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Strategieprogramm der Regierung der Russischen Föderation zur Beseitigung von Eintrittsbarrieren in den russischen Markt

Analyse und kritische Würdigung aus Sicht ausländischer Direktinvestoren

©2002 Diplomarbeit 84 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Nachdem Ende der 80er Jahre das politische und wirtschaftliche System der UdSSR zerfallen ist, befindet sich die Russische Föderation (RF) im Transformationsprozess von der ehemaligen Zentralverwaltungswirtschaft in Richtung Marktwirtschaft. Die zum Teil schlagartig eingeführten marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben Veränderungen verursacht, die in der RF teilweise enorme Schwierigkeiten hervorgerufen haben. Diese Schwierigkeiten gilt es in der kommenden Zeit zu beseitigen.
Um die zahlreichen Probleme lösen zu können, bedarf es in Russland eines nachhaltigen und stabilen Wirtschaftswachstums, welches unter anderem durch umfangreiche Investitionszuflüsse erreicht werden kann. Die Gestaltungsmöglichkeiten von Seiten des Staates sind aufgrund des äußerst knapp bemessenen Haushalts sehr begrenzt. Es verbleiben folglich noch private Direktinvestitionen aus dem In- oder Ausland. Mit massiven Direktinvestitionszuflüssen kann aufgrund des ungünstigen Direktinvestitionsklimas nicht gerechnet werden. Ausländische Direktinvestoren investieren vorwiegend in Länder, in denen weniger Risiken anzutreffen und deren Rahmenbedingungen für sie günstiger sind.
Das in dieser Arbeit zu behandelnde Problem ist folglich das ungünstige Direktinvestitionsklima in der RF sowie das daraus resultierende Ausmaß an ausländischen Direktinvestitionen, welches sich in den vergangenen Jahren bis in die heutige Zeit nur auf relativ niedrigem Niveau befindet. Gerade die Direktinvestitionen sind für Russland einer der Faktoren, wovon die wirtschaftliche Zukunft des Landes abhängt. Die Gründe für das ungünstige Direktinvestitionsklima sind in dem Vorhandensein von Markteintrittsbarrieren administrativer Art zu suchen.
Die Regierungen unter Präsident Jelzin vermochten es nicht, das Direktinvestitionsklima nachhaltig zu verbessern. Es wurde versucht, mit einzelnen Reformen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Direktinvestoren beizutragen. Diese haben jedoch bisher nicht zu den gewünschten Resultaten geführt. Es fehlte ein Reformprogramm, das sämtliche Bereiche der Wirtschaft umfasst. Götz berichtet, dass sich Präsident Jelzin während seiner Amtszeit immer nur mit Regierungsentlassungen zu helfen wusste, sobald der Druck von Seiten der westlichen Kreditgeber, wie etwa dem Internationalen Währungsfonds (IWF), allzu groß wurde. Dadurch versprach er sich Verbesserungen, die jedoch nicht eintraten.
Erst die jetzige russische Regierung unter Präsident […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Problematik der Direktinvestitionen in der Russischen Föderation

2 Motive und Entwicklung der Direktinvestitionen in der Russischen Föderation
2.1 Zum Verständnis von Direktinvestitionen
2.2 Gesetz über ausländische Investitionen in der Russischen Föderation
2.3 Motive für Direktinvestitionen in der Russischen Föderation und Auswirkungen auf die russische Wirtschaft
2.3.1 Motive für Direktinvestitionen in der Russischen Föderation
2.3.2 Auswirkungen der Direktinvestitionen auf die russische Wirtschaft
2.4 Entwicklung der Direktinvestitionen in der Russischen Föderation seit 1992

3 Notwendigkeit einer Verbesserung des Direktinvestitionsklimas in der Russischen Föderation 17
4 Markteintrittsbarrieren für ausländische Direktinvestitionen in der Russischen Föderation und deren Beseitigung durch das Strategieprogramm der Regierung der Russischen Föderation
4.1 Zum Verständnis von Markteintrittsbarrieren
4.2 Zur Entstehung des Strategieprogramms der Regierung der Russischen Föderation
4.3 Konkrete Markteintrittsbarrieren in der Russischen Föderation und deren Beseitigung durch das Strategieprogramm
4.3.1 Rechtsunsicherheit
4.3.2 Steuersystem
4.3.3 Korruption
4.3.4 Bankensystem
4.3.5 Rechnungslegungsprinzipien
4.4 Grundausrichtung des Strategieprogramms

5 Kritische Würdigung des Strategieprogramms aus Sicht der ausländischen Direktinvestoren
5.1 Positive Reaktionen von Seiten der ausländischen Direktinvestoren
5.2 Umsetzung des Strategieprogramms als Kernproblem

6 Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 2.1: Direktinvestitionszuflüsse sowie Direktinvestitionszuflüsse pro Kopf in die Russische Föderation und in Ungarn, 1992-2001

Tabelle 3.1: Entwicklung des ESI-Index, 1992-2001

1 Problematik der Direktinvestitionen in der Russischen Föderation

Nachdem Ende der 80er Jahre das politische und wirtschaftliche System der UdSSR zerfallen ist, befindet sich die Russische Föderation (RF) im Transformationsprozess von der ehemaligen Zentralverwaltungswirtschaft in Richtung Marktwirtschaft. Die zum Teil schlagartig eingeführten marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben Veränderungen verursacht, die in der RF teilweise enorme Schwierigkeiten hervorgerufen haben. Diese Schwierigkeiten gilt es in der kommenden Zeit zu beseitigen.

Um die zahlreichen Probleme lösen zu können, bedarf es in Russland eines nachhaltigen und stabilen Wirtschaftswachstums, welches unter anderem durch umfangreiche Investitionszuflüsse erreicht werden kann.[1] Die Gestaltungsmöglichkeiten von Seiten des Staates sind aufgrund des äußerst knapp bemessenen Haushalts sehr begrenzt. Es verbleiben folglich noch private Direktinvestitionen aus dem In- oder Ausland. Mit massiven Direktinve-stitionszuflüssen kann aufgrund des ungünstigen Direktinvestitionsklimas nicht gerechnet werden. Ausländische Direktinvestoren investieren vorwiegend in Länder, in denen weniger Risiken anzutreffen und deren Rahmenbedingungen für sie günstiger sind.

Das in dieser Arbeit zu behandelnde Problem ist folglich das ungünstige Direktinvestitionsklima in der RF sowie das daraus resultierende Ausmaß an ausländischen Direktinvestitionen, welches sich in den vergangenen Jahren bis in die heutige Zeit nur auf relativ niedrigem Niveau befindet. Gerade die Direktinvestitionen sind für Russland einer der Faktoren, wovon die wirtschaftliche Zukunft des Landes abhängt. Die Gründe für das ungünstige Direktinvestitionsklima sind in dem Vorhandensein von Markteintrittsbarrieren administrativer Art zu suchen.

Die Regierungen unter Präsident Jelzin vermochten es nicht, das Direktinvestitionsklima nachhaltig zu verbessern. Es wurde versucht, mit einzelnen Reformen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Direktinvestoren beizutragen. Diese haben jedoch bisher nicht zu den gewünschten Resultaten geführt. Es fehlte ein Reformprogramm, das sämtliche Bereiche der Wirtschaft umfasst. Götz berichtet, dass sich Präsident Jelzin während seiner Amtszeit immer nur mit Regierungsentlassungen zu helfen wusste, sobald der Druck von Seiten der westlichen Kreditgeber, wie etwa dem Internationalen Währungsfonds (IWF), allzu groß wurde.[2] Dadurch versprach er sich Verbesserungen, die jedoch nicht eintraten.

Erst die jetzige russische Regierung unter Präsident Putin hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit dem erarbeiteten Strategieprogramm „Grundlegende Richtungen der sozial-ökonomischen Entwicklung der Russischen Föderation auf langfristige Sicht“, die administrativen Markteintrittsbarrieren zu beseitigen. Damit soll das Direktinvestitionsklima wesentlich verbessert werden. Inwiefern dieses Programm zu einer Verbesserung der momentanen Situation führen kann, ist die Fragestellung der vorliegenden Arbeit und wird nachfolgend analysiert und kritisch hinterfragt.

Bei der Untersuchung soll folgendermaßen vorgegangen werden:

In Kapitel 2 werden zunächst die theoretischen Grundlagen der vorliegenden Arbeit erläutert. Nach dem allgemeinen Verständnis von Direktinvestitionen und den Motiven werden die Gesetze in der RF betrachtet, welche den ausländischen Direktinvestitionen in Russland zugrunde liegen. Seit der Gründung der RF im Jahr 1992 wurden zwei Gesetze verabschiedet, die für die ausländischen Direktinvestoren von Bedeutung sind. Anschließend wird betrachtet, welche speziellen Motive ausländische Unternehmen in die RF führen. Darüber hinaus ist es erforderlich, die Auswirkungen der Direktinvestitionen auf die russische Wirtschaft zu beleuchten. Die tatsächliche Entwicklung der Direktinvestitionen in der RF bildet den Abschluss des zweiten Kapitels. Dabei wird ein Vergleich mit Ungarn vorgenommen, das aufgrund des bereits weiter vorangeschrittenen Transformationsprozesses und der Entwicklung der Direktinvestitionen einen Gegensatz zu Russland darstellt.

Kapitel 3 resultiert aus den in Kapitel 2 betrachteten Motiven und der Entwicklung der Direktinvestitionen in Russland. Hier wird veranschaulicht, dass in der RF eine Verbesserung des Direktinvestitionsklimas von Seiten der Regierung aufgrund der bisher aufgezeigten Ergebnisse unumgänglich ist. Dazu ist es notwendig, das Direktinvestitionsklima allgemein zu definieren und anhand eines qualitativen Indikators, der die RF in seine Betrachtung mit einbezieht, zu bestimmen. Ergebnisse dieser Betrachtung führen zu Kapitel 4.

Kapitel 4 stellt zusammen mit Kapitel 5 den Hauptteil der vorliegenden Arbeit dar und ist den Markteintrittsbarrieren, denen ausländische Direktinvestoren in der RF gegenüberstehen, sowie dem Strategieprogramm zur Beseitigung dieser Markteintrittsbarrieren gewidmet. Nach der allgemeinen Begriffsbestimmung von Markteintrittsbarrieren und einiger einführender Worte zur Entstehung des Strategieprogramms wird auf in der RF konkret vorherrschende administrative Markteintrittsbarrieren eingegangen. Insgesamt wurden fünf Markteintrittsbarrieren ausgewählt, die für die Ausprägung des Direktinvestitionsklimas in Russland vorrangig von Bedeutung sind. Jeweils nach der Darstellung der Markteintrittsbarriere wird beschrieben, welche Maßnahmen zu deren Beseitigung im Strategieprogramm vorgesehen sind. Dabei bedarf es einiger kritischer Anmerkungen zu den jeweiligen Markteintrittsbarrieren, die auf Unzulänglichkeiten hinweisen und Verbesserungsvorschläge formulieren. Ein Zwischenfazit schließt das Kapitel 4 ab, indem die Grundausrichtung des Strategieprogramms erläutert wird.

In Kapitel 5 folgt schließlich die kritische Würdigung des gesamten Strategieprogramms, dessen Inhalt zwar von Seiten der ausländischen Direktinvestoren positiv beurteilt wird, jedoch stellt die Umsetzung der einzelnen im Programm enthaltenen Maßnahmen noch immer das Kernproblem dar, wie in diesem Kapitel erörtert wird.

Die Arbeit schließt in Kapitel 6 mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und einem Ausblick, der die Einbindung der Russischen Föderation in die WTO betrachtet.

2 Motive und Entwicklung der Direktinvestitionen in der Russischen Föderation

Bevor auf die Motive und Entwicklung der Direktinvestitionen in der RF eingegangen wird, soll zunächst eine Definition von ausländischen Direktinvestitionen gegeben sowie eine Abgrenzung vorgenommen werden.

2.1 Zum Verständnis von Direktinvestitionen

Unter ausländischen Direktinvestitionen werden gemäß Hemberger langfristige Kapitalanlagen im Ausland verstanden, die von einem Investor in Form eines Unternehmens oder auch einer Einzelperson getätigt werden.[3] Einem ausländischen Investor stehen grundsätzlich verschiedene Formen der Gestaltung von Direktinvestitionen zur Auswahl:

- ein 100%-iges Tochterunternehmen, das im Ausland neu gegründet wird,
- eine Beteiligung an einem bestehenden ausländischen Unternehmen,
- eine Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens (Joint Venture) mit einem Unternehmen des Gastlandes oder
- eine vollständige Übernahme eines Unternehmens des Gastlandes,

wobei das Kontrollmotiv jeweils die zentrale Rolle spielt. Hymer fasst dieses Motiv folgendermaßen zusammen: „In part, the capital movement is needed to acquire a share of the foreign enterprise and thus obtain the desired control“.[4] Ziel der Kapitalanlage soll folglich die Einflussnahme des Investors auf die Geschäftstätigkeit im Ausland sein. Der Investor versucht, seine eigene Unternehmenspolitik auf das Unternehmen im Ausland zu übertragen. Das ausländische Unternehmen profitiert neben der Erweiterung der Kapitalbasis sowohl vom übertragenen Know-how als auch vom Technologietransfer.

Abzugrenzen sind die Direktinvestitionen von den Portfolioinvestitionen, die auch als indirekte Investitionen bezeichnet werden. Sie stellen Übertragungen inländischen Kapitals ins Ausland zum Zweck des Erwerbs von Forderungen dar und sind nach Hemberger eher Investitionen kurzfristiger Art.[5] Bei den Portfolioinvestitionen steht gemäß Hymer das Ertragsmotiv deutlich im Vordergrund,[6] wobei kein wesentlicher Einfluss auf die Unternehmenspolitik ausländischer Unternehmen angestrebt wird. Als Beispiel sind Anteile an Immobilienfonds oder Obligationen anzuführen.

Der Kontrollaspekt ist folglich eines der wesentlichen Unterscheidungsmerkmale der möglichen Arten von Auslandsinvestitionen. Im Rahmen dieser Arbeit sollen die Direktinvestitionen genauer betrachtet werden.

Ab welchem übertragenen Kapitalbetrag eine Investition als Direktinvestition einzustufen ist und somit eine Einflussnahme auf die Geschäftstätigkeit des ausländischen Unternehmens ermöglicht, kann von Land zu Land verschieden sein. Die „Organization for Economic Co-Operation and Development“ (OECD) empfiehlt, eine Investition dann als „Direktinvestition“ anzusehen, wenn ein Investor mit einem Anteil von mindestens 10% an einem ausländischen Unternehmen beteiligt ist.[7] Beispielsweise gilt dieser Prozentsatz in den Vereinigten Staaten von Amerika. In Deutschland hingegen betrug dieser Anteil bis 1999 mindestens 20%.[8] Dieser Anteil wurde der Auffassung von Direktinvestitionen gemäß der OECD angeglichen und setzt sich auch international zunehmend durch. Grundsätzlich gilt jedoch: Je höher die Beteiligungsquote, desto stärker kann der Direktinvestor Einfluss auf die Unternehmenspolitik des ausländischen Unternehmens nehmen.

Die Motive einer Beteiligung von Investoren im Ausland sind vielfältig. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit soll hier zwischen ressourcen- und absatzorientierten Investitionsmotiven unterschieden werden.[9] Unter den ressourcenorientierten Motiven wird das Bestreben der Direktinvestoren verstanden, bestimmte Ressourcen zu erwerben, die im Land des Investors nicht oder nur schwer verfügbar sind. Dies können beispielsweise Rohstoffe, billige Arbeitskräfte, aber auch technologisches Know-how sein. Dagegen zielen absatzorientierte Motive darauf ab, ein bestimmtes Land mit Gütern oder Dienstleistungen zu beliefern. Neue Märkte können erfolgreich bearbeitet werden, sofern sie für den Direktinvestor einen großen Absatzmarkt darstellen und Marktwachstum versprechen.

Im folgenden Teilkapitel soll nach dem oben angesprochenen allgemeinen Verständnis von Direktinvestitionen nun dargestellt werden, wie der Begriff „Direktinvestitionen aus dem Ausland“ in der RF verstanden wird.

2.2 Gesetz über ausländische Investitionen in der Russischen Föderation

Der Oberste Sowjet[10] der RSFSR hat bereits am 4. Juli 1991 ein Gesetz über ausländische Investitionen verabschiedet und mit Wirkung zum 1. September 1991 in Kraft gesetzt. Dieses Gesetz hatte bis Juli 1999 Gültigkeit und bestimmte die rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen der Tätigung ausländischer Investitionen auf dem Gebiet der damaligen RSFSR und der heutigen RF.

In Artikel 2 dieses Gesetzes wird definiert, was unter ausländischen Investitionen zu verstehen ist:

„Ausländische Investitionen sind alle Arten von Vermögenswerten und geistigen Werten, die von ausländischen Investoren zur Gewinnerzielung (zur Erzielung eines Einkommens) in Objekte unternehmerischer Tätigkeit oder in Objekte anderer Arten von Tätigkeiten eingebracht werden“.[11]

Der Begriff „Direktinvestitionen“ wird im Gesetz nicht explizit erwähnt. Artikel 3 spezifiziert, in welcher Form ausländische Investoren auf dem Gebiet der RSFSR und dem Nachfolgestaat RF Investitionen tätigen können: Sie haben das Recht, Anteile an Unternehmen zu übernehmen, die gemeinsam mit juristischen Personen der RSFSR gegründet werden. Das entspricht einem Internationalen Joint Venture. Des weiteren haben ausländische Investoren das Recht, eigene Unternehmen zu gründen oder Unternehmen auf dem Gebiet der RSFSR zu 100% zu erwerben. Diese befinden sich somit vollständig im Besitz der ausländischen Investoren. In dem ersten Gesetz für ausländische Investitionen wird folglich eine Beschreibung möglicher Formen von ausländischen Direktinvestitionen wiedergegeben, wie sie in Kapitel 2.1 dieser Arbeit bereits definiert wurden.

Gemäß oben genanntem Gesetz genießen ausländische Investitionen auf dem Gebiet der RSFSR vollen und absoluten rechtlichen Schutz. Hierbei handelt es sich beispielsweise um den Schutz vor Zwangsbeschlagnahmungen sowie vor illegalen Handlungen staatlicher Organe (Artikel 7) und ggf. um Entschädigung und Erstattung von Verlusten der ausländischen Investoren (Artikel 8).[12] Betrachtet man das Gesetz im ganzen, so stellt sich heraus, dass für die ausländischen Direktinvestoren schon frühzeitig eine gute gesetzliche Basis geschaffen wurde. Dass die Praxis ganz anders aussah und auch heute noch aussieht, soll in dieser Arbeit genauer betrachtet werden.

Zu einer Neufassung des Gesetzes kam es acht Jahre später: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Tätigkeit von ausländischen Investoren in der RF, mit Ausnahme der Investitionen im Banken- und Versicherungswesen[13], wurden mit Wirkung zum 14. Juli 1999 neu gestaltet. In diesem föderativen Gesetz wird erstmals der Begriff „Ausländische Direktinvestitionen“ erwähnt und definiert. Unter ausländischen Direktinvestitionen ist danach der Erwerb von mindestens 10% des Stammkapitals eines russischen Unternehmens sowie die Kapitaleinlage in eine auf dem Gebiet der RF gegründete ausländische Filiale (Tochtergesellschaft) zu verstehen.[14] Der Anteil von 10% entspricht somit dem internationalen Verständnis von Direktinvestitionen.

Unter den Garantien, die speziell für ausländische Investoren ausgearbeitet wurden, ist besonders die in Artikel 9 enthaltene „Versteinerungsklausel“, auch „grandfathering“ genannt, hervorzuheben.[15] Darunter ist zu verstehen, dass einige ausländische Investitionen für einen bestimmten Zeitraum vor gewissen Rechtsänderungen geschützt sind. Diese Schutzklausel erscheint im ersten Moment positiv, betrifft jedoch nur Unternehmen, die bestimmte im Gesetz genannte Kriterien erfüllen, wie beispielsweise Gemeinschaftsunternehmen, bei denen der Anteil des ausländischen Direktinvestors 25% übersteigt.

Nachdem die gesetzlichen Grundlagen für die wirtschaftliche Tätigkeit von ausländischen Direktinvestoren in der RF betrachtet worden sind, sollen im folgenden die Motive für Direktinvestitionen von Seiten ausländischer Investoren dargestellt werden. Dabei ist es auch wichtig, die Auswirkungen der Direktinvestitionen auf die russische Wirtschaft zu betrachten, denn durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen in der RF werden sich die Direktinvestitionszuflüsse erhöhen.

2.3 Motive für Direktinvestitionen in der Russischen Föderation und Auswirkungen auf die russische Wirtschaft

2.3.1 Motive für Direktinvestitionen in der Russischen Föderation

Wie bereits in Kapitel 2.1 erwähnt, lassen sich die Motive in ressourcen- und absatzorientierte Motive einteilen. Beide Ausprägungen sind auch in Russland anzutreffen. Zunächst sollen die absatzorientierten Investitionsmotive betrachtet werden.

Die RF kann nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Planwirtschaft und der beginnenden Marktöffnung von Seiten der ausländischen Direktinvestoren als ein aussichtsreicher Zukunftsmarkt betrachtet werden.[16] Die Investoren haben in Russland die Chance, einen neuen Markt mit ca. 150 Millionen Verbrauchern zu bedienen. Dies ist gerade in der heutigen Zeit von Vorteil, da vor allem die westeuropäischen Märkte als gesättigt angesehen werden können.[17] Das Nachfragepotential in der RF kann als gesichert angenommen werden, da sich die makroökonomischen Daten wie beispielsweise Bruttoinlandsprodukt, Inflation aber auch das Einkommen – und somit die Kaufkraft – der Bürger Russlands in den letzten Jahren verbessert haben. Man kann aufgrund der positiven Entwicklungen davon ausgehen, dass das Wirtschaftswachstum in Russland auch in den kommenden Jahren höher als in den westeuropäischen Ländern sein wird.

Durch die getätigten ausländischen Direktinvestitionen in der RF haben die Direktinvestoren die Möglichkeit, das Land Russland als „Sprungbrett“ in die angrenzenden Länder zu nutzen.[18] Die geographische und wahrgenommene kulturelle Distanz[19] zu ähnlichen Ländermärkten ist nicht mehr so groß, sobald man in der RF Erfahrungen hinsichtlich ausländischer Direktinvestitionen gesammelt hat. Durch die Möglichkeit der Bearbeitung weiterer Ländermärkte der „Gemeinschaft Unabhängiger Staaten“ (GUS) öffnet sich ein noch größeres Absatzpotential.

Was die ressourcenorientierten Investitionsmotive betrifft, sind folgende Bestimmungsgründe vorzufinden: Russland stellt als eines der rohstoffreichsten Länder einen interessanten Investitionsstandort dar.[20] Dies begrenzt sich nicht nur auf die Investitionen im Erdöl- bzw. Erdgassektor, sondern gilt für jedes Unternehmen, das seinen Produktionsstandort nach Russland verlegt und die in Russland vorhandenen Rohstoffe benötigt. Die Produktion vor Ort kann durchaus vorteilhaft sein.

Ein weiteres Motiv für eine Verlegung der wirtschaftlichen Tätigkeit in die RF ist darin zu sehen, dass in Russland unter anderem im Bereich der Produktionskosten günstige Produktionsbedingungen anzutreffen sind. Die Arbeitskosten je geleistete Stunde sind mit 2,98 DM je Stunde (Angabe für 1999) im verarbeitenden Gewerbe sehr niedrig.[21] Zwar liegen die Produktivität und die Produktqualität gewiss noch unter denen in Westeuropa und den USA, wie eine 1999 von der Unternehmensberatung McKinsey durchgeführte Studie ergab:[22] Danach beträgt die durchschnittliche Produktivität in Russland ca. 19% der Produktivität in den USA. Jedoch kann dieser Unterschied durch den Know-how- und Technologietransfer, der mit ausländischen Direktinvestitionen gegeben ist, zusehends verringert werden.[23] Es darf dabei nicht außer acht gelassen werden, dass Wissenschaftler und Facharbeiter in Russland teilweise über sehr hohe Qualifikationen verfügen. Die RF ist jedoch aufgrund schwach ausgeprägter Unternehmensstrukturen nicht in der Lage, die Qualifikationen entsprechend volkswirtschaftlich nutzbar zu machen.

Zum Abschluss soll auf folgendes Phänomen hingewiesen werden: Nach einem Bericht von Mangold, dem Vorsitzenden des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, sind Unternehmen, die bis zur Augustkrise 1998 nur in einem Exportverhältnis mit der RF standen, ab diesem Zeitpunkt schon allein wegen der drastischen Rubel-Abwertung von mehr als 50% besser gestellt, wenn sie sich vor Ort engagieren.[24] Denn nur so lässt sich in Russland ein Preisniveau erzielen, das konkurrenzfähig gegenüber Preisen der russischen Unternehmen ist.

Neben den Vorteilen, die den ausländischen Direktinvestoren zugute kommen, profitieren auch die russischen Unternehmen und damit die russische Wirtschaft von den Direktinve- stitionen. Dies soll im folgenden kurz betrachtet werden.

2.3.2 Auswirkungen der Direktinvestitionen auf die russische Wirtschaft

Die plötzliche Liberalisierung der Außenwirtschaftsbeziehungen im November 1992 und die Reduzierung der Einflussnahme seitens des Staates im Bereich der Wirtschaft haben dazu geführt, dass die RF im Industriesektor nicht mehr konkurrenzfähig war.[25] Die Mehrheit der russischen Betriebe produzierte nicht effektiv genug und war der internationalen Konkurrenz weit unterlegen. Ausländische Direktinvestitionen können diesem Nachteil entgegenwirken, indem sie – wie einem ifo-Bericht zu entnehmen ist – die Qualität der Produkte erhöhen.[26] Dies ist dadurch möglich, dass es nach Holtbrügge beispielsweise bei einem Internationalen Joint Venture zwischen einem russischen und einem ausländischen Unternehmen neben der Erweiterung der Kapitalbasis auch zu einer Übernahme westlicher Technologie sowie entsprechendem Management- und Marketing-Know-how kommt.[27] Ziel ist es, einerseits, durch erhöhte Qualität gegenüber den anderen Unternehmen in Russland wettbewerbsfähig zu werden sowie andererseits, den Output an Produkten zu erhöhen. Dies wird sich wiederum positiv auf das Bruttoinlandsprodukt auswirken.

Ein anderer Effekt besteht darin, dass durch die der RF zugeführten Direktinvestitionen ein sogenannter Multiplikatoreffekt ausgelöst wird:[28] Die inländischen Investitionen werden um das ausländische Kapital ergänzt. Dadurch kann der während der Zentralverwaltungswirtschaft entstandene obsolete Kapitalstock schneller wieder aufgebaut werden. Der Kapitalzufluss aus dem Ausland spielt somit für den Transformationsprozess eine wichtige Rolle.

Gemäß dem oben genannten ifo-Bericht tragen ausländische Direktinvestitionen zur Schaffung bzw. Erhaltung von Arbeitsplätzen bei.[29] Andrianov berichtet, dass in den Jahren 1990 bis 1999 die Beschäftigtenzahl in Gemeinschaftsunternehmen um das 13-fache gestiegen ist. Dagegen ist die Beschäftigtenzahl in rein russischen Unternehmen zurückgegangen.[30] Als weiteren Vorteil führt Andrianov die Möglichkeit der Reinvestition der von ausländischen Tochtergesellschaften sowie von Gemeinschaftsunternehmen erzielten Gewinne innerhalb des russischen Wirtschaftsgebiets an.[31] All dies kann insgesamt positiv zum Wirtschaftswachstum Russlands beitragen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Direktinvestitionen aus dem Ausland einen großen Einfluss auf die wirtschaftliche Stabilisierung des Landes haben können. Ausländische Direktinvestitionen können somit die wirtschaftliche Transformation in der RF unterstützen, wodurch wiederum die Rahmenbedingungen für die ausländischen Direktinvestoren verbessert werden. Wie sich die Direktinvestitionszuflüsse in der Realität entwickelt haben, soll im nächsten Kapitel beschrieben werden.

2.4 Entwicklung der Direktinvestitionen in der Russischen Föderation seit 1992

Die folgende Tabelle zeigt die Entwicklung des Zustroms ausländischer Direktinvestitionen in die RF in den Jahren 1992 bis 2001. Um die Aussagekraft der Zahlen zu steigern, wird der Vergleich mit den ausländischen Direktinvestitionen in Ungarn vorgenommen. Ungarn wurde deshalb als Vergleichsmaßstab ausgewählt, da dort größere Schritte unternommen wurden, um für ausländische Direktinvestoren günstige Rahmenbedingungen zu setzen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2.1: Direktinvestitionszuflüsse (DI-Z) [in Milliarden US-Dollar] sowie

Direktinvestitionszuflüsse pro Kopf[32] (DI-Z/Kopf) [in US-Dollar] in die

Russische Föderation (RF) und in Ungarn (UNG), 1992-2001

Quelle: UNCTAD (2000), S. 252; The World Bank (2001), S. 456.

-: DI-Z von Januar bis September 2001, Central´nyj Bank (2002).

-: DI-Z im Jahr 2001, Hungarian Central Statistical Office (2002).

Betrachtet man die Entwicklung der ausländischen Direktinvestitionszuflüsse in der RF, so fällt im Vergleich zu der Direktinvestitionsentwicklung in dem wesentlich kleineren Land Ungarn auf, dass sich der Umfang der Direktinvestitionen in der RF auf einem insgesamt sehr niedrigen Niveau befindet. Ungarn gehört mit zu den erfolgreichsten Ländern in Bezug auf den Umfang der ausländischen Direktinvestitionen, da dort bereits Anfang der 90er Jahre tiefgreifende Reformprozesse zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Direktinvestoren eingeleitet und konsequent umgesetzt wurden.[33] Somit kann der Transformationsfortschritt als eine Determinante für die Höhe an ausländischen Direktinvestitionen angesehen werden.

In Russland dagegen gingen die Reformprozesse seit Beginn der Transformation nur sehr langsam voran; die Gründe dafür werden in Kapitel 4 erörtert. So lässt sich zunächst feststellen, dass die ausländischen Direktinvestitionen in der Wirtschaft der RF trotz der Einleitung ökonomischer Reformen noch keine große Bedeutung hatten bzw. haben.

Die absolute Höhe an ausländischen Direktinvestitionen in der RF liegt zwar ab dem Jahr 1996 über der von Ungarn; ein völlig anderes Bild ergeben jedoch die ebenfalls in dieser Tabelle aufgeführten Werte der Direktinvestitionszuflüsse pro Kopf: Im Vergleich zu Ungarn ist die schwache Position der RF seit 1992 unübersehbar.

Näher auf die Entwicklung der Direktinvestitionen in der RF eingehend, lässt sich feststellen, dass sich der Umfang der Direktinvestitionen schon auf einem sehr niedrigen Anfangsniveau befand, obwohl die gesetzliche Grundlage mit dem Gesetz über ausländische Investitionen in der RSFSR bereits im September 1991 geschaffen wurde. In einem Kommentar zu diesem Gesetz sieht Lenga die Möglichkeit, eine 100%-ige ausländische Tochtergesellschaft auf dem Gebiet der RF zu gründen bzw. einen russischen Betrieb zu erwerben, als einen revolutionären Schritt an.[34] Jedoch hat die Umsetzung dieses Gesetzes in die Praxis einige Schwierigkeiten erfahren. Ein Problem, welches in Kapitel 4.3.1 unter dem Stichwort Rechtsunsicherheit näher erläutert wird. Die Rechtsunsicherheit und die von Rothlauf aufgeführten ungünstigen Rahmenbedingungen[35] sind unter anderem die Ursache für das niedrige Niveau an ausländischen Direktinvestitionen in Russland.

Im Jahr 1995 kam es erstmals zu einer Steigerung der ausländischen Direktinvestitionen um 200%. Wie Fischer ausführt, war die Ursache der Steigerung, dass es die russische Regierung zum ersten Mal seit 1991 mit ihrer Wirtschaftspolitik geschafft hat, einige wichtige Wirtschaftsindikatoren wie beispielsweise das Bruttoinlandsprodukt oder die Inflationsrate zu verbessern:[36] Im Jahr 1995 verringerte sich das Bruttoinlandsprodukt nur um 4% (im Vergleich dazu 1994: -13%). Die monatliche Inflationsrate sank durch die restriktive Geldpolitik von 15 bis 20% pro Monat im Jahr 1994 auf 2 bis 3% im Juni 1995. Diese er-sten Anzeichen der Verbesserung gaben den ausländischen Direktinvestoren Hoffnung, dass es mit der Wirtschaft Russlands bergauf gehe. Russland wurde von Seiten der Investoren von diesem Zeitpunkt an wieder als Zukunftsmarkt mit großem Potential wahrgenommen. Der Beweis: Im Jahr 1997 kam es zu einer erneuten Steigerung der ausländischen Direktinvestitionen in die RF. Dazu hat mit Sicherheit auch die im März 1996 vorgenommene Bewilligung eines Kredits des IWF in Höhe von ca. 10 Milliarden US-Dollar beigetragen.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise im August 1998 war ein einschneidendes Ereignis und hat die dreijährige Stabilisierungsphase wieder beendet. Der Staat war teilweise zahlungsunfähig, wie Sutela berichtet,[37] so dass das Vertrauen in die russische Wirtschaft wieder nachgelassen hat. Dies spiegelt sich in den Zahlen der Direktinvestitionszuflüsse wider. Es traten gravierende Versäumnisse des Reformprozesses zutage: Gemäß einem Interview, das Präsident Putins Wirtschaftsberater Illarionov einer russischen Tageszeitung gab, hatten es die jeweiligen russischen Regierungen unterlassen, seit dem Beginn des Transformationsprozesses tiefgreifende Reformen durchzusetzen, die zu einem gesunden Unternehmens- und Finanzsystem hätten führen können.[38] Eine umfassende Reform hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer langanhaltenden Investitionstätigkeit beitragen können.

Das im Jahr 1999 verabschiedete neue russische Auslandsinvestitionsgesetz konnte die Direktinvestitionszuflüsse nicht erhöhen. Gründe dafür waren unter anderem wiederum in den Ausführungen des Gesetzes zu finden. Als ein Beispiel soll die in dem Gesetz enthaltene sogenannte „Versteinerungsklausel“ angesprochen werden. Andrianov kritisiert, dass nur ausländische Großinvestoren bei Erfüllung der in dieser Klausel enthaltenen Bedingungen diese Begünstigung nutzen können.[39] Dies bedeutet folglich eine Ungleichbehandlung der Direktinvestoren. Detaillierter erörtert dies Sevillano in einer Stellungnahme zu dem Auslandsinvestitionsgesetz.[40] Beispielsweise führt sie an, dass die sogenannte Versteinerungsklausel nur für bestimmte Investitionsprojekte wie etwa Projekte ab einer Milliarde Rubel Gesamtinvestition (ca. 36 Millionen US-Dollar) und nur bis zu maximal sieben Jahre gilt. Gewiss ist unter den Marktbedingungen in der RF nicht jedes Großprojekt innerhalb von sieben Jahren erfolgreich durchführbar.

Der im Jahr 2000 erfolgte Präsidentenwechsel und damit die Ausarbeitung eines Programms zur Modernisierung der Wirtschaft sollen nun eine Erholung der ausländischen Direktinvestitionsströme mit sich bringen. Die Investoren hoffen erneut auf eine Stabilisierung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der RF.[41] Als weiteres positives Zeichen ist die günstige Entwicklung makroökonomischer Indizes zu sehen. Stellvertretend sei hier das Bruttoinlandsprodukt der RF genannt: Dieses wuchs im Jahr 2000 um den Rekordwert von 8,3%. Im Jahr 2001 betrug das Wachstum 5,5%.[42] Die Investoren sind wegen der vielen Vorteile, die das Land bietet, wieder an einem langfristigen Engagement in der RF interessiert. Dieses spiegelt sich aber noch nicht in den Direktinvestitionszuflüssen wider. Der Höchststand von 1997 ist bis jetzt noch nicht wieder erreicht worden.

Was die regionale Verteilung der ausländischen Direktinvestitionen in der RF betrifft, so ist festzustellen, dass die Millionenstädte wie Moskau und St. Petersburg seit Einleitung der ökonomischen Reformen die meisten Zuflüsse verzeichnen. Untersuchungen der russischen Wirtschaftszeitschrift „Ėkspert“ ergaben, dass die ausländischen Direktinvestoren ebenso verstärkt die Regionen wie z.B. das Gebiet um Novgorod und die Republik Tatarstan berücksichtigen.[43] Diese Regionen zeichnen sich durch eine aktive Politik aus, die ausländische Direktinvestitionen anzieht, indem von den jeweiligen regionalen Behörden günstige Rahmenbedingungen für die Investoren geschaffen werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die RF mit der Einleitung ökonomischer Reformen zwar gegenüber ausländischen Direktinvestitionen geöffnet hat, diese sich jedoch bis heute auf einem insgesamt niedrigen Niveau befinden. Da bisher noch keine tiefgreifende Wirtschaftsreform in Russland durchgeführt wurde, können Krisen wie die im August 1998 zu einem plötzlichen Rückgang der ausländischen Direktinvestitionszuflüsse führen. Größere Hoffnungen und mehr Vertrauen in den russischen Markt haben die Inve-storen erst seit dem Präsidentenwechsel im Jahr 2000 gefasst.

Im nächsten Kapitel soll, bevor auf einige der Markteintrittsbarrieren eingegangen wird, zunächst aufgrund der bisherigen Entwicklung der Direktinvestitionszuflüsse in die Wirtschaft der RF die Notwendigkeit einer Verbesserung des Direktinvestitionsklimas betrachtet werden.

3 Notwendigkeit einer Verbesserung des Direktinvestitionsklimas in der Russischen Föderation

Die russische Zahlungsbilanz, welche die wertmäßige Aufzeichnung aller ökonomischen Transaktionen mit dem Ausland systematisiert, wird nicht nur durch den Schuldendienst belastet, sondern auch durch den laufenden russischen Kapitalexport. Einer der Wege zum Ausgleich der Zahlungsbilanz ist der Kapitalimport, beispielsweise in Form von ausländischen Direktinvestitionen. Sie sind ein wichtiger Faktor für einen nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung in der RF.

Im Vergleich mit den anderen Transformationsländern, wie z.B. Ungarn, die in den vergangenen zehn Jahren mehr ausländische Direktinvestitionen anziehen konnten, befindet sich die RF noch immer am Anfang dieser Entwicklung. Wie im vorangegangenen Kapitel festgestellt werden konnte, sind die Direktinvestitionszuflüsse für Russland noch sehr gering. Dies lässt sich damit erklären, dass der Entscheidung für oder gegen ausländische Direktinvestitionen eine genaue Prüfung des Direktinvestitionsklimas im jeweiligen Land vorausgehen muss. Das Direktinvestitionsklima für Russland ist gegenwärtig eher als negativ zu bewerten und muss für die Investoren merklich verbessert werden. Mit welchen speziellen Problemen die Direktinvestoren bisher konfrontiert wurden bzw. auch heute noch konfrontiert werden, wird in Kapitel 4 behandelt. Zunächst zur begrifflichen Abgrenzung des Direktinvestitionsklimas:

Unter dem Begriff „Direktinvestitionsklima“ versteht man nach Andrianov die Gesamtheit aller wirtschaftlichen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen, auf die der jeweilige Staat mit seiner Politik Einfluss nehmen kann.[44] Dazu zählen beispielsweise Faktoren wie politische und soziale Stabilität, Dynamik des Wirtschaftswachstums, Vorhandensein einer entwickelten Infrastruktur sowie eines Banken- und Telekommunikationssystems. In dieser Arbeit sollen nur die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen betrachtet werden.

Das jeweilige Direktinvestitionsklima eines Landes wird entscheidend durch das Vorhandensein des Länderrisikos geprägt, welches für das jeweils im Ausland investierende Unternehmen Verlustgefahren darstellt. Meyer konkretisiert den Begriff „Länderrisiken“, indem er folgende Einzelrisiken darstellt:[45]

- Transferrisiken: Hierunter versteht man die Gefahr, dass die geschäftlichen Transaktionen zwischen den verschiedenen Ländern beeinträchtigt werden. Die Transferrisiken lassen sich in Wechselkurs- und Zahlungsunfähigkeitsrisiken sowie Risiken aus Handelshemmnissen unterteilen.
- Dispositionsrisiken: Darunter versteht man die Gefahr einer Beeinträchtigung der Geschäftsaktivitäten der Unternehmen im Ausland durch bestimmte Regelungen von Seiten der Regierung bzw. durch soziale und politische Unruhen.
- Enteignungsrisiken: Darunter ist die Gefahr der teilweisen oder auch vollständigen Entziehung von Vermögen durch gezielte Maßnahmen der Regierung zu verstehen.

Ausländische Direktinvestitionen, welche die intensivste Form der Auslandsaktivitäten darstellen, sind allen oben genannten Länderrisiken ausgesetzt, jedoch wird im Laufe der weiteren Arbeit überwiegend auf die Dispositionsrisiken eingegangen. Diese sind in der RF noch sehr stark ausgeprägt und stellen somit die ausländischen Direktinvestoren vor große Schwierigkeiten.

Um das Länderrisiko bzw. das Ausmaß des Direktinvestitionsklimas quantitativ und qualitativ zu messen, existieren nach Meyer eine Reihe von Indikatorenmodellen.[46] Im folgenden soll beispielhaft der vom ifo-Institut berechnete „Economic Survey International Index“ (ESI-Index) näher betrachtet werden. Dieser Index konzentriert sich stärker auf qualitative Aspekte. Das ifo-Institut verschickt dazu viermal im Jahr an derzeit ca. 800 Wirtschaftsexperten aus über 80 Ländern einen Fragebogen.[47] Die darin enthaltenen Fragen beziehen sich unter anderem darauf, wie diese Experten das Wirtschaftsklima für ausländische Investoren in verschiedenen Ländern (a) gegenwärtig und (b) in sechs bis zwölf Monaten einschätzen. Die Bewertungsskala reicht von 1 bis 9 Punkten, wobei die Eckwerte folgende Bedeutung haben:[48]

zu (a): günstig = 9 Punkte weder/noch = 5 Punkte ungünstig = 1 Punkt

zu (b): besser = 9 Punkte gleich = 5 Punkte schlechter = 1 Punkt

Der Indikator für das Wirtschaftsklima, zusammengesetzt aus gegenwärtigem und zukünftig erwartetem Wirtschaftsklima, beruht auf der Berechnung des Erwartungswertes der einzelnen Expertenurteile. Ein Beispiel für die Berechnung des Erwartungswertes, das dem Buch „Länderrisiken“ in etwas abgeänderter Form entnommen ist, soll hier näher erläutert werden:[49]

Insgesamt haben 5 Experten ein Land j beurteilt und jeweils folgende Ausprägungen xij für das gegenwärtige Wirtschaftsklima angekreuzt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: ifo-Institut (2002b)

Der Übersichtlichkeit halber sind in der oben genannten Tabelle nur die Werte des jeweiligen vierten Quartals eines Jahres aufgeführt. Ein Indikatorwert zwischen 5 und 9 Punkten deutet auf eine überwiegend positive Einschätzung des Wirtschaftsklimas von Seiten der Wirtschaftsexperten hin, während Werte zwischen 1 und 5 eine überwiegend negative Einschätzung widerspiegeln.

An der Entwicklung dieses Indikatorwertes lässt sich erkennen, dass sich das Wirtschaftsklima zwar bis zum Jahre 1997 fast durchgehend verbessert hat, jedoch insgesamt noch als eher negativ einzuschätzen war. Ein bedeutsamer Einbruch des empfundenen und zukünftigen Wirtschaftsklimas war im vierten Quartal 1998 zu verzeichnen. Grund hierfür war der Zusammenbruch des Finanz- und Wirtschaftssystems im August 1998. Der Indikator hat sich jedoch schnell wieder erholt und stieg ein Jahr später auf den höchsten Wert seit dem Zerfall der Zentralverwaltungswirtschaft. Eine Ursache für diese Entwicklung kann darin gesehen werden, dass der jetzige Staatspräsident Putin bereits als Ministerpräsident versprochen hat, das Direktinvestitionsklima für ausländische Investoren merklich zu verbessern. Außerdem zeichnete sich bereits zu diesem Zeitpunkt ab, dass mit dem Ende der Amtszeit Jelzins im Jahr 2000 ein baldiger Präsidentenwechsel bevorstand, von dem sich die Direktinvestoren Verbesserungen erhofften. Nachdem Putin an die Macht gekommen war, wurde das vorab gegebene Versprechen auch mit der Ausarbeitung eines Programms zur Modernisierung der Wirtschaft eingelöst. Dies spiegelte sich weiterhin positiv in den Meinungen der Wirtschaftsexperten wider (siehe ESI-Index im vierten Quartal 2001 in Höhe von 6,1 Punkten).

Der letzte Wert zeigt jedoch auch, dass sich das Wirtschaftsklima den Expertenmeinungen zufolge am unteren Ende einer positiven Bewertung befindet. Russland braucht somit ein Wirtschaftssystem, welches das Direktinvestitionsklima wesentlich verbessert, so dass die daraus resultierenden Direktinvestitionszuflüsse sowohl für die ausländischen Investoren als auch für die Subjekte innerhalb der RF vorteilhaft erscheinen.

Eine genauere Untersuchung der Ursachen des sich abzeichnenden Indikatorverlaufs soll das folgende Kapitel liefern. Dort wird betrachtet, worin die Ursachen für die negativen Einschätzungen des Wirtschaftsklimas seitens der ausländischen Direktinvestoren bis zum Jahr 2000 liegen, und warum sich der Indikator seit der Präsidentschaft Putins verbessert hat.

4 Markteintrittsbarrieren für ausländische Direktinvestitionen in der Russischen Föderation und deren Beseitigung durch das Strategieprogramm der Regierung der Russischen Föderation

In diesem Kapitel soll das für die ausländischen Investoren ungünstige Direktinvestitionsklima dargestellt werden. Es werden folglich die bestehenden Risiken betrachtet, welche die Investoren daran hindern, in die russische Wirtschaft zu investieren. Des weiteren wird das neu ausgearbeitete Strategieprogramm der Regierung der RF, welches das Direktinvestitionsklima verbessern soll, dahingehend betrachtet, inwiefern die dort enthaltenen Maßnahmen die bestehenden Risiken beseitigen können.

Bevor auf die Wirtschaftssituation in der RF eingegangen wird, soll zunächst der Begriff „Markteintrittsbarrieren“ erklärt werden.

4.1 Zum Verständnis von Markteintrittsbarrieren

Nach Remmerbach ist unter Markteintritt zu verstehen, dass eine Unternehmung auf einem ihr bisher unbekannten Absatzmarkt tätig wird.[50] Internationaler, d.h. grenzüberschreitender Markteintritt ist folglich als die Verlagerung der wirtschaftlichen Tätigkeit in ein anderes Land zu definieren. Eine Form des internationalen Markteintritts sind ausländische Direktinvestitionen. Dabei können die ausländischen Direktinvestoren jedoch durch Markteintrittsbarrieren daran gehindert werden, entweder in den Markt überhaupt einzudringen oder sich erfolgreich im ausländischen Markt zu behaupten. Remmerbach beschreibt Markteintrittsbarrieren als

„ ... hemmende Einflussfaktoren eines erfolgreichen Markteintritts. Sie können als die Summe aller Faktoren definiert werden, die es einer Unternehmung erschweren, Mitglied in einem für sie relevanten Markt zu werden“.[51]

Markteintrittsbarrieren lassen sich in tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse kategorisieren, wobei unter tarifären Handelshemmnissen im wesentlichen Zölle zu verstehen sind – Abgaben, die bei der Grenzüberschreitung einer Ware erhoben werden.

Zu den nicht-tarifären Handelshemmnissen werden alle anderen handelshemmenden Barrieren gezählt, mit denen eine Unternehmung konfrontiert werden kann. Dies ist ein sehr weites Feld: Die „United Nations Conference on Trade and Development“ (UNCTAD) listete beispielsweise in einer Studie 3033 verschiedene nicht-tarifäre Handelshemmnisse auf.[52] Diese lassen sich grob in natürliche und künstliche Markteintrittsbarrieren einteilen, wobei unter natürlichen Markteintrittsbarrieren geographische (z.B. Entfernungen, Klima), infrastrukturbezogene (z.B. Verkehrssystem) und kulturell bedingte (z.B. Sprache, landesspezifisches Verbraucherverhalten) Barrieren zu verstehen sind.[53] Dagegen zielen künstliche Markteintrittsbarrieren darauf ab, den Markteintritt von ausländischen Unternehmen durch Eingriffe des Staates (d.h. institutionelle bzw. administrative Markteintrittsbarrieren, wie z.B. Kapitalbeschränkungen) oder der im Land bereits existierenden Unternehmen (d.h. verhaltensbedingte Markteintrittsbarrieren, wie z.B. beschränkter Zugang zu den Vertriebskanälen) zu erschweren. Zu den verhaltensbedingten Markteintrittsbarrieren zählen ferner diejenigen Hemmnisse, die im investierenden Unternehmen selbst entstehen (z.B. psychische Barrieren des Managements).

[...]


[1] Vgl. Ėkspertnyj institut/Ernst & Young (2000), eigene Übersetzung.

[2] Vgl. Götz (2001a).

[3] Vgl. Hemberger (1973), S. 20.

[4] Hymer (1976), S. 26.

[5] Vgl. Hemberger (1973), S. 21.

[6] Vgl. Hymer (1976), S. 6.

[7] Vgl. OECD (1996), S. 8.

[8] Vgl. OECD (1996), S. 35.

[9] Vgl. Jahrreiß (1984), S. 98.

[10] Der Oberste Sowjet war das höchste Organ der Staatsgewalt und gleichzeitig das höchste Legislativorgan.

[11] AuslandsinvestitionsG (1991), S.46 ff..

[12] Vgl. AuslandsinvestitionsG (1991), S. 47.

[13] zur Situation des Bankensystems s. Kapitel 4.3.4.

[14] Vgl. AuslandsinvestitionsG (1999), S. 456.

[15] Vgl. AuslandsinvestitionsG (1999), S. 458.

[16] Vgl. de Maizière (1999), S. 31.

[17] Vgl. Kinnemann (1999), S. 171 f..

[18] Vgl. Mangold (2000).

[19] Unter kultureller Distanz versteht man die Unterschiede in den Werten und Normen zwischen den jeweiligen Ländern.

[20] Vgl. Mangold (2000).

[21] Vgl. IMOE (2000).

[22] Vgl. McKinsey (1999).

[23] Vgl. de Maizière (1999), S. 35.

[24] Vgl. Mangold (2000).

[25] Vgl. Fišer (1999), S. 9, eigene Übersetzung.

[26] Vgl. Eli (1999), S. 33.

[27] Vgl. Holtbrügge (1996), S. 28.

[28] Vgl. Ratzinger (1994), S. 27.

[29] Vgl. Eli (1999), S. 33.

[30] Vgl. Andrianov (2001a), S. 100, eigene Übersetzung.

[31] Vgl. ebenda, S. 75, eigene Übersetzung.

[32] Der Einfachheit halber wird für die RF mit einer durchschnittlichen Einwohnerzahl von 145 Millionen und in Ungarn mit 10 Millionen gerechnet.

[33] Vgl. Fišer (1999), S. 51, eigene Übersetzung.

[34] Vgl. Lenga (1992), S. 44.

[35] Vgl. Rothlauf (1999), S. 316.

[36] Vgl. Fišer (1999), S. 233, eigene Übersetzung.

[37] Vgl. Sutela (2001), S. 142.

[38] Vgl. Vlasova/Laškina (2001), eigene Übersetzung.

[39] Vgl. Andrianov (2001b), S. 110 f., eigene Übersetzung.

[40] Vgl. Sevillano (2000) S. 337 ff..

[41] Vgl. Mangold (o.J.).

[42] Vgl. VDW (2001), S. 6.

[43] Vgl. Ėkspert (2001), eigene Übersetzung.

[44] Vgl. Andrianov (2001b), S. 118, eigene Übersetzung.

[45] Vgl. Meyer (1987), S. 16 ff..

[46] Vgl. ebenda, S. 86 f..

[47] Vgl. ifo-Institut (2002a).

[48] Vgl. ifo-Institut (2002b).

[49] Vgl. Meyer (1987), S. 109.

[50] Vgl. Remmerbach (1988), S. 8.

[51] ebenda, S. 124.

[52] Zit. in: Quambusch (1976), S. 153.

[53] Vgl. Simon (1989), Sp. 1442 f..

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832455316
ISBN (Paperback)
9783838655314
Dateigröße
648 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg – Sozial- und Wirtschaftswissenschaften
Note
1,3
Schlagworte
rußland putin markteintrittsbarieren direktinvestitionen
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Titel: Strategieprogramm der Regierung der Russischen Föderation zur Beseitigung von Eintrittsbarrieren in den russischen Markt
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