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Intra- und Intergenerative Verteilungswirkungen der Gesetzlichen Rentenversicherung

©1997 Diplomarbeit 71 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Ziel der Arbeit Inter- und Intragenerative Verteilungswirkungen der Gesetzlichen Rentenversicherung ist eine Inzidenzanalyse des Systems der Gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland.
Mit der aktuellen Rentenreform ist von der mit der Rentenreform 1992 eingeführten Nettodynamisierung abgewichen worden und auf eine (modifizierte) Bruttoanpassung zurückgegangen worden. Dieser Schritt ist vor dem Hintergrund der bevorstehenden Steuerreform zu sehen, die bei einer Nettodynamisierung zu einem sprunghaften Anstieg des aktuellen Rentenwertes geführt hätte. Darüber hinaus werden mit der aktuellen Rentenreform Kindererziehungsleistungen verstärkt berücksichtigt. Mit diesen Reformschritten wurde allerdings nichts an der grundlegenden Ausgestaltung des Systems der Gesetzlichen Rentenversicherung geändert. Aus diesem Grund ist die vorliegende nach wie vor hoch aktuell.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes03
1.1Äquivalenzprinzip als verteilungsneutraler Referenzstandard für das Modell der gesetzlichen Rentenversicherung03
1.2Arten der Umverteilung06
1.3Nähere Betrachtung der Umlage in der gesetzlichen Rentenversicherung 08
1.4Querschnittsbetrachtung versus Längsschnittbetrachtung10
1.5Inzidenz des Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrages12
1.6Inzidenz des Bundeszuschusses19
2.Das System der Alterssicherung im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung im overlapping generations model unter individueller Unsicherheit22
3.Umverteilungswirkungen im System der gesetzlichen Rentenversicherung 26
3.1Intergenerative Umverteilungswirkungen im System der gesetzlichen Rentenversicherung unter der Annahme von steady states26
3.2Umverteilungswirkungen aufgrund individueller Verhaltensweisen der Versicherten32
3.3Intragenerative Umverteilungswirkungen in der gesetzlichen Rentenversicherung, die durch die Durchschnittsprämierung verursacht werden37
3.4Intragenerative Umverteilungswirkungen in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund sog. versicherungsfremder Leistungen45
Schlußbemerkungen49
Anhang51
Anhang I51
Anhang II53
Symbolverzeichnis55
Abkürzungsverzeichnis57
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis58
Literaturverzeichnis59
Eidesstattliche Erklärung67

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 5659
Oliver Falck
Intra- und Intergenerative
Verteilungswirkungen der
Gesetzlichen Rentenversicherung
Diplomarbeit
an der Universität Passau
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
12 Wochen Bearbeitungsdauer
Dezember 1997 Abgabe

ID 5659
Falck, Oliver: Intra- und Intergenerative Verteilungswirkungen der Gesetzlichen
Rentenversicherung / Oliver Falck - Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Passau, Universität, Diplomarbeit, 1997
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

Inter- und Intragenerative Verteilungswirkungen der Gesetzlichen Rentenversicherung
2
Einleitung 01
1 Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes 03
1.1 Äquivalenzprinzip als verteilungsneutraler
Referenzstandard für das Modell der ge-
setzlichen Rentenversicherung 03
1.2 Arten der Umverteilung 06
1.3 Nähere Betrachtung der Umlage in der gesetz-
lichen Rentenversicherung 08
1.4 Querschnittsbetrachtung versus Längsschnitt-
betrachtung 10
1.5 Inzidenz des Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-
beitrages 12
1.6 Inzidenz des Bundeszuschusses 19
2 Das System der Alterssicherung im Rahmen der
gesetzlichen Rentenversicherung im overlapping
generations model unter individueller Unsicherheit 22
3 Umverteilungswirkungen im System der gesetz-
lichen Rentenversicherung 26
3.1 Intergenerative Umverteilungswirkungen im
System der gesetzlichen Rentenversicherung
unter der Annahme von steady states 26
3.2 Umverteilungswirkungen aufgrund individueller
Verhaltensweisen der Versicherten 32
3.3 Intragenerative Umverteilungswirkungen in der
gesetzlichen Rentenversicherung, die durch die
Durchschnittsprämierung verursacht werden 37
3.4 Intragenerative Umverteilungswirkungen in der
gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund sog.
versicherungsfremder Leistungen 45
Schlußbemerkungen 49
Anhang 51
Anhang I 51
Anhang II 53
Symbolverzeichnis 55
Abkürzungsverzeichnis 57

Inter- und Intragenerative Verteilungswirkungen der Gesetzlichen Rentenversicherung
3
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis 58
Literaturverzeichnis 59
Eidesstattliche Erklärung 67

Inter- und Intragenerative Verteilungswirkungen der Gesetzlichen Rentenversicherung
4
Einleitung
Die gesetzliche Rentenversicherung entstand im Jahre 1889 als
Teil des Bismarckschen sozialpolitischen Gesetzgebungswerkes.
1
Bereits bei ihrer Einführung war die Rentenversicherung im we-
sentlichen als Versicherung ausgestaltet und beschränkte sich
auf die Versicherung von Arbeitern. Da ein privatwirtschaftlicher
Versicherungsmarkt für die Risiken Invalidität und Alter nicht be-
stand, war zu dieser Zeit eine staatliche Organisation der Renten-
versicherung nötig. Inzwischen existiert ein breiter privatwirt-
schaftlicher Rentenversicherungsmarkt im Regelfall in Form von
Kapitallebensversicherungen. Mit der Gründung der Bundesrepu-
blik Deutschland wurde die Versicherungspflicht für einen inzwi-
schen erweiterten Versichertenkreis im System der gesetzlichen
Rentenversicherung aufrechterhalten, sei es aus der Überlegung
heraus, die Versicherten auch im Falle sog. sozialer Risiken wie
Inflation oder Krieg zu schützen, sei es aus der Überlegung her-
aus, neben dem Versicherungsgedanken in der gesetzlichen Ren-
tenversicherung aufgrund bestimmter gesellschaftlicher Gerech-
tigkeitsvorstellungen Umverteilungsziele zu verfolgen, die - sieht
man von Altruismus der Versicherten ab - eine Zwangsbeteiligung
notwendig machen. Für diese sog. sozialen Risiken existiert kein
privater Versicherungsmarkt, da es sich hierbei nicht um Risiken
im engeren Sinne handelt, für die innerhalb einer entsprechend
großen Gruppe Erwartungswerte gebildet werden können, son-
dern vielmehr um Ereignisse, die von einer Vielzahl von im ein-
zelnen nicht vorhersehbaren politischen, gesellschaftlichen und
ökonomischen Faktoren abhängig sind.
Darüber hinaus lassen sich kaum Gründe finden, die eine Organi-
sation der Rentenversicherung als parafiskalische Körperschaft
wie die gesetzliche Rentenversicherung notwendig machen. Un-
terstellte man, die Individuen würden nur aus mangelnder Vor-
1
Zur Entstehungsgeschichte der Sozialversicherung in Deutschland vgl. LAMPERT
(1996), 17-110.

Inter- und Intragenerative Verteilungswirkungen der Gesetzlichen Rentenversicherung
5
aussicht keine Altersvorsorge betreiben, so könnte dies zwar eine
staatliche Verpflichtung zum Abschluß einer Rentenversicherung
rechtfertigen, nicht aber die Pflichtversicherung in der gesetzli-
chen Rentenversicherung. Auch der Hinweis auf Marktunvoll-
kommenheiten auf Versicherungsmärkten beispielsweise durch
Informationsasymmetrie kann eine Organisation der Rentenversi-
cherung als parafiskalische Körperschaft nicht rechtfertigen, da
diese bei Marktunvollkommenheiten vor gleichen Effizienzproble-
men wie private Rentenversicherer steht.
Ziel dieser Arbeit ist nun die Entwicklung einer positiven Theorie
der personalen Einkommensumverteilung, welche sich um Dar-
stellung und Erklärung der zu beobachtenden Umverteilungsvor-
gänge in der gesetzlichen Rentenversicherung bemüht. Den Aus-
sagen liegen grundsätzlich überprüfbare Faktenurteile, die ent-
weder auf empirischen Feststellungen oder auf expliziten Annah-
men über Sachverhalte beruhen, zugrunde. Diese Theorie der
Umverteilung versucht aufzuzeigen, in welcher konkreten Gestalt
bestimmte Umverteilungsvorgänge eintreten. Sie deckt Gesetz-
mäßigkeiten auf, die unter bestimmten Bedingungen zu bestimm-
ten Konsequenzen führen.
Wir wollen uns aus Vereinfachungsgründen auf die Altersversi-
cherung von Arbeitern und Angestellten im Rahmen der gesetzli-
chen Rentenversicherung in den alten Bundesländern beschrän-
ken.
In Kapitel 1 wird zunächst der Untersuchungsgegenstand abge-
grenzt. In Kapitel 2 wird versucht, das heute existierende System
der gesetzlichen Rentenversicherung in einem Modell abzubilden,
an dem in Kapitel 3 die Umverteilungswirkungen aufgezeigt wer-
den sollen.

Inter- und Intragenerative Verteilungswirkungen der Gesetzlichen Rentenversicherung
6
1 Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes
1.1 Äquivalenzprinzip als verteilungsneutraler Referenzstandard für das
Modell der gesetzlichen Rentenversicherung
Das Äquivalenzprinzip, in allgemeiner Form formuliert, fordert die
Gleichheit von Leistung und Gegenleistung. Da dieses Prinzip
eine quid-pro-quo-Beziehung
2
impliziert, eignet es sich als inter-
personal umverteilungsneutraler Referenzstandard.
3
Darüber hin-
aus stellt dieses Prinzip aber keine Anforderungen an eine ge-
rechte Einkommensverteilung.
Die Versicherungsliteratur unterscheidet drei unterschiedliche
Formen der versicherungstechnischen Äquivalenz: das Gruppen-
äquivalenzprinzip, das individuelle Äquivalenzprinzip und das
Prinzip der gerechten Prämie
4
. Es wird sich zeigen, daß nur das
Prinzip der gerechten Prämie den Anforderungen des Äquiva-
lenzprinzips gerecht wird.
Das Prinzip der Gruppenäquivalenz fordert, daß in einem be-
stimmten Zeitraum oder innerhalb einer bestimmten Gruppe Ein-
nahmen und Ausgaben - Prämieneinnahmen und Versicherungs-
leistungen - eines Versicherungsunternehmens übereinstimmen
sollen.
5
Es kann sich dabei um ein Jahr, eine Generation oder um
den Zeitraum des Bestehens eines Versicherungsunternehmens
handeln. Das Gruppenäquivalenzprinzip stellt demnach eine Art
(inter)temporale Budgetrestriktion für das Versicherungsunter-
nehmen dar. Für ein Kapitallebensversicherungsunternehmen,
das nach einem Anwartschaftdeckungsverfahren
6
organisiert ist,
2
Dieser Ausdruck geht im Zusammenhang mit dem Äqivalenzgedanken auf MILL
zurück. Vgl. MILL (1921), S. 804.
3
Das Äquivalenzprinzip wird jedoch nur unter der Annahme vollständiger Konkur-
renz auf vollkommenen Märkten realisiert, führt aber dann zu einer pareto-effizienten
Ressourcenallokation. So erhält beispielsweise ein Erwerbstätiger unter der Annahme
vollständiger Konkurrenz ein Einkommen, das äquivalent zu dem von ihm produzier-
ten Güterwert ist.
4
Dieser Ausdruck geht auf INNAMI (1966), S. 19, zurück.
5
Vgl. INNAMI (1966), S. 17.
6
Die Begriffe Anwartschaftdeckungsverfahren und Kapitaldeckungsverfahren werden,
wie in der Literatur durchaus üblich, hier synonym verwandt und bezeichnen ein Sys-
tem, in dem die Beiträge der Versicherten auf dem Kapitalmarkt angelegt und bei
Erreichen der Ruhestandsphase an die Versicherten verzinst zurückbezahlt werden.

Inter- und Intragenerative Verteilungswirkungen der Gesetzlichen Rentenversicherung
7
ist die Gruppenäquivalenz für jede Generation erfüllt, werden die
Rentenansprüche doch aus dem Kapitalstock, der aus den Prä-
mieneinnahmen der selben Generation angewachsen ist, befrie-
digt. Diese Beziehung von Leistung und Gegenleistung im An-
wartschaftdeckungsverfahren impliziert, daß zwischen Generatio-
nen in jedem Fall kein Austausch stattfindet.
Das reine Umlageverfahren, in dem die vereinnahmten Beiträge
sofort in Form von Rentenzahlungen an die Rentenempfänger
verausgabt werden, hingegen verlangt, daß das Gruppenäquiva-
lenzprinzip für jeden Abrechnungszeitraum - im Falle der gesetzli-
chen Rentenversicherung einem Jahr - erfüllt ist.
Während das Gruppenäquivalenzprinzip sich auf das Versiche-
rungsunternehmen bezieht und die Aufrechterhaltung des finan-
ziellen Gleichgewichtes eines Versicherungsunternehmens for-
dert, beziehen sich die Prinzipien der individuellen Äquivalenz
und der gerechten Prämie auf das einzelne Versicherungsver-
hältnis. Beide Prinzipien fordern die Gleichheit von Leistungen
des Versicherungsnehmers und Gegenleistungen der Versiche-
rung.
7
Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß Prämienzahlun-
gen und Rentenleistungen in der Alterssicherung zeitlich ausein-
ander liegen und die Höhe von Prämienzahlungen und Renten-
leistungen von individuellen Risiken abhängig ist, fordern diese
Prinzipien formal die Gleichheit von Erwartungswert des Barwer-
tes der Prämienzahlungen und Erwartungswert des Barwertes der
Versicherungsleistungen.
8,9
Die beiden Prinzipien unterscheiden sich jedoch bei der Berech-
nung der Erwartungswerte. Sind in der Versicherung nur gleichar-
tige Risiken zusammengeschlossen, so unterscheiden sich Indivi-
7
Vgl. KREßMANN (1971), S. 18f.
8
Vgl. KREßMANN (1971), S. 19.
9
Prämienzahlungen und Rentenleistungen sind also auf einen gemeinsamen zeitlichen
Bezugspunkt zu diskontieren. Als Bezugspunkt bietet sich der Zeitpunkt des Abschlus-
ses des Versicherungsvertrages an, da zu diesem Zeitpunkt noch keines der versicher-
ten Risiken eingetreten ist. Diesen Bezugspunkt wählt beispielsweise auch WAGNER
(1985).

Inter- und Intragenerative Verteilungswirkungen der Gesetzlichen Rentenversicherung
8
dualäquivalenzprinzip und Prinzip der gerechten Prämie nicht. Bei
unterschiedlichen Risiken hingegen verlangt das
Individualäquivalenzprinzip die Berechnung eines
Durchschnittsrisikos, nach dem eine Einheitsprämie für alle
Versicherten bestimmt wird. Das Prinzip der gerechten Prämie
fordert im Gegensatz zum individuellen Äquivalenzprinzip, daß für
die Übernahme jedes einzelnen Risikos durch die Versicherung
eine Prämie gemäß dem spezifisch versicherten Risiko erhoben
wird.
10
Da die Risiken aber im einzelnen nicht bekannt sind,
sondern nur für eine entsprechend große Gruppe, setzt dieses
Prinzip die Bildung von Risikogruppen voraus, in denen jeweils
gleiche oder ähnliche Risiken zusammengefaßt werden.
11
Da
innerhalb einer Gruppe bei der Prämienberechnung jedoch nicht
alle Umstände berücksichtigt werden können, sei es aufgrund
fehlender Informationen oder zu hoher
Informationsbeschaffungskosten
12
, werden selbst innerhalb einer
Risikogruppe die Risikowahrscheinlichkeiten unterschiedlich sein.
So werden aber auch innerhalb jeder Risikogruppe partielle
Durchschnittsprämien erhoben, die streng genommen zu einer
Abweichung vom Prinzip der gerechten Prämie führen.
13
Eine
stark untergliederte Prämiengestaltung kann aber auf der anderen
Seite den moral hazard begünstigen, indem eine bestimmte Diffe-
renzierung der Prämien es lohnend werden läßt, bestimmte Ei-
genschaften oder ein bestimmtes Verhalten vorzutäuschen.
14
So
zeigen genauere Analysen der privaten Lebensversicherungen,
daß dort beispielsweise die Gesundheitsprüfung nicht allzuweit
betrieben wird, da sie Kosten und moral hazard verursacht.
15
Dennoch kann für ein privates Versicherungsunternehmen das
Prinzip der gerechten Prämie der einzig mögliche Grundsatz sein,
auf dem die Prämien kalkuliert werden. Eine Durchschnittsprämie-
10
Zu den Unterschieden von Individualäquivalenzprinzip und Prinzip der gerechten
Prämie vgl. KREßMANN (1971), S. 18-29.
11
Vgl. beispielsweise ABEL (1984), S. 7; BÖSCH (1987), S. 7f.; WAGNER (1984),
S. 11.
12
Vgl. WAGNER (1984), S. 12.
13
Vgl. KREßMANN (1971), S. 28.
14
Vgl. WAGNER (1984). S. 13.
15
Vgl. EISEN (1981).

Inter- und Intragenerative Verteilungswirkungen der Gesetzlichen Rentenversicherung
9
rung nach dem Prinzip der individuellen Äquivalenz würde zu ei-
ner Verdrängung der guten Risiken führen - ein Phänomen, das in
der Literatur als adverse selection bekannt ist.
16
Die Anwendung
einer Durchschnittsprämierung, wie sie in der gesetzlichen Ren-
tenversicherung durchgeführt wird, erfordert die Zwangsversiche-
rung breiter Bevölkerungskreise. Diese Durchschnittsprämierung
kann aber nicht auf fehlende Informationen auf Seiten des Ren-
tenversicherers über Unterschiede in der Lebenserwartung der
Versicherten zurückgeführt werden, da dann entgegen der Reali-
tät der private Rentenversicherungsmarkt zusammenbrechen
müßte, sondern muß vielmehr mit sozialen Überlegungen, daß die
guten Risiken die schlechten mittragen, um die Prämien für die
Gruppe mit hohen Risiken nicht zu hoch werden zu lassen, be-
gründet werden.
17
1.2 Arten der Umverteilung
Die gesetzliche Rentenversicherung ist im wesentlichen am indi-
viduellen Äquivalenzprinzip orientiert. Die Berechnung der Ren-
tenhöhe richtet sich in erster Linie nach den gezahlten Beiträgen.
Das bestehende System enthält aber auch politisch initiierte Ele-
mente des sozialen Ausgleichs. Hier sind vor allem die Ziele der
Mindestbedarfsicherung oder der Einkommenstetigkeit über den
Lebenszyklus zu nennen.
WAGNER
18
und SCHMÄHL
19
unterscheiden drei verschiedene
Formen der Umverteilung innerhalb der gesetzlichen Rentenver-
sicherung:
Zunächst wird die intertemporale Umverteilung genannt. Es han-
delt sich um die intrapersonale Verteilung des Lebenseinkom-
mens auf die verschiedenen Lebensabschnitte. Dies ist eine Art
der Umverteilung in jeder Form der Alterssicherung, die den Kon-
16
Eine eingehende Analyse der Wirkungen der Negativauslese auf Versicherungs-
märkten findet sich in ROTHSCHILD, STIGLITZ (1976).
17
Vgl. KREßMANN (1971), S. 27f.
18
Vgl. WAGNER (1984), S. 2.
19
Vgl. SCHMÄHL (1977b), S. 535.

Inter- und Intragenerative Verteilungswirkungen der Gesetzlichen Rentenversicherung
10
sum in der Ruhestandsphase sichern soll. WAGNER bezeichnet
diese Art der intertemporalen, intrapersonalen Umverteilung die
Sparbuchfunktion
20
der Alterssicherung.
Der Risikoausgleich als zweite Form der Umverteilung ist jedem
Versicherungssystem immanent. Der Risikoausgleich besteht in
der interpersonellen Umverteilung zwischen guten und schlechten
Risiken, d.h. im Falle der Alterssicherung zwischen Versicherten,
die das Durchschnittsalter aller Versicherten überschreiten und
denjenigen Versicherten, die vor Erreichen des Durchschnittsal-
ters aller Versicherten sterben. Der Unterschied zur individuellen
Ersparnis, die eine Versorgung im Alter bis zum Erreichen des
Durchschnittsalters ermöglicht, ist signifikant. Diejenigen, die über
das Durchschnittsalter hinaus leben, müßten bei Abwesenheit
aller sonstigen sozialen Einrichtungen geradewegs verhungern.
Aufgrund des enormen möglichen Schadens, dem Verhungern,
müßte sich das rational handelnde Individuum, das den Wunsch
hegt, bis zu seinem natürlichen Tod zu leben, vor dem Schleier
der Unwissenheit
21
über die eigene Lebenslänge für eine Alters-
versicherung entscheiden. Der Risikoausgleich an sich ist also
eine segensreiche Institution.
22
Dieses Ergebnis könnte nur durch
moral hazard, die Verhaltensänderung des Versicherten, die sich
nach dem Abschluß des Versicherungsvertrages einstellt, ohne
daß das Versicherungsunternehmen davon Kenntnis hat, beein-
trächtigt werden. Beschäftigen wir uns nur mit der Alterssiche-
rung, so sind derartige Verhaltensweisen irrelevant, denn der
Wunsch jedes Einzelnen, möglichst alt zu werden, wird mit oder
ohne Versicherungsvertrag bestehen. Auch muß sich ein Versi-
20
WAGNER (1984), S. 2.
21
Dieser Begriff geht auf RAWLS (1988) zurück.
22
Die Entscheidung für eine Versicherung beruht also nicht ausschließlich auf einer
risikoaversen Einstellung des Individuums, sondern ist Ergebnis einer effizienten Ent-
scheidung bei Unsicherheit über die zukünftige Ausprägung einer bestimmten zu ver-
sichernden Größe. Bei fallender Grenznutzenfunktion bezüglich eines Arguments der
Nutzenfunktion ist die Wahl des Durchschnittswertes der Ausprägungen dieses Argu-
ments besser, da durch diesen ein höherer Nutzen als der erwartete Nutzen bei gegebe-
nen Ausprägungen des betrachteten Arguments erreicht wird. Zu diesen Überlegungen
vgl. BRENNAN, BUCHANAN (1983).

Inter- und Intragenerative Verteilungswirkungen der Gesetzlichen Rentenversicherung
11
cherungsunternehmen über ein derartiges Verhalten im klaren
sein.
23
Es soll schließlich eine interpersonelle Umverteilung im engeren
Sinne definiert werden, die über den Risikoausgleich hinausgeht.
Diese Umverteilung kann zwischen Versicherten einer Altersko-
horte - man spricht von intragenerativer Umverteilung - und Versi-
cherten verschiedener Alterskohorten - man spricht von interge-
nerativer Umverteilung - stattfinden. Ziel ist es im folgenden die-
ser Arbeit, die inter- und intragenerativen Umverteilungswirkun-
gen der Alterssicherung im Rahmen der gesetzlichen Rentenver-
sicherung darzustellen und zu erklären.
1.3 Nähere Betrachtung der Umlage in der gesetzlichen Rentenversiche-
rung
Ein reines Umlageverfahren ist dadurch geprägt, daß die verein-
nahmten Beiträge in der selben Periode auf die Leistungsemp-
fänger verteilt werden. Der Versicherte kann aus der Tatsache,
daß er während seiner Erwerbsphase Rentenversicherungsbei-
träge geleistet hat, keine individuellen Ansprüche auf eine be-
stimmte Höhe der Altersversorgung ableiten. Er kann lediglich auf
laufende Versorgungszahlungen im Alter vertrauen, die aus sei-
ner Mitgliedschaft entstanden sind. Insofern kann der einzelne
Versicherte die erhobenen Beitragszahlungen bzw. die erhaltenen
Rentenzahlungen formal nur als reine Einkommenstransfers an-
sehen.
24
Im Anwartschaftdeckungsverfahren werden die vom Versiche-
rungsnehmer gezahlten Prämien angelegt. Der Versicherungs-
nehmer hat im Falle der Altersversicherung bei Erreichen der Ru-
hestandsphase Anspruch auf die von ihm eingezahlten, verzins-
ten Prämien. Während also in einem Rentenversicherungssys-
tem, das nach der Anwartschaftdeckung organisiert ist, die Ren-
tenansprüche vermögensrechtlich abgesichert sind, existiert im
23
Vgl. HOMBURG (1988), S. 11f.
24
Vgl. STEDEN (1981), S. 410f.

Inter- und Intragenerative Verteilungswirkungen der Gesetzlichen Rentenversicherung
12
reinen Umlageverfahren eine derartige Vermögensbeziehung
nicht.
25
Das deutsche System der gesetzlichen Rentenversicherung kann
aber nicht als reines Umlageverfahren angesehen werden. Ein
Kernbestand der Rentenansprüche gegenüber der gesetzlichen
Rentenversicherung, die durch eigene Beitragsleistungen ent-
standen sind, wurden durch verschiedene Urteile des Bundesge-
richtshofes, des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesso-
zialgerichts eigentumsrechtlich abgesichert.
26
Es ist somit folge-
richtig nicht von einem Umlageverfahren, sondern von einem ver-
kappten Anwartschaftdeckungsverfahren oder von einem Umla-
geverfahren mit verdeckten Vermögensbeziehungen zu spre-
chen.
27
Damit sind der Umverteilung im Rahmen der gesetzlichen
Rentenversicherung ganz klar Grenzen gesetzt. Es ist so bei-
spielsweise falsch, bei der Beitragserhebung zur gesetzlichen
Rentenversicherung nur von einer Umverteilung von der Er-
werbsgeneration zugunsten der Rentnergeneration zu sprechen,
25
Vgl. STEDEN (1981), S. 410.
26
So wurde bereits am 10. Juni 1952 vom Großen Senat des Bundesgerichtshofes in
Zivilsachen anerkannt (BGHZ 6, 270 [278]), daß auch vermögenswerte öffentlich-
rechtliche Rechtspositionen Eigentum im Sinne des Art. 14 GG sein können. Das
Bundesverfassungsgericht schränkte jedoch in verschiedenen Urteilen (BVerfGE 4,
219 [240]; 15, 167 [200]; 16, 94 [112]) die vermögenswerten öffentlich-rechtlichen
Rechtspositionen, die Eigentum im Sinne des Art. 14 GG sein können, ein. Vorausset-
zung sei, daß ein subjektives öffentliches Recht dem Inhaber eine Rechtsposition ver-
schafft, die derjenigen des Eigentümers entspricht oder ihr doch so nahe kommt, daß
Art. 14 GG Anwendung finden muß. Hierbei muß die betreffende Rechtsposition so
stark sein, daß es nach dem rechtsstaatlichen Gehalt des GG ausgeschlossen erscheint,
daß der Staat sie ersatzlos entziehen kann. Entscheidend für die Bewertung eines
Rechts als Eigentum sei, inwieweit es sich als Äquivalent eigener Leistung erweise
oder auf staatlicher Gewährung beruhe. Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversi-
cherung sind nach der Rechtsprechung des BVerfG (11, 221 [226]; 14, 288 [293]; 22,
241 [253]) nur dann geschützt, wenn sie nicht ausschließlich auf staatlicher Gewäh-
rung beruhen, sondern auf eigene Leistungen zurückzuführen sind, was durch die
Beitragszahlungen der Versicherten sicherlich für einen Großteil der Rentenansprüche
gegeben ist. Das BSG (in Bd. 9, 127 [128]) hat diesen verfassungsrechtlichen Eigen-
tumsschutz jedoch auf einen Kernbereich der erworbenen öffentlich-rechtlichen
Rechtspositionen beschränkt, da sonst eine Anpassung der Rechte an die Änderungen
der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse nur schwer möglich sei. Eine nähere
Definition dieses Kernbereichs ist jedoch in der Rechtsprechung nicht zu finden.
Zu einer ausführlichen Diskussion des Eigentumschutzes der Rentenversicherungsan-
sprüche vgl. WANNAGAT (1975).
27
STEDEN (1981), S. 419.

Inter- und Intragenerative Verteilungswirkungen der Gesetzlichen Rentenversicherung
13
da diese Betrachtungsweise
28
die eigentumsrechtlich abgesicher-
ten Rentenansprüche in der Zukunft außer Betracht läßt. Dieses
Beispiel zeigt bereits den unbestreitbaren Vorteil bei der Ermitt-
lung von Umverteilungswirkungen in der gesetzlichen Rentenver-
sicherung von Längsschnittbetrachtungen, die die gesamte Le-
bensphase der Individuen berücksichtigen, im Gegensatz zu
Querschnittsbetrachtungen, die nur einen bestimmten Lebensab-
schnitt der Individuen berücksichtigen können. Auf die Unter-
scheidung von Längsschnitt- und Querschnittsbetrachtungen wird
im folgenden noch näher einzugehen sein.
Durch die obigen vermögenstheoretischen Implikationen läßt sich
leicht eine Analogie zur Staatsverschuldung herstellen: Während
seiner Erwerbsphase gewährt der Versicherte einen Kredit an die
Träger der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe seiner Bei-
tragszahlungen. Dieser Kredit wird bei Erreichen der Ruhe-
standsphase des Versicherten getilgt und verzinst.
29
Diese schul-
dentheoretische Betrachtungsweise wird im folgenden herange-
zogen, um die Belastung ganzer Generationen zu interpretieren.
1.4 Querschnittsbetrachtung versus Längsschnittbetrachtung
In der Literatur sind grundsätzlich zwei Ansätze zur Bestimmung
von Umverteilungswirkungen zu finden.
Der erste beruht auf einer Querschnittsbetrachtung. Die Erfas-
sung der durch die gesetzliche Rentenversicherung bewirkten
Umverteilung wird in einer Querschnittsanalyse jedoch dadurch
erschwert, daß Beitragszahlungen und Eintritt des Risikofalles
zeitlich weit auseinander liegen. Da aber nicht der gesamte Le-
benszyklus einer Person betrachtet wird, ergibt sich das Problem
der Periodisierung der Umverteilungseffekte. Es bietet sich dabei
die Zurechnung aller Umverteilungswirkungen einerseits auf die
Rentenzahlungen in Form einer nicht beitragsgerechten Rente
28
Vgl. PFEIFFER (1989), S. 145.
29
Zu einer ausführlichen Analyse dieser Analogie vgl. STEDEN (1981); LÜDEKE
(1988).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1997
ISBN (eBook)
9783832456597
ISBN (Paperback)
9783838656595
DOI
10.3239/9783832456597
Dateigröße
583 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Passau – Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Erscheinungsdatum
2002 (Juli)
Note
1,7
Schlagworte
generationenvertrag umlageverfahren äquivalenzprinzip inzidenzanalyse
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Titel: Intra- und Intergenerative Verteilungswirkungen der Gesetzlichen Rentenversicherung
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