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Sizilien im Film

Die Darstellung von Sizilien in den Filmen von Luchino Visconti, Francesco Rosi und Pietro Germi

©2001 Diplomarbeit 136 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Der Bildungstourist Goethe bereiste im Jahre 1787 Italien mit der Postkutsche und stellte fest: „Italien ohne Sizilien macht gar kein Bild in der Seele. Hier ist erst der Schlüssel zu allem.“ Der deutsche Schriftsteller Johann Gottfried Seume unternahm zwei Jahrzehnte später von Leipzig aus einen Spaziergang nach Syrakus in Sizilien und entdeckte den „bestialischen Makkaronenfraߓ des gemeinen Sizilianers. Aber welches Bild weckt Sizilien? Selbst wer noch nie in Sizilien, diesem oft vergessenen Anhängsel von Italien, gewesen ist, hat bestimmte Vorstellungen von der Insel – nicht zuletzt durch die vielen Filme, die in und über Sizilien entstehen. Angefangen bei den Klassikern wie Stromboli über Giuseppe Tornatores Nuovo Cinema Paradiso bis hin zu der Serie Allein gegen die Mafia kam Sizilien in jedes Wohnzimmer, oft voller Klischees und Stereotypen:
rauchende Schrotflinten und die Mafia, wüstenähnliche Landstriche, archaischer Ehrbegriff, dornige Kaktusfeigen.
In dieser Arbeit möchte ich untersuchen, wie Sizilien im Film dargestellt wird. Um den Umfang dieser Arbeit nicht zu sprengen und die einzelnen Filme ausreichend analysieren zu können, möchte ich mich auf drei Regisseure beschränken: Luchino Visconti, Francesco Rosi und Pietro Germi.
Die sechs von mir ausgewählten Filme sind in den Jahren von 1948 bis 1976 entstanden, so dass aufgrund des zeitlichen Spektrums auch darauf eingegangen werden kann, ob eine Entwicklung in der filmischen Darstellung stattgefunden hat.
Zunächst möchte ich kurz die Vorgehensweise für diese Arbeit und die Kriterien, nach denen ich die Filme der drei Regisseure ausgewählt habe, erläutern.
Folgende Filme habe ich für die Untersuchung ausgewählt:
1. La terra trema (1948) dt. Titel: Die Erde bebt von Luchino Visconti.
2. Il Gattopardo (1962) dt. Titel: Der Leopard von Luchino Visconti.
3. In nome della legge (1948) dt. Titel: Im Namen des Gesetzes von Pietro Germi.
4. Divorzio all’italiana (1961) dt. Titel: Scheidung auf italienisch von Pietro Germi.
5. Salvatore Giuliano (1961) dt. Titel: Wer erschoss Salvatore G.? von Francesco Rosi.
6. Cadaveri eccellenti (1976) dt. Titel: Die Macht und ihr Preis von Francesco Rosi.
In dieser Auflistung habe ich auch die deutschen Verleihtitel der Filme vermerkt, im weiteren Verlauf werde ich die Originaltitel verwenden.
La terra trema ist einer der ersten auch international beachteten Filme, dessen Thema Sizilien ist – er soll für die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 5569
Hasenbein, Carmen: Sizilien im Film: Die Darstellung von Sizilien in den Filmen von Luchino
Visconti, Francesco Rosi und Pietro Germi / Carmen Hasenbein - Hamburg: Diplomica GmbH,
2002
Zugl.: Berlin, Kunsthochschule, Diplomarbeit, 2001
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http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

2
Gliederung:
Seite
1.
Einleitung
4
2. Vorgehensweise und Auswahl der Filme
5
3. Kino in Sizilien ­ Sizilien im Kino
8
4.
Neorealismus
14
5.
Luchino
Visconti
17
5.1 La terra trema (1948)
18
5.1.1
Fabula
19
5.1.2
Themenkomplexe:
19
5.1.2.1 Die Familie Valastro
20
5.1.2.2 Der Bezug der Menschen zu ihrer Umwelt
22
5.1.2.3
Sprache
23
5.1.2.4 Liebe, Erotik und die allgegenwärtige Ehre
24
5.1.2.5 Religion versus Familienbund
26
5.1.2.6
Hoffnung
27
5.1.3 La terra trema und die Zeit seiner Entstehung
28
5.2 Il Gattopardo
(1962)
30
5.2.1 Italien zur Zeit des Risorgimento
32
5.2.2
Fabula
34
5.2.3
Themenkomplexe:
35
5.2.3.1 Don Fabrizio und seine Untertanen
36
5.2.3.2
Landschaft
39
5.2.3.3 Religion, Liebe und Erotik
41
5.2.3.4 Schauriges ­ und göttliches Sizilien
42
5.2.3.5 Leitmotiv und Dominante
43
5.3 Luchino Viscontis Sizilien
45
6. Pietro Germi
48
6.1 In nome della legge (1948)
49
6.1.1
Die
Mafia
49
6.1.2
Fabula
53
6.1.3
Themenkomplexe:
54
6.1.3.1 Guido Schiavi und die Mafia
55
6.1.3.2 Inszenierung der Landschaft und ihrer Bewohner
60
6.1.3.3 Das Gesetz des Schweigens: omertà
62
6.1.3.4 Unerlaubte Liebe und die Ehre
64

3
6.2 Divorzio all'italiana (1961)
65
6.2.1
Fabula
66
6.2.2
Themenkomplexe:
67
6.2.2.1 Der Baron Cefalù und seine Ehefrau
67
6.2.2.2 Fefés Ehre steht auf dem Spiel
70
6.2.2.3 Sexualität: Die Natur des wahren Mannes ...
72
6.3
Pietro
Germis
Sizilien
74
7.
Francesco
Rosi
78
7.1 Salvatore Giuliano (1961)
80
7.1.1
Historischer
Kontext
81
7.1.2 Struktur des Films
88
7.1.3
Themenkomplexe:
91
7.1.3.1 Salvatore Giuliano
92
7.1.3.2 Die Banditen um Salvatore Giuliano
94
7.1.3.3 Die Landbevölkerung
96
7.1.3.4 Die Frauen und die Liebe
98
7.1.3.5 Aristokraten, Staatsmacht und die Mafia
101
7.1.3.6 Das ,,wirkliche Thema"
104
7.2 Cadaveri eccellenti (1976)
106
7.2.1
Fabula
107
7.2.2
Themenkomplexe:
108
7.2.2.1
Inspektor
Rogas
108
7.2.2.2 Die Vertreter der Justiz
110
7.2.2.3 Die Polizei und die politischen Gruppierungen
114
7.2.2.4
Landschaft
und
Bevölkerung
115
7.2.2.5 Abwesenheit der Frauen und der Liebe
117
7.2.2.6
Nord-Süd-Konflikt
118
7.2.2.7
Die
Mafia
118
7.2.3 Der historische Kontext
120
7.3
Francesco
Rosis
Sizilien
121
8.
Schluss
124
9.
Abspann
127

4
1. Einleitung
Der Bildungstourist Goethe bereiste im Jahre 1787 Italien mit der Postkutsche und
stellte fest: ,,Italien ohne Sizilien macht gar kein Bild in der Seele. Hier ist erst der
Schlüssel zu allem."
1
Der deutsche Schriftsteller Johann Gottfried Seume unternahm zwei Jahrzehnte spä-
ter von Leipzig aus einen Spaziergang nach Syrakus in Sizilien und entdeckte den
,,bestialischen Makkaronenfraß" des gemeinen Sizilianers.
2
Aber welches Bild weckt Sizilien?
Selbst wer noch nie in Sizilien, diesem oft vergessenen Anhängsel von Italien, gewe-
sen ist, hat bestimmte Vorstellungen von der Insel ­ nicht zuletzt durch die vielen Fil-
me, die in und über Sizilien entstehen. Angefangen bei den Klassikern wie Stromboli
über Giuseppe Tornatores Nuovo Cinema Paradiso bis hin zu der Serie Allein gegen
die Mafia kam Sizilien in jedes Wohnzimmer, oft voller Klischees und Stereotypen:
rauchende Schrotflinten und die Mafia, wüstenähnliche Landstriche, archaischer Ehr-
begriff, dornige Kaktusfeigen ...
In dieser Arbeit möchte ich untersuchen, wie Sizilien im Film dargestellt wird. Um den
Umfang dieser Arbeit nicht zu sprengen und die einzelnen Filme ausreichend analy-
sieren zu können, möchte ich mich auf drei Regisseure beschränken: Luchino Viscon-
ti, Francesco Rosi und Pietro Germi.
Die sechs von mir ausgewählten Filme sind in den Jahren von 1948 bis 1976 entstan-
den, so dass aufgrund des zeitlichen Spektrums auch darauf eingegangen werden
kann, ob eine Entwicklung in der filmischen Darstellung stattgefunden hat.
Zunächst möchte ich kurz die Vorgehensweise für diese Arbeit und die Kriterien, nach
denen ich die Filme der drei Regisseure ausgewählt habe, erläutern.
1
Nestmeyer, Ralf (Hg.): Sizilien. Ein literarisches Landschaftsbild. Frankfurt am Main und Leipzig: Insel
Verlag, 2000, S. 14
2
vgl. Nestmeyer, op. cit. , S. 15

5
2. Vorgehensweise und Auswahl der Filme
Folgende Filme habe ich für die Untersuchung ausgewählt:
La terra trema (1948) dt. Titel: Die Erde bebt von Luchino Visconti
Il Gattopardo (1962) dt. Titel: Der Leopard von Luchino Visconti
In nome della legge (1948) dt. Titel: Im Namen des Gesetzes von Pietro Germi
Divorzio all'italiana (1961) dt. Titel: Scheidung auf italienisch von Pietro Germi
Salvatore Giuliano (1961) dt. Titel: Wer erschoss Salvatore G.? von Francesco Rosi
Cadaveri eccellenti (1976) dt. Titel: Die Macht und ihr Preis von Francesco Rosi
In dieser Auflistung habe ich auch die deutschen Verleihtitel der Filme vermerkt, im
weiteren Verlauf werde ich die Originaltitel verwenden.
La terra trema ist einer der ersten auch international beachteten Filme, dessen Thema
Sizilien ist ­ er soll für die vorliegende Arbeit den Anfangspunkt darstellen und der
1976 entstandene Filme Cadaveri eccellenti von Francesco Rosi den zeitlichen
Schlusspunkt.
Natürlich kann die Auswahl der Filme nur subjektiv sein. Für diese Arbeit gelten je-
doch einige grundsätzliche Kriterien, die die Auswahl von vornherein beschränken:
Um sicherzustellen, dass es sich bei dem Blick auf das Land nicht um einen ,,fremden"
Blick handelt, habe ich nur Filme von italienischen Regisseuren ausgewählt. Um die
Filme miteinander vergleichen zu können, ist es weiterhin wichtig, dass alle Filme ihre
Handlung in Sizilien haben und die Protagonisten vornehmlich Sizilianer sind. Im Lau-
fe der Recherche habe ich festgestellt, dass Sizilien zwar sehr oft zum Thema eines
Films gemacht wurde, es gibt allerdings nicht sehr viele ­ besonders ältere ­ Filme,
auf die alle genannten Kriterien zutreffen.
Um herauszufinden, wie die Regisseure Sizilien darstellen, möchte ich den jeweiligen
Film in dominierende Themen unterteilen, die mir beim Ansehen als erste aufgefallen
sind. Da jeder Film eigenständig behandelt werden muss, können durch die Unter-
schiedlichkeit der Produktionen jeweils völlig andere Themen in den Vordergrund
rücken. Auf diese Weise ist es möglich, herauszufinden, ob es bestimmte Muster oder
Umstände gibt, die in den einzelnen Filmen immer wieder auftauchen und somit das
Bild von Sizilien bestimmen.

6
Vor dem Einstieg in die Analyse der oben genannten Werke möchte ich im folgenden
Kapitel auf die Anfänge des Kinos in Sizilien sowie auf Sizilien in früheren Filmen ein-
gehen.

7
Giovanni Grasso und Virgina Balistrieri in Sperduti nel buio (1914)

8
3. Kino in Sizilien ­ Sizilien im Kino
Ab dem Mittelalter und noch viele Jahrhunderte später wird Sizilien als mythischer Ort
voller Legenden wahrgenommen. Diese Wahrnehmung wird sicher unterstützt durch
die Verse von Homer, Pindar und Theokrit und ändert sich auch später nicht, als die
ersten Reisenden und Chronisten Sizilien entdecken und detaillierte Tagebücher mit
genauen Beschreibungen der Orte und der Bevölkerung schreiben.
Die bekanntesten deutschen Besucher der Insel sind sicher Johann Wolfgang Goethe
und Gottfried Seume, die in der Italienischen Reise (1787) bzw. im Spaziergang nach
Syrakus (1802) ihre Eindrücke festhalten. Ein Grund ihrer Reise ist der Besuch der
antiken Stätten, die die Griechen hinterlassen haben. Doch nicht nur die jahrtausen-
dealte Geschichte wollen sie entdecken, sie suchen auch nach Eindrücken, die zu
einer Welt gehören, die sie als naiv und leidenschaftlich, wenn nicht sogar als primitiv
und gewalttätig empfinden.
3
Die Schilderungen Seumes heben sich dabei auffällig von
denen seiner Zeitgenossen ab, da er sich besonders für das soziale Leben in Sizilien
interessiert. Er beschreibt in seinem Reisebericht die tiefe Kluft zwischen Antike und
Gegenwart und stellt das Alltagsleben der Sizilianer volkstümlich und realistisch dar.
4
Es ist vor allem die gerade erst erfundene Fotografie und ihre schnelle Verbreitung,
die die Skizzen und Zeichnungen Siziliens der Maler Philipp Hackert und Georg von
Dillis
5
ersetzt und ein Bild von Sizilien vermittelt, das objektiver und realer ist. Und
dann kommt das Kino. Gleich nach der ersten öffentlichen Filmprojektion im Salon
Indien im Grand Café in Paris am 28.12.1895 erobert es auch Italiens Süden.
Die frühen Pioniere zur Verbreitung dieser neuen Kunst sind die fahrenden Händler,
die Vorführgeräte besitzen oder auch nur geliehen haben und die visuellen ,,Wunder"
in den italienischen Städten vorführen. Ihre Programme der bewegten Bilder bestehen
aus verschiedenen abgefilmten Straßenszenen mit ersten eingebauten Spielhandlun-
gen. In der Regel finden die Aufführungen auf öffentlichen Plätzen oder Dorffesten
statt und etwas später in eigens dafür angemieteten Lokalen oder Theatern.
3
vgl. Nestmeyer, op. cit. , S. 15
4
vgl. Nestmeyer, op. cit. , S. 15
5
vgl. Nestmeyer, op. cit., S. 14/15

9
Danach entstehen Säle, die ausschließlich für Kinoaufführungen gedacht sind; mit
ihren großen Werbetafeln und auffallenden Lichtern verändern sie nun auch das Er-
scheinungsbild der Städte.
6
Die ersten bewegten Bilder, die die Menschen aus Messina am 12.02.1897 mit Stau-
nen erleben, sind nicht die klassischen der Ankunft eines Zuges in einem Bahnhof,
sondern ­ viel passender für die Stadt an der Meerenge ­ die Ankunft eines Dampf-
schiffes im Hafen.
7
Unzählige sizilianische Kameramänner werden nun mit der neuen Technik vertraut
gemacht und in die Städte der Insel ausgesandt, um verschiedene Straßenszenen zu
filmen. Am 10.11.1898 sind auf Zelluloid gebannte sizilianische Alltagsszenen in
Messina zu sehen: L'uscita dell'ultima messa dalla chiesa dell'Annunziata del giorno 6
novembre (Die Gläubigen kommen aus der letzten Messe der Kirche der Annunziata
am 6. November), Lo sbarco dei passeggeri dal Ferry-Boat a Messina (Passagiere
verlassen die Fähre in Messina) und Il Convegno di ciclisti messinesi allo Chalet (Tref-
fen der Radfahrer aus Messina am Chalet).
8
Und schon entstehen sizilianische Kinosäle; in Messina öffnet 1907 das Cinematogra-
fo Moderno seine Türen. Die Betreiber des Saales sind nicht nur Pioniere auf ihrem
Gebiet, sondern sie engagieren sich auch besonders für das italienische Kino, denn
sie stellen ihr Programm selten aus französischen und amerikanischen Filmen zu-
sammen, sondern zeigen nahezu ausschließlich italienische Produktionen. Die Initia-
toren werden nun auch zu Produzenten und beginnen, sich filmisch an das Leben ih-
rer Heimatstadt anzunähern. Sie realisieren den Film Una gita a Messina (Ein Ausflug
nach Messina), der mehrere charakteristische Seiten Messinas zeigt: Den Hafen, An-
kunft und Abfahrt des Schiffes, das Löschen der Ladung und das Einschiffen, ein
französisches Kriegsschiff, den Platz vor dem Dom und Gläubige, die aus der Messe
kommen.
9
Ebenfalls im Jahre 1907 und immer in Messina eröffnen die Brüder Fugazzotto einen
neuen Kinosaal, das Cinematografo Iris. In diesem wird erstmals zu den Weihnachts-
feiertagen 1907 und durchgehend bis zum 27.12.1908, d. h. bis zum Vorabend des
6
vgl. Genovese, Nino/Gesù, Sebastiano: Viaggio cinematografico nella Sicilia tra otto e novecento. In:
Gesù, Sebastiano (Hg.): La Sicilia e il cinema, Catania: Maimone, 1993, S 284
7
vgl. Genovese/Gesù, Viaggio cinematografico nella Sicilia tra otto e novecento. op. cit. , S. 287
8
vgl. Genovese/Gesù, Viaggio cinematografico nella Sicilia tra otto e novecento. op. cit. , S. 291
9
vgl. Genovese/Gesù, Viaggio cinematografico nella Sicilia tra otto e novecento. op. cit. , S. 299

10
Erdbebens vom 28.12.1908, derselbe Film gezeigt ­ eine Komödie prophetischen Ti-
tels und Inhalt: L'avvisatore del terremoto (Der Ankündiger des Erdbebens).
10
Diese Ankündigung bewahrheitet sich am frühen Morgen des 28.12.1908: Messina
wird durch ein verheerendes Erdbeben erschüttert. Dieses tragische Ereignis, das die
Stadt in Schutt und Asche legt und viele Todesopfer fordert, lässt Scharen von Jour-
nalisten und Reportern auf die Insel strömen. Ausländische Filmproduktionen und die
größten Produzenten aus Norditalien entsenden ihre Kameramänner, die die Folgen
der Katastrophe in Worten und Bildern dokumentieren, erste Reportagen über das
Ereignis entstehen.
11
Wahrscheinlich sind diese Bilder die ersten von Sizilien im Film,
die außerhalb der Insel wirklich wahrgenommen werden.
Als diese Reportagen über das Erdbeben in die italienischen Kinos kommen, wird das
Kino nicht nur zu einer Massenveranstaltung, die auch jenseits des Vergnügens und
der Lust am bewegten Bild Gültigkeit besitzt, sondern es sensibilisiert die Zuschauer
gleichzeitig für die Probleme Siziliens. Nun werden in ganz Italien Benefizveranstal-
tungen organisiert, auf denen Geld für die überlebenden Opfer gesammelt wird.
12
Und
es hat noch einen weiteren Effekt: Die dokumentarischen Liveaufnahmen fungieren
jetzt als Hintergrund für dramatische Spielhandlungen, wie schon die Titel der Produk-
tionen dieser Jahre verraten. Die Filme Dalla Pietà all' amore ­ Il disastro di Messina
(Vom Mitleid zur Liebe ­ Die Katastrophe von Messina), L'orfanella di Messina (Das
Waisenkind von Messina) und Amore e morte (Liebe und Tod) sind zum großen Teil
in den Ruinen von Messina gedreht und vermischen erstmals Realität und Fiktion im
Film.
13
Mit dem Übergang zum Spielfilm ist auch die ökonomische Seite des Kinos entdeckt,
es wird immer mehr zu einer Wirtschaftsbranche, die große Einkünfte bringt. Während
man in Messina mit dem Wiederaufbau beschäftigt ist, gründen sich in Catania und
Palermo die ersten sizilianischen Produktionsfirmen, die den Vergleich mit den großen
norditalienischen Häusern wie etwa der CINES in Turin nicht zu scheuen brauchen.
Einer der Kinopioniere in Palermo ist Raffaello Lucarelli. Er erwirbt in Paris eine Ka-
mera, lernt dort einen Monat lang, sie zu benutzen und beginnt, nahezu alle öffentli-
chen Veranstaltungen in Sizilien zu filmen. Es gibt kaum noch ein sportliches oder
10
vgl. Genovese/Gesù, Viaggio cinematografico nella Sicilia tra otto e novecento. op. cit. , S. 299
11
vgl. Genovese/Gesù, Viaggio cinematografico nella Sicilia tra otto e novecento. op. cit. , S. 300
12
vgl. Genovese/Gesù, Viaggio cinematografico nella Sicilia tra otto e novecento. op. cit. , S. 300
13
vgl. Genovese/Gesù, Viaggio cinematografico nella Sicilia tra otto e novecento. op. cit. , S. 300

11
folkloristisches Ereignis, das er nicht auf Zelluloid bannt. Allerdings finden seine Filme
über die Weinlese, den Thunfischfang und die lokalen Fußballturniere kaum den Weg
hinaus aus Sizilien.
14
Seine unzähligen Aufnahmen eignen sich aber sehr wohl für ei-
ne erste sizilianische "Wochenschau". Alle 14 Tage wird nun sein Giornale Cinema-
tografo Lucarelli mit jeder Art von Nachrichten der ganzen Insel aufgeführt. Da das
Vertreiben dieses Nachrichtenmagazins noch schwierig ist, gründet der findige Luca-
relli auch gleich den ersten sizilianischen Filmverleih.
Ab dem Jahre 1910 verändert sich das sizilianische Kino, das bisher mit wenigen
Ausnahmen eine Veranstaltung für die leichte Unterhaltung großer Massen gewesen
war. Die Kinoproduzenten wollen nun dem Kino einen neuen Stellenwert geben und
es nicht mehr als eine Art Ersatz von etwas eleganterem wie dem Theater oder Litera-
tur verstanden wissen. Sie machen sich auf die Suche nach neuen Quellen für ihre
Produktionen. Auf diese Weise kommen die zeitgenössischen Intellektuellen, die das
Kino bisher nicht ernst genommen haben, in Kontakt mit ihm. Die Haltung der Litera-
ten wie Giovanni Verga, Luigi Pirandello oder Vitaliano Brancati aber ist und bleibt
ambivalent. Einerseits sind sie angezogen von dem Vorhaben, dass sich das Kino von
seinen historischen Wurzeln des Spektakels befreien und zu einer Kunstform werden
möchte, in der auch sie sich einbringen können. Auf der anderen Seite müssen sie
schnell feststellen, dass ihre Werke von den Regisseuren und Produzenten regelrecht
ausgeplündert und in leichtverdauliche Kost von einer halben Stunde umgewandelt
werden.
15
Allerdings bietet das Kino diesen Autoren eine willkommene Verdienstmög-
lichkeit und ihr Interesse an ihm ist daher auch finanzieller Natur. Giovanni Verga bei-
spielsweise nähert sich dem sizilianischen Filmschaffen in seinen letzten Lebensjah-
ren aus ökonomischer Not heraus an, obwohl er es in einem Brief als ,,Groschenro-
man für Analphabeten" bezeichnet.
16
Neben den Kostümfilmen und den vielen sentimentalen Filmen voller Klischees von
tugendhaften Frauen und starken Männern, gibt es in diesen Jahren aber auch ande-
re Filme, die das soziale Leben Italiens zum Thema haben. Wie zum Beispiel Sperduti
nel buio (1914) von Nino Martoglio oder Assunta Spina (1915) von Gustavo Serena.
An dieser Stelle soll vor allem auf Nino Martoglios Sperduti nel buio eingegangen
werden ­ laut Sebastiano Gesù das Kultmovie der italienischen Stummfilmzeit.
17
Der
14
vgl. Genovese/Gesù: Viaggio cinematografico nella Sicilia tra otto e novecento. op. cit. , S. 302
15
vgl. Genovese, Nino/Gesù, Sebastiano: Cinema e letterati siciliani. In: Gesù, Sebastiano (Hg.): La
Sicilia e il cinema, Catania, Maimone, 1993, S. 54.
16
vgl. Genovese/Gesù: Cinema e letterati siciliani. op. cit. , S. 56
17
vgl. Genovese/Gesù: Cinema e letterati siciliani. op. cit. , S. 67

12
Film handelt von Korruption in aristokratischen Kreisen in Neapel. Martoglio wechselt
in seinem Erzählfluss das Milieu und zeigt die schmutzigen Gassen der Armen sowie
die luxuriösen Häuser der Reichen, dadurch ergibt sich ein filmisch interessanterer Stil
als in den früheren großen Produktionen. Das Werk hat eher dokumentarischen Cha-
rakter, es besteht aus eindringlichen visuellen Elementen, die seine Dramatik und at-
mosphärische Dichte ausmachen.
18
Der sizilianische Schriftsteller Leonardo Sciascia
nennt Sperduti nel buio mit dem sizilianischen Hauptdarsteller Giovanni Grasso als
entscheidend für Sizilien im Film. Er führt detaillierter aus: ,,Grasso, der Sizilien selbst
nach Odessa brachte, war in Sperduti nel buio durch und durch sizilianisch [...] ein le-
bendes Beispiel für die harte Realität, die der Film in all ihren Facetten beschreibt.
Dieser Film ebnete den Weg für den Realismus."
19
Sperduti nel buio und Cabiria, ebenfalls im Jahre 1914 unter der Regie des Sizilianers
Giovanni Pastrone entstanden, repräsentieren die beiden Strömungen, die mehr als
alle anderen die Filmproduktionen dieser Jahre beeinflussen und die dem Begriff des
D'Annunzianismus oder Verismus zugeordnet werden.
20
Cabiria ist dabei Teil des filmischen D'Annunzianismus. Der Dichter Gabriele
D'Annunzio wendet sich dem Filmgeschehen zu und drückt ihm seine Geisteshaltung
des schönheitsschwülstigen Historismus auf ­ der historische Kostümfilm und seine
prunkende Inszenierung, der die Gunst des Publikums erobert, ist vor allem ihm zu
verdanken.
21
Cabiria ist voll von technischen und künstlerischen Neuheiten wie Lichtsetzung, Pano-
ramen und Nahaufnahmen. Bartolomeo Pagano, ein athletischer Schauspieler ist Ma-
ciste, der Held des Films. Aufgrund des großen Erfolges dieser Filme über den star-
ken Mann folgen viele weitere, die Maciste zum ersten Filmstar Italiens machen.
22
Sperduti nel buio hingegen ist ein durch und durch ,,veristischer" Film, der, wie später
noch ausgeführt werden wird, im Zusammenhang mit dem italienischen Neorealismus
nicht ungenannt bleiben kann.
18
vgl. Schlapper, Martin: Von Rossellini zu Fellini. Das Menschenbild im neorealistischen Film. Zürich:
Origo, 1958, S. 19
19
"Ma Grasso, Grasso che si portava appresso la Sicilia anche ad Odessa, in Sperduti nel buio era ­
'perentoriamente siciliano' ­ come qualcuno ha detto ­ l'elemento catalizzatore della cruda realtà che il
film declinava, del realismo cui il film apriva la strada." Sciascia, Leonardo: La Sicilia nel cinema. In:
Ders. : La corda pazza. Scrittori e cose della Sicilia. Milano: Adelphi, 1991, S. 268
20
vgl. Genovese/Gesù: Cinema e letterati siciliani. op. cit. , S. 69
21
vgl. Schlappner, Martin: Von Rossellini zu Fellini. op. cit. , S. 15
22
vgl. Verdone, Mario: Storia del cinema italiano. Roma: Tascabili Economici Newton, 1995, S. 11

13
Das italienische Kino entfaltet sich nun auf einer stabilen Basis, die Produktionsfirmen
wachsen schnell und es ist auf seinem Höhepunkt angelangt, als der Erste Weltkrieg
ausbricht.
Während der Kriegsjahre sind die Produktionen nicht mehr so zahlreich, hier möchte
ich lediglich den Film Cavalleria Rusticana von 1916 erwähnen. Der nach einer No-
velle Giovanni Vergas von Ugo Falena realisierte Film bringt ein ,,typisch" siziliani-
sches Drama um Liebe und Ehre auf die Leinwände. Der große Erfolg des Filmes
beim gesamten italienischen Publikum lässt die Vermutung zu, dass die dargestellte
Welt einer Gesellschaft, die in Traditionen und festen Ehrbegriffen in einer wunder-
schönen Landschaft lebt, zweifellos nicht ohne Faszination für den Zuschauer sein
konnte.
In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ist die italienische Filmindustrie nicht auf die
große amerikanische Konkurrenz vorbereitet, die meisten großen Produktionsfirmen
können der Welle aus Hollywoods Traumfabriken nicht standhalten und müssen
schließen. Martin Schlappner führt aus, dass diese Umstände nicht die einzigen
Gründe für den Niedergang des italienischen Films in diesen Jahren gewesen sind. Er
betont vielmehr, dass die wirtschaftliche Krise ,,ohne eine Reaktion im Sinne einer
künstlerischen Neubesinnung" aufgenommen wurde. ,,Man versteifte sich auf die alten
Themen, hatte keinen Mut zu neuen Lösungen, verbannte mutige Ideen."
23
Erst in den dreißiger Jahren gründen die italienischen Intellektuellen die ersten Fach-
zeitschriften, und die ersten Filmklubs entstehen. Es wird nun viel Hoffnung in die Fil-
memacher Alessandro Blasetti und Mario Camerini gesetzt, die versuchen, den italie-
nischen Film wieder an die Strömungen des amerikanischen und europäischen Films
anzuschließen. Der (nicht einmal nennenswert große) Erfolg ihrer Filme wie Sole
(1928) von Alessandro Blasetti oder Rotaie (1929) von Mario Camerini bleibt jedoch
auf Italien beschränkt.
24
Auch beginnt das aufkommende faschistische Regime unter
Mussolini, die Produktionen zu kontrollieren und genau auszuwählen, welche Filme in
das politische Programm passen. Die Faschisten wünschen sich besonders helden-
hafte Geschichten und Melodramen, weit entfernt von der sozialen und menschlichen
Realität des Landes. In dieser Zeit entstehen neben den historischen Prunkfilmen, die
dem Volk die glorreiche römische Vergangenheit wieder in Erinnerung rufen sollen
und zackigen Propagandafilmen die Filme der ,,weißen Telefone": Unterhaltung voll
23
vgl. Schlappner, Martin: Von Rossellini zu Fellini. op. cit. , S. 21
24
vgl. Schlappner, Martin: Von Rossellini zu Fellini. op. cit. , S. 21

14
kleinbürgerlicher Träume, unbeschwerten Lebens und biederer Gesinnung, in denen
auch immer wieder blankgeputzte Telefonapparate abgebildet wurden, die dieser fil-
mischen Ära ihren Namen gaben.
Die Abbildung des wirklichen sozialen Lebens in Italien wird erst wieder nach dem
Zweiten Weltkrieg in der Periode des Neorealismus möglich. In dieser Zeit sind zwei
der ausgewählten Filme entstanden: La terra trema von Luchino Visconti und In nome
della legge von Pietro Germi. Im folgenden möchte ich nun die Grundsätze des
Neorealismus erläutern, damit die zu besprechenden Filme auch in ihrem historischen
Kontext betrachtet werden können.
4. Neorealismus
,,In der Nachkriegszeit gab es ein großes Bedürfnis nach Wahrheit, und es
erschien möglich, sie von jeder Straßenecke aus zu fotografieren."
(Michelangelo Antonioni)
25
Der italienische Neorealismus entsteht aus dem Wunsch, Realität und Wahrheit nach
der Ära Mussolini und dem Krieg darzustellen.
Die Bezeichnung Neorealismus stammt von Umberto Barbaro, einem Filmkritiker,
Essayist, Drehbuchautor und Dokumentarfilmer, der 1942 in der Zeitschrift Il film den
neu aufkommenden filmischen Realismus als die Erneuerung früherer realistischer
Bemühungen des italienischen Films bezeichnet. Er bezieht sich dabei auf Nino Mar-
toglios Sperduti nel buio, den er als Ursprung dieser filmischen Tradition nennt.
26
Die
neorealistische Bewegung ­ als Gegenbewegung zu Formen, Strukturen und Inhalt
der offiziellen (zensierten) Produktionen ­ findet sowohl im Film als auch in der Litera-
tur statt und liegt zeitlich unmittelbar vor dem Ende des faschistischen Regimes in Ita-
lien. Filmemacher sowie Literaten werfen die alten Konventionen über Bord und be-
ginnen, ihr Land so zu zeigen, wie es wirklich ist.
Martin Schlappner beschreibt in seiner genauen Analyse des Genres vier strukturhaf-
te Elemente im neorealistischen Film: Stoff, Perspektive, Stil und Moral.
27
Demnach
haben die Filminhalte, die abgebildeten Ereignisse, in den politischen, sozialen und
25
Chiellino, Carmine: Der neorealistische Film. In: Arnold, Ludwig (Hg.): Text und Kritik. Zeitschrift für
Literatur, Heft 63 Italienischer Neorealismus. München: edition text und kritik, 1979, S. 23
26
vgl. Schlappner, Martin: Linien des Realismus im italienischen Nachkriegsfilm. In: Luchino Visconti.
München-Wien: Hanser Reihe Film 4, 1976, S. 17
27
vgl. Schlappner, Martin: Linien des Realismus im italienischen Nachkriegsfilm. op. cit. , S. 18

15
bürgerlichen Verhältnissen der Entstehungszeit ihren Ursprung. Die Perspektive be-
zieht sich auf die Erfassung der Realität, indem diese in ihrer ,,geschichtlichen und
dialektischen Bedeutung für die Gegenwart"
28
erzählt wird. Der neorealistische Stil
bildet die Realität nicht einfach ab, sondern macht das Wechselspiel zwischen Men-
schen, Dingen und Ereignissen sichtbar. Die ,,Moral dieser Wirklichkeitserfassung liegt
in der Zeugnishaftigkeit für die Zeit und im exemplarischen Mut zur nationalen und
individuellen Selbstdarstellung".
29
Grundsätzlich wird der neorealistische Film ferner
bestimmt ,,durch ein nüchternes Pathos der Gewissenserforschung und der Wahrhaf-
tigkeit".
30
Der neorealistische Film ist also zu begreifen als ein filmischer Realismus,
der sich gegen die herrschende Gesellschaftsklasse wendet und die Menschen zu
einer revolutionierten, neu geordneten Gesellschaft hinführen will.
Diese Art des Filmemachens führt zu einer kollektiven Bewegung in der italienischen
Nachkriegszeit. Der Regisseur Vittorio de Sica stellt allerdings auch zutreffend fest,
dass es keine gemeinsame Front unter den Regisseuren gegeben hat.
31
Im allgemei-
nen forderten aber alle an der Bewegung Beteiligten die Abbildung des realen Alltags
im Film, um so der Gesellschaft ein Bewusstsein für die Gegenwart zu geben bzw.
dieses zu erwecken. Folglich sollte der Film Chronik und Analyse des Zeitgeschehens
sein. Schlappner führt weiter aus: ,,An dieser Revolutionierung des Filmschaffens trat
zunächst eine Gemeinsamkeit hervor: die Kritik am Faschismus. Von dieser gemein-
samen Basis entfalteten sich künstlerisch und weltanschaulich unterschiedliche Ma-
nifestationen."
32
Zunächst ist der neorealistische Film also als Abbildung der harten Realität zu
verstehen. Die elenden Verhältnisse in Italien, das halbzerstört aus dem Krieg
hervorgegangen ist, verändern sich rasch, der neorealistische Film ist damit einer
seiner wichtigsten Ausgangspunkte beraubt. Nach und nach findet nun ein Übergang
von der Chronik in die filmische Erzählung statt ­ dieser Übergang lässt den
neorealistischen Film in eine Krise geraten, denn er muss sich ästhetisch verändern,
ohne dabei auf seine Grundsätze zu verzichten.
Jedoch hängt das Ende des Neorealismus auch zusammen mit dem Beginn der Re-
gierungsperiode der Democrazia Cristiana (Christliche Demokraten) und der unter
dieser wieder vorgenommenen Zensuren. So verlangt sie von Seiten der Künstler
28
Schlappner, Martin: Linien des Realismus im italienischen Nachkriegsfilm. op. cit. , S. 18
29
Schlappner, Martin: Linien des Realismus im italienischen Nachkriegsfilm. op. cit. , S. 18
30
Schlappner, Martin: Linien des Realismus im italienischen Nachkriegsfilm. op. cit. , S. 18
31
vgl. Schlappner, Martin: Linien des Realismus im italienischen Nachkriegsfilm. op. cit. , S. 19
32
Schlappner, Martin: Linien des Realismus im italienischen Nachkriegsfilm. op. cit. , S. 19

16
einen konstruktiven Optimismus ­ Italien sollte nicht als ein Land der Armut präsen-
tiert werden, sondern durch repräsentative Filme wieder internationalen Ruhm erlan-
gen.
33
Doch zurück zu den Anfängen des Neorealismus:
Als erster neorealistischer Film gilt Roma ­ Città Aperta der 1945 von Roberto
Rossellini gedreht wird und vom Widerstand gegen die Nazistreitkräfte in Rom erzählt.
Dieser Film wird heimlich, noch während der Besatzungszeit der Deutschen in Rom
geplant und kurz nach der Befreiung durch die Alliierten gedreht. Die Bedingungen,
unter denen der Film entsteht, tragen stark zum bedrängenden Gefühl des Realismus
bei. Die Erzählung geht dabei über das Einzelschicksal hinaus und betont das
kollektive Erleben der Menschen in einer schweren Zeit, Rom wird hier zum Sinnbild
für ein Italien mit seinen Leiden und Hoffnungen während der deutschen Besatzung.
34
In der Literatur zum Thema wird auch besonders auf Ossessione (1942) von Luchino
Visconti als einer der ersten neorealistischen Filme hingewiesen.
35
Ossessione,
Viscontis erster Spielfilm entsteht nach dem Buch The postman always rings twice
von Michael Cain. Visconti verlegt den Plot in die triste Poebene in Norditalien. Die
dramatische Geschichte des Paares, das gemeinsam den Ehemann der Frau
ermordet, ist nach den Propagandafilmen und der seichten Unterhaltung der letzten
Jahre unter Mussolini ein Skandal.
Diese ,,Vorreiter" setzen eine ganze Reihe weiterer Produktionen in Gang, die in
dokumentarischer Art und Weise die soziale Realität in Italien zeigen. Die
Authentizität vieler neorealistischer Produktionen bezieht sich neben der Erzählung
auch auf die Filmtechnik, die Darsteller und die Orte. Häufig wird unter Verzicht auf
inszenierte Lichtsetzung an Originalschauplätzen mit Laiendarstellern gedreht.
Rossellini realisiert einige seiner Filme sogar ohne jegliches Drehbuch und lässt sich
an Ort und Stelle von den Gegebenheiten inspirieren. Germania ­ Anno zero
beispielsweise entsteht in wenigen Tagen ohne besondere Vorbereitung in dem
zerbombten Berlin.
36
Luchino Visconti ist einer der wichtigsten Vertreter des italienischen Neorealismus. Er
ist neben Pietro Germi der erste (nord)italienische Regisseur, der die besondere
Situation Siziliens in seinen Filmen thematisierte. Viscontis zweiter Film, La terra tre-
ma bildet somit den Anfang der Untersuchung über die Darstellung der Insel im Kino.
33
vgl. Kurowski, Ulrich: Lexikon des internationalen Films (Band 1). München/Wien: Hanser 1975, S. 136
34
vgl. Monaco, James: Film verstehen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1995, S. 311
35
vgl. Verdone, op. cit. , 58, vgl. Monaco, op. cit. , S. 311
36
vgl. Verdone, op. cit. , S. 40

17
5. Luchino Visconti
Luchino Visconti, dessen erster Film Ossessione (1942) auch international große
Beachtung fand, war ein unermüdlicher Film-, Theater- und Opernregisseur.
Insgesamt hat er 14 lange Spielfilme inszeniert und drei Beiträge für Episodenfilme,
weiterhin hat er an einem Dokumentarfilm und einem Kurzfilm mitgearbeitet.
37
Parallel
zur Filmarbeit ist er als Regisseur für unzählige Theateraufführungen und für eine
Reihe von Opernaufführungen verantwortlich. Zwei seiner Spielfilme realisierte er in
Sizilien, La terra trema 1948 und Il Gattopardo im Jahre 1962.
La terra trema dreht Visconti ursprünglich im Auftrag der kommunistischen Partei, die
zu Wahlkampfzwecken einen Film über das von dem Wunsch nach Unabhängigkeit
geprägte und von Bauernrevolten geschüttelte Sizilien wollten. Für April 1948 sind die
Wahlen angesetzt und im November 1947 macht sich Visconti mit 6 Mio. Lire aus der
Parteikasse, einem wenig erfahrenen Team und rudimentärer Ausrüstung auf in das
Fischerdorf Aci Trezza bei Catania. Zu der Handlung des Films hat ihn der Roman
I Malavoglia des veristischen sizilianischen Autors Giovanni Verga inspiriert. Visconti
plante eine Trilogie über die Menschen aus dem Süden und ihr hartes Leben. Die
Episode der Fischer von Aci Trezza sollte dabei die erste bilden gefolgt von zwei
weiteren über die sizilianischen Schwefelarbeiter und die Bauern. Realisiert hat er
jedoch lediglich die erste Episode des Meeres, die den Titel des gesamten Projektes
trägt. Der Film wird ausschließlich an Originalschauplätzen und mit
Laienschauspielern aus Aci Trezza gedreht, die in ihrem Dialekt sprechen. Visconti
benutzt kein detailliertes Drehbuch, sondern bespricht jede einzelne Szene mit den
Darstellern, die die Dialoge selbst gestalten. Nach einem halben Jahr Aufenthalt in
Sizilien wird der Film Ende Mai 1948 abgeschlossen ­ viel zu spät für die Wahlen. Bei
der Erstvorführung in Venedig gibt es heftige Tumulte. Der Dialekt ist schwer
verständlich, so dass der Film auch in Italien nur untertitelt gezeigt werden kann,
Visconti selbst spricht einen Kommentar dazu. Erst später gelangt La terra trema zu
Ehren und wird heute als einer der Höhepunkte des italienischen Neorealismus
bezeichnet.
38
37
vgl. Prinzler, Hans Helmut: Daten. In: Luchino Visconti. München-Wien: Hanser Reihe Film 4, 1976, S.
154
38
vgl. Köhler, Hartmut: Die einfachen Wahrheiten ­ Der italienische Neorealismus. In Faulstich,
Werner/Korte, Helmut (Hg.) Fischer Filmgeschichte Band 3: Auf der Suche nach den Werten 1945-
1960. Frankfurt: Fischer, 1990, S. 81

18

19
5.1 La terra trema (1948)
Den Anfang der jeweiligen Analyse bildet die kurze Wiedergabe der Fabula:
5.1.1 Fabula
Die Familie Valastro lebt wie fast alle anderen Menschen ausschließlich vom
Fischfang im Fischerdorf Aci Trezza. Der Vater als Familienoberhaupt ist auf See
gestorben. Der älteste Sohn, Ntoni, rebelliert zusammen mit seinem jüngeren Bruder
Cola gegen die Ausbeutung der Fischgroßhändler. Anfangs unterstützen ihn die
anderen Fischer und versuchen, den Preis ihrer Ware nicht durch die Großhändler
drücken zu lassen. Als Ntoni auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung am Hafen
die Waage der Händler ins Meer wirft, wird er von der Polizei als Rädelsführer
verhaftet. Um eine Ausbreitung der Revolte und eine Solidarisierung der anderen mit
ihm zu verhindern, wird er jedoch nicht bestraft. Ntoni kehrt triumphierend in das Dorf
zurück, muss aber feststellen, dass sich die anderen Fischer bereits wieder in ihre alte
Abhängigkeit begeben haben. Er und Cola beschließen, sich auf eigene Faust
unabhängig zu machen und belasten ihr Haus mit einer Hypothek. Um die hohen
Kreditzinsen zahlen zu können, sind sie gezwungen, bei jedem Wetter zum Fischen
hinauszufahren. Der soziale Status der Familie Valastro im Dorf steigt, der Neid unter
den Kollegen wächst. Auf einer ihrer gefährlichen Fänge geraten sie in einen Sturm
und können sich mit dem zerstörten Boot nur mühsam in den Hafen retten. Geld für
ein neues Boot haben sie nicht. Der Abstieg der Familie beginnt. Die Valastros
müssen ihre eingelagerten Fische zu Schleuderpreisen verkaufen, das Haus wird
gepfändet, sie müssen ausziehen. Der Familienzusammenhalt bröckelt, der Großvater
stirbt, eine Tochter wendet sich von der Familie ab und auch Cola verlässt das Dorf.
Ntoni bleibt nichts anderes übrig, als sich bei den Fischgroßhändlern als Tagelöhner
anzubieten.
5.1.2 Themenkomplexe:
Luchino Visconti erzählt in seinem Film La terra trema die Tragödie einer armen Fami-
lie, die sich gegen ihre bisherigen Lebensumstände auflehnt. Auffallend dabei ist,
dass sie mit ihrem Wunsch nach Veränderung und der daraus hervorgehenden Re-
bellion des Protagonisten weitgehend allein sind und auch bleiben. Im folgenden

20
möchte ich zunächst das Gesellschaftspanorama, das Visconti in La terra trema zeigt,
genauer untersuchen.
5.1.2.1 Die Familie Valastro
Die Aufgaben in der sizilianischen Gesellschaft von La terra trema sind streng verteilt.
Die Organisation in der Familie Valastro stellt dafür ein anschauliches Beispiel dar:
Der Platz der männlichen Familienmitglieder ist vor allem auf dem Boot der Familie,
das ihre Existenzgrundlage darstellt. Der Großvater sowie alle seine Enkel fahren
nachts zusammen mit den anderen Fischerbooten hinaus aufs Meer, erst im
Morgengrauen kehren sie in den Hafen zurück, wo sie schon von den Großhändlern
erwartet werden. Die Frauen halten sich nahezu ausschließlich im Haus auf. Sie
erledigen die Hausarbeit, führen Handarbeiten aus und versorgen die Männer. Die
strikte Teilung der Geschlechter setzt sich fort, denn auch ihre Schlafräume sind
getrennt voneinander.
Der Großvater als ältestes Familienmitglied lebt nach den tradierten Regeln, die er
nicht in Frage stellt und repräsentiert damit auch die ,,alte" Gesellschaftsordnung. Er,
sowie die Mutter, die als Protagonistin eher im Hintergrund bleibt, wird von den
Jüngeren mit großem Respekt behandelt. Sie werden von ihren Kindern und
Enkelkindern mit ,,Sie" angesprochen (wobei bemerkt werden muss, dass das ,,Sie" in
der deutschen Untertitelung im Italienischen die zweite Person Plural ist und z. T.
noch heute in Italien für die höfliche Anrede verwendet wird). Das Verhältnis der
Familienmitglieder untereinander ist deshalb aber nicht weniger herzlich. Sie
umarmen sich häufig, besonders in schwierigen Situationen, in denen sie ihren
Zusammenhalt anderen gegenüber demonstrieren oder in traurigen Situationen,
in
denen sie nach Halt suchen. Ntoni wie einige der jüngeren Fischerkollegen stehen für
den Wunsch nach einer gerechteren, ,,neuen" Gesellschaftsordnung. Sie stellen die
Regeln, deren Gültigkeit für den Großvater feststehen, in Frage. Vor allem Ntoni, der
als einziges Familienmitglied während seines Militärdienstes Erfahrungen außerhalb
des Dorfes sammeln konnte, will diese nicht einfach akzeptieren. Er ist überzeugt,
dass man für die Verbesserung der Lebensumstände kämpfen sollte.
Auffällig ist, dass es ausschließlich die Männer sind, die Entscheidungen für die Zu-
kunft der gesamten Familie treffen. Der Entschluss, sich von den Großhändlern unab-
hängig zu machen und das Haus mit einer Hypothek zu belasten, wird von Ntoni und

21
Cola gefasst. Die Frauen nehmen nur als Beobachterinnen teil. Nur ein einziges Mal
wird die Entscheidung der Familie zur Selbständigkeit von einer der jüngeren Töchter
in Frage gestellt. Sie gibt Ntoni die Schuld an der finanziellen Misere, in die sie gera-
ten sind. Offensichtlich ist die Anklage gegen ihren Bruder ein Verstoß gegen die un-
ausgesprochenen Regeln, denn sie wird dafür von ihrer älteren Schwester geohrfeigt.
Vor allem die älteste Schwester Mara, die mehr als die Mutter die Mutterrolle
einnimmt, sorgt sich um das Ansehen und die Ehre der Familie. Sie beobachtet die
äußere Erscheinung und das Verhalten ihrer jüngeren Schwester gegenüber deren
Verehrer, dem Dorfpolizisten, genau. Visconti präsentiert auch angesichts dieser
beiden Töchter die Pole der ,,alten" und ,,neuen" Zeit: Mara, die streng in schwarz
gekleidete Frau, die auf alles verzichtet, gehört wie der Großvater und die Mutter zu
der traditionellen Gesellschaftsordnung. Lucia hingegen, die ihr Haar offen trägt, ein
fröhlich geblümtes Kleid besitzt, flirtet, Spaß haben und Schmuck besitzen möchte, ist
Teil einer neuen, rebellierenden Generation, die sich nicht einfach an den
althergebrachten Werten orientieren möchte.
Die Kinder werden ganz selbstverständlich in die Arbeit der Familie einbezogen, die
Jungen fahren mit dem Großvater und ihren älteren Geschwistern nachts zum
Fischen. Das kleinste Kind, ein Mädchen, wird meistens von der Mutter
herumgetragen oder spielt im Haus, wo ihre Schwestern auf es acht geben. Der
Zuschauer wird nicht darüber informiert, ob die Protagonisten Analphabeten sind.
Ntoni zumindest kann lesen, man sieht die Kinder aber nicht zur Schule gehen. Als
die Familie immer mehr in Not gerät, versuchen die beiden noch recht kleinen Jungen
unaufgefordert den Lebensunterhalt auf eigene Faust aufzubessern und helfen bei der
Obsternte oder angeln im Hafen.
An dieser Stelle möchte ich einen Blick auf die übrigen Dorfbewohner bzw. auf die
Stellung der Familie Valastro im sozialen Miteinander werfen.
Die Menschen in dem Fischerdorf leben eng beieinander, die Fischer auf dem Meer
vermitteln den Eindruck einer großen Gemeinschaft und im Dorf nehmen die Nach-
barn Anteil an der Familiensituation in den anliegenden Häusern. Anfangs ist das
Verhältnis zueinander von Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft geprägt. Als die Familie
Valastro die Entscheidung zur Selbständigkeit trifft und ihr Vorhaben zu gelingen
scheint, steckt sie mit ihrer Freude darüber auch die Nachbarn an. Die erste Ausfahrt
der Valastros auf eigene Rechnung ist sehr erfolgreich. Als sie die vielen gefangenen

22
Sardellen einsalzen, um sie später selbst zu verkaufen, helfen sehr viele Dorfbewoh-
ner mit. Die Arbeit wird fröhlich von allen verrichtet, die Atmosphäre ist wie auf einem
Fest. Doch nach diesem ersten großen Erfolg macht sich schnell Neid breit. Die Va-
lastros scheinen nun nicht mehr auf der gleichen Stufe zu stehen, und sie werden von
den anderen Bewohnern und den Fischern mit Skepsis und Argwohn betrachtet,
immer seltener wird ihnen Hilfe angeboten. Hier darf jedoch nicht außer acht gelassen
werden, dass die anderen Bewohner ebenso am Rande des Existenzminimums leben
und materielle Hilfe von ihnen kaum erwartet werden kann.
5.1.2.2 Der Bezug der Menschen zu ihrer Umwelt
Alle Protagonisten des Films leben in einem starken Bezug zu ihrer Umwelt und
werden auch nie außerhalb der drei elementaren Orte gezeigt: Haus, Dorf und Meer.
Es gibt lediglich eine Situation, in der die Valastros diese Orte verlassen: Als sie nach
Catania fahren, um ihr Haus mit einer Hypothek zu belasten. Die Kamera begleitet sie
nur bis zur Bushaltestelle. Visconti hat bereits in seinem Kommentar zu Beginn des
Films darauf hingewiesen, dass hier ausschließlich die Dinge und die Menschen des
Ortes zu sehen sind. Die Großstadt Catania liegt nicht nur außerhalb des Dorfes,
sondern auch außerhalb des Alltagslebens der portraitierten Menschen. Auch wenn
die Entfernung nicht sehr groß ist, trennen sie doch Welten von der Stadt und ihren
Regeln.
Das Meer hingegen spielt eine große Rolle im Leben der Dorfbewohner. Das Meer ist
Existenzgrundlage für die Fischer und hat auch großen Einfluss auf die Sprache der
Menschen genommen. Oft unterstützen sie ihre Aussagen mit Sprichwörtern, die sich
auf das Meer beziehen: ,,Das Meer ist bitter", ,,ein leckes Schiff hat alle Winde gegen
sich", ,,das Meer ist überall salzig" etc.
Das Meer ist im Film gewissermaßen der Gegenpol zu der Rebellion Ntonis, denn es
ist seit Jahrhunderten unverändert, während Ntoni gerade ein neues Bewusstsein
entdeckt und damit die ebenfalls seit Jahrhunderten gleich gebliebene Gesellschaft
zaghaft verändert.
Weiterhin ist auffällig, dass wichtige Entscheidungen im Leben der Fischer draußen
getroffen werden. So finden die ersten Gespräche über die Ausbeutung der Groß-
händler während des nächtlichen Fischens auf dem Meer statt. Als Ntoni nach seiner
Entlassung aus dem Gefängnis die anderen Fischer von seinem Vorhaben, die Ware

23
selbst zu verkaufen, überzeugen will, geht er mit ihnen aus der Bar hinaus an den
Hafen. Auch die Entscheidung, das Haus mit der Hypothek zu belasten, wird im Hof
des Hauses getroffen, ebenso werden die Verkaufsverhandlungen über die eingela-
gerten Fische dort geführt.
5.1.2.3 Sprache
Im vorangegangen Kapital habe ich bereits den Einfluss des Meeres auf die
Redewendungen der Protagonisten erwähnt. An dieser Stelle möchte ich noch einmal
gesondert auf die Sprache in La terra trema eingehen.
Die Menschen von Aci Trezza sprechen und singen ausschließlich in ihrem Dialekt,
der schon in anderen Teilen Siziliens nur sehr schwer verständlich ist, ohne
Untertitelung konnte der Film also gar nicht gezeigt werden. Für die Entscheidung,
den Film so zu realisieren und ihn nicht nachsynchronisieren zu lassen, ist Visconti
heftig kritisiert worden, man hielt ihn für zu dogmatisch und zu akribisch. Er
entgegnete diesen Kritiken, dass die Schauspieler, die das Medium Film kaum
kannten, sich an keinen Stereotypen oder Klischees orientieren können, ihnen bleibt
nur ihre eigene alltägliche Erfahrung. Zu ihrer eigenen ,,Wahrheit" gehört auch ihr
Dialekt, und deshalb muss er ein unverzichtbarer Bestand des Films sein.
39
Im Hinblick auf die Fragestellung dieser Arbeit ergibt sich daraus, dass La terra trema
mehr als jeder andere der hier zu untersuchenden Filme in sprachlicher Hinsicht ein
ganz besonderes, authentisches Abbild von Sizilien bietet. Der Zuschauer erlebt die
portraitierten Menschen nicht nur in dem Mikrokosmos ihres Dorfes, auch ihre
Sprache ist eine ,,Insel" für sich: die der Armen, die auch sprachlich abgeschnitten
sind vom Rest der Welt.
Zum täglichen Leben der Dorfbewohner gehört auch der Ausdruck im Gesang. Dieser
hat verschiedene Funktionen: er ist dazu da, um sich selbst zu unterhalten, wie an
dem Beispiel von Ntoni, der in freudiger Erwartung seines Rendezvous mit seiner
Freundin Liebeslieder vor sich hinsingt, verdeutlicht werden kann. Zum anderen ist
der Gesang Begleiter der täglichen Verrichtungen, so singt der Maurer vor dem Haus
der Valastros melancholische Lieder und auch die Fischer, die aufs Meer hinausfah-
ren, begleiten ihre harte Arbeit mit Gesang, fast als würde dieser die Einsamkeit der
Nacht vertreiben. Und der Gesang ist auch ein Mittel der Kommunikation, durch ihn
werden anderen die eigenen inneren Zustände mitgeteilt. Als Ntoni die Hypothek
39
vgl. Ferrero, Adelio: La terra trema. Padova: Editrice R.A.D.A.R. , 1969, S. 57

24
bekommen hat, geht er singend auf eine Nachbarin zu und sie entgegnet darauf ,,wer
froh ist, singt". Weiterhin singend legt er sich nach draußen, so dass alle Nachbarn
auf ihn und seine Freude aufmerksam werden. Selbst der Dorfpolizist geht ständig
vergnügt pfeifend durch den Ort und wird dadurch zum Sinnbild der selbstzufriedenen
Sorglosigkeit. Wahrscheinlich sind die Protagonisten Analphabeten, die Tradition wird
somit mündlich weitergegeben, und Musik und Gesang sind neben der Sprache ein
weiteres Mittel dazu.
5.1.2.4 Liebe, Erotik und die allgegenwärtige Ehre
Die wirtschaftliche Situation hat Einfluss auf alle Umstände der Familie, auch auf die
Beziehungen zwischen Mann und Frau, wie im folgenden erläutert werden soll.
Ntoni fühlt sich zu einem Mädchen hingezogen, das in einem besseren Haus als er
selbst lebt. Dieses Mädchen ziert sich allerdings, auf seine Avancen einzugehen.
Ntonis Schwester Mara ist in einen Maurer verliebt, der sich auf derselben sozialen
Stufe befindet wie sie selbst. Mit ihrer Selbständigkeit verändert sich der Status der
Valastros, sie gelten nach ihren ersten Erfolgen als eine nahezu reiche Familie.
Hiermit ändern sich auch die Freundschaften. Ntonis Freundin scheint nun bereit, ihn
zu heiraten, Maras Freund hingegen fühlt sich Mara nun nicht mehr würdig, sie ist
jetzt zu reich für einen armen Lohnarbeiter ohne Besitz wie ihn. Als sich die Situation
der Valastros wieder umkehrt und sie ärmer sind als vorher, ändern sich die
Beziehungen erneut. Ntonis Freundin öffnet ihm nicht mehr die Tür und Mara, die
glaubt, etwas von ihrer Ehrbarkeit verloren zu haben, verabschiedet sich von ihrem
Freund, dem sie es nicht zumuten möchte, sie zu heiraten.
Offensichtlich ist es also die soziale Stellung der Protagonisten, die über ihre
Beziehungen zum anderen Geschlecht entscheidet.
Im Hinblick auf die Darstellung von Erotik lohnt es sich, noch einmal einen Blick auf
die sizilianische Gesellschaft zur Entstehungszeit des Films ­ Ende der 1940er Jahre
­ zu werfen. Vorausschicken möchte ich die Erzählung einer 60jährigen Frau, die ich
in Sizilien traf. Sie gestand mir verschämt, dass sie ihren Mann eigentlich gar nicht
heiraten wollte. Zu der Hochzeit war die damals Sechzehnjährige von ihren Eltern ge-
zwungen worden. Das hatte ihren Grund darin, dass ihr jemand Blumen vor die Tür
gelegt hatte und das gesamte Dorf davon ausging, dass der Junge, der dann ihr
Ehemann werden sollte, sie dorthin gelegt hatte. Er beteuert bis heute, es nicht

25
gewesen zu sein. Da er es aber nicht beweisen konnte, musste kurzerhand die Hoch-
zeit arrangiert werden, um die Ehre des Mädchens und ihrer Familie wiederherzustel-
len. Führt man sich also vor Augen, wie wenig tolerant sich die damalige Gesellschaft
gegenüber (mehr oder weniger) intimen Begegnungen zwischen den Geschlechtern
verhielt, waren Begegnungen wie die zwischen Mara und ihrem Freund überhaupt nur
dann möglich, nachdem eine offizielle Verlobung stattgefunden hatte.
Aber Visconti geht noch weiter: Ntoni und
seine Freundin verlassen einmal das Dorf
und verbringen einige Zeit auf den Felsen
am Meer, wo sie sich küssen. Eine solches
Rendezvous lag ganz sicher außerhalb der
Vorstellungskraft jener Zeit.
Wie die hier erwähnte Erzählung der
sizilianischen Frau bereits andeutet, ist der
Begriff der Ehre in der sizilianischen
Gesellschaft fest verankert und Dreh- und
Angelpunkt für den Verhaltenskodex.
Sexuelle Keuschheit und Reinheit der Frau ist eines der Grundprinzipien der Ehre in
der sizilianischen Gesellschaft zur Entstehungszeit des Films.
40
Ein weiterer wichtiger
Punkt ist das ehrenhafte Verhalten des Mannes, der willens und fähig sein muss, sein
Ansehen und das seiner Familie zu garantieren.
41
Die Familie Valastro überschreitet durch ihre Auflehnung eine jahrhundertealte Ge-
sellschaftsorganisation. Das Verlassen der festgeschriebenen Regeln hat besondere
Konsequenzen für ihre gesellschaftliche Stellung und Einfluss auf die Ehre der Fami-
lie. Zu Beginn ihrer Selbständigkeit wird sie von den Menschen gleicher sozialer Stel-
lung zunächst unterstützt, nach ihrem Scheitern aber voll Schadenfreude verhöhnt
und fallengelassen, nur wenige haben Mitleid. Das Ansehen der Familie, die sich
,,einbildete", die ausgetretenen Pfade der Tradition einfach verlassen zu können, sinkt
rapide. Der wirkliche Grund dafür liegt in dem Neid der anderen, die nicht so viel Mut
aufbringen können wie Ntoni. Nun liegt es an den männlichen Mitgliedern der Familie
Valastro, das Ansehen und die Ehre wiederherzustellen. Sie wollen sich aus eigener
40
vgl. Giordano, Christian: Der Ehrkomplex im Mittelmeerraum: sozialanthropologische Konstruktion oder
Grundstruktur mediterraner Lebensformen? In: Vogt, Ludgera/Zingerle, Arnold (Hg.) : Ehre. Archaische
Momente in der Moderne, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1994, S. 175
41
vgl. Giordano, op. cit. , S. 176

26
Kraft wieder aufrichten, so schwer es auch sein mag. Es ist ihr Stolz, der bei den
Großhändlern so viel Ärger verursacht und diese so gehässig sein lässt.
Ntoni hat angefangen, sich herumzutreiben und zu trinken, als ihm von einem der
Großhändler vorgeworfen wird, ein Schwächling zu sein, der nicht wisse, was in sei-
nem Hause vorgehe (diese Aussage bezieht sich auf das Verhältnis seiner Schwester
Lucia zum Dorfpolizisten). An diesem Punkt fasst er den Entschluss, um seine Ehre
zu kämpfen und wieder zu arbeiten. Gegenüber den Großhändlern schafft es Ntoni
dann allein durch seinen natürlichen Stolz (der sich wiederum aus seiner Ehre ergibt),
sein Gesicht nicht vollends zu verlieren. Als er sich notgedrungen bei ihnen als Tage-
löhner anbietet und von einem der Großhändler höhnisch ausgelacht wird, lässt
Ntonis vernichtender Blick diesen sofort verstummen.
Auch ein Gespräch zwischen den Schwestern Mara und Lucia Valastro deutet auf den
Ehrbegriff in der Gesellschaft hin: "Jetzt wo wir arm sind, müssen wir stets daran
denken, die Ehre zu wahren." Mara sagt diesen Satz zu ihrer Schwester Lucia, über
die im Dorf wegen ihres ,,unkeuschen" Verhaltens geredet wird. Jetzt, wo die
Valastros arm sind, müssen sie zumindest ehrenhaft leben, um nicht gänzlich in der
Gesellschaft unterzugehen.
5.1.2.5 Religion versus Familienbund
Ein weiterer Umstand, der das Leben der Menschen in Sizilien auch heute noch stark
beeinflusst, ist die Religion. So sind besonders die ländlichen Regionen der Insel von
der Allgegenwärtigkeit religiöser Abbildungen und Statuen sowohl im privaten als
auch im öffentlichen Raum geprägt. Besonders auffallend ist daher, dass in La terra
trema sehr wenige religiöse Symbole zu sehen sind. Gott kommt in der Sprache der
Protagonisten vor, auch die Kirche, die die piazza von Aci Trezza beherrscht, wird ge-
zeigt, man sieht jedoch niemals Menschen in die Kirche gehen. Im Wohnraum der Va-
lastros sind keine Madonnenstatuen vorhanden, die sonst zuhauf in den süditalieni-
schen Haushalten zu finden sind. Einzig als der Großvater auf dem Krankenbett liegt,
werden die Heiligenbildchen gezeigt, die auf seiner Brust liegen. Viel mehr Gewicht
legt die Kamera auf die Abbildung des Familienbildes, das über der Kommode hängt
und offensichtlich im Wert über dem religiösen Symbol angesiedelt ist.
Als die Inspektoren der Bank in das Haus kommen, zeigt Visconti dem Zuschauer
erstmals ein Jesusbild an der Stubenwand. Ein weiteres Mal wird dieses Bild beim
Auszug der Familie gezeigt. In ihrem Unterschlupf ist das Jesusbild aufgestellt, das

27
Familienbild kommt erst später hinzu und zwar bezeichnenderweise als sich Ntoni zur
Arbeit entschließt, sich also wieder seiner Familie zuwendet. Mehr als religiöse Abbil-
dungen sind demnach Bilder der eigenen Familie relevant. Die Familie ist der Ort, in
dem man sich auf die anderen verlassen kann, in dem das Zusammenhalten selbst-
verständlich ist. Das Bild von Jesus hingegen sagt viel weniger aus, es kann der Fa-
milie nicht helfen. Als die Valastros ihr Lager in der Ruine aufschlagen, wird das Je-
susbild ­ quasi als letzte Hoffnung wie die Heiligenbildchen auf der Brust des Großva-
ters ­ auf einen Mauervorsprung gestellt. Aber auch hier besinnt man sich schnell
wieder auf das wichtigere und ,,wertvollere" Familienfoto, das mehr Hoffnung und Zu-
versicht geben kann.
Entsprechend sind Personen, die die Kirche repräsentieren, nicht vorhanden. Erst am
Ende des Films tritt der erste kirchliche Würdenträger bei der grotesken Bootstaufe
durch die Großhändler auf.
Eine ausgeprägte Religiosität der Bewohner ist im Film zwar nicht sichtbar, das heißt
aber nicht, dass sie nicht vorhanden ist. Wie die obigen Ausführungen belegen, wird
Gott jedoch sowohl in der Sprache als auch in religiösen Abbildungen eher als
diejenige Instanz angesehen, der man sich anvertraut, wenn die irdischen
Möglichkeiten versagen. Die institutionalisierte Kirche hat weniger Bedeutung als die
,,Religion des Familienbundes". N. Sapegno führt dazu aus: ,,Die Religion des
Familienbundes ist die Liturgie der geheiligten Bräuche, die sich in Redewendungen
und Sprichwörtern manifestiert, in dem gesamten rituellen Komplex, dem
unveränderlichen Rhythmus der Tage und der Arbeit."
42
Visconti drehte La terra trema im Auftrag der kommunistischen Partei, deren Mitglied
er war. Die Anhänger dieser Partei sind bekanntlich Atheisten und so ist die Absicht
des Regisseurs unverkennbar: Das Schicksal der Menschen hängt nicht von einem
Gott ab, sondern von den Handlungen der Menschen selbst. Diese Aussage erklärt
durchaus die schwache Präsenz der religiösen Zeichen.
5.1.2.6 Hoffnung
Die Hoffnung auf ein besseres Leben und das Bemühen, die eigenen Lebensumstän-
de zu ändern, ist zentrales Thema des Films. Ntonis Geschichte ist dabei exempla-
risch und nur ein Beispiel dafür, dass sich der Versuch lohnt, die eigene Zukunft an-
ders zu gestalten. Ntoni durchläuft einen Prozess der Erkenntnis, der mit der
42
Sapegno, N: Verga e il verismo. In Aldo: Giudice/Giovanni Bruni: Problemi e scrittori della letteratura
italiana. Bd. 3, Turin: Paravia, 1984, S. 713

28
Erfahrung endet, dass sich keiner dem Klassenschicksal entziehen kann, sondern die
Befreiung des Einzelnen nur das solidarische Werk aller seiner Klassengenossen sein
kann.
43
Ntonis Erkenntnis ist trotzdem die eines Einzelnen ­ und sie vereinzelt ihn.
Die anderen haben den Untergang hingenommen wie ein über sie verhängtes Schick-
sal. Die Hoffnung bezieht sich auf eine veränderte Gesellschaft und die Aussicht auf
den kollektiven Sieg über die Klassengesellschaft wird an die Kinder delegiert. So
sagt Ntoni zu dem Mädchen, das er beim Kalfaterer trifft: ,,Wir müssen lernen, uns ge-
genseitig zu lieben und alle gemeinsam handeln."
La terra trema war, wie eingangs erwähnt, als Trilogie geplant. In den beiden
folgenden Teilen sollte anhand zweier weiterer Beispiele (sizilianische
Schwefelarbeiter und Bauern) diese Hoffnung weiterentwickelt werden und mit einem
Sieg über den ausbeuterischen Kapitalismus enden.
In diesem ersten Teil hat Visconti für die Dominante Hoffnung ein unverwechselbares
Bild geschaffen: Die Szene, in der die Frauen der Valastros auf den Felsen am
aufgewühlten Meer auf die Rückkehr ihrer Männer warten, gehört nicht nur zu den
schönsten der Filmgeschichte, sondern setzt auch die Dominante in wunderschöner,
einprägsamer Klarheit um.
5.1.3 La terra trema und die Zeit seiner Entstehung
An dieser Stelle soll La terra trema abschließend in den Kontext seiner
Entstehungszeit gesetzt werden. Entstanden in der Zeit des Neorealismus, erzählt der
Film nicht nur die Geschichte einer Auflehnung, sondern ist auch als Anklage gegen
den Faschismus zu verstehen. Die Großhändler sind nur vordergründig Kapitalisten,
in Wahrheit verkörpern sie die Faschisten. Mit aller symbolischen Deutlichkeit zeigt
das die nur halb verblasste Aufschrift an der Wand der Kooperative ,,mit
Entschlossenheit für das Volk: Mussolini", vor denen die Großhändler als
,,Machthaber" stehen. Laut der Analyse Hartmut Köhlers trifft Visconti am Beispiel der
kapitalistischen Machthaber die Aussage, dass es ,,noch immer" oder ,,schon wieder"
dieselben [sind], die ­ im Verein mit Kirche und Adel ­ die Macht innehaben."
44
Obwohl Visconti in seinem Film die Realität der portraitierten Fischer so abbildet, wie
er sie vorgefunden hat, mit ihrem Dialekt, ihrer Kleidung und ihrem Arbeitsalltag, hat
die Parabel von Aci Trezza neben dieser Wiedergabe ihres Lebens ebenso
43
vgl. Schlappner, Martin: Linien des Realismus im italienischen Nachkriegsfilm. op. cit. , S. 66
44
vgl. Köhler, op. cit., S. 93

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832455699
ISBN (Paperback)
9783838655697
DOI
10.3239/9783832455699
Dateigröße
2.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität der Künste Berlin – 2 Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation
Erscheinungsdatum
2002 (Juli)
Note
1,1
Schlagworte
neorealismus italien salvatore giuliana risorgimento mafia
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Titel: Sizilien im Film
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