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Der Arbeitnehmer als Unternehmer?

Anforderungen und deren Problematik im Kontext neuer betrieblicher Organisationskonzepte

©2000 Diplomarbeit 109 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Auf zahlreichen Märkten vollzieht sich seit einigen Jahren ein grundlegender Wandel der Wettbewerbsverhältnisse. Diese Veränderung wird von den Unternehmen insgesamt als Intensivierung des Wettbewerbs wahrgenommen. Bürokratische Organisationsstrukturen, die durch zentrale Planung und Steuerung sowie hierarchische Regelungen und Kontrollen gekennzeichnet sind, gelten inzwischen als obsolet, weil davon ausgegangen wird, dass sie zu unflexibel sind, um den neuen Marktanforderungen gerecht zu werden. Um ihre Wettbewerbsfähigkeit wieder her- bzw. sicherzustellen, besteht die Reaktion vieler Unternehmen darin, neue betriebliche Organisationskonzepte zu implementieren. Sie zielen darauf ab, bürokratische Organisationsstrukturen zu verändern und neue Leistungspotentiale des Arbeitnehmers zu erschließen.
Mit den Reorganisationsmaßnahmen geht die Veränderung der Arbeitsorganisation und der Anforderungen an den Arbeitnehmer einher. Arbeit soll auf andere Weise „eingerichtet“ werden. Vordergründig entsteht dabei der Eindruck, als würde mit neuen betrieblichen Organisationskonzepten eine Demokratisierung der Unternehmen angestrebt. Im Rahmen dieser theoretischen Arbeit wird daher der Frage nachgegangen, ob diese Konzepte tatsächlich einen grundlegenden Abbau von betrieblicher Herrschaft intendieren. Viele Elemente sprechen auf den ersten Blick dafür, wie z.B. Abflachung der Hierarchie, Dezentralisierung von Kompetenzen, Partizipation und Selbstorganisation des Arbeitnehmers. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass der Arbeitnehmer wie ein Unternehmer denken und handeln soll und damit ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Unternehmer bzw. Unternehmensleitung suggeriert wird. Wenngleich die Schlussfolgerung nahe liegt, dass im Kontext neuer betrieblicher Organisationskonzepte Herrschaft reduziert wird, also die Arbeit tatsächlich so eingerichtet wird, dass sie den Arbeitnehmer „beglückt“, lautet die zentrale These dieser Arbeit: Betriebliche Herrschaft wird nicht grundsätzlich abgebaut, sondern ihr Charakter verändert sich.
Gang der Untersuchung:
Zur Überprüfung dieser These wird zunächst im ersten Kapitel der Hintergrund betrieblicher Reorganisationsmaßnahmen beleuchtet. Hierfür werden die traditionellen Prinzipien der Unternehmensführung sowie die ihnen zugrundeliegenden Rahmenbedingungen dargestellt. Es werden die Veränderung dieser Rahmenbedingungen und die Konsequenzen für die Unternehmensführung […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Einleitung

Auf zahlreichen Märkten vollzieht sich seit einigen Jahren ein grundlegender Wandel der Wettbewerbsverhältnisse. Diese Veränderung wird von den Unternehmen insgesamt als Intensivierung des Wettbewerbs wahrgenommen. Bürokratische Organisationsstrukturen, die durch zentrale Planung und Steuerung sowie hierarchische Regelungen und Kontrollen gekennzeichnet sind, gelten inzwischen als obsolet, weil davon ausgegangen wird, daß sie zu unflexibel sind, um den neuen Marktanforderungen gerecht zu werden. Um ihre Wettbewerbsfähigkeit wieder her- bzw. sicherzustellen, besteht die Reaktion vieler Unternehmen darin, neue betriebliche Organisationskonzepte zu implementieren. Sie zielen darauf ab, bürokratische Organisationsstrukturen zu verändern und neue Leistungspotentiale des Arbeitnehmers zu erschließen.

Mit den Reorganisationsmaßnahmen geht die Veränderung der Arbeitsorganisation und der Anforderungen an den Arbeitnehmer einher. Arbeit soll auf andere Weise „eingerichtet“ werden. Vordergründig entsteht dabei der Eindruck, als würde mit neuen betrieblichen Organisationskonzepten eine Demokratisierung der Unternehmen angestrebt. Im Rahmen dieser theoretischen Arbeit wird daher der Frage nachgegangen, ob diese Konzepte tatsächlich einen grundlegenden Abbau von betrieblicher Herrschaft[1] intendieren. Viele Elemente sprechen auf den ersten Blick dafür, wie z.B. Abflachung der Hierarchie, Dezentralisierung von Kompetenzen, Partizipation und Selbstorganisation des Arbeitnehmers. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, daß der Arbeitnehmer wie ein Unternehmer denken und handeln soll und damit ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Unternehmer bzw. Unternehmensleitung suggeriert wird. Wenngleich die Schlußfolgerung nahe liegt, daß im Kontext neuer betrieblicher Organisationskonzepte Herrschaft reduziert wird, also die Arbeit tatsächlich so eingerichtet wird, daß sie den Arbeitnehmer „beglückt“, lautet die zentrale These dieser Arbeit: Betriebliche Herrschaft wird nicht grundsätzlich abgebaut, sondern ihr Charakter verändert sich.

Zur Überprüfung dieser These wird zunächst im ersten Kapitel der Hintergrund betrieblicher Reorganisationsmaßnahmen beleuchtet. Hierfür werden die traditionellen Prinzipien der Unternehmensführung sowie die ihnen zugrundeliegenden Rahmenbedingungen dargestellt. Es werden die Veränderung dieser Rahmenbedingungen und die Konsequenzen für die Unternehmensführung thematisiert. Ferner wird die besondere Bedeutung, die den Organisationsstrukturen beigemessen wird, aufgezeigt.

Im Mittelpunkt des zweiten Kapitels steht die Frage, welche Anforderungen an den Arbeitnehmer im Kontext neuer betrieblicher Organisationskonzepte gestellt werden. Exemplarisch werden das Lean-Management- und Business-Reengineering-Konzept diskutiert, die seit den 90er Jahren propagiert und implementiert werden. Zwar existiert eine Vielzahl neuer Organisationskonzepte, jedoch gelten sie größtenteils als verschiedene Varianten dieser beiden Konzepte, die zu den prominentesten zählen. Weiterhin werden die dominanten Prinzipien Dezentralisierung und Vermarktlichung sowie das Profit-Center als ein Gestaltungsinstrument neuer betrieblicher Organisationskonzepte dargestellt. In diesem Kapitel zeigt sich, daß die zentrale Anforderung an den Arbeitnehmer darin besteht, sich unternehmerisch zu verhalten. Die Konzepte erläutern jedoch nicht, welches Verhalten einen Unternehmer im ursprünglichen Sinne überhaupt auszeichnet.

Fraglich ist, ob das vom Arbeitnehmer geforderte Verhalten tatsächlich dem eines Unternehmers entspricht und damit ein Abbau betrieblicher Herrschaft einhergeht. Im dritten Kapitel wird daher der Blick zunächst auf den Unternehmer gerichtet und untersucht, welches Verhalten ihn auszeichnet. Weil die Forderung nach unternehmerischem Verhalten des Arbeitnehmers in neuen betrieblichen Organisationskonzepten aus einer wirtschaftlichen Perspektive gestellt wird, stützt sich dieses Kapitel im wesentlichen auf ökonomische Theorien, die den Unternehmer als Träger wirtschaftlichen Handelns eingehend untersuchen. In diesen Theorien wird das Verhalten des Unternehmers aus seinen Funktionen[2] abgeleitet. Die Fragen dieses Kapitels lauten deshalb: Welche ökonomischen Funktionen werden dem Unternehmer im Rahmen dieser Theorien zugeschrieben, und welches Verhalten resultiert aus ihnen?

Im vierten Kapitel werden die Charakteristika des Unternehmers auf neue betriebliche Organisationskonzepte übertragen, d.h., es wird untersucht, inwieweit die Funktionen und das Verhalten des Unternehmers den Anforderungen an den Arbeitnehmer entsprechen. Damit stellt sich die Frage, ob betriebliche Herrschaft tatsächlich grundlegend abgebaut wird, sich somit die Arbeitssituation für den Arbeitnehmer vorteilhafter gestaltet oder ob sich durch diese Veränderungen sogar „neue“ Nachteile für ihn ergeben.

Im fünften Kapitel wird daher der Frage nachgegangen, welche Konsequenzen und Probleme aus den neuen Anforderungen resultieren. Es wird zunächst thematisiert, welchen Belastungen der Arbeitnehmer ausgesetzt ist. Weiterhin wird analysiert, welche neuen betrieblichen Selektionsmechanismen wirken können. Anschließend wird ausführlich diskutiert, wie neue betriebliche Organisationskonzepte versuchen, das zwischen Arbeitnehmer und Unternehmer existierende Machtverhältnis zu verschleiern.

1. Anlaß und Zweck betrieblicher Reorganisationsmaßnahmen

In diesem ersten Kapitel wird am Beispiel der Industrie der Hintergrund betrieblicher Reorganisationsmaßnahmen beleuchtet. Zu diesem Zweck werden die traditionellen Prinzipien der Unternehmensführung sowie die ihnen zugrundeliegenden Rahmen-bedingungen dargestellt. Thema ist, wie sich diese Rahmenbedingungen verändert haben und welche Konsequenzen für die Unternehmensführung aus diesem Wandel resultieren. Weiterhin wird die besondere Bedeutung, die den Organisationsstrukturen beigemessen wird, aufgezeigt.

1.1 Die traditionellen Grundsätze erfolgreicher Unternehmensführung

Erfolgreiche industrielle Unternehmensführung orientiert sich laut Lutz seit Jahrzehnten an einer Reihe von Grundsätzen, die als allgemein anerkannt gelten und in den wesentlichen Wissenschaftsdisziplinen formuliert sind. Dies gilt beispielsweise für die Organisationslehre und ihre Prinzipien der Unternehmensorganisation, Arbeitsorganisation und Arbeits-gestaltung. (Vgl. Lutz 1996, S. 29ff.) Diese Grundsätze schließen bestimmte Rationalisierungsmuster ein und intendieren eine weitgehende Trennung der dispositiv-innovativen von der ausführenden Arbeit (vgl. z.B. Fayol 1929, Taylor 1977). In der Praxis bilden diese Grundsätze die Basis für unternehmerische Situationseinschätzungen und Entscheidungen. Beispiele für diese Grundsätze sind: die eindeutige arbeitsteilige Abgrenzung von Bereichen, hierarchischen Verantwortlichkeiten und fachlichen Zuständigkeiten, die Gleichstellung von hierarchischer Position und fachlicher Kompetenz, die höchstmögliche Effektivierung und Durchplanung sämtlicher betrieblicher Prozesse, die Behauptung am Markt durch die sukzessive Verbesserung bestehender Produkte, die Entwicklung neuer Produkte nur im Ausnahmefall und zur Neuerschließung von Märkten sowie die höchstmögliche Nutzung der Serienproduktion. (Vgl. Lutz 1996, S. 29f.) Der diesen Grundsätzen entsprechende Organisationstyp kann als bürokratisch-zentralistisch bezeichnet werden.[3]

Unternehmerisches Handeln und Entscheiden erfolgen häufig unter hohem Zeit- und Kostendruck. Die Orientierung an den beschriebenen Grundsätzen bedeutet für das Management, weniger bedeutende Aspekte aus seinen Überlegungen ausblenden zu können und dadurch Zeitverluste und hohe Kosten zu vermeiden. In diesem Sinne haben die Grundsätze für das Management eine Entlastungsfunktion und begründen zugleich ihre Geltung und Verbreitung. (Vgl. Lutz 1996, S. 31)

Voraussetzung für diese Entlastungsfunktion ist, daß die Grundsätze die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen industrieller Produktion zuverlässig abbilden und in eindeutige Leitlinien für unternehmerische Aktivitäten übersetzen (vgl. Lutz 1996, S. 31). „Dies ist unter den Umfeld- oder Rahmenbedingungen, die jahrzehntelang in den westlichen Industrienationen herrschten, unstreitbar der Fall.“ (Lutz 1996, S. 31) Beispiele für diese Rahmenbedingungen sind: Absatzmärkte, die sich durch eine langfristig eindeutig prognostizierbare Dynamik auszeichnen, Wettbewerber, die in ihrer Anzahl begrenzt und hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen einschätzbar sind und ausreichend qualifizierte oder leicht zu qualifizierende Arbeitskräfte (vgl. Lutz 1996, S. 29ff.).

1.2 Veränderte Rahmenbedingungen und ihre Konsequenzen für die Unternehmensführung

Grundlegende Veränderungen in den Rahmenbedingungen industrieller Produktion und Unternehmensführung zeichnen sich laut Lutz seit den 70er Jahren ab (vgl. Lutz 1996, S. 33).

„Das Verhalten großer und vermutlich wachsender Verbrauchergruppen ist von bisher unbekannten Unstetigkeiten geprägt; neue aggressive Wettbewerber treten auf; [...] der Arbeitsmarkt ist weder in der Lage, steigende Arbeitslosigkeit noch Knappheit an speziellen Qualifikationen zu verhindern.“ (Lutz 1996, S. 33)

Diese tiefgreifenden Veränderungen werden insgesamt als eine Intensivierung des Wettbewerbs verstanden, von der insbesondere die Industrieunternehmen betroffen sind (vgl. Reichwald, Koller 1996, 225f.).[4] Als weitere Gründe für die verschärften Wettbewerbsbedingungen werden z.B. genannt: steigende technische Komplexität der Produkte, abnehmende Innovationszyklen, wachsende Weltmarktintegration und die stagnierende Nachfrage in bedeutenden Absatzmärkten (vgl. Reichwald, Koller 1996, S. 225, Hirsch-Kreinsen 1995, S. 422, Faust u.a. 1994, S. 68ff., Picot, Reichwald 1994, S. 548). Die Märkte fordern in erster Linie Flexibilität und ein neues Wettbewerbsbewußtsein von den Unternehmen. Um auf diese Marktanforderungen angemessen zu reagieren, sind die Unternehmen bestrebt, schnell auf Nachfrageveränderungen einzugehen, Produktinnovationen in kürzester Zeit am Markt zu plazieren, die Qualität zu erhöhen und zugleich die Kostenentwicklung zu kontrollieren. Daher gewinnen die Ziele Kosten, Zeit, Flexibilität und Qualität in wettbewerbsstrategischer Hinsicht an Bedeutung. Auf turbulenten Märkten gelten Zeit und Flexibilität als wettbewerbsentscheidende Faktoren. (Vgl. Picot, Reichwald 1994, S. 549) Die Aufgaben, die die Unternehmen zu bewältigen haben, sind laut Reichwald, Koller erheblich komplexer geworden. Weiterhin wird die zunehmende und radikale Veränderung der Aufgaben betont. Die Methoden zur Bewältigung der Aufgaben sind im voraus häufig nicht bekannt. (Vgl. Reichwald, Koller 1996, S. 226)

Aufgrund dieser Veränderungen wird den traditionellen Grundsätzen und Leitbildern[5] erfolgreicher industrieller Unternehmensführung in zunehmendem Maße ihr Realitätsbezug und damit ihr Wert für die Unternehmenspraxis abgesprochen (vgl. Lutz 1996, S. 33).[6] In Konsequenz wird es als notwendig erachtet, daß die Unternehmen umfangreiche Anpassungsleistungen vornehmen. Diese sollen zum einen darin bestehen, neue strategische Grundsätze und Leitbilder zu implementieren, die den veränderten Wettbewerbsverhältnissen entsprechen. (Vgl. Lutz 1996, S. 36f.) Zum anderen hält man es für zunehmend wichtig, daß Unternehmen ihre Innovationsfähigkeit steigern (vgl. Reichwald, Koller 1996, S. 227).

1.3 Die Bedeutung der Organisationsstrukturen

Die Innovationsfähigkeit der Unternehmen wird als Potential verstanden, „[...] veränderte (marktliche, technische, rechtliche oder soziale) Rahmenbedingungen systematisch und schnell zu erfassen sowie das eigene Leistungsprogramm und/oder die Prozesse entsprechend anzupassen.“ (Reichwald, Koller 1996, S. 227) Demzufolge besteht die Innovationsfähigkeit darin, den Flexibilitätsanforderungen gerecht zu werden. Aus dieser Perspektive hängt die so verstandene Innovationsfähigkeit u.a. von der internen Organisation der Unternehmen ab (vgl. Reichwald, Koller 1996, S. 227). Bürokratische Organisationen werden aufgrund ihrer Rigidität häufig als Hemmschuh dieser Anpassungsleistungen betrachtet (vgl. z.B. Vieth, 1995, S. 55). Nicht bürokratische, sondern flexible, netzwerkartige Strukturen, die kurzfristig und flexibel an neuartige Aufgaben- und Problemstellungen angepaßt werden können, gelten als zeitgemäß (vgl. Pfeiffer, Weiss 1994, S. 109). Hier zeigt sich, daß die Anpassungs-leistungen miteinander in Verbindung stehen: Die Implementierung neuer strategischer Grundsätze und Leitbilder kann sowohl Auslöser als auch Folge der Innovationsfähigkeit der Unternehmen sein. In beiden Fällen ergänzen sich diese Leistungen.

Die Realisierung dieser Anpassungen ist häufig in vielen Unternehmen mit umfassenden Reorganisationsmaßnahmen verbunden.[7] Pfeiffer, Weiss stellen aus einer betriebs-wirtschaftlichen Perspektive fest, daß es dabei nicht um oberflächliche Korrekturen geht, sondern um „massive Restrukturierungen“. (Pfeiffer, Weiss 1994, S. 225) Unternehmens-reorganisation kann als Moment der Rationalisierung begriffen werden. Im Unterschied zu früheren Rationalisierungsmaßnahmen steht laut Sauer, Döhl seit Beginn der 90er Jahre die Optimierung des gesamten betrieblichen Ablaufs im Mittelpunkt. „Rationalisierung geht über die Effektivierung der unmittelbaren Produktion hinaus; es geht um ganzheitliche, d.h. Arbeit, Betrieb und Unternehmen als Einheit umfassende Konzepte, die auf eine Restrukturierung auf allen Ebenen gleichermaßen abzielen [...].“ (Sauer, Döhl 1997, S. 20) Darin wird auch die besondere Bedeutung von Organisationsstrukturen[8] gesehen. „Sie bilden eine Infrastruktur, die das Hervorbringen und die erfolgreiche Umsetzung neuer Ideen nachhaltig beeinflußt. Organisationsinnovationen bilden deshalb einen strategischen Hebel, der die Wettbewerbs-bedingungen verändern kann.“ (Frese, v. Werder 1994, S. 4)

1.4 Zusammenfassung

In diesem ersten Kapitel wurde am Beispiel der Industrie gezeigt, daß erfolgreiche Unternehmensführung sich seit Jahrzehnten an traditionellen Grundsätzen orientiert, die eine Entlastungsfunktion für das Management haben. Als Voraussetzung dieser Entlastungs-funktion gelten stabile wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Der Wandel der Rahmenbedingungen zeichnet sich seit den 70er Jahren ab und stellt insgesamt eine Intensivierung des Wettbewerbs dar, die als Anlaß der betrieblichen Reorganisations-maßnahmen betrachtet werden kann. Die herkömmlichen Grundsätze erfolgreicher Unternehmensführung scheinen aufgrund dieser Entwicklung ihre praktische Bedeutung zu verlieren. Der Zweck betrieblicher Reorganisationsmaßnahmen besteht darin, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu sichern und zu steigern. Dazu werden seitens der Unternehmen bestimmte, einander ergänzende Leistungen erforderlich. Zum einen sollen neue strategische Grundsätze und Leitbilder implementiert, zum anderen die Innovations-fähigkeit von Unternehmen gesteigert werden. Eine besondere Bedeutung kommt hierbei den Organisationsstrukturen zu, von denen erwartet wird, daß sie die Innovationsfähigkeit und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nachhaltig beeinflussen können. Die Veränderung bestehender, als unflexibel geltende Organisationsstrukturen und die Erschließung neuer Leistungspotentiale des Arbeitnehmers sind Gegenstand neuer betrieblicher Organisationskonzepte.

2. Neue betriebliche Organisationskonzepte

Von neuen betrieblichen Organisationskonzepten, die im folgenden auch als Restruk-turierungskonzepte bezeichnet werden, wird eine Produktivitätssteigerung zur Sicherung bzw. Steigerung der Wettbewerbskraft erwartet.[9] Sie können als Auslöser betrieblicher Reorganisationsmaßnahmen verstanden werden. „Noch nie war der Stellenwert der Fähigkeit, Organisationskonzepte entwickeln und erfolgreich umsetzen zu können, beim Aufbau und bei der Sicherung von Wettbewerbsvorteilen so hoch wie heute.“ (Frese, v. Werder 1994, S. 4) Daher sind die Unternehmen essentiell darauf angewiesen, daß die Arbeitnehmer die Ziele und wesentlichen Elemente dieser Konzepte akzeptieren und mittragen. Der Arbeitnehmer spielt also im Reorganisationsprozeß eine ganz entscheidende Rolle. Um seine Akzeptanz sicherzustellen, präsentieren die Konzepte die Vielzahl der Anforderungen, die an den Arbeitnehmer gerichtet werden, teilweise als auch für ihn positiv.

In diesem Kapitel werden die wesentlichen Anforderungen an den Arbeitnehmer am Beispiel des Lean-Management- und Business-Reengineering-Konzeptes aufgezeigt. Zwar existiert eine Fülle neuer betrieblicher Organisationskonzepte[10], jedoch gelten sie größtenteils als verschiedene Varianten dieser beiden Konzepte, die zu den prominentesten zählen (vgl. Sauer, Döhl 1997, S. 21, S. 24, Hirsch-Kreinsen 1995, S. 423). Als dominante Prinzipien werden Dezentralisierung und Vermarktlichung sowie das Profit-Center als Gestaltungs-instrument neuer betrieblicher Organisationskonzepte dargestellt.

2.1 Das Lean-Management-Konzept

2.1.1 Begriffsbestimmung und Abgrenzung

Um den Begriff Lean Management verstehen zu können, ist es notwendig, den Begriff Lean Production zu erläutern. Der vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) geprägte Begriff Lean Production wird in der deutschsprachigen Literatur i.d.R. mit schlanker Produktion übersetzt und vom MIT als Gegensatz zur stark arbeitsteilig organisierten Massenproduktion variantenarmer Güter verstanden (vgl. Womack, Jones, Roos 1994). Der Begriff Lean Production ergibt sich im wesentlichen daraus, daß dieses Konzept ursprünglich vorsieht, Kosten, Arbeit, Zeit und Fehler in der Automobilproduktion zu reduzieren.

„»Lean production« [...] ist »schlank«, weil sie von allem weniger einsetzt als die Massenfertigung – die Hälfte des Personals in der Fabrik, die Hälfte der Produktionsfläche, die Hälfte der Investition in Werkzeuge, die Hälfte der Zeit für die Entwicklung eines neuen Produktes. Sie erfordert auch weit weniger als die Hälfte des notwendigen Lagerbestands, führt zu viel weniger Fehlern und produziert eine größere und noch wachsende Vielfalt von Produkten.“ (Womack, Jones, Roos 1994, S. 19)

Dieses Zitat verdeutlicht, daß mit Verschlankung im wesentlichen eine drastische Kostensenkung einhergeht.[11]

Der Begriff Lean Management ergibt sich aus einer erweiterten Perspektive, die über den Produktionsbereich hinausgeht. In diesem Sinne wird der Begriff „lean“ als sorgfältiger Umgang mit sämtlichen verfügbaren Ressourcen interpretiert (vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 35). Gemäß Bösenberg, Metzen zeichnen sich schlanke Unternehmen zusätzlich zur schlanken Produktion durch ein besonderes Verhältnis zu den Kunden, den Lieferanten und den Arbeitnehmern aus. Da der Begriff Lean Management alle diese Aspekte umfaßt, wird er als logische Erweiterung von Lean Production verstanden. (Vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 8) Für Pfeiffer, Weiss repräsentiert Lean Management „[...] die permanente, konsequente und integrierte Anwendung eines Bündels von Prinzipien, Methoden und Maßnahmen zur effektiven und effizienten Planung, Gestaltung und Kontrolle der gesamten Wertschöpfungskette von [...] Gütern und Dienstleistungen.“ (Pfeiffer, Weiss 1994, S. 53) Womack, Jones sprechen später nicht mehr ausschließlich von der schlanken Produktion, sondern vom „schlanken Ansatz“ bzw. vom „schlanken Denken“, das es ermöglicht, den Sprung zum perfekten „Lean Enterprise“ zu machen. Im Kern geht es nach wie vor um das Ausmerzen von Verschwendung. (Vgl. Womack, Jones 1997)[12]

Im Rahmen dieser Arbeit wird der erweiterte Begriff Lean Management bzw. Lean-Management-Konzept verwendet und als eine spezielle Form der Unternehmensführung und damit als ein spezielles Rationalisierungsmuster verstanden, das weiter unten ausgeführt wird.

2.1.2 Entstehung und Ausbreitung

Der Japaner Taiichi Ohno (vormals Betriebsingenieur und zuletzt Vizepräsident der Toyota Motor Corporation) gilt als Begründer des Lean-Management-Konzeptes (vgl. Pfeiffer, Weiss 1994, S. 1).[13] Zu Beginn der 90er Jahre erregt dieses Konzept in den westlichen Industrieländern Aufsehen durch die Studie des MIT (vgl. Womack, Jones, Roos 1994, Pfeiffer, Weiss 1994, S. 6). Gegenstand dieser Studie ist eine vergleichende Analyse zwischen japanischen, amerikanischen und europäischen Unternehmen der Automobilindustrie. Die Analyse verdeutlicht, daß die japanischen, „leanen“ Unternehmen hinsichtlich Produktivität (Stunden/Fahrzeug) und Qualität (Fahrzeugmängel/100 Fahrzeuge) den US-amerikanischen und europäischen Unternehmen überlegen sind. (Vgl. Womack, Jones, Roos 1994, S. 97) Womack, Jones, Roos betrachten das Lean-Konzept als universal:

„Im Verlauf dieser Untersuchung sind wir zu der Überzeugung gelangt, daß sich die Grundsätze der schlanken Produktion in gleicher Weise in jeder Industriebranche der Erde anwenden lassen und daß die Übernahme der schlanken Produktion eine tiefgreifende Wirkung auf die menschliche Gesellschaft haben wird – sie wird wahrhaft die Welt verändern.“ (Womack, Jones, Roos 1994, S. 13f.)[14]

Diese Studie gilt als Auslöser der Lean-Management-Debatte, die in Deutschland in den 90er Jahren nicht nur in der gesamten Industrie lebhaft geführt wird, sondern auch den Dienstleistungsbereich und zu einem späteren Zeitpunkt die öffentliche Verwaltung erfaßt. Das Lean-Management-Konzept erzielt einen außergewöhnlichen Rezeptionserfolg, der auch durch massive kritische Einwände nicht bedeutend geschmälert werden kann. (Vgl. Sauer, Döhl 1997, S. 20f.)[15] Es wird von Pfeiffer, Weiss als ein Konzept dargestellt, das ebenso wie die Konzeptionen von Taylor und Ford grundlegende Innovationen im Denken sowie in der Philosophie von Organisation und Führung von Unternehmen beinhaltet und den gegebenen Rahmenbedingungen in überzeugender Weise entspricht (vgl. Pfeiffer, Weiss 1994, S. 1).

2.1.3 Die zentralen Elemente

Die einzelnen Elemente des Lean-Management-Konzeptes lassen sich nach ihrer Funktion unterscheiden: als Leitgedanken, Arbeitsprinzipien und Grundstrategien. Diese Vorgehens-weise geht auf Bösenberg, Metzen (1995) zurück. Bösenberg leitet von 1982 bis 1990 die Hauptabteilung für Qualitätsförderung innerhalb der Volkswagen AG. 1990 gründet er eine Unternehmensberatungsfirma, die ihren Schwerpunkt im Lean Management hat. Metzen ist u.a. in der technisch-wissenschaftlichen Weiterbildung tätig. Er berät Unternehmen beim Auf-, Aus- und Umbau ihres Humanvermögens[16]. Ihrer sehr optimistischen Ansicht nach kann Lean Management dazu führen, daß die Produktivität verdoppelt, die Qualität beträchtlich verbessert und zugleich die Flexibilität der Fertigung merklich gesteigert wird (vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 12). Die nachfolgende Darstellung der zentralen Elemente, die für diese Arbeit wichtig sind, orientiert sich an der Vorgehensweise von Bösenberg, Metzen. Die Darstellung wird jedoch durch die Ausführungen weiterer Autoren ergänzt.[17]

Geht man davon aus, daß mit dem Lean-Management-Konzept bestehende Organisations-strukturen verändert werden sollen, so ist es verständlich, daß zunächst eine neue Denkweise der Arbeitnehmer angestrebt wird. Die beiden Autoren beschreiben fünf Leitgedanken, die das Fundament des Lean Management bilden (vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 35ff). Sie treffen jedoch nur globale Aussagen und bleiben in ihren Ausführungen der Leitgedanken recht vage. Proaktives Denken soll dazu führen, daß künftige Handlungen vorausschauend durchdacht und initiativ gestaltet werden. Der Arbeitnehmer soll agieren statt reagieren. Auf diese Weise sollen Probleme frühzeitig erkannt bzw. vermieden werden. Ein Kerngedanke des proaktiven Denkens stellt die Prozeß- statt Ergebnisorientierung dar. Sensitives Denken ist als eine Veränderungsbereitschaft zu verstehen, die darauf beruht, daß der Arbeitnehmer mit allen Sinnen seine Umwelt erfassen und anpassungsbereit darauf reagieren soll. Ganzheitliches Denken wird von Bösenberg, Metzen sehr unpräzise beschrieben. (Vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 35ff.) Pfeiffer, Weiss tragen hingegen durch das „Prinzip der Ganzheitlichkeit“ wesentlich zum Verständnis dieses Leitgedankens bei. Demzufolge

„[...] hat jede Aktivität, unabhängig auf welcher Ebene (Stelle, Abteilung, Werk, Unternehmen, Konzern) und in welchen Funktionsbereichen (Entwicklung, Beschaffung, Produktion, Marketing, Verwaltung) sie stattfindet, eine funktionale (Input-Output), eine strukturale (Sachmittel, Personal, Aufbauorganisation) und eine prozessuale Dimension (Ablauf-organisation).“ (Pfeiffer, Weiss 1994, S. 59)

Bei jeglicher Veränderung sind diese Faktoren gemeinsam zu berücksichtigen (vgl. Pfeiffer, Weiss 1994, S. 59). Das Prinzip der Ganzheitlichkeit soll dazu führen, daß im Lean-Management-Konzept nicht nur die Gesamtoptimierung der internen Wertschöpfungskette angestrebt wird. Vielmehr ist es das Ziel, die gesamte Wertschöpfungskette vom Lieferanten über den Produzenten bis hin zum Abnehmer zu gestalten und zu optimieren. (Vgl. Pfeiffer, Weiss 1994, S. 83ff.) Potentialdenken heißt, alle verfügbaren Ressourcen zu erschließen und zu nutzen. Unter Ressourcen versteht man Arbeitnehmer, Lieferanten, Kunden und Wettbewerber. Darüber hinaus soll die Trennung von Denken und Arbeiten aufgehoben werden, womit offensichtlich tayloristische Prinzipien zurückgewiesen werden. (Vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 55ff.) Dahinter steht die These, daß eine hochgradige Arbeitsteilung einer Vergeudung von Intelligenz und Kreativität der Arbeitnehmer gleichkommt (vgl. Pfeiffer, Weiss 1994, S. 131). Ökonomisches Denken ist schließlich als Vermeidung jeder Verschwendung zu begreifen, wobei grundsätzlich „alle nicht wertschöpfenden Tätigkeiten und Investitionen“ (Bösenberg, Metzen 1995, S. 61) als Verschwendung bezeichnet werden. Pfeiffer, Weiss betonen, daß einseitige Programme zur Kostensenkung, die das Prinzip der Ganzheitlichkeit mißachten, nicht zum Erfolg führen. Ihrer Ansicht nach kann die Wettbewerbsfähigkeit nicht allein dadurch erhöht werden, Bestehendes zu vermindern. Vielmehr sind Restrukturierungen des Bestehenden notwendig. (Vgl. Pfeiffer, Weiss 1994, S. 63)

Diese relativ vagen Leitgedanken bedürfen für ihre praktische Umsetzung einer Konkretisierung. Hierfür werden zehn Arbeitsprinzipien formuliert, die jedoch ebenso wie die Leitgedanken erheblichen Interpretationsspielraum lassen. Sie sollen die Regulation durch zentrale Anweisungs- und Kontrollorgane durch die Selbstregulation auf allen Unternehmensebenen ersetzen (vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 67ff.). Nachfolgend werden acht Arbeitsprinzipien dargestellt.[18]

Gruppenarbeit ist in diesem Konzept von zentraler Bedeutung. Dies bestätigen auch Womack, Jones, Roos: „So ist es schließlich das dynamische Arbeitsteam, das sich als Herz der schlanken Fabrik entpuppt.“ (Womack, Jones, Roos 1994, S. 104) Bösenberg, Metzen relativieren jedoch die Bedeutung von Gruppenarbeit für das Lean-Management-Konzept. Ihrer Auffassung nach stellt Gruppenarbeit nur eines unter insgesamt zehn Arbeitsprinzipien dar (vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 74). Charakteristisch für die Arbeitsgruppen ist, daß die Mitglieder eine Vielzahl von Fertigkeiten erlernen sollen. Das bedeutet, daß sie alle Tätigkeiten ihrer Arbeitsgruppe beherrschen müssen, so daß es möglich ist, die Verteilung der Arbeit zu ändern, und die Arbeiter jeden anderen Arbeiter ihrer Arbeitsgruppe ersetzen können. Darüber hinaus müssen sie sich zusätzliche Fähigkeiten, wie z.B. Maschinenreparatur, aneignen. (Vgl. Womack, Jones, Roos 1994, S. 104) „Schlanke Produktion erfordert, weit mehr berufliche Fähigkeiten zu erlernen und diese kreativ im Rahmen eines Teams anzuwenden, als in einer starren Hierarchie.“ (Womack, Jones, Roos 1994, S. 20) Der Arbeitnehmer soll multifunktional und austauschbar sein. Die Einführung von Gruppenarbeit im Lean-Management-Konzept dient z.B. der Qualitätsverbesserung, Optimierung der Fertigung, kontinuierlichen Verbesserung und schnelleren Einarbeitung neuer Arbeitnehmer (vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 69ff.).[19] Ein wesentliches Ziel dieses Konzeptes besteht darin, Verantwortung aus der Hierarchie weit nach unten zu verlagern (vgl. Womack, Jones, Roos 1994, S. 20). In diesem Sinne beschreiben Bösenberg, Metzen als weiteres Arbeitsprinzip die Eigenverantwortung. Die Verantwortung für eine Aufgabe soll demjenigen übertragen werden, der diese Aufgabe zu bewältigen hat. Das Konzept sieht vor, daß jeder die Verantwortung für seinen Arbeitsplatz, seine Tätigkeit und deren Ergebnisse trägt. Die Entscheidungsbefugnis wird dabei auf die betreffende Arbeitsebene delegiert und die Ergebnisse an die zuständigen Vorgesetzten berichtet. (Vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 78ff.) Die Übertragung der Verantwortung auf den Arbeitnehmer fordert von ihm Flexibilität. „Leitbild der Eigenverantwortung ist nicht der blinde Gehorsam, sondern die situative Flexibilität. Der einzelne erfüllt die Aufgaben entsprechend der gegebenen Lage, ohne exakte Anweisungen des Vorgesetzten.“ (Bösenberg, Metzen 1995, S. 81) Durch das Prinzip der Eigenverantwortung sollen u.a. ungenutzte Potentiale der Arbeitnehmer entdeckt und das ganzheitliche Denken gefördert werden (vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 78).

Alle Aktivitäten sind auf den Kunden ausgerichtet, seine Wünsche haben oberste Priorität (vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 91ff.). Kundenorientierung bezieht sich im Lean-Management-Konzept nicht nur auf den externen Kunden, sondern: „Jeder ist Kunde und Lieferant zugleich. Er produziert auf Abruf, nimmt nur perfekte Arbeit an und gibt nur perfekte Arbeit weiter.“ (Bösenberg, Metzen 1995, S. 92) Auch Pfeiffer, Weiss beurteilen das Lean-Management-Konzept als „kundenauftragsorientiert“ (Pfeiffer, Weiss 1994, S. 54). Ein weiteres Arbeitsprinzip besagt, Wertschöpfung hat Priorität. Das bedeutet „[...] zum einen, die Qualität und die Produktivität der Wertsteigerung zu erhöhen, und zum anderen, den Anteil der wertverzehrenden und wertvernichtenden Aufwendungen (Verschwendung) zu minimieren.“ (Bösenberg, Metzen 1995, S. 99)[20] Laut Womack, Jones ist der Wert der entscheidende Ausgangspunkt im Lean-Management-Konzept, wobei der Wert bzw. die Wertschöpfung ihrer Auffassung nach nur aus der Sicht des Kunden definiert wird (vgl. Womack, Jones 1997, S. 16). Der Kerngedanke der Standardisierung gilt für alle Wiederholungsprozesse, ähnliche Aufgaben, Problemlösungen und Tätigkeiten. Der Standard wird zum Gesetz erklärt, an das sich jeder halten muß, das aber auch jeder verbessern kann. „Die klügsten Köpfe entwickeln Standardmethoden – die Betroffenen passen diese an die Praxis an.“ (Bösenberg, Metzen 1995, S. 103)[21] Ständige Verbesserung basiert vor allem auf proaktivem und sensitivem Denken und ist im Kontext von Lean Management unter dem Begriff Kaizen, das japanische Wort für Verbesserung, bekannt (vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S.106ff.). Kaizen bedeutet das ständige Hinterfragen der gesetzten Standards und die Übertragung von Verbesserungsvorschlägen in neue Standards (vgl. Imai 1993, S. 21ff.). Zugrunde liegt die Annahme, daß die Arbeitnehmer ihren jeweiligen Arbeitsprozeß am besten kennen und deshalb wichtige Verbesserungen entwickeln können (vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 107f.). Sofortige Fehlerabstellung an der Wurzel hat zum Ziel, Fehler nicht erst bei der Endkontrolle eines Produktes oder beim Kunden zu beheben. Vielmehr sollen Fehler und deren Ursachen dort, wo sie entstehen, abgestellt werden. Im Lean-Management-Konzept werden Fehler als Chance begriffen, um sie zukünftig vermeiden zu können und Verbesserungen herbeizuführen. (Vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 113ff.) Vorausdenken, vorausplanen bedeutet im Lean-Management-Konzept, daß alle Arbeitnehmer in diesen Prozeß miteinbezogen werden. „Für Lean Management ist bewußte Planung eine alltägliche Übung aller Mitarbeiter.“ (Bösenberg, Metzen 1995, S. 119) Ziel dieses Arbeitsprinzips ist eine verbesserte Prozeßbeherrschung und das frühzeitige Bedenken von eventuell auftretenden Problemen (vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 118).

Neben den Leitgedanken und Arbeitsprinzipien stellen die von Bösenberg, Metzen beschriebenen sechs Grundstrategien

„[...] Musterlösungen für die wichtigsten »internen« Aufgaben des Unternehmens dar: Produktion zu marktgerechten Kosten in kundengerechter Qualität und für einen wettbewerbsgerechten Zeitraum; Einstellung auf Markt und Kunden, [...] und schließlich Gestaltung der Beziehungen zu Mitarbeitern und Marktpartnern [...].“ (Bösenberg, Metzen 1995, S. 135)

Nachfolgend werden vier Grundstrategien vorgestellt.[22]

Kontinuierlicher Materialfluß hat eine schnelle Reaktion auf Kundenwünsche und veränderte Märkte zum Ziel. Voraussetzung für den kontinuierlichen Materialfluß ist u.a. ein ungehinderter Informationsfluß und das Just-in-time-Prinzip. Mit diesem Prinzip soll sichergestellt werden, daß genau das richtige Produkt zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Qualität an jeder Fertigungsstation im gesamten Durchlauf angeliefert wird. Im Sinne des ganzheitlichen Denkens sind nicht nur die internen Arbeitnehmer, sondern auch die externen Lieferanten in dieses Prinzip integriert. Zu den Kerngedanken des kontinuierlichen Materialflusses zählen, daß Lager nicht benötigt werden, nur fehlerfreie Teile angenommen und weitergegeben werden, nur auf Bestellung produziert wird und Losgrößen so klein wie möglich gehalten werden. Zu diesem Zweck müssen Rüstzeiten minimiert werden, Prozesse fehlerfrei ablaufen, Maschinenstörungen und -ausfälle eliminiert und Transportwege und -zeiten minimiert werden. (Vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 138ff.) Ein umfassendes Qualitätsmanagement, das als Total Quality Management bezeichnet wird, führen die Autoren als weitere Grundstrategie auf. Qualität wird als ein bedeutender strategischer Erfolgsfaktor und somit als eine Unternehmensaufgabe bezeichnet. Ziel ist es, in allen Bereichen des Unternehmens Qualität sicherzustellen. (Vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 153ff.) Im Rahmen des umfassenden Qualitätsmanagements tauchen die bereits beschriebenen Arbeitsprinzipien der Gruppenarbeit, Eigenverantwortung, Kundenorien-tierung, ständigen Verbesserung und Fehlerabstellung wieder auf. Auch die Leitgedanken, insbesondere die Prozeßorientierung des proaktiven Denkens, finden sich im Qualitäts-management wieder. Proaktives Marketing bedeutet im Lean-Management-Konzept, daß alle Unternehmensaktivitäten kundenorientiert geplant, organisiert und kontrolliert werden. Angestrebt wird eine langfristige Kundenbindung sowie die Schaffung von substantiellen und dauerhaften Wettbewerbsvorteilen. Ergänzend zum Arbeitsprinzip der Kundenorientierung, werden den Unternehmensbereichen durch das proaktive Marketing präzise Marktziele vorgegeben und die avisierten Kunden rechtzeitig auf das neue Angebot vorbereitet. (Vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 175ff.) Um proaktives Marketing umzusetzen, ist es nach Bösenberg, Metzen unerläßlich, daß einerseits die Arbeitnehmer die Kunden- und Marktorientierung verinnerlicht haben und andererseits das Unternehmen dezentralisiert wird.

„Alle Mitarbeiter müssen vom kundenorientierten und marktbezogenen Denken durchdrungen sein. Ebenso wandelt sich die Organisation in eine dezentrale, auf die Selbstverantwortung [...] bauende Team- und Spezialistenstruktur, die den direkten Kontakt zum Kunden ebenso fördert wie die unmittelbare Verantwortlichkeit für das übergeordnete Unternehmensziel.“ (Bösenberg, Metzen 1995, S. 182f.)

Auch diese Strategie entspricht dem ganzheitlichen Denken. Die gesamte Wert-schöpfungskette soll eine marktorientierte und eigenständige Kultur generieren, in der nicht nur Materialien und Informationen, sondern auch Menschen auf eine effizientere Art ausgetauscht und genutzt werden (vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 183). Das Unternehmen als Familie wird von Bösenberg, Metzen als weitere Grundstrategie identifiziert (vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 192ff.). Stand bei den vorangegangenen Strategien der Nutzen für das Unternehmen im Mittelpunkt, wird bei dieser Grundstrategie der Vorteil für den Arbeitnehmer betont. Zu den Kerngedanken dieser Strategie zählt u.a., daß Konflikte sowohl teuer als aufwendig sind. Es wird versucht, „[...] betriebliche und wirtschaftliche Konflikte vor der Eskalation zu bewahren, zu mildern, ihnen vorbeugend zu begegnen und sie sogar einer wertschöpfenden Regelung zuzuführen.“ (Bösenberg, Metzen 1995, S. 192) Im Mittelpunkt dieser Strategie steht der Arbeitnehmer. Diese Maxime resultiert aus der Auffassung, daß der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens in zunehmendem Maße von der Qualifikation und der Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer abhängt (vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 194). Zwar betonen auch Womack, Jones, Roos die große Bedeutung des Arbeitnehmers im Lean-Management-Konzept. Die mit diesem Konzept verbundenen Anforderungen erscheinen in ihren Ausführungen eher eine Frage des Wollens denn des Könnens zu sein.

„Um jedoch ein schlankes System ohne Spielraum – ohne Sicherheitsnetz – funktionieren zu lassen, muß jeder Mitarbeiter sich sehr bemühen. Einfach wie bei der Massenproduktion mechanisch mit gesenktem Kopf und geistesabwesend die Arbeit zu tun, führt bei der schlanken Produktion schnell zur Katastrophe.“ (Womack, Jones, Roos 1994, S. 108)

Bösenberg, Metzen verstehen diese Grundstrategie als „»Human Relations«-Ansatz“ und sprechen vom „Produktivitätsfaktor »soziales Klima«“ (Bösenberg, Metzen 1995, S. 194). Dieser Gedanke findet sich auch bei Pfeiffer, Weiss, die von einem „Perspektivenwechsel vom ‚Sachvermögen‘ zum ‚Humanvermögen‘“ (Pfeiffer, Weiss 1994, S. 73) sprechen. Das Lean-Management-Konzept sieht vor, die Arbeitnehmer in die sie betreffenden Entscheidungen einzubeziehen bzw. sie diese Entscheidungen selbst treffen zu lassen. Insgesamt wird eine stärkere Berücksichtigung und Nutzung des Arbeitnehmers als Ressource angestrebt. Gleichzeitig sieht das Konzept vor, daß sich die Unternehmensleitung als Partner begreift. (Vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 194ff.) Die Vorstellung, daß der Arbeitnehmer als Unternehmer agiert, kommt hier deutlich zum Vorschein. „Durch den partnerschaftlichen Managementansatz werden aus Beschäftigten Mitunternehmer, aus Kontrollierten Motivierte, aus Vorschlagsberechtigten Gestalter.“ (Bösenberg, Metzen 1995, S. 196) Zur „Unternehmensfamilie“ zählen außerdem die Lieferanten, Kunden und Kapitalgeber, die auf jeweils unterschiedliche Art zum Zweck des wirtschaftlichen Erfolges als Ressource genutzt werden (vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 196ff.).

2.2 Das Business-Reengineering-Konzept

„Die Diskussion um Lean Management [...] ist noch in vollem Gang, da erreicht uns schon die nächste Managementbotschaft aus den USA, das nächste »ultimative« Konzept: »Reengineering« [...].“ (Nippa, Picot 1995, S. 7) Die Ausführungen von Hammer, Champy, die sich als Begründer von Business Reengineering verstehen, bilden die Grundlage der folgenden Darstellung (vgl. Hammer, Champy 1994).[23]

2.2.1 Begriffsbestimmung und Abgrenzung

Business Reengineering wird definiert als „[...] »fundamentales Überdenken und radikales Redesign von Unternehmen oder wesentlichen Unternehmensprozessen. Das Resultat sind Verbesserungen um Größenordnungen [...] in den Bereichen Kosten, Qualität, Service und Zeit.«“ (Hammer, Champy 1994, S. 48) Business Reengineering soll nicht bedeuten, Unternehmensprozesse lediglich zu verbessern oder zu modifizieren, sondern vollkommen neu zu gestalten (vgl. Hammer, Champy 1994, S. 47ff.). Hammer, Champy „[...] definieren einen Unternehmensprozeß als Bündel von Aktivitäten, für das ein oder mehrere unterschiedliche Inputs benötigt werden und das für den Kunden ein Ergebnis von Wert erzeugt.“ (Hammer, Champy 1994, S. 52) Beispiele für Unternehmensprozesse sind: Produktentwicklung, Auftragsabwicklung, Kundendienst.[24]

Das Business-Reengineering-Konzept wird von Hammer, Champy weder als Restrukturierung noch als Kostensenkungsstrategie oder Total Quality Management verstanden (vgl. Hammer, Champy 1994, S. 67ff.). Es ist keineswegs nachvollziehbar, weshalb eine Neugestaltung von Unternehmensprozessen nicht als Restrukturierung begriffen werden kann. Schließlich werden die Prozesse nicht „designed“, sondern, wie die Autoren selbst feststellen, „redesigned“ (vgl. Hammer, Champy 1994, S. 48).[25] Ganz im Sinne des Lean-Management-Konzeptes konstatieren die Autoren: „Business Reengineering hingegen bedeutet, daß man mit weniger mehr macht.“ (Hammer, Champy 1994, S. 68) Offensichtlich sind damit auch Kosteneinsparungen gemeint. Die Abgrenzung in bezug auf das Total Quality Management und damit auf das Lean-Management-Konzept zielt auf den dafür charakteristischen kontinuierlichen Verbesserungsprozeß ab. Schließlich wird indirekt beabsichtigt, Business Reengineering grundsätzlich vom Lean-Management-Konzept abzugrenzen. „Business Reengineering ist nicht noch eine weitere dieser neuartigen Ideen, die aus Japan importiert wurden.“ (Hammer, Champy 1994, S. 12) Dennoch bestehen einige wesentliche Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Konzepten.

2.2.2 Entstehung und Ausbreitung

Die Amerikaner Hammer und Champy, beide Unternehmensberater, bezeichnen sich als Urheber und Namensgeber des Business-Reengineering-Konzeptes. Im Laufe ihrer Tätigkeit beraten und untersuchen sie zahlreiche Unternehmen, die ihre Unternehmensprozesse radikal verändern. Dabei stellen sie fest, daß diejenigen Unternehmen, die mit diesen Veränderungen erfolgreich sind, sich nicht nur fragen, was sie schneller, besser oder billiger machen können. (Vgl. Hammer, Champy 1994, S. 14f.) „Statt dessen fragten sie sich: »Warum machen wir das überhaupt ?«“ (Hammer, Champy 1994, S. 15)[26] Durch die Analyse der Erfahrungen zahlreicher Unternehmen und durch ihre eigenen Projekte arbeiten die Autoren Handlungsmuster heraus, die zu Erfolg oder Mißerfolg führen. Dabei erkennen sie schließlich diejenigen Vorgehensweisen, die einen erfolgreichen, radikalen Wandel bewirken, und bezeichnen diese Vorgehensweisen als Business Reengineering. (Vgl. Hammer, Champy 1994, S. 14f.) Dennoch bleiben die Autoren in ihren Beschreibungen dieser Vorgehensweisen recht vage und stützen sich hauptsächlich auf die Darstellung von Beispielen aus der Unternehmenspraxis. Ähnlich wie Womack, Jones, Roos behaupten Hammer, Champy ohne jegliche Bescheidenheit, Business Reengineering habe einen revolutionären Charakter. „Im Buch werden wir zeigen, wie die heutigen Unternehmen eine wahrhafte Renaissance einleiten können. [...] Für die neue Revolution im Unternehmen hat Business Reengineering den gleichen Stellenwert wie die Spezialisierung der Arbeitskräfte für die letzte.“ (Hammer, Champy 1994, S. 12)

Da es nur wenige Veröffentlichungen über Business-Reengineering-Projekte in deutschen Unternehmen gibt, sind Aussagen über die Verbreitung dieses Konzeptes schwierig (vgl. Picot, Böhme 1995, S. 228). Im Rahmen einer empirischen Untersuchung in deutschen Großunternehmen, die 1994 von der BPU Betriebswirtschaftliche Projektgruppe für Unternehmensentwicklung GmbH zusammen mit dem Institut für Organisation der Ludwig-Maximilians-Universität München durchgeführt wird, stellt man immerhin fest, daß prozeßorientierte Unternehmensgestaltung „erheblichen Niederschlag“ (Picot, Böhme 1995, S. 246) gefunden hat. „Die ersten Erfahrungen deuten darauf hin, daß sich dieser Trend nicht abschwächt, sondern daß er weiter diffundiert.“ (Picot, Böhme 1995, S. 246)

2.2.3 Die zentralen Elemente

Hammer, Champy betrachten das Business-Reengineering-Konzept als Neuanfang bzw. als Radikalkur (vgl. Hammer, Champy 1994, S. 13). „Business Reengineering ist die Suche nach neuen Modellen für die Organisation der Arbeit. Die Tradition zählt nicht. Business Reengineering ist ein neuer Anfang.“ (Hammer, Champy 1994, S. 70) Es geht in diesem Konzept nicht um inkrementelle Leistungsverbesserungen, wie sie im Lean-Management-Konzept angestrebt werden, sondern es werden „Quantensprünge“ bezüglich der Leistungsverbesserung in Aussicht gestellt (Hammer, Champy 1994, S. 50). Diese Radikalkur kann nach Auffassung der Autoren jedoch nur gelingen, wenn die alten Grundsätze erfolgreicher Unternehmensführung vollständig aufgegeben werden. Dementsprechend stellt das diskontinuierliche Denken ein wesentliches Element dieses Konzeptes dar, mit dem die Arbeitnehmer konfrontiert werden. Diskontinuierliches Denken bedeutet, herkömmliche Regeln und grundlegende Annahmen der heutigen Unternehmenspraxis einzig mit dem Ziel zu erkennen, sich von ihnen abzuwenden (vgl. Hammer, Champy 1994, S. 13). Schließlich verstehen Hammer, Champy das Konzept nicht als einmalige Neugestaltung der Unternehmensprozesse. Vielmehr müssen die Unternehmensprozesse immer wieder in Frage gestellt werden.

„Business Reengineering ist eine Reise, die niemals zu Ende ist, denn die Welt verändert sich laufend. Unternehmensprozesse, die einmal radikal neu gestaltet wurden, müssen eines Tages wieder völlig umgebaut werden. Business Reengineering ist kein Projekt, sondern eine Lebenseinstellung.“ (Hammer, Champy 1994, S. 221)

Ebenso wie im Lean-Management-Konzept werden auch hier die neuen Anforderungen zum Teil als gewinnbringend für den Arbeitnehmer dargestellt.

Im Mittelpunkt des Business-Reengineering-Konzeptes steht die Prozeßorientierung.[27] Hammer, Champy weisen darauf hin, daß nicht die Organisationseinheiten, wie z.B. die Abteilungen eines Unternehmens, Gegenstand dieses Konzeptes sind, sondern die Tätigkeiten der Arbeitnehmer (vgl. Hammer, Champy 1994, S. 153). Nicht die arbeitsteilige Organisation der Tätigkeiten, sondern die prozeßorientierte Organisation der Arbeit halten sie für zeitgemäß (vgl. Hammer, Champy 1994, S. 43). Laut Hammer, Champy sind in vielen Unternehmen die Arbeitnehmer auf mehrere Funktionen und Abteilungen verteilt, d.h., an einem Unternehmensprozeß sind mehrere Personen und Abteilungen beteiligt. Durch diese Organisationsstruktur wird der Überblick über den Gesamtprozeß für den Arbeitnehmer und den Kunden erschwert. (Vgl. Hammer, Champy 1994, S. 41ff.) Im Business-Reengineering-Konzept geht es jedoch nicht darum, bestehende Abläufe innerhalb von Abteilungs- oder Bereichsgrenzen zu optimieren, sondern die „alten Abläufe“ abzuschaffen und durch grundlegend neu gestaltete, übergreifende Prozesse zu ersetzen. Die Neugestaltung orientiert sich am Kunden, bzw. die Prozesse sollen so gestaltet werden, daß sie ihm einen Nutzen bringen. (Vgl. Hammer, Champy 1994, S. 153ff.) „Die neue Autorität manifestiert sich auf unseren Märkten und tritt uns in der Regel in Gestalt der Kunden gegenüber.“ (Champy 1995, S. 89) Die Kundenorientierung wird in diesem Konzept in dem Sinne verschärft, daß die Überzeugung der Arbeitnehmer, sie arbeiten für den Kunden und nicht für ihren Vorgesetzten, eine Prämisse darstellt. Hammer, Champy sprechen gar von „Glaubenssätzen“ der Arbeitnehmer, die z.B. wie folgt lauten: „Nur die Kunden zahlen unsere Gehälter: Ich muß alles tun, um sie zufriedenzustellen.“ (Hammer, Champy 1994, S. 104) Die neu gestalteten Unternehmensprozesse implizieren auch eine Verhaltensänderung der Arbeitnehmer, d.h., sie sollen die Kundenorientierung derart verinnerlichen, daß sie ihr Verhalten ausschließlich an den Kundenbedürfnissen ausrichten. „Verhaltensänderungen im Management und bei den Mitarbeitern sind daher Grundvoraussetzung, wenn mittels Business Reengineering Quantensprünge in der Verbesserung der Leistungsfähigkeit erzielt werden sollen.“ (Dernbach 1995, S. 200) Wie auch das Lean-Management-Konzept führt das Business-Reengineering-Konzept zu einem Primat der Kunden- und Marktorientierung (vgl. Nippa 1995a, S. 45).

Die neu gestalteten Unternehmensprozesse sollen sich u.a. dadurch auszeichnen, daß ursprünglich getrennte Positionen und Aufgaben zusammengefaßt und integriert werden.[28] Die Verantwortung für die verschiedenen Prozeßschritte soll komprimiert und einem einzigen Arbeitnehmer oder einem Prozeßteam übertragen werden. In einem Prozeßteam führt eine kleine Gruppe von Arbeitnehmern zusammen einen vollständigen Unternehmensprozeß durch. (Vgl. Hammer, Champy 1994, S. 71ff.) Man erwartet von diesen Teams, daß sie sich weitgehend selbst steuern und präsentiert dies als Zuwachs von Entscheidungsspielraum. „Innerhalb der Grenzen, die ihnen ihre Verpflichtungen dem Unternehmen gegenüber auferlegen – vereinbarte Fristen, Produktivitätsziele, Qualitätsnormen etc. –, entscheiden sie, wie und wann welche Arbeitsgänge auszuführen sind.“ (Hammer, Champy 1994, S. 97) Diese Prozeßteams setzen sich nicht aus Vertretern der Fachabteilungen zusammen. Vielmehr substituieren sie die frühere funktionsorientierte Organisationsstruktur. Die Mitglieder eines Prozeßteams sollen nicht nur für einzelne Arbeitsgänge zuständig sein, vielmehr gemeinsam die Verantwortung für den gesamten Prozeß tragen und deshalb mit allen Prozeßschritten vertraut sein. (Vgl. Hammer, Champy 1994, S. 91ff.)[29] Dies erfordert laut Hammer, Champy eine Vielzahl von Fähigkeiten und führt zu mehr Arbeitszufriedenheit.[30] „Mitarbeiter, die für ganze Unternehmensprozesse zuständig sind, erleben ähnliche Herausforderungen und genießen ähnliche Vorzüge wie Unternehmer.“ (Hammer, Champy 1994, S. 95) Ebenso wie im Lean-Management-Konzept möchte man die Arbeitnehmer multifunktional einsetzen. Die Organisationsstruktur, die sich aus diesem Konzept ableitet, ist flach, da die Prozeßteams aus gleichberechtigten Arbeitnehmern bestehen und wenige Manager für deren Unterstützung tätig werden sollen. Hammer, Champy behaupten, daß die Organisationsstrukturen keine so große Rolle mehr spielen, wenn die Prozesse neu gestaltet sind. (Vgl. Hammer, Champy 1994, S. 107) Nippa weist jedoch darauf hin, daß Strukturen und Prozesse einander bedingen. Strukturen können seiner Ansicht nach nicht durch Prozesse ersetzt werden und umgekehrt. Prozesse verlaufen innerhalb bestimmter Strukturen (vgl. Nippa 1995a, S. 43).

Ziel dieser prozeßorientierten Organisationsform ist es, Fehler und Verzögerungen zu vermeiden, die sonst aus der abteilungsübergreifenden Koordination resultieren, und somit eine schnellere Durchlaufzeit und eine schnellere Reaktion auf Kundenwünsche zu ermöglichen. Weiterhin sollen Verantwortlichkeiten transparent gemacht, Kosten gesenkt und Arbeitnehmer zu selbstverantwortlichem Handeln angeregt werden. Da den Arbeitnehmern die Verantwortung für die rechtzeitige und fehlerfreie Erfüllung der Kundenanforderungen übertragen wird, ist dieser Auffassung zufolge außerdem weniger Aufsicht und Kontrolle nötig. (Vgl. Hammer, Champy 1994, S. 72ff.)

„Statt dessen ermutigt das Unternehmen seine selbstverantwortlich handelnden Mitarbeiter, die weitreichende Entscheidungsbefugnis haben, innovative und kreative Vorschläge für eine kontinuierliche Reduzierung der Durchlaufzeit und der Kosten zu machen, während sie gleichzeitig ein fehlerfreies Produkt herstellen oder eine einwandfreie Dienstleistung erbringen. Verbesserte Kontrolle ist ein weiterer Vorteil integrierter Prozesse, da weniger Beschäftigte involviert sind. Durch die geringere Stellenzahl ist es einfacher, Verantwortlichkeiten zuzuweisen und die Leistung zu überwachen.“[31] (Hammer, Champy 1994, S. 74)

Das Business-Reengineering-Konzept sieht vor, daß der Arbeitnehmer diejenigen Entscheidungen trifft, die vormals dem Management vorbehalten waren (vgl. Hammer, Champy 1994, S. 75). Die Manager sollen sich in diesem Konzept als Coach verhalten (vgl. Hammer, Champy 1994, S. 105). Beides ist im Lean-Management-Konzept nicht vorgesehen.

Die neu gestalteten Unternehmensprozesse sollen sich auch dadurch auszeichnen, das Ressourcen nicht vergeudet und nicht wertschöpfende Tätigkeiten eliminiert werden (vgl. Hammer, Champy 1994, S. 95). Business Reengineering „[...] macht Kontrollen, Abstimmungsarbeiten, Wartezeiten, Überwachungsfunktionen und Nachforschungen weitgehend entbehrlich.“ (Hammer, Champy 1994, S. 95) Hier zeigt sich die Ähnlichkeit von Lean Management und Business Reengineering.

2.3 Dezentralisierung und Vermarktlichung als gemeinsame Prinzipien neuer betrieblicher Organisationskonzepte

Die Reorganisationsmaßnahmen, die aus neuen betrieblichen Organisationskonzepten resultieren, sind zwar je nach Konzept, Unternehmen und Branche heterogen, dennoch lassen sich laut Sauer, Döhl zentrale, gemeinsame Elemente ausmachen. Die Autoren identifizieren zwei dominante Prinzipien der Reorganisation: Dezentralisierung und Vermarktlichung. (Vgl. Sauer, Döhl 1997) Beide Prinzipien wurden bei der Darstellung des Lean-Management- und des Business-Reengineering-Konzeptes bereits thematisiert. Aufgrund ihrer konzept-übergreifenden und zentralen Bedeutung für den Arbeitnehmer erscheint es jedoch sinnvoll, an dieser Stelle noch einmal explizit auf beide Prinzipien einzugehen.

2.3.1 Dezentralisierung als Organisationsprinzip

Der Begriff Dezentralisierung wird in der Organisationstheorie sehr vielfältig verwendet (vgl. Beuermann 1992, Hill, Fehlbaum, Ulrich 1974, S. 174ff., Kieser, Kubicek 1992, S. 157). Dezentralisierung bedeutet allgemein die Verlagerung von Kompetenzen von der Unternehmensleitung auf die ausführenden Stellen. „Es geht also ganz allgemein darum, inwieweit Strukturen und Abläufe zentral – von einer hierarchisch deutlich übergeordneten Stelle – festgelegt werden oder inwieweit man diese Festlegung den Ausführenden selbst überläßt.“ (Reichwald, Koller 1996, S. 229)[32] Mit dieser Definition werden jedoch sehr verschiedene Verlaufsformen und Organisationsebenen der Restrukturierung angesprochen. Dezentralisierungsmaßnahmen betreffen sowohl die Ebene der Unternehmens- als auch die Ebene der Arbeitsorganisation (vgl. Hirsch-Kreinsen 1995, S. 424). Aus diesem Grund wird zur Präzisierung, in Anlehnung an Faust u.a., zwischen strategischer und operativer Dezentralisierung unterschieden (vgl. Faust u.a. 1994, S. 23ff.).

Strategische Dezentralisierung betrifft die Ebene der Unternehmensorganisation. Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten werden auf neu definierte Unternehmenseinheiten oder auf bestehende marktnahe Organisationseinheiten verlagert. Strategische Dezentralisierung kann auch bedeuten, daß Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlich-keiten aus dem Unternehmen ausgelagert werden. (Vgl. Faust u.a. 1994, S. 24)[33] Ein Beispiel für strategische Dezentralisierung ist das Profit-Center. Operative Dezentralisierung bezieht sich auf die Ebene der Arbeitsorganisation und stellt den Versuch dar, Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und operative Kontrolle von oben aus der Hierarchie nach unten auf die ausführenden Arbeitnehmer bzw. in die operativen Einheiten zu verlagern (vgl. Faust u.a. 1994, S. 23). Folglich müssen den dezentralisierten Einheiten bzw. den Arbeitnehmern eine vergleichsweise hohe Autonomie eingeräumt werden. Der Dezentralisierungsgrad bemißt sich daran, welche Kompetenzen und Verantwortlichkeiten verlagert werden und in welchem Umfang dies erfolgt (vgl. Faust u.a. 1994, S. 38).

[...]


[1] Der Betrieb bzw. das Unternehmen wird als eine Herrschaftsorganisation verstanden, d.h. „[...] als Sozialsphäre der legitimen Ausübung von Macht [...].“ (Lutz, Schmidt 1977, S. 168)

[2] Da Funktionen Aufgaben und Tätigkeiten implizieren, werden diese Begriffe im folgenden synonym verwendet.

[3] Siehe auch die Bürokratietheorie von Max Weber (1980, S. 126ff.). Zwar wurde diese Theorie am Beispiel der öffentlichen Verwaltung entwickelt, dennoch wird sie als übertragbar auf z.B. private Unternehmen angesehen (vgl. Kühl 1994, S. 27). Merkmale bürokratischer Organisationen finden sich auch bei Vieht (1995, S. 54f.), Derlien (1992, Sp. 391f.) und Boudon, Bourricaud (1992, S. 52ff.).

[4] Reichwald, Koller weisen darauf hin, daß nicht alle Unternehmen in der Bundesrepublik in gleichem Maße von dieser Wettbewerbsintensivierung betroffen sind (vgl. Reichwald, Koller 1996, S. 226).

[5] Leitbilder sind nach Faust u.a. folgendermaßen definiert: „Leitbilder, wie Taylorismus, Fordismus oder Lean Production, sind symbolische Konstruktionen sozialer Wirklichkeit, die bestimmte Regeln der Gestaltung der inner- und zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung sowie der Funktionsteilung zwischen Mensch und Maschine festlegen. [...] Sie definieren den Bereich relevanter Ziele und Mittel und damit die jeweils gültigen Prinzipien technisch-ökonomischer Effizienz. Leitbilder bieten Muster technisch-organisatorischer Problemlösungen und -definitionen, die den Entscheidungen der betrieblichen Akteure zugrundeliegen.“ (Faust u.a. 1994, S. 11)

[6] Reichwald, Koller machen darauf aufmerksam, „[...] daß die wettbewerbsintensivierenden Sättigungs-tendenzen auf den Massenmärkten nun zur Abkehr von den Organisationsformen (Taylorismus etc.) führen, die die Massenproduktion überhaupt erst ermöglicht hat.“ (Reichwald, Koller 1996, S. 225, Fn. 2) Siegel weist darauf hin, daß die Ursachen für den Umbruch weniger als von der Rationalisierung selber hervorgebrachte, sondern eher als von außen gesetzte begriffen werden (vgl. Siegel 1995, S. 176).

[7] In den jeweiligen Branchen in der Industrie und im Dienstleistungsbereich nehmen die Reorganisations-maßnahmen einen sehr unterschiedlichen Verlauf (vgl. Sauer, Döhl 1997, S. 33).

[8] Der Begriff Organisationsstruktur wird definiert als die „Gesamtheit der formalen Regelungen, die den organisatorischen Aufbau des Arbeitsprozesses steuern“. (Dichtl, Issing 1993, S. 1590) Die Organisationsstruktur setzt sich aus der Aufbau- und Ablauforganisation zusammen. Durch die Aufbauorganisation wird festgelegt, welche Aufgaben von welchen Menschen und Sachmitteln zu erledigen sind. Die Ablauforganisation regelt die raum-zeitliche Abstimmung der Arbeitsprozesse. (Vgl. Hoffmann 1992, Sp. 208f.)

[9] Der Arbeitskreis ‚Organisation‘ formuliert den Anspruch an die Restrukturierungskonzepte folgender-maßen: „Die eigentliche Herausforderung und das Besondere der gegenwärtigen Restrukturierungs-konzepte liegt in dem Anspruch, Lösungen zu finden, die es in höherem Maße als traditionelle Konzepte ermöglichen, Zeitgewinne bei gleichzeitiger Verbesserung der Qualität zu erreichen, und darüber hinaus sicherzustellen, daß die ergriffenen Maßnahmen möglichst noch von Kostensenkungen begleitet sind.“ (Arbeitskreis ‚Organisation‘ 1996, S. 627)

[10] Beispielsweise sind hier zu nennen: Change Management, Chaos Management (vgl. Simon 2000), Time-Based-Competition (vgl. Stalk, Hout 1991), das virtuelle bzw. atomisierte Unternehmen (vgl. Davidow, Malone 1993, Ryf 1993).

[11] Um Kostensenkung zu erreichen, stellt die Entlassung von Arbeitskräften ein übliches Instrument dar (vgl. Bender 1997, S. 23).

[12] In ihrem zweiten Buch beschreiben Womack, Jones fünf Schlüsselprinzipien des schlanken Denkens, die Managern im Industrie- und Dienstleistungsbereich den praktischen Weg zum schlanken Unternehmen aufzeigen sollen. Ein Widerspruch ihrer Argumentation besteht darin, daß sie einerseits „weniger menschliche Arbeit“ (Womack, Jones 1997, S. 16) als Resultat der schlanken Denke prophezeien. Andererseits sind sie der Meinung, „[...] daß die Zahl der Arbeitsplätze steigt, wenn der schlanke Ansatz zum normalen Denken geworden ist.“ (Womack, Jones 1997, S. 350)

[13] Bösenberg, Metzen weisen darauf hin, daß Lean Management sich zwar in Japan entwickelt hat, jedoch aus der Umsetzung der Produktions- und Marketingmethoden der „westlichen Industrieavantgarde“ (Bösenberg, Metzen 1995, S. 10).

[14] Die Autoren beantworten die Frage, wie Lean Production die Welt verändern wird, am Ende ihres Buches mit der starken These: „Diese Welt wird völlig anders und sehr viel besser sein.“ (Womack, Jones, Roos 1994, S. 292) Leider bleiben die Autoren die Antwort auf die sich aufdrängende Frage, inwiefern die Welt besser werden wird und für wen, schuldig.

[15] Kritikpunkte sind z.B. die Fehlinterpretation gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, methodische Mängel, eine reibungslose Übertragbarkeit, die Nichtbeachtung negativer gesellschaftlicher Folge-erscheinungen (vgl. Sauer, Döhl 1997, S. 20). Minssen gibt beispielsweise zu bedenken, daß in der Studie kaum Hinweise zu finden sind, wie die Kennziffern ermittelt werden. Insofern sind Zweifel an der Aussagefähigkeit der Zahlen nicht unbegründet. Ausschlaggebend ist jedoch, daß die Zahlen, wie Minssen feststellt, „vom Management geglaubt werden.“ (Minssen 1993, S. 37) Eine kritische Betrachtung dieses Konzeptes findet sich auch bei Altmann (1992), Jürgens (1993), Cattero u.a. (1995).

[16] Der Begriff Humanvermögen bezeichnet das gesamte Leistungspotential, das Arbeitnehmer einem Unternehmen zur wirtschaftlichen Nutzung zur Verfügung stellen, wie z.B. Arbeitszeit, Motivation (vgl. Brockhaus 1996, Band 10, S. 316).

[17] Siehe zu den folgenden Ausführungen auch Keidel (1995).

[18] Ausgeblendet werden die Arbeitsprinzipien „Feedback“ und „Kleine, beherrschte Schritte“ (vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 84ff., S. 123ff.), weil diese für die Argumentation dieser Arbeit nicht relevant sind.

[19] Zum Thema Gruppenarbeit vgl. z.B. Seitz (1993), Aulenbacher (1996).

[20] An dieser Stelle scheinen Bösenberg, Metzen nur das eigene Unternehmen im Blick zu haben und widersprechen damit dem ganzheitlichen Denken (vgl. Keidel 1995, S. 117).

[21] Dieses Arbeitsprinzip widerspricht dem Leitgedanken des Potentialdenkens, der die Aufhebung der Trennung von Denken und Arbeiten beinhaltet (vgl. Keidel 1995, S. 98, Fn. 75).

[22] Die Grundstrategien „Integrierte Produktentwicklung – Simultaneous Engineering (SE)“ und „Strategischer Kapitaleinsatz“ (vgl. Bösenberg, Metzen 1995, S. 166ff., S. 184ff.) werden nicht dargestellt, weil sie für die Argumentation dieser Arbeit unwesentlich sind.

[23] Nippa weist darauf hin, daß es nicht einfach ist, den oder die Begründer eines Konzeptes auszumachen. „Die Suche nach dem Vater des Konzeptes erweist sich bei genauerem Hinsehen als schwieriger als zunächst gedacht. Das mag wohl auch daran liegen, daß der Erfolg viele Väter hat. Und wenn der Beweis nicht möglich ist, dann wird eben darauf verwiesen, daß nur die eigene Schöpfung geeignet ist, den Geist des Reengineering auch wirklich zu verkörpern.“ (Nippa 1995b, S. 63) Zum Business-Reengineering-Konzept siehe auch z.B.: Morris, Brandon (1994), Nippa, Picot (1995), Osterloh, Frost (1996).

[24] In diesem Sinne korrespondiert der Begriff Unternehmensprozeß mit dem Begriff Wertschöpfungskette, der im Lean-Management-Konzept verwendet wird. Hier zeigt sich bereits, daß auch im Business- Reengineering-Konzept die Wertschöpfung Priorität hat.

[25] Wird beispielsweise der Unternehmensprozeß Auftragsabwicklung neu gestaltet, so werden auch nach dem „Redesign“ – wie zuvor – Aufträge abgewickelt, selbst wenn die einzelnen Tätigkeiten vom Auftragseingang bis zur Zahlung neu gestaltet werden.

[26] An dieser Stelle läßt sich eine Parallele zum Shareholder-Value-Konzept ziehen. Dieses Konzept sieht vor, nur solche Unternehmensstrategien zu verfolgen, die den Unternehmenswert am Kapitalmarkt nachhaltig steigern. Unternehmensaktivitäten und Entscheidungen, die sich als nicht ausreichend rentabel erweisen, unkalkulierbar und mit hohem Risiko behaftet sind, sollen vermieden werden. (Vgl. Hirsch-Kreinsen 1999, S. 323) Auch im Shareholder-Value-Konzept ist die Frage „Warum machen wir das überhaupt?“ von zentraler Bedeutung und darüber hinaus eindeutig zu beantworten. Zum Shareholder-Value-Konzept siehe auch Rappaport (1995).

[27] Im Gegensatz zum Business-Reengineering-Konzept ist die Prozeßorientierung im Lean-Management-Konzept nicht der zentrale Aspekt. Es entsteht der Eindruck, daß im Lean-Management-Konzept eine prozeßorientierte Organisationsstruktur nicht zwangsläufig angestrebt wird. Vielmehr wird im Lean-Management-Konzept zwischen prozeß- und ergebnisorientiertem Denken unterschieden, im Business-Reengineering-Konzept hingegen zwischen einer prozeß- und funktionsorientierten Organisations-struktur.

[28] Da im Rahmen dieser Arbeit nicht alle Aspekte der neu gestalteten Unternehmensprozesse beleuchtet werden können, siehe hierzu ausführlich Hammer, Champy (1994, S. 71ff.).

[29] Nippa bemerkt, daß Arbeitsteilung nach wie vor eine Quelle des wirtschaftlichen Erfolges darstellt und auch nicht im Rahmen der Prozeßorientierung überwunden wird (vgl. Nippa 1995a, S. 42).

[30] In diesem Zusammenhang konstatiert Lamparter: „Daß sich hierbei die gesamte deutsche Beraterzunft mit den amerikanischen Bestsellerautoren einig ist, hat freilich wenig mit Menschenfreundlichkeit zu tun. Das ‚neue Denken‘ folgt ebenso wie einst die Einführung der Fließbandarbeit der wirtschaftlichen Logik. Die hat sich lediglich dem veränderten Marktgeschehen angepaßt.“ (Lamparter 1994, S. 23)

[31] Dieses Zitat verdeutlicht zum einen, daß zwar weniger, aber dafür „strengere“ Kontrollen der selbstverantwortlichen Arbeitnehmer möglich sind. Zum anderen wird klar, daß es sehr wohl um Kostenreduzierung geht, auch wenn sich die Autoren von solchen Strategien abzugrenzen versuchen.

[32] Diese Definition ähnelt der von Fayol: „Alles, was die Bedeutung der Rolle der Untergebenen erhöht, ist Dezentralisation, alles, was diese Bedeutung mindert, Zentralisation.“ (Fayol 1929, S. 28, zitiert aus: Reichwald, Koller 1996, S. 229, Fn. 5)

[33] Strategische Dezentralisierung kann „[...] mit Zentralisierung von (strategischen) Kompetenzen einhergehen, mit einem Neuzuschnitt von Zentralisierung und Dezentralisierung zu Lasten mittlerer Ebenen und zentraler Dienstleistungsstäbe.“ (Faust u.a. 1994, S. 24)

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Jahr
2000
ISBN (eBook)
9783832456917
ISBN (Paperback)
9783838656915
Dateigröße
805 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main – Gesellschaftswissenschaften, Soziologie
Note
1,7
Schlagworte
demokratisierung reorganisation kontrolle herrschaft arbeitsorganisation
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Titel: Der Arbeitnehmer als Unternehmer?
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