _______________________________ 84
2.9 Die getrennte agrarwirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik
Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik ___________ 85
2.9.1 Die Entwicklung zur sozialistischen Landwirtschaft in der Deutschen
Demokratischen Republik ________________________________________ 86
2.9.2 Die landwirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland
_____________________________________________________________ 91
2.9.3 Agrarwirtschaft im wiedervereinigten Deutschland ­ ein Ausblick ____ 97
3 Mit Kindern Landwirtschaft erleben - Außerschulische Lernorte
zum Thema Landwirtschaft _______________________________102
3.1 Möglichkeiten, das Thema Landwirtschaft in der Schule zu behandeln 103
3.2 Der außerschulische Lernort___________________________________ 106
3.2.1 Motive für die Wahl von außerschulischen Lernorten _____________ 107
3.2.2 Der Rahmenplan Grundschule und außerschulische Lernorte _______ 111
3.2.3 Organisation und Planung des Besuches eines außerschulischen Lernortes
____________________________________________________________ 114
3.2.4 Probleme und Grenzen des Lernens an außerschulischen Lernorten __ 118
3.3 Außerschulischer Lernort ,,Freilichtmuseum" am Beispiel ,,Hessenpark"
______________________________________________________________ 119
3.3.1 Das Freilichtmuseum Hessenpark _____________________________ 119
3.3.2 Das Bildungsangebot_______________________________________ 121
3.3.2.1 Die Projekte __________________________________________ 123
3.3.2.2 Die Ausstellungen _____________________________________ 126
3.3.2.3 Die Führungen ________________________________________ 126
3.3.2.4 Die handwerklichen Vorführungen ________________________ 128
3.3.2.5 Die schriftlichen Materialien _____________________________ 129
3.4 Außerschulischer Lernort ,,Schulbauernhof" am Beispiel ,,SBH
Norderlück" ___________________________________________________ 131

3.4.1 Lernen auf einem Schulbauernhof ____________________________ 131
3.4.2 Anforderungen an einen Schulbauernhof _______________________ 134
3.4.3 Schulbauernhöfe in Deutschland______________________________ 135
3.4.4 Funktionsweise und Erfahrung des Schulbauernhofes Norderlück ___ 136
3.4.4.1 Von der Idee zum laufenden Betrieb _______________________ 137
3.4.4.2 Der organisatorische Rahmen ____________________________ 137
3.4.4.3 Der finanzielle Rahmen _________________________________ 139
3.4.4.4 Der personelle Rahmen _________________________________ 139
3.4.4.5 Auslastung und Einzugsbereich ___________________________ 139
3.4.4.6 Die Zielgruppen _______________________________________ 140
3.4.4.7 Der pädagogische Rahmen_______________________________ 140
3.4.4.8 Die Tiere_____________________________________________ 140
3.5 Außerschulischer Lernort ,,Bauernhof" _________________________ 141
3.5.1 Vorbereitung eines Bauernhofbesuchs _________________________ 141
3.5.2 Absprache mit dem Landwirt / der Landwirtin ___________________ 142
3.5.3 Organisatorische Fragen ____________________________________ 143
3.5.4 Inhaltliche Vorbereitung ____________________________________ 143
3.5.5 Thematische Schwerpunkte und Fragestellungen _________________ 144
3.5.6 Mitarbeits- und Aktionsmöglichkeiten _________________________ 149
3.5.7 Nachbereitung ____________________________________________ 150
3.6 Allgemeine Bildungs- und Erlebnisangebote______________________ 150
3.7 Initiativen zur Förderung einer Begegnung von Landwirtschaft und
Schule_________________________________________________________ 152
3.8 Materialien und Medien ______________________________________ 155
4 Schlusswort ___________________________________________157
5 Literaturverzeichnis____________________________________161
6 Internetadressenverzeichnis _____________________________165
7 Bildverzeichnis ________________________________________167
8 Tabellenverzeichnis ____________________________________169

6
1 Einleitung
Die vorliegende wissenschaftliche Hausarbeit ,,Landwirtschaft und Schule" gliedert
sich in zwei Themenschwerpunkte.
Das Kapitel ,,Agrargeschichtlicher Überblick der deutschen Landwirtschaft" soll den
Wandel der deutsche Landwirtschaft von den Anfängen der bäuerlichen Landwirt-
schaft bis heute thematisieren. In neun Unterkapiteln sollen Ansätze und Thesen zur
Klärung des Wandels besprochen und die Strukturen des Umformungsprozesses dar-
gestellt werden. Dieser Überblick der deutschen Landwirtschaft bleibt nicht auf den
Bereich der Landwirtschaft im engsten Sinne beschränkt, sondern Handel, Hand-
werk, Gewerbe und Gesellschaftsstruktur wurden mit einbezogen, da die Entstehung
von nicht an der Nahrungsproduktion beteiligten Konsumentengruppen mit ihren
Auswirkungen auf die Nahrungserzeugung schon in die frühe Zeit zurückreicht.
Das Kapitel ,,Mit Kindern Landwirtschaft erleben ­ Ausgewählte außerschulische
Lernorte zu Thema Landwirtschaft" soll außerschulische Lernorte, Initiativen zur
Förderung einer Begegnung von Landwirtschaft und Schule, Materialien und Medien
vorstellen, die alle das Ziel haben, Landwirtschaft und Schule zusammenzuführen
und somit die Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten von Kindern zu erweitern.
Für mich ist es wichtig, nicht nur eine wissenschaftliche Arbeit über die Landwirt-
schaft im Wandel zu verfassen, sondern auch einen Bogen zur Schule herzustellen.
Mich interessiert, welche Möglichkeiten das Thema Landwirtschaft bietet, es zum
Unterrichtsthema werden zu lassen. Dazu möchte ich zwei strukturierte außer-
schulische Lernorte und einen unstrukturierten außerschulischen Lernort vorstellen
und diese daraufhin prüfen, ob sie Kindern ein Lernen mit Kopf, Herz und Hand er-
möglichen.

7

8
2 Agrargeschichtlicher Überblick der deutschen Landwirtschaft
Das Kapitel ,,Agrargeschichtliche Überblick der deutschen Landwirtschaft" befasst
sich mit der historischen Entwicklung der Agrargesellschaft, der Agrarwirtschaft und
des Agrarraumes. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Verwendung des
Begriffes ,,deutsche" Landwirtschaft für die Frühgeschichte der Landwirtschaft
problematisch ist. Zwei Überlegungen sind zu berücksichtigen:
,,Legt man der Abgrenzung des Themas einen ethnischen Begriff zugrunde, ist es
erforderlich, die Verhältnisse verschiedener Stämme oder Völker mit zu berück-
sichtigen, die auf mehr oder weniger klar erkennbare Weise zur Herausbildung der
später deutschen Bevölkerungsgruppe beigetragen haben.
Hält man sich für die Abgrenzung der Behandlung an den regionalen Begriff
,,Deutschland", so erweist er sich wegen der Zeitgebundenheit seiner sich ver-
ändernden Erstreckung ebenfalls als wenig geeignet, denn welchen Zeithorizont man
sich auch immer als verbindlich für die Raumabgrenzung betrachten würde, für die
Vor- und Frühgeschichte relevant wäre keiner, es sei denn, man legt das Deutsch-
land an der Schwelle der mittelalterlichen Geschichte, also etwa zur Zeit Heinrich I.,
zugrunde."
(vgl. JANKUHN, 1969, S.9)
2.1 Die Anfänge der bäuerlichen Landwirtschaft
Das Kapitel ,,Die Anfänge der bäuerlichen Landwirtschaft" behandelt die Entstehung
der Landwirtschaft und ihre Weiterentwicklung in dem Zeitraum von ca. 8000 v.
Chr. bis zum Einsetzten der römischen Herrschaft.
2.1.1 Zur Entstehung der bäuerlichen Wirtschaftsweisen
Die empirisch - archäologische Forschung hat sich, von den Ergebnissen der Kultur-
geographie ausgehend und sich auf pflanzen- und tiergeographische Überlegungen
stützend, schon früh mit der Frage nach Alter und Herkunft der bäuerlichen Wirt-
schaft beschäftigt.

9
Die Wildformen der ältesten Getreidearten Weizen und Gerste sind im südwest-
lichen Asien beheimatet, wie auch die Wildformen der kleinen Wiederkäuer Schaf
und Ziege. Man kann annehmen, dass sich die bäuerliche Wirtschaft von dort aus-
breitete, und so konzentrierte sich das Forschungsinteresse dementsprechend beson-
ders auf den Vorderen Orient. Lange Zeit standen also die großen Täler des Nils, des
Euphrat und des Tigris im Mittelpunkt der Forschungen. Erst nach dem zweiten
Weltkrieg wandte sich die amerikanische Archäologie im Vorderen Orient auch den
Gebieten außerhalb der Flusstäler zu.
Die Entdeckung eines frühen Bauerndorfes auf der Chemchemalebene von Irakisch
Kurdistan weist auf eine frühe Form der Anbauwirtschaft des 7. vorchristlichen Jahr-
tausend hin. Die Bewohner dieses Dorfes kannten lediglich zwei Weizenarten, eine
Gerstenart und hielten als einziges Haustier die Ziege. Zur Deckung des Bedarfs an
tierischem Eiweiß trug in der Hauptsache die Jagd bei. (vgl. JANKUHN, 1969, S.14
ff.) ,,Nimmt man das Ergebnis einiger weiterer Ausgrabungen in Kleinasien hinzu,
so lässt sich sagen, dass im vorderen Orient auch außerhalb der Flussoasen viel-
leicht schon seit dem 8. Jahrtausend v. Chr. eine einfache bäuerliche Wirtschaft exis-
tierte
." (vgl. JANKUHN, 1969, S.18)
Die Ausbreitung der neuen Wirtschaftsweise in der sog. Vorderasiatischen Kultur-
drift nach Europa lässt sich nur an einzelnen Punkten verfolgen.
Aufgrund unmittelbarer und mittelbarer Datierungen hebt sich in Griechenland und
Bulgarien eine frühe, noch dem 6. Jahrtausend zuzurechnende Schicht bäuerlicher
Siedlungen ab. Die frühesten bäuerlichen Kulturen auf dem nördlichen Balkan ge-
hören der Zeit um 5000 v. Chr. und der ersten Hälfte des 5. Jahrtausends an.
Auf einem zweiten Weg breitete sich die bäuerliche Wirtschaftsweise über das Mit-
telmeer zu den Küstengebieten Südwesteuropas aus. Von dort aus erreichte sie ver-
hältnismäßig früh über das Rhonetal sich nach Norden vorschiebend die südwest-
liche Grenze Mitteleuropas. (vgl. JANKUHN, S. 17 ff.)
,,Ob schließlich mit dem westeuropäisch ­ atlantischen Impuls, der über See im drit-
ten Jahrtausend v. Chr. Norddeutschland und Dänemark erreichte, ein weiteres Ein-
dringen von Elementen früherer Anbauwirtschaft in den Norden verbunden war,
lässt sich nicht erkennen."
(vgl. JANKUHN, 1969, S.19)

10
Bild 1: Ausbreitungswege früher bäuerlicher Wirtschaftsformen vom Orient nach
Europa
Quelle: Jankuhn, Herbert: Deutsche Agrargeschichte
Bild 2: Verbreitung der Wildformen von Einkorn, Emmer und Gerste
Quelle: Jankuhn, Herbert: Deutsche Agrargeschichte

11
2.1.2 Die Landwirtschaft im Neolithikum
,,Entscheidend für das Aufstreben der menschlichen Gesellschaft war der Übergang
von einer Jäger- und Sammlergemeinschaft zu einer sesshaften Kultur der Acker-
bauern."
(vgl. SEIDL, 1995, S.17)
Bild 3: Beginn der Sesshaftigkeit durch Hausbau
Quelle: Ernst, Eugen: Geschichte der Landwirtschaft vorzugsweise im hessischen Raum
Um etwa 5500 v. Chr. traten in Mitteleuropa erste bäuerliche Bevölkerungsgruppen
auf, deren Siedlungen und Anbauflächen auf den unteren, lößbedeckten Hang-
bereichen der Beckenlandschaften zu finden waren. Sie gehörten der Kulturperiode
der Bandkeramik an. (vgl. SCHNEIDER, 1993, S.1) Diese sich von Mähren bis zu
den südlichen Niederlanden ausbreitende Kulturgruppe scheint sich zunächst im
Südosten ihres späteren großen Verbreitungsgebietes entwickelt und sich dann nach
Norden und Nordwesten ausgebreitet zu haben. ,,Die Ausbreitung der bandkera-

12
mischen Bauern erfolgte in Mitteldeutschland in Wäldern auf Pseudoschwarzerden
und war mit einer Rodung verbunden, deren technische Durchführung unbekannt ist.
Die meist angenommene Brandrodung stützt sich nur auf einige wenige sichere Beo-
bachtungen. Auch in den schweren, scharfschneidigen Flintbeilen besaß die Bevöl-
kerung ein für die Rodung sehr geeignetes Gerät."
(vgl. JANKUHN, 1969, S.22)
Auch die jüngere Inbesitznahme der Böden des glazialen norddeutschen Auf-
schüttungsgebietes durch die sog. Trichterbecherkultur zu Beginn des
3. Jahrtausends als der ersten bäuerlichen Gruppe dieses Gebietes vollzog sich in
enger Verbindung mit einem Rodungsvorgang. (vgl. JANKUHN, 1969, S.30)
Die bandkeramischen Siedlungen waren unterschiedlich groß. Es gab Einzelhöfe und
kleinere Weiler mit 3 bis 4 Gehöften, aber auch mittelgroße ,,Dörfer" mit 5 bis 10
Hofplätzen. Die einzelnen Häuser waren sog. Langhäuser in rechteckiger Form, die
25 m Länge und 8 m Breite erreichen konnten. Das Innere des Hauses war in ein
Wohn- und Arbeitsbereich, ein Schlaf- und in ein Vorratsbereich eingeteilt. Die
Wirtschaftsflächen schlossen unmittelbar an die Siedlung an. Sie bestanden aus Gar-
ten- bzw. Ackerbeeten und sog. Waldland. (vgl. SCHNEIDER, 1993, S.1)
Bild 4: Steinzeithaus
Quelle: Ernst, Eugen: Geschichte der Landwirtschaft vorzugsweise im hessischen Raum
In der älteren Bandkeramik sind folgende Haustiere nachgewiesen: Das Rind, das
Schwein, das Schaf, die Ziege und der Hund. Interessant ist, dass innerhalb der neo-

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lithischen Siedlungen keine Ställe und größere Mistschichten gefunden wurden, die
Tiere also wahrscheinlich auch im Winter im Freien gehalten wurden. Angesichts der
günstigen klimatischen Bedingungen in der mittleren und späten Wärmezeit des
Neolithikums und der Bronzezeit war dies durchaus möglich. Der Bedarf an tieri-
schem Eiweiß wurde nicht nur durch Haustierhaltung, sondern größtenteils durch die
Jagd gedeckt. Dies bezeugen Knochenfunde von Hirsch, Wildschwein, Elch, Reh
und Hase. (vgl. JANKUHN, 1969, S.37 ff.)
Die ersten Kulturpflanzen wurden durch Saatgutauswahl aus Steppengräsern (Wild-
getreidearten) und Wildpflanzen ,,gezüchtet" bzw. aus dem Orient mitgebracht und
auf den neu angelegten Feldern angebaut. (vgl. ERNST 1, 1996, S.13)
Folgende Kulturpflanzen sind im Bereich der Bandkeramik nachgewiesen: Einkorn,
Emmer, Dinkel, Gerste, Rispenhirse, Saaterbse, Linse, Ackerbohne und Lein.
Daneben gab es bereits eine Anzahl von Hülsen- und Hackfrüchten sowie Gemüse-
pflanzen wie Bohnen, Rüben, Lauch und Kürbis. In den Siedlungsrückständen fand
man auch einige Wild- und Sammelfrüchte wie Haselnüsse, Schlehen, Hollunder,
Brom- und Himbeeren. (vgl. JAHNKUHN, 1969, S. 26)
Da die Zahl der Menschen, die versorgt werden mussten, zunahm, musste systema-
tisch gesät und geerntet werden. Vor der Kulturpflanzenaussaat hat man die Felder
zunächst mit Hacke und Grabstock, später auch im Pflugbauverfahren aufgelockert
und dann eine Krümelstruktur mit Zweigen, später mit rechenartigen Werkzeugen im
Boden hergestellt. Die Form der Felder und die Größe der Fluren ist unbekannt.
Für die Ernte des Getreides war ursprünglich des Ausraufen der Halme üblich. In der
ausgehenden jüngeren Steinzeit war dann auch die Sichel aus Feuerstein zum
Schneiden der Halme bekannt.

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Bild 5: Ernten des Wildgetreides mit der Horn- oder Steinsichel
Quelle: Ernst, Eugen: Geschichte der Landwirtschaft vorzugsweise im hessischen Raum
Zum Dreschen verwendete man sehr wahrscheinlich das Vieh, welches über die Ge-
treidebüschel getrieben wurde. Durch den Viehtritt lösten sich die Körner aus den
Ähren. Zum Trennen des Korns von der Spreu gebrauchte man eine weiden-
geflochtene Wanne. Damit wurden Körner und Spreu in die Luft geworfen, so dass
der Wind die Spreu von den Körnern trennen konnte. Das Getreide wurde je nach
Bedarf auf steinernen Reibeplatten oder dazu hergerichteten Reibe- und Mahlsteinen
zu Mehl zerrieben und dann weiter verarbeitet. (vgl. ERNST 1, 1996, S.13 ff.)
Ob und in welchem Umfang ein wirtschaftlicher Austausch zwischen den ältesten
Bauern und den in ihrer Nähe lebenden Jägern, Sammlern und Fischern statt-
gefunden hat, lässt sich nicht sicher sagen. Dass es solche Beziehungen gab, lehren

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mesolithische Funde in bandkeramischen Siedlungen und bandkeramische Stein-
geräte im Verband mesolithischer Fundkomplexe des Nordens. Man wird also einen
zum Teil weite Strecken überwindenden Handel mit Rohstoffen und Fertigfabrikaten
und eine diesen Handel speisende, für den überregionalen Bedarf arbeitende hand-
werkliche Produktion annehmen können. Trotz Überwiegen bäuerlicher Lebens-
haltung sind im Neolithikum schon Ansätze einer handwerklichen Spezialisierung
erkennbar. (vgl. JANKUHN, 1969, S.41 und S.50)
,,Am Ende des Neolithikums war fast ganz Mitteleuropa der bäuerlichen Lebens-
weise gewonnen, wenn auch im einzelnen stärkere Unterschiede der verschiedenen
Gruppen bestanden haben dürften. Nur im Osten hielt sich in der Kultur der so-
genannten Kamm- und Grübchenkeramik eine von Jagd und Fang nach mesoli-
thischer Manier lebende Bevölkerung bis Beginn der Bronzezeit."
(vgl. JANKUHN,
1969, S.35)
2.1.3 Die Landwirtschaft in der Bronze- und vorrömischen Zeit
Die Siedlungen der sog. Urnenfelderzeit (etwa 1200 ­ 800 v. Chr.) lagen meistens in
fruchtbaren Beckenlandschaften in der Nähe von Wasser. Die mittleren und höheren
Lagen der Mittelgebirge waren dagegen nicht oder nur dünn besiedelt.
In der älteren Eisenzeit, dem sog. Hallstatt von etwa 800 bis 450 v. Chr. kam es dann
zu einer Ausweitung der Siedlungs- und Bewirtschaftungsflächen aus den frucht-
baren Talbereichen heraus in die Mittelgebirgslagen und in Höhenlagen bis zu 2000
Meter. (vgl. SCHNEIDER, 1993, S.4 und S.5)
Um 700 v. Chr. trat jedoch solch eine starke Klimaverschlechterung ein, dass die
Siedlungen in den Hochtälern der Alpen und Uferrandsiedlungen wegen der zuneh-
mende Vernässung wieder aufgegeben werden mussten. Parallel dazu kam es aber zu
einer Inbesitznahme der unteren Partien der Bergwälder und der Kalkstein- und
Buntsandsteinböden mit Beibehaltung der Talgebiete.
Die Grundlagen für die Ernährungswirtschaft der Bronze- und vorrömischen Metall-
zeit änderten sich gegenüber dem Neolithikum in mehrfacher Hinsicht. Schon in der
Steinzeit hatten sich gewisse, auf besondere gewerbliche Fähigkeiten spezialisierte
kleine Gruppen herausgebildet, die mindestens zeitweise von der bäuerlichen Gesell-
schaft unterhalten werden mussten. Dieser Differenzierungsprozess setze sich in der

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älteren Metallzeit fort. Es kam zu einer Herausbildung spezialisierter Handwerker-
viertel und Händlerzentren. Archäologisch nachweisbare gewerbliche Tätigkeiten
waren die bergmännische Gewinnung von Kupfer, Salz, Graphit und Sapropelit.
Auch zur Versorgung der im Westen sich bildenden aristokratische Fürstenkultur
und der im Osten entstehenden ,,egalitären" Plansiedlungen war eine landwirtschaft-
liche Überproduktion notwendig. (vgl. JANKUHN, 1969, S. 61 ff.)
Als Verkehrsmittel wurden seit dem ausgehenden Neolithikum Wagen benutzt. Dass
auch in der Bronze- und vorrömischen Metallzeit der Schiffsverkehr eine große Rolle
spielte, bezeugen für die Bronzezeit des Nordens zahlreiche Schiffsdarstellungen an
Felswänden und auf Rasiermessern. (vgl. JANKUHN, 1969, S.97)
,,Die Frage, ob man für die Bronze- und vorrömische Metallzeit schon von einem
Handel sprechen kann, ist im wesentlichen eine terminologische Frage. Da sich seit
der Bronzezeit eine auf Güteraustausch zum Teil über weite Entfernungen ange-
wiesene Gesellschaft entwickelte, die in der Lage war, ihre Bedürfnisse durch eine
weite Gebiete übergreifende Versorgung zu befriedigen, wird hier von Handel
gesprochen."
(vgl. JANKUHN, 1969, S.92)
Solch eine Entwicklung vollzog sich nur im keltischen Bereich des Südens. Der ger-
manische Norden und der baltische Nordosten ,,verharrten" in einer rein bäuerlichen
Gesellschaftsform. (vgl. JANKUHN, 1969, S.83)
Wie die Ausgrabungsergebnisse aus mehreren Siedlungsbereichen der frühen und
mittleren Bronzezeit (etwa 1800 ­ 1200 v. Chr.) belegen, wurden auf den fruchtbaren
Böden nun auch Roggen und Hafer angebaut. Die Felder waren als wabenartig anei-
nanderschließende Parzellen ausgebildet, die sich zu kleineren und größeren Fluren
zusammenschlossen. Die einzelnen Äcker waren voneinander am Hang durch breite
Erdrippen getrennt. Diese breiten Raine gestatteten den Zugang auch zu den im Inne-
ren solcher Fluren gelegenen Parzellen, ohne dass dabei ein Überfahren anderer Par-
zellen notwendig wurde. Zum anderen konnten infolge der breiten Grenzstreifen die
einzelnen Äcker ohne Rücksicht aufeinander gepflügt werden. Diese Grenzstreifen
sind aber wahrscheinlich nur in den seltensten Fällen als geplante Grenzen aufge-
schüttet worden. Vielmehr werden sie durch die Pflugtechnik, Lesesteine, ungestör-
ten Bewuchs und Erdanwehungen ,,gewachsen" sein. So entsprachen diese Ackerflu-
ren mehr einer individual ­ wirtschaftlichen Betriebsform des Getreideanbaus, mach-
ten jedenfalls eine genossenschaftliche Bewirtschaftung mit Flurzwang und Feldge-
meinschaft nicht notwendig. Ob eine Wechselwirtschaft betrieben wurde und, gege-

17
benenfalls, in welcher Form sie sich abspielte, lässt sich mit archäologischen Metho-
den nicht erschließen. An Bedeutung gewann in der Bronze- und vorrömischen Zeit
auch der Obstbau. Nachgewiesen sind Apfel, Birne, Pflaume und Süßkirsche. (vgl.
JANKUHN, 1969, S.71 ff.)
Bild 6: Bohlenweg der vorrömischen Eisenzeit aus dem ,,Großen Moor" nördlich von
Dümmer, Niedersachsen
Quelle: Jankuhn, Herbert: Deutsche Agrargeschichte
Archäologische Funde belegen für diese Zeit die Verwendung des Sohlenpfluges, der
von einem Rinderpaar gezogen wurde. Funde von Bronzesicheln lassen erkennen,
dass eine zum Teil intensive Feldbewirtschaftung betrieben wurde. Eine kurzstielige
Sense wurde für die Grasmahd verwendet. Für den Drusch des Getreides wurden
spezielle Geräte, sog. Dreschsparren, benutzt. Diese Geräte können als eine Vorstufe
des Dreschflegels aufgefasst werden. (vgl. SEIDL, 1995, S.20)
Die zahlreichen gefundenen Tierknochen geben darüber Aufschluss, dass neben dem
Rind, dem Schaf, der Ziege und dem Schwein jetzt auch das Pferd, die Gans und die
Ente als Nutztiere gehalten wurden. (vgl. SCHNEIDER, 1993, S.4)
,,Am Vorabend der Berührung mit Rom ist als Folge starker, im wesentlichen wohl
griechischer Einflüsse eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation im süd-

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lichen Mitteleuropa entstanden, die sich von einer primitiven, nur auf Selbstver-
sorgung beruhenden patriarchalisch strukturierten bäuerlichen Gesellschaft bereits
entfernt hatte."
(vgl. JANKUHN, 1969, S.113)
2.2 Die Landwirtschaft in der Römerzeit
Das Kapitel ,,Die Landwirtschaft in der Römerzeit" behandelt den Zeitraum von 58
v. Christus bis ca. 500 n. Christus. Zu dieser Zeit existierte das römische und das
freie Germanien.
2.2.1 Die Landwirtschaft im römischen Germanien
Die erste Nachhaltige Berührung der Germanen mit Rom erfolgte im Zusammenhang
mit der Eroberung Galliens durch Cäsar.
58 v. Chr. kam es dann zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Cäsar und
Ariovist, bei denen Cäsar siegte und die germanische Herrschaft in der ,,Burgundi-
schen Pforte" vernichten konnte, aber nicht die auf dem linken Rheinufer siedelnden
Germanenstämme. Diese waren von da an fest in das römische Reich eingegliedert.
Damals entstand zwischen Rhein und Donau der Limes, welcher zunächst mit Kas-
tellen in Holz ­ Erde- Technik, später in Steinbau besetzt wurde. Die Einrichtung der
beiden Provinzen Niedergermanien mit Köln und Obergermanien mit Mainz als
Hauptstädten schloss die Grenzkämpfe an der römisch ­ germanischen Grenze ab,
und es wurde eine im wesentlichen friedliche Periode eingeleitet, die fast 200 Jahre
andauerte. (vgl. JAHNKUHN, 1969, S.116 ff.)
Im Schutze der militärisch gut gesicherten Grenze erwuchsen seit dem 2. Jahrhundert
n. Chr. aus den Verwaltungssitzen und Militärlagern blühende Städte und Wirt-
schaftszentren, die untereinander durch ein gut ausgebautes Straßen- und Wegenetz
verbunden waren. (vgl. SEIDL, 1995, S.30) In diesen Wirtschaftszentren, den mittle-
ren zivilen Siedlungen, den Städten und den militärischen Zentren entstanden nicht ­
agrarische Konsumentengruppen, für deren Versorgung mit Nahrungsmitteln eine
leistungsfähige Landwirtschaft nötig war. So bildete sich um die römischen Bevöl-
kerungszentren ein Netz von meist einzeln stehenden Gutshöfen, den sog. ,,villae

19
rusticae." ,,Entlassene römische Soldaten, die nach einer Dienstzeit von zwanzig
Jahren Landbesitz zugewiesen bekamen und die aus ersparten Sold und Beuteanteil
oft ein großes Kapital mitbrachten, zugewanderte Gallier und zwangsweise umge-
siedelte Bevölkerungsgruppen aus allen Teilen des römischen Reiches, schufen ein
buntes Bevölkerungsgemisch auf dem Lande."
(vgl. JAHNKUHN, 1969, S.122)
Bild 7: Rekonstruktion eines römischen Hofes
Quelle: Ernst, Eugen: Geschichte der Landwirtschaft vorzugsweise im hessischen Raum

20
Die römischen Gutshöfe erreichten vor allem im 2. Jahrhundert n. Chr. einen be-
trächtlichen Wohlstand. Nicht selten waren die Häuser mit Hypokaustheizung, Bade-
anlage und Mosaikfußboden ausgestattet.
Die Bauernhäuser der einheimischen Bevölkerung waren aus Holz gebaut und erheb-
lich schlichter. Die ,,villae rusticae" wurden fast alle nach dem gleichen Grundmuster
errichtet. In der Mitte der jeweiligen Hofstelle lag im Regelfalle ein repräsentatives
Atriumhaus, das von dem Pächter bewohnt wurde. Daneben gab es eine Reihe von
Stallungen und Scheunen im Randbereich des Hofes. Im ersten Jahrhundert wurden
die Hauptgebäude noch aus Holz errichtet. Sie wurden im 2. und 3. Jahrhundert recht
einheitlich in Stein gebaut und zeichneten sich meist durch zwei Ecktürme, einer
frontalen Pfeilerreihe und einem überdachten Innenhof aus.
In den ,,villae rusticae" wurde nicht nur eine breitangelegte hauswirtschaftliche Ver-
sorgung ermöglicht, durch Spezialisierung wurde auch ein Überschuss erzeugt, der
auf den Märkten der Städte oder bei dem Heer abgesetzt werden konnte. Immerhin
waren ca. 75% der Bevölkerung dem Landbau verpflichtet. Bemerkenswert ist auch,
dass die römischen ,,villae rusticae" nicht nur agrarische Produktionsstätten darstell-
ten, sondern, mindestens zum Teil, auch Handwerksbetriebe, wie Töpfereien, Ziege-
leien, Metallgießereien, enthielten. (vgl. ERNST 1, 1996, S.23 und S.25)
Bild 8: Römischer Wohnraum (Nachbildung Xanten)
Quelle: Rheintal.de ­ Online ­Magazin : Die römische Landwirtschaft

21
Neben den altbekannten Getreidearten wie Weizen und Gerste wurde nun verstärkt
Roggen angebaut. Dazu kam ein hochentwickelter Obstanbau von Äpfeln, Kirschen,
Pflaumen und Zwetschen. Nachgewiesen sind für diese Zeit auch verschiedene Nuss-
sorten und Beerenfrüchten wie Himbeere, Erdbeere und Brombeere. Der Weinbau
war seit dem 3. Jahrhundert fest eingebürgert. Mineralische Düngung kannte schon
die einheimische Bevölkerung. Dazu kam in römischer Zeit die Plaggendüngung.
(vgl. JANKUHN, 1969, S.127)
Zu den landwirtschaftlichen Geräten gehörte der Pflug in der Form des Haken-
pfluges, den sowohl die Römer in ihrer Heimat, wie auch die einheimische Bevöl-
kerung seit langem kannte. Den römischen Großbetrieben entsprechend wurde die
Ernte zum Teil mit Mähmaschinen durchgeführt. Sie bestanden aus einem in ein
Radgestell eingesetzten Kasten, der mit langen, eng gestellten Zinken in Fahrt-
richtung versehen war und von einem Zugtier geschoben wurde. Im Vorwärts-
schieben wurden die von den Zinken erfassten Getreideähren abgerissen. Diese Art
von Mähmaschinen geriet aber wieder in Vergessenheit. Die Idee einer maschinellen
Getreideernte wurde erst wieder im 19. Jahrhundert aufgegriffen. (vgl. HENNING 1,
1997, S.39)
An Haustieren sind mehrere Rinderrassen, Pferde, Schweine, Schafe, Ziegen, Hüh-
ner, Gänse, Enten, Tauben, Pfaue, Hunde und Katzen nachgewiesen. Im Unterschied
zu der einheimischen Tierhaltung brachten die Römer hochgezüchtete Rassen, be-
sonders bei Rind und Pferd, mit. (vgl. JANKUHN, 1969, S.128)
Daraus lässt sich erkennen, dass die römische Landwirtschaft auf eine höhere Pro-
duktivität pro Arbeitskraft und Fläche abzielte, über eine reichhaltige Erzeugung von
Nahrungsmitteln und eine bessere Fruchtfolge verfügte. Außerdem besaßen die Rö-
mer bessere Eisenholzgeräte zur Bodenbearbeitung. Ihre herausgezüchteten Haustie-
re hoben sich deutlich von den kleinwüchsigen und ertragsschwächeren Haustieren
der germanischen Bevölkerung ab. (vgl. ERNST 1, 1996, S.23)
Die einheimischen Bauern haben auch unter der römischen Besatzung ihre Land-
wirtschaft zunächst noch in herkömmlicher Weise betrieben. Es lässt sich erst für das
2. nachchristliche Jahrhundert nachweisen, dass sie sich an die neuen Verhältnisse in
mancher Hinsicht angepasst haben. Man spricht hierbei von der ,,Romanisierung"
des linksrheinischen Gebietes.
Während dieser Zeit übernahm die einheimische Landwirtschaft fortschrittliche
Techniken und lernte neue Landnutzungsweisen, wie z. B. den Obstanbau, kennen.

22
Die neuen Städte und Garnisonen hatten einen großen Bedarf an Lebensmitteln, der
nun auch durch Lieferungen aus der einheimischen Produktion gedeckt wurde. Die
Landwirtschaft blühte auf und gelangte zu einem gewissen Wohlstand. Das neue
römische Verkehrswesen mit dem gut ausgebauten Netz von Römerstrassen und die
Möglichkeit des Fernhandels mit einer gut organisierten Händlerschaft erleichterten
den Güteraustausch. (vgl. ERNST 1, 1996, S.25)
Diese friedliche Entwicklung wurde durch die seit dem 3. Jahrhundert immer stärker
werdenden germanischen Angriffe auf den römischen Limes gestört. Unter Kaiser
Alexander Severus (222-235 n. Chr.) gelang den Alemannen ein Durchbruch durch
den Limes. Weitere Einfälle folgten, und um 259/260 ging der Limes entgültig verlo-
ren. (vgl. JANKUHN, 1969, S.122)
,,Der Verfall der politischen und wirtschaftlichen Macht im 3. Jahrhundert und das
sich damals ausbildende Zwangssystem machten auch vor der Landwirtschaft nicht
halt. Die Germanen übernahmen in diesem Gebiet keine blühenden Anlagen. Sie
mieden die zum Teil in Ruinen daliegenden villae rusticae und übernahmen nur de-
ren Felder. Als Siedlungsform brachten sie das Dorf mit, das in der Germania Ro-
mana die römischen Villen ablöste und die für das Mittelalter typische Form land-
wirtschaftlicher Ansiedlungen einführte."
(vgl. HENNING 1, 1997, S.335)
Mit dem Abzug der Verwaltung und der Soldaten hat jedoch nicht ein Wegzug der
gesamten römischen Bevölkerung stattgefunden. Archäologische Befunde beweisen,
dass die Besiedlung, wenn auch in eingeschränkten Maße, weiterging. Die germa-
nische Besiedlung hat die romanischen Bevölkerungsinseln allmählich aufgesogen.
Noch bis in das 5. Jahrhundert kann man von römischer Agrargeschichte in den
nördlichen Provinzen sprechen. (vgl. HENNING 1, 1997, S.340)

23
Bild 9: Bäuerliches Anwesen von Mayen im 1. Jahrhundert n. Chr. Geb.
Quelle: Jankuhn, Herbert: Deutsche Agrargeschichte
Bild 10: Bäuerliches Anwesen von Mayen im 4. Jahrhundert n. Chr. Geb.
Quelle: Jankuhn, Herbert: Deutsche Agrargeschichte

24
2.2.2 Die Landwirtschaft im freien Germanien
Im Gegensatz zu der provinzialrömischen Welt mit ihren Städten und Lagern waren
die Siedlungsgemeinschaften der römischen Kaiserzeit im freien Germanien nur
Selbstversorger. Dies änderte sich bis Ende des 1. Jahrtausends nicht. (vgl.
HENNING 1, 1997, S.377)
Das Siedlungsgebiet der germanischen Stämme war während der ersten nachchrist-
lichen Jahrhunderte nicht konstant, sondern vergrößerte sich als Folge eines mit Ro-
dung verbundenen Landausbaues. In Norddeutschland und Dänemark war die Ge-
winnung neuen Siedlungslandes durch umfangreiche Rodungen im Binnenland und
zusätzlich mit Entwässerungs- und Schutzmaßnahmen in der Marsch gekenn-
zeichnet. (vgl. JANKUHN, 1969, S.129 ff.)
Schon sehr bald hat hier die zunehmende Meerestransgression zur Herausbildung
größerer Siedlungsgemeinschaften geführt. Auf der Feddersen ­ Wierde nördlich von
Bremerhaven entstand zunächst eine ringförmige Dorfanlage auf radial angeordneten
Einzelwohnhügeln, später ein Wohnhügel für eine größere Menschengruppe.
In allen Siedlungen herrschte das sogenannte Wohn ­ Stall ­ Haus vor, wie es bereits
in der Metallzeit üblich war. Mensch und Vieh lebten dabei in einem in Wohn- und
Stallteil untergliedertem Haus unter einem Dach. Die unterschiedliche Größe der
Wohn- und Wirtschaftsgebäude sowie ihre unterschiedliche Ausstattung lassen
Rückschlüsse auf eine fortschreitende soziale Differenzierung zu. (vgl. SEIDL, 1995,
S.43)

25
Bild 11: Rekonstruktion des Kernwarfs von Ezinge (nach E. van Giffen)
Quelle: Jankuhn, Herbert: Deutsche Agrargeschichte
Anders als in der Marsch sind in den trockenen Gebieten des Binnenlandes die An-
siedelungen weniger gut bekannt. In der vorrömischen Eisenzeit bestanden hier
schon Gehöfte und kleine Gehöftgruppen. In den ersten Jahrhunderten nach Chr.
Geb. existierten noch solche weilerartigen Ansiedlungen, daneben entwickelten sich
regelrechte Dorfanlagen. Die sich in den nachchristlichen Jahrhunderten ergebende
Bevölkerungsvermehrung in der Germania libera zwang nicht nur zu einem Land-
ausbau, sondern führte offenbar auch zu einem Wachsen der Ansiedlungen selbst.
(vgl. JANKUHN, 1969, S.138)
,,Die zunächst als Folge der römischen Angriffskriege, später, am Vorabend der
großen Wanderungen, aber auch durch Spannungen im Inneren unruhiger werden-
den Verhältnisse führten, wenn auch nur vereinzelt, zum Neubau von Befestigungs-
anlagen oder zum Ausbau schon vorhandener."
(vgl. JANKUHN, 1969, S.139) Sol-
che Festungen waren Sitze von Häuptlingen oder Kleinkönigen. Ihr Wohlstand be-
ruhte auf dem Handel mit dem linksrheinischen, noch römischen Gebiet, ihre Macht
auf ihrer politischen Rolle als Gaufürsten und dem Schutz, den sie in ihren offenbar
mit Hilfe versklavter Provinzialrömer modern ausgebauten Festungen bieten konn-
ten. (vgl. JANKUHN, 1969, S.139)

26
Bild 12: Befestigte Siedlung der Römischen Kaiserzeit von Zeijen, Prov. Drente
Quelle: Jankuhn, Herbert: Deutsche Agrargeschichte
Aufschlüsse über die Nahrungswirtschaft liegen nur für einen kleinen Teil Germa-
niens vor. Man muss also vor vorschneller Übertragung der in besser untersuchten
Gebieten gewonnenen Erkenntnisse auf schlechter erforschte Landschaften warnen.
In der Marsch befanden sich schon in der vorrömischen Eisenzeit Stallgebäude, die
das Aufstallen von 30 bis 50 Stück Großvieh zuließen. Auch in den nachchristlichen
Jahrhunderten entsprach der Viehbestand der einzelnen Bauernhöfe im Umfange den
Verhältnissen der vorrömischen Eisenzeit. Anders lagen die Verhältnisse auf den
Trockengebieten der jüdländischen Halbinsel. Hier ergab sich nur ein Viehbestand
von höchstens 17 Stück Vieh. Auch für ein Lößgebiet des Binnenlandes liegt eine
Untersuchung zum Haustierbestand vor. An erster Stelle stand hier das Rind, dann
das Schwein, es folgten das Pferd und das Schaf. Die Anzahl der Tiere im Binnen-
land hob sich, sofern diese Fundstelle als typisch betrachtet werden darf, nicht we-
sentlich von dem Viehbestand der Bauernhöfe in der Marsch ab. (vgl. JANKUHN,
1969, S.140 ff.)
Die klimatischen Bedingungen in dieser Zeit erforderten nicht zwingend eine winter-
liche Aufstallung des Großviehs, dennoch sind in großem Umfang insbesondere Rin-
der aufgestallt worden. Erklärt wird dies durch eine leichtere Bewirtschaftung vor
allem beim Melken und durch die gezielte Fütterungsmöglichkeit. (vgl. HENNING
1, 1997, S.411)

27
Auch für das Aussehen der Haustiere liefern die Funde gute Unterlagen. Das kurz-
hörnige Rind war zierlich, das Pferd klein mit einer Widerristhöhe von etwa 1,35
Metern. Erst in der Merowingerzeit begann eine Entwicklung, die zu den großen und
kräftigen Pferden des hohen Mittelalters führte. Das Hausschwein war schmächtig
und das Schaf gehörte einem derben Landschlag an. Unter den Hunden gab es ver-
schiedene Formen, vom kleinen Zwerghund bis zu großen doggenartigen Tieren. Die
selten vorkommenden Katzen waren nicht aus einheimischen Wildformen gezähmt
worden, sondern waren aus römischem Gebiet eingeführt. Eine besondere Zucht von
Haustieren, die auf bestimmte Zuchtziele ausgerichtet gewesen wäre, ist nirgends
nachweisbar. (vgl. JANKUHN, 1969, S.146)
Der Getreideanbau vollzog sich auf Feldern, deren Umfang und Größe durch archäo-
logische Entdeckungen verhältnismäßig gut bekannt ist. Die Größe der Äcker richte-
te sich zum einen nach der Zahl der daran teilhabenden Höfe und zum anderen nach
der Betriebsform der Ackerwirtschaft. Abhängig von der Zahl der teilhabenden Höfe
lag die Größe der Ackerfläche in Mitteleuropa meist unter 20 Hektar. (vgl.
HENNING 1, 1997, S.389)
Die Betriebsform des Getreideanbaues ist weitgehend unklar. Dass ein Wechselsys-
tem von Anbau und Brache bestand, ist sicher. So streng geregelte Wechselsysteme
wie die Dreizelgen ­ Wirtschaft sind jedoch jüngeren Datums und so bleibt die alte
Annahme einer wilden ,,Feld ­ Gras ­ Wirtschaft" gültig. An Erntegeräten sind nur
Sicheln bekannt. Für die Grasmahd wurde eine Kurzstielsense benutzt. (vgl. SEIDL,
1995, S.43)
Unklar ist auch die Winterfuttergewinnung für die aufgestallten Tiere. An Heuernte
auf künstlich angelegten Wiesen ist nicht zu denken, dagegen boten die Talauen na-
türliche Wiesen. Ein Ansatz wäre auch die Laubheufütterung.
Ob Obst- und Gartenbau eine große Rolle gespielt haben, ist sehr unsicher, denn
Funde von Obstresten im freien Germanien fehlen, sofern es sich nicht um eine For-
schungslücke handelt. Auffallend ist dies deshalb, weil Kulturformen von Äpfeln,
Birnen und großkernigen Früchten wie der Pflaume in Mitteleuropa schon in vorge-
schichtlicher Zeit bekannt waren. (vgl. JANKUHN, 1969, S.156 und S.158)
Die Schwerpunkte des Gewerbe und Handwerks lagen in dieser Zeit auf dem Metall-
handwerk, der Holzkohleproduktion, der Eisengewinnung, der Waffenschmiederei,
dem Kunsthandwerk, dem Zimmermannsgewerbe, dem Schiffsbau, dem Herstellen
von Schilden und Langbögen, der Verarbeitung von Knochen, Horn und Geweih und

28
der Töpferei. Ob das Textilhandwerk über eine im Hause allgemein geübte Tätigkeit
hinausging, bleibt fraglich. Genauso fraglich bleibt, ob es ein spezialisiertes Riemer-
und Sattlerhandwerk gegeben hat.
(vgl. JANKUHN, 1969, S.160 ff.)
2.3 Die Landwirtschaft im Mittelalter
Das Kapitel ,,Die Landwirtschaft im Mittelalter" behandelt den Zeitraum von ca. 500
bis ca. 1500. Das Mittelalter kann man in Frühmittelalter, Hochmittelalter und Spät-
mittelalter gliedern.
2.3.1 Die Landwirtschaft im Frühmittelalter
Das Frühmittelalter begann mit der Ablösung Roms als geschichtstragende und ­
bestimmende Macht im westlichen Mittelmeerraum.
In dieser Zeit bildete sich das Feudalsystem als Gesellschafts- und Wirtschaftsord-
nung aus. Kernstück des mittelalterlichen Feudalsystems war das Lehenswesen. ,,Das
Lehenswesen entstammte der Gewohnheit des weltlichen und geistlichen Adels, an
Nachrangige Land zu leihen und nicht zu eigen zu geben."
(vgl. SEIDL, 1995, S.48)
Das Lehensgut wurde ohne oder mit geringer Abgabebelastung von dem obersten
Lehensherrn, dem König, an seine Lehensleute, die herrschende Oberschicht, verge-
ben. Diese gaben ihrerseits Lehen aus, deren Lehensnehmer ebenfalls. Der König
war für die Lehensnehmer dieser Schichten nur noch mittelbarer Lehensherr. Es bil-
dete sich eine Lehenskette nach Rangordnung der Lehensnehmer mit dem König an
der Spitze.
,,Streng von dieser günstigen Lehensform, die nur die in die sog. Lehenspyramide
einbezogenen oberen Gesellschaftsschichten betraf und die Verleihung zu niedrigen
oder ohne Belastungen vorsah, ist die belastende Leihe für die abhängigen Bauern
zu scheiden, die die Hofstellen der Lehensleute bewirtschafteten."
(vgl. SEIDL,
1995, S.53) Ihr Schicksal war es, über Abgaben in Naturalien oder Geld und Dienst-
leistungen die Lebensführung einer elitären Schicht zu ermöglichen. Insgesamt
machten die Unfreien und unfrei gewordenen die weitaus überwiegende Masse der

29
Bevölkerung aus. Der Leibherr hatte die Verpflichtung zum Schutz der Person des
Leibeigenen, des Leiheguts und gegebenenfalls auch seines Vermögens. ,,Dies darf
aber nicht über die tatsächlichen Machtverhältnisse hinwegtäuschen."
(vgl. SEIDL,
1995, S.62)
Bild 13: Lehenspyramide
Quelle: Seidl, Alois: Deutsche Agrargeschichte
Das Feudalsystem war vor allem dort zu finden, wo der Boden aus naturräumlichen
Gegebenheiten oder aus rechtlichen Gründen knapp war (oder knapp gehalten wur-
de) und wo die Arbeitsproduktivität in der Landwirtschaft so niedrig war, dass sich
der nichtlandwirtschaftliche Sektor nicht stark genug entwickeln konnte. (vgl.
HENNING 3, 1985, S.44)
Seidl (1995) nennt auch noch andere Gründe für die feudalistische Abhängigkeit der
Bauern. Seine Hauptgründe für die Abhängigkeit der Bauern sind, dass sie sich frei-
willig in die Abhängigkeit einflussreicher Feudalherren begeben haben, was dem im

30
römischen Reich üblichen Klientelverhältnis entsprach oder gewaltsam in dieses Ab-
hängigkeitsverhältnis gebracht wurden. Hinzu kam, dass der Landausbau nur von
den finanzkräftigen Feudalherren geleistet werden konnte, wodurch der landsuchen-
de Einzelbauer von Anfang an in ein Abhängigkeitsverhältnis geriet. Möglichkeiten
zur Abwanderung auf freien Boden oder in freie nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten
bestanden für die Bauern zunächst nicht. (vgl. SEIDL, 1995, S.56)
Die Wirtschaftsflächen waren nach der Römerzeit zum Teil verkommen. Durch die
Völkerwanderung war die Sesshaftigkeit streckenweise unterbunden worden und
ehemals bewirtschaftetes Land war wieder verwaldet. (vgl. ERNST 1, 1996, S.25) So
wurden im Frühmittelalter auf ehemals römischem Reichsgebiet vor allem Lößland-
schaften und nichtversumpfte Tallandschaften besiedelt. Bereits wieder bewaldete
Kulturflächen schieden in der ersten Welle der Landnahme aus, zumal der Bevölke-
rungsdruck nicht besonders hoch war (Mitte des 1. Jahrtausends: 2,2 bis 2,4 Einwoh-
ner / qkm). Zu einem Landausbau mit Rodungen kam es erst im 7. bis 10 Jahrhun-
dert, denn in dieser Zeit verdreifachte sich die Bevölkerung. (vgl. SEIDL, 1995,
S.79)
Nach der ersten Landnahme im 6. Jahrhundert kann nur eine wilde, später aber auch
eine geregelte Feldgraswirtschaft angenommen werden, d.h. dass sechs bis acht Jahre
auf Grasland geweidet oder Dörrfutter geerntet wurde, um sie dann zwei bis drei
Jahre dem Ackerbau zuzuführen. Erst nach der endgültigen Landnahme und der
Gründung fester Siedlungen kam es um 800 n. Chr. bei einer wachsenden Bevölke-
rung zu einem gesteigerten Produktionszwang. Dieser Intensivierungsprozess führte
zu einer Betonung des Getreideanbaues im Rahmen der noch im Frühmittelalter auf-
kommenden Dreifelderwirtschaft mit der Folge Winterung, Sommerung, Brache.

31
Bild 14: Pflugarbeiten und Ackernutzung bei der Dreifelderwirtschaft im Jahres-
ablauf
Quelle: Seidl, Alois: Deutsche Agrargeschichte
Bei der Zusammenfassung der Einzelanteile der Bauern zu Großfeldern entwickelte
sich die Dreifelderwirtschaft zur Dreizelgenwirtschaft kombiniert mit Flurzwang
weiter. In diesem Dreizelgensystem rotierte der Anbau in dreijährigem Turnus sys-
tematisch um die gesamte Ackerflur. Da es keine Wege und keine Zufahrten in unse-
rem heutigen Sinne zu den Parzellen gab, erfolgten Aussaat und Ernte zu einer fest-
gesetzten Zeit, um jede Schädigung zu vermeiden. Dies bedeutete, dass ein strenger
,,Flurzwang" eingeführt werden musste. Wer sich diesem Flurzwang nicht unterwarf,
hatte keine Rechtsansprüche bei Ertrags- und Ernteschäden. Konkret bedeutete dies,
dass ein Besitzer, der das öffentlich bekannt gegebene ,,Kornschneiden" nicht verein-
barungsgemäß wahrnahm, sich wegen der unsachlichen Überfahrt über sein Grund-
stück hinterher nicht beklagen konnte. Gebräuchlich war zu dieser Zeit auch noch die
Einfeld- und Zweifeldwirtschaft. (vgl. ERNST 1, 1996, S.33 ff.)
Die mittelalterliche Produktionstechnik stand auf einem insgesamt niedrigerem Ni-
veau als die der Römerzeit. Die pflanzenbauliche Produktionstechnik war vor allem
gekennzeichnet durch eine im Verlauf des Mittelalters sich durchsetzende Verbesse-
rung der Bodenbearbeitung. Sie brachte den Übergang vom Hakenpflug zum schol-
lenwendenden Beetpflug (= Streichbrettpflug). Durch die Wiederholung des Ausein-
ander- und Zusammenpflügens an derselben Stelle entstanden sog. Hoch- oder
Wölbäcker. (vgl. SEIDL, 1995, S.69)
Es kam auch zu einer Veränderung der Flurformen, was in erster Linie durch einen
Wechsel in der Pflugtechnik bedingt war. Die gedrungenen Ackerformen der frühen
Blockfluren eigneten sich in besonderem Maße für den Einsatz des Hakenpfluges,
der ein kreuzweises Pflügen zur Lockerung des Bodens voraussetzte, während die

32
schmalen Felder der jüngeren Langstreifenfluren die effektive Verwendung des
Streichbrettpfluges durch selteneres Wenden der Gespanne erleichterte. (vgl.
HENNING 1, 1997, S.391)
Die Wirkungskraft des Pflügens wurde zudem durch die Anspannung einer größeren
Zahl von Zugochsen oder den Übergang zum zugkräftigeren Pferd erhöht. Neben
dem Pflug spielte die Egge für das Herrichten des Saatbeetes (Schollenzerkleinerung,
Krümeln und Einebnen der Oberkrume, Herstellung des Bodenüberschusses, Heraus-
reißen von Unkräutern) eine wichtige Rolle. Hauptgerät der Getreideernte war nach
wie vor die Sichel. Das Sensenblatt war inzwischen so weiterentwickelt worden, dass
weitgehend aufrecht gemäht werden konnte. Die Sense wurde jedoch wie in früheren
Zeiten vornehmlich zur Grasmahd verwendet.
Bei der Druschtechnik war im Frühmittelalter immer noch das Austreten durch Vieh
verbreitet. Zur Weiterverarbeitung des Getreides dienten einfache Handmühlen. Auf-
fallend ist, dass beim landwirtschaftlichen Gerät die Eisenteile zunahmen. In der wei-
terverarbeitenden Milchwirtschaft wurden tönerne Siebgeräte für die Quarkbereitung
und zur Käseherstellung und Butterfässer nachgewiesen.
Das Spektrum der im ersten Jahrtausend für die Landwirtschaft genutzten Geräte war
kaum geringer als das der Neuzeit. (vgl. SEIDL, 1995, S.69 ff.) ,,Mangels hinrei-
chender Siedlungsbefunde sind die Aussagemöglichkeiten zur Tierhaltung der Völ-
kerwanderungszeit und im Frühmittelalter wesentlich eingeschränkter. Im wesentli-
chen wird es sich wie schon in der römischen Kaiserzeit um die Beibehaltung seit
langem bewährter Arten gehandelt haben. Es gibt keine Hinweise auf ganz grund-
sätzliche Veränderungen oder Erweiterungen in dieser Zeit."
Die Widerristhöhen
der Tiere waren also noch immer sehr niedrig. (vgl. HENNING 1, 1997, S.410)
Das Futter für die Tiere lieferten Weide incl. Brach- und Stoppelweide. Dauerweiden
waren die meist der Gemeinnutzung unterliegenden Allmendeflächen. Ein Engpass
war nach wie vor die Erzeugung von Futtervorräten für den Winter. Zusammen mit
fehlenden Stallkapazitäten und ohne systematisch betriebener Stallmistpflege waren
die Milchleistungen dementsprechend niedrig (1000 Liter je Kuh und Jahr).
Neben dem Getreideanbau trug die Ausweitung des Hülsenfruchtanbaus (Erbsen und
Linsen), des Anbaues von Faserpflanzen (Hanf und Flachs) und von Dauerkulturen
(Obst und Weinbau) zu einer Intensivierung der Landwirtschaft bei. (vgl. SEIDL,
1995, S.72 ff.)

33
Mit der straffen Verwaltungsgliederung des Großgrundbesitzes und aller davon in
weiterer Abhängigkeit befindlichen Ländereien kamen die Höfe der Grundherrschaf-
ten und angegliederten Kleinbetriebe mit ihrer jetzt oft über den eigenen Bedarf hi-
nausgehenden Produktion als Lieferbetriebe in Frage. Die Römer bewältigten dies
ein halbes Jahrtausend zuvor. (vgl. HENNING 1, 1997, S.387)
2.3.2 Die Landwirtschaft im Hochmittelalter
In dem Zeitraum vom 12. bis zum 14. Jahrhundert verdreifachte sich die Be-
völkerung erneut. Diese Tatsache ließ zum ersten Mal die Grenzen der Nah-
rungsversorgung bei Beibehaltung des niedrigen Produktionsstandes erkennen.
Der weit überwiegende Teil der zuwachsenden Bevölkerung wurde von der einhei-
mischen Landwirtschaft aufgenommen, teilweise auf der Basis der Ausdehnung der
vorhandenen Siedlungen, teilweise durch die Anlage von neuen Siedlungen in Ver-
bindung mit weiteren Rodungen (Hochschwarzwald, Odenwald, Böhmerwald, Al-
pentäler). Ortsnamen mit den Endungen -rode, -rat, -rith oder ­reith lassen noch heu-
te erkennen, dass diese Gebiete nicht zum Altsiedelland gehörten, sondern im Hoch-
mittelalter durch Rodung hinzugewonnen wurden. An der Nordsee kam es zu Errich-
tung von Deichen. Ein weiterer Teil siedelte sich in den schnell und in großer Zahl
entstehenden Städten an. Es kam zu einer sog. wirtschaftlichen und kulturellen Blü-
tezeit der Städte. Man kann die städtische Bevölkerung für die Mitte des 14. Jahr-
hunderts auf etwa 0,8 Mio. Menschen ( ca. 12%) schätzen. (vgl. HENNING 2, 1994,
S.139)
In der Welle der Städtegründungen erwuchsen den Bauern Märkte, die einen ersten
Einstieg in die marktverbundene Kulturwirtschaft ermöglichten. Die Entstehung von
Marktbeziehungen in immer größerem Umfang aufgrund der wachsenden städtischen
Wirtschaft hatte eine verbesserte Einkommens- und Ausstattungsmöglichkeit auch
der bäuerlichen Bevölkerung zur Folge. (vgl. HENNING 3, 1985, S.89)
Leibeigene hatten nun die Möglichkeit, sich durch Abwanderung in die Städte zu
befreien. ,,Nach dem Grundsatz ,,Stadtluft macht frei" wurde der Unfreie dann frei,
wenn der Grundherr innerhalb der Frist eines Jahres keine Ansprüche an den ent-
laufenden Leibeigenen erhob."
(vgl. SEIDL, 1995, S.62)

34
Eine große politische und territoriale Bedeutung erlangte die Abwanderung in die
Gebiete jenseits von Elbe und Saale, verbunden mit dem Namen ,,Ostkolonisation."
Im Zuge der Binnen- und Ostkolonisation haben sich neben oder aus den bisher be-
stehenden lockeren Gehöftgruppen, die von wenigen in Streifen oder Blöcke geglie-
derten Feldern und Wiesen umgeben waren, charakteristische neue Dorfformen und
Flurformen entwickelt. (vgl. LIENAU, 1995, S.66)

35
Bild 15: Dorfformen
Quelle: Seidl, Alois: Deutsche Agrargeschichte

36
Bild 16: Flurformen
Quelle: Seidl, Alois: Deutsche Agrargeschichte

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832457563
ISBN (Paperback)
9783838657561
Dateigröße
5.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Gießen-Friedberg; Standort Gießen – Geographie
Note
2,0
Schlagworte
lehramt außenschulischer lernort geschichte geographie erdkunde
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Titel: Landwirtschaft und Schule
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