Lade Inhalt...

Das Abkommen von Cotonou

Die neue Partnerschaft zwischen den AKP-Staaten und der EU unter Mitberücksichtigung der Neo-Modernisierungstheorie

©2001 Diplomarbeit 179 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Im Zentrum dieser Arbeit steht das Cotonou Abkommen: die Inhalte, die Strukturen und schließlich eine kritische Auseinandersetzung mit den Zielsetzungen des Abkommens und ob die Ziele, vor allem die Bekämpfung und Überwindung der Armut, mit den geschaffenen Instrumenten zu erreichen sind.
Ziel dieser Arbeit ist es, aufbauend auf den historischen Hintergründen und der bisherigen EU Entwicklungspolitik, das Abkommen von Cotonou zu beschreiben, zu erläutern und eine kritische Betrachtung der Zielvorstellungen und seiner Durchführungsmöglichkeiten zu geben. Dabei sollen die entwicklungstheoretischen Hintergründe das Verständnis von praktischer Entwicklungshilfe bzw. -zusammenarbeit fördern.
Die Systematik von entwicklungstheoretischen Konzeptionen ist eine wichtige Voraussetzung für die Umsetzung in eine praktische Entwicklungszusammenarbeit.
Diese Arbeit kann und will keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Zum einen würde ein Anspruch auf Vollständigkeit den Rahmen sprengen und zum anderen erachtet sich der Autor als nicht fachkompetent genug, das gesamte Spektrum der Entwicklungspolitik und -theorie abdecken zu können. Sehr wohl ist die Beschäftigung mit und um das Cotonou Abkommen, den Umständen entsprechend, relativ intensiv gewesen und hat fast ein Jahr in Anspruch genommen.
In bezug auf Vollständigkeit kann hier nur auf einige Themen in der Arbeit eingegangen werden. So ist z.B. bei der Beschreibung der AKP-Staaten bewusst auf die dem Autor wichtig erscheinenden Aspekte oder aktuellen Problematiken, die in Bezug zum Cotonou Abkommen stehen, eingegangen worden. Des weiteren wurden bei der Kritik des Abkommens einzelne Themen herausgenommen, die entweder sehr deutlich veranschaulichen, wo Problematiken oder Defizite auftauchen oder, wo einzelne Bereiche in ihrer Umsetzung als besonders sinnvoll erscheinen. Um die Unvollständigkeiten kompensieren zu können, verweist der Autor mehrfach auf weiterführende Literatur, anhand derer sich bei Interesse das Wissen in einzelnen Bereichen vertiefen lässt.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
DARSTELLUNGSVERZEICHNIS5
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS6
1.EINLEITUNG8
2.GRUNDLEGUNG: DIE EU ALS ENTWICKLUNGSPOLITISCHER AKTEUR15
2.1BEWEGGRÜNDE EINER EUROPÄISCHEN ENTWICKLUNGSPOLITIK15
2.1.1Post-Koloniale Verantwortung16
2.1.2Wachsende Verantwortung als internationaler Akteur19
2.2DIE ABKOMMEN MIT DEN AKP-STAATEN22
2.2.1Vor Jaunde (1957-1963)24
2.2.2Jaunde I (1963-1969), […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 5390
Müller, Sebastian: Das Abkommen von Cotonou: Die neue Partnerschaft zwischen den AKP-
Staaten und der EU unter Mitberücksichtigung der Neo-Modernisierungstheorie / Sebastian
Müller - Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: München, Universität, Diplomarbeit, 2001
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die
der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen,
der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der
Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung,
vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im
Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der
Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem
Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche
Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten
wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht
vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die Autoren oder
Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl.
verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
D
ARSTELLUNGSVERZEICHNIS
--------------------------------------------------5
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
----------------------------------------------------6
1.
EINLEITUNG--------------------------------------------------------------------- 8
2.
GRUNDLEGUNG:
DIE EU ALS ENTWICKLUNGSPOLITISCHER AKTEUR ----------------- 15
2.1.
B
EWEGGRÜNDE EINER EUROPÄISCHEN
E
NTWICKLUNGSPOLITIK
---- 15
2.1.1.
Post-Koloniale Verantwortung ------------------------------------------------ 16
2.1.2.
Wachsende Verantwortung als internationaler Akteur --------------------- 19
2.2.
D
IE
A
BKOMMEN MIT DEN
AKP-S
TAATEN
----------------------------- 22
2.2.1.
Vor Jaunde (1957-1963)-------------------------------------------------------- 24
2.2.2.
Jaunde I (1963-1969), Jaunde II (1969-1975), Abkommen von Arusha -- 25
2.2.3.
Lomé I (1975-1980), Lomé II (1980-1985), Lomé III (1985-1990),
Lomé IV (1990-2000) ----------------------------------------------------------- 26
2.3.
THEORETISCHER
H
INTERGRUND
--------------------------------------- 31
2.3.1.
Die Modernisierungstheorien -------------------------------------------------- 33
2.3.2.
Die Dependenztheorie ---------------------------------------------------------- 35
2.3.3.
Die Neo-Modernisierungstheorie---------------------------------------------- 39
2.3.4.
Kriterien der Unterentwicklung ----------------------------------------------- 41
2.4.
A
USWIRKUNGEN DER ENTWICKLUNGSPOL
. K
ONZEPTIONEN
--------- 45
2.4.1.
Modernisierungstheorie -------------------------------------------------------- 46
2.4.2.
Dependenztheorie --------------------------------------------------------------- 48
2.4.3.
Zusammenfassende Kritik der ,,grossen Theorien" ------------------------- 49
3.
DAS ABKOMMEN VON COTONOU ------------------------------------ 51
3.1.
W
ARUM EIN NEUES
A
BKOMMEN
? -------------------------------------- 51
3.1.1.
Fundamentale Veränderungen ------------------------------------------------- 52
3.1.2.
WTO-Konformität --------------------------------------------------------------- 56
3.1.3.
Negative Erfahrungen mit Lomé ----------------------------------------------- 58
2

3.2.
D
IE
I
NHALTE DES
A
BKOMMENS
---------------------------------------- 62
3.2.1.
Ziele des neuen Abkommens---------------------------------------------------- 62
3.2.2.
Grundprinzipien des Abkommens---------------------------------------------- 64
3.2.3.
Akteure der Partnerschaft und die Gemeinsamen Organe------------------ 65
3.2.4.
die politische Dimension ------------------------------------------------------- 70
3.2.5.
Kontrollmechanismen und Systematik der Bekämpfung der
Unterentwicklung---------------------------------------------------------------- 72
3.3.
N
EUERUNGEN DES
C
OTONOU
A
BKOMMENS GEGENÜBER
L
OMÈ
----- 76
3.3.1.
Der politische Dialog ----------------------------------------------------------- 76
3.3.2.
Neugestaltung der Handelsbeziehungen -------------------------------------- 77
3.3.3.
Betonung der Civil Society (Zivilgesellschaft) ------------------------------- 80
3.3.4.
Der private Sektor als Akteur -------------------------------------------------- 82
3.3.5.
Finanzielle Kooperation -------------------------------------------------------- 85
3.3.6.
Das Thema Umwelt ------------------------------------------------------------- 87
4.
COTONOU: PERSPEKTIVE, PROGNOSE, EMPFEHLUNG ----- 88
4.1.
D
ER POLITISCHE
D
IALOG
----------------------------------------------- 88
4.1.1.
Good Governance und die politische Konditionierung --------------------- 88
4.1.2.
Das Partnerschaftsprinzip------------------------------------------------------ 91
4.2.
D
IE
H
ANDELSBEZIEHUNGEN
------------------------------------------- 92
4.2.1.
Die WTO-Konformität ---------------------------------------------------------- 92
4.2.2.
Die Economic Partnership Agreements (EPA)------------------------------- 95
4.2.3.
Die Regionale Integration ------------------------------------------------------ 97
4.3.
B
ETONUNG DER
C
IVIL
S
OCIETY
--------------------------------------- 99
4.3.1.
Information, Konsultation und Einbindung nichtstaatlicher Akteure --- 101
4.3.2.
Probleme der Definition von Zivilgesellschaft im Vertrag --------------- 102
4.4.
D
ER PRIVATE
S
EKTOR
------------------------------------------------- 103
4.4.1.
Private Investitionen ---------------------------------------------------------- 103
4.4.2.
Das EU-AKP Business Forum ----------------------------------------------- 106
4.4.3.
Exkurs: Everything but Arms ­ springt die EU über ihren eigenen
Schatten? ----------------------------------------------------------------------- 107
4.5.
F
INANZIELLE
K
OOPERATION
------------------------------------------ 108
4.5.1.
Der 9. European Development Fund ---------------------------------------- 109
4.5.2.
Exporterlösstabilisierung:
SYSMIN und STABEX unter anderen Namen? ----------------------------- 111
4.6.
D
AS
T
HEMA
U
MWELT
-------------------------------------------------- 112
4.7.
D
IE
R
EFORM DER
EG A
UßENHILFE
----------------------------------- 113
3

5.
SCHLUSSBETRACHTUNG --------------------------------------------- 115
5.1.
N
EO
-M
ODERNISIERUNG UND DAS
A
BKOMMEN VON
C
OTONOU
---- 115
5.2.
G
LOBALISIERUNG
:
WTO M
INISTERKONFERENZ
&
DER
11. S
EPTEMBER
2001 --------- 117
5.3.
R
ESUMÈE
---------------------------------------------------------------- 120
A
NHANG
I: D
IE
AKP-S
TAATEN
-------------------------------------------- 125
A
NHANG
II:
B
ESCHREIBUNG DER
AKP-S
TAATEN
------------------------ 128
1.
die Staaten Afrikas ------------------------------------------------------------ 128
1.1.
Geografische Kriterien ------------------------------------------------------- 128
1.2.
Wirtschaft ---------------------------------------------------------------------- 130
1.3.
Politik --------------------------------------------------------------------------- 139
1.4.
Gesellschaft -------------------------------------------------------------------- 144
2.
Die Länder des Karibischen und des Pazifischen Raums----------------- 146
2.1.
Geografische Kriterien ------------------------------------------------------- 146
2.2.
Wirtschaft ---------------------------------------------------------------------- 148
2.3.
Politik --------------------------------------------------------------------------- 151
2.4.
Umwelt-------------------------------------------------------------------------- 154
A
NHANG
III:
W
ORLD
D
EVELOPMENT
I
NDICATORS
----------------------- 156
A
NHANG
IV: T
ITEL
XX, A
RT
. 177-181, V
ERTRAG V
. A
MSTERDAM
---- 159
A
NHANG
V:
K
RITERIENKATALOG DES
HDR
DER
UNDP ----------------- 161
A
NHANG
VI: D
ECLARATION OF
ACP C
IVIL
S
OCIETY
F
ORUM
----------- 164
Q
UELLEVERZEICHNIS
-------------------------------------------------------- 168
4

Darstellungsverzeichnis
DARSTELLUNG 1:
C
OLONIAL
E
MPIRES ON
E
VE OF
F
IRST
W
ORLD
W
AR
... 17
DARSTELLUNG 2:
S
TRUKTUR
E
UROPE
A
ID
... 22
DARSTELLUNG 3:
DIE
AKP-EU B
EZIEHUNGEN IM
Ü
BERBLICK
... 23
DARSTELLUNG 4:
A
RT
. 26, L
OMÉ
I V
ERTRAG
... 28
DARSTELLUNG 5:
V
ERTEILUNG DER
EU K
OOPERATION MIT DEN
AKP-S
TAATEN
... 30
DARSTELLUNG 6:
D
IE
M
ODERNISIERUNGSTHEORIE
... 34
DARSTELLUNG 7:
DIE
D
EPENDENZTHEORIE
... 37
DARSTELLUNG 8:
DIE
N
EO
-M
ODERNISIERUNGSTHEORIE
... 40
DARSTELLUNG 9:
K
LASSIFIKATION DES
H
UMAN
D
EVELOPMENT
I
NDEX
`
... 42
DARSTELLUNG 10:
H
UMAN
D
EVELOPMENT
I
NDEX
... 42
DARSTELLUNG 11:
B
ASISSTRUKTUR DER
WTO
... 57
DARSTELLUNG 12:
E
XPORTE DER
AKP-S
TAATEN IN DIE
EU
IN
%
DES
W
ELTHANDELS
59
DARSTELLUNG 13:
SYSMIN-A
USZAHLUNGEN
, 1980-1990, M
IO
UND
%
... 60
DARSTELLUNG 14:
E
VALUIERUNGSKRITERIEN DES
C
OTONOU
A
BKOMMENS
... 74
DARSTELLUNG 15:
H
ANDELSLIBERALISIERUNG NACH
A
RT
. 37 C
OTONOU
A
BKOMMEN
77
DARSTELLUNG 17:
G
ELDMENGE DER
EU E
NTWICKLUNGSHILFE PRO
L
AND
... 86
DARSTELLUNG 18:
A
ID TO DEVELOPING COUNTRIES
... 109
DARSTELLUNG 19:
F
INANZRAHMEN DES
C
OTONOU
A
BKOMMENS
&
DER
9. EDF
... 109
DARSTELLUNG 20:
Z
IEL
T
RIAS DER
N
ACHHALTIGEN
E
NTWICKLUNG
...
115
5

Abkürzungsverzeichnis
AASM
A
SSOCIATION OF
A
FRICAN
S
TATES AND
M
ADAGASCAR
AKP S
TAATENGRUPPE DER
A
FRIKANISCHEN
, K
ARIBISCHEN UND
P
AZIFISCHEN
S
TAATEN
ASEAN A
SSOCIATION OF
S
OUTH
-E
AST
A
SIAN
N
ATIONS
BIP
B
RUTTOINLANDSPRODUKT
CARICOM
C
ARIBBEAN
C
OMMUNITY
CDE
C
ENTRE FOR THE
D
EVELOPMENT OF
E
NTERPRISES
CTA
T
ECHNICAL
C
ENTRE FOR
A
GRICULTURAL AND
R
URAL
C
OOPERATION
CTC
C
ENTRE FOR
T
RANSNATIONAL
C
ORPORATIONS
DG-DEV D
IRECTORATE
G
ENERAL
­ D
EVELOPMENT
DOM
D
EPARTEMENTS D
'O
UTRE
-M
ER
EBA
E
VERYTHING BUT
A
RMS
EBAS
EU-ACP
B
USINESS
A
SSISTANCE
S
CHEME
ECHO
E
UROPEAN
C
OMMUNITY
H
UMANITARIAN
O
FFICE
EDF
E
UROPEAN
D
EVELOPMENT
F
UND
EEA
E
INHEITLICHE
E
UROPÄISCHE
A
KTE
EEF
E
UROPÄISCHER
E
NTWICKLUNGS
F
ONDS
EEP
E
UROPÄISCHE
E
NTWICKLUNGSPOLITIK
EG
E
UROPÄISCHE
G
EMEINSCHAFT
EGKS
E
UROPÄISCHE
G
EMEINSCHAFT FÜR
K
OHLE UND
S
TAHL
EIB
E
UROPEAN
I
NVESTMENT
B
ANK
EL
E
NTWICKLUNGSLÄNDER
EU
E
UROPÄISCHE
U
NION
EVG
E
UROPÄISCHE
V
ERTEIDIGUNGSGEMEINSCHAFT
FDI
F
OREIGN
D
IRECT
I
NVESTMENT
GDP
G
ROSS
D
OMESTIC
P
RODUCT
GNP
G
ROSS
N
ATIONAL
P
RODUCT
GUS
G
EMEINSCHAFT
U
NABHÄNGIGER
S
TAATEN
HDI
H
UMAN
D
EVELOPMENT
I
NDEX
HIPC
H
EAVILY
I
NDEBTED
P
OOR
C
OUNTRIES
6

IGO
I
NTERNATIONAL
G
OVERNMENTAL
O
RGANISATION
INFAC I
NVESTMENT
F
ACILITY
MOE-S
TAATEN
M
ITTEL
-
UND
O
STEUROPÄISCHE
S
TAATEN
NGO
N
ON
G
OVERNMENTAL
O
RGANISATION
OAU
O
RGANIZATION OF
A
FRICAN
U
NITY
PHARE P
OLAND AND
H
UNGARY
A
CTION FOR
R
ESTRUCTURING OF THE
E
CONOMY
PPV
P
ARITÄTISCHE
P
ARLAMENTARISCHE
V
ERSAMMLUNG
SADC
S
OUTH
A
FRICAN
D
EVELOPMENT
C
OMMUNITY
SAP
S
TRUKTUR
A
NPASSUNGS
P
ROGRAMM
SCR
S
ERVICE FOR
E
XTERNAL
R
ELATIONS
TACIS T
ECHNICAL
A
SSISTANCE TO THE
C
OMMONWEALTH OF
I
NDEPENDENT
S
TATES
TNK
T
RANS
N
ATIONALE
K
ONZERNE
TOM
T
ERRITOIRES D
'O
UTRE
-M
ER
UN
U
NITED
N
ATIONS
UNDP
U
NITED
N
ATIONS
D
EVELOPMENT
P
ROGRAMME
UNECA U
NITED
N
ATIONS
E
CONOMIC
C
ONFERENCE ON
A
FRICA
7

1. Einleitung
Am 23. Juni 2000 war es soweit: Nach 18-monatigen, zum Teil zähen Verhandlungen unter-
zeichneten die Staatschefs der 15 EU Mitgliedstaaten und der 77 AKP-Staaten
1
das neue
AKP-EU Partnerschaftsabkommen
2
in Cotonou, der Hauptstadt des Benin. Dies war nötig
geworden, da das Lomè IV Abkommen am 29. Februar 2000 ausgelaufen war. Mit der Unter-
zeichnung in Cotonou soll ein neues Kapitel der AKP-EU Entwicklungszusammenarbeit auf-
geschlagen werden, anstatt eine Fortführung des, inzwischen aufgeblähten und teilweise inef-
fizienten ,,Lomè-Systems" anzustreben. Nach 20 Jahren Lomè, mit insgesamt vier Abkom-
men,
3
wollte man den enormen Veränderungen, die die Jahre 1989-91 gebracht haben, Rech-
nung tragen. So sprach auch Poul Nielson, Entwicklungskommissar der EU davon, dass
Poul Nielson
,,The Partnership Agreement will give a new momentum to the
relationship between the ACP States and European Union. It
represents an important component of international efforts
aimed at promoting sustainable development and reducing pov-
erty."
4
Jean-Robert Goulongana, AKP Generalsekretär, zeigt sich etwas zurückhaltender in seinen
Äußerungen:
,,This [die Unterzeichnung des Abkommens, S.M.] is an ex-
cellent opportunity for me to congratulate all the negotiators
for their dedication and readiness to compromise. These
qualities made it possible at crucial moments of the discus-
sions to bring closer together sometimes diametrically op-
posed positions and, ultimately, to achieve a mutually accept-
able agreement."
5
Jean-Robert Goulongana
1
Das ist die Gruppe der Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifischen Raums, die sich erstmals 1975 mit dem
Vertrag von Lomé konstituiert haben. Heute besteht die AKP-Gruppe, wie oben erwähnt aus 77 Staaten. Eine
Karte und eine Liste, mit Detailinformationen zu diesen Staaten kann im Anhang I gefunden werden.
2
So der offiizielle Titel.
3
Siehe dazu Punkt 2.2.
4
The new agreement will benefit the poorest, in: the Courier, Special Issue. Cotonou Agreement, Brussels, 2000.
S. 2.
5
Ebenda., S. 4.
8

Das Abkommen hat eine Laufzeit von 20 Jahren und kann, laut Vertrag, alle fünf Jahre über-
prüft werden. Neben dem Abkommen gibt es das Finanzprotokoll, welches einen Zeitraum
von fünf Jahren umfasst und den Umfang der Ressourcen durch den European Development
Fund (EDF) darstellt. Der 9. EDF hat ein Budget von 15,2 Mrd. , wobei Restgelder von alten
EDFs zur Finanzierung beitragen.
6
Die 25-jährige Kooperationsgeschichte zwischen den
AKP-Staaten und der EU basiert auf vier fundamentalen Prinzipien: a) Gleichheit der Partner
und Selbstbestimmung, b) Beteiligung der Zivilgesellschaft, c) Dialog und Grundrechte und
d) Differenzierung und Regionalisierung. Das Abkommen besteht aus den zwei Säulen
Handel und Hilfe. Zum einen wirtschaftliche- und Handelskooperation, zum anderen
finanzielle und technische Hilfe. Auf der Basis dieser Säulen gibt es drei Bereiche der
Unterstützung: Wirtschaftliche Entwicklung, soziale und menschliche Entwicklung und
regionale Integration und Kooperation. Zur Erreichung dieser Ziele stehen dem Cotonou
Abkommen zwei Instrumente zur Verfügung: nicht-rückzahlbare Kredite für die langfristige
Entwicklung
7
und die sog. Investment Facility.
8
Das Cotonou Abkommen ist das größte multilaterale, entwicklungspolitische Vertragswerk,
welches je geschlossen wurde. Die noch aus der Kolonialzeit stammende enge Verknüpfung
der AKP-Staaten mit den Staaten der EU, vor allem mit Großbritannien, Frankreich, Belgien,
Holland und Italien, aber auch mit Spanien, zeigen die besondere Rolle, die die EU in der
Entwicklungszusammenarbeit spielt oder spielen muss. Allein aus diesen Gründen lohnt es
sich, diese Kooperation näher zu betrachten.
Wie im Laufe der Arbeit erkennbar wird, lassen sich zwei Thesen aufstellen, auf die in der
Schlussbetrachtung nochmals eingegangen wird:
1. Das alleinige Zustandekommen des Cotonou Abkommens ist nicht selbstverständlich
und ist als durchaus positiv zu bewerten. Wie die Ausführungen zeigen werden, gab es
vielerlei Hinweise und Konfliktpunkte an denen das Abkommen beinahe, besonders zum
Ende der Verhandlungen, gescheitert wäre. Die Anmerkung am Anfang dieser Arbeit von
Jean-Robert Goulongana dürfte diese These stützen. Mit diesem Abkommen unterstreicht
die EU ihre Absicht, den bisher eingegangenen internationalen Verpflichtungen weiterhin
nachzukommen, weiter noch, diese auszubauen.
6
Etwa 10 Mrd. , Quelle: European Commission. DG-DEV. Siehe dazu auch Punkt 4.5.
7
Durch die sog. Nationalen und Regionalen Indikativen Programme (NIP, RIP).
8
Siehe dazu Punkt 3.3.2.
9

Somit hat das Cotonou Abkommen Signalwirkung, bei der die Stetigkeit und Konstanz
der Beziehungen, gerade zu den AKP-Staaten, und somit zur ,,Dritten Welt" unterstrichen
werden sollen. Allerdings sind die Auswirkungen der letzten zehn Jahre
9
an der Entwick-
lungszusammenarbeit und an den Entwicklungsländern nicht spurlos vorbei gegangen,
ganz im Gegenteil sind gerade die Länder der Dritten Welt betroffen.
10
Somit begründet
sich die zweite These auf einer Kritik, die wie folgt ausfällt:
2. Das Abkommen von Cotonou trägt eindeutig die Handschrift der EU. Diese hat ihre vita-
len Interessen, besonders die vollständige Liberalisierung der Märkte bis zum Jahr 2020,
gegenüber den AKP-Staaten zum Großteil durchgesetzt, und hat, in dem ihr wichtigen Be-
reich ,,Handel", ihre Zielvorstellungen weitestgehend durchgesetzt. Dafür war die EU
auch bereit wichtige Themen, wie die Einbeziehung der Zivilgesellschaft als ,,Bauernop-
fer" auf dem ,,Schachbrett" der Entwicklungszusammenarbeit mit den AKP-Staaten aus-
zuspielen. Dabei wurde nicht angemessen diskutiert, ob eine Liberalisierung der Märkte
für einige Länder oder Ländergruppen wirklich Vorteile birgt oder anders gesagt, ob die
Chancen wirklich die Risiken überwiegen, wie es die EU und auch die Welthandelsorga-
nisation WTO propagieren. Daher bleibt es fraglich, ob die EU ihren anvisierten Fahrplan,
wie das Cotonou Abkommen ihn vorsieht, einhalten kann.
Im Zentrum dieser Arbeit steht das Cotonou Abkommen: die Inhalte, die Strukturen und
schließlich eine kritische Auseinandersetzung mit den Zielsetzungen des Abkommens und ob
die Ziele, vor allem die Bekämpfung und Überwindung der Armut,
11
mit den geschaffenen
Instrumenten zu erreichen sind.
Ziel dieser Arbeit ist es, aufbauend auf den historischen Hintergründen und der bisherigen EU
Entwicklungspolitik, das Abkommen von Cotonou zu beschreiben, zu erläutern und eine
kritische Betrachtung der Zielvorstellungen und seiner Durchführungsmöglichkeiten zu ge-
ben. Dabei sollen die entwicklungstheoretischen Hintergründe das Verständnis von prakti-
scher Entwicklungshilfe bzw. ­zusammenarbeit fördern.
9
genannt werden hier z.B. die Globalisierung, das Ende des Ost-West Konflikts, die Internationalisierung der
Umweltprobleme, u.v.m., siehe dazu auch Punkt 3.1.1.
10
besonders durch die Marginalisierung dieser Länder. Siehe dazu auch Punkt 3.1.1.
11
laut Stellungnahme des Rates und der Kommission der EU über die EG Entwicklungspolitik, die am 10. No-
vember 2000 herausgegeben wurde, steht die Bekämpfung der Armut im Mittelpunkt der EG Entwicklungspoli-
tik. ,,The main objective of Community policy must be to reduce and, eventually, to eradicate poverty." Euro-
pean Commission, The European Community`s Development Policy. Statement by the Council and the Com-
mission, Brussels, 2000.
10

Die Systematik von entwicklungstheoretischen Konzeptionen ist eine wichtige Voraussetzung
für die Umsetzung in eine praktische Entwicklungszusammenarbeit.
Diese Arbeit kann und will keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Zum einen würde
ein Anspruch auf Vollständigkeit den Rahmen sprengen und zum anderen erachtet sich der
Autor als nicht fachkompetent genug, das gesamte Spektrum der Entwicklungspolitik und ­
theorie abdecken zu können. Sehr wohl ist die Beschäftigung mit und um das Cotonou Ab-
kommen, den Umständen entsprechend, relativ intensiv gewesen und hat fast ein Jahr in An-
spruch genommen.
In bezug auf Vollständigkeit kann hier nur auf einige Themen in der Arbeit eingegangen wer-
den. So ist z.B. bei der Beschreibung der AKP-Staaten bewusst auf die dem Autor wichtig
erscheinenden Aspekte oder aktuellen Problematiken, die in Bezug zum Cotonou Abkommen
stehen, eingegangen worden. Des weiteren wurden bei der Kritik des Abkommens einzelne
Themen herausgenommen, die entweder sehr deutlich veranschaulichen, wo Problematiken
oder Defizite auftauchen oder, wo einzelne Bereiche in ihrer Umsetzung als besonders sinn-
voll erscheinen. Um die Unvollständigkeiten kompensieren zu können, verweist der Autor
mehrfach auf weiterführende Literatur, anhand derer sich bei Interesse das Wissen in einzel-
nen Bereichen vertiefen lässt.
Um das Cotonou Abkommen in seiner jetzigen Form verstehen zu können, muss die Ge-
schichte der EU Entwicklungspolitik bzw. ­zusammenarbeit kurz geschildert werden. Erst
mit diesem historischen Wissen um die Interessen der ehemaligen europäischen Kolonial-
mächte - insbesondere Frankreich und Großbritannien - kann das umfangreiche Engagement
der EU in der Entwicklungszusammenarbeit mit den AKP-Staaten verstanden werden.
Die Situation, Voraussetzungen und Gegebenheiten der AKP-Staaten sind ein wichtiger
Bestandteil, um einerseits die Notwendigkeit der Entwicklungshilfe an sich zu erklären und
andererseits eine kritische Analyse der im Abkommen vorgesehenen Maßnahmen vornehmen
zu können. Eine umfassende, und allen Aspekten gerecht werdende Beschreibung und Analy-
se der AKP-Staaten kann hier nicht vorgenommen werden, da allein dieser Aspekt einer um-
fangreichen wissenschaftlichen Arbeit gerecht werden würde.
11

Daher können nur einzelne Bereiche, die zur angestrebten Analyse des Cotonou Abkommens
hilfreich sind, angesprochen werden. Daten der geografischen Voraussetzungen der AKP-
Staaten, Daten aus der Wirtschaft, der Gesellschaft, der Politik und, nicht zuletzt, Umwelt-
probleme der AKP-Staaten sind hierbei Bereiche, die beschrieben werden sollen. Um jedoch
dem wissenschaftlichen Anspruch der Ausführungen gerecht werden zu können, kann die
Beschreibung der AKP-Staaten im Anhang II nachgelesen werden.
Die gravierenden Veränderungen, mit denen sich die Welt seit dem Ende des Ost-West Kon-
flikts konfrontiert sieht, sind der ,,Motor" des Wandels der Politik und der Gesellschaft, somit
auch der entwicklungspolitischen Konzeptionen und ihrer Umsetzung. Als eine der Auswir-
kungen sei hier die Marginalisierung Afrikas genannt, die in einem Aufsatz von Scott Thomas
wie folgt beschrieben wird:
,,After the end of the Cold War perhaps no region of the Third World has been
marginalized as much as Africa. In part, this is because of the way Great Powers
have always seen the continent as an extension of their strategic and economic
interests."
12
Das Cotonou Abkommen ist Ausdruck dieser Veränderungen. Wie aber sehen diese Verände-
rungen aus? Welche der vielen Veränderungen und Umbrüche haben direkte Auswirkungen
auf die EU Entwicklungspolitik, und somit auch auf die Beziehungen der EU zu den AKP-
Staaten? Umgekehrt muss man fragen, wie diese Neuerungen sich auf die AKP-Staaten aus-
gewirkt haben und zukünftig auswirken werden? All dies sind Fragen, die in der Arbeit an-
satzweise geklärt werden sollen.
Die Geschichte der EU Entwicklungszusammenarbeit, die Beschreibung der AKP-
Staaten sowie die Auswirkung der Veränderungen der letzten zehn bis zwölf Jahre bilden
einen wichtigen Grundstock, um das Cotonou Abkommen in seiner historischen Bedeutung,
seinen Inhalten und Zielen sowie die Frage nach der Sinnhaftigkeit verstehen zu können.
12
Thomas, S., Africa and the end of the cold war: an overview of impacts, in: S. Akinrinade/A. Sesay (Hg.),
Africa in the Post-Cold War International System, London, 1998.
12

Fundament der Arbeit ist der entwicklungstheoretische ,,Unterbau". Zum einen werden die
,,großen Theorien" Modernisierung- und Dependenztheorie, sowie die neue entwicklungsthe-
oretische Konzeption der sog. ,,Neo-Modernisierung" erläutert, zum anderen sollen die
Auswirkungen dieser Konzeptionen auf die praktische Entwicklungszusammenarbeit be-
schrieben werden. Schließlich wird das Cotonou Abkommen in bezug auf die neue entwick-
lungspolitische Konzeption Neo-Modernisierung hin überprüft und kritisch bewertet werden.
In der Arbeit lassen sich folgende Vorgehensweisen wiederfinden: Im ersten Teil ein histo-
risch-analytischer Ansatz zur Beschreibung der EU als entwicklungspolitischer Akteur und
ein theoretischer Ansatz zur Beschreibung der Entwicklungstheorien und des Kriterienkata-
loges der Unterentwicklung. Im zweiten Teil finden sich deskriptive Elemente bei der Be-
schreibung des Cotonou Abkommens und schließlich ein rein analytischer Teil der kritischen
Auseinandersetzung mit dem Cotonou Abkommen. Die Basis der Arbeit ist dabei ein empi-
risch-analytischer Ansatz.
Zur Arbeitsmethode ist zu sagen, dass anfänglich die Primärtexte und Primärquellen, also
das Abkommen an sich, die verschiedenen Stellungnahmen der Europäischen Kommission,
13
des Rates der Europäischen Union, des Europäischen Parlamentes, der AKP-Gruppe sowie
der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung der EU und der AKP-Staaten zu Rate ge-
zogen wurden.
Des weiteren stützte sich die Recherche auf einschlägige Institute, wie das European Centre
for Development Policy Management (ECDPM) oder das Institut für Entwicklung und Frie-
den der Universität GH-Duisburg mit seinem Leiter Prof. Dr. Franz Nuscheler, Lehrstühle,
etwa der Lehrstuhl für Afrikanistik der Universität Leipzig und Nichtregierungsorganisatio-
nen wie Terre des hommes oder der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungs-
organisationen e.V. (VENRO) u.v.a.
13
Insbesondere Directorate General (DG) Handel, DG Entwicklung und DG Außenbeziehungen.
13

Die Recherche in den Bibliotheken war insbesondere für den ersten Teil der Arbeit von gro-
ßem Nutzen. Hierzu gab es umfangreiche deutschsprachige und vor allem englischsprachige
Literatur zu den Themen Kolonialismus, EU Entwicklungspolitik und die EU als internati-
onaler Akteur.
Erstaunlich ist, dass das Cotonou Abkommen noch nicht den ihm gebührenden Platz in der
Literatur gefunden hat. Selbst die einschlägigen entwicklungspolitischen Zeitschriften, etwa
Nord-Süd Aktuell oder E + Z ­ Entwicklung und Zusammenarbeit, gehen jeweils nur kurz auf
die Inhalte des Cotonou Abkommens ein. Stellungnahmen von großen Organisationen, bis auf
terre des hommes mit Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V. (WEED), die einen 20-
seitigen Aufsatz zum Cotonou Abkommen erstellt haben, der bei der Ausarbeitung des The-
mas sehr hilfreich war,
14
gibt es bis dato keine. Ansonsten musste hauptsächlich auf Primärli-
teratur zurückgegriffen werden, was die relativ kleine Anzahl von Fußnoten erklärt.
Für die aktuellsten Veröffentlichungen, sowie Länderdaten waren die einschlägigen Orga-
nisationen wie die Weltbank, das United Nations Development Programme (UNDP), die Uni-
ted Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD), die United Nations Envi-
ronment Programme (UNEP), die African Development Bank (ADB), die Asian Development
Bank, die Caribbean Development Bank und viele mehr sehr hilfreich. Die Onlinedienste die-
ser Organisationen haben umfangreich informiert. Um überhaupt bei einem so aktuellen The-
ma auf dem neuesten Stand zu sein, ist die Onlinerecherche unabdingbar, gerade in bezug auf
Beschlüsse z.b. der EU oder auch der WTO.
Insgesamt lässt sich sagen, dass man verwundert sein muss, wie wenig Informationen es zum
Cotonou Abkommen bis dato gibt. Dafür, dass es sich um das größte entwicklungspolitische
Vertragswerk handelt, immerhin sind 92 Länder an diesem Vertrag beteiligt, ist in der Fachli-
teratur, obwohl die Unterzeichnung schon eineinhalb Jahre her ist, wenig über das Abkom-
men zu finden. Auch ein Merkmal für die Marginalisierung der Entwicklungspolitik. Die Pro-
bleme, denen sich Europa zum Anfang dieses Jahrhunderts stellen muss, sei es der Balkan, die
EU-Osterweiterung, die Integration der MOE-Staaten oder die Staatsdefizite aller Länder,
lassen ein Thema wie die Entwicklungszusammenarbeit hinten an stehen.
14
Die Publikation, die gemeint ist lautet: Schilder, K., Die ,,Konvention von Cotonou". Das neue ,,Partner-
schaftsabkommen" zwischen den AKP-Staaten und der EU, Bonn, 2000.
14

2.
Grundlegung ­ die EU als entwicklungspolitischer Akteur
In diesem Kapitel soll zum einen, dargestellt werden, wie die heutige EU anfänglich zur Ent-
wicklungszusammenarbeit
15
kam und wie diese bis heute fortgeschritten ist. So muss man
festhalten, dass die Entwicklungspolitik, wie wir Sie heute kennen ,,als eigenständige akade-
mische Disziplin... auf den Beginn der 50er Jahre zu datieren"
16
ist. Damit liegt die Etablie-
rung der Entwicklungspolitik zeitlich im selben Rahmen wie die Gründung der Europäischen
Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS oder Montan-Union) 1951
17
. Zum anderen wird
der theoretische Hintergrund gegeben, der über die Jahrzehnte die Entwicklungspolitik welt-
weit bestimmt hat. Erstaunlich dabei ist, daß zwei große Theorien sich durchgesetzt bzw. in
Konkurrenz getreten sind: die Modernisierungstheorie und die Dependenztheorie. Dazu gab
und gibt es verschiedene Subtheorien, die hier nicht weiter interessieren sollen.
18
2.1.
Beweggründe einer europäischen Entwicklungspolitik
Zuerst soll der Frage nachgegangen werden, welche Gründe die Staaten der EGKS hatten, um
Entwicklungszusammenarbeit zu vollziehen und inwieweit ein Interesse der Staaten Frank-
reich, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Italien und Deutschland, später dann auch Großbri-
tannien vorlag. Dazu ist es notwendig auf die historischen Hintergründe einzugehen. Die
Gründung der EGKS hatte rein europäische Motive. Zum einen galt es, die deutschen durch
einen bindenden Vertrag zu kontrollieren, zum anderen sollte eine Kooperation der Staaten
auch zu einem neuen Verständnis führen, mit dem höchsten Ziel: ,,Nie wieder Krieg". Doch
kamen mit der Gründung der EGKS zwangsläufig Probleme auf, die auf den Kolonialismus
zurückzuführen sind.
15
Im EG-Vertrag in der Fassung vom 02. Oktober 1997 (V
ERTRAG VON
A
MSTERDAM
) Quelle: BGBI. 1998 II S.
387 wird in Titel XX von ,,Entwicklungszusammenarbeit" gesprochen. Entwicklungszusammenarbeit beschreibt
die praktische Umsetzung. Entwicklungspolitik wird hier als theoretische Grundlage betrachtet.
16
Menzel, U., Geschichte der Entwicklungstheorie ­ Einführung und systematische Bibliographie, 3. nochmals
überarb., erw. u. aktual. Auflage, Hamburg, 1995, S. 21.
17
Unterzeichnung des Vertrages über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) am 18. April
1951 in Paris.
18
Einen guten Überblick über die verschiedenen Theorien gibt Ulrich Menzel, Geschichte der Entwicklungsthe-
orie ­ Einführung und systematische Bibliographie, 3. nochmals überarb., erw. u. aktual. Auflage, Hamburg,
1995.
15

2.1.1. Post-Koloniale Verantwortung
Den Kolonialismus in seinen ganzen Formen und Auswirkungen kann hier nicht Rechnung
getragen werden.
19
Mit der Gründung der EGKS hatte die Montan-Union das zweitgrößte
Kolonialreich der Welt in seiner Mitte: Frankreich. Seit dem 17. Jahrhundert betrieb Frank-
reich eine expansive Kolonialpolitik und das ,,Empire colonial" hielt bis 1960, nach den
,,schmutzigen Kolonialkriegen" in Vietnam und Algerien.
20
In seiner Blütezeit umfasste das
Kolonialreich Frankreich über 40 Länder in Afrika, Asien, Nord- und Südamerika, der Kari-
bik und des Pazifischen Raumes (siehe Darstellung 1). Auch wenn viele Kolonien zwischen
1958 und 1976, besonders hervorzuheben ist jedoch das Jahr 1960
21
, unabhängig geworden
sind, blieben oder wurden andere wie Saint-Pierre und Miquelon, Mayotte, französisch Poly-
nesien, Wallis und Futuna, Neu-Kaledonien und die Gebiete im südlichen, indischen Ozean
und in der Antarktis (Terre Adelie, Kerguelen-Inseln, ...) zu Überseegebieten (TOM)
22
. Dieser
Status einer Gebietskörperschaft vergrößert ihre Autonomie in der Beziehung zu Kontinen-
talfrankreich.
23
Weiterhin sind die ehemaligen Kolonien Martinique, Guadeloupe, Guyana
und Reunion nun Überseedepartements (DOM)
24
.
Auch die Länder Belgien und Holland hatten Kolonien. Belgien kontrollierte zwei Kolonien:
Belgisch-Kongo (1885-1960) (Demokratische Republik Kongo (Kinshasa)) und Ruanda-
Burundi (1916-1962).
25
Holland hatte neben Ceylon (schon 1796 verloren) und des Kaps der
Guten Hoffnung (1794/1806 verloren) Surinam
26
und Niederländisch-Indian (endgültige Auf-
lösung 1956
27
), heute Indonesien.
19
nur eine Definition des Begriffes ,,Kolonialismus" wird als wichtig erachtet: ,,Kolonialismus ist eine Herr-
schaftsbeziehung zwischen Kollektiven, bei welcher die fundamentalen Entscheidungen über die Lebensführung
der Kolonisierten durch eine kulturell andersartige und kaum anpassungswillige Minderheit von Kolonialherren
unter vorrangiger Berücksichtigung externer Interessen getroffen und tatsächlich durchgesetzt werden. Damit
verbinden sich in der Neuzeit in der Regel sendungsideologische Rechtfertigungsdoktrinen, die auf der Überzeu-
gung der Kolonialherren von ihrer eigenen kulturellen Höherwertigkeit ausgehen." Osterhammel, J., Kolonialis-
mus ­ Geschichte, Formen, Folgen, 3. durchgesehene Aufl., München 2001, S. 21.
20
Vgl. Fuchs. G./Henseke, H., Das französische Kolonialreich, Berlin, 1987, S. 7-10.
21
das sog. ,,Afrikanische Jahr", indem fast alle afrikanischen Kolonien unabhängig wurden (Kamerun, Togo,
Mali, Senegal, Madagaskar, Dahome, Niger, Obervolta, Elfenbeinküste, Tschad, Zentralafrikanische Republik,
Kongo, Kabun, Mauretanien; Staaten zum Stand 1960); Vgl. Fuchs, G./Henseke, H., a.a.O. S. 218.
22
Territoires d'Outre-Mer.
23
Quelle: http://www.france.diplomatie.fr/culture/france/ressources/letour/de/texoutre.html.
24
Départements d'Outre-Mer, diese werden als Départements angesehen, wobei Vertreter aus diesen Départe-
ments in der Nationalversammlung (Assemblée Nationale) Sitz und Stimme haben.
25
Vgl. Osterhammel, J., Kolonialismus a.a.O. S. 23.
26
Unabhängig seit 1975.
27
dtv-Atlas Weltgeschichte, Band 2, 32. Aufl., München, 1998, S. 541.
16

Darstellung 1: Colonial Empires on Eve of First World War
Quelle: Fox, E.W. (Hg.),Atlas of European History, Oxford, 1968, S. 46-47.
17

Allein aus diesem kurzen Abriss wird klar, wer der Motor, zu Beginn der europäischen Eini-
gung, einer Entwicklungspolitik war: Frankreich. Für Deutschland bestand am Anfang kein
Bedürfnis sich in diesem Bereich zu engagieren. Da Frankreich das größte und mächtigste
Land innerhalb der EGKS-Staaten war, konnte es die anderen Staaten in seinem Sinne beein-
flussen.
Mit dem Beitritt Großbritanniens 1973
28
bekam die europäische Entwicklungszusammenar-
beit den entscheidenden Schub. Das Vereinigte Königreich, als das ehemals größte Kolonial-
reich der Welt, immerhin ein Drittel der Weltoberfläche wurde zur Blütezeit des ,,British Em-
pire" von London aus regiert, hatte ein reges Interesse den ehemaligen Kolonien und jetzt
teilweise angehörigen Staaten des Commonwealth, europäische Hilfe zukommen zu lassen.
Somit kam es 1975 zu dem Abkommen von Lomé, dem bis 2000 noch drei weitere Folgen
sollten.
29
,,The Commonwealth began with the recognition of the sovereign independence
and equality of the Dominions (Australia, New Zealand, South Africa and Can-
ada) in the Statute of Westminster, 1931, with certain residual and largely formal
rights remaining in Britain. The most important event in the creation of the mod-
ern Commonwealth was India's decision to join it as an independent republic."
30
Unverändert blieb jedoch zu der Zeit das britische Kolonialreich, das aus Kronkolonien und
Protektoraten in Afrika, Asien, Westindien und dem Pazifik bestand und der Krone und dem
Parlament Großbritanniens unterlag.
31
Nach dem 2. Weltkrieg begannen die Kolonien unab-
hängig zu werden, bis schließlich 1980 die letzte Kolonie, die Pazifikinsel Vanuatu, unabhän-
gig wurde. Trotzdem hat Großbritannien immer noch eine enge Verbindung zu diesen Staa-
ten, sei es über das Commonwealth
32
oder bilateral.
28
als auch Dänemarks und Irlands, die in diesem Zusammenhang jedoch marginal erscheinen.
29
Siehe dazu Punkt 2.2.3.
30
Kitchen, M., The British Empire and Commonwealth ­ A Short History, Ottawa, 1996, p. 143.
31
dtv-Atlas Weltgeschichte (1998) a.a.O., S. 448.
32
dem Commonwealth gehören heute 54 Staaten an: Antigua & Barbuda, Australien, Bahamas, Bangladesch,
Barbados, Belize, Botswana, Brunei Darussalam, Kamerun, Kanada, Zypern, Dominika, Fiji Inseln, Gambia,
Ghana, Grenada, Guyana, Indien, Jamaika, Kenia, Kiribati, Lesotho, Malawi, Malaysia, Malediven, Malta, Mau-
ritius, Mozambique, Namibia, Nauru, Neu Seeland, Nigerien, Pakistan, Papua Neu Guinea, Samoa, Seychellen,
Sierra Leone, Singapore, Solomon Inseln, Südafrika, Sri Lanka, St. Kitts & Nevis, St Lucia, St Vincent & Gre-
nada, Swaziland, Tanzania, Tonga, Trinidad & Tobago, Tuvalu, Uganda, Großbritannien, Vanuata, Sambia,
Simbabwe.
18

Alle genannten ehemaligen Kolonialreiche oder ­mächte haben eines gemeinsam: sie hatten
die ehemaligen Kolonien zu Monokulturen gemacht, ausgebeutet und somit viele Staaten in
die Abhängigkeit getrieben. Die Unabhängigkeitsbewegung der ehemaligen Kolonien stellt
eine Problematik dar: die neuen Staaten konnten nicht auf ,,eigenen Beine" stehen und damit
waren die ehemaligen Kolonialherren in die Pflicht genommen, diesen Staaten Unterstützung
zu geben. Natürlich spielten andere Faktoren eine nicht minder große Rolle, so sei nur kurz
genannt, das die neue Ordnung des Weltstaatensystems nach dem 2. Weltkrieg bis 1989/90
durch folgende Faktoren gekennzeichnet war:
,,(1) die weltweite Konfrontation zweier hochgerüsteter Blöcke, (2) die Re-
Europäisierung der (west-)europäischen Großmächte, (3) die Entstehung zahlrei-
cher postkolonialer neuer Nationen, die zumeist in Klientelbeziehungen entwe-
der zu den USA oder zur UdSSR traten, (4) die, verglichen mit der Zeit vor
1945, Stärkung internationaler Organisationen, vornehmlich der UN, (5) die all-
gemeine ideologische Ächtung von ,,Kolonialismus" bei vielfach fortdauernder
rassischer Diskriminierung in der internationalen Praxis."
33
Aus o.g. Gründen gab es nicht nur eine post-koloniale Verantwortung der genannten Staaten,
sondern auch ein post-koloniales Interesse, den eigenen Einflußbereich so groß wie möglich
zu halten.
2.1.2. Wachsende Verantwortung als internationaler Akteur
Wie schon oben erwähnt stellt die Gründung der EGKS den Anfang des europäischen Integra-
tionsprozesses dar. Für die Entwicklungshilfe entscheidend ist die Unterzeichnung der Römi-
schen Verträge 1957 zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Die
Mitgliedstaaten Belgien, Frankreich, Italien und die Niederlande
34
mussten die Beziehungen
zu ihren Kolonien neu regeln, da eine Vollmitgliedschaft der Staaten außerhalb Europas nicht
ernsthaft in Betracht gezogen werden konnte. Als Alternative suchte man die Form der Asso-
ziierung, mit der die engen Handelsverflechtungen zwischen den Ländern in Europa und den
ehemaligen Kolonien zum Ausdruck gebracht werden sollten.
35
33
Osterhammel, J., a.a.O., S. 121.
34
Weitere Unterzeichner waren Deutschland und Luxemburg.
35
Vgl. Menck, K.W., Europa und die dritte Welt in: W. Weidenfeld (Hg.), Europa Handbuch, Bonn, 1999.
19

Zuvor wurden 1964 und 1969 die frankophonen Länder, die sog. Association of African Sta-
tes and Madagaskar (AASM)
36
mit den Abkommen von Jaunde assoziiert, auf besonderen
,,Wunsch" Frankreichs hin.
Eine Wende markiert das Jahr 1973. Der Beitritt Großbritanniens, Dänemarks und Irlands
erweitert die EWG um drei Staaten und lässt diese von sechs auf neun Staaten anwachsen und
zur Europäischen Gemeinschaft (EG) werden. Die Bedeutung Großbritanniens führte dazu,
daß man von der Assoziierungspolitik zu einer vertraglich abgesicherten Zusammenarbeit
gelangte. Die Unterzeichnung des Vertrags von Lomé 1975 ist das Ergebnis dieser Bemühun-
gen. Das erste Lomé Abkommen galt als bis dato einzigartiges Modell internationaler Zu-
sammenarbeit.
37
Nunmehr konnte die EG eigenständige entwicklungspolitische Maßnahmen
ergreifen.
38
Gleichzeitig dehnte die EG ihre Kooperationspolitik weiter aus. Es wurden die
ersten Kooperationsabkommen mit Drittländern im Mittelmeerraum über handelspolitische,
finanzielle und technische Zusammenarbeit geschlossen. In diese Zeit reichen auch die ersten
Abkommen mit Entwicklungsländern in Lateinamerika und Asien zurück.
39
In diesem Zusammenhang sollen zwei Erscheinungen genannt werden, die einen Einfluß auf
das Zustandekommen des 1. Lomé Abkommens hatten und darüber hinaus die EG den AKP-
Staaten mit ihren Forderungen entgegen kamen:
1. Die Forderung der Entwicklungsländer (EL) nach einer Neuen Weltwirtschaftsordnung
(NWWO), die 1974 in der Verabschiedung zweier Erklärungen durch die Vollversamm-
lung der Vereinten Nationen (UN) mündete: Erklärung und Aktionsprogramm zur Errich-
tung einer NWWO vom 09.05.1974 und die Charta über die wirtschaftlichen Rechte und
Pflichten der Staaten vom 12.12.1974.
40
36
die AASM Staaten waren: Burundi, Dahomey, Demokratische Republik Kongo (Brazzaville), Elfenbeinküste,
Gabun, Kamerun, Madagaskar, Mali, Mauretanien, Niger, Obervolta, Ruanda, Senegal, Somalia, Togo, Tschad
und die Zentralafrikanische Republik.
37
Vgl. Europäische Kommission, Grünbuch über die Beziehungen der Europäischen Union und den AKP-
Staaten an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, Brüssel, 1997, S. 6.
38
Über die Inhalte siehe Punkt 2.2.
39
Vgl. Europäische Kommission, Grünbuch über die Beziehungen der Europäischen Union und den AKP-
Staaten an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, a.a.O., S. 6.
40
Zu den Inhalten siehe: Jonas, R./Tietzel, M. (Hg.), Die Neuordnung der Weltwirtschaft, Bonn-Bad Godesberg,
1976. ,,Der Begriff selbst meint im wesentlichen, daß die bisherigen internationalen Wirtschaftsbeziehungen
zwischen Entwicklungsländern und Industrieländern, welche die Industrieländer begünstigen, durch Reformen
so verändert werden müssen, daß die Entwicklungsländer stärker am Nutzen der Weltwirtschaft teilhaben." Aus:
Nohlen, D. (Hg.), Lexikon der Dritten Welt, völlig überarbeitete Neuausgabe, Reinbek bei Hamburg, 2000, S.
553.
20

2. Die Ölkrise von 1973, die dazu führte, daß die Industrieländer ein Interesse hatten, sich
durch Entwicklungszusammenarbeit unabhängiger von den Ländern der Organisation erd-
ölexportierender Länder (OPEC) zu machen.
41
Der Beitritt Griechenlands 1981 ließ die EG weiter wachsen, womit die Bedeutung der EG
wuchs, sich dies jedoch wenig auf die Entwicklungspolitik auswirken sollte. Die Beitritte Por-
tugals und Spaniens am 01. Januar 1986 ließ zwei weitere Staaten hinzukommen, die ehemals
Kolonien besaßen.
Die weitere Vertiefung der EG mit der Unterzeichnung der Einheitlichen Europäischen Akte
zur Reform der EG (EEA) 1986 und schließlich der Umbruch von 1989/90 mit der deutschen
Wiedervereinigung am 03. Oktober 1990 gab der EG eine, im internationalen Gewicht, neue
Qualität
42
. Dem Rechnung trug die Gründung der Europäischen Union mit dem Vertrag von
Maastricht mit dem Inkrafttreten am 01. November 1993. Mit dem Beitritt Österreichs, Finn-
lands und Schwedens 1995 hatte die EU nun 15 Mitglieder. Schließlich der Vertrag von Ams-
terdam, am 02. Oktober 1997 unterzeichnet und die EU-Osterweiterung zeigen, daß die
globalen Herausforderungen, denen sich die EU stellen muss und die Stellung der EU im
internationalen Kontext endgültig zu einem Hauptakteur, neben den USA und Japan, machen.
Heute betreibt die EU Entwicklungshilfe und ­zusammenarbeit mit den AKP-Staaten,
43
den
Staaten Mittel- und Osteuropas (MOE-Staaten),
44
der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten
(GUS),
45
den Mittelmeer-Anrainern
46
und den Ausbau der Kooperations- und Handelsbezie-
hungen in regionalen Wirtschaftsgemeinschaften.
47
Dazu noch die Nahrungsmittelhilfe sowie
das 1992 gegründete Büro für Humanitäre Hilfe (ECHO).
48
Am 01.Januar 2001 wurde Euro-
peAid gegründet. Dieses Amt für Zusammenarbeit wurde im Zuge der Reform der Verwal-
tung der Außenhilfe mit Beschluss der Kommission gegründet.
41
Siehe hierzu: Nohlen, D. (Hg.), Lexikon der Dritten Welt, a.a.O., S. 585.
42
zu den Veränderungen siehe 4.1.1. Fundamentale Veränderungen.
43
Durch das Cotonou Abkommen.
44
Durch das PHARE-Programm. Programm für finanzielle und technische Hilfe der EU bei der Umgestaltung
zur Marktwirtschaft durch nicht-rückzahlbare Kredite. War ursprünglich für Polen und Ungarn gedacht, daher
Poland and Hungary Action for Restructuring of the Economy.
45
Durch das TACIS-Programm. Technical Assistance to the Commonwealth of Independent States. Ähnlich
wie PHARE, nur bildet hier die Stabilisierung auch eine Rolle.
46
Durch besondere Handels- und Kooperationsbeziehungen, sowie die eventuelle Schaffung einer Kooperations-
und Freihandelszone bis zum Jahr 2010.
47
ASEAN (Association of South-East Asian Nations), MERCOSUR (Marcado Común del Sur), Andengemein-
schaft (bis 1996 Andenpakt), MCCA (Gemeinsamer Mittelamerikanischer Markt).
48
Vgl. Nuscheler, F., EEP in: Nohlen, D. (Hg.), Lexikon der Dritten Welt, a.a.O., S. 203, dieses Werk eignet
sich auch, um die o.g. Organisationen und Programme näher kennen zu lernen.
21

Es unterliegt den Generaldirektionen Außenbeziehung (Kommissar: Chris Patten) und Ent-
wicklung (Kommissar: Poul Nielson). Dieses Amt ist für den Einsatz des für die Außenhilfe
der Kommission geschaffenen Instrumentariums verantwortlich.
49
Einen Organisationsplan
bietet Darstellung 2.
Darstellung 2: Struktur EuropeAid ­Amt für Zusammenarbeit der Europäischen Kommission
Quelle: EuropeAid ­ Amt für Zusammenarbeit, Brüssel, 2001, Eigene Darstellung.
2.2.
Die Abkommen mit den AKP-Staaten
Nachdem die historischen Hintergründe und Motive beleuchtet wurden, soll nun eine Über-
sicht über die Abkommen der EU (bzw. EWG und EG) mit den AKP-Staaten (bzw. AASM-
Staaten) gegeben werden. Einen grafischen Überblick der verschiedenen Verträge und deren
Kooperationsbereiche und Instrumente bietet die Darstellung 3.
Rechtsgrundlage für eine Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern war bis Maastricht
der Art. 183ff. Im Laufe der Jahre reichte dieser nicht mehr aus. Trotzdem wurde kein neuer
Artikel hinzugefügt. Durch den Vertrag von Maastricht gilt seit dem 1. November 1993 der
Titel XX, Art. 177-181
50
und Art. 3, welcher die Tätigkeiten der EU darstellt
51
.
49
Vgl. Europäische Kommission, EuropeAid. Amt für Zusammenarbeit, Brüssel, 2001
50
Siehe dazu: Anhang IV.
51
Art. 3 (1) lautet: ,,Die Tätigkeit der Gemeinschaft im Sinne des Art. 2 umfaßt nach Maßgabe dieses Vertrags
und der darin vorgesehenen Zeitfolge:...r) eine Politik auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit;" Ver-
trag von Amsterdam in der Fassung vom 02.Oktober 1997, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2.
Aufl., Bonn, 1999, S. 56.
22

Darstellung 3: die AKP-EU Beziehungen im Überblick
Jahr/Abkommen
Unterzeichnende Staaten
Europa
Entwicklungspartnerländer der europ. Staaten
1. Römische
Verträge
Unterzeichnet: 28.02.1957
In Kraft: 01.01.1958
EWG6
Belgien, Frankreich,
BRD, Italien, Luxem-
burg, Niederlande
ÜLGs (31 Staaten)
Franz. Kolonien in Afrika (20): Algerien, Tschad,
Komoren, Dahomey, Franz. Kamerun, Franz. So-
malia, Franz. Sudan, Gabun, Guinea, Elfenbein-
küste, Madagaskar, Mauretanien, Mittlerer Kongo,
Niger, Réunion, Senegal, Togo, Ubangichari, Ober
Volta;
Andere franz. Kolonien (7): Guadeloupe, Guyana,
Franz.-Polynesien, Franz. Südatlant. Territorien,
Martinique, Neu Kaledonien und abhängige Gebie-
te, St. Pierre und Miquelon;
Belg. Kolonien (2): Belgisch Kongo, Ruanda-
Urundi;
Ital. Kolonie (1): Somalia;
Niederländ. Kolonie (1): Neu-Guinea.
2. Jaunde I Abkommen
Unterzeichnet: 20.07.1963
In Kraft: 01.07.1964
EWG6
Siehe oben
AASM (18 Staaten): Burundi, Zentralafrikanische
Republik, Tschad, Kongo-Brazzaville, Kongo Léo-
poldville, Dahomey, Gabun, Elfenbeinküste, Mada-
gaskar, Mali, Mauretanien, Niger, Ruanda, Sene-
gal, Somalia, Togo, Vereinigte Republik Kamerun,
Ober Volta.
3. Jaunde II Abkommen
Unterzeichnet: Juli 1969
In Kraft: 01.01.1971
Ablauf: 31.07.1976
EWG6
+ 3 (DK, IRL, GB wer-
den 1973 Mitglied)
AASM (18+1+3 Staaten)
-
Die 18 AASM-Staaten
-
Plus Mauritius
-
Plus Kenia, Tansania und Uganda
4. Lomé
I
Unterzeichnet: 28.02.1975
In Kraft: 01.04.1976
Ablauf: 01.03.1980
AKP-Bevölkerung: 250 Mio.
EEC9
AKP (46 Staaten)
Afrika (37): wie oben plus Botswana, Äquatorial
Guinea, Äthiopien, Gambia, Ghana, Guinea, Gui-
nea-Bissau, Lesotho, Liberia, Malawi, Nigeria,
Sierra Leone, Sudan, Swasiland, Sambia;
Karibik (6): Bahamas, Barbados, Grenada, Guya-
na, Jamaika, Trinidad und Tobago
Pazifik (3): Fidschi, Samoa, Tonga
5. Lomé
II
Unterzeichnet: 1979
In Kraft: 01.01.1981
AKP-Bevölkerung: 348 Mio.
EEC9
+1 (Griechenland)
AKP (57 Staaten)
Afrika (42): wie vorher plus Kap Verden, Dschibuti,
Sao Tomé und Principe, Seychellen, Simbabwe;
Karibik (13): wie vorher plus Domenica, St. Lucia,
Suriname;
Pazifik (7): wie vorher plus Kiribati, Papua Neu
Guinea, Salomonen, Tuvalu
6. Lomé
III
Unterzeichnet: 08.12.1984
In Kraft: 01.05.1986
AKP-Bevölkerung 413 Mio.
EWG (10+2)
AKP (66 Staaten)
Afrika (44): wie vorher plus Angola und Mosambik
Karibik (13): wie vorher plus Antigua und Barbuda,
Belize, St. Christopher und Nevis, St. Vincent und
die Grenadinen
Pazifik (8): wie vorher plus Vanuatu
7. Lomé
IV
Unterzeichnet: 15.12.1989
In Kraft: 1990
AKP-Bevölkerung: 460 Mio.
EWG 12
AKP (70 Staaten)
Afrika (46): wie vorher plus Eritrea, Namibia
Karibik (15): wie vorher plus Dominikanische Re-
publik, Haiti
Pazifik (8): wie vorher
8. Cotonou
Unterzeichnet:: 23.06.2000
In Kraft: 01.03.2000
AKP-Bevölkerung: 638 Mio.
EU 15
AKP (77 Staaten)
Afrika (48): wie vorher
Karibik (15): wie vorher
Pazifik (14): wie vorher plus Cook Inseln, Marshall
Inseln, Mikronesien, Nauru, Niue, Palau
Quelle: Eigene Darstellung.
23

Die Ziele der EU Entwicklungszusammenarbeit sind die nachhaltige ökonomische und sozia-
le Entwicklung der Entwicklungsländer, vor allem der Ärmsten, die langsame und graduelle
Integration der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft, die Armutsbekämpfung und die
Achtung der Menschenrechte und der fundamentalen Freiheiten, Demokratisierung und
Rechtsstaatlichkeit.
2.2.1. Vor Jaunde (1957-1963)
Mit der Gründung der EWG kam es zu sog. Assoziierungsabkommen zwischen den EWG-
Ländern und den assoziierten Staaten. Im EG-Vertrag Art. 182
52
versteht die EU unter
Assoziierung:
,,Ziel der Assoziierung ist die Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Ent-
wicklung der Länder und Hoheitsgebiete und die Herstellung enger Wirtschafts-
beziehungen zwischen ihnen und der gesamten Gemeinschaft. Entsprechend den
in der Präambel dieses Vertrags aufgestellten Grundsätzen soll die Assoziierung
in erster Linie den Interessen der Einwohner dieser Länder und Hoheitsgebiete
dienen und ihren Wohlstand fördern, um sie der von ihnen erstrebten wirtschaft-
lichen, sozialen und kulturellen Entwicklung entgegenzuführen."
Als Ergebnis der Assoziierungsabkommen gründeten die EWG-Staaten einen Europäischen
Entwicklungsfonds (EEF) und es wurden einseitige Handelspräferenzen zugunsten der assozi-
ierten Staaten vereinbart.
53
Die westeuropäischen Märkte sollten für die assoziierten Staaten
geöffnet werden und es wurden Instrumente zur finanziellen und technischen Hilfe geschaf-
fen. Das dafür notwendige Durchführungsabkommen galt vom 01. Januar 1958 bis zum 31.
Dezember 1962. Als dieses auslief, hatte sich die Situation geändert. Die meisten der assozi-
ierten Staaten waren inzwischen unabhängig, jedoch bestand beiderseitig ein Interesse in der
Fortführung der Assoziationsabkommen. So begannen die Verhandlungen für ein neues Ab-
kommen 1961 in Jaunde, Kamerun.
52
Bei der Nennung von Artikeln wird ausschließlich der Bezug auf die ,,neuen" Artikel nach dem Vertrag von
Amsterdam Bezug genommen. Eine Vergleichstabelle kann im Vertrag von Amsterdam gefunden werden, z.B.
in der Ausgabe des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung.
53
Vgl. Ferdowsi, M.A., Die europäische Entwicklungspolitik: Eine retrospektive Betrachtung in: Ferdowsi,
M.A./Opitz, P.J. (Hg.), Vom Enthusiasmus zur Ernüchterung? Die Entwicklungspolitik der EU, München, 1999,
S. 5.
24

2.2.2. Jaunde I (1963-1969), Jaunde II (1969-1975), Abkommen von Arusha
Am 20. Juli 1963 unterzeichneten in Jaunde, Kamerun die EWG-Staaten und die 18 sog.
AASM-Staaten ein Assoziierungsabkommen, welches den Namen des Verhandlungsortes
tragen sollte: Jaunde-Abkommen. Diese trat 1964 in Kraft und hatte eine Laufzeit von fünf
Jahren.
Zur Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der assoziierten Staaten wäh-
rend der fünfjährigen Laufzeit wurde ein Betrag von 730 Mio. US $ zur Verfügung gestellt:
Davon sollten über den EEF 620 Mio. in Form nichtrückzahlbarer Zuschüsse, 46 Mio. in
Form von Darlehen zu Sonderbedingungen und 64 Mio. in Form von Darlehen durch die Eu-
ropäische Investitionsbank gewährt werden.
54
Hervorzuheben bei diesem Abkommen ist die Betonung der Stärkung der Wettbewerbsfähig-
keit der Länder. Hier flossen direkt Gelder in Maßnahmen, welche die Wettbewerbsfähigkeit
verstärken sollten. Somit wurden Maßnahmen zur Rationalisierung mit diesen Geldern finan-
ziert. Vorschüsse gingen an die jeweiligen Staaten, um schwankende Weltmarktpreise besser
ausgleichen zu können. Später wurden diese Instrumente noch verfeinert.
55
Der Vertrag wurde am 29. Juli 1969 neu unterzeichnet und ging als Jaunde II in die Geschich-
te ein. Allerdings trat er erst am 01. Januar 1971 in Kraft. Ziel des Vertrages ist den Leitlinien
zu entnehmen:
Die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit ihrer Entwicklung [der AKP-Staaten, S.M.],
Die Förderung der regionalen Zusammenarbeit in Afrika,
Die Einleitung von Maßnahmen zur Förderung des Handels und
Die Verbesserung und Stabilisierung der Regelungen zur Einfuhr von Agrarerzeugnissen
der AASM in die EWG.
56
54
Vgl. Ebenda, S. 6.
55
siehe dazu Punkt 2.2.3.
56
Vgl. European Yearbook, Vol. XVII/1969, Den Haag, 1971, S. 521-587.
25

Der 2. EEF-Topf hatte ein Volumen von 900 Mio. US $, wovon 748 Mio. als Zuschüsse zur
Verfügung gestellt wurden, 80 Mio. als Sonderdarlehen und 90 Mio. als Normaldarlehen der
Europäischen Investitionsbank.
57
Jaunde I und II assoziierte vor allem die frankophonen Staaten Afrikas mit der EWG. Mitte
der 60er Jahre bemühten sich auch anglophone, dem Commonwealth angehörende Staaten um
eine Assoziierung mit der EWG. So kam es am 26. Juli 1968 in Arusha (Tansania) zu einem
Vertrag zwischen der ,,Wirtschaftsgemeinschaft Afrika", dem die Länder Kenia, Tansania und
Uganda angehörten und der EWG. Vorlage für diesen Vertrag war das Jaunde Abkommen.
Das Arusha Abkommen war an das Jaunde Abkommen gekoppelt und somit musste der Ver-
trag 1969 nochmals unterzeichnet werden.
2.2.3. Lomé I (1975-1980), Lomé II (1980-1985), Lomé III (1985-1990), Lomé IV
(1990-2000)
Die Lomè Abkommen wurden lange als ein äußerst innovatives Modell der internationalen
Kooperation betrachtet. Die Grundprinzipien sahen wie folgt aus:
Gleichberechtigte Partnerschaft; Die Partnerschaft gilt als der Stützpfeiler der ersten Lomè
Konvention. Die AKP-Staaten waren für die Entwicklung in ihrem Land selbst verantwortlich
und konnten selbst die Strategien bestimmen. Dies, zusammen mit den Prinzipien des Dia-
logs, der Vertragstreue und Planungssicherheit bildeten die sog. ,,Lomèkultur".
Hilfe und Handel; Die Lomé-Kooperation sah voraussehbare Hilfeleistungen auf fünf Jahre
vor und nicht-reziproke Handelspräferenzen.
58
Erst während der Halbzeitüberprüfung von Lomé IV, die 1995 abgeschlossen wurde, wurde
der Ruf der Kopplung von Hilfen an politische Ziele, wie Demokratie und Menschenrechte,
lauter und fand Eingang in das Abkommen.
59
57
Vgl. Ferdowsi, M.A., a.a.O., S. 7.
58
Das sind einseitige Handelspräferenzen, bei dem die AKP-Staaten bei fast allen Produkten zollfreien Zugang
zum europäischen Binnenmarkt erhalten, jedoch die EU weiterhin Zölle bei der Einfuhr in ein AKP-Staat ver-
richten muss.
59
Siehe hierzu: Europäische Kommission, Das IV. Abkommen von Lomé nach der Halbzeitüberprüfung. Ände-
rungen und Aussichten, Brüssel, 1996.
26

Es soll auf die vier Hauptbereiche der Zusammenarbeit eingegangen werden: handelspoliti-
sche Zusammenarbeit, industrielle Zusammenarbeit, landwirtschaftliche Zusammenarbeit
und schließlich die Förderung der Menschenrechte.
Ein großer Teil der Exporte der AKP-Staaten ging und geht in die EU
60
. Hier wollte die EU
durch das Schlagwort ,,Hilfe durch Handel" die Entwicklung dieser Staaten fördern. Das
sollte durch drei Maßnahmen gewährleistet werden:
Allen Produkten aus den AKP-Staaten, mit Ausnahme jener landwirtschaftlichen
Produkte, für die die EG gemeinsame Marktordnungen beschlossen hatte (dies wa-
ren Zucker, Bananen, Rum, Rindfleisch und Reis), wurde freier Zugang gewährt.
Insgesamt könnten nach Darstellungen der Kommission 99,4 bis 99,6% aller Ex-
porte aus den AKP-Staaten zoll- und kontingentfrei importiert werden. Hierbei
würde auch auf Gegenpräferenzen verzichtet; statt dessen galt das Prinzip der
Meistbegünstigung, d.h. Handelsvereinbarungen der AKP-Staaten mit Dritten
dürften nicht günstiger sein als die Regelungen, die für die Importe aus der EG be-
standen;
Die zweite Maßnahmen und neu gegenüber den Jaunde-Verträgen war der soge-
nannte kumulative Ursprung. Diese Maßnahme sollte verschiedene Bearbei-
tungsstufen eines Produktes in verschiedenen Staaten der AKP ermöglichen. Sie
diente ferner zur Förderung und Intensivierung der Süd-Süd-Beziehungen. Ferner
gehören hierzu eine Reihe von Maßnahmen zur Ausbildung von Fachkräften für
den Außenhandel, die Verbreitung von Handelsinformationen sowie die Beteili-
gung der AKP-Staaten an Fachausstellungen und Messen.
Ein weiterer Schwerpunkt in diesem Bereich ist das sog. System der Exporterlös-
stabilisierung (STABEX)
61
, das als Ersatz für das als zu dirigistisch empfundene
Rohstoffprogramm der NWWO dienen sollte.
62
60
Mit EU ist auch die damalige EG genannt.
61
,,System und Fonds für die Stabilisierung der Exporterlöse der AKP-Staaten bei landwirtschaftlichen Grund-
stoffen im Handel mit der EU...AKP-Staaten können die Leistungen des Fonds in Anspruch nehmen, wenn sie
bei einem von STABEX erfaßten Produkt in einem Jahr durch Produktionsausfälle, Preisrückgänge o.ä. Vorgän-
ge Einbußen bei den Exporterlösen erfahren. Dabei gelten zwei Regeln: 1. Das Produkt muß mit einem Mindest-
anteil zum ges. Export des Landes beitragen (s.g. Abhängigkietsschwelle). 2. Die Einbußen müssen einen be-
stimmten Anteil der durchschnittlichen Erlöse für das Produkt im Vergleich zu den vier vorhergehenden Jahren
27

Mit Lomé II trat das System zur Stabilisierung mineralischer Exporterlöse (SYSMIN) in
Kraft, welches STABEX ergänzen sollte auf die Bergbauerzeugnisse.
63
Ziel der industriellen Zusammenarbeit war, den Anteil der AKP-Staaten an der Weltindust-
rieproduktion von damals Sieben Prozent auf 25 Prozent im Jahr 2000 zu erhöhen.
64
Im Art.
26 des Lomé I-Vertrages werden die Ziele wie folgt beschrieben:
Darstellung 4: Art. 26, Lomé I Vertrag
a, Förderung des Ausbaus und der Diversifizierung der Industrie in den AKP-Staaten und Beitrag zu
einer besseren Verteilung der Industrie innerhalb dieser Staaten und zwischen diesen Staaten,
b, Förderung neuer Beziehungen im industriellen Bereich zwischen der Gemeinschaft, den Mitglied-
staaten und den AKP-Staaten, insbesondere Herstellung neuer industrieller und kommerzieller Ver-
bindungen zwischen den Industrien der Mitgliedstaaten und den AKP-Staaten;
c, Ausbau der Verbindungen zwischen der Industrie und den übrigen Wirtschaftsbereichen, insbeson-
dere der Landwirtschaft;
d, Erleichterung des Transfers technologischer Kenntnisse nach den AKP-Staaten und Förderung der
Anpassung der Technologien an deren spezifische Verhältnisse und Bedürfnisse, insbesondere durch
Entwicklung der in den AKP-Staaten bestehenden Kapazitäten für Forschung, Anpassung der Tech-
nologie und Ausbildung der Industrieberufen auf allen Stufen in diesen Staaten;
e, Förderung des Absatzes der Industriewaren der AKP-Staaten auf den Auslandsmärkten mit dem
Ziel einer Steigerung ihres Anteils am Welthandel mit diesen Waren;
f, Förderung der Beteiligung von Staatsangehörigen der AKP-Staaten, insbesondere von kleinen und
mittleren Industriebetrieben, an der industriellen Entwicklung dieser Staaten;
g, Förderung der Beteiligung von Marktteilnehmern der Gemeinschaft an der industriellen Entwick-
lung der AKP-Staaten entsprechend ihren wirtschaftlichen und sozialen Zielsetzungen, sofern diese
Staaten eine solche Beteiligung wünschen.
Im Lomé II-Vertrag ist unter Art. 66 (h) zu lesen:
,,Erleichterung der allgemeinen industriellen Entwicklung der AKP-Staaten, vor
allem ihrer Fertigwarenprodukte, durch angemessene Berücksichtigung ihres
spezifischen Bedarfs bei der Formulierung der Politik zur Anpassung der Indust-
riestrukturen der Gemeinschaft an weltweite Veränderungen."
65
überschreiten (s.g. Auslöseschwelle)." aus: Nohlen, D. (Hg.) Lexikon Dritte Welt, a.a.O. S. 692. Für weitere
Informationen ist diese Quelle auch zu beachten.
62
Vgl. Ferdowsi, M.A., a.a.O., S. 15-16.
63
,,Das System soll die AKP-Länder, die mineralische Rohstoffe produzieren und in die EU exportieren, in die
Lage versetzen, ihre Produktionsanlagen und Ausfuhrkapazitäten auch bei Preis- und Erlösrückgängen zu erhal-
ten." Aus: Nohlen, D. (Hg.), Lexikon Dritte Welt, a.a.O. S. 714. Für weitere Informationen ist diese Quelle auch
zu beachten.
64
Ferdowsi,M.A., Die europäische Entwicklungspolitik: Eine retrospektive Betrachtung, a.a.O., S. 16
65
AKP-EWG Ministerrat, Zweites AKP-EWG-Abkommen. Unterzeichnet am 31. Oktober 1979 in Lomé und
dazugehörige Dokumente, Brüssel 1981.
28

Die landwirtschaftliche Zusammenarbeit kam erst in Lomé II zum tragen, obwohl die Situ-
ation der Nahrungsmittelversorgung in den afrikanischen Staaten problematisch, wenn nicht
sogar kritisch war. Im Artikel 84 des Lomé II Vertrages werden die Vorhaben wie folgt erläu-
tert:
a,
ländliche Entwicklung, insbesondere bäuerliche Familienbetriebe und Genossenschaf-
ten, außerdem handwerkliche und kommerzielle Tätigkeiten sollen gefördert werden,
b,
landwirtschaftliche Wasserbauvorhaben verschiedener Art, z.B. Wasserbaukleinstvor-
haben in Dörfern, Regulierung von Wasserläufen,...
c,
Maßnahmen zum Schutz der Kulturen, zur Erhaltung und Lagerung der Ernten sowie
zur Vermarktung der Agrarerzeugnisse.
d,
Schaffung von agro-industriellen Einheiten, die die Produktion, Verarbeitung, Verpa-
ckung sowie Vermarktung umfassen.
e,
Maßnahmen für die Viehzucht, uvm.
66
Ein Zentrum für technische Zusammenarbeit wurde gegründet, daß den Ländern helfen sollte,
ihre Produktionsweisen zu verbessern. Weiterhin dienten diese Zentren zur Weitergabe von
Informationen. Forschung, Ausbildung und Innovationen sollten von hier aus gelenkt werden.
So splittete sich die Hilfe in den einzelnen Sektoren wie folgt auf:
66
Ebenda, Art. 84 a-j.
29

Darstellung 5: Sektorale Verteilung der EU Kooperation mit den AKP-Staaten
(1986-98, in % der Gesamthilfen)
Quelle: Europäische Kommission, ODI database 1999.
Die Förderung der Menschenrechte blieb bis zum Lomé II Vertrag kein tragendes Element
der Zusammenarbeit. Im Vertragswerk von Lomé II steht in der Präambel:
,,IN DEM WUNSCH, ihre gemeinsamen Willen zum Ausdruck zu bringen, die
bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zwischen ihren Ländern gemäss
den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen aufrechtzuerhalten und
zu verstärken,..."
67
Der Bezug auf die Charta der Vereinten Nationen beinhaltet im Grunde genommen nur die
formelle Akzeptanz dieser Prinzipien. Dazu kommt noch, dass dieser Abschnitt in der Präam-
bel zu finden ist, die ja üblicherweise nicht bindend ist.
30
67
Ebenda, Präambel.

Erst in Lomé IV sollte das Thema Menschenrechte ein eigenes Kapitel bekommen. Allerdings
fehlten die Sanktionsmöglichkeiten. Nach der Halbzeitüberprüfung wurde die Achtung der
Menschenrechte, demokratische Grundsätze und der rechtsstaatlichen Ordnung als wesentli-
che Elemente der EU-AKP Beziehungen angesehen und wurde damit zum essentiellen Ele-
ment des Revisionsvertrages.
68
Die Sanktionsmöglichkeiten sieht Art. 366a, Abs. 3 vor:
,,Die Vertragspartei, die einen Verstoß gegen eine Verpflichtung geltend ge-
macht hat, kann...sofort geeignete Maßnahmen ergreifen, die erforderlichenfalls
auch die teilweise oder vollständige Aussetzung der Anwendung dieses Ab-
kommens auf die betreffende Vertragspartei umfassen können. Dabei sollte die
Maßnahme der Aussetzung das letzte Mittel darstellen."
69
Somit wurde im Laufe der Jahre und im Laufe der Abkommen das Lomé-Regelwerk immer
umfangreicher, die Anzahl der Vertragsparteien wuchs stetig an. Nicht alles, was den ,,Geist
von Lomé" ausmachte war positiv zu bewerten. So nahm man, nach der Halbzeitüberprüfung,
die Chance wahr, die Zusammenarbeit mit den AKP-Staaten zu überdenken und auf eine teil-
weise neue Basis zu stellen.
2.3. theoretischer
Hintergrund
In diesem Abschnitt soll auf die zwei großen Theorien Modernisierung- und Dependenz-
theorie eingegangen werden. Die Neo-Modernisierungstheorie, die sich auf die Modernisie-
rungstheorie stützt, jedoch sich in entscheidenden Punkten von dieser unterscheidet, wird e-
benfalls dargestellt werden. Anschließend werden Kriterien der Unterentwicklung, die dem
Autor als wichtig erscheinen und die theoretische Grundlage für eine Bewertung der AKP-
Staaten geben, erläutert werden.
70
68
Vgl. Ferdowsi, M.A., a.a.O., S. 18.
69
AKP-EG Ministerrat, Abkommen zur Änderung des Vierten AKP-EG-Abkommens von Lomé. Unterzeichnet
in Maurtius am 04. November 1995, Brüssel, 1996.
70
die dazugehörige Analyse der AKP-Staaten kann im Anhang II gefunden werden. Diese basiert auf den ange-
sprochenen Kriterienkatalog, der weiter unten erörtert wird.
31

Möchte man an die Wurzeln der Disziplin geraten, so landet man bei Adam Smith (1723-
1790): Zuerst bei seinem Merkantilismus
71
, dann die Abkehr von einer staatlich gelenkten
Wirtschaft hin zum Markt, der wie eine ,,unsichtbare Hand" diesen Regeln sollte. Mit David
Ricardo (1772-1823), den Nachfolger Adam Smiths, gab er den Prinzipien Liberalismus und
Arbeitsteilung die internationale Dimension.
Mit Freihandel und den komparativen Kostenvorteilen
72
brachte Ricardo das erste mal eine
universalistische Theorie, die bis heute ein zentrales Thema der Entwicklungspolitik dar-
stellt.
73
Mit zeitlichem Abstand kommt auch Karl Marx (1818-1883) eine bedeutende Rolle
als ,,Entwicklungstheoretiker" zu. Besonders seine Schriften zu Indien, China und Rußland,
die den kolonialen Fragen nachgeht, lassen Marx als geistigen Vater beider Theorien zu, da er
sich widersprüchlich äußert.
74
,,Indem Marx die zerstörerischen Wirkungen des englischen Warenexports für
das traditionelle indische oder chinesische Gewerbe beschreibt, wird er zum
Kronzeugen für die Dependenztheorie...Indem er aber gleichzeitig betont, daß
der europäische Kolonialismus auch eine progressive Rolle spiele...entpuppt er
sich als früher Modernisierungstheoretiker."
75
Schließlich sind auch Weber, Keynes, Schumpeter, Sombart uvm. bedeutende Vordenker der
Disziplin. Was jedoch diese Theoretiker alle verband, war die Sichtweise: Sie alle sahen diese
Entwicklungen aus der Perspektive der ,,Kolonialherren". In den 40er Jahren des 20. Jahrhun-
derts wurde das erste mal die Sichtweise angewendet, die die ökonomischen und gesellschaft-
lichen Besonderheiten der Kolonien betrachtete. Sie ging als Dualismustheorie in die Ge-
schichte ein. Einer ihrer prominentesten Vertreter war der Holländer Julius Herman Boeke,
der als Kolonialbeamter in Niederländisch Indien arbeitete und 1942 nach der Besetzung der
Japaner ans New Yorker Institute of Pacific Relations wechselte.
71
der weniger eine Theorie als praktische Maßnahmen in der Finanz-, Industrie-, Außenhandels-, und Gesell-
schaftspolitik war, der die damals angehenden Nationalstaaten auf eine wirtschaftliche gesunde Substanz zu
bringen versuchte.
72
soll heissen: ,,Der Opportunitätskosten-Vorteil eines Produzenten bei der Erzeugung eines bestimmten Gu-
tes", wobei Opportunitätskosten den Verzicht darstellen, um eine bestimmte Gütereinheit zu erlangen. Vgl.
Mankiw, N.G.,Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart, 1999., S. 58-59.
73
Vgl. Menzel, U., a.a.O., S. 9
74
Vgl. Ebenda, S. 12.
75
Ebenda, S. 12.
32

2.3.1. Die Modernisierungstheorien
Die Entkolonialisierung und der Ausbruch des Ost-West-Konflikts machte es, aus amerikani-
scher Sicht, erforderlich, dem sowjetischen Modell eine eigene Gesellschaftstheorie entge-
genzusetzen, aus der auch entwicklungspolitische Konsequenzen abgeleitet wurden. Die für
die nächsten 20 Jahre zum dominanten Paradigma aufsteigende Modernisierungstheorie glie-
derte sich in mehrere Teildisziplinen, nämlich die Entwicklungsökonomie
76
, Theorien zur
Nationalstaatsbildung und Demokratisierung
77
, sowie die Modernisierungstheorie im engeren
Sinne, die sich mit den Fragen des sozialen und mentalen Wandels in traditionellen Gesell-
schaften befaßt.
78
Diese Theorien können jedoch zusammengefaßt werden, da sie alle von denselben Grundan-
nahmen ausgehen:
1. Die
Unterentwicklung eines Landes wird als frühes Stadium gesellschaftlicher Ent-
wicklung betrachtet;
2. Die
Unterentwicklung wird als gegeben vorausgesetzt;
3. Die
Faktoren für Unterentwicklung sind endogen, d.h. diese Länder sind unterentwi-
ckelt, da sie zu sozialem Wandel von innen heraus unfähig sind. Dagegen sind sog.
Inputs, also Einflüsse von außen, als positiv zu bewerten;
4.
Die Beziehung der Entwicklungsländer zu den Industrieländern ist die der Nachah-
mer, die dem Vorbild der Industrieländer folgen müssen;
5. Es
gibt
moderne und traditionelle Sektoren
79
, die beziehungslos nebeneinander her
existieren.
80
Anders gesagt, kann die Modernisierungstheorie verallgemeinert wie folgt beschrieben wer-
den:
76
Siehe dazu: Ayres, C., The Theory of Economic Progress, New York, 1962. Und Rostow, W.W., Stadien
wirtschaftlichen Wachstums. Eine Alternative zur marxistischen Entwicklungstheorie, Göttingen, 1961.
77
Siehe dazu: Huntington, S.P., Political Order in changing Societies. New Haven, 1968 und Rostow, D.A., A
World of Nations. Problems of Political Modernisation, Washington, 1967.
78
Vgl. Menzel, U., a.a.O., S. 21.
79
Siehe dazu: Dualismusmodell in: Nohlen, D. Lexikon Dritte Welt, a.a.O., S. 192-193.
80
Vgl. Nohlen, D., Lexikon Dritte Welt, a.a.O., S. 522.
33

,,Danach [nach der Modernisierungstheorie, S.M.] wurden die Ursachen der Un-
terentwicklung in den Ländern der Dritten Welt selbst gesehen. Unterentwick-
lung wurde am Entwicklungsstand und an den Entwicklungskriterien der Ersten
Welt...gemessen. Um Unterentwicklung zu überwinden, wurden die Instrumente
und Modelle empfohlen, die in der ersten Welt zum Erfolg...geführt haben."
81
Anhand der Darstellung 6 soll die Theorie näher erläutert werden:
Darstellung 6: Modernisierungstheorie
ENDPUNKT
Moderne
(IL)
unilinear
uniform
WEG
WEG
AUSGANGSPUNKT
Tradition
INPUT von IL
(EL)
Quelle: eigene Darstellung
Die Ausgangslage der Rückständigkeit der Entwicklungsländer liegt in den unterschiedli-
chen Ausprägungen des Wandlungsprozesses, der historisch gesehen, weltweit gleichgerichtet
ist. Die nicht fortgeschrittenen Länder werden als traditionelle Gesellschaften bezeichnet. Das
Endziel von Entwicklung ist, im Gegensatz zu Marx, der die klassenlose Gesellschaft an-
strebt, die moderne Industriegesellschaft, welche im Massenkonsum amerikanischen Zu-
schnitts gesehen wird.
82
Dieses Endziel soll durch einen Input der Industrieländer, eben die
Entwicklungshilfe, also Beratungstätigkeit, technische und finanzielle Hilfe, angestoßen wer-
den. Dies soll bis zu dem Punkt geschehen, an dem sich die Gesellschaft selbst trägt. Ab die-
sem Punkt ist der ,,take off" möglich, der den selbständigen Weg bis zum Industrieland be-
schreibt.
83
81
Schwarz, J., Akkulturation. Grundlage internationaler Ordnungspolitik in: Schwarz, J. (Hg.), Der politische
Islam. Intentionen und Wirkungen, Paderborn , 1993, S. 198.
82
Vgl. Rostow, W.W., Stadien wirtschaftlichen Wachstums. Eine alternative zur marxistischen Entwicklungs-
theorie, 2. Aufl., Göttingen, 1967.
83
Vgl. Ebenda.
34

Dieser Weg ist für alle Länder unilinear und uniform, d.h. er muß bei jedem Land das glei-
che Muster tragen und dieselbe gesellschaftliche Zielvorstellung verfolgen. In den verschie-
denen Disziplinen wird, wie folgt, ein Transformationsprozess abgeleitet:
Kultureller Bereich: Säkularisierung, Rationalisierung, Differenzierung und Verwissen-
schaftlichung (Vertreter: Weber, Parsons, Eisenstadt);
Individualpsychologisch: Empathiesteigerung, Leistungsmotivation (Vertreter: Hagen,
Lerner);
Politik: Staatenbildung, Nationenbildung, Demokratisierung und Umverteilung (Vertreter:
Almond, Rokkan, Deutsch, Lipset);
Wirtschaft: Kapitalakkumulation, technischer Fortschritt, take off zu einem sich selbst
tragenden Wachstum und Reife im Sinne des Massenkonsums (Vertreter: Rostow);
Gesellschaft: Bevölkerungswachstum, Urbanisierung, Alphabetisierung, Kommunikati-
onssteigerung und soziale Mobilisierung (Vertreter: Lerner, Deutsch).
84
In der Modernisierungstheorie werden Industrialisierung und wirtschaftliches Wachstum mit
Entwicklung gleichgesetzt. Wenn es Entwicklung gibt, dann wird ein Demokratisierungspro-
zess von ganz allein in Gang gesetzt.
85
Solange sich noch keine demokratischen Eliten her-
ausgebildet haben, ,,werden autoritäre Systeme nicht nur toleriert, sondern sogar als notwen-
dig angesehen."
86
2.3.2. Die Dependenztheorie
Der Argentinier Raúl Prebisch und der deutsche Emigrant Hans Singer bereiteten in den
50er Jahren, durch ihre außenhandelspolitischen Überlegungen, den Boden für ein Para-
digma, welches seit den 60er Jahren als Gegenentwurf zur Modernisierungstheorie betrachtet
wurde: die Dependenztheorie. Diese Theorie erlangte schnell weltweites Aufsehen.
87
84
Vgl. Menzel, U., Geschichte der Entwicklungstheorie, a.a.O. S. 21-22.
85
Siehe dazu: Lipset, S.M., Political Man. The Social Bases of Politics, Garden City, 1960.
86
Menzel, U., a.a.O. S. 23.
87
Ebenda, S. 25.
35

Prebisch und Singer beschäftigten sich mit der Frage, ob die Eingliederung der Produzenten
für Primärgüter in die internationale Arbeitsteilung tatsächlich, wie in der neoklassischen
Theorie beschrieben, Wohlfahrtsgewinne berge. Aufgrund langfristiger Beobachtungen und
Analysen von Export- und Importstrukturen, in Bezug auf Güterstrukturen (Import- und Ex-
portwarenkorb), kamen sie zu dem Schluß, daß Terms of Trade
88
Verluste auftreten.
Weiterhin diskutierten sie den ungleichen Tausch auf dem Weltmarkt und der Begriff von
,,Zentrum" und ,,Peripherie" wurde zum ersten mal von Prebisch benutzt. Damit war der
Boden für die Kritik an der Modernisierungstheorie entstanden: Die Dependenztheorie.
Die unter dem Begriff Dependenztheorie zusammengefassten Strömungen hatten ihren Ur-
sprung in Lateinamerika. Die lateinamerikanische Wachstumskrise der frühen 60er Jahre
stand im Gegensatz zu der von den Vereinten Nationen (UN: United Nations) proklamierten
,,Entwicklungsdekade" und das Desaster um die Allianz für den Fortschritt in Lateinameri-
ka.
89
Damit geriet auch die von den USA praktizierte Entwicklungspolitik auf der Basis der
Modernisierungstheorie unter Beschuss.
90
Die Dependenztheorien gehen von folgenden An-
nahmen aus:
Exogene Faktoren sind für die Unterentwicklung der Staaten zuständig, d.h. der Einfluß
der Industrieländer auf die Entwicklungsländer verhindert einen Aufschwung;
Die Welt unterteilt sich in Zentrum (Industrieländer) und Peripherie (Entwicklungslän-
der), bei dem die Peripherie vom Zentrum abhängig ist;
Dadurch entsteht ein kausaler Zusammenhang zwischen Unterentwicklung und Ab-
hängigkeit.
Darstellung 7 stellt den theoretischen Ansatz dar.
88
Austauschverhältnis von Importpreis- zum Exportpreisindex eines Landes. Damit werden die durch den Au-
ßenhandel entstehenden Wohlfahrtssteigerungen, bzw. ­minderungen gemessen.
89
Die Allianz für den Fortschritt wurde 1961 von den USA unter Präsident Kennedy als Entwicklungsprogramm
für Lateinamerika konzipiert, um nach den Sieg Castros in Kuba weitere Revolutionen in der westlichen Hemi-
sphäre zu verhindern. Das Programm wurde 1969 stillschweigend begraben, da es sowohl ökonomisch als auch
politisch scheiterte. Vgl. Nohlen, D. (Hg.), Lexikon Drittel Welt, a.a.O., S. 37-38
90
Ebenda, S. 171.
36

Darstellung 7: die Dependenztheorie
Quelle: Eigene Darstellung
ENDPUNKT
,,Entwickelte Gesellschaft"
WEG
Einfluß der IL
AUSGANGSPUNKT
Unterentwicklung
Aufhebung
(EL)
Die Länder der Dritten Welt (Lateinamerika) sind deshalb unterentwickelt, weil sie in Ab-
hängigkeit zu den Industrieländern und deren System des Welthandels geraten sind. Dadurch
können diese sich nicht frei entfalten, da es einen ständigen Transfer von Surplus zugunsten
der Ersten Welt gibt. Diese Struktur muss durchbrochen werden, indem die Dritte Welt sich
dem Einfluß der Ersten Welt entzieht. Ist dies geschehen, kann eine eigenständige Entwick-
lung und Entfaltung garantiert werden.
Das Ziel dieser Theorie bleibt allerdings unklar: wird der Entwicklungsstand nach ,,westli-
chem" Vorbild erstrebt oder ersucht man die kommunistische Gesellschaft? Dazu gab es ver-
schiedene Ansätze, die nachfolgend näher beschrieben werden.
37

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832453909
ISBN (Paperback)
9783838653907
Dateigröße
1.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule für Politik München – Politikwissenschaften
Note
2,15
Schlagworte
entwicklungspolitik europäische union
Zurück

Titel: Das Abkommen von Cotonou
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
book preview page numper 32
book preview page numper 33
book preview page numper 34
book preview page numper 35
book preview page numper 36
book preview page numper 37
179 Seiten
Cookie-Einstellungen