Lade Inhalt...

Radsport und Immunsystem

Vergleich hämatologischer, immunologischer und endokrinologischer Parameter von Radamateuren und Radprofis im Saisonverlauf

©2002 Doktorarbeit / Dissertation 203 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die gesundheitlichen Auswirkungen von Hochleistungssport werden zunehmend von Wissenschaft und Öffentlichkeit kritisch diskutiert. Sportliche Höchstleistungen können die Gesundheit von Sportlern nachhaltig negativ beeinflussen. Der Radsport nimmt bezüglich der Gesamtbelastung eine Ausnahmestellung im Vergleich zu anderen Ausdauersportarten ein. Hohe Trainings- und Wettkampfintensitäten bei außerordentlichen Belastungsumfängen charakterisieren diese Sportart und implizieren höchste physische und psychische Anforderungen an die Athleten. Infektionen insbesondere der oberen Atemwege und des Verdauungstraktes stellen bei der Absicherung der sportlichen Leistungsfähigkeit das größte potentielle Risiko für Radsportler dar. Der Gesunderhaltung der Sportler kommt somit eine ausschlaggebende Relevanz im Trainingsprozess zu.
In zahlreichen sportimmunologischen Untersuchungen der letzten einhundert Jahre wird ein eher negatives Bild des Ausdauerleistungssports gezeichnet, wobei eine langfristige Schwächung der Immunabwehr bei Leistungssportlern in anerkannten immunologischen Belastungsmodellen postuliert wird. Immunsuppressive Effekte von kurzen anaeroben sowie langen aeroben Belastungen werden in der Literatur dokumentiert. Neben diesen in ausreichender Zahl vorliegenden Querschnittsuntersuchungen lassen sich allerdings nur wenige adäquate Longitudinaluntersuchungen an Ausdauersportlern finden. Ein großer Teil der in den letzten zwanzig Jahren veröffentlichten Longitudinalstudien weist methodische Mängel wie zum Beispiel eine zu geringe Zahl an Untersuchungsterminen oder zu kurze Untersuchungszeiträume auf.
In der vorliegenden Arbeit wurde erstmals der basale Immunstatus und die Leistungsfähigkeit von zwölf Eliteradsportlern über den Zeitraum eines Jahres erfasst. Sechs Sportler gehörten der höchsten Amateurklasse an, die sechs übrigen Probanden waren Berufsradsportler. Die Athleten unterzogen sich an den Untersuchungsterminen einer morgendlichen Blutabnahme sowie einer anschließenden Fahrradergometrie. Neben quantitativen und qualitativen immunologischen Parametern, wurden hämatologische und endokrinologische Messwerte bestimmt.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen sowohl auf der Seite der unspezifischen als auch auf der Seite der spezifischen zellulären Abwehr keine negativen Auswirkungen der Belastungsanforderungen während des Untersuchungszeitraumes. Die Untersuchungsgruppen unterschieden sich in den immunologischen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 5381
Schmidt, Achim: Radsport und Immunsystem: Vergleich hämatologischer, immunologischer und
endokrinologischer Parameter von Radamateuren und Radprofis im Saisonverlauf / Achim
Schmidt - Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Köln, Sporthochschule, Dissertation / Doktorarbeit, 2002
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die
der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen,
der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der
Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung,
vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im
Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der
Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem
Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche
Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten
wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht
vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die Autoren oder
Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl.
verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
___________________________________________________________________________________________________________
Inhaltsverzeichnis
Seite
Abkürzungsverzeichnis
1
E
INLEITUNG
... 1
2
F
ORSCHUNGSSTAND
... 10
2.1 Entwicklung der sportimmunologischen Forschung... 10
2.2 Auswirkungen akuter körperlicher Belastungen auf immunologische Parameter 12
2.2.1
Quantitative Veränderungen der Leukozyten... 12
2.2.2
Wirkungsmechanismen der belastungsinduzierten Leukozytose... 17
2.2.3
Qualitative Veränderungen der Granulozyten und Monozyten ... 18
2.2.4
Qualitative Veränderungen der NK-Zellen ... 20
2.3 Immunologische Parameter von Leistungssportlern im Vergleich zu
Untrainierten (Querschnittsstudien) ... 21
2.3.1
Quantitative Veränderungen der Leukozyten... 21
2.3.2
Qualitative Veränderungen der Leukozyten... 24
2.4 Immunologische Parameter von Leistungssportlern in Längsschnitt-
untersuchungen... 25
2.5 Immunsuppression bei Hochleistungsportlern? ... 31
2.6 Auswirkungen körperlicher Belastungen auf Katecholamine und Kortisol... 34
2.6.1
Quantitative Veränderungen der Hormone Adrenalin, Noradrenalin und
Kortisol bei akuter körperlicher Belastung ... 35
2.6.2
Beeinflussung endokrinologischer Parameter durch Ausdauertraining ... 38
2.7 Auswirkung von Ausdauertraining auf hämatologische Parameter... 39
2.7.1
Reaktion hämatologischer Parameter auf akute Belastungen ... 39
2.7.2
Langfristige Veränderungen hämatologischer Parameter durch Ausdauer-
sport ... 40
2.8 Leistungsdiagnostische
Parameter im Jahresverlauf... 41
2.9 Status quo der Sportimmunologie ... 41

Inhaltsverzeichnis
___________________________________________________________________________________________________________
3 M
ATERIAL UND
M
ETHODEN
... 43
3.1 Probanden... 43
3.2 Untersuchungszeitraum... 45
3.3 Immunologische und hämatologische Untersuchungen... 48
3.3.1 Hämatologie ... 48
3.3.2 Lymphozytensubpopulationen ... 49
3.3.3 Quantitative Bestimmung der Phagozytoseaktivität von Monozyten und
Granulozyten ... 51
3.3.4 Bestimmung der zytotoxischen Aktivität von NK-Zellen... 53
3.4 Bestimmung der Hormonkonzentrationen ... 55
3.4.1
Plasma-Katecholaminmessung... 55
3.4.2
Radioimmunoessay... 57
3.5 Leistungsdiagnostik... 59
3.5.1 Ergometer ... 59
3.5.2 Testprotokoll... 60
3.5.3 Bestimmung der Herzfrequenz... 61
3.5.4 Laktatwertbestimmung ... 61
3.6 Statistik... 63
4 U
NTERSUCHUNGSERGEBNISSE
... 64
4.1 Hämatologie ... 65
4.1.1 Quantitative Veränderungen der Erythrozytenzahlen ... 65
4.1.2 Quantitative Veränderungen der Hämoglobinwerte... 66
4.1.3 Quantitative Veränderungen des Hämatokritwertes... 67
4.1.4 Quantitative Veränderungen des mittleren Erythrozyteneinzelvolumens 68
4.1.5 Quantitative Veränderungen des mittleren Erythrozytenhämoglobins ... 69
4.1.6 Quantitative Veränderungen der mittleren Erythrozytenhämoglobinkon-
zentration ... 70
4.1.7 Quantitative Veränderungen der Thrombozyten ... 71
4.1.8 Quantitative Veränderungen mittleren Thrombozytenvolumens ... 72
4.2 Differentialblutbild... 73
4.2.1 Quantitative Veränderungen der Leukozyten... 73

Inhaltsverzeichnis
___________________________________________________________________________________________________________
4.2.2 Quantitative Veränderungen der Lymphozyten ... 74
4.2.3 Quantitative Veränderungen der Granulozyten... 75
4.2.4 Quantitative Veränderungen der Monozyten ... 76
4.3 Lymphozytensubpopulationen ... 77
4.3.1 T-Lymphozyten (CD 2) ... 77
4.3.2 T-Lymphozyten (CD 3) ... 78
4.3.3 T-Helferzellen (CD 4) ... 79
4.3.4 Zytotoxische/Suppressor T-Lymphozyten (CD 8) ... 81
4.3.5 T-Helfer/T-Suppressorzellen (T4/T8 Ratio)... 82
4.3.6 B-Lymphozyten (CD 19)... 83
4.3.7 Natürliche Killerzellen (CD 56/CD 16) ... 84
4.4 Aktivierungsmarker... 85
4.4.1 HLA-DR+
Lymphozyten... 85
4.4.2 Aktivierte
T-Lymphozyten (CD 3+/HLA-DR+) ... 86
4.4.3 Aktivierte Monozyten (HLA-DR+)... 87
4.4.4 IL-2+
Lymphozyten... 88
4.4.5 IL-2+
Monozyten... 89
4.5 Phagozytoseaktivität von Granulozyten und Monozyten... 90
4.5.1 Granulozyten ... 90
4.5.2 Monozyten... 91
4.6 Zytotoxizität von NK-Zellen... 92
4.6.1 Zytotoxizität von NK-Zellen ... 92
4.6.2 Zytotoxizität von IL-2 stimulierten NK-Zellen... 93
4.7 Hormonbestimmungen ... 94
4.7.1 Adrenalin ... 94
4.7.2 Noradrenalin ... 95
4.7.3 Kortisol ... 96

Inhaltsverzeichnis
___________________________________________________________________________________________________________
4.8 Leistungsdiagnostische
Parameter ... 97
4.8.1 Absolute Leistung bei Belastungsabbruch im Stufentest ... 97
4.8.2 Relative Leistung bei Belastungsabbruch im Stufentest ... 98
4.8.3 Leistung bei 2 mmol/l Laktat ... 99
4.8.4 Leistung bei 4 mmol/l Laktat ... 100
4.8.5 Leistung bei HF 120 ... 101
4.8.6 Leistung bei HF 140 ... 102
4.8.7 Leistung bei HF 160 ... 103
5 D
ISKUSSION
... 104
5.1 Veränderungen hämatologischer Parameter im Saisonverlauf ... 105
5.2 Veränderungen des Differentialblutbildes im Saisonverlauf (Leukozyten, Lym-
phozyten, Monozyten, Granulozyten)... 110
5.2.1 Leukozyten im Saisonverlauf ... 111
5.2.2 Leukozytensubpopulationen
(Lymphozyten, Granulozyten, Monozyten)
im Saisonverlauf... 114
5.3 Veränderungen der Lymphozytensubpopulationen im Saisonverlauf ... 116
5.3.1 T- und B-Zellen ... 116
5.3.2 T
4
- und T
8
-Zellen... 118
5.3.3 NK-Zellen... 121
5.4 Aktivierungsmarker auf Lymphozyten und Monozyten ... 122
5.4.1 HLA-DR+
Lymphozyten... 122
5.4.2 HLA-DR+
Monozyten... 123
5.4.3 IL-2 Rezeptorexpression auf Lymphozyten und Monozyten... 125
5.5 Veränderungen funktioneller Immunparameter im Saisonverlauf... 126
5.5.1 Phagozytose... 126
5.5.2 NK-Zell
Aktivität ... 129
5.6
Veränderungen von endokrinologischen Parametern im Saisonverlauf... 130
5.7
Leistungsdiagnostische Kenngrößen im Saisonverlauf... 132
5.8 Schlussbetrachtung ... 135

Inhaltsverzeichnis
___________________________________________________________________________________________________________
5.9
Infektionsprophylaxe für Radsportler... 147
5.10 Ausblick... 152
6 Z
USAMMENFASSUNG
... 154
7 L
ITERATURVERZEICHNIS
... 157

Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A Amateure
Abb.
Abbildung
ACTH
Adrenocorticotropes
Hormon
BDR
Bund Deutscher Radfahrer
BMI
Body Mass Index
°C
Grad Celcius
Ca Calcium
CD
cluster of differentiation
cm Zentimeter
CO
2
Kohlendioxid
cpm
Impulse pro Minute (counts per minute)
dl Deziliter
EDTA
Ethylendiamintetraacetat
Fe Eisen
fl
Fantoliter
GA Grundlagenausdauer
GA-Blöcke Grundlagenausdauer-Blöcke
GS
Groupe Sportif
h
Stunden (hours)
HB Hämoglobin
HF Herzfrequenz
HIV Humanes
Immundefizienzvirus
HKT
Hämatokrit
HLA
Human leukocyte antigen
HPLC
high performance liquid chromatography
Hf Herzfrequenz
Hz Hertz
IAS
individuelle anaerobe Schwelle
IgA Immunglobulin
A
IgG Immunglobulin
G
IgM Immunglobulin
M
IL Interleukin
K Kalium
kg Kilogramm
km Kilometer

Abkürzungsverzeichnis
l
Liter
m Meter
m Mittelwert
MCH
Mittleres
Erythrozytenhämoglobin
MCHC
Mittlere Erythrozytenhämoglobinkonzentration
MCV
Mittleres
Erthrozyteneinzelvolumen
Mg Magnesium
mg Milligramm
MHC
major histocompatibility complex
(Haupt-Histokompatibilitätskomplex)
min Minute
ml Milliliter
mmol
Millimol
MTV
Mittleres
Thrombozytenvolumen
µg Mikrogramm
µl Mikroliter
n
Stichprobenzahl
Na Natrium
NK-Zellen natürliche
Killerzellen
nm Nanometer
O
2
Sauerstoff
p
Signifikanzniveau
P
Profis
PBMC
peripheral blood mononuclear cells
(Periphere mononukleäre Blutzellen)
PBS
Phosphate Buffered Solution
pg Pikogramm
RBC
Red blood cell (Rote Blutkörperchen)
RIA Radioimmunassay
rpm
rounds per minute (Umdrehung pro Minute)
RT Raumtemperatur
s
Standardabweihung
s.o. siehe
oben
STH
Somatrotropes
Hormon
T 1-7
Untersuchungstermin
TA Totalaktivität
Tab. Tabelle

Abkürzungsverzeichnis
TCR
T-Zell-Rezeptor
THR
Thrombozyten
TNF
Tumor Nekrose Faktor
TSH
Thyreotropin
u.a.m.
und andere mehr
U/L Units/Liter
UCI
Union Cycliste International
ÜP Übergangsperiode
URTI
upper respiratory tract infections
vergl.
vergleiche
VO
2max
Maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit
VP Vorbereitungsperiode
WP Wettkampfperiode
WSA
Wettkampfspezifische
Ausdauer
z.T. zum
Teil
% Prozent

Einleitung
____________________________________________________________________________
1
1 E
INLEITUNG
Die gesundheitlichen Auswirkungen von Hochleistungssport werden sowohl in
der Wissenschaft als auch in der Öffentlichkeit kritisch diskutiert. Sportliche
Höchstleistungen können die Gesundheit von Sportlern langfristig negativ be-
einflussen. Neben kurzandauernden Beschwerden werden in der Fachliteratur
zahlreiche chronische, durch Über- und Fehlbelastung verursachte Schäden vor
allem im orthopädischen Bereich beschrieben (P
ETERSON
u. R
ENSTRÖM
1987,
R
ENSTRÖM
1996, F
EUERSTAKE
u. Z
ELL
1997, M
ENKE
2000, M
AIBAUM
2001).
Stetig zunehmende Trainings- und Wettkampfbelastungen sind vielfach die
Ursache für mittelfristige Verletzungsperioden in der Laufbahn von Hochleis-
tungssportlern. So werden die Jahresbelastungsumfänge für Hochleistungsrad-
sportler von L
INDNER
(1993), N
EUMANN
und Mitarbeitern (1993) und L
Y-
CHATZ
(2000) mit 40.000 km und von H
OTTENROTT
(1995) mit mehr als 1.000
Belastungsstunden charakterisiert. S
CHMIDT
(2001) sowie L
UCIA
und Mitarbei-
ter (2001) nennen 30.000-40.000 km. In welchem Ausmaß diese Belastungen
Auswirkungen auf die Gesundheit der Sportler nach ihrer aktiven Laufbahn
haben, lässt sich heute nur vermuten und ist zur Zeit noch nicht wissenschaft-
lich dokumentiert.
Im Zuge der Kommerzialisierung des Spitzensports aller Sportarten und insbe-
sondere des Radsports sind die Athleten und Athletinnen bestrebt, in der kur-
zen Phase ihrer sportlichen Höchstleistungsfähigkeit möglichst große finanziel-
le Einnahmen durch Gehälter, Werbeeinnahmen und Preisgelder zu erzielen.
Die Rücklagen aus dieser Zeit dienen für viele Sportler als Unterhaltsbasis für
ihr Leben nach der aktiven Laufbahn. Somit sind zunehmend mehr Sportler in
der Lage während der Sportlerkarriere ihr Lebenseinkommen zu sichern.
Im Radsport zeigten sich schon im 19. Jahrhundert, in den Anfangsjahren der
sportlichen Betätigung mit dem Fahrrad, deutliche Tendenzen zur Professiona-
lisierung des Sports und der Sportler (S
ALVISBERG
1980, W
EIß
1996). So wur-
de bereits bei dem ersten durch gesicherte Quellen belegbaren Radrennen auf
Fahrrädern im heutigen Sinne im Jahr 1868 in Paris eine Siegprämie von 600
Francs ausgesetzt (W
EIß
1996). Hohe Siegprämien und von finanzkräftigen
Mäzenen monetär unterstützte Sportler prägten von diesem Zeitpunkt an die
Sportart. Heute stehen weltweit etwa 1.000 Radsportler bei Profimannschaften

Einleitung
____________________________________________________________________________
2
unter Vertrag (www.uci.ch). Demgegenüber steht eine deutliche höhere Anzahl
von Amateuren, die für Amateurmannschaften starten, ebenfalls Bezüge und
Prämien erhalten und den Radsport unter nahezu professionellen Bedingungen
ausüben. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie sehr die finanziellen Vor-
züge einer möglichst hohen Leistungsfähigkeit das Belastungsmuster der
Sportler beeinflussen. Jahreskilometerumfänge von 40.000 km im professionel-
len und 25.000 km im Amateurbereich sind die Regel. (W
EIß
1996, J
EU-
KENDRUP
et al. 2000,
L
YCHATZ
2000, L
UCIA
et al. 2001, S
CHMIDT
2001) Diese
großen Belastungsumfänge gehen mit der Teilnahme an einer hohen Anzahl
von Wettkämpfen einher (80-150 Wettkämpfe/Saison).
Damit nimmt der Radsport bezüglich der Belastungskennziffern eine Ausnah-
mestellung innerhalb der Ausdauersportarten ein (Z
INTL
2001). Unter Belas-
tungskennziffern werden die Jahresumfänge und Wettkampfzahlen verstanden.
Negative gesundheitliche Auswirkungen der körperlichen Belastungen liegen
im Hochleistungsradsport auf der Hand, wurden allerdings nur für wenige
Krankheitsbilder (Rücken- und Nackenbeschwerden, Sturzverletzungen, Ge-
fäßverschlüsse, UV-Überdosen, Carpaltunnelsyndrom) ausreichend detailliert
und abgesichert beschrieben (S
ALAI
et al. 1999, S
ANNER
u.
O'H
ALLORAN
2000,
DE
R
OSE
et al. 2001, K
ELLY
et al. 2001, M
ÖHRLE
et al. 2001).
Insbesondere das Immunsystem scheint durch die hohen und alternierenden
Belastungsreize, zu kurzen Regenerationszeiten und der kontinuierlichen Wit-
terungsexposition eine ausschlaggebende Rolle bei der Wahrung der Leis-
tungsfähigkeit und Wettkampftauglichkeit zu spielen. So nehmen nach P
ETER
(1986), R
ICKEN
(1990) sowie G
ABRIEL
und K
INDERMANN
(1995) bei Leist-
ungssportlern die Infektionen des Respirations- und Gastrointestinaltraktes den
zweiten Platz nach den Verletzungen des Bewegungsapparates ein und stellen
somit einen erheblichen Störfaktor bei der Umsetzung von Trainingsplanvor-
gaben und der Teilnahme an Wettkämpfen dar. R
YAN
und Mitarbeiter (1975)
vertreten sogar den Standpunkt, Infektionen der oberen Luftwege würden bei
Sportlern so häufig zu Trainings- und Wettkampfbehinderungen führen wie
alle anderen Krankheiten zusammengerechnet.
In der verletzungsarmen Sportart Radsport stehen die Infektionen selbst an
erster Stelle der Ursachen für krankheitsbedingte Trainings- und Wettkampf-
ausfälle (R
YAN
et al. 1975, L
INDNER
1993, V
ERMUNT
1997). Dennoch muss

Einleitung
____________________________________________________________________________
3
der Frage nachgegangen werden, ob Radsportler überdurchschnittlich häufig
an Infektionen erkranken und inwieweit dies anhand von immunologischen,
hämatologischen und endokrinologischen Parametern belegt werden kann.
Infekte und Leistungssport
Regelmäßig betriebener Ausdauersport ruft eine Vielzahl positiver Anpas-
sungsmechanismen im menschlichen Organismus hervor. Neben metaboli-
schen Adaptationsvorgängen kommt es auch zu organischen und psychischen
Veränderungen. In der Literatur wird ein regelmäßiges moderates Ausdauer-
training als der Gesundheit zuträglich beschrieben (Z
INTL
2001), während in-
tensives Ausdauertraining und Ausdauerleistungssport kontrovers diskutiert
werden. Nur wenige Studien stellen die nachfolgend dargestellten Modelle in
Frage (L
ÖTZERICH
1995, S
CHULZ
2001) und leiten keine erhöhte Infektionsge-
fahr für Leistungssportler ab.
Eine erniedrigte Widerstandfähigkeit gegenüber Infektionskrankheiten von
Leistungssportlern findet sich in zahlreichen Aussagen von Sportlern, Trainern
und Sportärzten wieder (N
IEMANN
1997a, V
ERMUNT
1997, N
IEMANN
et P
E-
DERSEN
1999). Insbesondere in Phasen mit intensiven Trainingseinheiten und
vor Hauptwettkämpfen scheint die Zahl der infektionskrankheitsbedingten
Trainingsausfalltage anzusteigen (N
IEMANN
et al. 1990a, P
ETERS
et al. 1993,
P
ETERS
et al. 1996). Auf der anderen Seite gilt regelmäßiges Ausdauertraining
als Mittel der Wahl, um sich vor Infektionskrankheiten wie beispielsweise ei-
ner Erkältung zu schützen. Für beide Theorien lassen sich in der Literatur ü-
bereinstimmende Studien finden, welche in der sogenannten "J-Curve" ihren
Konsens finden (siehe Abb. 1.1). Mit ihr wird der Zusammenhang zwischen
körperlicher Belastung und Infektanfälligkeit (Atemwege) beschrieben (N
IE-
MAN
et al. 1989a, H
EATH
et al. 1991, 1992, N
IEMANN
et al. 1993, S
EVIER
1994,
G
ABRIEL
u. K
INDERMANN
1995). Das J-förmige Interpretationsmodell besagt,
dass sowohl körperliche Inaktivität als auch ,,überlastende" Belastungsreize
wie im Leistungssport das Risiko einer Atemwegsinfektion erhöhen. Modera-
tes Training dagegen senke das Infektrisiko und bilde somit den Bogen des ,,J".
Der Untrainierte liegt mit seiner Infektanfälligkeit zwischen moderat Trainie-
rendem und hart Trainierendem.

Einleitung
____________________________________________________________________________
4
Abb. 1.1: Zusammenhang von Belastungsintensität und Infektanfälligkeit (Atemwe-
ge) in Form einer J-förmigen Kurve (nach S
EVIER
1994)
Einen ähnlichen methodischen Ansatz verfolgt das Modell der ,,Inverted-U-
Theory" (F
ITZGERALD
1988, siehe Abb. 1.2). Hierbei wird eine Verbindung
zwischen dem Trainingszustand und der Immunkompetenz, demzufolge der
Funktionalität des Immunsystems, hergestellt. Sportlich inaktive, aber gesunde
Menschen zeigen eine stark reduzierte Immunkompetenz, wie sie auch bei
Hochleistungssportlern ausgemacht werden kann. Die regelmäßig moderaten
Sport betreibenden Menschen weisen bei der ,,Inverted-U-Theory" die höchste
Immunkompetenz auf.
Zahlreiche Wissenschaftler gehen von einer immunsuppressiven Wirkung aus,
induziert durch intensive Belastungen und hartes Training aus (M
AIDORN
1972,
G
RIMM
1973, J
OKL
1974, M
AIDORN
1974, M
AIERSKI
1976, T
OMASI
et al. 1982,
P
ETERS
u. B
ATEMANN
1983, W
EISS
et al. 1985, M
ACKINNON
et al. 1986, P
ETER
1986, R
ICKEN
u. K
INDERMANN
1986, 1987, L
EWICKI
et al. 1987, S
TANG
-V
OSS
1987, F
ITZGERALD
1988, N
IEMANN
et al. 1990a, H
EATH
et al. 1991, S
IMON
1991, S
HARP
u. K
OUTEDAKIS
1992, N
IEMANN
1997a, N
IEMANN
u. P
EDERSEN
1999, M
ACKINNON
2000). Damit geht ein hohes Infektionsrisiko einher, insbe-
sondere im direkten Anschluss an die Belastungen.
hoch
mittel
niedrig
kein Sport
moderater Sport
Hochleistungssport
Infektionsrisiko

Einleitung
____________________________________________________________________________
5
Abb. 1.2: Zusammenhang von Belastungsintensität und Immunkompetenz in Form
eines umgekehrten U (,,Inverted-U-Theory", nach F
ITZGERALD
1988)
Schon in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts konnte C
OWLES
(1918) einen Zusammenhang zwischen intensiven Belastungen und der Infekt-
anfälligkeit feststellen. Die Untersuchung beschreibt einen Zusammenhang
zwischen dem Auftreten von Lungenentzündungen und der sportlichen Aktivi-
tät in einer Jungenschule. Nur Sportler bekamen eine Lungenentzündung und
gewöhnliche Atemwegsinfektionen entwickelten sich vornehmlich nach inten-
sivem Training und Wettkampfsport zu Lungenentzündungen. H
ORSTMANN
(1950) zeigte, dass der Erkrankungsgrad an akuter Poliomyelitis durch intensi-
ve Belastungen des Infektionsverlaufs negativ beeinflusst wird.
D
OUGLAS
und H
ANSON
(1978), P
ETERS
und B
ATEMAN
(1983) und B
ERGLUND
und H
EMMINGSON
(1990) beschreiben in ihren Studien eine erhöhte Infektions-
rate für Atemwegserkrankungen bei Leistungssportlern im Gegensatz zu
"Nicht-Sportlern".
Nach intensiven Ausdauerbelastungen wie Marathonläufen kommt es zu einer
Erhöhung der Infektanfälligkeit. P
ETERS
und B
ATEMANN
(1983) ermittelten bei
140 Läufern eine durchschnittliche Infektionsrate von 33 % in den zwei Wo-
chen nach einem 56 km Lauf. Bei altersgleichen Kontrollpersonen, die jeweils
im gleichen Haushalt lebten, erkrankten nur 15 %. Etwa 50 % der schnellsten
Läufer erkrankten nach dem Ultralauf, was auf eine Korrelation der Infektan-
hoch
mittel
niedrig
kein Sport
moderater Sport
Hochleistungssport
Immunkompetenz

Einleitung
____________________________________________________________________________
6
fälligkeit mit der Belastungsintensität schließen lässt. Auch N
IEMANN
und Mit-
arbeiter (1990a) konnten in einer Studie nachweisen, dass 12,9 % der Teilneh-
mer am Los Angeles Marathon in der Woche nach dem Lauf an einer Infektion
der oberen Atemwege erkrankten. Verglichen mit der Gruppe von Läufern, die
sich zwar für den Marathon anmeldeten, aber aus verschiedenen, nicht krank-
heitsbedingten Gründen nicht teilnehmen konnten, zeigte die erste Gruppe eine
signifikant höhere Infektionszahl (12,9 % gegenüber 2,2 %). Eine Beziehung
konnte auch zwischen den Trainingsumfängen und der Infektionsanfälligkeit
hergestellt werden. So erkrankten die Läufer mit Wochenumfängen von 60 und
mehr Meilen doppelt so häufig wie die Läufer mit 20 und weniger Meilen. Bei
dieser Studie bleiben jedoch einige Unklarheiten bezüglich Erhebung und
Auswertung der Daten offen, so dass die Ergebnisse nur als Tendenz aufgefasst
werden sollten. Der Rücklauf der Fragebögen könnte ein möglicher Schwach-
punkt einer solchen Studie sein: Schickt nur derjenige einen Fragebogen zu-
rück, der häufig an Infektionen erkrankt und mehr über dieses Thema wissen
möchte oder beteiligen sich auch die Teilnehmer oder Nicht-Teilnehmer an der
Studie, die niemals erkranken und deshalb auch keinen Bezug zur Fragestel-
lung haben? Des Weiteren sind ,,selbsterfasste Krankheitstage" einer großen
Bandbreite subjektiver Empfindungen unterworfen.
Andere Quellen geben an, dass Belastungen und langandauerndes Training zu
einer Stärkung der Immunabwehr führen und somit das Risiko einer Infektion
senken (S
OPPI
et al. 1982, W
ATSON
et al. 1986). Dieses besonders von ameri-
kanischen Wissenschaftlern vertretene Modell wird jedoch nicht von allen Un-
tersuchungen bestätigt (S
CHOUTEN
et al. 1988, B
RENNER
et al. 1994). Ver-
schiedene weitere Faktoren müssen bei einer differenzierten Betrachtung die-
ses Wirkungsgefüges einbezogen werden. G
ABRIEL
und K
INDERMANN
(1995)
führen hier Faktoren wie infektiöse Streuherde, erhöhte Exposition gegenüber
Krankheitserregern, Pathogenität und Virulenz dieser Erreger, Allergien, infek-
tionsfördernde bzw. -hemmende Verhaltensweisen, Ernährungsverhalten,
Sportart, Witterungsbedingungen bei Training und Wettkampf, psychischer
Stress, Schlafdefizite, Reisen u.a.m. an, die ohne Zweifel Auswirkungen auf
die Infektanfälligkeit von Sportlern haben (siehe Abb. 1.3). In Abbildung 1.4
sind potentielle negative Einflussfaktoren auf das Immunsystem von Radsport-
lern dargestellt. In einem Artikel aus dem Jahr 2000 beschreiben K
ÖNIG
und

Einleitung
____________________________________________________________________________
7
Mitarbeiter ähnliche Faktoren. Eine Reihe dieser Faktoren geht mit der zuneh-
menden Kommerzialisierung des Radsports einher und ist Folge der vermehr-
ten Reisetätigkeit der Sportler.
Letztlich ist der Vergleich von Belastungsumfang/-intensität und Infektanfäl-
ligkeit eine einfaktorielle Betrachtungsweise, die zahlreiche weitere Parameter
(s.o.) nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. Da es sich bei den meisten
Untersuchungen dieser Art um epidemiologische Studien handelt, besteht die
Möglichkeit, dass Leistungssportler aufgrund ihres besseren Körpergefühls
leichte Infektion deutlicher wahrnehmen und als Folge hiervon auch häufiger
als Freizeit- und Nicht-Sportler angeben.
Forschungslücken
Insbesondere im Langzeitausdauerbereich sind die Kenntnisse über den Ein-
fluss von Training und Wettkampfbelastungen auf das Immunsystem noch sehr
lückenhaft, obwohl schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts immunologische
Untersuchungen an Marathonläufern durchgeführt wurden. L
ARRABEE
konnte
1902 eine drei- bis fünffache Erhöhung der Leukozytenzahl im peripheren Blut
bei 4 Teilnehmern des Boston-Marathons feststellen. Diese Befunde konnten in
späteren Jahrzehnten in vielen Untersuchungen bestätigt werden.
Der gängige Untersuchungsaufbau bei den beschriebenen Studien besteht aus
einer Belastungsphase und damit verbundenen Blutuntersuchungen vor, wäh-
rend und nach der Belastung. Nur wenige Studien berücksichtigen einen länge-
ren Zeitraum als 24 Stunden nach der Belastung.
Aber nicht nur die Belastung hat einen Einfluss auf die Funktionsfähigkeit des
Immunsystems, auch Faktoren wie Trainingszustand, Alter, psychische Belas-
tung, Umgebungsbedingungen, Ernährung und viele weitere zum Teil noch
wenig erforschte Parameter haben Effekte auf die Abwehrlage des Organismus
und sind in ihrer Summe sehr komplex und nur schwierig zu erfassen.

Einleitung
____________________________________________________________________________
8
Abb. 1.3: Modulation des Immunsystems durch verschiedene Faktoren
(modifiziert nach L
ÖTZERICH
und U
HLENBRUCK
1991)
Letztlich stellt sich der Wissenschaft die Frage, ob die Immunfunktion bei
Sportlern supprimiert ist oder ob die teilweise beschriebene erhöhte Anfällig-
keit gegenüber Infekten mit anderen Ursachen in Verbindung gebracht werden
muss. Demnach ist die Fragestellung, ob sich die Immunfunktion von Sportlern
und ,,Nicht-Sportlern" in Ruhe unterscheidet, von grundlegender Bedeutung
für diese Arbeit.
·
Witterung (Rennen und Training)
·
Klimawechsel (Rennorte)
·
Unterkalorische Ernährung zur Gewichtsreduktion
·
Gebrauch von Dopingsubstanzen
·
Wettkampfbelastungen bei Krankheit/Infektion
·
Reisestress
·
Hohe Wettkampfdichte (80-150/Jahr)
·
Lange Wettkampfdauer (5-8 h)
·
Großer Anteil intensiver Belastungen
·
Große Trainingsumfänge
·
Erfolgsdruck durch Sponsoren
Abb. 1.4: Potentielle negative Einflussfaktoren auf das Immunsystem von Radsport-
lern (unter besonderer Berücksichtigung des Profiradsports)
Nur in weltweit zwei Studien wurden bisher die saisonalen Veränderungen von
Immunparametern bei Radsportlern untersucht. Beide Studien weisen jedoch
-
Psychische
Belastungen
Physische
Belastungen
-
Umwelt-
belastungen
Soziale
Belastungen
Individuelle
Stressverarbeitung
Genetische
Resistenz
Ernährung
Immunsystem
Alter

Einleitung
____________________________________________________________________________
9
erhebliche Defizite bezüglich der zeitlichen Abstände zwischen den Untersu-
chungsterminen auf. B
AJ
und Mitarbeiter (1994) verglichen den Immunstatus
an lediglich zwei Terminen vor und nach einer Saison bei 15 Radsportlern. In
der Untersuchung von F
ERRANDEZ
und Mitarbeiter (1996) wurden zehn Bahn-
fahrer des spanischen Olympiakaders für Barcelona in einem Abstand von ein-
einhalb Jahren jeweils einer immunologischen Untersuchung unterzogen. Dar-
über hinaus liegen gegenwärtig keine immunologischen Langzeitstudien vor.
Auf der Grundlage der benannten Forschungsdefizite lassen sich für die vorlie-
gende Untersuchung die nachstehenden zentralen Arbeitshypothesen und For-
schungsfragestellungen formulieren:
1. Haben die unterschiedlichen Belastungskennziffern der beiden unter-
suchten Probandengruppen (Amateure und Profis) saisonale Auswir-
kungen auf die quantitativen und qualitativen Parameter des Immunsys-
tems?
2. Zeigen ausgewählte endokrinologische Parameter einen den Immunpa-
rametern analogen Verlauf?
3. Kann bei Radsportlern der beiden untersuchten Probandengruppen von
einer erhöhten Infektanfälligkeit im Vergleich zu Hobbysportlern und
Untrainierten ausgegangen werden?
4. Lassen sich quantitative und qualitative Parameter des Immunsystems
und des roten Blutes zur kurz- und mittelfristigen Belastungssteuerung
im Regelkreis des saisonalen Leistungsaufbaus von Ausdauersportlern
heranziehen?
Die vorliegende Arbeit untersucht weltweit erstmalig über den Zeitraum eines
Jahres den Verlauf von immunologischen und hormonellen Parametern bei
Berufsradsportlern und Radamateuren.

Forschungsstand
10
_____________________________________________________________________________________________
2 F
ORSCHUNGSSTAND
2.1
Entwicklung der sportimmunologischen Forschung
Der interdisziplinäre Forschungsbereich zwischen Sportmedizin, Trainingswis-
senschaft, klinischer Immunologie und medizinischer Prävention und
Rehabilitation wird als ,,Sportimmunlogie" bezeichnet (U
HLENBRUCK
u.
O
RDER
1987). Im englischsprachigen Raum hat sich der Begriff ,,exercise
immunology" etabliert, der neben der rein sportbezogenen Ausrichtung auch
andere körperliche Belastungen impliziert.
Ausgehend von den Auswirkungen der verschiedenen Sportarten auf das Im-
munsystem beschäftigt sich die Sportimmunologie seit einigen Jahren auch mit
dem Einsatz des Sports und hier vornehmlich des Ausdauersports als Im-
muntherapeutikum beispielsweise nach Krebserkrankungen. Belastungs- und
Entlastungsreaktionen, ausgelöst durch bestimmte für die jeweilige Sportart
typische Belastungsmuster, sowie die Verknüpfung der gewonnenen Daten mit
trainingswissenschaftlichen Erkenntnissen stellen die Grundlage einer leis-
tungssportlich-praxisorientierten Sportimmunologie dar (siehe Abb. 2.1).
Abb. 2.1: Die Sportimmunologie als interdisziplinäre Forschungsdisziplin
Als Psychoneuroimmunologie wird die Verbindung der Immunologie mit der
Psychologie bezeichnet (A
DER
1981, S
OLOMON
1987). In den letzten Dekaden
nimmt sich auch die Sportmedizin verstärkt immunologischer Fragestellungen
an und versucht, Belastungs-, Erholungs- und Adaptationsprozesse mit Hilfe
neuer Untersuchungsmethoden zu beleuchten. Dadurch wurde der Entwicklung
der Sportimmunologie erheblicher Vorschub geleistet. Ein Ziel der immunolo-
gischen Untersuchungen ist es, komplexe Regenerationsprozesse als grundle-
Sportimmunologie
Sportmedizin
Trainingslehre
klinische
Immunologie
Prävention
Rehabilitation

Forschungsstand
11
_____________________________________________________________________________________________
gende Vorgänge sportlicher Trainierbarkeit zu erforschen, um den Trainings-
verlauf mit Hilfe fundierter immunologischer Kenntnisse effektiver verstehen
und steuern zu können.
Das gesteigerte Interesse der Medizin an immunologischen und insbesondere
auch sportimmunologischen Fragestellungen drückt sich deutlich in der Zahl
der Publikationen aus (vergl. Abb. 2.2). Während in der Zeitspanne von 1900
bis 1950 nur einzelne Untersuchungen publiziert wurden, erhöhte sich diese
Zahl von 1950 bis 1969 auf etwa 40 Studien und auf 550 in dem kurzen Zeit-
fenster von 1990 bis 1999. Allein von 2000 bis Mitte 2001 wurden rund 110
sportimmunologische Studien publiziert. N
IEMANN
(1997a) beziffert in einer
Veröffentlichung die Zahl der sportimmunologischen Studien von 1900-1996
mit 629, von denen 60% in den neunziger Jahren publiziert worden sind
(R
AINWATER
et al. 1995).
Abb. 2.2: Sportimmunologische Publikationen von 1970 bis 2001 (Medline Recher-
che 06/2001; www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?SUBMIT=y)
Von entscheidender Bedeutung für die immunologische Forschung waren die
methodischen Fortschritte seit Mitte der Siebzigerjahre. So leisteten Milstein
und Köhler im Jahr 1975 den entscheidenden Beitrag zu einer Untersuchungs-
methode, mit deren Hilfe Zelltypen voneinander unterschieden werden konnten
(S
TRYER
1994). Die Herstellung monoklonaler Antikörper zur Detektion von
Oberflächenmolekülen auf nahezu allen Zellarten ermöglichte die Markierung
von Zellen und damit auch von Immunzellen. Die zeitgleich entstandene
Messmethodik der Durchflusszytometrie erlaubte die praktische Umsetzung
0
100
200
300
400
500
600
Anzahl der Publikationen
1970-1979
1980-1989
1990-1999
2000-2001

Forschungsstand
12
_____________________________________________________________________________________________
der neuen Erkenntnisse zur quantitativen Bestimmung zirkulierender Immun-
zellen.
In den nachfolgenden Kapiteln soll der aktuelle Wissensstand für die verschie-
denen Bereiche der Sportimmunologie zusammengefasst werden - primär im
Hinblick auf die vorliegende Untersuchung ­ bezüglich basaler Immunparame-
ter - und sekundär bezüglich akuter Veränderungen durch Belastungen.
Peripher wird auf hämatologische Besonderheiten des Ausdauersports einge-
gangen.
2.2
Auswirkungen akuter körperlicher Belastung auf immunologische
Parameter
2.2.1 Quantitative Veränderungen der Leukozyten
Leukozytose
Eine Vermehrung der Leukozytenzahl im peripheren Blut auf Werte
>10.000/
µl Blut wird als Leukozytose bezeichnet (R
OCHE
1999). Die belas-
tungsinduzierte Leukozytose ist seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bekannt
und in einigen Studien mit lichtmikroskopischen Methoden untersucht worden
(S
CHULTZ
1893). L
ARRABEE
konnte 1902 eine drei- bis fünffache Erhöhung
der Leukozytenzahl im peripheren Blut bei vier Teilnehmern des Boston Mara-
thons diagnostizieren. E
GOROFF
untersuchte 1924 eine mehrstündige Granulo-
zytose bei zeitgleicher Lymphopenie im Anschluss an einen Marathonlauf.
E
DWARDS
und W
OOD
(1932) erkannten, dass die Belastungsleukozytose nicht
mit einfachen Untersuchungsmethoden zu erklären sei und dass weitere auf-
wendigere Untersuchungen notwendig sein würden, die Veränderungen der
Leukozytenkonzentration zu deuten.
Je nach Studienaufbau und Belastungsart steigt die Leukozytenzahl der unter-
suchten Probanden von Ausgangswerten zwischen 4.000 und 8.000 Zellen/
µl
Blut häufig bis auf Werte von 20.000 Zellen/
µl Blut an, in Ausnahmefällen bis
auf 30.000 Zellen/
µl Blut (A
HLBORG
1967). L
ÖTZERICH
(1995) beschreibt den
Zusammenhang zwischen Belastungsdauer und Grad der Leukozytose. Eine
Zunahme der Abwehrzellen, die über eine Verdopplung hinausgeht, wird nor-
malerweise erst nach Belastungen erreicht, die eine Stunde überschreiten. Die

Forschungsstand
13
_____________________________________________________________________________________________
Belastungsintensität hat einen ähnlichen Einfluss auf das Ausmaß der
Leukozytose. Je höher die Belastungsintensität bei vergleichbarer Belastungs-
dauer ist, desto höher fällt in der Regel der Anstieg der Leukozyten aus (T
VEDE
et al. 1993). Da eine Belastung jedoch immer als Summe von Belastungsum-
fang und Belastungsintensität aufgefasst werden muss, fällt eine Klassifizie-
rung des Grades der Leukozytose in Abhängigkeit von nur einem dieser beiden
Parameter schwer. Zudem finden sich in der Literatur nur wenige Studien, in
denen ähnliche Belastungen von vergleichbaren Probandengruppen durchge-
führt wurden.
Eine Leukozytose ist auf die Veränderungen der verschiedenen Leukozyten-
subpopulationen zurückzuführen. Die Belastungsleukozytose setzt kurze Zeit
nach Beginn der körperlichen Arbeit ein und dauert während dieser an. Abhän-
gig von Belastungsintensität und ­dauer liegt das Maximum der belastungsin-
duzierten Leukozytose zwischen 1,5 und 4 h nach Belastungsende (G
ABRIEL
2000). In den meisten Studien hat sich die Leukozytenkonzentration 24 Stun-
den nach Belastungsende wieder auf die Höhe der Ausgangswerte eingepen-
delt. Im Einzelnen kommt es nach Belastungsbeginn zunächst zu einem An-
stieg der natürliche Killerzellen (NK-Zellen, S
HEPARD
u. S
HEK
1999) und dann
zu einem starken Anstieg der neutrophilen Granulozyten. Somit ist die Leuko-
zytose quantitativ im Wesentlichen auf den Anstieg der neutrophilen Granulo-
zyten zurückzuführen.
Belastungsleukozytose
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
7000
8000
9000
10000
Ruhe
0
2
6
24
Zeit
Zel
le
n/
ul
Leukozyten
Granulozyten
Lymphozyten
Monozyten
Abb. 2.3: Belastungsleukozytose bei einer 60 minütigen Belastung mit 100% der in-
dividuellen anaeroben Schwelle (nach G
ABRIEL
2000)

Forschungsstand
14
_____________________________________________________________________________________________
Die Belastungsdauer und ­intensität beeinflussen die Antwort der verschiede-
nen Leukozytensubpopulationen auf körperliche Aktivität. Kurze, intensive
Belastungen unter 30 min führen in der Regel zu einer verstärkten Lymphozy-
tose (H
ANSEN
et al. 1991, MC C
ARTHY
et al. 1992, B
AUM
u. L
IESEN
1993,
G
RAY
et al. 1993, S
TOCK
et al. 1995, E
SPERSEN
et al. 1996, C
EDDIA
et al. 1999,
R
OWBOTTOM
et al. 2000). Bei längeren Belastungen wird die Leukozytose vor
allem durch eine Granulozytose getragen (S
MITH
et al. 1989, B
ECKER
1992,
G
ABRIEL
et al. 1992a, G
ABRIEL
et al. 1992b, H
ACK
et al. 1992, B
LANNIN
et al.
1996, S
MITH
et al. 1998, N
IEMANN
et al. 1999, S
HORE
et al. 1999, S
HEPARD
u.
S
HEK
1999, B
AIN
et al. 2000). In den Abbildungen 2.3 und 2.4 sind die Reakti-
onen der Leukozyten grafisch zusammengefasst.
Gesamtleukozyten
Granulozyten
Lymphozyten
Monozyten
< 30 min
< 60 min
> 60 min
> 120 min
Abb. 2.4: Reaktion der Leukozytensubpopulationen auf verschiedene Belastungsum-
fänge,
starker Anstieg, Anstieg, gleichbleibend (Messzeitpunkt
unmittelbar nach der Belastung)
Granulozytose
Wie bereits erwähnt ist der quantitative Anteil der Granulozyten bei der Be-
lastungsleukozytose beträchtlich. Dies lässt sich nicht nur durch die Steige-
rungsraten der Granulozyten erklären, sondern vor allem durch ihren prozentu-
alen Anteil von 52-75% an der Gesamtleukozytenzahl (B
EGEMANN
u. R
ASTET-
TER
1986). Mit 2,6-6,0
x
10
3
/
µl (B
EGEMANN
u. R
ASTETTER
1986, B
LANNIN
et al.
1996, Y
AMADA
et al. 2000) machen sie den größten Anteil aller Leukozyten
aus. Man fasst unter dem Namen Granulozyten drei Untergruppen zusammen:
Eosinophile, neutrophile und basophile Granulozyten können aufgrund ihrer
unterschiedlichen Anfärbbarkeit mit spezifischen Färbemitteln lichtmikrosko-
pisch voneinander differenziert werden. In sportimmunologischen Studien

Forschungsstand
15
_____________________________________________________________________________________________
werden diese Gruppen jedoch nur selten unterschieden. Mittlerweile findet
man in der Fachliteratur auch den Begriff der Neutrozytose anstelle der Granu-
lozytose (G
ABRIEL
2000), da die Eosinophilen und Basophilen nur wenige Pro-
zent der Granulozyten ausmachen. Insbesondere in der englischsprachigen
Fachliteratur wird der Begriff ,,Neutrophile" synonym für die Granulozyten
benutzt. Mit maximal 1% Anteil an den Leukozyten machen die Basophilen
einen zu vernachlässigenden und diffizil zu bestimmenden Part aus. Die
Schwierigkeit, die Basolphilenzahlen genau zu bestimmen, wird erst bei der
Betrachtung der absoluten Zellzahlen deutlich, die in der Regel unter 60 Zel-
len/
µl liegen. Während D
ICKSON
und Mitarbeiter (1982), D
AVIDSON
und Mit-
arbeiter (1986, 1987) sowie K
EEN
und Mitarbeiter (1995) in ihren Untersu-
chungen keine Veränderungen der Basophilenzahlen nach einer Belastung fest-
stellen konnten, wurde von anderen Arbeitsgruppen ein Anstieg ausgemacht
(M
C
C
ARTHY
et al. 1991, W
EIGHT
et al. 1991, M
UCCI
et al. 1999).
Die eosinophilen Granulozyten liegen in der Regel in einer Konzentration von
2-4% der Blutleukozyten vor (B
EGEMANN
u.
R
ASTETTER
1986). Während bei
kurzen intensiven Belastungen die Zahl der Eosinophilen ansteigt, kommt es
bei längerandauernden Belastungen zu einer Abnahme des prozentualen An-
teils (K
EEN
et al. 1995). Durch eine verzögert einsetzende Kortisolausschüt-
tung bei langandauernden Belastungen lässt sich der Abfall erklären, zumal
eine Kortisolinjektion die gleiche Reaktion der Eosinophilen zur Folge hat
(C
UPPS
u. F
AUCI
1982). Mittlere Belastungen bewirken keine Veränderungen
der Eosinophilenzahlen nach der Belastung.
Monozytose
Der Einfluß von körperlichen Belastungen auf die Monozyten wird nur in we-
nigen Studien erwähnt. Mit 2-6% Anteil an der Gesamtleukozytenpopulation
(B
EGEMANN
u. R
ASTETTER
1986) nehmen die Monozyten quantitativ keine
bedeutende Position ein, sie zählen jedoch wie die Neutrophilen zu den Phago-
zyten und spielen somit eine wichtige Rolle in der zellulären Abwehr. Bei na-
hezu allen veröffentlichten Studien kommt es zu einer Erhöhung der Monozy-
tenzahl im peripheren Blut (D
ICKSON
et al. 1982, L
EWICKI
et al. 1987, G
AB-
RIEL
et al. 1992 a/b, N
IEMANN
et al. 1989a, S
HINKAI
et al. 1992, T
VEDE
et al.

Forschungsstand
16
_____________________________________________________________________________________________
1993, S
EVERS
et al. 1996, S
MITH
et al. 1998). Die Monozytenzahl erreicht da-
bei ein Maximum unmittelbar nach Belastungsende und ist auch noch drei
Stunden danach erhöht. Nach 24 Stunden sind die Ausgangswerte wieder er-
reicht.
E
LIAKIM
und Mitarbeiter (1997) konnten bei vorpubertären Gymnastinnen auch
24 h nach einer 20 minütigen Belastung noch eine erhöhte Monozytenzahl fest-
stellen. Bei sehr geringen Intensitäten konnten F
RY
und Mitarbeiter (1991)
dagegen keine Monozytose diagnostizieren. Bei den oben genannten Studien
kommt es trotz eines nahezu konstanten relativen Monozytenanteils an den
Gesamtleukozyten zu einer Verdopplung der Monozytenzahl.
Lymphozytose
Im Gegensatz zu den Monozyten und Granulozyten verändert sich die Zahl der
Lymphozyten unmittelbar nach Belastungsbeginn. Zum Belastungsende ist die
Lymphozytenzahl je nach Intensität deutlich erhöht und hat ihr Maximum er-
reicht (S
MITH
et al. 1998, Y
AMADA
et al. 2000). Bei langen Belastungen über
120 min lässt sich kein Anstieg der Lymphozytensubpopulationen verzeichnen,
was durch einen Abfall auf das Ausgangsmaß während der Belastung zurück-
geführt werden kann (O
RDER
et al. 1989, O
RDER
et al. 1990). Ein direkter Zu-
sammenhang zur Belastungsintensität zeichnet sich nicht ab (L
ÖTZERICH
1995).
Unter den Lymphozyten verzeichnen die NK-Zellen quantitativ den stärksten
Anstieg (Faktor 5-7), gefolgt von den Suppressor-/cytotoxischen Zellen (CD
8+: Faktor 2) und den Helferzellen (CD 4+: Faktor 1,5) (L
IESEN
u.
B
AUM
1997). Durch eine Erhöhung der CD 8+ Zellen kommt es ebenfalls zu einer
Verschiebung des CD 4/CD 8 Verhältnisses, was durch den auf ca. 30% der
NK-Zellen exprimierten Marker CD 8+ noch verstärkt wird. Diese Verringe-
rung des CD 4/CD 8 Quotienten während der Belastung ist jedoch nicht mit
einer Schwächung der Immunabwehr wie bei HIV-Infizierten gleichzusetzen,
die einen chronisch erniedrigten CD 4/CD 8 Quotienten aufweisen (G
RAY
et al.
1992, S
HINKAI
et al. 1992). In der Nachbelastungsphase fällt die Zahl der ge-
nannten Lymphozyten unter den Ausgangswert ab, so dass von einer Lympho-

Forschungsstand
17
_____________________________________________________________________________________________
penie gesprochen werden kann. Die B-Zellen durchlaufen unter Belastung eine
den Helferzellen (CD 4+) analoge Konzentrationsentwicklung.
2.2.2 Wirkungsmechanismen der belastungsinduzierten Leukozytose
Im Gegensatz zu den sehr gut erforschten Verschiebungen der Leukozytensub-
populationen sind die Ursachen für diese quantitativen Veränderungen nur für
wenige Subpopulationen hinreichend geklärt.
Recht deutlich zeichnet sich in verschiedenen Publikationen der Zusammen-
hang zwischen einer subkutanen oder intravenösen Katecholamininjektion und
einem Anstieg der Lymphozytenzahl, insbesondere der NK-Zellen ab. Ebenso
wird für die Lymphopenie (< 1000 Lymphozyten/
µl Blut, P
SCHYREMBEL
2001)
in der Nachbelastungsphase ein belastungsinduzierter Kortisolanstieg be-
schrieben. In einigen endokrinologischen Untersuchungen wird ein Zusam-
menhang zwischen dem Adrenocorticotropen Hormon (ACTH), Somatrotropen
Hormon (STH), Endorphin und der Lymphozytose hergestellt, der jedoch noch
nicht ausreichend erforscht ist.
Die Herkunft der während der Leukozytose mobilisierten Zellen ist nicht abge-
sichert. Eine Mobilisierung der NK-Zellen aus den Lymphknoten, dem Kno-
chenmark oder eher noch aus dem peripheren und pulmonalen Gefäßbett wird
diskutiert. Aufgrund des schnellen Anstiegs der Lymphozytenzahlen nach Be-
lastungsbeginn, wird die Demarginationstheorie aus dem peripheren und pul-
monalen Gefäßbett von vielen Arbeitsgruppen favorisiert (L
IESEN
u. B
AUM
1997). Die Katecholamine spielen hierbei durch eine Reduzierung der
Lymphozytenadhäsivität über die
-Rezeptoren eine Schlüsselrolle.
Über die Ursachen und die Quellen der Monozytenmobilisation liegen bisher
keine Veröffentlichungen vor.
Die Granulozyten reagieren wahrscheinlich auf den belastungsinduzierten er-
höhten Kortisolspiegel sowie möglicherweise auf die gestiegenen Zytokinspie-
gel (IL-6, IL-1). Auch hier gilt die Demargination aus dem pulmonalen Gefäß-
bett und anderen marginalen Pools als die wahrscheinlichste Theorie.
Sowohl für die Lymphozyten als auch für die Granulozyten wird ferner das
erhöhte Herzminutenvolumen und damit die höhere Fließgeschwindigkeit des
Blutes in den Gefäßen als mögliche Ursache für die Zunahme der Zellkonzent-

Forschungsstand
18
_____________________________________________________________________________________________
rationen erörtert. Hierdurch sollen die an den Gefäßwänden haftenden Immu-
nozyten durch die erhöhte Fließgeschwindigkeit fortgespült werden und sich
somit ihre Konzentration im Blut erhöhen.
S
HEPARD
und Mitarbeiter (2000) beschreiben in ihrer Publikation den Zusam-
menhang zwischen der Expression von Adhäsionsmolekülen auf Leukozyten
und den quantitativen Veränderungen der Leukozyten bei sportlichen Belas-
tungen. Auch die veränderte Aktivität (z.B. Phagozytoseleistung) wird von den
Autoren auf die Adhäsionsmoleküle zurückgeführt.
Zur Ermittlung der Ursachen der erhöhten Leukozytenkonzentrationen sind
Gewebeuntersuchungen mit markierten Leukozyten notwendig, zu denen zur
Zeit noch keine erprobten Untersuchungsmethoden existieren. Erst die genaue
Kenntnis der Leukozytenkonzentrationen in den verschiedenen Organen des
Immunsystems und den Zielgeweben der Leukozytenbewegungen ließe detail-
liertere Erklärungsansätze über die exakten Mechanismen der Belastungsleu-
kozytose zu.
2.2.3 Qualitative Veränderungen der Granulozyten und Monozyten
Neben den beschriebenen quantitativen Verschiebungen der Leukozyten
kommt es auch zu Veränderungen der Funktion von Leukozyten, den soge-
nannten qualitativen Veränderungen. Da das Blut nur wenige Prozent der Ge-
samtleukozyten eines Menschen enthält und lediglich die Konzentration dieser
im Blut befindlichen Leukozyten mit einfachen Methoden bestimmt werden
kann, lassen funktionelle Parameter eine genauere Aussage über den Immun-
status eines Patienten oder Sportlers zu. Die Wirkung von Belastungen auf das
Immunsystem lässt sich anhand dieser funktionellen Parametern ebenfalls bes-
ser diagnostizieren.
Bei der Beurteilung der Funktion von Granulozyten und Monozyten können
verschiedene Bestandteile des Phagozytoseprozesses qualitativ untersucht wer-
den. Die Adhärenz der Phagozyten an den Gefäßwänden im Entzündungsbe-
reich und die Chemotaxis zur Weiterleitung der Phagozyten aus dem Intrava-
salraum zum Entzündungsherd wurde nur von wenigen Arbeitsgruppen unter-
sucht. Die Adhärenz der Phagozyten verbessert sich laut G
OEBEL
u. M
ILLS
(2000) deutlich nach Belastungen. In einer Studie von W
OLACH
und Mitarbei-

Forschungsstand
19
_____________________________________________________________________________________________
ter (2000) an weiblichen Judoka konnte keine veränderte Chemotaxis festge-
stellt werden, während die gleiche Arbeitsgruppe um W
OLACH
und Mitarbeiter
(1998) bei jugendlichen Gymnastinnen nach einem 20 minütigen Lauf eine
reduzierte Chemotaxis zeigte. Bei spanischen Bahnradsportlern des Olympia-
kaders verbesserte sich die Chemotaxis von Neutrophilen kurz vor den Olym-
pischen Spielen im Vergleich zu einer Trainingsphase ein Jahr zuvor (F
ER-
RANDEZ
et al. 1996).
Die Phagozytose im Zielgewebe zeigt dagegen eine Beeinflussung durch A-
kutbelastungen. Die neutrophilen Granulozyten weisen bei einer moderaten
Belastung in der Mehrzahl der Studien eine verbesserte Phagozytoseleistung
nach der körperlichen Aktivität auf (L
EWICKI
et al. 1987, H
ACK
et al. 1992,
O
RTEGA
et al. 1993b, S
CHMIDT
1997, W
OODS
et al. 2000). Bei intensiven Be-
lastungen lässt sich tendenziell eine Verschlechterung der Phagozytoseleistung
feststellen. Dies wird auch von S
MITH
und P
YNE
(1997) bestätigt, während bei
moderater körperlicher Aktivität gegensätzliche Ergebnisse gefunden werden
können.
Die Phagozytoseleistung in Ruhe ist unabhängig vom Trainingszustand der
Probanden, so dass keine signifikanten Unterschiede zwischen Trainierten und
Untrainierten festgestellt werden können (L
EWICKI
et al. 1987, L
ÖTZERICH
1995, E
LIAKIM
et al. 1997). Lediglich bei B
ENONI
und Mitarbeitern (1995a)
findet sich bei Trainierten eine bessere Phagozytoseleistung als bei Untrainier-
ten.
In einer Übersicht von O
RTEGA
(1994) zeigen Monozyten sowohl bei modera-
ten als auch bei intensiven Belastungen eine Verbesserung der Phagozytose-
leistung. Dies wird auch von anderen Studien unterstützt (P
ETERS
et al. 1995,
S
CHMIDT
1997). In älteren Untersuchungen wird hingegen von einem leichten
Abfall nach einer Belastung berichtet (B
IEGER
et al. 1980, W
EISS
et al. 1981).
Die letzte Phase des Phagozytoseprozesses, die Präsentation von Antigen-
bruchstücken auf der Membran der Phagozyten ist bisher nicht ausreichend
genug untersucht worden, um eine eindeutige Aussage treffen zu können. Zu-
sammenfassend lässt sich ein klarer Zusammenhang zwischen akuten sportli-
chen Belastungen und einer erhöhten Phagozytosefähigkeit formulieren. Die
Gründe für die verbesserte Funktionalität stehen wahrscheinlich in Zusammen-

Forschungsstand
20
_____________________________________________________________________________________________
hang mit den erhöhten Serumspiegeln von TNF
(Tumor Nekrose Faktor) und
Interleukin-1-
während und nach sportlichen Belastungen.
2.2.4 Qualitative Veränderungen der NK-Zellen
Eine Vielzahl an Studien beschäftigt sich mit den NK-Zellen, als Subpopulati-
on der Lymphozyten. Neben der bereits besprochenen Zunahme der NK-
Zellzahlen nach Belastungen kommt es in den allermeisten Studien auch zu
einer Steigerung der zytotoxischen Aktivität der NK-Zellen (B
RAHMI
et al.
1985, F
IATARONE
et al. 1988, M
ACKINNON
et al. 1988, P
EDERSEN
et al. 1988,
1989, B
ERK
et al. 1990, P
EDERSEN
al. 1990, S
HINKAI
et al. 1992, T
VEDE
et al.
1993). L
ÖTZERICH
(1995) beschreibt die Aktivierung der zytotoxischen Aktivi-
tät als unabhängig vom Alter und vom Trainingszustand der Probanden. Der
temporäre Verlauf der Aktivierung ist allerdings abhängig von der Art der Be-
lastung. Während bei moderaten Belastungen die zytotoxische Aktivität nur
auf das Ausgangsniveau abfällt, kommt es nach intensiven Belastungen zu ei-
nem Abfall unter die Ausgangswerte für ein Zeitfenster von zwei Stunden nach
Belastungsende. Bereits 30 Minuten nach der moderaten Belastung hat die
Zytotoxizität wieder die Vorbelastungswerte erreicht und fällt im Anschluß
daran bei intensiven Belastungen weiter unter das Ausgangsmaß. Teilweise
wird sogar eine starke Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der NK-Zellen
formuliert.
Allerdings kann nicht bei jeder Studie von einer tatsächlichen Zu- und Abnah-
me der Zytotoxizität der einzelnen Zelle ausgegangen werden, weil insbeson-
dere in den älteren Studien der erhöhten NK-Zellenkonzentration keine Bedeu-
tung beigemessen wurde. Die Konzentration der NK-Zellen im Testansatz
muss bekannt sein, da eine höhere Zellzahl ansonsten auch zu einer höheren
Gesamtaktivität führt. Nur bei jeweils konstanten Zellzahlen im Testansatz
kommt ein Vergleich der Zytotoxizität in Frage (L
IESEN
u. B
AUM
1997). Ähn-
liches gilt auch für die Phagozytose von Monozyten und Granulozyten, wie
G
ABRIEL
und Mitarbeitern (1995) in einer Untersuchung an neun Sportlern
nach einem 100 km Lauf belegt haben.
Die verbesserte Adhärenz der NK-Zellen durch Belastungen konnte tierexpe-
rimentell von R
OGERS
und Mitarbeiter (1999) nachgewiesen werden.

Forschungsstand
21
_____________________________________________________________________________________________
2.3
Immunologische Parameter von Leistungssportlern im Vergleich
zu Untrainierten (Querschnittsstudien)
Zahlreiche Studien haben die Auswirkungen akuter körperlicher Belastungen
auf immunologische Parameter zum Inhalt. Dabei beschränkt sich ein Großteil
dieser Studien auf die kurz- bis mittelfristigen Veränderungen nach einer Be-
lastung in einem Zeitfenster von in der Regel einigen Stunden bis in Ausnah-
mefällen zu mehreren Tagen. Aufgrund des untersuchungsmethodischen Auf-
wands gibt es nur wenige Studien, die den langfristigen Verlauf immunologi-
scher Parameter zum Inhalt haben (G
ABRIEL
2000). Hierbei müssen Studien
unterschieden werden, welche die immunologische Reaktion auf zwei Akutbe-
lastungen mit einer dazwischengeschalteten Trainingsphase untersuchen und
longitudinale Studien, welche die Basalwerte von Sportlern während eines län-
geren Zeitraums (Monate, Jahr) verfolgen. Für beide Untersuchungsmuster
liegen gegenwärtig nur wenige Quellen vor. Insbesondere der zweitgenannten
Untersuchungsgruppe gehören nur einzelne Studien an. Auch bezüglich der
Auswirkungen von langfristigem Training bei Trainierten und Untrainierten
besteht noch erheblicher Forschungsbedarf (N
IEMANN
2000a). Im folgenden
soll jedoch anhand von Querschnittstudien ein Vergleich der Basalwerte von
Trainierten und Untrainierten durchgeführt werden.
2.3.1 Quantitative Veränderungen der Leukozyten
Die Leukozytenzahlen von Ausdauersportlern in Ruhe werde in der Fachlitera-
tur nicht einheitlich beschrieben. So liegen die Konzentrationen in einigen Stu-
dien unter denen von Untrainierten (G
REEN
et al. 1981, D
AVIDSON
et al. 1987,
D
ORNER
et al. 1987, D
EUSTER
et al. 1988, L
IESEN
et al. 1989a, K
EEN
et al.
1995, N
IEMANN
et al. 1995b). M
OORTHY
und Z
IMMERMANN
(1978) stellten bei
5 von 9 Langstreckenläufern Leukozytenzahlen von unter 5.000/
µl Blut fest. In
einer Studie von G
REEN
et al. wiesen 4 von 20 Läufern Werte unter 4.200 Leu-
kozyten/
µl und Lymphozytenzahlen von unter 1.500/µl Blut auf. Auch O
SHIDA
und Mitarbeiter (1988) konnten eine tendenziell erniedrigte Gesamtleukozyten-
zahl für Ausdauertrainierte feststellen. Die Mehrzahl der Studien zeigt jedoch
keine Unterschiede zwischen Trainierten und Untrainierten auf (B
USSE
et al.
1980, G
IMINEZ
et al. 1987, F
ERRY
et al. 1990, N
EHLSEN
-C
ANNARELLA
et al.

Forschungsstand
22
_____________________________________________________________________________________________
1991). In einer Untersuchung von R
HIND
und Mitarbeitern (1994) konnte sogar
eine erhöhte Leukozytenzahl bei Trainierten gegenüber Untrainierten gemes-
sen werden, wobei die ausgeübte Sportart nicht näher erläutert wird. Auch bei
L
IESEN
und Mitarbeitern (1989b) findet sich eine Erhöhung der Zellzahlen.
Die Leukozytenwerte in Ruhe liegen bei den meisten Studien innerhalb des
Normbereichs, der je nach Publikation geringfügig unterschiedlich angesetzt
ist. Für diese Arbeit wurde als Untergrenze 5.000 Zellen/
µl Blut gewählt (B
E-
GEMANN
u. R
ASTÄTTER
1986).
Zusammenfassend lässt sich nicht konstatieren, dass die Leukozytenzahlen bei
Ausdauersportlern grundsätzlich erniedrigt oder unter den Normwerten anzu-
siedeln sind. Allerdings finden sich bei Ausdauertrainierten überdurchschnitt-
lich viele Personen mit Werten unterhalb des Normbereichs, was in den meis-
ten Fällen nicht als pathologisches Immundefizit aufgefasst werden darf, son-
dern als individuelle Adaptation an umfangreiches Ausdauertraining verstan-
den werden muss. Die Tendenz zu erniedrigten Zellkonzentrationen gilt aller-
dings nur für die Gesamtleukozytenzahlen. Bei Betrachtung der einzelnen
Subpopulationen zeigt sich ein deutlich heterogenes Bild der Zellzahlen. Da
sich nur ein sehr geringer Teil der Leukozyten in der Blutzirkulation aufhält,
lässt sich nicht folgern, dass die Zahl der Leukozyten insgesamt erniedrigt ist.
Bei der Analyse der Leukozytenzahlen von Ausdauersportlern muss außerdem
eine mögliche kurz-, mittel- und langfristige Blutvolumenerhöhung durch
sportliche Belastungen in die Überlegungen einbezogen werden. Eine vorlie-
gende ,,Verdünnung" könnte somit die erniedrigten Leukozytenzahlen begrün-
den. Aufgrund einer sehr hohen interindividuellen und mäßigen intraindivi-
duellen Varianz fällt eine Prognose bezüglich des Immunstatus oder der In-
fektanfälligkeit aufgrund der Leukozytenzahlen schwer und ist praktisch un-
möglich (B
AUM
et al. 1994).
Lymphozyten
Die Lymphozytenzahlen von Ausdauertrainierten unterscheiden sich in einer
Reihe von Studien nicht von denen Untrainierter (M
C
C
ARTHY
u. D
ALE
1988,
O
SHIDA
et al. 1988, K
ENDALL
et al 1990). In einer Studie von G
ABRIEL
und
Mitarbeiter (1992c) wurden die Leukozyten und ihre Subpopulationen von 64

Forschungsstand
23
_____________________________________________________________________________________________
Personen (Trainierte und Untrainierte) miteinander verglichen. Dabei zeigte
sich, dass die 16 leistungsstärksten Probanden (fahrradergometrische Leis-
tungsfähigkeit) im Vergleich mit den 16 leistungsschwächsten Probanden nied-
rigere Konzentrationen an NK-Zellen und T-Helfer/Inducer Zellen aufwiesen.
S
HEPARD
und
S
HEK
(1996) erklärten diesen Umstand mit dem bei Sportlern
beständig erhöhten Kortisolspiegel, der die Lymphozytenmigration in periphe-
re Gewebe stimuliert. O
SHIDA
und Mitarbeiter (1988) konnten lediglich für die
T-Helfer/Inducer Zellen geringere Konzentrationen bei Trainierten nachwei-
sen. Die NK-Zellzahlen lagen bei dieser Untersuchung höher als bei den Un-
trainierten, wie auch in einer Studie von R
HIND
und Mitarbeitern (1994). P
E-
DERSEN
und Mitarbeiter (1989) wiesen höhere relative NK-Zellanteile (19%)
bei 27 Radsportlern im Vergleich zu Untrainierten (11%) nach. In einer neue-
ren Studie von G
ABRIEL
(2000) konnten keine Unterschiede bei T- und B-
Lymphozyten sowie den NK-Zellen festgestellt werden.
Monozyten
D
AVIDSON
und Mitarbeiter (1987) konnten bei männlichen und weiblichen
Marathonläufern keine veränderten Monozytenzahlen im Vergleich mit Un-
trainierten diagnostizieren. G
ABRIEL
und Mitarbeiter (1992c) zeigten hingegen
bei 64 Probanden und Probandinnen eine reduzierte Monozytenzahl im Gegen-
satz zu Untrainierten. In einer im Jahr 2000 veröffentlichten Studie konnte
G
ABRIEL
allerdings keine Unterschiede bei den Monozyten zwischen trainier-
ten und untrainierten Probanden feststellen.
Granulozyten
G
ABRIEL
(2000) ermittelte bei Trainierten eine erniedrigte Zahl der neutrophi-
len Granulozyten. B
LANNIN
und Mitarbeiter (1996) konnten an 8 Leistungsrad-
sportlern mit einem durchschnittlichen Trainingsalter von über 10 Jahren eine
reduzierte Neutrophilenzahl gegenüber einer Kontrollgruppe von 8 Untrainier-
ten zeigen.
Wie bereits erwähnt, liegen die Konzentrationen von Monozyten, Granulozy-
ten und Lymphozyten bei nahezu allen Probanden in allen Studien innerhalb

Forschungsstand
24
_____________________________________________________________________________________________
der Normbereiche für gesunde Menschen, was die Relevanz der teilweise nur
tendenziellen Unterschiede zu Untrainierten relativiert.
2.3.2 Qualitative Veränderungen der Leukozyten
Aussagefähiger als die genannten quantitativen Veränderungen gegenüber Un-
trainierten sind etwaige Unterschiede in der Funktion der immunrelevanten
Zellen. So kann eine reduzierte Zellzahl von Immunozyten im Blut ­ was im-
mer diese Reduktion auch zu bedeuten hat ­ ohne weiteres rein rechnerisch
durch eine erhöhte Funktion der einzelnen Zelle ausgeglichen oder übertroffen
werden. Eine um 400 Zellen/
µl Blut verminderte Granulozytenzahl wird zum
Beispiel durch eine 1,5 fache Steigerung der Phagozytoseleistung mehr als
ausgeglichen, so dass bei diesem einfachen Beispiel eine bessere Gesamtpha-
gozytoseleistung trotz geringerer Zellzahl möglich ist. Ein weiterer Schwach-
punkt der nachfolgend erwähnten Studien sind die unterschiedlichen Untersu-
chungszeitpunkte. Saisonale Einflüsse sowie Wettkampf- und Trainingsbelas-
tungen haben erheblichen Einfluss auf die Funktionalität von Immunzellen und
schränken somit die Aussagekraft der vorliegenden Studien ein.
Im Folgenden wird vor allem auf die Phagozytose von Monozyten und Granu-
lozyten sowie auf die Zytotoxizität von NK-Zellen eingegangen. Weitere funk-
tionelle Parameter wie Expression von Oberflächenmarkern, Synthese von In-
terleukin, reaktivem Sauerstoff etc. werden nur am Rande erwähnt, da sie für
die vorliegende Untersuchung nicht relevant sind.
Phagozytoseleistung von Granulozyten und Monozyten
Die Phagozytoseleistung von Granulozyten wird in den publizierten Studien
unterschiedlich bewertet. H
ACK
und Mitarbeiter (1994) fanden bei Langstre-
ckenläufern in einer intensiven Trainingsphase eine verringerte Phagozytosera-
te bei Granulozyten bei gleichzeitiger verminderten Produktion von reaktivem
Sauerstoff. Auch S
MITH
und Mitarbeiter (1990) konnten eine signifikant ver-
minderte Syntheserate von reaktivem Sauerstoff bei Elite-Radsportlern nach-
weisen. Ebenfalls zu verminderten Werten bei Trainierten kommen L
EWICKI
und Mitarbeiter (1987), M
ÜNS
(1994), B
LANNIN
und Mitarbeiter (1996) und
W
OODS
und Mitarbeiter (2000). Eine gleichbleibende Phagozytoseleistung

Forschungsstand
25
_____________________________________________________________________________________________
wird von S
URKINA
(1982), L
ÖTZERICH
und Mitarbeitern (1991), H
ACK
und
Mitarbeitern (1992) und W
OLACH
und Mitarbeitern (2000) bei Judoka be-
schrieben, wogegen F
ERRANDEZ
und Mitarbeiter (1996) und O
RTEGA
und Mit-
arbeiter (1993a) selbst tendenziell erhöhte Werte feststellen konnten.
Zytotoxizität von NK-Zellen
Die Zytotoxizität von NK-Zellen zeigt wie die Phagozytoseleistung ein stark
divergierendes Bild. P
EDERSEN
und Mitarbeiter (1989) beschrieben eine erhöh-
te NK-Zell-Zytotoxizität an Radsportlern gegenüber Untrainierten, insbesonde-
re in den Sommermonaten in Ruhe. Da jedoch auch der prozentuale Anteil der
NK-Zellen an den Leukozyten erhöht war, könnte diese Veränderung aus der
größeren absoluten Zellzahl resultieren. Auch C
RIST
und Mitarbeiter (1989),
T
VEDE
und Mitarbeiter (1991) sowie P
ETERS
und Mitarbeiter (1995) konnten
eine Erhöhung der natürlichen Killerzellaktivität als Merkmal von langfristi-
gem Training bestätigen. In einer Studie von N
IEMAN
und Mitarbeitern (1995a)
konnte die von P
EDERSEN
beschriebene Verbesserung der Zytotoxizität nicht
bestätigt werden. In weiteren Studien konnten ebenfalls keine Unterschiede
zwischen Trainierten und Untrainierten festgestellt werden (B
RAHMI
et al.
1985, L
IESEN
et al. 1989a, N
IEMAN
et al. 1990b, B
ASLUND
et al. 1993, L
ÖTZE-
RICH
et al. 1999).
2.4 Immunologische Parameter von Leistungssportlern in Längsschnitt-
untersuchungen
Die Beeinflussung immunologischer Parameter durch Ausdauertraining kann
auf zwei Ebenen betrachtet werden. Zum einen können Untrainierte bei einem
mehrmonatigen Trainingsprogramm mit regelmäßigen immunologischen Un-
tersuchungen begleitet werden. Bei dieser Art der Trainingsstudie werden in
der Regel nur eine Untersuchung vor Trainingsbeginn und eine Untersuchung
nach dem Ende der Trainingsphase durchgeführt. Auf der anderen Seiten kön-
nen auch Leistungssportler oder Ausdauertrainierte Gegenstand dieser Unter-
suchungen sein und während bestimmter Trainingsphasen untersucht werden,
um somit Rückschlüsse auf die immunologische Wirkung von ausgewählten

Forschungsstand
26
_____________________________________________________________________________________________
Trainingsformen ziehen zu können. Bei beiden Untersuchungsdesigns werden
vorwiegend die Basalwerte bestimmt. Auf der Ebene des Leistungssports sind
Studien mit verschiedenen Trainingsmodulationen und -interventionen durch-
geführt worden, die von einer Erhöhung der Intensität bis zu einer Erhöhung
der Umfänge reichen. Im Folgenden sollen immunologische Studien an Aus-
dauertrainierten dargestellt werden. Zu diesem speziellen Themenkomplex fin-
den sich allerdings nur wenige aussagekräftige Studien in der Fachliteratur.
Gegenwärtig lassen sich in der sportmedizinischen Literatur nur wenige ent-
sprechende Längsschnittstudien ausmachen. Im Vordergrund der publizierten
Untersuchungen stehen dabei allerdings nicht Leistungssportler, sondern spe-
zielle Probandengruppen mit in der Regel verminderter Immunität. So unter-
suchten z.B. N
EHLSEN
-C
ANARELLA
und Mitarbeiter (1991) und D
UPERLY
(1998) die Auswirkungen von sportlicher Betätigung auf die Immunität von
adipösen Probanden. Bei P
ETERS
und Mitarbeitern (1995), L
ÖTZERICH
und
Mitarbeitern (1999) sowie S
CHULZ
und Mitarbeitern (1999) standen Krebspati-
enten in der Nachsorge im Mittelpunkt der Studie. Ein Vergleich dieser Stu-
dien mit Untersuchungen an Leistungssportlern, die sich intensiven Trainings-
und Wettkampfbelastungen aussetzten, ist nur eingeschränkt möglich.
Die Immunfunktion bei induzierten Übertrainingszuständen an Leistungssport-
lern wird bei einer weiteren Gruppe von einigen Längsschnittstudien unter-
sucht (G
ABRIEL
et al. 1998, G
ABRIEL
2000). Diese Gruppe von Studien lässt
Rückschlüsse auf das Immunsystem von Leistungssportlern im saisonalen Ver-
lauf zu, wenngleich hier überwiegend von immunsupprimierten Zuständen
ausgegangen werden muss.
In der Literatur findet sich keine einheitliche Definition zur Anzahl der Unter-
suchungstermine und Dauer von Longitudinalstudien. Die im Folgenden defi-
nierten Mindestanforderungen wurden bei der Übersicht für dieses Kapitel zu
Grunde gelegt. Ein Mindestuntersuchungszeitraum von drei bis vier Wochen
sollte vorliegen. Eine Vielzahl der medizinischen Längsschnittuntersuchungen
weisen aus methodischen Gründen nur zwei Untersuchungszeitpunkte auf. Nur
wenige sportimmunologische Arbeiten haben vier oder mehr Untersuchungs-
zeitpunkte wie in der vorliegenden Arbeit. Derzeit existiert weltweit keine Stu-
die mit mehr als zehn Untersuchungszeitpunkten. Aufgrund der ausgeprägten

Forschungsstand
27
_____________________________________________________________________________________________
Variabilität von immunologischen Parametern in Folge von physischen und
psychischen Belastungen müssen für Longitudinalstudien mindestens vier Un-
tersuchungszeitpunkte gefordert werden. Aufgrund der geringen Zahl an Lon-
gitudinalstudien werden nachfolgend auch Studien beschrieben, die eines der
beiden Kriterien nicht erfüllen.
Im Folgenden soll eine chronologische Zusammenfassung der für die vorlie-
gende Untersuchung relevanten Längsschnittuntersuchungen mit Sportlern
gegeben werden.
In der Untersuchung von B
AJ
und Mitarbeitern (1994) wird der immunologi-
sche Status von 15 Radsportlern vor und nach der Rennsaison beschrieben. Die
beiden Untersuchungszeitpunkte lagen sechs Monate auseinander, der Belas-
tungsumfang während des Untersuchungszeitraums betrug etwa 500 km pro
Woche. Als Kontrollgruppe dienten 16 gesunde Untrainierte. Leukozytenkon-
zentration, Lymphozytensubpopulationen und mitogen induzierte Lymphozy-
tenproliferation unterschieden sich vor der Trainings- und Wettkampfphase
nicht von den Kontrollpersonen. Lediglich die Chemolumineszenz von
neutrophilen Granulozyten zeigte bei den Radsportlern signifikant erhöhte
Werte. Neben der deutlich erhöhten Leistungsfähigkeit zum zweiten Untersu-
chungstermin im August konnte ein signifikanter Abfall der CD 3 und CD 4
Lymphozytenpopulation beobachtet werden. Die unstimulierte Chemolumines-
zenz der Neutrophilen war normalisiert. Die durch PHA (Phythämagglutine)
induzierte Lymphozytenproliferation zeigte erstaunlicherweise ebenfalls
erhöhte Werte nach der Saison. Langanhaltendes intensives Training wird von
den Autoren zwar in Bezug zu immunologischen Veränderungen, insbesondere
der Lymphozyten gesetzt, deren Auswirkungen auf die Immunität jedoch kon-
trovers diskutiert. Die Studie von B
AJ
und Mitarbeitern (1994) zeigt vor allem
aufgrund der geringen Zahl von Untersuchungsterminen methodische Schwä-
chen. Ähnlich wie in weiteren noch folgenden Untersuchungen (z.B. F
ERRAN-
DEZ
et al.1996) lassen sich die festgestellten immunologischen Veränderungen
nicht zwangsläufig an den Belastungen zwischen den Terminen festmachen.
Die Aussagekraft als Längsschnittuntersuchung ist demnach deutlich einge-
schränkt. Eine oder mehrere außergewöhnliche Belastungen, wie zum Beispiel
ein Etappenrennen in einem Zeitraum von 7-14 Tagen vor dem zweiten Unter-

Forschungsstand
28
_____________________________________________________________________________________________
suchungszeitpunkt können erheblichen Einfluss auf die untersuchten Parameter
haben. Ein gegebenenfalls wenige Tage zuvor absolviertes Rennen kann sich
ebenfalls modulierend auf Immunparameter auswirken, wie S
CHMIDT
(1997)
an Radsportlern zwei Tage nach einem Etappenrennen zeigen konnte. Dass die
Probanden von B
AJ
und Mitarbeitern (1994) im August, zu einem Zeitpunkt
mitten in der Radsaison, Rennen bestreiten, ist bei Radsportlern mit sehr hohen
Rennzahlen nahezu sicher.
Mittelstreckenleichtathleten standen im Mittelpunkt der Studie von B
AUM
und
Mitarbeitern (1994). An drei Zeitpunkten (nach einem zweimonatigem Aus-
dauertraining, nach einer Trainingsphase mit dem Schwerpunkt auf Schnellig-
keits- und Krafttraining und während der Wettkampfphase) wurden verschie-
dene immunologische Parameter von 20 männlichen Leichtathleten bestimmt.
13 Sportstudenten dienten als Kontrollgruppe. CD 20 und CD 23 Lymphozyten
waren gegenüber der Kontrollgruppe zu allen Messzeitpunkten erhöht. Zum
Ende der Trainingsphase waren die CD 4 Zellen ebenfalls erhöht. Eine Akti-
vierung des spezifischen Immunsystem wurde durch erhöhte IL-2 Werte ange-
zeigt. Die Autoren diskutieren die Ergebnisse als eine erhöhte Anfälligkeit für
allergische Krankheiten und für Übertraining.
Eine interessante sportimmunologische Untersuchung wurde von K
EEN
und
Mitarbeitern (1995) an acht Radsportlern während eines mehrtägigen Etappen-
rennens durchgeführt. Diese Studie weist sechs Untersuchungszeitpunkte in-
nerhalb einer Woche (dreimal abends und den darauffolgenden Morgen) auf,
erfüllt damit aber nicht die Forderung nach einem Untersuchungszeitraum von
minimal drei Wochen. Dennoch sollen die Ergebnisse hier kurz geschildert
werden. Die Leukozytensubpopulationskonzentrationen waren abends um 30-
50% höher als morgens, einzige Ausnahme bildeten die eosinophilen Granulo-
zyten.
L
ÖTZERICH
(1995) beschreibt in seiner zehnmonatigen Untersuchung an neun
Leichathletinnen (Sprinterinnen) den Verlauf immunologischer Parameter an-
hand von sechs Untersuchungsterminen. Der Zeitraum deckte die Vorberei-
tungsperioden hin zur Deutschen Meisterschaft ab. Insgesamt wurden nur mar-
ginale Veränderungen der immunologischen Parameter im Saisonverlauf fest-
gestellt. Die Phagozytoserate der Granulozyten zeigte eine signifikante Steige-

Forschungsstand
29
_____________________________________________________________________________________________
rung zum Hauptwettkampf (Juli) hin, die aber den Ausgangswert im Oktober
nicht übertrifft. Die T-Helfer-Helferinducer-Lymphozyten zeigten eine Steige-
rung ihrer Konzentration zu den Deutschen Meisterschaften im Juli hin. Insge-
samt resümiert L
ÖTZERICH
(1995), dass es schwer falle, bei den untersuchten
Sprinterinnen signifikante immunologische Adaptationen oder Veränderungen
aufgrund der Trainingsbelastungen im Laufe einer Saison zu entdecken.
Zehn Bahnradsportler des spanischen Olympiakaders sind in der Studie von
F
ERRANDEZ
und Mitarbeitern (1996) Gegenstand der Untersuchung. An ledig-
lich zwei Zeitpunkten, einer 16 Monate und der zweite unmittelbar vor den
Olympischen Spielen von Barcelona, wurden die immunologischen Parameter
bestimmt. Lediglich die Phagozytoseleistung verbesserte sich bei den Subpa-
rametern Chemotaxis und Anionenproduktion. Alle anderen immunologischen
Parameter blieben unverändert. ACTH und Betaendorphin zeigten kurz vor den
Olympischen Spielen ebenfalls signifikant erhöhte Werte. Obwohl ein Anstieg
an Stresshormonen nach der vierjährigen Trainingsvorbereitung auf die Olym-
pischen Spiele auszumachen ist, gehen die Autoren nicht von einer Immunsup-
pression aus. Sie führen die erhöhten Hormonspiegel auf die psychische Belas-
tung der bevorstehenden Wettkämpfe zurück. Ähnlich wie bei anderen Studien
wird hierbei jedoch völlig außer Acht gelassen, dass die Veränderungen in den
beschriebenen Parametern auch Ursachen in den Belastungen des Tags vor der
zweiten Untersuchung haben können. Hierdurch wird die Anfälligkeit gegen-
über Störfaktoren von Längsschnittuntersuchungen mit lediglich zwei Untersu-
chungszeitpunkten offensichtlich.
G
ABRIEL
und Mitarbeiter (1998) untersuchten an Ausdauersportlern die Zu-
sammenhänge zwischen Immunparametern und Übertrainingssymptomen. Da-
bei stellte sich heraus, dass ein Übertrainingszustand nicht zu klinisch relevan-
ten Veränderungen der Immunparameter des peripheren Blutes führt. Ferner
konnte kein immunsupprimierender Effekt durch das Übertraining in dieser
Studie ausgemacht werden. Die Autoren stellen durch eine in Zukunft deutlich
verbesserte Messmethodik in Aussicht, Übertrainingszustände anhand von
immunologischen Parametern nachweisen zu können.
In der Untersuchung von K
UMAE
und Mitarbeitern (1999) wird die geforderte
Mindestuntersuchungsdauer mit vier Wochen erreicht. Bei zehn hochtrainier-

Forschungsstand
30
_____________________________________________________________________________________________
ten Langstreckenläufern wurde zwei Tage vor, während und zwei Tage nach
einem vierwöchigen Trainingslager mit einem Gesamtbelastungsumfang von
etwa 800 km das unspezifischen Immunsystem untersucht. Die untersuchte
Syntheserate von reaktivem Sauerstoff bei neutrophilen Granulozyten zeigte
bei sofort nach der Blutabnahme isolierten Neutrophilen keine Unterschiede
während der drei Untersuchungszeitpunkte. Die Autoren schließen daraus, dass
die unspezifische Immunabwehr nicht direkt von langem und intensivem Aus-
dauertraining beeinflusst wird.
G
LEESON
und Mitarbeiter (2000) untersuchten an einer Gruppe von Leistungs-
schwimmern die Auswirkungen eines zwölfwöchigen Trainingsprogramms auf
die Konzentrationen von IgA, IgG und IgM (Immunglobuline) im Speichel.
Quantitative Bestimmungen der Leukozytensubpopulationen wurden ebenfalls
alle zwei Wochen vorgenommen. Die Ergebnisse wurden in Bezug zu den
URTI (Upper Respiratory Tract Infections) gesetzt, um eine Korrelation zwi-
schen Infektionen und immunologischen Parametern herzustellen. Über den
Verlauf des Trainingslagers, das als unmittelbare Wettkampfvorbereitung ein-
gesetzt wurde, konnte nur ein Abfall der NK-Zellen beobachtet werden. IgA
und IgM Speichelkonzentrationen waren nach den Trainingseinheiten signifi-
kant erniedrigt, IgG blieb unverändert, ein Trend konnte jedoch nicht ausge-
macht werden. Auch in dieser Studie kann kein statistischer Zusammenhang
zwischen Atemwegsinfektionen und immunologischen Parametern ausgemacht
werden.
R
ONSEN
und Mitarbeiter (2001a) untersuchten an zehn Skilangläufern interna-
tionalen Levels (VO
2max
71-82ml/kg) die immunologischen, hämatologischen
und hormonellen Auswirkungen eines Ergometer-Stufentests während der
Wettkampf- und Regenerationsperiode. Dabei stellte sich heraus, dass die Leu-
kozytensubpopulation und Stresshormone nicht durch die bedeutend höhere
Belastung während der Saison beeinflusst wurden. Nur Noradrenalin und die
IL-6 Werte waren während der Saison erhöht. Die Belastungssumme wurde
anhand eines Trainingstagebuchs quantifiziert. Während der Saison war die
Belastungssummer mehr als doppelt so hoch wie während der Regenerations-
phase. Mit dieser Studie jüngsten Datums zeigen R
ONSEN
und Mitarbeiter
(2001a), dass die zahlreich beschriebenen immunologischen Veränderungen

Forschungsstand
31
_____________________________________________________________________________________________
aufgrund von Leistungs- oder Wettkampfsport bei sehr gut adaptierten unter
professionellen Bedingungen trainierenden Hochleistungssportlern nicht exi-
stent sind.
Zusammenfassend lassen sich in den besprochen Studien keine konkreten An-
zeichen einer Immunsuppression bei Leistungssportlern mit einer tatsächlichen
Erhöhung des Infektionsrisikos ausmachen.
2.5
Immunsuppression bei Hochleistungsportlern?
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, wird in der Literatur eine erhöhte In-
fektanfälligkeit von Leistungssportlern diskutiert. Neben der bereits erläuterten
und aktuellen ,,J-Curve-Theorie" von N
IEMAN
(1994) konnte sich die ,,Inver-
ted-U-Theorie" von F
ITZGERALD
(1988) behaupten. Bei einer detaillierten Be-
trachtung der immunologischen Infektionsmodelle mehren sich indessen Zwei-
fel an ihrer Gültigkeit.
Die ,,Inverted-U-Theorie" geht von einer Immunsuppression bei Leistungs-
sportlern und bei körperlich untätigen Menschen aus, während moderat Trai-
nierende ein sehr geringes Infektionsrisiko aufweisen. Das Modell der ,,J-
Curve-Theorie" sieht ebenfalls für moderat Trainierende die geringste Infekti-
onsanfälligkeit vor, während Leistungssportler die höchste Infektanfälligkeit
zeigen. Untrainierte liegen auf der Skala zwischen den Leistungssportlern und
Hobbysportlern. Eine weitere die beiden erstgenannten Modelle ergänzende
Theorie ist die des ,,Open window" von P
EDERSEN
und Mitabeitern (1988).
P
EDERSEN
geht von einer deutlich reduzierten Immunität unmittelbar nach be-
lastenden Trainings- oder Wettkampfreizen aus und erklärt somit die in den
beiden Modellen beschriebene erhöhte Infektanfälligkeit bei Leistungssport-
lern. Das Zeitfenster der erhöhten Infektanfälligkeit wird dabei in Abhängig-
keit vom betrachteten Immunparameter von 30 Minuten nach Belastungsende
bis 24 Stunden nach Belastungsende angegeben. Da in der Regel innerhalb von
24 Stunden die nächste Trainingseinheit erfolgt, muss demnach von einem
fortwährenden ,,Open Window" ausgegangen werden. Grundlage für die ,,O-
pen Window-Theorie" sind qualitative Veränderungen der Leukozytenfunktion
nach langandauernden oder intensiven Belastungen. Zwar steigt die Anzahl der

Forschungsstand
32
_____________________________________________________________________________________________
NK-Zellen und deren Zytotoxizität unmittelbar nach einer Belastung an
(B
RAHMI
et al 1985, F
IATARONE
et al. 1988, M
ACKINNON
et al. 1988, P
EDER-
SEN
al. 1988, 1989, B
ERK
et al. 1990, P
EDERSEN
et al. 1990, S
HINKAI
et al.
1992, T
VEDE
et al. 1993), fällt dann jedoch bis zu 6 Stunden lang unter das
Ausgangsniveau ab (M
ACKINNON
et al. 1988, P
EDERSEN
et al. 1988, S
HINKAI
et
al. 1992, G
ABRIEL
1997, M
ALM
et al. 1999). Ebenfalls zur ,,First line of defen-
ce" gerechnet werden die Granulozyten und Monozyten, die nach intensiven
Ausdauerbelastungen eine reduzierte Phagozytosekapazität aufweisen, wenn-
gleich hier - wie in Kapitel 2.2.3 beschrieben ­ zu dieser Aussage auch wider-
sprüchliche Studien publiziert worden sind. Die überwiegende Zahl der Stu-
dien zeigt jedoch eine reduzierte und damit verschlechterte Funktion der Pha-
gozyten nach sportlichen Belastungen (K
OKOT
et al. 1988, H
ACK
et al. 1992,
S
MITH
1997).
Somit zeichnen alle drei Modelle ein immunsuppressives Bild vom Leistungs-
sport. In der Literatur lassen sich, wie bereits in Kapitel 1 verdeutlicht, eine
Reihe von Studien finden, welche diese Modelle untermauern (C
OWLES
1918,
H
ORSTMANN
1950, M
AIDORN
1972, G
RIMM
1973, J
OKL
1974, M
AIDORN
1974,
M
AIERSKI
1976, D
OUGLAS
u. H
ANSON
1978, T
OMASI
et al. 1982, P
ETERS
u.
B
ATEMANN
1983, W
EISS
et al. 1985, M
ACKINNON
u. T
OMASI
1986, P
ETER
1986, R
ICKEN
u. K
INDERMANN
1986, L
EWICKI
et al. 1987, F
ITZGERALD
1988,
B
ERGLUND
u. H
EMMINGSON
1990, N
IEMANN
et al. 1990a, P
ETERS
(1990),
H
EATH
et al. 1991, S
IMON
1991, S
TANG
-V
OSS
1992, S
HARP
u. K
OUTEDAKIS
1992, N
IEMANN
1997a, N
IEMANN
u. P
EDERSEN
1999). Somit scheint die im-
munsuppressive Wirkung von Leistungssport nicht nur in der öffentlichen
Meinung Bestand zu haben, sondern auch durch wissenschaftliche Studien
belegbar zu sein. Bei einer genauen Analyse dieser Studien lassen sich jedoch
Schwachpunkte ausmachen, die eine Differenzierung oder Zurücknahme der
postulierten Immunsuppression bei Ausdauerleistungssportlern notwendig ma-
chen. Hinzu kommt, dass eine Reihe von neueren Studien keinen Einfluss von
Leistungssport auf die Infektanfällig ausmachen kann (B
ERGLUND
u. H
EM-
MINGSON
1990, P
YNE
et al. 1995, P
YNE
u. G
LEESON
1998, G
LEESON
et al.
1999, G
LEESON
et al. 2000, P
YNE
et al. 2001, R
ONSEN
et al. 2001a).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832453817
ISBN (Paperback)
9783838653815
DOI
10.3239/9783832453817
Dateigröße
5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Deutsche Sporthochschule Köln – Sportwissenschaften
Erscheinungsdatum
2002 (Mai)
Note
1,0
Schlagworte
leistungssport medizin
Zurück

Titel: Radsport und Immunsystem
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
book preview page numper 32
book preview page numper 33
book preview page numper 34
book preview page numper 35
book preview page numper 36
book preview page numper 37
book preview page numper 38
book preview page numper 39
book preview page numper 40
book preview page numper 41
203 Seiten
Cookie-Einstellungen