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Die Prüfung der Kreditwürdigkeit junger Technologieunternehmen

Modifikation bestehender Methoden und Vorstellung neuer Verfahren

©2001 Diplomarbeit 82 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Soll man als Bank Kredite an junge Technologieunternehmen vergeben, oder nicht? Diese Frage kann zunächst nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantwortet werden. Die aktuellen Insolvenzzahlen, die Ertragslage im Kreditgeschäft und die oft unzureichenden Kenntnisse des Kreditsachbearbeiters im Hinblick auf neue Technologien sprechen dagegen; umfangreiche Erträge aus Provisionsfolgegeschäften, Kooperationsmöglichkeiten mit öffentlichen Förderbanken oder schlicht der Imagegewinn lassen ein positives Veto erwarten.
Doch selbst wenn man sich aus geschäftspolitischen Erwägungen für ein Engagement in diesem Bereich entscheidet, erweist sich die hier mit herkömmlichen Instrumenten nur schwer durchführbare Kreditwürdigkeitsprüfung als unüberwindbare Hürde.
Die vorliegende Arbeit versucht, dieser Problematik Herr zu werden. Nachdem zu Beginn geklärt wurde, wann eine Bank Kredite an jungen Technologieunternehmen vergibt und vor allem wann es für diese Unternehmen überhaupt sinnvoll ist, herkömmliche Kredite aufzunehmen, sollen die bewährten und zukünftigen Analyseinstrumente auf ihre Anwendbarkeit bei jungen Technologieunternehmen hin untersucht werden. Abschließend werden notwendige Modifikationen vorgenommen, um ein abgeschlossenes Analyseinstrument zur Verfügung stellen zu können.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
GliederungII
AbkürzungsverzeichnisV
Abbildungsverzeichnis
TabellenverzeichnisVII
1.Einleitung1
2.Der Kreditbedarf junger Technologieunternehmen1
2.1Begriffliche Abgrenzung junger Technologieunternehmen1
2.2Die Finanzierungsstruktur junger Technologieunternehmen im Entwicklungsfortschritt2
2.3Der Einfluss der Börsenlage auf die Kreditnachfrage6
3.Die Determinanten einer Finanzierung junger Technologieunternehmen durch Kredite8
4.Die Kreditwürdigkeitsprüfung10
4.1Wesen und Erkenntnisziele der Kreditwürdigkeitsprüfung10
4.2Die Kreditwürdigkeitsprüfung in der Praxis11
4.2.1Die Kreditwürdigkeitsprüfung bei der Bankgesellschaft Berlin AG11
4.2.2Die Prüfungsverfahren anderer deutscher Kreditinstitute im Zeitvergleich15
5.Die Schwächen etablierter Verfahren im Hinblick auf eine fundierte Kreditwürdigkeitsprüfung bei jungen Technologieunternehmen16
5.1Die den Erfolg von jungen Technologieunternehmen bestimmendenFaktoren16
5.2Durch die Datenbasis begründete Mängel19
5.2.1Die Sprachbarriere des Jahresabschlusses19
5.2.2Die Unterbelichtung des technischen Potenzials und der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Gliederung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Kreditbedarf junger Technologieunternehmen
2.1 Begriffliche Abgrenzung junger Technologieunternehmen
2.2 Die Finanzierungsstruktur junger Technologieunternehmen im Entwicklungsfortschritt
2.3 Der Einfluss der Börsenlage auf die Kreditnachfrage

3. Die Determinanten einer Finanzierung junger Technologieunternehmen durch Kredite

4. Die Kreditwürdigkeitsprüfung
4.1 Wesen und Erkenntnisziele der Kreditwürdigkeitsprüfung
4.2 Die Kreditwürdigkeitsprüfung in der Praxis
4.2.1 Die Kreditwürdigkeitsprüfung bei der Bankgesellschaft Berlin AG.
4.2.2 Die Prüfungsverfahren anderer deutscher Kreditinstitute im Zeitvergleich

5. Die Schwächen etablierter Verfahren im Hinblick auf eine fundierte Kreditwürdigkeitsprüfung bei jungen Technologieunternehmen
5.1 Die den Erfolg von jungen Technologieunternehmen bestimmenden Faktoren
5.2 Durch die Datenbasis begründete Mängel
5.2.1 Die Sprachbarriere des Jahresabschlusses
5.2.2 Die Unterbelichtung des technischen Potenzials und der Managementfähigkeiten
5.2.3 Die Heterogenität der Datenbasis
5.2.4 Die mangelnde Aktualität der Jahresabschlussdaten
5.2.5 Die Manipulierbarkeit des Jahresabschlusses
5.3 Die Rückständigkeit der Analysepraxis
5.3.1 Kritik an der Praxis der Jahresabschlussanalyse
5.3.2 Kritik an herkömmlichen Ratingverfahren
5.4 Kritische Würdigung moderner Verfahren zur Jahresabschlussanalyse
5.4.1 Die Multivariate Lineare Diskriminanzanalyse
5.4.1.1 Das Prinzip der Multivariaten Linearen Diskriminanzanalyse
5.4.1.2 Kritische Würdigung der Multivariaten Linearen Diskriminanzanalyse
5.4.2 Die Künstliche Neuronale Netzanalyse
5.4.2.1 Das Prinzip der Künstlichen Neuronalen Netzanalyse
5.4.2.2 Kritische Würdigung der Künstlichen Neuronalen Netzanalyse

6. Die Entwicklung eines Instruments zur Prüfung der Kreditwürdigkeit von jungen Technologieunternehmen
6.1 Die generelle Ausgestaltung des Instruments
6.2 Die Grobanalyse
6.3 Das integrierte Management- und Technologie-Assessment als prospektives Element der Kreditwürdigkeitsprüfung
6.3.1 Das Technologie-Teilrating
6.3.1.1 Das technologische Potenzial
6.3.1.2 Die technologische Markstellung des jungen Technologieunternehmens
6.3.2 Das erweiterte Management-Teilrating
6.4 Die überarbeitete und erweiterte Analyse der wirtschaftlichen Verhältnisse von jungen Technologieunternehmen
6.4.1 Die Cash-Flow-Rechnung und die Cash-Flow-Analyse
6.4.2 Vorschlag einer Auswahl erkenntniszielorientierter Kennzahlen

7. Vorstellung des Jahresabschlussanalyse-Tools für EXCEL

8. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Anhang

Ehrenwörtliche Erklärung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Lebenszyklus und Finanzierungsstruktur von Technologieunternehmen

Abbildung 2 Entwicklung der Neuemissionen und der verschobenen Neuemissionen am Neuen Markt im Zeitraum 01.99-12.00

Abbildung 3 Entwicklung der Kapitalerhöhungen am Neuen Markt im Zeitraum 01.99-12.00

Abbildung 4 Die Ertragslage deutscher Banken im Kreditgeschäft (1993-1999)

Abbildung 5 Das Rating als Entscheidungsgrundlage

Abbildung 6 Konkurrenzbereich „First-Follower“: Früher und heute

Abbildung 7 Verdoppelter Alterungseffekt

Abbildung 8 Mögliche Auswirkungen der Einführung einer neuen Technologie

Abbildung 9 Die Bivariate Diskriminanzanalyse

Abbildung 10 Optimale Zahl der Lernschritte bei konstantem a-Fehler

Abbildung 11 Das Ratingsystem der Landesbank Berlin

Abbildung 12 Das Ratingsystem der Berliner Bank Niederlassung der Bankgesellschaft Berlin AG

Abbildung 13 Aufbau und Funktionsprinzip der KNNA

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Verfahren zur Jahresabschlussanalyse bei der Bankgesellschaft Berlin AG

Tabelle 2 Analyseinstrumente deutscher Kreditinstitute 1990 und 2000

Tabelle 3 Insolvenzursachen

Tabelle 4 Kennzahlen zum immateriellen Vermögen

Tabelle 5 Formen der Gründung

Tabelle 6 Ansatz immaterieller Vermögensgegenstände nach IAS und US-GAAP

1. Einleitung

Die Vergabe eines Kredites an ein junges Technologieunternehmen (JTU) ist ein riskantes Unterfangen. Von 400 JTU, die alljährlich in Deutschland gegründet werden, erleben lediglich 50 % das fünfte Lebensjahr, nur 7 % überstehen die ersten zehn Jahre.[1]

Abschreckend wirkt zudem, dass JTU nicht nur in hochtechnologischen Bereichen tätig sind und sogar neue Marktnischen entdecken und belegen, sondern auch völlig neuartige, meist hochtechnologische Produkte und Dienstleistungen anbieten. Der technisch nicht versierte Kreditsachbearbeiter vermeidet eine Kreditvergabe, da er unter Verwendung seines bewährten Instrumentariums zur Kreditwürdigkeitsprüfung (KWP)[2] nicht zu dem Glauben gelangt, dass das JTU zukünftig in der Lage sein wird, seinen Verpflichtungen aus dem Kredit nachzukommen.

Dieser Situation versucht die vorliegende Arbeit Herr zu werden.

Nachdem zu Beginn geklärt wurde, unter welchen Rahmenbedingungen die beiden Kontrahenten Bank[3] und JTU zusammenfinden können und inwieweit eine Kooperation für beide Parteien überhaupt Sinn macht, soll die Eignung bestehender und neuer Verfahren zur KWP bei JTU diskutiert werden. Anschließend sollen notwendige Modifikationen an etablierten Instrumenten vorgenommen und neue Ansätze entwickelt werden, um ein funktionsfähiges Verfahren zur Prüfung der Kreditwürdigkeit von JTU zur Verfügung stellen zu können. Sofern im Rahmen der zentralen Diskussion auf Daten aus Jahresabschlüssen von JTU zurückgegriffen werden muss, werden ausschließlich Abschlüsse per 31.12.1999 berücksichtigt.

2. Der Kreditbedarf junger Technologieunternehmen

2.1 Begriffliche Abgrenzung junger Technologieunternehmen

Ein Unternehmen wird als jung bezeichnet, wenn der Zeitpunkt der Gründung nicht allzu lange zurückliegt.[4] Die zeitliche Dimension dieser Aussage ist schwer greifbar. Auf eine Präzisierung kann aber verzichtet werden, da es letztlich für die KWP nicht primär entscheidend ist, wie lange das JTU existiert, sondern in welchem Entwicklungsstadium es sich befindet.[5]

Die Gruppe der JTU zeichnet sich insbesondere durch ihre im Vergleich zu Unternehmen anderer Branchen starke Innovationsorientierung aus, die in intensiver Forschungs- und Entwicklungstätigkeit[6], in einer bemerkenswerten Patentierfreudigkeit und in neuen Produkten, Verfahren und Dienstleistungen zum Ausdruck kommt.[7]

2.2 Die Finanzierungsstruktur von jungen Technologieunternehmen im Entwicklungsfortschritt

Im Folgenden gilt es zu klären, welche JTU überhaupt als Nachfrager von Bankkrediten auftreten und welche Unternehmen aus Bankensicht als Zielgruppe auszuwählen sind.

Die Deckung des Kapitalbedarfs eines JTU von außen kann entweder über Eigenkapital, Fremdkapital oder über eine Mischung aus beidem dargestellt werden.

Eigenkapital wird durch den oder die (zukünftigen) Eigentümer des Unternehmens über eine Beteiligung am Gesellschaftskapital zur Verfügung gestellt.[8] Die Verwendung ist in der Regel zeitlich unbegrenzt.[9] Der Beteiligte partizipiert als Miteigentümer an Gewinn und Verlust.[10]

Fremdkapital in seiner ursprünglichsten Form wird durch Kreditinstitute zur Verfügung gestellt. Klassische Erscheinungsformen sind das Bankdarlehen oder der Kontokorrentkredit. Sowohl auf das Darlehen als auch auf den in Anspruch genommenen Teil des Kontokorrentkredits sind Zinszahlungen zu entrichten. Die Darlehensverträge enthalten zudem meist einen Abschnitt, der die Rückführung des Darlehensbetrages durch Tilgung regelt.

Eine Sonderform der Fremdkapitalfinanzierung stellen öffentliche Förderkredite dar.

Da diese zu Beginn oft zins- und tilgungsfrei zur Disposition stehen, mit langen Laufzeiten ausgestattet sind oder sogar in das Vermögen des Firmeninhabers übergehen (§ 230 HGB), können sie Eigenkapitalähnlichkeit erlangen.[11]

Das in Abbildung 1 dargestellte Innovationsprozess-Zyklus-Modell der Unternehmensentstehung zeigt neben den Lebensphasen, die ein JTU durchläuft, die den Abschnitten entsprechende Finanzierungsstruktur.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Für die KWP der Banken ist dieses Modell von grundlegender Bedeutung.[12] Sobald das Unternehmen einer Phase zugeordnet wurde, kann die Bank abschätzen, ob eine Finanzierung durch Fremdkapital überhaupt sinnvoll ist. Ein System zur KWP bei JTU kann so sehr zutreffend eingegrenzt werden.

Außerdem können über einen Vergleich der Unternehmenssituation mit den phasenspezifischen Kennzeichen Rückschlüsse auf eine mögliche Fehlentwicklung des Unternehmens gezogen werden. Nur im Falle einer sukzessiven Passage der Abschnitte in der angegebenen Reihenfolge kann – ceteris paribus – das Risiko einer Fehlentwicklung oder sogar eines Scheiterns minimiert werden.[13]

Die „Seed-Phase“, die auch als Phase der Gründungsvorbereitung bezeichnet wird[14], ist v. a. durch theoretische Tätigkeiten der Gründer gekennzeichnet. Es wird eine Unternehmenskonzeption erarbeitet, in der es letztlich darum geht, die Ideen der Gründer in kaufmännisch plausible Formen zu betten.[15] Der Geschäftsbetrieb wurde zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgenommen, es fallen keine Umsätze an, und Gewinne sind erst in ferner Zukunft zu erwarten. Sofern das Eigenkapital der Gründer nicht ausreicht, ist die Finanzierung durch einen externen Investor aufgrund des überdurchschnittlichen Risikos in dieser Phase nur in Erwartung überdurchschnittlicher Renditen darstellbar. Die Anforderungen an den durchschnittlichen Profit aus einem solchen Engagement bewegen sich in einer Größenordnung von 80 %.[16] Da keine Mittel zur Zins- oder Tilgungsleistung vorhanden sind und die Anlaufverluste zur Vermeidung einer insolvenzauslösenden Überschuldung[17] (§ 19 InsO) gedeckt sein müssen, kommt lediglich Eigenkapital zur Finanzierung in Frage. Die auf diesem Gebiet tätigen Venture Capital Unternehmen (VCU) investierten im Jahre 1999 7 % ihres Gesamtportfolios in Unternehmen, die sich in der Phase der Gründungsvorbereitung befanden.[18] Ebenfalls engagiert in diesem Segment sind neuerdings die sogenannten „Business Angels“. Hinter dieser Bezeichnung verbergen sich Privatpersonen, die ohne Hinzuziehung von Banken, VCU oder sonstigen Mittlern in JTU investieren. Dabei bringen sie meist umfangreiches kaufmännisches Wissen und erworbene Branchenerfahrung mit ein.[19]

Die Förderung von JTU ist stets mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze verbunden. Da öffentliche Institute wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder die Deutsche Ausgleichsbank (DtA) die Wahrnehmung dieses Förderauftrages als ihr vordringlichstes Ziel erachten, kommt ihnen bei der Finanzierung von JTU in der „Seed-Phase“ die bedeutendste Rolle zu.[20]

In der „Start-up-Phase“ vollzieht sich die formale Gründung des Unternehmens, das sich einen Standort verschafft und erste Mitarbeiter einstellt. Zudem erfolgt in dieser Phase die Entwicklung des Produkts bis zur Markreife und die Erstellung eines Marketingkonzepts.[21] Erfahrungsgemäß fallen in diesem Abschnitt sehr hohe Verluste an, was v. a. auf die – in Relation zur Unternehmensgröße – beträchtlichen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung zurückzuführen ist. Ein Modellversuch in den neuen Bundesländern ergab, dass diese Phase ca. zwei bis drei Jahre in Anspruch nimmt und der durchschnittliche Kapitalbedarf 1,4 bis 1,5 Mio. DM beträgt.[22] Die Finanzierung dieser Anlaufverluste wird primär durch öffentliche Förderinstitute und VCU dargestellt.[23]

Die erste wirkliche Bewährungsprobe hat das JTU im letzten Abschnitt der Gründungsphase („First-Stage“) zu bestehen, da hier die Markteinführung des Produktes erfolgt. Jetzt zeigt sich, ob die erarbeiteten Konzepte und Planungen zutreffend waren und der Markt richtig eingeschätzt wurde. Es wird umfangreich in die Serienfertigung und in den Vertrieb investiert. Die Komposition der Marketing-Instrumente erlangt Priorität. Der Kapitalbedarf, der in dieser Phase durchschnittlich 2,0 Mio. DM beträgt[24], wird vorrangig durch weitere Fördermittel und VCU gedeckt.[25] In 1999 investierten VCU einen Großteil ihrer Mittel (über 26 %) in dieser Phase.[26] Bankkredite werden nur in kurzfristiger Form, z. B. als Kontokorrentkredit zur Vorfinanzierung, gewährt und mit der Auflage versehen, dass die Verluste durch Eigenkapital gedeckt sind.[27]

In der sich anschließenden Wachstumsphase, die in „second-stage“ und „third-stage“ unterteilt wird, expandiert das Unternehmen kräftig. Durch weitere Investitionen in Fertigung und Vertrieb steigen die Umsätze, und die Gewinnschwelle wird erreicht. Jetzt nutzt das Unternehmen erworbene Technologievorteile zur Abschöpfung von Pioniergewinnen. Da die Unternehmen mittlerweile auch in der Lage sind, Eigenbeiträge zu den Investitionsvorhaben zu leisten, steht ihnen ein größeres Spektrum an öffentlichen Förderkrediten zur Auswahl.[28] Auch klassische Bankdarlehen kommen in Frage, da nunmehr Zins- und Tilgungsleistungen erbracht werden können.

In der Diversifikationsphase werden die Eigenkapitalgeber ausgelöst und die JTU decken ihren weiteren Kapitalbedarf über Kredite und bei gegebener Emissionsfähigkeit über öffentliche Kapitalmaßnahmen wie Börsengänge oder Kapitalerhöhungen.[29]

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine Finanzierung von JTU, die sich in der „Seed-Phase“ bzw. in der „Start-Up-Phase“ befinden, für Kreditinstitute und JTU weniger von Interesse sein kann.[30] Sobald jedoch die verlustreiche Phase durch Eigenkapital und Förderprogramme überbrückt wurde und sich das Unternehmen der Gewinnzone nähert, kommt eine Begleitung durch Banken zunehmend in Betracht.[31]

Bevor die Determinanten einer Kreditvergabe an JTU aus Bankensicht erläutert werden, soll untersucht werden, inwieweit die Nachfrage nach Bankdarlehen durch die Entwicklung der deutschen Technologiebörse beeinflusst wird, da unter anderem hier eine Ursache für Verschiebungen zwischen den Kapitalquellen zu vermuten ist.

2.3 Der Einfluss der Börsenlage auf die Kreditnachfrage

Seit der Gründung des Neuen Marktes als Börsensegment für JTU im Jahre 1997 kam es zu einer wahren Flut von Börsengängen. Mittlerweile sind 341 Unternehmen notiert.[32] Ein wesentliches Motiv für die sogenannten „IPOs“ (Initial Public Offerings)[33] ist in vielen Fällen der in der Wachstumsphase extrem ansteigende Kapitalbedarf. Vielen Unternehmen fehlt das Geld, um entwickelte Produkte schlagkräftig am Markt platzieren zu können.[34] Nicht selten spielen auch die Absichten bereits engagierter Kapitalgeber eine gewichtige Rolle, da z. B. VCU in einem Börsengang am Neuen Markt die mit Abstand lukrativste Exit-Möglichkeit sehen. Die Renditen liegen hier im Durchschnitt um ein vielfaches höher als bei anderen Desinvestmentstrategien.[35]

Nun soll der Frage nachgegangen werden, ob und wie sich die Entwicklung des für JTU maßgeblichen Nemax-All-Share-Index[36] auf die Emissionstätigkeit der JTU auswirkt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anhand Abbildung 2 ist zu erkennen, dass sich in der Zeit von Dezember 1999 bis Dezember 2000 der Nemax-All-Share-Index nahezu drittelte und die Zahl der Börsengänge im gleichen Zeitraum – lässt man vereinzelte Ausreißer unbeachtet – von 20 im Februar 2000 auf einen im Dezember 2000 kontinuierlich abnahm.

Noch aussagekräftiger wird das Bild, wenn man die Zahlen der abgesagten Börsengänge hinzuzieht. Im Zeitraum August 2000 bis November 2000 stieg die Zahl der Absagen rapide an. Da der Index im gleichen Zeitraum ca. 30 % seines Wertes verlor, liegt die Vermutung nahe, dass von den 55 seit August 2000 vorgesehenen Börsengängen ein Großteil der insgesamt 19 Absagen aufgrund der schlechten Verfassung der Technologiebörse erfolgte. Allein zwölf der Absagen entfallen auf den Rekordmonat des Vorjahres November.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auch die Zahl der lancierten Kapitalerhöhungen vermittelt ein ähnliches Bild. Da diese Methode der Kapitalbeschaffung im Vergleich zu einer Neuemission keine allzu lange Vorlaufzeit benötigt, sondern kurzfristig annonciert werden kann, ist der Einfluss der Börsenentwicklung hier sogar noch besser abzulesen. Bei Betrachtung des Diagramms fällt auf, dass sich kurzfristige deutliche Auf- und Abwärtsbewegungen des Index etwas verzögert in der Zahl der Kapitalerhöhungen niederschlagen. Im Mai 2000 stieg der Index um ca. 17 %, gefolgt von einer annähernden Verdopplung der Kapitalerhöhungen, um dann im Folgemonat deutlich zu fallen, die Zahl der Kapitalerhöhungen auf das ursprüngliche Niveau mitziehend. Dieses Schema kann an vielen Stellen im Diagramm nachgezeichnet werden. Zudem ist – abgesehen von vereinzelten Ausreißern, die durch kurzfristige Aufwärtstrends verursacht wurden – ein klarer Abwärtstrend bei den Kapitalerhöhungen vom Frühjahr zum Winter 2000 erkennbar. Im November und Dezember 2000 gab es bisher keine einzige Kapitalerhöhung.[37]

Welche Konsequenz hat diese Erkenntnis für die vorliegende Arbeit?

Da die Kapitalbeschaffungsquelle Börse in Zeiten einer schwachen Kursentwicklung zwar nicht versiegt, aber dennoch deutlich an Attraktivität verliert und sich z. B. Kapitalerhöhungen kaum noch durchsetzen lassen[38], müssen sich die JTU andere Finanzquellen erschließen. Da auch die VCU, deren favorisierter Exit-Kanal schwerer zugänglich ist, etwas zurückhaltender im Geschäft mit JTU agieren[39], gewinnen die Kredit- und Förderinstitute an Attraktivität.

3. Die Determinanten einer Finanzierung junger Technologieunternehmen durch Kredite

Die meisten deutschen Banken leiden im klassischen Kreditgeschäft mit kleinen und mittelständischen Unternehmen unter einem ernsthaften Ertragsproblem.[40]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bisher müssen die gewichteten Risikoaktiva einer Bank zu 8 % mit Eigenkapital unterlegt werden.[41] Im Sinne des Shareholder-Value, dem sich mittlerweile die meisten deutschen Kreditinstitute verbunden fühlen, müssen die Kredite, für die das Eigenkapital vorzuhalten ist, eine Rendite erwirtschaften, die mindestens über den kalkulierten Eigenkapitalkosten liegt.[42] Dieses Ziel zu erreichen wird für die Banken zu einem schwierigen Unterfangen. Die zunehmende Konkurrenz bewirkt einen starken Margenverfall und erschwert den Unternehmen die Umlage der auf Basis der Kreditwürdigkeit kalkulierten angemessenen Risikokosten auf den Kreditzins.[43] Wird die Bonität zudem falsch eingeschätzt, müssen die später notleidenden Engagements wertberichtigt oder sogar abgeschrieben werden und verschlechtern das Ergebnis der Bank.

Abbildung 4 verdeutlicht diese Problematik. Während der Zinsüberschuss in Prozent des Kreditvolumens seit 1994 stetig fällt, steigen die Aufwendungen für Einzelwertberichtigungen, Abschreibungen und Rückstellungen seit 1995 kontinuierlich.

Das bedeutendste Problem im Geschäft mit JTU stellt die stark ausgeprägte Informationsasymmetrie zwischen der bonitätsbeurteilenden und der kreditnehmenden Partei dar.[44] Die Kreditsachbearbeiter besitzen meist nicht das nötige Know-how, um technologische Innovationen angemessen zu beurteilen, die Bilanzen der Unternehmen sind weniger aussagekräftig und es liegen keine oder nur wenige Informationen über den Markt vor, auf dem das Unternehmen tätig ist.[45] Oft werden auch der Mangel an werthaltigen Sicherheiten[46], die gerade im Falle einer schwer einzuschätzenden Bonität eingefordert werden[47], und die Unerfahrenheit des Managements[48] als Argumente gegen eine Kreditvergabe an JTU ins Feld geführt.

Trotzdem offenbart sich den Kreditinstituten gerade im Geschäft mit JTU enormes Ertragspotenzial. Folgende Gründe können zur Untermauerung dieser Aussage angeführt werden:

Ca. 40 % aller mittelständischen Unternehmen beziehen Banken in ihre Innovationsüberlegungen ein, ca. 30 % erwarten Unterstützung durch Kreditinstitute bei der Wachstumsfinanzierung.[49] Zudem sind Banken nach wie vor der erste Ansprechpartner für kapitalsuchende Unternehmen.[50]

Viele mittelständische Unternehmen fürchten den Einfluss externer Eigenkapitalgeber und greifen lieber auf klassische Bankkredite zurück. Das „Herr im eigenen Haus“-Denken ist weiterhin stark ausgeprägt.[51]

Bei vielen Förderkrediten gilt das Hausbankprinzip, d. h. der Kreditsuchende beantragt die Fördermittel bei seiner Hausbank, die auch die Kreditwürdigkeit prüft und den Antrag an das Förderinstitut weiterleitet.[52] Die ausgereichten Kredite stehen dann im Obligo der Hausbank, die an den Erträgen aus dem Förderkredit partizipiert.[53] Darüber hinaus kommt den Banken auch bei der Vermittlung von Beteiligungsgebern die größte Bedeutung zu.[54]

Während der durchschnittliche Anteil von Fremdkapital, bei einem Gesamtkapitalbedarf der JTU unter 1 Mio. DM, bei 14 % liegt, steigt er bei einem Kapitalbedarf von über 5 Mio. DM auf 66 %.[55] Eine empirische Studie kommt zudem zu dem Ergebnis, dass JTU mit hohem Fremdkapitalanteil einen höheren technischen Zielerreichungsgrad aufweisen und deshalb zumindest subjektiv erfolgreicher sind.[56]

Dem Sicherheitsbedürfnis der Bank kommen die öffentlichen Förderinstitute durch Haftungsfreistellungen und Bürgschaften entgegen.[57]

Zuletzt ist festzuhalten, dass eine strategisch motivierte Kreditvergabe in einem relativ frühen Stadium der Bank erhebliche Möglichkeiten eröffnet, provisionsorientierte Zusatzgeschäfte zu generieren. Zu denken ist insbesondere an eine spätere für die Bank sehr lukrative Begleitung des Börsengangs.[58]

Wenn es gelingt, die vorherrschenden Informationsdefizite durch geeignete Instrumente abzubauen, eröffnet sich für die Banken der Zugriff auf ein Kundensegment, das gerade in der Entstehung begriffen und noch weitestgehend unerschlossen ist und das aufgrund seiner Nachfrage nach dem gesamten Spektrum der Finanzdienstleistungen für Firmenkunden[59], hochprofitables Geschäft verspricht. Nicht zuletzt kann sich eine Förderung von JTU in einem erheblichen Imagegewinn für das engagierte Institut niederschlagen.

4. Die Kreditwürdigkeitsprüfung

4.1 Wesen und Erkenntnisziele der Kreditwürdigkeitsprüfung

Die sich an die Kreditfähigkeitsprüfung anschließende[60] KWP ist als Prozess zu verstehen, der über die Selektion, Bündelung und Auswertung sämtlicher entscheidungsrelevanter Informationen eine fundierte Kreditentscheidung ermöglicht.[61] Letztlich liefert die KWP die Grundlage für eine digitale Entscheidung, da der Kredit entweder gewährt oder nicht gewährt wird. Die Ingangsetzung des Prozesses beruht einerseits auf eigenem Antrieb[62], andererseits aber auch auf gesetzlichen Bestimmungen, da Kreditinstitute gemäß § 18 KWG verpflichtet sind, sich die wirtschaftlichen Verhältnisse bei Engagements über 500.000 DM, insbesondere durch die letzten Jahresabschlüsse[63], offen legen zu lassen, die Unterlagen zu analysieren und die Ergebnisse zu dokumentieren.[64]

Das Oberziel der KWP ist die Beurteilung der nachhaltigen Kapitaldienstfähigkeit des Unternehmens. Die prüfende Bank, die primär an der Rückzahlung und Verzinsung der von ihr ausgegebenen Gelder interessiert ist, geht der Frage nach, ob die Rückzahlung der Verbindlichkeiten zukünftig möglich sein wird.[65]

Weiterhin versuchen die Kreditinstitute, anhand der KWP das Ausfallrisiko eines jeden Engagements einzuschätzen, um darauf aufbauend eine angemessene Risikovorsorge vorzunehmen, die Konditionen zu gestalten aber auch die betrieblichen Abläufe entsprechend der Intensität des Prüfungsbedarfs abzustimmen.[66]

Ferner bildet die Bonitätsanalyse die Grundlage für etwaige Sicherheitsforderungen der Bank, wenn nämlich der Kredit nicht allein auf die Kreditwürdigkeit des Antragstellers abgestellt werden kann.[67]

Es fällt auf, dass die Zielsetzungen, die der KWP zugrunde liegen, vornehmlich defensiv, d. h. sicherheitsorientiert ausgerichtet sind. Mögliche Chancen, wie sie im vorhergehenden Abschnitt angesprochen wurden, werden negiert.

4.2 Die Kreditwürdigkeitsprüfung in der Praxis

4.2.1 Die Kreditwürdigkeitsprüfung bei der Bankgesellschaft Berlin AG

Die Bankgesellschaft Berlin AG verfolgt eine Mehrmarkenstrategie in ihrer Kernregion Berlin. Im Firmenkundengeschäft ist sie mit den Marken Berliner Bank Niederlassung der Bankgesellschaft Berlin AG (BB/BGB), der Berliner Sparkasse (BSK) und der Landesbank Berlin (LBB) aktiv.[68] Die folgende vergleichende Analyse bezieht sich auf die Instrumente, die bei der LBB bzw. bei der BB/BGB angewendet werden, da hier die größten Unterschiede ausgemacht werden konnten.

Die Verfahren zur KWP der Teilbanken weisen v. a. im Detail erhebliche Unterschiede auf, während das Grundschema gleich ist.

Sowohl die LBB („EBIL“) als auch die BB/BGB („MABILA“) führen zunächst eine maschinelle Jahresabschlussanalyse durch, bei der die Bilanzen und Erfolgsrechnungen der letzten drei Jahre erfasst werden können. Nachdem die Daten in spezielle Eingabemasken eingepflegt wurden, wird nach einem definierten Algorithmus eine Strukturbilanz[69] aufgestellt. Dabei werden in erster Linie die Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten nach dem Grad der Liquidierbarkeit bzw. nach Restlaufzeiten geordnet und einander fristenkongruent gegenübergestellt, es werden Kompensationen bestimmter – im Falle einer Insolvenz nicht verwertbarer – Aktiva mit dem Eigenkapital vorgenommen[70] und Verbindlichkeiten aufgrund ihres Eigenkapitalcharakters den Eigenmitteln hinzugerechnet.[71] Die Gewinn- und Verlustrechnungen der letzten drei Jahre werden nach einem Erfolgsspaltungsverfahren[72] neu aufgeschlüsselt.

Der nächste Schritt besteht in der Berechnung von Kennzahlen, deren Umfang allerdings unterschiedlich ist. Kennzahlensysteme kommen in beiden Fällen nicht zum Einsatz. Die EBIL-Auswertung der LBB enthält jedoch eine STATBIL-Note in der Skala von eins (sehr gute Bonität) bis fünf (sehr schlechte Bonität), die nach dem Verfahren der Multivariaten Linearen Diskriminanzanalyse (MDA)[73] ermittelt wurde. Zum Branchenvergleich steht der LBB ein Datenpool mit 1,4 Mio. Jahresabschlüssen zur Verfügung.[74] Die BB/BGB hat ebenfalls Zugriff auf eine Branchendatenbank.

Die wesentlichen Merkmale von EBIL und MABILA sind in Tabelle 1 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Damit ist der vorbereitende Teil abgeschlossen. Nun geht es darum, anhand der Kennzahlen, der Branchenvergleichszahlen und der Strukturbilanz die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens möglichst zutreffend einzuschätzen. Zum einen geschieht dies, wie bei der LBB, über die erwähnte mathematisch-statistische Auswertung STATBIL, zum anderen wird in beiden Häusern eine Analyse durch den Kreditsachbearbeiter vorgenommen.

Die Untersuchung der Vermögenslage soll dabei vorrangig Aufschluss über die Vermögensstruktur geben[75], von der unter anderem das Liquiditätspotenzial[76], die Kapitalbindungskosten[77], die Fixkostenbelastung[78] und die betriebliche Flexibilität[79] abgeleitet werden.

Im Mittelpunkt der Analyse der Finanzlage steht vor allem die Frage nach der Fristenkongruenz. Gemäß der goldenen Bilanzregel sollte langfristig gebundenes Vermögen durch langfristig zur Verfügung stehendes Kapital refinanziert werden, die Deckung kurzfristig gebundenen Vermögens darf durch kurzfristiges Kapital erfolgen.[80] Darüber hinaus wird durch eine Kapitalstrukturanalyse die Zusammensetzung der Passiva untersucht.[81] Die Liquiditätsanalyse soll Aufschluss darüber geben, ob das Unternehmen seinen kurzfristigen Verbindlichkeiten ordnungsgemäß nachkommen kann.[82]

Sehr große Beachtung schenkt die Bank der Ertragslage des Unternehmens, da für sie die nachhaltige Kapitaldienstfähigkeit von zentralem Interesse ist.[83] Die nach dem Erfolgsspaltungsverfahren überarbeitete Gewinn- und Verlustrechnung gibt Aufschluss darüber, wie rentabel das Unternehmen arbeitet.[84] Außerdem wird ersichtlich, welchen Beitrag zum Jahreserfolg die originäre Geschäftstätigkeit liefert und inwieweit das Ergebnis durch außerordentliche Erträge und/oder Aufwendungen beeinflusst wird.[85]

Im Rahmen der Ermittlung der Kapitaldienstfähigkeit wird über die Eliminierung bzw. Neutralisierung möglichst aller außerordentlichen und nicht liquiditätswirksamen Aufwands- und Ertragspositionen aus dem Jahresüberschuss vor Steuern der Cash-Flow[86] berechnet, der, erweitert um die der Erfolgsrechnung zu entnehmenden Zinsaufwendungen, als sogenannter „erweiterter Cash-Flow“ den zu erbringenden Zins- und Tilgungsleistungen gegenübergestellt wird.[87] Ergibt sich hier ein Überschuss, ist dies positiv zu werten, da das Unternehmen kapitaldienstfähig ist. Im Falle einer Unterdeckung wird unter Umständen der beantragte Kredit nicht gewährt, da mit großer Wahrscheinlichkeit der Kapitaldienst nicht erbracht werden kann.

Sowohl die LBB als auch die BB/BGB lassen sich in Ergänzung zu den Jahresabschlüssen regelmäßig weitere Unterlagen, wie aktuelle betriebswirtschaftliche Auswertungen, Umsatz- und Liquiditätspläne oder Auftragsbestandslisten, einreichen. Dies ist insbesondere dann angebracht, wenn die Jahresabschlüsse nicht zeitnah zur Verfügung gestellt wurden oder ein Bild über die Bonität nur unzureichend vermitteln.[88]

Die Verdichtung sämtlicher verfügbarer Informationen erfolgt bei beiden Instituten durch ein Rating. Dabei handelt es sich um ein Scoringverfahren mit gleichgewichteten Teilratings.[89] Neben den quantitativen Daten aus der Jahresabschlussanalyse und aus den weiteren oben aufgeführten Quellen fließen Informationen zum Unternehmer, zu betrieblichen Sachverhalten, zum Markt und zu den Sicherheiten ein.

Der Anwender gelangt über Teilnoten in den Einzelabschnitten zu einer Gesamtnote im Spektrum von A bis E. Das Zustandekommen der jeweiligen Teilnoten und der Gesamtnote verdeutlichen anhand eines Beispiels für beide Institute Abbildung 11 und Abbildung 12, die dem Anhang zu entnehmen sind,.

Der wesentliche Unterschied zwischen den dargestellten Verfahren besteht darin, dass bei der BB/BGB die dritte Gliederungsebene nicht existiert. Stattdessen ist die Erläuterung aller für die erste Ratingstufe relevanten Informationen mittels Freitext vorgesehen. Dem Anwender wird dadurch sehr großer Spielraum eingeräumt.

Das fertiggestellte Rating dient in beiden Häusern als Grundlage für eine Vielfalt von Entscheidungen. Abbildung 5 bildet diese – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – ab.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4.2.2 Die Prüfungsverfahren anderer deutscher Kreditinstitute im Zeitvergleich

Im Folgenden soll untersucht werden, ob und wie sich die Analyseverfahren der größten deutschen Kreditinstitute und -institutsgruppen im Zeitraum 1990 bis 2000 verändert haben. Die Methoden der Kreditinstitute zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit ihrer Kunden sind in ihrer Komposition sehr heterogen. Diese Erkenntnis konnte bereits vor zehn Jahren gewonnen[90] werden und gilt bis heute.[91]

Das zentrale Informationsobjekt stellt für alle Kreditinstitute, die in die Erfassung einbezogen wurden[92], der Jahresabschluss dar. Dieser wird von allen vertretenen Banken seit 1990 grundsätzlich unverändert nach dem unter 4.2.1 beschriebenen Schema formell, d. h. ohne erfolgswirksame Veränderung der Wertansätze in der Bilanz[93], aufbereitet.[94]

Der Zeitvergleich offenbart in erster Linie Unterschiede, die sich auf die Auswertungs- und Analysepraxis erstrecken. Die Veränderungen sind übersichtlich in Tabelle 2 dargestellt. Auffällig ist die deutliche Zunahme von EDV-gestützten Insolvenzprognoseverfahren, wobei bisher lediglich die Multivariate Diskriminanzanalyse zum Einsatz kommt. Methoden, die sich Künstlicher Neuronaler Netze bedienen, wurden bis zum Jahr 2000 noch nicht verwandt. Ihr Einsatz wird aber mit Hochdruck vorbereitet.[95]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

5. Die Schwächen etablierter Verfahren im Hinblick auf eine fundierte Kreditwürdigkeitsprüfung bei jungen Technologieunternehmen

5.1 Die den Erfolg von jungen Technologieunternehmen bestimmenden Faktoren

Das Instrumentarium der Kreditinstitute zur KWP hat sich über Jahrzehnte entwickelt. Gerade in der letzten Dekade haben die größten deutschen Geldinstitute umfangreich in modernste Technik investiert, um die Bonität potenzieller und tatsächlicher Kunden noch zutreffender einschätzen zu können. Das Verfahren der klassischen Jahresabschlussanalyse wurde um statistische Verfahren, wie die Multivariate Diskriminanzanalyse, erweitert.

Die dafür getätigten Investitionen bedingen nicht zwangsläufig eine zutreffendere Bonitätsanalyse, da sie aber vermutlich unter Hinzuziehung umfangreichen kaufmännischen und kreditwissenschaftlichen Kalküls getätigt wurden, muss sich eine Kritik v. a. auf die Neuartigkeit der KWP bei JTU stützen und die mangelnde Abdeckung der zentralen Kennzeichen und Erfolgsfaktoren dieser Unternehmen durch die bestehenden Verfahren argumentativ hervorheben.

In der Konsequenz muss also die Erörterung der Faktoren, die den Erfolg von JTU bedingen, einer Schwächenanalyse vorangehen. An dieser Stelle soll jedoch lediglich ein grobes Raster erstellt werden, da die detaillierte Aufschlüsselung dem sechsten Abschnitt vorbehalten ist.

Auf den Kern reduziert, ist Erfolg die Antipode zu Misserfolg. Folglich müssten die Zahlen zu den häufigsten Insolvenzursachen Rückschluss darauf geben, anhand welcher Faktoren sich erfolgreiche von erfolglosen Unternehmen unterscheiden lassen.[96]

Insolvenzen werden demnach in erster Linie durch eine falsche Kapitalstruktur sowie durch Absatzschwierigkeiten und Mängel innerhalb der Geschäftsführung verursacht.

Im Umkehrschluss müssten sich erfolgreiche JTU durch ein gutes Management, ihre Absatzstärke und eine optimierte Kapitalstruktur von den erfolglosen unterscheiden.

Diese Vereinfachung weist markante Schwächen auf, da zum ersten die Insolvenz – abgesehen von exogenen Faktoren – letztendlich immer auf Fehlentscheidungen der Geschäftsführung zurückzuführen ist[97], zum zweiten der Frage nach dem Erfolg ein prospektives Element anhaftet, das gerade bei JTU nicht vernachlässigt werden sollte[98], und zum dritten die Insolvenzursachenforschung nicht spezifisch für JTU vorgenommen wurde und deshalb hier nicht aussagekräftig ist. Deshalb soll anhand der empirischen Erfolgsfaktorenforschung überprüft werden, ob die Ergebnisse der Insolvenzursachenforschung zutreffend sind oder unter Umständen modifiziert und ergänzt werden müssen.

Der Literatur zu diesem Themenkomplex ist zu entnehmen, dass die Qualität der Unternehmensführung einen wesentlichen Erfolgsfaktor darstellt[99], wobei gerade „weichen“ Faktoren, die auch unter dem Begriff der emotionalen Intelligenz[100] subsumiert werden können, große Bedeutung zukommt.[101] Weiterhin kann festgehalten werden, dass umfangreiche Marketingkenntnisse der Unternehmensführung zwischen erfolgreichen und erfolglosen JTU diskriminieren[102], da JTU häufig aufgrund mangelnder Markt- und Kundenorientierung scheitern.[103]

JTU entwickeln und produzieren zu Beginn ihres Lebens meist nur ein Produkt oder eine Dienstleistung.[104] Da die Produktlebenszyklen immer kürzer[105] und die Forschungszyklen immer länger werden (siehe Abbildung 6), muss ein erfolgreiches JTU seine technischen Potenziale stets erweitern und aktualisieren, um nicht durch Imitationen – wenn es eine Führerstrategie eingeschlagen hat –[106] oder durch neue Technologien obsolet zu werden.

Der Umgang mit den eigenen technischen Kompetenzen stellt also den zweiten wesentlichen Erfolgsfaktor dar.[107]

Weiterhin kommt der Finanzierungsstruktur enorme Bedeutung zu. Die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung sowie Marketing, die in Relation zum Umsatz oft astronomische Ausmaße annehmen können[108], begründen einen immensen Kapitalbedarf. Wie den Ausführungen zur Finanzierungsstruktur im Zeitverlauf zu entnehmen ist, sollte die Art der Finanzierung keinesfalls der Willkür überlassen werden, um Finanzierungs- und Liquiditätsrisiken weitestgehend zu neutralisieren.

5.2 Durch die Datenbasis begründete Mängel

5.2.1 Die Sprachbarriere des Jahresabschlusses

Wittgensteins Zitat: „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“[109], bringt das Dilemma zum Ausdruck, in dem sich ein bilanzierungspflichtiges JTU befindet. Einerseits besteht die Pflicht zur Erstellung eines Jahresabschlusses, der die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zutreffend vermittelt, andererseits vermögen es die dieser Verpflichtung zugrunde liegenden gesetzlichen Regelungen nicht, das Ziel des Jahresabschlusses zweifelsfrei zu definieren.

Die Pflicht zur Erstellung eines Jahresabschlusses ergibt sich aus § 242 HGB.

Der Jahresabschluss soll gemäß § 264 (2) HGB „unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GOB) ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Finanz-, Vermögens- und Ertragslage vermitteln“. Somit scheint der Zweck des Jahresabschlusses zunächst klar zu sein.

Der Verweis auf die GOB entpuppt sich jedoch als Zirkeldefinition, da selbige nach herrschender Meinung deduktiv aus den genannten Zielen der Jahresabschlusserstellung abzuleiten sind.[110] Zudem handelt sich bei den GOB selbst um einen unbestimmten Rechtsbegriff.[111] Da der Gesetzgeber somit eine genaue Definition der Zielsetzung der Jahresabschlusserstellung nicht erbringt, kann kein in sich schlüssiges Theoriegebäude zur Bilanzierung errichtet werden und der Bilanzierende erhält weitreichende Interpretationsspielräume bei der Jahresabschlusserstellung. Er kann den Jahresabschluss z. B. in seinem Sinne manipulieren. Der Meinung, dass der durch die gesetzlichen Formulierungen geschaffene Freiraum Erkenntnisfortschritte bei dem Auslegenden bewirkt und der Aussagekraft im Sinne einer sogenannten „hermeneutischen Spirale“ zu neuen Höhen emporhilft[112], kann man sich nicht anschließen, da gerade an der gesetzlichen Basis eine eindeutige und unmissverständliche Sprache unverzichtbar ist.[113]

An dieser Stelle gilt es also zunächst festzuhalten, dass die Sprache, derer sich ein JTU bei der Bilanzierung bedienen muss, auf einer – im übertragenen Sinne – unscharfen grammatikalischen Grundlage beruht.

5.2.2 Die Unterbelichtung des technischen Potenzials und der Managementfähigkeiten

Nach herrschender Meinung kann der Jahresabschluss das betriebliche Geschehen nur begrenzt – nämlich beschränkt auf die monetären Auswirkungen – wiedergeben.[114] Qualitative Informationen sind demnach nicht in einem Produkt des betrieblichen Rechnungswesens zum Ausdruck zu bringen.[115]

Anhand der Bilanzposition „Immaterielle Vermögensgegenstände“ (IVG) soll im Folgenden überprüft werden, ob diese Aussagen pauschal auf JTU übertragen werden können. Außerdem gilt es der Frage nachzugehen, inwieweit der Jahresabschluss die kritischen Erfolgsfaktoren von JTU überhaupt reflektiert.

Zu den bilanzierungsfähigen IVG gehören alle entgeltlich erworbenen Rechte und Werte wie Konzessionen, Lizenzen oder ungeschützte Erfindungen, die darauf geleisteten Anzahlungen sowie der derivative Firmenwert (Goodwill)[116], der sich im Falle einer Unternehmensakquisition durch einen Überschuss des Kaufpreises über das bilanzielle Reinvermögen ergibt[117] und die subjektiv wahrgenommenen, nicht im Bilanzvermögen enthaltenen Erfolgsaussichten des zu integrierenden Unternehmens widerspiegelt.[118]

Für selbst geschaffene, d. h. nicht entgeltlich erworbene IVG besteht nach deutschem Recht ein Bilanzierungsverbot.[119] Somit dürfen z. B. Forschungs- und Entwicklungskosten und originäre Firmenwerte nicht aktiviert werden.[120]

Da die Kreditinstitute regelmäßig auch die Konzernabschlüsse, ergänzend zu den HGB-Einzelabschlüssen der deutschen Mutterunternehmen, zu Rate ziehen[121] und selbige v. a. von börsennotierten JTU nach internationalen Grundsätzen aufgestellt werden[122],, ohne dass zusätzlich ein Konzernabschluss nach den Regelungen des HGB erstellt werden muss (§ 292 a HGB), wurden die wesentlichen Regelungen zu den IVG gemäß US-GAAP und IAS in Tabelle 4 hinterlegt, die dem Anhang zu entnehmen ist.

Welche Bedeutung den IVG in den Abschlüssen von JTU zukommt, verdeutlicht Tabelle 5. Die Erhebung erstreckte sich dabei auf die Bilanzen von Unternehmen, die im Nemax-50-Index vertreten sind. Zum Vergleich wurden die entsprechenden Kennzahlen der im Deutschen Aktienindex (DAX) vertretenen Unternehmen gegenübergestellt. Die deutliche Diskrepanz zwischen den Kennzahlen Nr. 2 und 3 bzw. 5 und 6 lässt sich dadurch erklären, dass das gezeichnete Kapital im Vergleich zur Kapitalrücklage bei den meisten börsennotierten JTU verschwindend gering dimensioniert ist.[123]

Aus dem Gewicht, das IVG in den Bilanzen von JTU einnehmen, kann gefolgert werden, dass die Vermögenssubstanz vieler JTU zu einem nicht unwesentlichen Teil durch diese Positionen repräsentiert wird.[124]

Für den externen Analysten, der unter anderem die Beurteilung der Vermögenslage des JTU zur Aufgabe hat, erweist es sich nun mit steigendem Anteil der IVG am Gesamtvermögen zunehmend als schwierig, den Wert und die Bedeutung der IVG richtig einzuschätzen, da diese meist nicht isoliert zu betrachten sind[125], sondern erst in ihrer Gesamtheit oder sogar verwoben im Komplex der gesamten Unternehmung ihre Werthaltigkeit erlangen. Dies gilt insbesondere für den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert, da es sich hier um ein aus vielen Komponenten bestehendes Bewertungskonglomerat handelt, dessen tatsächliche Bedeutung für den Unternehmenserfolg sich frühestens dann herausstellt, wenn die Integration der (neuen) Tochtergesellschaft (zusätzliche) Gewinne bzw. Verluste herbeiführt.[126]

Die IVG sind aber nicht nur verschlüsselt, sondern auch unvollständig, denn eine Aktivierung von Patenten, die das technologische Potenzial widerspiegeln, ist genauso unerlaubt wie die Bilanzierung sozialer und fachlicher Fertigkeiten der Geschäftsführung.[127]

Zur Beantwortung der eingangs aufgeworfene Frage kann also festgehalten werden, dass der Jahresabschluss – auch im Falle von JTU – qualitative Werte nicht zum Ausdruck bringt, sondern sie entweder über die quantitativen Bilanzpositionen unkenntlich macht oder sogar vollständig unterschlägt.

5.2.3 Die Heterogenität der Datenbasis

Ein wesentlicher Bestandteil der KWP ist der unternehmensübergreifende Vergleich anhand von Jahresabschlüssen. Im Folgenden soll geklärt werden, inwieweit die Mannigfaltigkeit der Analysematerialien die KWP erschwert. Da für diesen Zweck auf publizierende Aktiengesellschaften zurückgegriffen werden muss, bieten sich erneut die JTU, die im Nemax-50-Index vertreten sind, an. Die von Küting vorgenommene Erhebung[128] fördert Interessantes zu Tage.

Zunächst fällt auf, dass nicht nach einheitlichen Richtlinien bilanziert wird. 30 Unternehmen erstellen ihre Jahresabschlüsse nach US-GAAP, 16-mal kommen die Vorgaben nach IAS zum Einsatz, zwei Unternehmen fertigen ihre Abschlüsse nach dem HGB an, ein Unternehmen deklariert überhaupt nicht, welche Richtlinien es zu Grunde gelegt hat[129], und ein weiteres verwendet eine bunte Mixtur aus HGB- und IAS-Normen.[130] Somit wird die Vergleichbarkeit unter den Unternehmen deutlich erschwert, da sich natürlich auch die Analyse am jeweils angewendeten Verfahren auszurichten hat.

Weiterhin fällt auf, dass viele Jahresabschlüsse zwar offiziell nach US-GAAP aufgestellt wurden, sich dann tatsächlich aber als verkappte HGB-Abschlüsse entpuppen.

Fallweise verwirrend wirken darüber hinaus unorthodoxe bis extravagante Aufmachungen der Abschlüsse, die ein Zurechtfinden im Zahlenwerk erschweren. Ein Unternehmen veröffentlicht seinen Geschäftsbericht samt Jahresabschluss im Stile einer Zeitschrift.[131]

Während die vorgenannten Merkmale größtenteils lediglich erhöhte Anforderungen an den Analysten und seine Instrumente stellen, deuten weitere Zeichen auf mangelhafte Kenntnisse der Unternehmen in der externen Rechnungslegung und auf eine zumindest unbewusste Irreführung des Prüfenden hin.

Die Jahresabschlüsse sind teilweise lückenhaft[132], entsprechen nicht den internationalen Normen[133] und weisen streckenweise neben unüblichen auch verbotene[134] Bilanzierungsweisen auf.

Erschwerend kommt weiterhin hinzu – und dies gilt nicht nur für die Unternehmen am Neuen Markt –, dass viele JTU in völlig neuen Branchen tätig sind oder sogar neue Branchen erschaffen.[135] Da hier die Branchenvergleichswerte zwangsläufig dünn gesät oder sogar überhaupt nicht vorhanden sind und die Kreditinstitute die Branchendaten gerade im Technologiebereich mitunter nur grob untergliedern (können)[136], sind oft die sehr wichtigen Vergleiche mit anderen Unternehmen der Branche schwer oder sogar gar nicht möglich.

5.2.4 Die mangelnde Aktualität der Jahresabschlussdaten

Die in der Bilanz und in der Erfolgsrechnung dargestellten Sachverhalte beziehen sich auf einen zum Bilanzstichtag abgelichteten[137] vergangenen Zeitraum.

Da der Jahresabschluss den Banken zusätzlich erst gegen Ende des nächsten Geschäftsjahres zur Verfügung gestellt wird, sind die Informationen doppelt veraltet.[138] Dieser Sachverhalt ist für die Einzelabschlüsse von großen, mittelgroßen und kleinen Kapitalgesellschaften in Abbildung 7 dargestellt.

Die gewonnene Erkenntnis über die fehlende Aktualität der Daten zeigt, dass die Jahresabschlussanalyse lediglich die Lage des Unternehmens zum Abschlussstichtag diagnostizieren kann.[139] Die wünschenswerte Prognose kann aus der isolierten Betrachtung eines Jahresabschlusses nicht erfolgen.

Sobald dem Analysten die letzten drei Jahresabschlüsse vorliegen, kann er jedoch durch Vornahme einer Trend- und Diskriminanzanalyse[140] zukünftige Entwicklungen antizipieren.[141] Dies setzt voraus, dass alle Umweltbedingungen im Wesentlichen gleich bleiben und das Unternehmen keine sprunghaften Entwicklungsschritte durchlebt. Erfahrungsgemäß treten krisenhafte Symptome nicht schlagartig auf. Die Insolvenz kündigt sich in der Regel über eine längere Vorlaufzeit schleichend an.[142]

Diese Voraussetzungen ist bei JTU nicht gegeben, da sie in einem dynamischen Umfeld agieren, das permanenten, z. T. schlagartigen Veränderungen unterworfen ist. Die Einführung neuer Schlüsseltechnologien erfolgt in immer kürzeren Zeitabständen. Die JTU sind somit nicht nur den durch ihren eigenen Lebenszyklus bedingten, teilweise markanten Veränderungen unterworfen, sondern haben stets auch externe Einwirkungen zu berücksichtigen, die ohne weiteres schnell die Insolvenz herbeiführen können. Zum besseren Verständnis dieser Problematik wurde Abbildung 8 angefertigt. Exemplarisch wurde ein fiktives JTU in Form einer mittelgroßen Kapitalgesellschaft gewählt (XY AG).

Die XY AG sei ein Ein-Produkt-Unternehmen. Im Laufe des Geschäftsjahres 1 kommt es zur Entwicklung einer neuen Technologie durch ein Konkurrenzunternehmen, das im Geschäftsjahr 2 verstärkt sein neues Produkt am Markt anbietet. Bedingt durch die zunehmende Substitution des Produkts der XY AG durch das neue Produkt, muss die XY AG im Geschäftsjahr 3 Insolvenz anmelden. Für die Bank ist dieser Sachverhalt aus dem gegen Ende des Geschäftsjahres 2 veröffentlichen Jahresabschluss nicht zu erkennen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

5.2.5 Die Manipulierbarkeit des Jahresabschlusses

Das HGB eröffnet den bilanzierenden JTU – und nicht nur diesen – vielfältige Möglichkeiten zur Manipulation des Ergebnisses und der Struktur des Jahresabschlusses. Pfleger ermittelte allein über 100 Methoden, die eine gezielte Variation der Darstellung der Finanz-, Vermögens- und Ertragslage ermöglichen.[143]

Das Ziel dieser bilanzpolitischen Maßnahmen ist es entweder, die schlechte Lage des Unternehmens zu beschönigen, um z. B Kreditkündigungen zu vermeiden bzw. eine sehr gute oder gute Situation schlechter darzustellen, um z. B. erhöhten Forderungen der Anteilseigner zu entgehen.[144]

Begegnet der prüfende Kreditsachbearbeiter dem Jahresabschluss eines JTU in Unkenntnis dieser Möglichkeiten, besteht das Risiko, dass er die (vergangene) Lage des Unternehmens unzutreffend einschätzt und ungerechtfertigt Kredite vergibt oder zurückhält.

Zur Aufdeckung bilanzpolitischer Maßnahmen wurden in der Vergangenheit jedoch zwei Instrumente entwickelt, die helfen sollen, die Bilanzmanipulation als Schwäche der Datenbasis zu neutralisieren. Zum einen wurden einige „intelligente“ Kennzahlen entwickelt, zum anderen können über die qualitative Auswertung des Anhangs und des Lageberichts die bilanzpolitischen Maßnahmen des Unternehmens aufgedeckt werden.

Beispielsweise ermöglicht die „intelligente“ Kennzahl:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

die Neutralisierung von Sale-and-lease-back-Maßnahmen.[145]

[...]


[1] Vgl. Riedel/Wilke (2000), S. 14.

[2] Die Begriffe „Kreditwürdigkeit“ und „Bonität“ werden in dieser Arbeit synonym verwendet.

[3] Die Begriffe „Bank“ und „Kreditinstitut“ werden in dieser Arbeit synonym verwendet.

[4] Vgl. Henning (2000), S. 12.

[5] Vgl. Schmeisser/Jahn (1999), S.49.

[6] Vgl. Kulicke (1993), S. 14.

[7] Vgl. Perillieux/Wittkemper (1991), S. 15.

[8] Vgl. Coenenberg (2000), S. 269.

[9] Vgl. Baetge (1998), S. 212.

[10] Vgl. Kulicke/Wupperfeld (1996), S. 36.

[11] Vgl. Kulicke/Wupperfeld (1996), S. 271 und Baier/Pleschak (1996), S. 112-113.

[12] Vgl. Schmeisser/Jahn (1999), S. 49-50

[13] Vgl. Baier/Pleschak (1996), S. 12.

[14] Vgl. Kulicke (1993), S. 22.

[15] Vgl. Baier/Pleschak (1996), S. 17 und Kulicke (1993), S. 22.

[16] Vgl. Wiedemeier/Löseke (1999), S.21.

[17] Überschuldung liegt vor, wenn angehäufte Verluste das gesamte Eigenkapital übersteigen [vgl. Coenenberg (2000), S. 30].

[18] Vgl. Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (2000), S. 60.

[19] Vgl. Wiedemeier/Löseke (1999), S. 21.

[20] Vgl. Riedel/Wilke (2000), S. 16-17.

[21] Vgl. Schmeisser/Jahn (1999), S. 49.

[22] Vgl. Henning (2000), S. 36.

[23] Siehe Abbildung 1.

[24] Vgl. ebenda, S. 37.

[25] Vgl. Schmeisser/Jahn (1999), S. 49.

[26] Vgl. Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (2000), S. 60.

[27] Essenz eines Telefongesprächs mit Karsten Wagner (Leiter im Bereich Gründungen und Unternehmensnach-folge bei der Landesbank Berlin) am 27.02.2001 um 14.00 Uhr.

[28] Vgl. Baier/Pleschak (1996), S. 102.

[29] Vgl. Rams/Remmen (1999), S. 687.

[30] Vgl. Baier/Pleschak (1996), S. 108.

[31] Vgl. Riedel/Wilke (2000), S. 15.

[32] Stand 12.04.2001.

[33] Der Begriff „IPO“ wird synonym zum Begriff „Neuemission“ verwendet.

[34] Diese Erkenntnis konnte aus einem Gespräch mit dem Leiter der Abteilung Risikobetreuung der Landesbank Berlin Carsten Wegbünder am 07.02.2001 gegen 15.00 Uhr gewonnen werden.

[35] Vgl. Bundesverband deutscher Banken (BdB) (1999), S. 29.

[36] Börsenindex, in dem alle am Neuen Markt notierten Unternehmen vertreten sind.

[37] Diese Auskunft erteilte Lothar Schnakig (Deutsche Börse AG) am 05.02.2001 um 11.46 Uhr per E-Mail.

[38] Vgl. Schnattinger, Frank (2000), S.24.

[39] Vgl. Müller, Anja (2001), S. N1.

[40] Vgl. Miller/Wieandt (2001), S.9.

[41] Dies entspricht Grundsatz 1 Abs. 1 KWG über das Eigenkapital und die Liquidität der Kreditinstitute.

[42] Vgl. Rometsch (1999), S. 810.

[43] Vgl. Miller/Wieandt (2001), S. 9 und Dachtler et. al. (1999), S. 392 sowie BdB (2000), S. 6.

[44] Vgl. Harhoff (1998), S. 234.

[45] Vgl. Küting (2000b), S. 600-602.

[46] Vgl. BdB (2000), S. 20.

[47] Vgl. Baier/Pleschak (1996), S. 107.

[48] Vgl. Groll/Curti (1998), S. 279.

[49] Vgl. Riedel/Wilke (2000), S. 15.

[50] Vgl. Rems/Remmen (1999), S. 690.

[51] Vgl. ebenda, S. 690. und BdB (1999), S. 10.

[52] Die für JTU wichtigsten Förderprogramme können z. B. der Broschüre „Junge Unternehmen – Probleme und Lösungen bei der Existenzfestigung “, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie herausgegeben wird, entnommen werden.

[53] Vgl. BdB (2000), S. 23.

[54] Vgl. Kulicke/Wupperfeld (1996), S. 73.

[55] Vgl. ebenda, S. 109.

[56] Vgl. Rüggeberg (1997), S.163.

[57] Vgl. IBB (1999), diverse Seiten.

[58] Vgl. Miller/Wieandt (2001), S. 9-10.

[59] Vgl. BdB (2000), div. Seiten.

[60] Vgl. Böcker (2000), S.7.

[61] Vgl. Schmeisser/Jahn (1999), S.50.

[62] Vgl. Meyer (2000), S.2485.

[63] Vgl. Müller/Müller (1998), S.6.

[64] Vgl. ebenda, S.4-16.

[65] Vgl. Meyer (2000), S.76.

[66] Vgl. Dicken (1999), S.13-14.

[67] Vgl. Baier/Pleschak (1996), S.107.

[68] Vgl. Bankgesellschaft Berlin AG (2001).

[69] die im JAA-TOOL für EXCEL2000 dargestellte Strukturbilanz entspricht dieser zu weiten Teilen.

[70] Vgl. Küting/Weber (2000), S. 60-66.

[71] Vgl. Tacke (1997), S. 72.

[72] Die Erfolgsspaltung dient der Ermittlung der nachhaltigen und der nicht nachhaltigen Erfolgsbestandteile [vgl. Baetge (1998), S.342]. Eine Möglichkeit zur Erfolgsspaltung zeigt Küting [vgl. Küting/Weber (2000), S.228-241].

[73] Bei der Multivariate Diskriminanzanalyse handelt es sich um ein statistisch-mathematisches Verfahren zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit (siehe 5.4.1).

[74] Vgl. Böcker, S. 13.

[75] Vgl. Baetge (1998), S.161.

[76] Vgl. ebenda, S.162. Unter Liquidität wird die Fähigkeit verstanden, seinen finanziellen Verpflichtungen jederzeit, fristgerecht und in der richtigen Höhe nachkommen zu können.

[77] Vgl. Grunwald/Grunwald (1999), S.75. Die Ermittlung der Anlagenintensität (= Anlagevermögen : Bilanzsumme) ermöglicht den Rückschluss auf die langfristigen Kapitalbindungskosten.

[78] Fixkosten fallen unabhängig von der betrieblichen Ausbringung an und sind unter anderem durch die Abschreibungen auf das Anlagevermögen bedingt [vgl. Wöhe (1996), S.1256].

[79] Vgl. Gräfer (1994), S.179. Je größer der Anteil des Umlaufvermögens an der Bilanzsumme ist, desto größer ist die betriebliche Flexibilität [vgl. Coenenberg (2000), S.908].

[80] Vgl. Küting (1999), S.115.

[81] Vgl. Dietrich (1998), S.62-69.

[82] Vgl. Baetge (1998), S.247-256.

[83] Vgl. Kremer/ten Hoevel (1988), S.78.

[84] Eine Kennzahl zur Beurteilung der Rentabilität ist die Betriebsrentabilität (= Ordentliches Betriebsergebnis : betriebsnotwendiges Vermögen) [vgl. Baetge (1998), S.450].

[85] Vgl. Küting/Weber (2000), S.219.

[86] Der Cash-Flow repräsentiert einen ausschließlich aus eigener Kraft erwirtschafteten finanzwirtschaftlichen Überschuss [vgl. Coenenberg (2000), S.967).

[87] Vgl. Nitsch (1993), S.97.

[88] Vgl. BAKred (1995).

[89] Vgl. Krahnen et. al. (1999), S. 121.

[90] Vgl. Meyer (1989), S.212.

[91] Vgl. Meyer (2000a), S.299.

[92] Siehe Tabelle 4.

[93] Vgl. Lutz (2000), S.119.

[94] Vgl. Meyer (2000b), S.2486.

[95] Vgl. Meyer (2000b), S.2490.

[96] Vgl. Böcker (2000), S. 75.

[97] Vgl. ebenda, S.75.

[98] Vgl. ebenda, S. 75.

[99] Vgl. u.a. Bundesministerium für Wirtschaft und Technik (2000), S. 3 und Böcker (2000), S.78.

[100] Vgl. Goleman (1995), S.148-163.

[101] Vgl. Henning (2000), S.109.

[102] Vgl. Rüggeberg (1997), S.161.

[103] Vgl. Ilgner et. al. (2000), S.97.

[104] Vgl. Rüggeberg, S.4.

[105] Vgl. Pümpin (1992), S.15.

[106] Vgl. Perillieux (1991), S.23.

[107] Vgl. Böcker (2000), S.222-225 und Pümpin (1992), S.33.

[108] Vgl. Schulte-Huermann (2001), S.N 9. und Werner (2000), S.14.

[109] Wittgenstein, L. (1989) : Tractatus logico-philosphicus. Tagebücher 1914-1916. Philosophische Untersuchungen, Frankfurt am Main 1989, in: Hartmann (1997), S.5.

[110] Vgl. Coenenberg (2000), S.34.

[111] Vgl. Born (1994), S.13.

[112] Vgl. Baetge (1994), S.52.

[113] Vgl. Hartmann (1997), S.66.

[114] Vgl. Hauschildt (1996), S.1.

[115] Vgl. Born (1994), S.7.

[116] Vgl. Coenenberg (2000), S.152.

[117] Vgl. Baetge et. al. (1999), S.30.

[118] Vgl. Tacke (1997), S.38.

[119] Vgl. ebenda, S.50.

[120] Vgl. Coenenberg (2000), S.155.

[121] Vgl. Sauthoff (1996), S.342.

[122] Vgl. Küting (2000a), S.598.

[123] Vgl. Küting (2000b), S.674 und 676.

[124] Bei Firmen wie Senator Film AG, Brokat AG oder SER Systeme AG setzt sich das Anlagevermögen sogar zu annähernd 100 % aus IVG zusammen [vgl. Küting (2000c), S.78].

[125] Vgl. Sauthoff (1996), S.170.

[126] Vgl. ebenda, S.342.

[127] Dieses Problem ist bereits erkannt worden. Zur Behebung wurden innovative Konzepte wie die Technologie-Bilanz nach Hartmann [vgl. Hartmann (1997)] oder die Wissensbilanz nach Maul [vgl. Maul (2000)] entwickelt.

[128] Vgl. Küting (2000a), S.597-600.

[129] Vgl. Biodata AG (2000).

[130] Vgl. Consumer Electronic AG (2000).

[131] Vgl. Fantastic AG (2000).

[132] Vgl. Küting (2000a), S.600.

[133] Vgl. Micrologica AG (2000), S.51.

[134] Vgl. Küting (2000a), S.599.

[135] Vgl. ebenda, S.601.

[136] Siehe 6.3.1.2.

[137] Vgl. Kerth/Wolf (1992), S.54.

[138] Vgl. Gräfer (1994), S.32.

[139] Vgl. Baetge (1998), S.75.

[140] Siehe 5.4.

[141] Vgl. Baetge (1998), S.56 und 57.

[142] Vgl. ebenda, S.75.

[143] Vgl. Pfleger (1999).

[144] Vgl. Coenenberg (2000), S.1137.

[145] Vgl. Baetge (1998), S.68.

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Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2001
ISBN (eBook)
9783832453985
ISBN (Paperback)
9783838653983
DOI
10.3239/9783832453985
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Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Berufsakademie Berlin – Wirtschaft
Erscheinungsdatum
2002 (Mai)
Note
1,3
Schlagworte
jahresabschluß kredit jahresabschlußanalyse kreditwürdigkeitsprüfung
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