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Entwicklung eines Echtzeit-Ausbildungs-Simulators für Fermentationen in Rührkesselreaktoren

©2002 Diplomarbeit 141 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Ein wesentlicher Bestandteil der biotechnischen Ausbildung sind aufwändige und teure Kultivierungsexperimente. Um Schülern, Auszubildenden und Studierenden den Zugang zu diesen komplexen Experimenten zu erleichtern, können Simulationsexperimente in die Ausbildung integriert werden.
Das Ziel dieser Arbeit war es, einen Simulator zur Echtzeitsimulation von Kultivierungs- und Fermentationsprozessen in begasten Rührkesselreaktoren zu entwickeln.
Das entwickelte modulare mathematische Modell besteht aus verschiedenen Teilmodellen, die auf bereits experimentell verifizierten Gesetzmäßigkeiten basieren. Die Teilmodelle bestehen im wesentlichen aus Bilanzgleichungen, aus phänomenologischen Beziehungen, aus Korrelationen zur Modellierung von Stoffeigenschaften und aus Kinetiken.
Das Gesamtmodell beinhaltet u.a. Wärmedurchgang, mikrobielle Wärmeentwicklung, Stoffeigenschaften als Funktion der Prozesstemperatur, Sauerstoffübergang als Funktion von Begasung und Rührerdrehzahl, Insitu-Sterilisation und Schaumbildung sowie die realistische (verrauschte) Darstellung der Online- und Offline-Daten.
Das biologische Teilmodell basiert auf einem neu entwickelten massenbilanzierten Modell zur Beschreibung des Wachstums von Saccharomyces cerevisiae. Es berücksichtigt das aerobe und anaerobe Wachstum auf Glucose, das aerobe Wachstum auf Ethanol, den Crabtreeeffekt, den Pasteureffekt und die Katabolitrepression unter Anwesenheit von Ethanol.
Um den Entwurf von Regelungs- und Prozessführungskonzepten zu ermöglichen, wurde das Modell in das Prozessleitsystem WinErs implementiert.
Mit dem so entstandenen Simulator können alle wichtigen verfahrenstechnischen und biologischen Effekte einer Fermentation sehr realistisch in Echtzeit abgebildet werden. Der Simulator eignet sich sehr gut, um Lernenden biotechnische Produktionsprozesse näher zu bringen. Wegen seiner Modularität ist es möglich, den Simulator leicht an real existierende Prozesse anzupassen, um z.B. auch Anlagenpersonal zu schulen.
Die in der Studie erwähnte CD ist nicht im Lieferumfang enthalten, da sie für das Verständnis der Studie nicht notwendig ist.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.Einleitung5
2.Zieldefinition6
3.Realisierung6
4.Grundlagen7
4.1Grundlagen der Simulationstechnik7
4.1.1Simulation bioverfahrenstechnischer Prozesse8
4.1.2Schulungs- und Trainingssimulatoren9
4.1.3Anforderungen an die Echtzeitsimulation10
4.1.4Grundlagen zu WinErs10
4.2Aufgaben […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 5529
Bodenschatz, Bernd C.: Entwicklung eines Echtzeit-Ausbildungs-Simulators für Fermentationen
in Rührkesselreaktoren / Bernd C. Bodenschatz -
Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Jena, Diplomarbeit, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
1
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung
5
2
Zieldefinition
6
3
Realisierung
6
4
Grundlagen
7
4.1
Grundlagen der Simulationstechnik
7
4.1.1
Simulation bioverfahrenstechnischer Prozesse
8
4.1.2
Schulungs- und Trainingssimulatoren
9
4.1.3
Anforderungen an die Echtzeitsimulation
10
4.1.4
Grundlagen zu WinErs
10
4.2
Aufgaben des Rührkesselreaktors
15
4.2.1
Leistungseintrag in homogener Flüssigkeit
16
4.2.1.1 Pneumatischer Leistungseintrag in homogener Flüssigkeit
16
4.2.1.2 Rührleistung in homogener Flüssigkeit
17
4.2.2
Sauerstoffeintrag in Fermentationsbrühen
18
4.2.2.1 Vorgänge an der Phasengrenze gasförmig/flüssig ­ Zweifilmtheorie
19
4.2.2.2 Stoffaustausch in dispersen Gas/Flüssigsystemen
20
4.2.2.3 Reinsauerstoffbegasung und Erhöhung des Gesamtdruckes im System
21
4.2.3
Grundlagen der Wärmeübertragung
22
4.2.3.1 Wärmeleitung
23
4.2.3.2 Konvektiver Wärmetransport
23
4.2.3.3 Wärmestrahlung
23
4.2.3.4 Wärmedurchgang
23
4.2.4
Schaumentstehung und Schaumbekämpfung am Rührkesselreaktor
24
4.3
Stand des Wissens zu Saccharomyces cerevisiae
25
4.3.1
Physiologie von Saccharomyces cerevisiae
25
4.3.2
Stoffwechsel von Saccharomyces cerevisiae
26
4.3.2.1 Stofftransport durch die Zellmembran
27
4.3.2.2 Oxidativer Stoffwechsel auf Glucose
27
4.3.2.3 Oxidativer Stoffwechsel unter Crabtreeeffekt
27
4.3.2.4 Oxidativer Stoffwechsel auf Ethanol
28
4.3.2.5 Pasteureffekt, reduktiver Stoffwechsel auf Glucose
28
5
Modell
30
5.1
Modell zur Volumenbilanz
31
5.2
Modell zum Leistungseintrag in homogener Flüssigkeit
34

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
2
5.2.1
Modell zum pneumatischen Leistungseintrag in homogener Flüssigkeit
34
5.2.2
Modell zum Rührerleistungseintrag in homogener Flüssigkeit
34
5.2.3
Modell zum Rührerleistungseintrag in homogener, begaster Flüssigkeit
36
5.2.4
Rührerleistungseintrag bei Überflutung des Rührwerkes
38
5.3
Modell zum volumenbezogenen Stofftransportkoeffizienten k
L
a
40
5.3.1
Korrelationsgleichung für den k
L
a-Wert bei gerührten und begasten Rührkesselreaktoren 41
5.3.2
Korrelationsgleichung für den k
L
a-Wert bei Blasensäulenbetrieb
42
5.4
Modell zum Wärmehaushalt
43
5.4.1
Wärmebilanz
43
5.4.2
Temperaturverläufe der Medien im Bioreaktor und im Temperiermantel
44
5.4.3
Wärmedurchgang
45
5.4.3.1 Mittlere logarithmische Temperaturdifferenz
45
5.4.3.2 Volumenabhängige Wärmeaustauschfläche
46
5.4.3.3 Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten
46
5.4.3.3.1 Wärmeübergang an die äußere Behälterwand
47
5.4.3.3.2 Wärmeübergang an die innere Behälterwand
48
5.4.4
Verlustwärmeströme
51
5.4.4.1 Verlustwärmestrom über den Reaktordeckel
51
5.4.4.2 Verlustwärmestrom über den Temperieraußenmantel
53
5.4.5
Edukt- und Produktwärmestrom, Wärmeträgerströme
54
5.4.6
Sonstige Wärmeströme
55
5.4.7
Einfluss der Temperatur des Fermentermediums auf das Gesamtmodell
55
5.4.7.1 Temperatureffekte auf das Zellwachstum
55
5.4.7.2 Sauerstofflöslichkeit als Funktion der Temperatur
56
5.4.7.3 k
L
a-Wert als Funktion der Temperatur
57
5.4.7.4 Physikalische Eigenschaften des wässrigen Mediums als Funktion der Temperatur
57
5.4.7.5 Physikalische Eigenschaften des Wärmeträgers als Funktion der Temperatur
59
5.4.7.6 Physikalische Eigenschaften der Luft als Funktion der Temperatur
60
5.4.7.7 Dampfdruck von Wasser als Funktion der Temperatur
61
5.5
Modell zur Schaumbildung
62
5.6
Modell zum Wachstum von Saccharomyces cerevisiae
65
5.6.1
Biotransformation
66
5.6.2
Energiestoffwechsel
67
5.6.3
Wachstumskinetik
67
5.6.4
Metabolitumsatzraten
70
5.6.5
Stoffbilanzen der Gas- und Flüssigphase
75
5.7
Beschleunigte Berechnung der Differentialgleichungssysteme
77
5.8
Verrauschen der Ausgangssignale, realistische Signaldarstellung
77

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
3
6
Simulation und Diskussion der Ergebnisse
78
6.1
Simulation des Rührerleistungseintrages und des Gasleistungseintrages
78
6.1.1
Einfluss der Prozesstemperatur auf den Rührerleistungseintrag
78
6.1.2
Simulation des Rührerleistungseintrages und des Gasleistungseintrages bei Begasung 79
6.1.3
Vergleich zwischen gemessener Antriebsleistung und simulierter Rührerleistung
80
6.2
Simulation des Sauerstoffüberganges
81
6.2.1
Verhalten des k
L
a bei Überflutung des Rührwerkes
81
6.2.2
Berechnung der Überflutungscharakteristik des 6-Blattscheibenrührers
82
6.2.3
k
L
a-Wert als Funktion der Rührerdrehzahl und der Begasungsrate
83
6.2.4
Einfluss der Prozesstemperatur auf den Sauerstoffübergang
84
6.3
Simulation des Wärmedurchganges und der Sterilisation
85
6.3.1
Einfluss der Flowrate des Temperiermantels auf den Wärmedurchgang
85
6.3.2
Einfluss der Rührerdrehzahl und der Begasungsrate auf den Wärmedurchgang
86
6.3.3
Sterilisation des Rührkesselreaktors
87
6.3.4
Einfluss verschiedener Eingangsvariablen auf den Temperaturverlauf im Reaktor
89
6.3.5
Wachstumsgeschwindigkeit der Kultur bei Temperaturabweichungen von der
Idealtemperatur
90
6.4
Schaumverhalten beim Betrieb
91
6.5
Verifikation des Biologischen Modells
92
6.6
Interaktion zwischen Biologischem Modell und technischen Teilmodellen
93
6.6.1
Einfluss der Prozesstemperatur bei der Batchkultivierung
93
6.6.2
Einfluss der Zufütterungsrate auf den Kultivierungsverlauf bei ungeregelter
Prozesstemperatur
95
6.6.3
Einfluss unterschiedlicher Verdünnungsraten auf den Kultivierungsverlauf
96
6.6.4
Vollständige Dokumentation einer (simulierten) Kultivierung
99
6.7
Prozessvisualisierung
103
6.7.1
Ansicht des Rührkesselreaktors während der Simulation
104
6.7.2
Dokumentationsseite
109
7
Zusammenfassung
111
8
Ausblick
113
9
Literaturverzeichnis
115
10
Abbildungsverzeichnis
123
11
Nomenklatur Rührkesselreaktormodell
125
12
Nomenklatur Biologisches Modell
133
13
Antrag auf Ausgabe des Diplomthemas
135

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
5
1
Einleitung
Ein wesentlicher Bestandteil der biotechnischen Ausbildung ist die Durchführung komplexer Kultivi e-
rungsexperimente, die allerdings vergleichsweise aufwendig und teuer sind.
Um Schülern, Auszubildenden und Studierenden den Zugang zu diesen vielschichtigen Experimenten zu
erleichtern ist es zweckmäßig, Simulationsexperimente in die Ausbildung mit zu integrieren.
Während vor wenigen Jahren mit der vorhandenen Rechenleistung nur einfache Modelle zu berechnen
waren, deren Kalkulation mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden und deren Ausgabe sich auf die
Darstellung von numerischen Werten beschränkte, stehen mit der heutigen Rechentechnik und einer
Vielzahl geeigneter Integrationsalgorithmen und grafischer Darstellungsmöglichkeiten, leistungsfähige
Werkzeuge der Simulationstechnik für die Ausbildung zur Verfügung.
Die Simulation dynamischer biotechnischer Systeme, insbesondere die komplexe Interaktion zwischen
technischen Reaktormodell und biologischen Wachstumsmodell erfordert einen hohen Grad an Modulari-
tät der Anwendung. Sollen die simulierten Prozesse in genau dem Zeitrahmen ablaufen, wie sie auch bei
realen Prozessen zu beobachten sind, sind an die Simulatoren darüber hinaus Echtzeitanforderungen zu
stellen.
Um den Auszubildenden den Einstieg in die Simulationstechnik mit deren Vorteilen (z.B. Kostenersparnis,
Reproduzierbarkeit der Versuche) zu ermöglichen, ist es notwendig geeignete einfache Simulatoren zu
entwickeln. Die darin enthaltenen Teilmodelle sollten sich auf wesentliche, bereits bekannte Grundopera-
tionen (z.B. Soff- und Wärmeübergang, Leistungseintrag), sowie die Anwendung von Modellorganismen
für das Wachstumsmodell beschränken.
Einen besonderen Stellenwert nimmt die Prozessvisualisierung des Modells ein. Eingaben müssen feh-
lerfrei vorgenommen werden können, die Ausgabe sollte in leicht interpretierbarer Form als Absolutwerte
oder Trajektorien über die Zeit erfolgen.
Mir der vorliegenden Diplomarbeit und der Entwicklung eines Echtzeit-Simulators wurde den o.g. Anfor-
derungen Rechnung getragen. Der hier vorgestellte Simulator eignet sich zur dynamischen Simulation
biotechnischer Fermentationsprozesse in Rührkesselreaktoren im Rahmen der Ausbildung. Er ist ohne
weiteres beliebig erweiterbar und damit auch für zukünftige Anwendungen als Basis nutzbar.

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
6
2
Zieldefinition
Ziel dieser Arbeit ist es, einen Simulator zur Echtzeitsimulation von Kultivierungs- und Fermentationspro-
zessen in begasten Rührkesselreaktoren zu entwickeln. Als Beispielprozess soll sich der Simulator an
der Fermentation von
Saccharomyces cerevisiae
in einem Laborfermenter orientieren. Der Simulator soll
neben den biologischen auch die wichtigsten verfahrenstechnischen Prozesse und Effekte einer Fermen-
tation sowohl qualitativ als auch quantitativ in Echtzeit abbilden. Außerdem soll den späteren Anwendern
des Simulators ein möglichst realistisches Prozessverhalten vermittelt werden. Hierbei kommt es weniger
auf die quantitativ präzise Abbildung von Einzeleffekten an, sondern auf die Darstellung des Gesamtver-
haltens einer Kultivierung. Um später den Entwurf von Regelungs- und Prozessführungskonzepten an-
hand des Simulators zu ermöglichen, soll das zu entwerfende Modell in ein bereits vorhandenes Prozess-
leitsystem implementiert werden. Neben der Anwendung im Rahmen eines bioverfahrenstechnischen
Praktikums zur Hochschulausbildung angehender Diplomingenieure der Biotechnologie und Umweltbio-
verfahrenstechnik, soll der im Rahmen dieser Arbeit zu entwickelnde Simulator auch an Berufsbildenden
Schulen für naturwissenschaftlich-technische Assistenten und Chemielaboranten Verwendung finden.
3
Realisierung
Um das skizzierte Ziel zu erreichen soll folgendermaßen vorgegangen werden:
Nach eingehender Analyse des gesamten Fermentationsprozesses soll dieser in zweckmäßige elementa-
re Teilsysteme zerlegt werden.
Jedem dieser realen Teilsysteme soll in einem weiteren Arbeitsschritt ein Teilmodell, i.d.R. bestehend
aus Bilanzgleichungen für Masse, Energie und Impuls, auf phänomenologische Beziehungen, aus Korre-
lationen zur Modellierung von Stoffeigenschaften und schließlich aus Kinetiken zugeordnet werden.
Um eine hinreichend gute Qualität des Modells sicher zu stellen, soll bei der Auswahl und Entwicklung
der Teilmodelle darauf geachtet werden, dass diese vorzugsweise auf Basis physikalischer, chemischer
und biologischer Grundgesetze beruhen und möglichst weitgehend verifiziert wurden.
Die Auswahl und Formulierung der Teilmodelle erfordert in dieser Phase der Arbeit eine umfangreiche Er-
fassung und Bewertung des in der Literatur vorhandenen Wissens. Alle Teilmodelle sollen schließlich zu
einem Gesamtmodell der Anlage zusammengefasst werden. Dabei soll sich ein Modell ergeben, das ne-
ben Ein- und Ausgangsgrößen auch die inneren Systemzustände enthält und damit zur Klärung von Ver-
halten und Funktion des Fermentationsprozesses herangezogen werden kann.
Nach erfolgreichem Abschluss der Modellierung steht am Ende der Arbeit die anwenderbezogene, über-
sichtliche Gestaltung der Benutzeroberfläche des Simulators innerhalb des Prozessleitsystems. Dem
Anwender soll die Möglichkeit gegeben werden Eingaben sicher und fehlerfrei vorzunehmen. Ausgangs-
größen müssen in übersichtlicher und leicht interpretierbarer Form dargestellt werden. Zu jedem Zeit-
punkt der (simulierten) Kultivi erung muss der aktuelle Prozesszustand gut wiedergegeben werden.

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
7
4
Grundlagen
Zum besseren Verständnis der Arbeit, wird im vorliegenden Kapitel auf die theoretischen Grundlagen
eingegangen. Um Überschneidungen mit dem Modellteil der Arbeit zu vermeiden, handelt es sich hierbei
um eine primär verbale Beschreibung der Grundlagen. Die mathematische Herleitung wurde im Grundla-
genteil auf ein Minimum reduziert, sie findet sich im Modellteil der Arbeit wieder.
4.1 Grundlagen der Simulationstechnik
Die Simulationstechnik ist eine weit verbreitete Methode, reale Phänomene mit Hilfe eines Computers
nachzuahmen. Vor allem dann, wenn die Vorgänge miteinander interagieren und zeitgleich ablaufen,
vermag ihre Nachbildung auf dem Rechner Einsichten vermitteln, die bei bloßer Beobachtung der Wirk-
lichkeit nicht zu erhalten wären.
Zusätzlich ermöglicht es die Simulationstechnik sehr variabel von außen auf die simulierten Vorgänge
Einfluss zu nehmen, teilweise auf eine Art und Weise, die im realen Prozess aus Kosten- oder Sicher-
heitsgründen nicht in Betracht gezogen würde.
Die Simulation eignet sich zusätzlich hervorragend dazu, dynamische Vorgänge grafisch darzustellen und
sie dadurch auch dem ungeübten Anwender zugänglich zu machen.
Die Vorteile der Simulationstechnik gegenüber der realen Prozessführung bestehen in:
·
den geringeren Kosten,
·
der Reproduzierbarkeit von Experimenten,
·
dem Ausschließen von Risiken,
·
der Zugänglichkeit der interessierenden Größen,
·
der Zeitraffung und ­dehnung,
·
der Vorhersage,
·
der Veränderbarkeit physikalischer und biologischer Parameter,
·
der ,,Realisierung" noch nicht existenter Systeme und
·
der Prozessoptimierung.
Damit kann das Potenzial der Simulationstechnik mit seinen positiven Merkmalen hinreichend gut be-
schrieben werden [Kramer, U. und Neculau, M.; 1998].
Neben den Vorzügen der Simulationstechnik, dürfen die Nachteile und die daraus resultierenden Proble-
me nicht unbeleuchtet bleiben:
Die Grenzen und Probleme der Simulation sind dadurch gekennzeichnet, dass die Simulation niemals
besser sein kann als das Modell auf dem sie beruht. Des weiteren sind Simulationen immer von der Ge-
fahr umgeben, relevante Effekte unberücksichtigt zu lassen oder als unwichtig erachtete Variablen zu
vernachlässigen.

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
8
Die Güte der Simulation hängt darüber hinaus in hohem Maße davon ab, wie sauber die methodischen
Vorarbeiten geleistet werden, d.h. wie gut die Voraussetzungen abgeklärt sind, unter denen die Simulati-
onsmodelle entwickelt wurden.
Dies erfordert in jedem Fall zunächst einen Mehraufwand gegenüber intuitiven Vorgehen, der jedoch in
jedem Fall durch die Qualität der int ellektuellen Durchdringung des zu bearbeitenden Problembereiches
mehr als ausgeglichen wird.
4.1.1 Simulation bioverfahrenstechnischer Prozesse
Gerade für die Zusammenarbeit in interdisziplinär besetzten Gruppen, wie sie in der Biotechnologie anzu-
treffen sind, bildet die Simulationstechnik ein wesentliches Hilfsmittel. So sind die durch die Simulation
dargestellten Aussagen im Allgemeinen leicht verständlich und können auch von denjenigen, die die zu
Grunde liegenden Theorien, Methoden und Berechnungsalgorithmen nicht beherrschen, auf ihre Plausibi-
lität und ihren Wert für das gemeinsame Ziel überprüft werden. Die Simulationstechnik stellt somit also
eines der wichtigsten Bindeglieder zwischen den Disziplinen dar.
Simulationsverfahren spielen bei der Auslegung der Prozessführung biotechnischer Systeme eine wichti-
ge Rolle. Dies ist darin begründet, dass Wachstum und Produktbildung nichtlineare Kinetiken aufweisen
und die Modellgleichungen sich dadurch einer analytischen Behandlung weitgehend entziehen. Hinzu-
kommt, dass nur in äußerst geringem Maße eine kontinuierliche Prozessführung an einem vorgegebenen
Arbeitspunkt (,,Chemostat") in Produktionsprozessen angewandt wird, da einerseits stets das Risiko einer
Kontamination mit Fremdorganismen besteht und sich zum anderen unerwünschte Nebenprodukte ak-
kumulieren können.
Daraus resultiert, dass eine Linearisierung der Modellgleichungen um einen Arbeitspunkt nicht möglich
ist, da der Prozess von Beginn der Kultivierung bis zu deren Abbruch ein großes Gebiet des Zustands-
raumes, also weite Bereiche der Konzentrationen an Zellen, Substraten und Produkten durchläuft [Mu-
nack, A.; 1995].
Eine weitere Schwierigkeit, die insbesondere bei biotechnologischen Systemen auftritt, darf an dieser
Stelle ebenfalls nicht unerwähnt bleiben:
Während das Wachstum der Mikroorganismen, mit Verdopplungszeiten etwa im Bereich von 0,2-10 h
vorliegen, weisen Begasungssystem und Stoffübergangsverhalten für die Ermittlung der Gelöstsau-
erstoffkonzentration in der Flüssigphase Zeitkonstanten von wenigen Sekunden auf. Will man also Bilan-
zen als Differentialgleichungssysteme gleichzeitig simulieren, so sind geeignete Verfahren für steife Sys-
teme z.B. [Gear, C.W.; 1971] zu verwenden.
Eine weitere Möglichkeit des Vorgehens ist diejenige, dass die schnellen physikalischen Vorgänge als
quasistationär betrachtet werden, so dass neben den dynamischen, biologischen Gleichungen statische
Beziehungen zu berücksichtigen sind.
Ein zusätzliches Problem bei der parallelen Modellierung und Simulation technischer und biologischer
Systeme liegt in der Anwendung unterschiedlicher Einheiten:
Während zur Berechnung technischer Systeme i.d.R. SI-Einheiten Verwendung finden, werden in der
Bioverfahrenstechnik zunehmend unterschiedliche Einheitenkombinationen (z.B. Volumenstrom l/h an-
statt m
3
/sec) verwendet. Hinzukommt, dass alle Umsatzraten (aus Gründen der Praktikabilität) bei Biolo-

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
9
gischen Modellen pro Stunden angegeben werden, während bei technischen Systemen Sekunden als
Zeitbasis zur Berechnung von Differentialgleichungen Verwendung finden.
Um dennoch die Übersicht zu behalten, werden in der vorliegenden Arbeit primär SI-Einheiten verwendet.
Nur an der Schnittstelle (Übergabe von Werten) zwischen technischen Teilmodellen und Biologischem
Modell erfolgt eine Transformation (z.B. Umrechnung der Verdünnungsrate von 1/sec in 1/h).
Um die Simulation auch für Newcomer übersichtlich zu gestalten, erfolgt die Ein- und Ausgabe am Simu-
lator partiell in praxisbezogenen Einheiten (z.B. Rührerdrehzahl 1/min anstatt 1/sec. oder l/h anstatt
m
3
/sec bei Volumenströmen).
4.1.2 Schulungs- und Trainingssimulatoren
Gut ausgebildetes Personal mit ausreichendem Verständnis des Prozesses und der Automatisierungsein-
richtungen ist eine Grundvoraussetzung für einen sachgemäßen und optimalen Betrieb von
Produktionsanlagen.
Im Rahmen der Ausbildung von Biotechnologen und Umweltbioverfahrenstechnikern muss deshalb ein
möglichst tiefgehender Einblick in den Ablauf bioverfahrenstechnischer Grundoperationen gegeben wer-
den. Schulungssimulatoren bieten sich hier auch zu Vertiefung theoretischer Grundlagenforschungen an.
Diese modernen Schulungsmittel werden allerdings in der Lehre erst vereinzelt eingesetzt [Sinclair, C.G.
and Kristiansen, B.; 1993].
Angesichts immer knapper werdender Mittel der öffentlichen Haushalte, kann in den kommenden Jahren
mit einer Steigerung der Anwendungen gerechnet werden.
Abbildung 1: Unterschied zwischen Schulung am Simulator und am realen
Prozess.
Im Gegensatz zu Schulungssimulatoren, wird in den Trainingssimulatoren das Abbild einer konkreten An-
lage als Simulationsmodell verwendet. Dies folgt aus der anders gearteten Ausrichtung der Simulationen:
Mit Trainingssimulatoren soll die Bedienung und Führung eines konkreten, realen Prozesses geübt wer-
den. Dieses Ziel setzt voraus, dass das hinterlegte Prozessmodell die Anlage exakt wiedergibt.

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
10
Das in dieser Arbeit vorgestellte technische Modell kann einerseits als Schulungssimulator, andererseits,
nach individueller Anpassung und Validierung im Rahmen des jeweils angegebenen Gültigkeitsbereiches,
auch als Trainingssimulator Anwendung finden.
4.1.3 Anforderungen an die Echtzeitsimulation
Bei der Echtzeitsimulation dynamischer Prozesse werden an die Simulatoren, die heute primär aus Com-
puter inkl. Software bestehen, besondere Anforderungen gestellt.
Eine typische Anforderung besteht darin, die nachgebildeten Prozesse in genau dem Zeitrahmen ablau-
fen zu lassen, wie sie auch bei realen Prozessen zu beobachten sind.
Nach [Schnieder, E.; 1982] unterscheidet man hierbei im einzelnen:
·
Schritthaltend
·
Vollständigkeit
·
Rechtzeitigkeit
·
Gleichzeitigkeit
Entsprechend den charakteristischen Zeitkenngrößen der realen Prozesse, innerhalb deren ein Simulator
arbeiten soll, muss also gewährleistet sein, dass Reaktions- und Unterbrechungszeiten bestimmte
Schranken unter keinen Umständen überschreiten.
Daraus resultiert, dass dies nur durch geeignete, allgemein hinreichend schnell arbeitende Hardware,
sowie entsprechende Software (Betriebs- als auch Anwendungssoftware) erreicht werden kann.
Um mit Hilfe der Simulationstechnik einen realen Prozess hinreichend gut abbilden zu können, muss die-
ser systematisch in Teilsysteme, und diese wiederum in Teilmodelle zerlegt und analysiert werden.
Die Analyse des Systems ,,Rührkesselreaktor", mit seinen Teilsystemen wird im folgenden Kapitel soweit
durchgeführt, dass für die jeweils relevanten Teilprozesse alle mathematischen Beschreibungen der
Teilmodelle vorliegen.
4.1.4 Grundlagen zu WinErs
Die vorliegende Beschreibung bezieht sich auf die aktuelle und auch zur Simulation verwendete WinErs-
Version 4.11.A Professionell.
WinErs ist ein Programmpaket, das gleichermaßen als Messwerterfassungssystem, Prozessleitsystem
und als Simulationssystem einsetzbar ist. Es eignet sich für die Realisierung von Echtzeitregelungen und
Echtzeitsteuerungen, zur Messdatenerfassung und Dokumentation, Prozessvisualisierung sowie für die
Simulation dynamischer Systeme.
Die Eingaben für die Steuerungen, Regelungen und Simulationen erfolgen interaktiv und grafisch, in
Form von Blockschaltbildern unter einer leicht erlernbaren, Windows-konformen Benutzerführung und
Oberfläche mit den unter Windows üblichen Markierungs -, Cut- und Paste-Mechanismen. Die Mächtigkeit
von WinErs liegt in den vordefinierten Standardblöcken, sowie in der Möglichkeit, anwenderspezifische

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
11
Blöcke in Form von Differentialgleichungssystemen, Arithmetiksystemen, frei programmierten Regler
usw. zu definieren.
Abbildung 2: Geöffneter Differentialgleichungssystem-Block.
Abbildung 2 zeigt einen zur Bearbeitung geöffneten Differentialgleichungssystem-Block. Über die Definiti-
on von Differentialgleichungssystemen oder algebraischen Gleichungen als Block ist es möglich, komple-
xe, auch nichtlineare dynamische Strukturen, wie die von WinErs bereitgestellten Standardblöcke in
Blockstrukturen einzubauen.
Differentialgleichungssysteme werden in Zustandsraumdarstellung eingegeben. Dies bedeutet, dass eine
Differentialgleichung n-ter Ordnung in ein System von n Differentialgleichungen erster Ordnung transfor-
miert werden muss.
WinErs verwendet zur Berechnung von Differentialgleichungen, wie sie auch implizit in den dynamischen
Reglerblöcken enthalten sind, das Runge-Kutta-Verfahren 4. Ordnung mit fester Schrittweite.
Prozessvisualisierungen werden ebenfalls interaktiv und grafisch in Form von einzelnen Prozessbildern
mit Hilfe des Prozessbildeditors erstellt. Auch hier erlauben die Cut- und Paste-Mechanismen sowie die
Windows -Konformität ein zügiges Erstellen und Bearbeiten von Visualisierungsseiten. Im Ansicht- bzw.
Visualisierungsmodus kann zwischen diesen Seiten beliebig verzweigt werden. Die unterschiedlichen Vi-
sualisierungsmodi reichen bis zum Vollbildmodus, der Windows voll zurücktreten lässt.

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
12
WinErs als Gesamtsystem ist nach der Client-Server-Architektur aufgebaut, bei der ein eigenständiger
Server (WRPServ) die gegebenen Steuerungen, Regelungen und Simulationen in einer vorgegebenen
Zykluszeit bearbeitet und für die Messdatenerfassung sorgt. Als Client-Anwendung bedient sich das Win-
Ers-Hauptprogramm der Serverdaten; es bildet die (fast ausschließliche) Benutzerschnittstelle.
Der Server kann auf dem selben Rechner wie der Client laufen, er kann aber auch auf einem anderen,
über serielle Schnittstelle oder ein Netzwerk gekoppelten PC laufen. Von einem Rechner aus können so
mehrere Server, die unterschiedliche Steuerungs -, Regelungs- oder Messdatenerfassungsaufgaben
durchführen, angesprochen werden oder mit mehreren Clients auf einen Server.
WinErs ist ein Online- und Echtzeitsystem. Benutzereingaben wie Reglerparameter- oder Regelungs-
strukturänderungen werden sofort aktiv, ohne das Steuerung, Regelung, Simulation oder Messdatener-
fassung unterbrochen werden müssen. Der Benutzer kann so im direkten Dialog bei laufendem System
die Parameter und Struktur ändern.
Während das System arbeitet, können beliebige Kombinationen aktueller Signale (analoge und binäre
Eingangs-, Ausgangssignale, interne Signale) numerisch oder grafisch, in Blockstrukturen oder in Pro-
zessbildern dargestellt werden.
Abbildung 3: Differentialgleichungssystem-Block während der Simulation.
Abbildung 3 zeigt den bereits unter Abbildung 2 dargestellten Differentialgleichungssystem-Block wäh-
rend der Simulation. Die Ein- und Ausgangsgrößen werden als Absolutwerte in Signalblöcken ausgege-
ben. Dem Anwender wird dadurch einerseits die Möglichkeit eingeräumt, das Verhalten der einzelnen
Blöcke auf Änderung der Eingangsgrößen nachzuvollziehen. Anderseits wird durch die Darstellung der
Ein- und Ausgangsgrößen in numerischer Form die Programmierarbeit und die evtl. Fehlersuche erleich-
tert.

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
13
Abbildung 4: Geöffneter Signalblock während der Simulation.
Durch Doppelklicken auf einen Signalblock während des Betriebes lassen sich weitere Informationen ü-
ber diesen abgerufen. Durch Doppelklicken auf einen Differentialgleichungssystem-Block (oder auch A-
rithmetik-Block) lassen sich die vorgegeben Einstellungen (Parameter und Anfangszustände) individuell
ändern.
Abbildung 5: Während der Simulation, zur Änderung der Anfangszustände,
geöffneter Differentialgleichungssystem-Block.

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
14
Wird eine Messdatenerfassung durchgeführt, werden alle ausgewählten Signale auf Festplatte gespei-
chert. Sie stehen somit für Grafiken, zur Dokumentation und zur Weiterverarbeitung, z. B. in Textverarbei-
tung oder Tabellenkalkulation zur Verfügung.
Durch die Menüführung, die Windows-Oberfläche, die grafische Eingabe der Steuerungen, Regelungen
und Simulationen in Form von Blockstrukturen, die Farbgrafiken zur Darstellung aktueller und gespeicher-
ter Signalwerte, die Blockstruktur- und Prozessvisualisierung und nicht zuletzt durch die Online-Hilfe, ist
das System transparent, einfach und schnell erlernbar.
Aufgrund seiner Flexibilität ist WinErs ein gutes Werkzeug für den Ingenieur, der Regelungen und Steue-
rungen eines Prozesses oder eines Anlagenteils konzipieren und in Betrieb nehmen soll. Mit einer maxi-
malen Signalanzahl von 32000 bei der 32-Bit Version, 250 Blockstrukturseiten, 32000 Rechenblöcken
(inkl. anwenderdefinierter Blöcke), 250 digitalen Timern, beliebig vielen Funktionsblöcken und bis zu 99
verschiedenen Projekten auf einem Hauptrechner bietet WinErs genügend Platz für umfangreiche Ent-
wicklungen. Zudem sind Steuerungen und Regelungen durch Eigenentwicklungen ergänzbar. Hierzu ist
eine Schnittstelle, sogenannte DLL-Controls, vorgesehen, die es dem Anwender erlaubt selbst program-
mierte Blockstrukturelemente in Blockstrukturen zu verwenden.
Für die Optimierung von Regelstrukturen und deren zugehörigen Reglerparametern und für den Entwurf
und die Inbetriebnahme neuer Regelungen ist WinErs ein ideales System. Es läuft auf preiswerter Hard-
ware (16-Bit Version ab IBM PC 386 kompatibel oder höhere, 32-Bit Version ab 486er-PC), ist flexibel,
einfach zu bedienen und enthält viele gute Dokumentations- und Visualisierungsmöglichkeiten. Insbe-
sondere bietet WinErs die Möglichkeit, Prozesssimulation wie Regelung mit demselben System durchzu-
führen. Die vorliegende Version spiegelt die langjährige Entwicklung dieses Programmpaketes und die
Erfahrung damit wieder. Es wird seit Jahren vielerorts erfolgreich eingesetzt [Schoop, K.-M.; 2002].

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
15
4.2 Aufgaben des Rührkesselreaktors
Rührkesselreaktoren sind Anlagen, in denen die biologische Umwandlung von Rohstoffen in erwünschte
Produkte erfolgt. Hierbei können Mikroorganismen, pflanzliche, tierische, humane Zellen oder isolierte
Enzyme eingesetzt werden.
Die eingesetzten Zellen sind ständig bestrebt ihre Umwelt so zu beeinflussen, dass dadurch für sie mög-
lichst optimale Lebensbedingungen aufrechterhalten werden. In einem Rührkesselreaktor unterstützt man
diese durch geeignete Wahl der geometrischen Verhältnisse des Rührkesselreaktors sowie der Prozess-
variablen.
Oberstes Ziel ist es, die Versorgung der Zellen zum Wachstum bzw. zur Metabolitbildung zu sichern, d.h.
möglichst die Optima der Temperatur und des pH-Wertes, eine ausreichende Menge des Substrates und
bei aeroben Organismen, des Sauerstoffs, zu gewährleisten. [Schügerl, K.; 1991]
Die Anforderungen an die heute eingesetzten Rührkesselreaktoren sind oft sehr mannigfaltig und von ei-
ner Vielzahl von Faktoren (Morphologie und Metabolismus der Zellen, Produkt, Prozessgröße etc.) ab-
hängig.
Aufgrund der dadurch existenten Auswahl der verschiedensten Bauarten von Rührkesselreaktoren, ist ei-
ne allgemeingültige, exakte Beschreibung der physikalisch technischen Eigenschaften nur bedingt mög-
lich. Diese Arbeit beschränkt sich daher auf die Charakterisierung von Submersreaktoren im Labormaß-
stab, auch Standardrührkesselreaktoren genannt.
Die Aufgaben von Rührkesselreaktoren lassen sich aus der wesentlichen Aufgabe der verfahrenstechni-
schen Grundoperationen, dem Rühren ableiten:
Es lassen sich 5 Rühraufgaben definieren [Wilke, H.-P
. et al
.; 1991]
·
Homogenisieren,
·
Intensivieren des Wärmeaustausches,
·
Suspendieren,
·
Emulgieren,
·
Dispergieren (Zerteilen) eines Gases in einer Flüssigkeit.
Betrachtet man die jeweiligen spezifischen Bedingungen, die bei der Kultivierung unterschiedlicher Zellen
existieren, lässt sich die Auflistung beliebig nach den jeweiligen Anforderungen erweitern.
Unter der Annahme, dass es sich bei dem im folgenden beschriebenen System um ein unstrukturiertes,
idealdurchmischtes Zweiphasensystem Luft/Wasser handelt und das dabei weder orts- noch zeitabhän-
gige Temperatur-, Konzentrations-, Dichte- und Druckgradienten im Reaktor auftreten, ergibt sich ein
Rührkesselreaktorsystem mit folgenden Teilmodellen:

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
16
·
Leistungseintrag
·
Sauerstoffübergang Gas/Flüssigkeit
·
Wärmeübergang und Sterilisation
·
Schaumbildung und ­bekämpfung
·
Sonden- und Messtechnik
Die Auflistung stellt eine Schnittmenge aus den heute gängigen Aufgaben der submersen Fermentations-
technik dar, sie definiert gleichzeitig die Teilmodelle bzw. Grundoperationen, die im weiteren Teil der Ar-
beit Anwendung finden.
Um die Interaktion der Teilmodelle untereinander und deren Einfluss auf das Wachstumsverhalten einer
Kultur darstellen zu können, muss das technische Rührkesselreaktormodell um ein
·
Biologisches Modell
mit dem das Wachstum von Mikroorganismen in Abhängigkeit ihrer Umweltbedingungen beschrieben
werden kann, erweitert werden.
4.2.1 Leistungseintrag in homogener Flüssigkeit
Um die unterschiedlichen Aufgaben der Rührtechnik bewerkstelligen zu können, ist eine ausreichende
Behälterströmung notwendig, die durch den Eintrag von Leistung in das Rührgut realisiert werden kann.
Der Eintrag von Leistung kann auf unterschiedlichem Weg erfolgen:
·
Pneumatischer Leistungseintrag
·
Rührerleistung in Flüssigkeit
4.2.1.1 Pneumatischer Leistungseintrag in homogener Flüssigkeit
Der Leistungseintrag für pneumatisch betriebene Bioreaktoren bzw. in Blasensäulen, erfolgt über den
Vordruck des Gases. Die Expansionsarbeit, die im Bioreaktor pro Zeiteinheit abgegeben wird, entspricht
der eingetragenen Leistung.
Die pneumatische Leistung, die durch Begasung in das Medium eingetragen wird, ist direkt abhängig
von:
·
den physikalischen Stoffeigenschaften des Mediums,
·
der Begasungsrate,
·
der Höhe der Wassersäule.

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
17
In vielen Fällen ist die durch den pneumatischen Leistungseintrag eingebrachte Leistung nicht ausrei-
chend, um die notwendige Strömung im Bioreaktor zu gewährleisten. Aus diesem Grund wird häufig auf
Rührkesselreaktoren zurückgegriffen, bei denen zusätzlich zur pneumatischen Leistung, Rührleistung
durch ein Rührwerk in das Rührgut eingetragen werden kann.
4.2.1.2 Rührleistung in homogener Flüssigkeit
Bei der Berechnung der Rührleistung eines ausgewählten Rührsystems stellt sich stets die Frage nach
dem mechanischen Leistungsbedarf über die Rührwelle in Abhängigkeit einer vorgegeben Drehzahl. Die
eingebrachte mechanische Leistung wird dabei vollständig in innere Energie umgesetzt.
Als erster hat sich James Prescott Joule 1850 mit seinem berühmten Rührexperiment damit beschäftigt,
indem er das Wärmeäquivalent von thermischer und mechanischer Energie bis auf 1% Genauigkeit be-
stimmt hat.
Abbildung 6: Versuchsanordnung von J.P. Joule zur Bestimmung des Wär-
meäquivalents von thermischer und mechanischer Energie im Rührapparat,
nach [Shames, M.H.; 1959].
Die Rührleistung eines Rührertyps unter den gegebenen Einbaubedingungen in einer homogenen Flüs-
sigkeit, hängt vom Rührerdurchmesser, von der Bewehrung im Behälter, von den physikalischen Stoffei-
genschaften des Mediums sowie von der Rührerdrehzahl ab.

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
18
Wird die eingetragene Rührleistung zum Dispergieren eines Gases in Flüssigkeit genutzt, muss davon
ausgegangen werden, dass sich mit ansteigender, zu dispergierender Gasmenge der Leistungseintrag
signifikant verringert [Michel, B.J. and Miller, S.A.; 1962].
4.2.2 Sauerstoffeintrag in Fermentationsbrühen
Die ausreichende Versorgung mit Sauerstoff ist die essentielle Voraussetzung für das Wachstum von ae-
roben Mikroorganismen. Aufgrund der im Vergleich zu anderen Nährmedien geringen Löslichkeit von
Sauerstoff (6-8 g/m
3
), ist es notwendig den Sauerstoff aus der dispergierten Gasphase kontinuierlich
nachzuliefern, um die gewünschte Stoffwechselleistung der Organismen aufrechtzuerhalten.
Betrachtet man den Weg des Sauerstoffs von der Gasphase bis in das Innere der Zelle, so fällt auf, dass
eine Reihe von Transportwiderständen überwunden werden müssen [Bailey J. and Ollis D.; 1986].
Abbildung 7: Schematische Darstellung der Widerstände beim Transport von
Sauerstoff von einer Gasblase in eine Zelle; Schematische Beschreibung des
Konzentrationsprofils in Abhängigkeit vom Aufenthaltsort.

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
19
Im Einzelnen können folgende Transportwiderstände aufgeführt werden:
1. vom Kern der Gasblase zur Grenzschicht Gas/Flüssigkeit,
2. die Grenzschicht Gas/Flüssigkeit,
3. das die Blase umgebende, nicht gemischte Flüssigkeitsgebiet,
4. das gut durchmischte Flüssigkeitsgebiet,
5. das den Zellverband umgebende, nicht gemischte Flüssigkeitsgebiet,
6. der Zellverband, das Mycel oder ein Feststoffpartikel,
7. von der Grenzschicht Flüssigkeit/Agglomerat zur Zelle,
8. die Zellmembran und
9. intrazellulär zu den Reaktionsplätzen.
Bei der überwiegenden Zahl technisch bedeutsamer Fermentationsprozesse wird der Übergang von der
Gasphase in die Flüssigphase als geschwindigkeitsbestimmend angesehen, da die Gasphase nur wenig
an Sauerstoff abgereichert wird und die Diffusionskoeffizienten in Gasen um Größenordnungen höher
liegen als in Flüssigkeiten.
Ausnahmen bilden Fermentationen von mycelbildenden Mikroorganismen, die u.a. zur Herstellung von
Antibiotika genutzt werden, bei denen den Übergangswiderständen sechs bis acht besondere Bedeutung
zukommt.
4.2.2.1 Vorgänge an der Phasengrenze gasförmig/flüssig ­ Zweifilmtheorie
Für die Beschreibung des Stofftransportes aus der Gas- in die Flüssigphase existieren in der Literatur ei-
ne Reihe von Modellen (Penetrationsmodell, Theorie der Oberflächenerneuerung und Zweifilmtheorie)
[Chmiel, H.; 1991]. Wegen der einfachen mathematischen Darstellung und der dennoch brauchbaren Er-
gebnisse, findet das Modell der Zweifilmtheorie breite Anwendung und soll deshalb näher beschrieben
werden.
Der Zweifilmtheorie liegt die Annahme zugrunde, dass auf jeder Seite der Grenzfläche eine Phasen-
grenzschicht (unbekannter Stärke) existiert, durch die der Stofftransport ausschließlich per Diffusion er-
folgt. Des weiteren befindet sich an der Phasengrenzfläche die überwiegende Komponente (Sauerstoff)
im Gleichgewicht mit der ihn umgebenden Phase.
Das Henry´sche Gesetz hat volle Gültigkeit:
H
O
pO
2
2
=
[1]
Für die Phasenkerne wird angenommen, dass durch vollständige Durchmischung die Konzentration kon-
stant bleibt. Der Gesamtwiderstand soll sich auf die laminaren Phasengrenzschichten zu beiden Seiten
der Phasengrenze beschränken. Der Stofftransport erfolgt per Diffusion durch die Phasengrenzschichten
und in der Phasengrenze findet weder Speicherung noch eine Reaktion statt.

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20
Abbildung 8: Schematische Darstellung des Sauerstoffüberganges an der
Phasengrenzfläche Gas/Flüssigkeit [Bailey J. and Ollis D.; 1986].
Bei dem Übergang von der Gas- in die Flüssigphase wird davon ausgegangen, dass dem Gesamtstoff-
austausch in jeder Phase ein Teilwiderstand der jeweiligen Grenzschicht entgegen gerichtet ist, der sich
indirekt proportional zum betreffenden Stoffübergangskoeffizienten verhält.
Der Gesamtstofftransport wird durch den jeweils größten Widerstand bestimmt. Ist die Löslichkeit der
auszutauschenden Komponente in der Flüssigkeit gering (H<<), beschränkt sich das
Konzentrationsgefälle primär auf die Flüssigseite (siehe Abbildung 8), die den Stoffübergang maßgeblich
beeinflusst [Kögl, B. und Moser, F.; 1986
]
:
4.2.2.2 Stoffaustausch in dispersen Gas/Flüssigsystemen
Um den Stoffübergang in gerührten und begasten Rührkesselreaktoren hinreichend gut beschreiben zu
können, ohne alle möglichen Randeffekte berücksichtigen zu müssen, bedient man sich zur Vereinfa-
chung in der Praxis folgender Annahmen [Lang, C.; 1993]:
Der flüssigkeitsseitige Stoffübergangskoeffizient k
L
kontrolliert den Stoffaustausch und ist während der
Simulation konstant.
·
Das Henry´sche Gesetz ist voll gültig.
·
Der Reaktor ist ideal durchmischt.
·
Während der Simulation wird weder Masse zu noch abgeführt (geschlossenes Kreislaufsystem).
·
Während der Simulation treten weder Speicher- noch Umwandlungseffekte auf.

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21
Damit ergibt sich für den Sauerstoffaustausch in dispersen Gas-/Flüssigsystemen über die Zeit:
(
)
2
max
2
L
2
O
O
a
k
dt
dO
-
=
[2]
Der flüssigkeitsseitige Stofftransportkoeffizient k
L
und die volumenbezogene Stoffaustauschfläche
a = A/V
F
werden in dem volumenbezogenen Stofftransportkoeffizienten
a
k
L
zusammengefasst.
Der Stofftransportkoeffizient
a
k
L
ist von den Betriebsbedingungen:
·
Rührerdrehzahl
·
Gasvolumenstrom
·
Temperatur im Medium
dem Stoffsystem:
·
Viskosität
·
Oberflächenspannung
·
Diffusionskoeffizient
·
Dichte
der Reaktorgeometrie:
·
Rührsystem
·
Bewehrung
und der Begasungsart abhängig [Wolf, K.-H. und Voit, F.; 1992].
4.2.2.3 Reinsauerstoffbegasung und Erhöhung des Gesamtdruckes im System
Die Erhöhung der Sättigungskonzentration
max
2
O
kann durch Änderung der Partialdruckverhältnisse ge-
mäß Gleichung [1] erzielt werden. Dies kann durch Benutzung von technischem Sauerstoff zur Reinsau-
erstoffbegasung
max
2
O
(Reinsauerstoff) =
max
2
O
7
,
4
(Luft) oder durch die Erhöhung des Druckes des Ge-
samtsystems erreicht werden, wobei die zweite Variante aufgrund der zu geringen Abhängigkeit der Hen-
rykonstante vom Druck (H
(100 bar)
1,13 H (1 bar), vernachlässigt werden kann.

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
22
4.2.3 Grundlagen der Wärmeübertragung
Im Gegensatz zu den häufig bei hohen Temperaturen durchgeführten chemischen Prozessen, laufen
Fermentationsprozesse überwiegend in Temperaturbereichen unterhalb von 313,15 K ab [Jackson, A.T.;
1993].
Dennoch muss der Wärmeübertragung auch bei Fermentationsprozessen Aufmerksamkeit gewidmet
werden, wobei sowohl die Wärmezufuhr, als auch die Wärmeabfuhr berücksichtigt werden muss.
Die Rolle des Wärmetransfers während oder vor der Kultivierung von Mikroorganismen ist beispielsweise
von Bedeutung: Bei der Hitzesterilisation, beim Einstellen optimaler Arbeitstemperaturen sowie bei der
Wärmeabfuhr bei zu starker Wärmeproduktion beim Rühren oder durch exotherme Umsetzungsreaktio-
nen, im Zuge des Zellwachstums.
Außer bei der Hitzesterilisation, bei der meist in kurzer Zeit große Energiemengen in das System ein-
bzw. ausgetragen werden, sind die zu transferierenden Wärmemengen während der Submerskultivierung
im Bioreaktor, vorwiegend gering.
Besonderes Augenmerk muss während des gesamten Prozesses der Fermentation auf die isotherme
Prozessführung gelegt werden: Biokatalysatoren zeigen normalerweise in einem eng definierten Tempe-
raturintervall ihre höchste Aktivität. Bei zu geringer Temperatur ist die biologische Aktivität sehr klein und
eine zu hohe Temperatur lässt die Zellen, bzw. die Enzyme denaturieren.
Der Stellenwert der Wärmeübertragung wird insbesondere dann deutlich, wenn der Einfluss der Tempe-
ratur des Mediums auf den gesamten Fermentationsprozess betrachtet wird.
Neben den Effekten auf das Wachstumsverhalten der Kultur, wirken sich Temperaturänderungen auch di-
rekt auf:
·
die Sauerstofflöslichkeit im Medium [Bailey, J.E. and Ollis, D.F.; 1986],
·
den Stoffübergang [van´t Riet, K.
et al
.; 1977], [Judat, H.; 1982],
·
die physikalischen Eigenschaften des wässrigen Mediums [VDI-Wärmeatlas; 1991],
·
die physikalischen Eigenschaften des verwendetet Wärmeträgers [The Dow Chemical Company;
2001] und
·
während der Sterilisation, bei geschlossenem System, auf den Dampfdruck des Wassers im Bio-
reaktor [Schügerl, K. und Bellgardt, K.-H.; 2000] aus.
Es lassen sich drei Mechanismen der Wärmeübertragung unterscheiden, die auf verschiedene physikali-
sche Erscheinungen zurückzuführen sind [Coulson, J.M.
et al
.; 1978]. Sie treten entweder einzelnen oder
nebeneinander auf. Bei technischen Prozessen dominiert im allgemeinen die eine oder andere Übertra-
gungsart.
Man unterscheidet zwischen:
·
Wärmeleitung
·
konvektivem Wärmetransport und
·
Wärmestrahlung

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23
4.2.3.1 Wärmeleitung
Der Mechanismus des Wärmetransportes bei der Wärmeleitung beruht auf der unmittelbaren Energie-
übertragung zwischen den schwingenden Molekülen eines Körpers durch Berührung, wobei die Moleküle
ihre Lage zueinander nicht verändern (Impulsaustausch).Die Übertragung ist vom Aggregatszustand des
Stoffes abhängig. Der Wärmetransport in Feststoffen erfolgt ausschließlich durch Wärmeleitung.
Die Wärmeleitung in flüssigen und gasförmigen Körpern ist nur dort von Bedeutung, wo sich die Stoffe
vollkommen in Ruhe befinden, z.B. an den Phasengrenzflächen fest/flüssig und fest/gasförmig.
4.2.3.2 Konvektiver Wärmetransport
Der Transport der thermischen Energie durch Konvektion erfolgt durch makroskopische Teilchenbewe-
gungen in flüssigen und gasförmigen Medien, wobei die Intensität des Wärmetransportes von der Art der
Strömung bestimmt wird.
Man unterscheidet zwischen erzwungener und freier Konvektion je nachdem, ob die Strömung durch äu-
ßere Kräfte (Pumpen oder Rühren) bewirkt wird oder sich infolge innerer Kräfte (Auftriebswirkung) ausbil-
det. Weiterhin ergeben sich erhebliche Unterschiede in Bereichen der laminaren und turbulenten Strö-
mung.
4.2.3.3 Wärmestrahlung
Der Transportmechanismus der thermischen Energie bei der Wärmestrahlung erfolgt in Form elektro-
magnetischer Wellen, die sich auch ohne Trägermedien im Raum ausbreiten.
Nicht nur feste, sondern auch gasförmige Körper und die meisten Flüssigkeiten können thermische Ener-
gie emittieren und umgekehrt diese Strahlung durch Absorption aufnehmen.
Der Strahlungsanteil wird um so bedeutender, je höher die Oberflächentemperatur des Strahlers ist.
In der Praxis kann die emittierende Wärmestrahlung während des Fermentationsprozesses im allgemei-
nen vernachlässigt werden, da die erreichbaren Temperaturgradienten gering sind [Bockhardt, H.-D.
et
al
.; 1997].
4.2.3.4 Wärmedurchgang
Für die technische Berechnung des Wärmetransportes während der Fermentation, ist der Wärmeüber-
gang von einem fluiden Medium an eine feste Wand und umgekehrt von besonderem Interesse. Bei der
Berechnung von doppelwandigen Rührbehältern, die als Wärmeüberträger fungieren und bei denen zwei
durch eine Wand getrennte Medien unterschiedlicher Temperaturen aneinander vorbeiströmen, sind
demnach zwei Wärmeübergänge und ein Wärmeleitvorgang zu erfassen.
Diese häufig in der Praxis vorkommende Art der Wärmeübertragung wird als Wärmedurchgang bezeich-
net [Christian, W.; 1968].

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24
Nach Einführung des Wärmedurchgangskoeffizienten k, der wie folgt definiert ist:
a
W,
I
i
W,
á
1
ë
ä
á
1
1
k
+
+
=
[3]
ergibt sich für den gesamten Wärmestrom über die Zeit:
(
)
a
i
T
T
A
k
dt
dQ
-
=
[4]
Abbildung 9: Schematisches Temperaturprofil zwischen zwei fließenden,
durch eine Wand getrennte Flüssigkeiten beim Wärmedurchgang.
4.2.4 Schaumentstehung und Schaumbekämpfung am Rührkesselreaktor
Bei der Begasung reiner Flüssigkeiten entstehen keine Schäume. Schaum bildet sich nur, wenn die flüs-
sige Phase grenzflächenaktive Substanzen enthält. Als oberflächenaktive Substanzen treten in der Fer-
mentationsbrühe Proteine, Aminosäuren und Peptide auf.
Der Schaum zieht für die Fermentation nur Nachteile nach sich:
Durch die Schaumentwicklung entsteht eine Flotation der Zellen und fester Substratbestandteile, die so-
mit der Reaktion entzogen werden. Des weiteren nimmt Schaum kostbaren Reaktorraum ein. Er muss
beherrscht werden, sonst stellt er ein ständiges Prozessrisiko dar (Verlegung der Abgasfilter, Durchgehen
des Schaums, Akkumulation von Lauge und Säure auf der Schaumdecke und Beeinflussung der Mess-
und Sondentechnik).
Als praktikables Gegenmittel benutzt man vorwiegend im Labormaßstab sog. Antischaummittel. Durch
die Zugabe chemischer Substanzen wie z.B. Alkohole, Öle und Äther, kann Schaum gebrochen oder die
Schaumbildung verhindert werden [Okazaki, S. und Sasaki, T.; 1966]. Diese Stoffe verdrängen die
schaumbildenden Substanzen aus der Phasengrenzfläche zwischen Gas und Flüssigkeit und vergrößern

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
25
die Grenzflächenspannung oder vermindern die Viskosität der Flüssigkeit in den Blasenzwischenräumen
[Kouloheris, A.P.;1987], [Wyczalkowski, W.; 1976]. Oft sind solche Substanzen für den Prozess (Be-
triebsstörung) und auch für die in der Regel nachgeschaltete Aufarbeitung (z.B. Membranprozesse) so-
wie für die Produktqualität nachteilig oder inakzeptabel (Lebensmittelindustrie). Deshalb wird im Produkti-
onsmaßstab oft auf mechanische Schaumzerstörungseinbauten zurückgegriffen.
4.3 Stand des Wissens zu
Saccharomyces cerevisiae
Die Hefe
Saccharomyces cerevisiae
ist ein Modellorganismus in der Biotechnologie. Hefeprozesse sind
im allgemeinen sicher und robust.
S. cerevisiae
selbst ist mit ganz wenigen Ausnahmen nicht pathogen
und bildet keine Endotoxine. Sie stellt also keine potentielle Gefahr für Mensch und Umwelt dar.
In der Biotechnologie herrscht heute ein gut entwickeltes Verständnis der Physiologie und Stoffwechsel-
regulation von Hefen, sie werden daher gezielt für bestimmte Zwecke, etwa die Stoffumwandlung oder
die Herstellung von Produkten, zunehmend auch in der Gentechnik eingesetzt.
Dazu stehen zuverlässige Kultivi erungssysteme und einfache, definierte Medien zur Verfügung. Somit
können die technischen Prozesse mit Hefen vorhersagbar und hoch reproduzierbar geführt werden. He-
fen tolerieren im allgemeinen sehr hohe Substrat- und Produktkonzentrationen, lassen sich zu sehr ho-
hen Zelldichten züchten und leicht von der Biosuspension abtrennen. Die Entsorgung von Rückständen
ist unproblematisch [Sonnleitner, B.; 1997].
4.3.1 Physiologie von
Saccharomyces cerevisiae
Die Hefe
Saccharomyces cerevisiae
gehört als Ascomycet zu den Sprossenpilzen. Sie besitzt eine euka-
ryontische Zelle mit hoch entwickelten Zellorganellen, die einer starken Strukturierung unterliegen und
von der Umwelt durch eine widerstandsfähige Zellwand abgeschirmt werden.
Im Gegensatz zu Bakterien, sind Mutter- und Tocherzelle gut zu unterscheiden. Die Vermehrung findet
primär durch Sprossung statt.

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
26
Einen Überblick über den Bau und die Feinstruktur der Hefe
S. cerevisiae
geben die Abbildungen:
Abbildung 10: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme sprossender He-
fen.
Abbildung 11: Schematisches Querschnittsbild einer Hefezelle [Schlegel, H.
G.; 1985]
4.3.2 Stoffwechsel von
Saccharomyces cerevisiae
S. cerevisiae
kann die für das Wachstum und die Vermehrung notwendige Energie auf unterschiedliche
Art und Weise gewinnen:
·
Veratmen von Zucker
·
Vergären von Zucker zu Alkohol
·
Veratmen von Alkohol

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
27
Einen umfassenden Überblick über den Energiestoffwechsel von
S. cerevisiae
ist bei [Gancedo, C.; 1989]
gegeben.
4.3.2.1 Stofftransport durch die Zellmembran
In der Regel wird Hefe mit einem zuckerhaltigen Substrat produziert. Bevor die Zucker von der Hefe me-
tabolisiert werden können, müssen sie erst durch die Zellmembran transportiert werden. Es gibt ver-
schiedene passive und aktive Transportmechanismen, die in der Literatur beschrieben sind. Allgemein
anerkannt ist für den Zuckertransport bei
S. cerevisiae
der Transport durch erleichterte Diffusion [Bramer,
U.; 1990].
Dabei wird das Substrat mittels einer selektiven Permease durch die Membran geleitet, der Transport er-
folgt in Richtung des Konzentrationsgradienten, dabei wird keine zusätzliche Energie benötigt.
Analog zum Transport der Zucker, können für den Ethanoltransport ebenfalls passive Transportsysteme
angenommen werden [Guijarro, J. M. and Lagunas, R.; 1984].
Die gasförmigen Metabolite Sauerstoff und Kohlendioxid diffundieren ebenfalls in Richtung des Konzent-
rationsgradienten durch die Zellmembran.
4.3.2.2 Oxidativer Stoffwechsel auf Glucose
Unter aeroben Bedingungen kann Glucose in der Hefezelle mit Sauerstoff zu Kohlendioxid und Wasser,
sowie neuer Biomasse verstoffwechselt werden.
Die Atmung kann neben Glucoselimitierung, auch durch extrazelluläre Gegebenheiten limitiert werden,
wenn zum Beispiel die Verfügbarkeit von Sauerstoff durch einen behinderten Gas-Flüssig-Transport ein-
geschränkt ist. In diesem Fall sinkt der Anteil des respiratorisch genutzten Zuckers und damit auch der
Ausbeutekoeffizient. Glucose wird dennoch genutzt, allerdings reduktiv.
Die Atmung ist für die Zelle energetisch günstiger als die Gärung.
4.3.2.3 Oxidativer Stoffwechsel unter Crabtreeeffekt
Experimentell ist bekannt, das Hefen vom Typ
Saccharomyces
wesentlich mehr Zucker pro Zeiteinheit
aufnehmen und abbauen können, als sie zu veratmen im Stande sind. Der Flaschenhals liegt also bei der
respiratorischen Kapazität dieser Zellen [Sonnleitner, B. und Käppeli, O.; 1986]. Im Regelfall (am natürli-
che Standort) liegt wenig Zucker vor und Sauerstoff ist vorhanden. Die Zellen nutzten dieses Substrat
mittels aerober Reaktionen effizient, d.h. mit einem hohen Ausbeutekoeffizienten.
Steigt das Zuckerangebot wird mehr Zucker aufgenommen, gleichzeitig wirkt die Atmung limitierend. Die-
se Grenze ist dem biologischen System inhärent, beim Stamm H1022 liegt das Maximum bei 0,4 g/h Glu-
cose, bei anderen Stämmen in der gleichen Größenordnung [Sonnleiter, B.; 1997]. Derjenige Anteil Zu-
cker, der nicht rein respiratorisch metabolisiert wird, kann über die Glycolyse umgesetzt werden. Dabei
entsteht zwangsläufig das reduzierte Produkt Ethanol.
Priorität hat aber in jedem Fall die respiratorische Nutzung des Substrates, weil die Effizienz auf diesem
Weg maximal ist.

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
28
Der Mechanismus der Glucose- und Sauerstoffsensitivität gehorcht den gleichen Einflüssen wie unter
4.3.2.2 dargestellt. Eine Zulaufkultur lässt sich so betreiben, dass gerade soviel Glucose zugeführt wird,
dass der respiratorische Flaschenhals gefüllt ist und somit keine Überlaufreaktion stattfindet.
4.3.2.4 Oxidativer Stoffwechsel auf Ethanol
Hefen vom Typ
Saccharomyces
können Ethanol auch als Substrat verwerten, allerdings nur dann, wenn
im respiratorischen Flaschenhals für Ethanol noch Platz ist, also bei subkritischer Glucoseaufnahme.
Dies führt im Fall einer im Satzbetrieb geführten Kultur zu diauxischem Wachstum.
Wird Ethanol als Substrat genutzt, stellt die Oxidation des Ethanols im Metabolismus der Zellen die einzi-
ge Möglichkeit der Energiegewinnung dar, so dass bei Verminderung des Sauerstoffangebotes auch die
Wachstumsrate zurückgeht und unter strikt anaeroben Bedingungen überhaupt kein Ethanolwachstum
mehr möglich ist.
Ethanol wirkt auch als Effektor auf die Hefezellen selbst. So wird unter aerobem Glucosewachstum, bei
einer Ethanolkonzentration von circa. 46 kg/m
3
[Käppeli, O.
et al
.; 1988] die maximale Wachstumsrate auf
die Hälfte reduziert.
4.3.2.5 Pasteureffekt, reduktiver Stoffwechsel auf Glucose
Die von [Pasteur, L.; 1861] schon im vorigen Jahrhundert unternommenen Untersuchungen zur Alkohol-
bildung von Hefe beeinflussten nachhaltig die weiteren Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Stoff-
wechselregulation.
Pasteur entdeckte, dass die Gärung unter Sauerstoffeinfluss gehemmt wird.
S. cerevisiae
ist u.a. auch in der Lage, Glucose unter strikt anaeroben Bedingungen zu verstoffwechseln.
Die anaerobe Verdopplungszeit auf Glucose liegt weit über der aeroben, die Energieausbeute bei reduk-
tivem Stoffwechsel fällt geringer als aerob aus.
Ein Großteil der anaerob aufgenommenen Glucose wird katabolisiert und in Form von Ethanol und Koh-
lendioxid extrazellulär ausgeschieden.

Diplomarbeit Bernd C. Bodenschatz
29
Der Stoffwechsel von
S. cerevisiae
kann zusammenfassend einfach strukturiert betrachtet werden:
Abbildung 12: Mechanistisches Stoffwechselkonzept für Hefen vom Typ
Sac-
charomyces
für den Umsatz der Kohlenstoffquelle in Biomasse [Sonnleitner, B.;
1989].

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832455293
ISBN (Paperback)
9783838655291
DOI
10.3239/9783832455293
Dateigröße
2.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ernst-Abbe-Hochschule Jena, ehem. Fachhochschule Jena – Medizintechnik
Erscheinungsdatum
2002 (Juni)
Note
1,1
Schlagworte
virtueller bioreaktor fermentation ausbildungssimulator biotechnologie saccharomyces cerevisiae
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Titel: Entwicklung eines Echtzeit-Ausbildungs-Simulators für Fermentationen in Rührkesselreaktoren
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