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Systemtheorie am Beispiel der Organisation

©2002 Diplomarbeit 153 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Organisationen werden in der Systemtheorie als Systeme verstanden, die sich von ihrer Umwelt differenzieren und die durch diese Differenz beobachtbar werden. Wie sie das tun und warum, wie sie funktionieren und kommunizieren, welche Funktionen und Aufgaben dabei verschiedene Subsysteme in der Organisation, wie zum Beispiel die Hierarchieebenen, die Arbeitsbereiche oder aber auch das Management erfüllen, soll in dieser Arbeit differenziert geklärt werden. Dazu werden die Grundlagen des Konstruktivismus als Basis der Systemtheorie ebenso dargestellt wie die Grundannahmen der Systemtheorie selbst und die Theorie sozialer Systeme nach Luhmann. Dies ist notwendig um Organisationen
als das verstehen zu können, was sie aus systemtheoretischer Perspektive sind: Systeme die sich durch die kontinuierliche Reproduktion von Entscheidungen und somit Kommunikation reproduzieren und aufrecht erhalten. Dies ist der Grund weswegen insbesondere den Kommunikations- und Entscheidungsprozessen ein großer Stellenwert innerhalb der vorliegenden Arbeit eingeräumt wird.
Um die praktische Nutzung und Umsetzung der dargestellten theoretischen Kenntnisse deutlich zu machen wurden für diese Arbeit Daten aus qualitativen Interviews von MitarbeiterInnen einer Dienstleistungsorganisation erhoben und systemtheoretisch analysiert, um sie für die entsprechende Organisation nutzbar machen zu können. Auch hier wird der Fokus auf die Kommunikations- und Entscheidungsstruktur der entsprechenden Organisation gerichtet.
Abschließend soll die These aufgestellt und begründet werden, dass insbesondere SozialpädagogInnen und SozialarbeiterInnen befähigt sind in und für Organisationen, sei es im Bereich der Organisationsentwicklung und -beratung oder der Personalentwicklung und -beratung, tätig zu sein und welche Aufgaben sie dabei ausfüllen können.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
VorwortI
Einleitung1
1.Grundlagen5
1.1Positivistische und konstruktivistische Theorie6
1.2Drei theoretische Richtungen innerhalb des Konstruktivismus8
1.2.1Sozial-konstruktivistische Theorie9
1.2.2Kognitiv-konstruktivistische Theorie11
1.2.3Systemtheorie oder radikal-konstruktivistische Theorie13
1.3Grundlagen der Systemtheorie15
1.3.1Das Autopoiese - Konzept in der Systemtheorie16
1.3.2Grundbegriffe der Systemtheorie21
2.Luhmanns Theorie sozialer Systeme32
2.1Soziale Systeme32
2.2Funktion sozialer Systeme41
2.3Das Autopoiese-Konzept in der Theorie sozialer […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 5525
Heckmann, Sonja: Systemtheorie am Beispiel der Organisation / Sonja Heckmann - Hamburg:
Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Köln, Fachhochschule, Diplomarbeit, 2002
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http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

Vorwort
Die systemische Beratung von Einzelnen und Familien, und später die
systemtheoretische Betrachtungsweise von Organisationen stellten den besonderen
Schwerpunkt während meines Studium der Sozialen Arbeit dar. Um diese Kenntnisse
noch zu vertiefen, noch besser zu verstehen, wie Organisationen aus
systemtheoretischer Perspektive funktionieren und wie sie aufgebaut sind, entschloss
ich mich dazu, ,,Systemtheorie am Beispiel der Organisation" als Thema meiner
Diplomarbeit zu wählen. Dabei hatte ich jedoch Befürchtungen, die Darstellung das
Themas könnte für künftige Leser zu ,,trocken", zu theoretisch sein. Um dem
entgegenzuwirken, entschloss ich mich, eine systemtheoretisch orientierte Analyse einer
Wirtschaftsorganisation als Praxisbeispiel, als Anschauungsmaterial für das
Geschriebene im Rahmen dieser Arbeit durchzuführen und den theoretischen
Ausführungen anzuhängen.
Eine Wirtschaftsorganisation wählte ich dabei aus, weil es mich, nach langjähriger
Tätigkeit im so genannten Sozialen Bereich, als Erzieherin und im Rahmen meines
Studiums reizte, die erworbenen Kenntnisse in solch einer Organisation zu überprüfen
und anzuwenden. Die Suche nach einem geeigneten Unternehmen gestaltete sich
hierbei dank persönlicher Beziehungen als wenig problematisch. Ich konnte hierdurch
Kontakt zur Personalabteilung eines Wirtschaftsunternehmens bekommen.
Mein Dank gilt an dieser Stelle dem Leiter und den Mitarbeitern der Personalabteilung
der Organisation X, wie sie im Folgenden genannt wird, die sich während der gesamten
Zeit meiner Datenerhebung (Interviews) für Fragen zur Verfügung stellten und selbst
meine ersten Interviewpartner waren. Bedanken möchte ich mich auch bei allen
Interviewpartner und ­partnerinnen, die sich, trotz hohen Arbeitsaufkommens, alle die
Zeit nahmen, an einem solchen Gespräch teilzunehmen, mir offen antworteten und
weitere Gesprächspartner vermittelten. Es war für mich sehr spannend und
aufschlussreich, ihnen zuzuhören, ihre Sicht der Dinge erklärt zu bekommen, die ebenso
different wie spannend waren. Es hat mir viel Freude bereitet, diese Interviews
durchzuführen.

Nicht zuletzt möchte ich mich bei all denen bedanken, die zum weiteren Gelingen
dieser Arbeit beigetragen haben. Hier sei an erster Stelle Frau Keil genannt, die mir die
theoretischen Kenntnisse aber auch Möglichkeiten der praktischen Umsetzung in ihren
Seminaren auf sehr anschauliche und spannende Art und Weise vermittelt hat und der
ich meine kontinuierliche Begeisterung für Systemtheorie und systemische Arbeits- und
Betrachtungsweisen zu verdanken habe. Bedanken möchte ich mich bei ihr auch für die
hervorragende Betreuung während meiner Diplomarbeitszeit. Des weiteren gilt mein
Dank Andreas, Christof, Hubert, Ingrid, Birgit und Michael.

Inhaltsverzeichnis
Seite
Vorwort
Einleitung
1
1
Grundlagen
5
1.1
Positivistische und konstruktivistische Theorie
6
1.2
Drei theoretische Richtungen innerhalb des Konstruktivismus
8
1.2.1 Sozial-konstruktivistische
Theorie
9
1.2.2 Kognitiv-konstruktivistische
Theorie
11
1.2.3
Systemtheorie oder radikal-konstruktivistische Theorie
13
1.3
Grundlagen der Systemtheorie
15
1.3.1
Das Autopoiese ­ Konzept in der Systemtheorie
17
1.3.2
Grundbegriffe der Systemtheorie
21
2
Luhmanns Theorie sozialer Systeme
32
2.1 Soziale
Systeme
32
2.2
Funktion sozialer Systeme
41
2.3
Das Autopoiese-Konzept in der Theorie sozialer Systeme
46
2.4 Kommunikation
50
2.4.1
Kommunikation als autopoietisches Element sozialer Systeme
50
2.4.2
Die Elemente der Kommunikation: Information, Mitteilung,
Verstehen
52
2.4.3
Exkurs: Die Kommunikationstheorie nach Watzlawick
61

3
Organisationen
67
3.1
Das soziale System: Organisation
67
3.2
Die formale Struktur von Organisationen
80
3.2.1 Hierarchie
84
3.2.2 Arbeitsbereiche
88
3.2.3 Kopplung
91
3.2.4
Die Aufgaben des Managements aus systemtheoretischer
Perspektive
95
4
Systemtheoretisch orientierte Befragung von Mitgliedern einer
Dienstleistungsorganisation
103
4.1
Forschungsstrategie, Untersuchungsdesign und Datenerhebungs-
methode
105
4.2 Stichprobe
108
4.3 Durchführung
109
4.4 Auswertungsmethoden
111
4.5
Interpretation der erhobenen Daten
113
4.6 Ausblick
125
5
Diskussion
129
6
Zusammenfassung
132
7
Literaturverzeichnis
134
8
Abbildungsverzeichnis
144
Erklärung
i

1
Einleitung
,,Die systemische Arbeitsweise ist seit den 80er Jahren zum Leitparadigma in der
Sozialen Arbeit geworden. Grundsätzlich wird von Wechselwirkungen zwischen
Person und Umwelt ausgegangen und die Aussage: ,Alles hängt mit allem
zusammen!' fungiert sozusagen als systemischer Kardinalsatz! ,Alles ist dynamisch
und prozesshaft!'... Klausuren und mündliche Prüfungen von mit StudentInnen
Sozialer Arbeit sind geradezu gespickt mit solchen Allerweltaussagen."
1
Die vorliegende Arbeit sei dazu gedacht, der Unverbindlichkeit solcher Allerwelt-
aussagen entgegenzuwirken, unter denen man sich Alles und Nichts vorstellen kann.
Sie beschäftigt sich, wie aus dem Titel schon hervorgeht, mit der Systemtheorie im
Allgemeinen, ihren Konzepten und Begrifflichkeiten und versucht, bei aller notwendigen
Theorie einen praktischen, pragmatischen Bezug zur Praxis herzustellen. Es wurde
befürchtet, dass sich angesichts der sehr abstrakten und teilweise komplizierten
Ausdrucksweise Luhmanns der Transfer von Theorie zur Praxis sich als sehr
schwierig darstellen würde; dies war allerdings nicht der Fall. Natürlich ist eine
deckungsgleiche Übertragung von Theorie auf die Praxis nie möglich doch, entgegen
meiner ersten Annahme, stellte sich gerade die Luhmannsche Theorie als besonders
pragmatisch heraus.
Organisationen wurden deshalb als Beispiel gewählt, weil wir alle, ob in sozialen oder
anderen Berufen von der Arbeit für und in Organisationen einen großen Teil unseres
Lebens betroffen sind und uns somit zwangsläufig mit diesen auseinandersetzen müssen.
Die Systemtheorie stellt hier ein Konzept dar, das es ermöglicht, Organisationen als
Systeme zu begreifen, die ihre je spezifischen Regeln und Strukturen selbst organisieren
indem sie kommunizieren und Entscheidungen treffen. Welche Konsequenzen dies für
die Betrachtungsweise von und den Umgang mit und in Organisationen zur Folge hat,
soll in dieser Diplomarbeit fundiert geklärt werden. Des weiteren soll in der
abschließenden Diskussion darauf Bezug genommen werden, wo sich im Bereich von
Organisationen Arbeitsfelder für Sozialpädagogen und Sozialarbeiter auftun, warum diese
für diese Art von Arbeit besonders geeignet erscheinen, und warum es auch denkbar ist,
sich Menschen mit sozialen Berufen in der Arbeit mit und für Wirtschaftsunternehmen
vorzustellen. Auf diese Weise möchte ich auf einen oft gehörten Satz zu Beginn meiner
1
Miller 1999, S. 1.

2
Diplomarbeitszeit: ,,Wenn Sie sich auf ein Wirtschaftsunternehmen beziehen wollen,
würde ich Ihnen mal raten zu schauen, wo ihre Wurzeln sind, warum Sie überhaupt
Sozialpädagogik studiert haben." antworten.
Die Bearbeitung des Themas vollzieht sich anhand folgender Schritte, die gleichzeitig den
Aufbau der Arbeit darstellen:
Das erste Kapitel der Arbeit befasst sich mit den grundlegenden Annahmen des
Konstruktivismus als Fundament der aus ihm entstandenen drei theoretischen
Richtungen. Dies sind neben der so genannten kognitiv-konstruktivistischen und sozial-
konstruktivistischen Theorie, die Systemtheorie, die auch radikal-konstruktivistische
Theorie genannt wird und auf die sich die Arbeit von diesem Zeitpunkt an beschränkt. So
werden denn nachfolgend die grundlegenden Begriffe und das grundlegende Konzept,
das Autopoiese-Konzept der Systemtheorie eingehend erläutert und dargestellt. Der Leser
ist nach dem Lesen dieses ersten Kapitels also in der Lage, die Systemtheorie in ihr
basales Fundament einzuordnen und kennt die wichtigsten Begriffe und Annahmen der
Theorie, ohne die ein Verstehen der Theorie sozialer Systeme nach Luhmann im zweiten
Kapitel nicht möglich wäre.
Im zweiten Kapitel wird, wie schon erwähnt, die Theorie sozialer Systeme nach
Luhmann dargestellt, die die grundlegenden Annahmen der Systemtheorie auch
bezüglich so genannter organisierter sozialer Systeme darstellt, zu denen Organisationen
zählen. Erklärt werden hier unter anderem die Funktion sozialer Systeme, ihre
autopoietische Beschaffenheit und ihr autopoietisches Element, die Kommunikation.
Autopoietisches Element meint dabei, dass soziale Systeme aus nichts als aus
Kommunikation bestehen. Nun wird jedoch aus systemtheoretischer Perspektive unter
Kommunikation nicht eine Übertragung einer Nachricht von einem Sender an einen
Empfänger verstanden, sondern eine Synthese von Information, Mitteilung und
Verstehen. Um dies zu verstehen, werden die Annahmen und Überlegungen hierzu in
Kapitel 2.4 separat dargestellt. Der Leser ist somit nach dem Lesen des zweiten Kapitels
in der Lage, Organisationen als eine Form sozialer Systeme zu betrachten, weiß um deren
Beschaffenheit als kommunikative Systeme und deren Funktion.

3
Was nun aber eine Organisation so speziell macht, wird in Kapitel 3 der vorliegenden
Arbeit analysiert. Nachdem zunächst allgemeine systemtheoretische Annahmen zu
Organisationen dargestellt werden, wird im Kapitel 3.2 näher auf die formale Struktur
von Organisationen und deren Funktion eingegangen. Hier wird insbesondere die
Funktion der Hierarchie und der Arbeitsteilung und die Verbindung zwischen ihren
Elementen aus systemtheoretischer Perspektive sowie die sich aus dieser Struktur
ergebenden Aufgaben des Managements eingegangen.
Bringt man die Ausführungen zur formalen Struktur von Organisationen und Verbindung
zwischen ihren verschiedenen Subsystemen in einen Zusammenhang mit der
Beschaffenheit von Organisationen als Kommunikation, so lässt sich daraus ableiten, dass
man nur versuchen kann, eine Organisation zu analysieren, wenn man versucht mit deren
Mitgliedern darüber zu kommunizieren, wie sie die Organisation sehen. Aus den so
gewonnenen Daten kann versucht werden, ein mögliches Bild über die Beschaffenheit
der Organisation, ihre Struktur, ihre Kommunikation, ihre Beziehungen zu entwickeln.
Eine solche Analyse wird in Kapitel 4 am Beispiel einer Dienstleistungsorganisation aus
dem Wirtschaftsbereich erstellt, die vorher in Form qualitativer Interviews evaluiert
wurde. Die Ergebnisse werden in Form von Hypothesen am Ende dieses Kapitels
vorgestellt.
Da die analysierte Dienstleistungsorganisation dem so genannten Funktionssystem
Wirtschaft zuzuordnen ist, wird im fünften Kapitel der Arbeit erläutert, was
SozialpädagogInnen und SozialarbeiterInnen aus systemtheoretischer Perspektive dazu
prädestiniert auch in und für solche Organisationen zu arbeiten und welche Rolle sie
dabei ausfüllen können.
Das sechste Kapitel fasst die Ausführungen der gesamten Arbeit zusammen.
Im Anhang befinden sich alle zur Durchführung und Auswertung der Interviews
relevanten Materialien sowie die Abschriften der durchgeführten Interviews.
Das umfassende Thema der vorliegenden Arbeit hat es notwendig gemacht, einige
Themen bewusst kürzer abzuhandeln und Themenzweige die sich an der ein oder anderen

4
Stelle ergeben hätten, gänzlich außer acht zu lassen. An diesen Stellen wurde jedoch auf
diese Themen beziehungsweise deren verkürzte Darstellung hingewiesen und Angaben
zu weiterführender Literatur gemacht. Aus diesen Eingrenzungen lässt sich der
persönliche Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit erkennen.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass aus Gründen der besseren Lesbarkeit
und der Gewohnheit bei der Nennung und Darstellung von Personen die männliche Form
gewählt wurde. Ist nicht explizit darauf hingewiesen, dass sich die Ausführungen nur auf
Männer beziehen, so sind Frauen in diesen Erklärungen natürlich mit eingeschlossen. So
ist zum Beispiel in Kapitel 3.2.4, das von den Aufgaben des Managements handelt, mit
dem Manager natürlich auch die Managerin gemeint.

5
1 Grundlagen
Im ersten Kapitel der vorliegenden Arbeit wird das große theoretische Fundament der
Systemtheorie dargestellt sowie ihre grundlegenden Annahmen und Definitionen erklärt.
Mit Hilfe der Systemtheorie werden im Laufe der Arbeit Organisationsstrukturen
analysiert.
Zunächst werden die wesentlichen Hypothesen des Konstruktivismus erörtert und denen
des Positivismus gegenübergestellt. Der Konstruktivismus stellt dabei den
wissenschaftlichen Rahmen dar, innerhalb dessen sich die Systemtheorie als eine von drei
theoretischen Richtungen einordnen lässt. Somit sind die Grundannahmen des
Konstruktivismus auch die der Systemtheorie. Die Abgrenzung zum Positivismus erfolgt
deshalb, weil positivistische Grundannahmen, wie zum Beispiel der Glaube an Kausalität,
an eine lineare Beziehung zwischen Ursache und Wirkung oder an eine außerhalb von
uns liegende Objektivität, im Alltag wie in den Wissenschaften oft als Normalität
vorausgesetzt werden. Ein Grund dafür liegt nach Senge darin, dass
,,einfache Aussagen über Kausalitäten und Verantwortung ... uns vertraut und
angenehm [erscheinen, d. Verf.]."2
So sind die meisten Theorieentwürfe über Organisationen, um die es in der vorliegenden
Arbeit geht, dem sogenannten Positivismus zuzuordnen und nur wenige dem
Konstruktivismus.
3
Innerhalb des Konstruktivismus lassen sich drei theoretische Richtungen voneinander
abgrenzen. Die sozial-konstruktivistische, die kognitiv-konstruktivistische und die
radikal-konstruktivistische Theorie, die auch Systemtheorie genannt wird. Diese Theorien
werden in Kapitel 1.2 definiert. Die Darstellung der sozial-konstruktivistischen wie auch
die der kognitiv-konstruktivistischen Theorie erfolgt wegen ihrer hohen Relevanz für das
Verständnis von Systemen, der Analyse dieser Systeme und der aus den Theorien
entstandenen Methoden. Die Grundlagen und Grundbegriffe der Systemtheorie werden in
Kapitel 1.3 geklärt.
2
Senge 1997, S. 101.
3
Beispiele bieten hier der Taylorismus, evolutionstheoretische Ansätze oder Max Webers Analyse
der Bürokratie, um nur einige zu nennen. Im Rahmen dieser Arbeit muss auf eine ausführliche

6
Mit Organisationen werden innerhalb der Systemtheorie so genannte soziale Systeme
verstanden, die sich aus ihren eigenen Elementen immer wieder selbst reproduzieren.
4
Sie
tun dies über eine besondere Art der Kommunikation, über Entscheidungen. Demnach
sind Organisationen Systeme, die Entscheidungen immer wieder an Entscheidungen
anschließen müssen, um fortdauernd zu bestehen. In Kapitel 2.5 werden die Grundlagen
zum Verständnis von Organisationen dargestellt. Hierfür liefern die folgenden Kapitel 1.1
bis 2.4 wichtige Grundlagen. Es wird an dieser Stelle also kein Anspruch auf
Vollständigkeit in der Darstellung von Organisationen erhoben. Die kurze Definition von
Organisationen erfolgt hier nur deshalb, weil sie im Folgenden oft als Beispiel für das
Geschriebene herangezogen werden. Eine genaue Beschreibung von Organisationen
erfolgt in Kapitel 2.5 und Kapitel 3.
1. 1
Positivistische und konstruktivistische Theorie
Im Folgenden werden die Grundannahmen des Konstruktivismus, als Fundament der
Systemtheorie, denen des Positivismus gegenübergestellt.
Grundannahmen positivistischer Theorien besagen, dass
-
die Wirklichkeit objektiv gegeben und unabhängig von menschlicher Erkenntnis
vorhanden ist.
-
objektive Erkenntnis durch systematische Beobachtung zu erlangen ist. Diese
objektive Erkenntnis stellt die Grundlage für Theorien und Gesetzmäßigkeiten dar.
-
Regeln wissenschaftlicher Methoden entwickelt werden können, die einen
kontrollierten und rationalen Lernprozess, der den Wissensstand hebt, ermöglichen.
-
wissenschaftlicher Fortschritt die Voraussetzung für gesellschaftlichen Fortschritt
darstellt, und dass dies zur Akkumulation wahrer Erkenntnis führt und rationale
Lösungen ermöglicht.
5
Darstellung dieser Theorien verzichtet werden. Zur näheren Auseinandersetzung sei auf das Buch
von Kieser, A. (Hg.): Organisationstheorien. 2001 im Literaturverzeichnis verwiesen.
4
Vgl. Kapitel 1.3.1, S. 16.
5
Vgl. Kieser 2001, S. 297.

7
In Bezug auf Organisationen bedeuten diese Annahmen, dass zum Beispiel Strukturen
und Merkmale von Organisationen in objektiver Weise zu erfassen sind und es bei
Problemen innerhalb der Systeme ein Ursache-Wirkungs-Verhältnis auszumachen und zu
,,behandeln" gilt. Weiter geht man davon aus, dass dieses Verhältnis objektiv gegeben ist,
die Realität darstellt. Jemand der diese Aussagen trifft, sagt damit aus, dass
,,seine Aussagen sogar dann gültig wären, wenn er sie nicht träfe, weil sie
unabhängig von allem Gesagten in sich selbst sachhaltig und bestandskräftig seien."
6
An solche objektive Gegebenheiten, an Kausalitätsbeziehungen glauben die Vertreter des
Konstruktivismus jedoch nicht. So sollte, nach Foerster
7
das, was Konstruktivismus
genannt wird,
,,eine skeptische Haltung bleiben, die die Selbstverständlichkeit des Realismus in
Zweifel zieht."
8
Die Vertreter des Konstruktivismus gehen von folgenden Grundannahmen aus:
-
die Wirklichkeit ist sozial konstruiert und bewusstseinsabhängig.
-
Erkenntnis kann nur unter Berücksichtigung der Perspektiven der Akteure und der
von den Akteuren geteilten Kultur und gemeinsamen Sinnzusammenhänge erlangt
werden.
-
Menschen handeln auf der Grundlage ihres freien Willens, das heißt sie folgen
eigenen Zielen und Motiven. Sie können zwar beeinflusst, aber nie strikt determiniert
werden.
9
Die Ablehnung der Kausalität widerspricht nicht der Möglichkeit, weiterhin von
Kausalität zu sprechen. Sie ist innerhalb des Konstruktivismus jedoch nur als eines von
vielen Erklärungsmodellen, als Konstruktion, zu verstehen. Kausalität
,,erklärt folglich nur noch eins, nämlich (...) die Selbsteinschränkung des
Beobachters, der aus ... [einer, d.Verf.] Vielzahl möglicher Ursachen und Wirkungen
diese oder jene Erklärung eines Phänomens [auswählt, d.Verf.] (...)."
10
6
Maturana 2001, S. 26.
7
Geb. 1911 in Wien. Physiker und bedeutender Kybernetiker und Systemtheoretiker.
8
Vgl. Foerster & Pörksen 2001zit.nach: http://beat.doebe.li/bibliothek/pd00005.html vom
20.12.2001.
9
Vgl. Kieser 2001, S. 296.
10
Baecker 2000c, S. 216 ­ 217. Watzlawick vertritt hierbei die These, dass jeder der sich als
Konstrukteur seiner eigenen Wirklichkeit begreift, sich durch drei Eigenschaften auszeichnen
wird: Verantwortungsfähigkeit für seine Sicht der Welt, Freiheit in Wirklichkeitskonstruktionen

8
So ist auch zu verstehen, dass konstruktivistische Theorien bezüglich Organisationen
11
davon ausgehen, dass diese sich nicht objektiv erfassen lassen, sondern sich vielmehr als
Konstruktionen ,,in den Köpfen der Mitglieder abspielen"
12
. Organisationen
funktionieren folglich nur deshalb, weil ihre Mitglieder bestimmte Vorstellungen davon
haben, wie sie funktionieren sollen und über diese Vorstellungen miteinander
kommunizieren. Die gemeinsamen Auffassungen müssen vereinbart und eingeübt
werden. Um diese Vorstellungen der Mitglieder herauszufinden, bieten schriftliche
Unterlagen wie Organigramme oder Organisationskulturen Anhaltspunkte. Daran lässt
sich erkennen, wie die Mitglieder sich organisieren, welche Organisationsform und
welche Art von Führung sie präferieren und vieles mehr. Will man aber Organisationen
besser und umfassender verstehen, so reichen schriftliche Unterlagen alleine nicht aus.
Dann ist es nötig über Kommunikation herauszufinden, was ,,in den Köpfen der
Mitglieder" vor sich geht und wie diese ihre Organisation sehen und wo sie ihre Funktion
durch ihre Konstruktionen gegebenenfalls selbst blockieren. So geht es bei der Beratung
von Organisationen vorzugsweise darum wirkungsvolle Vorgehensweisen für bestimmte
Zwecke zu entwickeln und somit wirkungsvolle Konstruktionen.
13
Innerhalb der drei theoretischen Richtungen des Konstruktivismus besteht über diese
Grundannahmen Konsens. Unterscheiden lassen sie sich durch ihre unterschiedlichen
Ansatzpunkte zur Analyse von Systemen und der daraus resultierenden Methoden. Für
eine beraterische Tätigkeit sind sie wegen der so entstehenden Methodenvielfalt jedoch
alle interessant und finden alle ihren Anwendungsbereich. Aus diesem Grunde werden sie
im Folgenden kurz dargestellt, bevor sich die Ausführungen in Kapitel 1.3 auf die
Systemtheorie konzentrieren.
1. 2
Drei theoretische Richtungen innerhalb des Konstruktivismus
Nachdem die Grundannahmen des Konstruktivismus dargestellt und begründet und von
denen des Positivismus abgegrenzt wurden, sollen in diesem Kapitel die drei
theoretischen Richtungen innerhalb des Konstruktivismus dargestellt werden. Wie bereits
und Konzilianz und Toleranz bezüglich der Wirklichkeitskonstruktionen anderer. (Vgl. Pörksen
1995, S. 615.)
11
Der Begriff der Organisation wird in Kapitels 3, S. 67 näher erläutert.
12
Kieser 2001, S. 296.
13
Vgl. ebd., S. 296; vgl. Pörksen 1995.

9
gesagt, unterscheiden sich diese Lehrmeinungen im Wesentlichen durch den Ansatzpunkt
ihrer Analysen und den daraus resultierenden Methoden. In ihren grundlegenden
Annahmen und der Ablehnung positivistischer Grundannahmen stimmen sie jedoch
überein.
1. 2. 1 Sozial-konstruktivistische Theorie
Vertreter der sozial-konstruktivistischen Theorie zeichnen sich durch ein grundsätzliches
Misstrauen gegenüber Fakten im Sinne angeblich objektiver Gegebenheiten, wie zum
Beispiel Organisationsstrukturen, aus. Sie betrachten Fakten lediglich als linguistische
Konstruktionen, die historisch gewachsen sind. In diesem Sinne betrachten sie auch jede
Methode als sprachliches Konstrukt, das bestimmte Bedeutungen transportiert und vom
Kontext ihrer Anwendung abhängig ist. Methoden sind somit ebenso wenig wie Fakten
neutral oder objektiv gegeben. Das heißt, wendet man bei einem Problem eine bestimmte
Methode an, so sagt man auch etwas darüber aus, was man denkt, wie dieses Problem
zustande gekommen ist.
Die Bedeutung der sozial-konstruktivistischen Theorie kann darin gesehen werden, die
Relativität und Bedingtheit von Organisationsstrukturen und von Methoden sichtbar zu
machen, sie zu ,,dekonstruieren"
14
und sie als sozial konstruiert zu entlarven. Mit Hilfe
dieser Theorie können zum Beispiel Konstruktionen von Organisationsmitgliedern in
einen neuen Kontext gestellt und anders interpretiert werden. Somit können unter
Umständen Alternativen zu herrschenden Interpretationen aufgezeigt werden.
Entsprechend der sozial-konstruktivistischen Theorie dienen Dekonstruktionen dazu,
,,Dinge durcheinander zu bringen, indem ... [sie, d. Verf.] an Stellen Verzweigungen
schafft, an denen man nicht mit ihnen rechnete, ... [die, d.Verf.] man jedoch immer
dann, wenn man einer Verzweigung folgt, wieder aus den Augen verliert ­ bis ...
[sie, d.Verf.] eine neue überraschende Verzweigung ... [nimmt, d.Verf.]."
15
Die Thesen der sozial-konstruktivistischen Theorie lauten wie folgt:
14
Ihre radikalste Ausformung fand diese Theorie in der philosophischen Richtung des
Dekonstruktivismus nach Derrida. (Vgl. Schlippe & Schweitzer 1998, S. 84 ­ 86).
15
Baecker 2000c, S. 213.

10
-
Es gibt keine Fakten, nur Interpretationen, die Autorität erlangt haben. Folglich
können Informationen je nach Kontext anders interpretiert werden und somit neue
Fakten, neue Wirklichkeiten schaffen.
-
Konsens bedeutet Unterdrückung. Das heißt erscheint eine Interpretation nicht
überlegener als eine andere, wird eine Entscheidung darüber getroffen, welche
Interpretation aufgegeben wird. Die anderen werden somit unterdrückt.
-
Der Prozess des Interpretierens ist von größerer Bedeutung als die Interpretation
selbst, weil er Denkstrukturen offen legt und mit anderen Denkstrukturen
konfrontiert. Eine Interpretation ist lediglich das Ergebnis dieses Prozesses und sagt
nichts über ihr zustande kommen aus.
-
Autor und Leser sind gleichermaßen für einen Text verantwortlich. Die
Interpretationen desselben Textes sind demnach nicht völlig gleich, aber
gleichberechtigt.
16
Maturana
17
behauptet dementsprechend:
,,Nicht dieser Text legt fest, was sie lesen, sondern ihre Struktur, ihre jeweilige
Befindlichkeit. Dabei obliegt es jedoch allein mir, keinen Unsinn zu verzapfen, denn
ich bin selbst verantwortlich für das, was ich schreibe- bloß bin ich nicht
verantwortlich für das, was Sie lesen."
18
Die Aufgabe der Wissenschaft liegt gemäß der sozial-konstruktivistischen Theorie darin,
Dissense zu herrschenden Interpretationen aufzuzeigen, Bekanntes zu verfremden und
Antworten in Frage zu stellen. Alles, was alltäglich und ,,natürlich" erscheint, soll in neue
Kontexte eingebettet werden, um anschließend die Informationen mit neuen
Interpretationen belegen zu können. Es könnte zum Beispiel interessant sein, den als
natürlich angesehenen, hohen Stellenwert von Organigrammen in vielen Organisationen
als Ort der Kennzeichnung von Leitungsfunktionen zu hinterfragen. Was wäre, wenn es
dieses Mittel nicht mehr gäbe? Wie würden sich Leitungsfunktionen von Personen dann
zeigen? Was wäre mit diesen Funktionen und Positionen, wenn die Hierarchien flacher
wären? Diese und viele andere Fragen ließen sich durch die Methode der Dekonstruktion
stellen und mit Organisationsmitgliedern bearbeiten.
16
Vgl. Kieser 2001, S. 297 - 298.
17
Geb. 1928 in Chile. Bedeutender Biologe, Kybernetiker und Systemtheoretiker. Entwickelte mit
Varela zusammen das so genannte Autopoiese-Konzept.
18
Maturana 2001, S. 19.

11
Durch die Methoden der sozial-konstruktivistischen Theorie erhofft man sich ein
größeres Maß des Potentials zum Beispiel von Organisationen auszuschöpfen und
kreativere Lösungen für Probleme, sowie neue Wege organisatorischen Wandels zu
entdecken.
19
1. 2. 2 Kognitiv-konstruktivistische Theorie
Die zentrale These der Theorie besagt, dass das Verhalten von Individuen durch
subjektive Annahmen - auch subjektive Theorien genannt - gesteuert wird. Diese
subjektiven Annahmen enthalten konstruierte Meinungen über Kausalitäten.
,,Kausalität wird jetzt zum Spezialfall einer Erklärung aus dem Prinzip der
Einschränkung und erklärt nur noch eins, nämlich (...) die Selbsteinschränkung, (...)
aus der Vielzahl möglicher Ursachen und Wirkungen diese oder jene zur Erklärung
eines Phänomens (...) [auszuwählen, d.Verf.]."
20
Welche Kausalitätsbeziehungen man nun zur Erklärung eines Phänomens heranzieht, ist
demnach abhängig von den eigenen subjektiven Theorien, von diesen gesteuert.
Die der kognitiv-konstruktivistischen Theorie zugrunde liegende Methode besteht im
Erstellen sogenannter ,,cause-maps"
21
, auch ,,Landkarten" genannt. Auf diesen
Landkarten werden kausale Beziehungen, die sich das Individuum denkt, modellhaft
dargestellt. Die dafür benötigten Daten werden durch Interviews, beispielsweise mit den
Mitgliedern einer Organisation gewonnen.
22
Beim Erstellen der ,,cause maps" geht es
nicht primär um die einzelnen Bestandteile der ermittelten subjektiven Annahmen, um
einzelne Daten und Informationen wie zum Beispiel die Anzahl der Kommentare, die
während eines Meetings abgegeben werden. Vielmehr interessieren die Beziehungen, die
zwischen Bestandteilen bestehen, um Zusammenhänge zu erstellen. Folgendes Beispiel
soll die Bedeutung und Vorgehensweise von ,,cause-maps" verdeutlichen. Eine
Führungskraft muss einmal pro Woche an einem Führungskräftemeeting teilnehmen.
Offizieller Zweck dieses Meetings ist es, Informationen auf der Führungsebene
auszutauschen. Tatsächlich werden dort jedoch spontan die wichtigen Entscheidungen für
die Organisation getroffen. Dies empfindet die entsprechende Führungskraft, wie auch ein
19
Vgl. Kieser 2001, S. 298.
20
Baecker 2000c, S. 216 ­ 217.
21
Zur Vertiefung vgl. Weick 1995, S. 106 ­ 117.
22
Vgl. Kieser 2001, S. 298.

12
paar andere Kollegen, die an diesen Meetings teilnehmen, als wenig sinnvoll und ärgern
sich darüber. Über die Situation in der Gruppe könnte nun folgende ,,cause-map" erstellt
werden:
ppe
-
+
-
Ausmaß der
Konzentration in
der Gru
Vielfalt der
Kommentare und
Informationen
Negative
Einstellung
zum
Meeting
Abb. 1: cause-map
23
+ = der Effekt, zum Beispiel das Ausmaß der Konzentration, wird erhöht.
- = der Effekt wird abgemildert.
24
Die negative Einstellung zum Meeting führt dazu, dass weniger Kommentare und
Informationen abgegeben werden, was wiederum das Ausmaß der Konzentration in der
Gruppe senkt. Dies führt dazu, dass sich die negative Einstellung zum Meeting verhärtet
und bestärkt.
Aus den so gewonnenen Daten werden Hypothesen erstellt und getestet, die zur
Veränderung subjektiver Theorien führen sollen.
25
Eine Möglichkeit, subjektive Theorien in Organisationen zu verändern, besteht im
Verwenden von Metaphern und Erzählungen über das Verhalten einzelner Personen. Es
wird davon ausgegangen, dass Metaphern und Erzählungen besser dazu geeignet sind,
subjektive Theorien und damit das Verhalten der Organisationsmitglieder zu verändern,
als die Vorgabe von Regeln, denn der Einsatz von Metaphern und Erzählungen führt
dazu, dass Inhalte besser erinnert werden als eine Darstellung in metaphernfreier
Sprache.
26
Metaphern können einen Aspekt einer Organisation in den Vordergrund
23
Erstellt von Verf.
24
Vgl. Weick 1995, S. 104 - 105.
25
Vgl. Kieser 2001, S. 298.
26
Vgl. ebd., S. 298 ­ 299; vgl. Simon 1997, S. 141 ­ 144.

13
stellen, der bisher wenig Beachtung fand oder gänzlich neu erscheint. Zudem können
Veränderungen in der Organisation, die eventuell von den Mitgliedern skeptisch
beobachtet werden, wie beispielsweise eine Ausgründung oder Fusion, mit positiven
Attributen besetzt werden. Professionelle Leitbildentwickler tun dies in der Sprache eines
unproblematischen, sekundären Bereichs und bringen damit bei der Beschreibung der
Veränderung eine neue Perspektive mit ein. Der Vergleich von Veränderungen in einer
Organisation mit einer ,,Metamorphose
27
" kann bei den Mitgliedern Assoziationen
auslösen, die vorher nicht mit diesem Veränderungsprozess in Verbindung gebracht
wurden. Solche Assoziationen können zum Beispiel sein: Umwandlung in ein
eigenständiges Unternehmen, das freier und schneller agieren kann, Durchlaufen
verschiedener Stadien hin zu einem erwünschten, positiven Endzustand, Veränderung,
Wandel, Aufbruch, Engagement, positive Erwartungen, und vieles mehr. Die Sicht des
neu entstehenden Unternehmens in einem Zustand der Metamorphose bereitet die
Mitarbeiter zudem auf Veränderungen vor.
28
Weick sieht die Nützlichkeit von Metaphern auch noch in anderen Bereichen:
,,Erstens liefern Metaphern eine kompakte Darstellung eines Ereignisses, ohne dass
es erforderlich wäre, die Botschaft in allen Einzelheiten auszubuchstabieren.
Zweitens ermöglichen uns Metaphern, nicht mit Namen belegbare Eigenschaften
sprachlich auszudrücken. (...) Metaphern bezeichnen oft den innersten Kern eines
Gegenstandes. (...) Der dritte Punkt ist, dass Metaphern der erlebten Erfahrung näher
und deshalb emotional, sinnlich und kognitiv lebendiger sind."
29
Metaphern veranschaulichen folglich Argumentationsfiguren, machen sie lebendiger und
lösen vielfältige Assoziationen aus.
30
1. 2. 3 Systemtheorie oder radikal-konstruktivistische Theorie
Die zentrale Frage der Systemtheorie lautet: Wie gewinnen Menschen unter
Berücksichtigung ihrer neurophysiologischen Ausstattung Erkenntnisse?
31
Mit anderen Worten:
27
Die in Kapitel 4 untersuchte Organisation befand sich in einer solchen Situation. Ihre
Ausgründung aus einem großen Konzern als Tochterfirma war gerade ein Jahr vollzogen und eine
Fusion mit einem ähnlichen Unternehmen stand bevor. In einem Geschäftsbericht wurden diese
strukturellen Umwandlungen mit einer ,,Metamorphose" verglichen.
28
Vgl. Kieser 2001, S. 308 - 309.
29
Weick 1995, S. 72 - 73.
30
Vgl. Kieser 2001, S. 309.
31
Vgl. ebd., S. 299.

14
,,ist das, was wir als ,,Wirklichkeit"- auf Grund unserer Sinneseindrücke und deren
Verarbeitung im Denkapparat- vorzufinden glauben, vielleicht in Wahrheit etwas
von uns Erfundenes, ist es unsere eigene Konstruktion?"
32
Systemtheoretiker vertreten die These, dass Wahrnehmung allein im Gehirn stattfindet,
wobei das Gehirn die Wirklichkeit nicht repräsentiert, sondern nur aufgrund von
Wahrnehmungen konstruieren kann. Diese Annahme stützt sich auf Studien der beiden
chilenischen Biologen Francisco Varela und Humberto Maturana
33
über das
Nervensystem. Demnach spiegeln Wahrnehmungen die äußere Welt nicht adäquat
wieder, sondern stellen lediglich die systeminterne Konstruktion einer systemexternen
Welt dar.
34
Folglich ist vollkommene Objektivität nicht möglich.
Wie schnell unsere Wahrnehmung sich verändert, vermitteln eindrucksvoll folgende
Darstellungen, besonders wenn der Abbildung 2 die Aufforderung hinzugefügt wird, die
schwarzen Punkte zwischen den Quadraten zu zählen.
Abb. 2: Schwarze Punkte
35
Zwar sind schwarze Punkte auf der Abbildung zu erkennen, fixieren lassen sie sich aber
nicht. Sie sind vorhanden und doch nicht da. Was ist nun Realität, was Sinnestäuschung?
Diese Fragen lassen sich, wie durch diese kleinen Experimente gezeigt werden konnte,
nicht eindeutig beantworten. Maturana sagt dazu:
32
Störig 1990, S. 698.
33
Varela 1946 ­ 2001. Bedeutender Biologe, Kybernetiker und Systemtheoretiker entwickelte mit
seinem Lehrer und später Kollegen Maturana das Autopoiese-Konzept.
34
Vgl. Kieser 2001, S. 299; vgl. Kneer & Nassehi 1999, S. 52 - 55; vgl. Kapitel 1.3.1, S. 16; vgl.
Kapitel 1.3.2 Stichwort: Wirklichkeit, S. 27.
35
In:
http://www.schwosi.net/interessantes/optische_taeuschungen/startseite_optische_taeuschungen.ht
m vom 06.02.2001.

15
,,Wir können in der Erfahrung nicht zwischen ,Wahrnehmung' und
,Sinnestäuschung' unterscheiden. (...) Zwar decken wir viele Illusionen mit vereinten
Kräften auf ­ aber erst, nachdem wir sie als solche erfahren haben."
36
Daraus folgert er:
,,...wer im unmittelbaren Erleben nicht eindeutig zwischen Wahrnehmung und
Täuschung, Realität und Schein abzugrenzen vermag, der darf auch nicht behaupten,
ein Blatt Papier bürge an sich für die Gültigkeit seiner Behauptungen darüber."
37
Nach Maturana ist es somit nicht mehr möglich von Realität oder Objektivität zu reden,
denn auch wenn sie vorhanden wäre, könnten wir sie nicht erkennen. Zwar können wir
aufgrund von Erfahrungen, gewisse Thesen für wahrscheinlicher halten als andere. Wir
können aber nie behaupten, dass unsere Sicht der Dinge die richtige und einzig wahre ist.
Nachdem die bisherigen Ausführungen die Systemtheorie, als eine von drei
konstruktivistischen Theorien positioniert haben, werden im Folgenden die
Grundannahmen der Systemtheorie weiter ausgeführt und Begriffe definiert, die für das
grundlegende Verständnis von Organisationen aus systemtheoretischer Perspektive
wichtig sind.
1. 3
Grundlagen der Systemtheorie
Bisher wurde die Systemtheorie als eine von drei konstruktivistischen Richtungen
dargestellt und in ihren Grundannahmen skizziert. Diese ,,Skizze" soll im folgenden
Kapitel mit der genauen Darstellung der Systemtheorie und deren grundlegenden
Begriffen ausgefüllt werden.
Grundsätzlich wird in der Systemtheorie, wie der Name System schon andeutet, zwischen
System und Umwelt unterschieden. Man redet in diesem Zusammenhang von der
Leitunterscheidung der Systemtheorie. Das bedeutet, die Welt wird unter dem
Gesichtspunkt ihrer Aufteilung in System- und Umweltdifferenzen gesehen und
interpretiert.
38
Alle Reflexionen und Interpretationen innerhalb der Systemtheorie bauen
auf dieser grundsätzlichen Leitunterscheidung auf.
36
Maturana 2001, S. 28.
37
Ebd., S. 29.
38
Vgl. Bardmann & Lamprecht 1999, CD-Rom Text: Innen / Außen.

16
Mit Systemen sind im Folgenden immer lebende Systeme gemeint. So ist denn auch die
erste Unterscheidung, die man mit Foerster
39
zwischen Systemen treffen kann, die
zwischen nichttrivialen (lebenden) und trivialen (nichtlebenden) Systemen. Triviale
Systeme, wie Geräte und Maschinen, sind theoretisch für einen Beobachter potentiell
durchschaubar und steuerbar. Kennzeichen nichttrivialer, lebender Systeme ist es
dagegen, dass sie in ständigem Wandel begriffen sind und eine Eigendynamik aufweisen,
die sich einer genauen Analyse von außen entziehen
40
. Zu ihnen gehören organische
(Körper), psychische (Mensch) und soziale Systeme (wie Familie, Organisation,
Gesellschaft etc., aber auch flüchtige Interaktionssysteme).
41
psychische
Systeme
(Bewusstsein
des
Menschen)
soziale Systeme
1
(zum Beispiel
Organisationen)
Organismen
Nichttriviale Systeme
(lebend)
Triviale Systeme
(nichtlebend/Maschinen)
Systeme
Abb. 3: Systemarten
42
Auf nichttriviale, also lebende Systeme werden sich die nachfolgenden Ausführungen in
Kapitel 1 beziehen und beschränken, bevor in Kapitel 2 eine weitere Einschränkung in
Richtung sozialer Systeme erfolgt.
Bevor weitere Unterscheidungen und Begriffsdefinition der Systemtheorie in Kapitel
1.3.2 folgen, soll zunächst das Autopoiese-Konzept als Grundlage der Systemtheorie
vorgestellt werden.
39
Physiker, bedeutender Kybernetiker und Konstruktivist.
40
Vgl. Schlippe & Schweitzer 1998, S. 54 - 56.
41
Vgl. Hohm 2000, S. 16.
42
Erstellt von Verf.

17
1. 3. 1 Das Autopoiese-Konzept in der Systemtheorie
Grundlegend für die Systemtheorie ist die Anwendung des Autopoiese-Konzeptes
43
auf
ihren Gegenstand, nämlich Systeme. Das Autopoiese-Konzept wurde von den
chilenischen Biologen Francisco Varela
44
und Humberto R. Maturana
45
entwickelt und
besagt, dass lebende Systeme autopoietische Systeme sind, das heißt sie sind mit ihren
Elementen zu sich selbst erzeugenden Organisationen verknüpft. Sie erzeugen somit die
Elemente, aus denen sie bestehen, mit Hilfe der Elemente, aus denen sie bestehen,
produzieren sich und auch die Beziehung zwischen ihren Elementen demnach selbst.
Hört diese Produktion und Reproduktion auf, hört das System auf zu existieren.
Verdeutlicht werden kann dies am Beispiel einer Zellteilung. Die Zelle produziert
gleichzeitig ihre Bestandteile (die Moleküle), sowie die Elemente (Membran), die die
Zelle nach außen abgrenzt, selbst. Diese Reproduktionsweise ermöglicht ihr zu
überleben.
46
Wäre die kontinuierliche Reproduktion nicht mehr möglich, könnte sie nicht
mehr existieren.
Abb.4: Zellteilung
47
Wendet man dieses Konzept zum Beispiel auf das lebende System einer Organisation an,
so kann man als Manager einer Organisation durch eine solche Sichtweise zunächst
einmal dazu kommen, die Eigenheiten von Mitarbeitern, die evtl. stören, als zur Struktur
passend und für das Überleben der Organisation wichtig anzusehen. Dies bedeutet nicht,
dass sich diese Eigenheiten nicht ändern ließen oder einfach nur zu ertragen sind, doch es
lässt sich daraus ableiten, dass Veränderungen sich nur dann initiieren lassen, wenn sie
zur Struktur des Systems passen. Nur so kann verhindert werden, dass die Autopoiese des
43
Autopoiese setzt sich aus den griechischen Worten autos (= selbst) und poiein (=machen)
zusammen und meint soviel wie Selbsterzeugung, Selbstherstellung.
44
1946 ­ 2001. Biologe. Entwickelte als Schüler und später Mitarbeiter von Maturana mit ihm
zusammen das so genannte Autopoiese-Konzept.
45
Geb. 1928. Biologe der mit Varela zusammen das so genannte Autopoiese-Konzept
entwickelte..
46
Vgl. Schlippe & Schweitzer 1998, S. 68.
47
In: http://www.degro.org/images/zellteilung.gif vom 06.02.2002.

18
Systems und somit ihr Fortbestehen gefährdet oder gar zerstört wird.
48
Es ist somit
sinnvoll, alle Veränderungsanregungen auf die Struktur des Systems hin abzustimmen.
49
Autopoietische Systeme sind zudem strukturell-determiniert, das heißt durch die
jeweiligen Systemstrukturen wird festgelegt, in welchen Grenzen sie sich verändern
können. Nehmen wir als Beispiel für ein System hier einen Menschen, so lässt sich sagen,
dass es nicht möglich ist,
,,das Verhalten eines anderen Menschen [Systems, d.Verf.] zu beeinflussen oder ...
gezielt festzulegen, was mit einem anderen Menschen [einem System, d.Verf.]
geschehen wird. Das einzige, das Sie tun können, ist, jemanden zu 'perturbieren'
[anzuregen, verstören d.Verf.]. Was auch immer dann in dem anderen jeweils
geschieht, resultiert aus seiner Struktur."
50
Das heißt, wenn es mir gelingt, mich an die Struktur eines Systems zunächst anzupassen,
um Anschluss zu finden, kann ich auch das System in dem Sinne irritieren oder anregen,
dass sich Veränderungen einstellen können. Die Bedingungen dafür, ob oder wie eine
Struktur, ein System sich ändern kann (oder auch nicht), liegen jedoch im System selbst.
Wichtig ist, dass die Strukturänderung im System Anschluss findet, die Autopoiese daran
fortgesetzt werden kann, denn nur darum geht es bei autopoietischen Systemen.
51
Autopoietische Systeme sind operativ geschlossene Systeme. Sie können, bedingt durch
ihre Struktur, nur mit ihren Eigenzuständen operieren, nicht mit systemfremden
Komponenten. Eine gezielte Beeinflussung von Außen ist demnach nicht möglich.
Ebenso wenig sind Systeme für Außenstehende zu durchschauen. Sie sind für andere
Systeme eine sogenannte ,,black box". Wir haben es folglich in unserer Umwelt ständig
mit Phänomenen, Organismen, Systemen zu tun, deren innere Mechanismen uns
unzugänglich sind, die wir potentiell nicht durchschauen, vorhersagen oder gezielt
beeinflussen können. Ein System kann sich lediglich aufgrund von Beobachtungen, von
Informationen ein Bild von einem anderen System, einer ,,black box" machen. Dieses
48
Wird dies bei entsprechenden Interventionen nicht beachtet, kann es dazu führen, dass der
Manager (oder eine andere Person, die eine Veränderung im System anstrebt) das System wieder
verlassen muss, weil er keinen Anschluss findet. Das heißt, er findet keine Resonanz mit seinen
Veränderungswünschen und reibt sich eventuell daran auf.
49
Vgl. Schlippe & Schweitzer 1998, S. 68.
50
Maturana zit. N. Riegas, V. & Vetter, C. 1990, S. 23
51
Vgl. Luhmann 1984, S. 475 ­ 476.

19
Bild ist jedoch die Konstruktion des Beobachters und nicht mit der ,,Wirklichkeit" oder
,,Wahrheit" zu verwechseln.
52
,,Der Begriff der Wahrheit ist, wenn man es genau nimmt, ein Chamäleon der
Philosophiegeschichte mit einer - je nach Benutzer - immer etwas anderen Färbung-
Bei Descartes hat das Wort Flecken, bei Kant Streifen, bei Schopenhauer Punkte."
53
Somit können die Beschreibungen über ein System, je nach Beobachter, sehr vielfältig,
zum Teil sogar konträr sein.
Autopoietische Systeme interagieren mit ihren eigenen Zuständen rekursiv oder
zirkulär
54
, man spricht hier auch von der funktionalen Selbstreferenz
autopoietischer Systeme und will damit sagen, dass jeder Zustand eines Systems
aus Interaktionen mit früheren Zuständen resultiert. Diese Zustände werden als
Grundlage für weitere Operationen, Handlungen, auch mit der Umwelt, benutzt.
Demzufolge können autopoietische Systeme im Umweltkontakt nur auf eigene
Operationen zurückgreifen. Alles was von Außen an das System herangetragen
wird, muss zuerst in das System selbst integriert werden, um dort wirken zu
können. Der versuchte Einfluss von Außen, systemtheoretisch auch als
,,Irritation", ,,Verstörung
55
", ,,Anregung", ,,Anstoß" bezeichnet, muss sozusagen
den Zirkel des Systems durchdringen. Folglich ist der Effekt im System von
Außen nicht mehr zu bestimmen, ist vollständig durch das System bestimmt.
56
Kurz, Umweltkontakt (Fremdreferenz) ist bei autopoietischen Systemen nur durch
Selbstreferenz (Eigenkontakt) möglich
57
.
Umwelt
/
Außen
bringt
Irritation
Irritation durchdringt den Zirkel des Systems
System /
Innen
Abb. 5: Der Zirkel des Systems
58
52
Vgl. Baecker 1999a, S. 49 - 50.
53
Foerster & Pörksen 2001, S. 29.
54
Zur Vertiefung vgl. auch Ulrich 2001, S. 272 ­ 274.
55
Mit Verstörung oder auch Irritation ist in diesem Fall nicht gemeint, dass das System in dem
Sinne aus dem Gleichgewicht gerät, dass es total konfus oder erschüttert wäre. Es bedeutet
lediglich, dass das System etwas für sich relevantes und neues in der Umwelt wahrnimmt, das es
dann innerhalb seines Systems verarbeitet und sich dadurch gegebenenfalls auch verändert.
56
Vgl. Schlippe & Schweitzer 1998, S. 68.
57
Vgl. ebd. S. 71.
58
Erstellt von Verf.

20
Aus all dem folgt, dass autopoietische, also lebende Systeme, sowohl geschlossene, als
auch offene Systeme sind. Geschlossen in dem Sinn, dass es nicht möglich ist, gezielt auf
sie einzuwirken, sie zu bestimmen. Offen in dem Sinne, dass sie trotzdem Umweltkontakt
herstellen können, aber eben nur vermittelt über Eigenkontakt.
Beim Austausch mit der Umwelt richtet sich das System danach, was es zur
Aufrechterhaltung seiner Autopoiese benötigt.
59
Dabei können sich zwei oder mehrere
autopoietische Systeme so organisieren, dass ihr Austausch einen rekursiven, stabilen
Charakter hat, dass sie gut zueinander passen, sich wechselseitig ,,irritieren". Haben sich
Systeme so organisiert, sprechen wir von struktureller Kopplung und gemeinsamem
,,driften"
60
. Baecker sagt bezüglich Kopplungen, dass sie ein gewisses Maß an
Kontrollierbarkeit auf beiden Seiten ermöglichen. Das heißt man kann aufgrund der
Kopplung in relativ erwartungssicherer Form vorauszusagen, was im anderen System
welche Konsequenzen hervorruft.
61
Kopplungen können lose oder fest sein, wobei man prinzipiell davon ausgeht, dass die
Kopplungen innerhalb der Untereinheiten eines Systems (Subsystemen) fest, die
zwischen Systemen relativ locker, also lose sind.
62
,,Lose Kopplung liegt vor, wenn zwei getrennte Systeme entweder nur wenige
Variablen miteinander gemein haben oder ihre gemeinsamen Variablen im
Vergleich mit den anderen das System beeinflussenden Variablen schwach sind."
63
Praktisch bedeutet dies zum Beispiel für Organisationen, dass sich Störungen innerhalb
eines Teilsystems zunächst auf dieses Teilsystem begrenzen werden. Die Möglichkeit,
dass sich die Störung schnell verbreitet, ist relativ gering. Lose Kopplungen sind folglich
stabiler als feste, weil sie auf Störungen im anderen System unempfindlicher reagieren.
64
59
Vgl. Kneer & Nassehi 1999, S. 50 - 51.
60
Vgl. Schlippe & Schweitzer 1998, S. 70. Der Begriff ,,strukturelle Kopplung" geht auf den
Biologen Maturana zurück und beschreibt die Beziehung zwischen System und Umwelt. Luhmann
verwendet den Begriff spezifischer und meint damit eine Intersystembeziehung zwischen
autopoietischen, also autonomen Systemen, wie zum Beispiel die Beziehung zwischen Gehirn und
Bewusstsein, oder zwischen verschiedenen Arbeitsbereichen im Falle sozialer Systeme. Sie sind
aufeinander angewiesen, bilden aber füreinander Umwelten. (Vgl. Kneer & Nassehi 1999, S. 62.)
61
Vgl. Baecker 1994, S. 78. Dies jedoch nicht im Sinne eines tatsächlichen kausalen
Verhältnisses, denn auch hier ist ein Ursache-Wirkungs-Denken nur im Sinne einer Konstruktion
zulässig. Sie ist nicht mit einer vermeintlichen Realität zu verwechseln. Ein gewisses Maß an
Unbestimmtheit ist auch hier mit einzubeziehen. (Vgl. Baecker 1994, S. 78.)
62
Vgl. Weick 1995, S. 162.
63
Ebd., S. 163.
64
Vgl. ebd., S. 164 ­ 165.

21
Wie wir bisher gesehen haben, hat die Systemtheorie die Unterscheidung zwischen
System und Umwelt zu ihrer Leitunterscheidung gemacht. Zwischen Systemen kann man
zunächst zwischen nichttrivialen (lebenden) und trivialen (nichtlebenden) Systemen
unterscheiden, wobei sich diese Arbeit auf Ausführungen zu nichttrivialen Systemen
beschränkt. Diese nichttrivialen Systeme sind nach systemtheoretischer Sichtweise
autopoietische Systeme. Das Autopoiese-Konzept der beiden Biologen Varela und
Maturana wird somit auf lebende Systeme übertragen und ist grundlegender Bestandteil
der Systemtheorie. Um nun aber genauer zu verstehen, wie Systeme funktionieren, wie
sie aufgebaut sind, welche Eigenschaften sie haben, sollen im nächsten Kapitel die
Grundbegriffe der Systemtheorie erklärt werden.
1. 3. 2 Grundbegriffe der Systemtheorie
Eine fundamentale Schwierigkeit bei der Klärung systemtheoretischer Begriffe liegt in
deren getrennter Darstellung. Sie sind so sehr ineinander verwoben und voneinander
abhängig, dass sie eigentlich gleichzeitig dargestellt werden müssten. Der Leser wird
demnach auf Begriffserklärungen stoßen, die er erst verstehen kann, wenn er andere
Begriffe, die vielleicht erst später erklärt werden, systemtheoretisch definieren kann.
65
Diese Schwierigkeit ist in der zirkulären, also nicht linearen Struktur der Systemtheorie
selbst angelegt und kann deshalb nicht umgangen werden. Dem Problem ist mit Geduld
und wiederholtem Lesen zu begegnen, so dass sich aus all dem ein umfassendes und
verständliches Bild systemtheoretischer Begriffe und Grundlagen zusammensetzen kann.
Aufgrund der Leitunterscheidung der Systemtheorie wird die Welt unter dem
Gesichtspunkt ihrer Aufteilung in System- und Umweltdifferenzen gesehen und
interpretiert.
66
Alle weiteren Reflexionen und Interpretationen innerhalb der
Systemtheorie bauen auf dieser grundsätzlichen Leitunterscheidung auf.
67
Die Beschreibung eines Systems anhand einer Unterscheidung (Innen und Außen bzw.
System und Umwelt) wird in der Systemtheorie Beobachtung genannt und beruht auf der
65
Vgl. Willke 2000, S. 11 - 12.
66
Vgl. Bardmann & Lamprecht 1999, CD-Rom Text: Innen / Außen.

22
Basis der operativen Logik von Spencer Brown
68
. Beobachtung setzt sich gemäß dieser
Logik aus zwei Komponenten zusammen: aus unterscheiden und bezeichnen. Es wird
eine Unterscheidung gewählt (System und Umwelt), wobei nur eine der beiden Seiten
bezeichnet wird (zum Beispiel System). Beide Seiten der Unterscheidung (System /
Umwelt) sind zwar vorhanden, können aber nicht gleichzeitig beobachtet werden. Man
kann demnach nicht gleichzeitig das System und die Umwelt beobachten, nur jeweils die
eine oder die andere Seite
69
. Der Vollzug einer Beobachtung dieser Art, im Folgenden in
Anlehnung an systemtheoretisches Jargon auch Beobachtungsoperation
70
genannt, wird
als ,,Beobachtung erster Ordnung" bezeichnet. Konsequenz dieser
Beobachtungsoperation ist, dass zum Beispiel ein Organisationsberater mit der
Unterscheidung zwischen ,,Ich" und ,,Organisation", sich selbst bei der Betrachtung der
Organisation nicht beobachten kann. Er ist sich selbst zum Zeitpunkt der Unterscheidung
sein eigener, so genannter ,,blinder Fleck", denn er sieht zu diesem Zeitpunkt nur die
Organisation, also nur eine Seite der getroffenen Unterscheidung.
71
Ein System lässt sich also nur aufgrund einer Unterscheidung beschreiben und
identifizieren, wobei derjenige, der das System beschreibt, sich selbst zum Zeitpunkt der
Beschreibung ,,blinder Fleck" ist, da er sich nicht mitbeobachten kann. Auf einer
ebensolchen Unterscheidung vollzieht sich auch die Bildung von Systemen. Sie bilden
sich, in dem sie sich von einer Umwelt unterscheiden, ein ,,Innen" von einem ,,Außen"
differenzieren.
72
Folglich sind System und Umwelt für die Systembildung konstitutiv
73
.
Die Innenseite markiert das System, die Außenseite markiert die Umwelt, wie es im
folgenden Modell schematisch dargestellt wird.
74
67
Ausgangspunkt systemtheoretischer Analysen ist demnach die Differenz von System und
Umwelt. (Vgl. Luhmann 1984, S. 35.)
68
Zur Vertiefung vgl. Spencer-Brown: Laws of form. Gesetze der Form (1997).
69
Vgl. Kneer & Nassehi 1999, S. 95 - 98.
70
Der Begriff Operation wird hier im Sinne einer Handlung verstanden. Er ist also nicht mit einem
chirurgischen Eingriff zu verwechseln.
71
Vgl. Kieser 2001, S. 296 - 300.
72
Vgl. Bardmann & Lamprecht 1999, CD-Rom Text: Differenzierung.
73
Baecker würde hier, um Missverständnissen vorzubeugen, lieber von ,,Systemumwelttheorie"
sprechen. (Vgl. Baecker 2000c, S. 216.)
74
Vgl. Bardmann & Lamprecht 1999, CD-Rom Text: Innen/Außen.

23
Umwelt
Umwelt
Umwelt
Umwelt
Grenz
System
/ Innen
Abb. 6: System und Umwelt
75
Der Systemtheoretiker Willke definiert ein System als
,,... einen ganzheitlichen Zusammenhang von Teilen, deren Beziehung untereinander
quantitativ intensiver und qualitativ produktiver sind als ihre Beziehungen zu
anderen Elementen. Diese Unterschiedlichkeit der Beziehungen konstituiert eine
Systemgrenze, die System und Umwelt des Systems trennt."
76
Nach Willke werden das System und der Prozess der Unterscheidung zwischen System
und Umwelt, die Grenzziehung, als eng verbunden angesehen, denn ohne
Unterscheidung, ohne Grenze gäbe es kein System.
,,In diesem Sinne ist Grenzerhaltung (boundary maintenance) Systemerhaltung."
77
Die Grenze bietet dem System also einen Rahmen, eine Orientierung, was zum System
dazugehört und was nicht, was für das System wichtig, was weniger wichtig ist, was
Innen und was Außen ist. Sie bietet dem System und dessen Mitgliedern durch die
Abgrenzung gegen eine Umwelt die Möglichkeit der Identitätsbildung im System selbst
und eine engere Anbindung an das eigene System. Der Begriff ,,Grenze" kann also
benutzt werden, um zu beschreiben, wie sich die Beziehung zwischen dem System und
seiner Umwelt gestaltet.
78
Die Umwelt darf dabei nicht als Restkategorie verstanden
werden, denn sie ist konstitutiv für die Systembildung und Voraussetzung für die Identität
des Systems. Denn Identität ist nur durch Differenzierung von etwas anderem, von einer
Umwelt möglich
79
.
75
Erstellt von Verf.
76
Willke 2000, S. 250.
77
Luhmann 1984, S. 35.
78
Vgl. Schlippe & Schweitzer 1998, S. 58.
79
Vgl. Luhmann 1984, S. 242 - 243.

24
Im Gegensatz zu sogenannten organischen Systemen, wie zum Beispiel einer Zelle, deren
Grenze die Membran darstellt, also selbst organisch ist, definieren psychische und soziale
Systeme, auf die sich diese Arbeit nachfolgend beschränkt, ihre Grenze nach der Frage,
was ihr Sinn sein soll.
80
Willke definiert den Begriff ,,Sinn" wie folgt:
,,Er [der Sinn, d.Verf.] bezeichnet die systemspezifischen Kriterien, nach denen
Dazugehöriges und Nichtdazugehöriges unterschieden wird. Sinn ist immer
systemspezifisch. Gleichzeitig erlauben nur gemeinsame Sinngehalte Interaktionen
und Kommunikationen zwischen Systemen. Sinn kann sowohl in Weltbildern, (...)
etc. ,eingefroren' sein, als auch in laufenden Interaktionen produziert oder
ausgehandelt werden (...) Die operative Qualität von Sinn liegt darin, dass er virtuell
bleibt, auf Objekte verweist, diese aber nicht verkörpert. Daraus ergeben sich
Spielräume, Konflikte und der ganze Rest der ,conditio humana'"
81
.
Da Sinn ein selektives Geschehen ist, zwingt er zur Auswahl zwischen Alternativen. Die
bereits getroffenen und potentiell möglichen Entscheidungen können gegeneinander
abgewägt werden. Die Auswahl bietet somit im System selbst ein gehöriges
Konfliktpotential. Denn was immer entschieden wurde, es hätte auch anders entschieden
werden können
82
. Die nicht aktualisierten Möglichkeiten gehen nicht verloren, sie bleiben
virtuell erhalten und können später gegebenenfalls aktualisiert werden. Somit ist die
Grenze, die der Sinn setzt, variabel, schafft aber wie andere Systemgrenzen auch
ausgegrenzte Bereiche, die es dem System ermöglichen, die überwältigende Komplexität
der Welt zu reduzieren und zu verarbeiten. So bilden sie ein Regulativ zwischen
anfallender und verarbeitbarer Komplexität und geben Orientierung.
83
Minuchin
84
unterscheidet weiter zwischen starren, klaren und diffusen Grenzen je
nachdem, wie sich das System zu seiner Umwelt hin abgegrenzt. In der praktischen
beraterischen Tätigkeit kann es hier sinnvoll sein, bisherige Grenzziehungen des Systems
offenzulegen, zu definieren oder infragezustellen.
85
So kann es beispielsweise bei einer
Organisation zu Problemen kommen, weil die Grenzziehung zur Umwelt sehr diffus und
80
Man unterscheidet innerhalb der Systemtheorie bei lebenden Systemen zwischen organischen,
psychischen und sozialen Systemen. Soziale Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass ihr
autopoietisches Element Kommunikation ist, sie also immer wieder Kommunikation an
Kommunikation anschließen müssen, um ihre Existenz zu gewährleisten. Zu dieser Art von
Systemen zählen auch Organisationen. (Vgl. Kapitel 3, S. 67.)
81
Vgl. Willke 2000, S. 249.
82
Näheres hierzu im Kapitel 2. S. 32 ,,Luhmanns Theorie sozialer Systeme".
83
Vgl. auch Kapitel 2. S. 32 ,,Luhmanns Theorie sozialer Systeme".
84
Begründer des strukturellen Ansatzes innerhalb der systemischen Familientherapie.
85
Vgl. Schlippe & Schweitzer 1998, S. 58 - 60.

25
unklar ist. Für die einen ist es beispielsweise klar, dass der freie Markt die relevante
Umwelt darstellt, an dem es sich zu bewähren gilt, für die anderen ist es eine
Mutterorganisation, die es ausschließlich zu bedienen gilt, der freie Markt wird als
relevante Umwelt nicht wahrgenommen. Bleibt diese Grenzziehung weiterhin so diffus,
wird sie nicht offengelegt und zur Diskussion gestellt, kann es zu erheblichen Konflikten
und konträren Handlungsweisen innerhalb der Organisation kommen, die sich eventuell
gegenseitig blockieren, sodass im Endeffekt jedes Handeln ineffektiv bleibt.
Unter der Umwelt eines Systems wird in der Systemtheorie also immer die relevante, die
durch die Differenzierung selbst produzierte Umwelt eines Systems verstanden. So kann
eine Wirtschaftsorganisation (System / Innen) sich beispielsweise von der restlichen
Wirtschaft (Umwelt / Außen) abgrenzen. Sie definiert dadurch, was zu ihrem System
dazu gehört und was nicht, welche Informationen sie vornehmlich aufnimmt und welche
nicht. Sie wird bei dieser Unterscheidung wahrscheinlich eher für Informationen aus dem
Wirtschaftssektor empfänglich sein als für solche aus dem Bereich Soziales. Hätte sie eine
andere Umwelt für ihre Unterscheidung gewählt, hätten sich daraus eine andere Identität,
andere Schwerpunkte und / oder Strukturen ergeben. Nicht alles, was außerhalb des
Systems liegt, ist somit für das System von Bedeutung sondern nur das, was das System
selbst als relevant ansieht. Somit lässt sich sagen, dass die Umwelt eines Systems eine
vom System selbst gemachte ist.
86
Die Konsequenz, die sich aus dieser Sicht der Umwelt ergibt, ist die der Paradoxie der
,,...Nichtunterscheidbarkeit des Unterschiedenen. System und Umwelt ist System.
Innen und Außen ist Innen."
87
Die Unterscheidung von System und Umwelt ist, um mit systemtheoretischen Begriffen
zu sprechen, re-entry-fähig. Sie ist im und vom System selbst gemacht. Eine
Beobachtung, die Innen und Außen und die Grenze als Unterscheidung beobachtet, wird
im Folgenden ,,Beobachtung zweiter Ordnung" genannt
88
und ist mit der Reflexion des
Systems auf sich selbst gleichzusetzen.
89
Baecker bezeichnet die Einheit der Beobachtung
von Innen (Bezeichnetem) und Außen (Unterschiedenem) und der Unterscheidung als
86
Vgl. Bardmann & Lamprecht 1999, CD-Rom Text: Innen / Außen.
87
Ebd. Text: Innen / Außen
88
Vgl. Kieser 2001, S. 296 - 300.
89
Baecker 1999a, S. 25.

26
Grenze mit dem Begriff der Form. Beobachtung zweiter Ordnung ist nach Baecker somit
Formbeobachtung.
90
Das folgende Schaubild soll dies verdeutlichen.
distinciton
marked
unmarked
state
state
form
Abb. 7: Die Form der Unterscheidung
91
Um solch eine Formbeobachtungen zu vollziehen, ergibt sich zum Beispiel innerhalb der
systemischen Organisationsberatung die Konsequenz, mindestens zu zweit zu
Beratungsterminen, Workshops und dergleichen zu gehen, damit ein Mitarbeiter den
anderen bezüglich seiner getroffenen Unterscheidungen beobachten kann. Festzuhalten
ist jedoch, dass auch dieser Beobachter wiederum an die eigene Unterscheidungen
gebunden ist, die er selbst nicht mitbeobachten kann. So ist eine Beobachtung zweiter
Ordnung immer nur eine Beobachtung bezüglich einer anderen. Genauso wichtig sind
vor diesem Hintergrund nachgehende Reflexionen der eigenen Arbeit
92
. Durch die
Möglichkeit der sogenannten Formbeobachtung eines Dritten und der nachgehenden
Reflexion der eigenen Arbeit können zum Beispiel vorgefertigte Meinungen und somit
Unterscheidungen über das zu beratende System schnell entdeckt, reflektiert und
bearbeitet werden.
93
90
Vgl. Baecker 2000c, S. 231.
91
In: Baecker 2000c, S. 231.
92
Da ich im Rahmen meiner Diplomarbeit die Interviews in einem Dienstleistungsunternehmen
nur alleine durchführen konnte, habe ich auf die anschließende Reflexion der Interviewsituation in
Form vorgefertigter Fragen (Vgl. Anhang S. 295.) Gesprächen mit meiner Professorin besonderen
Wert gelegt.
93
Vgl. Kneer & Nassehi 1999, S. 100 - 101. Eingesetzt wird diese Form der Beobachtung unter
anderem in der systemischen Organisationsberatung.

27
Wie sich aus den bisherigen Ausführungen ersehen lässt, bezeichnet die beobachtete
Differenz zwischen System und Umwelt den Vollzug einer Unterscheidung von einem
System. Somit ist es nicht möglich von Realität oder Wirklichkeit zu sprechen.
94
Vielmehr ist die ,,Wirklichkeit" beziehungsweise das vermeintliche Erkennen von
Tatsachen immer abhängig vom Beobachter ­ dem System -,der die entsprechende
Wirklichkeit durch seine Beobachtungen ­ Unterscheidungen ­ hervorbringt.
,,Erkennen ist das Vornehmen von Unterscheidungen durch das erkennende Subjekt.
Ohne diese Fähigkeit wäre keinerlei Orientierung möglich und damit kein
Überleben. (...) Es ist ein folgenschwerer Schritt, wenn man die Konzepte, die man
sich konstruierte, um in der Welt Orientierung zu finden, mit der Wirklichkeit
verwechselt (ein Kategorialfehler)."
95
Unterscheidungen dienen also dazu, die Komplexität der Welt für Systeme auf ein
erträgliches und verarbeitbares Maß zu reduzieren, ihnen Orientierung zu geben, die ohne
Unterscheidungen nicht möglich wäre. Reduktion kann jedoch auf verschiedene Weisen
erfolgen. Die Entscheidung für ein Modell kann aber höchstens aufgrund von
Vorstellungen über richtig und falsch gefällt werden. Die absolut ,,richtige" Sicht der
Dinge oder der Welt entfällt, denn was auch immer behauptet wird, es könnte auch anders
behauptet werden.
96
Welche Sicht der ,,Wirklichkeit" man jedoch präferiert, ist abhängig
von den Dialogen, die mit anderen geführt wurden, von einem Konsens, der darüber mit
mehreren getroffen wurde. Die Sicht der Welt, der vermeintlichen Wirklichkeit ist
folglich kein individueller, sondern ein gruppenspezifischer Prozess der
Konsensbildung.
97
Über den Weg der Konsensbildung entstehen Einschränkungen der
Verhaltensoptionen für die Mitglieder eines Systems, sogenannte Regeln. Diese Regeln
lassen darauf schließen, wie sich die Mitglieder des entsprechenden Systems geeinigt
haben, die ,,Wirklichkeit" zu definieren, welches Verhalten sie als möglich ansehen,
welche Bedeutungen sie den Dingen zuweisen und welche Unterscheidungen sie
treffen
98
. So kann man in einer bestimmten Organisation in relativ erwartungssicherer
Form voraussagen, dass die Führungskräfte alle in Anzug und Krawatte auf der Arbeit
erscheinen oder dass man im Bereich ,,Account" als Kunde Informationen über Produkte
94
Vgl. Bardmann & Lamprecht 1999, CD-Rom Text: Innen / Außen.
95
Schlippe & Schweitzer 1998, S. 87.
96
Maturana sagt dazu: ,,Wenn die wahre oder objektive Realität als Grundlage der Sinngebung
dienen soll, können wir erbittert über sie streiten. Überhaupt muss die Realität heute häufig genug
als Gewaltmotiv herhalten, was diesen Gedanken zusätzlich traurige Aktualität verleiht"(Maturana
2001, S. 30.)
97
Schlippe & Schweitzer 1998, S. 88 - 89.
98
Vgl. ebd., S. 60 - 61.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832455255
ISBN (Paperback)
9783838655253
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen – Sozialwesen
Note
1,0
Schlagworte
management systemanalyse organisationsanalyse luhmann kommunikation
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Titel: Systemtheorie am Beispiel der Organisation
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