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Aspekte einer Gründungsbegleitung für KMU

Typische Probleme und besondere Chancen

©1998 Diplomarbeit 200 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
In jüngerer Zeit deutet sich ein Spektrum von Erwartungen an, die an die Gründung kleiner und mittlerer Unternehmen, im folgenden KMU, geknüpft werden. Bei der Gründung einer Unternehmung wird der Gründer aber häufig mit zahlreichen und sehr spezifischen Problemen konfrontiert, die er zum Teil nicht eigenständig lösen kann. Es entsteht ein hoher Informations- und Beratungsbedarf, der teilweise durch externe Quellen gedeckt werden muss. Aufgrund dieser Problemlösungsnotwendigkeit einerseits und der in der betriebswirtschaftlichen Literatur konstatierten Funktionen von Unternehmensgründungen in einem marktwirtschaftlichen System andererseits lassen sich zwei Fragen aufwerfen:
1. Wie können wirtschaftspolitische Maßnahmen das Gründungsgeschehen durch eine Verbesserung der relevanten Rahmendaten positiv beeinflussen?
2. Wie könnte ein möglicher Beitrag privatwirtschaftlicher Unternehmensberater oder Gründungsbegleiter zu der erfolgreichen Umsetzung einer Gründungsidee aussehen?
Auf der Suche nach Antworten überrascht die stiefmütterliche Behandlung des Themenkomplexes. Finanz- und Wirtschaftspolitik versäumen es, ausreichende Gründungsanreize zu schaffen und formale Gründungsbarrieren abzubauen. Maßnahmen der Gründungsförderung stehen in keinem Verhältnis zu der latenten und subtilen Unterstützung unternehmerischer Großstrukturen. Die betriebswirtschaftlichen Fakultäten deutscher Universitäten schneiden ihre Lehre auf Konzerne zu und fördern somit eine einseitige Allokation betriebswirtschaftlichen Know-hows. Letztlich müssen Wirtschaftswissenschaften und Soziologie in bezug auf die Gründungs- und Begleitungsproblematik mehr Forschungslücken eingestehen als sie theoretische Grundlagen zu bieten vermögen. Hier zeigen sich unverkennbare Theorie- und Handlungsdefizite.
Die vorliegende Untersuchung hat zum Ziel, aufgrund einer genauen Betrachtung des Gründungsvorganges Ansätze zu einem vermarktungsfähigen Dienstleistungskonzept der Gründungsbegleitung zu entwickeln. Der Begriff Begleitung soll dabei über den Begriff der Beratung hinausgehen und sich auch Aspekten der Unterstützung, Kooperation, Risikoübernahme etc. öffnen.
Im Verlauf der Arbeit wird gezeigt, dass aufgrund der Spezifität der typischen Gründungsprobleme, auf die das Begleitungskonzept einzugehen hat, die Betrachtung der Gründungsbegleitung als spezielle Unternehmensberatung nur wenig sinnvoll erscheint. Außerdem stellt sich im nächsten Abschnitt heraus, […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 5344
Grothus, Till: Aspekte einer Gründungsbegleitung für KMU: Typische Probleme und besondere
Chancen / Till Grothus - Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Paderborn, Universität - Gesamthochschule, Diplom, 1998
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

II
,,Unternehmensgründer mobilisieren Initiative und sind
so Initiatoren. Diese Rolle allein schon macht sie unersetzbar ..."
(Szyperski, 1981, S. 155)

III
Inhaltsübersicht
Seite
Kapitel 1: Einleitung
1
1.1 Problemstellung
1.2 Stand der Gründungsforschung
1.3 Konzeption der Untersuchung
Kapitel 2: Diskussion begrifflicher Grundlagen
11
2.1 Die
Unternehmung
2.2 Die
Gründung
2.3 Zusammenfassung: Der Untersuchungsgegenstand
Kapitel 3: Motive für gründungsbegleitende Maßnahmen
41
3.1 Sozioökonomische Funktionen der KMU
3.2 Bedeutungen von Unternehmensgründungen
3.3 Risikofaktoren einer Gründung
3.4 Zusammenfassung: Die Begleitungsmotivation
Kapitel 4: Ein heuristischer Bezugsrahmen für das Begleitungskonzept
79
4.1 Ansätze einer Gründungstheorie
4.2 Der Ansatz einer Theorie autopoietischer Systeme
4.3 Eine transaktionskostenökonomische Betrachtung
4.4 Zusammenfassung:
Gestaltungsvorschläge für einen Bezugsrahmen
Kapitel 5: Eine Beurteilung der aktuellen Begleitungspraxis
119
5.1 Ein Überblick über die Gründungsbegleitung in Deutschland
5.2 Die Gründungsoffensive in NRW
5.3 Technologie- und Gründerzentren
5.4 Zusammenfassung: Die Relevanz der Begleitungspraxis
Kapitel 6: Empfehlungen für die Gründungsbegleitung
136
6.1 Die
Konzeptionierungsphase
6.2 Der Bewertungsprozeß von Idee und Person
6.3 Die Planung des Begleitungsprozesses
6.4 Die Gründungsvorbereitung und -durchführung
6.5 Zusammenfassung:
Der Ansatz eines Begleitungskonzeptes
Kapitel 7: Fazit und Ausblicke
169
7.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
7.2 Forschungsstrategische
Ausblicke

IV
Inhaltsverzeichnis
Seite
Inhaltsübersicht
... I
Inhaltsverzeichnis
... II
Verzeichnis der Abkürzungen ... V
Verzeichnis der Abbildungen ... VI
Verzeichnis der Tabellen ... VII
Kapitel 1: Einleitung
1
1.1 Problemstellung ...
2
1.2 Stand der Gründungsforschung ... 3
1.3 Konzeption der Untersuchung ... 7
Kapitel 2: Diskussion begrifflicher Grundlagen
11
2.1 Die
Unternehmung ... 12
2.1.1
Begriffliche
Abgrenzung
...
12
2.1.2 Die Unternehmung als System ... 18
2.1.3 Kleine und mittlere Unternehmen ... 20
2.2 Die
Gründung ... 23
2.2.1 Die Unternehmensgründung als Prozeß ... 24
2.2.2 Eine entscheidungstheoretische Sichtweise der Unternehmensgründung.. 27
2.2.3
Gründungsarten
...
36
2.3 Zusammenfassung: Der Untersuchungsgegenstand ... 39
Kapitel 3: Motive für gründungsbegleitende Maßnahmen
41
3.1 Sozioökonomische Funktionen der KMU ... 42
3.1.1 Die marktwirtschaftliche Ordnungsfunktion ... 43
3.1.2 Struktur- und konjunkturpolitische Funktionen ... 44
3.1.3 Die technologische Funktion ... 44
3.1.4 Die gesellschaftspolitische Funktion ... 47
3.1.5 Sonstige qualitative Bedeutungen von KMU in der Volkswirtschaft ... 49

V
3.2 Bedeutungen von Unternehmensgründungen ... 50
3.2.1 Die wettbewerbspolitische Funktion ... 51
3.2.2 Die Bedeutung im Revitalisierungsprozeß einer Volkswirtschaft ... 52
3.2.3 Die beschäftigungspolitische Bedeutung ... 54
3.2.4 Die Aufgaben im Innovationsprozeß ... 56
3.3 Risikofaktoren einer Gründung ... 57
3.3.1 Eine systematische Betrachtung der Risikofaktoren ... 58
3.3.2 Die Personenmerkmale des Unternehmensgründers ... 61
3.3.3
Die
Informationsdefizite
...
66
3.3.4
Die
Planungsdefizite
...
68
3.3.5 Die kritischen Umweltbedingungen ... 70
3.3.6
Das
,Innovationsdilemma`
...
72
3.3.7
Die
Finanzierungsbedingungen
...
74
3.4 Zusammenfassung: Die Begleitungsmotivation ... 76
Kapitel 4: Ein heuristischer Bezugsrahmen für das Begleitungskonzept
79
4.1 Ansätze einer Gründungstheorie ... 80
4.1.1 Die Theorie der Institution und der Gründung von H
AURIOU
... 81
4.1.2 Ein sprachlogischer Ansatz von L
IPP
... 82
4.1.3 Gründungs- und begleitungstheoretische Implikationen ... 82
4.2 Der Ansatz einer Theorie autopoietischer Systeme ... 84
4.2.1 Soziale Systeme im Konzept der Autopoiesis ... 85
4.2.2 Die Unternehmung als autopoietisches System ... 89
4.2.3 Gründungs- und begleitungstheoretische Implikationen ... 93
4.3 Eine transaktionskostenökonomische Betrachtung ... 100
4.3.1 Der Transaktionskostenansatz von C
OASE
... 101
4.3.2 Der Transaktionskostenansatz von W
ILLIAMSON
... 103
4.3.3 Der Transaktionskostenansatz von P
ICOT
, L
AUB
und S
CHNEIDER
... 105
4.3.4 Gründungs- und begleitungstheoretische Implikationen ... 108
4.4 Zusammenfassung: Gestaltungsvorschläge für einen Bezugsrahmen ... 113

VI
Kapitel 5: Eine Beurteilung der aktuellen Begleitungspraxis
119
5.1 Ein Überblick über die Gründungsbegleitung in Deutschland ... 120
5.2 Die Gründungsoffensive in NRW ... 123
5.2.1 Darstellung des Konzeptes der Gründungsoffensive ... 124
5.2.2 Beurteilung des Konzeptes der Gründungsoffensive ... 125
5.3 Technologie- und Gründerzentren ... 127
5.3.1 Darstellung des Konzeptes der Technologie- und Gründerzentren ... 128
5.3.2 Beurteilung des Konzeptes der Technologie- und Gründerzentren ... 130
5.4 Zusammenfassung: Die Relevanz der Begleitungspraxis ... 134
Kapitel 6: Empfehlungen für die Gründungsbegleitung
136
6.1 Die Konzeptionierungsphase ...
138
6.2 Der Bewertungsprozeß von Idee und Person
...
140
6.2.1 Die Beurteilung der Gründungsidee ... 141
6.2.2 Die Beurteilung der Personenmerkmale ... 145
6.3 Die Planung des Begleitungsprozesses
...
148
6.4 Die Gründungsvorbereitung und -durchführung
...
154
6.4.1 Die Qualifizierung des Unternehmensgründers ... 155
6.4.2
Die
Ressourcenkoordination
...
162
6.5 Zusammenfassung: Der Ansatz eines Begleitungskonzeptes ... 164
Kapitel 7: Fazit und Ausblicke
169
7.1 Zusammenfassung der Ergebnisse ...
170
7.2 Forschungsstrategische
Ausblicke
...
172
Literaturverzeichnis ... 174

VII
Verzeichnis der Abkürzungen
BMFT
Bundesministerium für Forschung und Technologie
BMWi
Bundesministerium für Wirtschaft
EU Europäische
Union
FuE
Forschung und Entwicklung
HWK Handwerkskammer
IHK
Industrie- und Handelskammer
I+K
Information und Kommunikation
GO Gründungsoffensive
GU Gründungsunternehmen
KMU
Kleine und mittlere Unternehmen
RKW
Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen Wirtschaft
TGZ
Technologie- und Gründerzentrum

VIII
Verzeichnis der Abbildungen
Seite
Abb. 1: Konzeption der Untersuchung ... 10
Abb. 2: Innovationsarten ... 14
Abb. 3: Unternehmens-Lebenszyklus einer Ein-Produkt-Unternehmung ... 26
Abb. 4: Die Entscheidung als Interaktionsprozeß ... 28
Abb. 5: Das Grundmodell der Entscheidungslehre im Gründungskontext ... 30
Abb. 6: Entscheidungsphasen des Gründungsprozesses ... 30
Abb. 7: Impulse in der Anregungsphase des Gründungsprozesses ... 31
Abb. 8: Das Phasenschema der Gründung als Entscheidungsprozeß ... 35
Abb. 9: Anteil des FuE-Aufwandes am Umsatz der Unternehmen nach
Beschäftigtengrößenklassen ... 46
Abb. 10: Anteil der Beschäftigten (in %) nach Beschäftigtengrößenklassen ... 49
Abb. 11: Anzahl der Auszubildenden 1996 nach Beschäftigtengrößenklassen ... 50
Abb. 12: Das ,magische Dreieck' des Gründungsphänomens ... 57
Abb. 13: Das System der Problembereiche ... 59
Abb. 14: Informations- und Datenunsicherheit bei innovativen Gründungen ... 60
Abb. 15: Zeit als kritischer Erfolgsfaktor ... 73
Abb. 16: Die arche-typische und die arche-praktische Dimension einer Gründung... 83
Abb. 17: Die Unternehmung als Wertschöpfungszyklus ... 92
Abb. 18: Die Reduzierung des Wertschöpfungszyklus in einer Kooperations-
beziehung
...
99
Abb. 19: Der Übergang von interner zu externer Transaktionsabwicklung ... 103
Abb. 20: Informationsprobleme und Transaktionskosten ... 109
Abb. 21: Koordinationsformen zwischen Markt und Unternehmung ... 109
Abb. 22: Die Koordinationsaufgaben in den einzelnen Gründungsphasen... 111
Abb. 23: Heuristischer Bezugsrahmen zur Konstruktion einer begleitungs-
orientierten Gründungstheorie ... 118
Abb. 24: Zwei Ansätze begleitender Maßnahmen ... 151
Abb. 25: Beispiel einer groben Ablaufanalyse ... 153
Abb. 26: Dimensionen der strategischen Suchraumanalyse am Beispiel der
Optoelektronik
...
159

IX
Verzeichnis der Tabellen
Seite
Tab. 1: Abgrenzung der Unternehmen nach Größenklassen in Deutschland ... 22
Tab. 2: Abgrenzung der Unternehmen nach Größenklassen in der Europäischen Union 22
Tab. 3:
Gründungsformen ... 36
Tab. 4: Sieben entscheidende Pleiteursachen ... 59
Tab. 5: Stilistische Verhaltensdimensionen ... 63
Tab. 6: Träger und Durchführungsorganisationen der Gründungsförderung ... 76
Tab. 7:
Systemfunktionen ... 97
Tab. 8: Formen institutioneller Arrangements ... 110
Tab. 9: Koordinationsfunktionen im Gründungsprozeß ... 114
Tab. 10: Ziele und Maßnahmen der Gründungsoffensive ... 125
Tab. 11: Das Leistungsangebot der Technologie- und Gründerzentren ... 129
Tab. 12: Potentielle Vor- und Nachteile eines Aufenthaltes in einem Technologie-
und
Gründerzentrum ... 131
Tab. 13: Die Struktur des Gründungs- und Planungsprozesses ... 138
Tab. 14: Personenmerkmale des Gründers als Beurteilungsgegenstand ... 146
Tab. 15: Ablaufschema der Begleitungsplanung ... 151
Tab. 16: Aufgabenpakete der Gründungsbegleitung ... 152
Tab. 17: Angebote externer Beratungsstellen ... 155

,,... daß auch die modernste Theorie nur ein provisorisches
Gerüst ist, bestimmt, über kurz oder lang neueren oder kor-
rekteren Formen der Darstellung ... Platz zu machen."
(S
CHUMPETER
, 1908, S. V)
Kapitel 1: Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Stand der Gründungsforschung
1.3 Konzeption der Untersuchung

2
In einem marktwirtschaftlichen System wird der Entstehung neuer Einheiten eine Schlüs-
selrolle zugeschrieben. Neu gegründete und junge Unternehmen sind Träger großer Hoff-
nungen. In Zeiten zunehmender Dynamik und Verschärfung des Wettbewerbs im Rahmen
des europäischen Binnenmarktes und der unzweifelhaften Globalisierung aller Wirt-
schaftsprozesse scheinen Anpassungsfähigkeit und Vitalität der deutschen Wirtschaft nur
durch einen erfolgreichen Erneuerungsprozeß gewährleistet werden zu können. Insbeson-
dere innovative Gründungen sollen dazu beitragen, die Funktions- und Wettbewerbsfähig-
keit des Wirtschaftssystems und -standortes zu erhalten.
1.1 Problemstellung
In jüngerer Zeit deutet sich ein Spektrum von Erwartungen an, die an die Gründung klei-
ner und mittlerer Unternehmen, im folgenden KMU, geknüpft werden und sich in
Schlagworten und Buchtiteln wie ,,Die Größe der Kleinen"
1
, ,,Small is Beautiful"
2
oder
,,Der Gründerboom"
3
widerspiegeln. Bei der Gründung einer Unternehmung wird der
Gründer aber häufig mit zahlreichen und sehr spezifischen Problemen konfrontiert, die er
zum Teil nicht eigenständig lösen kann. Es entsteht ein hoher Informations- und Bera-
tungsbedarf, der teilweise durch externe Quellen gedeckt werden muß. Aufgrund dieser
Problemlösungsnotwendigkeit einerseits und der in der betriebswirtschaftlichen Literatur
konstatierten Funktionen von Unternehmensgründungen in einem marktwirtschaftlichen
System andererseits lassen sich zwei Fragen aufwerfen:
1.
Wie können wirtschaftspolitische Maßnahmen das Gründungsgeschehen durch eine
Verbesserung der relevanten Rahmendaten positiv beeinflussen?
4
2.
Wie könnte ein möglicher Beitrag privatwirtschaftlicher Unternehmensberater oder
Gründungsbegleiter zu der erfolgreichen Umsetzung einer Gründungsidee aussehen?
Auf der Suche nach Antworten überrascht die stiefmütterliche Behandlung des Themen-
komplexes. Finanz- und Wirtschaftspolitik versäumen es, ausreichende Gründungsanreize
zu schaffen und formale Gründungsbarrieren abzubauen. Maßnahmen der Gründungsför-
1
A
IGINGER
/T
ICHY
, 1984.
2
Z
IEGLER
, 1990.
3
B
ÖGENHOLD
, 1987.
4
Dieser Frage wird nicht direkt nachgegangen, doch finden sich im Verlauf der Arbeit implizite Hin-
weise auf Lösungsansätze.

3
derung stehen in keinem Verhältnis zu der latenten und subtilen Unterstützung unterneh-
merischer Großstrukturen. Die betriebswirtschaftlichen Fakultäten deutscher Universitäten
schneiden ihre Lehre auf Konzerne zu und fördern somit eine einseitige Allokation be-
triebswirtschaftlichen Know-hows. Letztlich müssen Wirtschaftswissenschaften und So-
ziologie in bezug auf die Gründungs- und Begleitungsproblematik mehr Forschungslücken
eingestehen als sie theoretische Grundlagen zu bieten vermögen. Hier zeigen sich unver-
kennbare Theorie- und Handlungsdefizite.
Die vorliegende Untersuchung hat zum Ziel, aufgrund einer genauen Betrachtung
des Gründungsvorganges Ansätze zu einem vermarktungsfähigen Dienstleistungskonzept
der Gründungsbegleitung zu entwickeln. Der Begriff Begleitung soll dabei über den Beg-
riff der Beratung hinausgehen und sich auch Aspekten der Unterstützung, Kooperation,
Risikoübernahme etc. öffnen.
Im Verlauf der Arbeit wird gezeigt, daß aufgrund der Spezifität der typischen Grün-
dungsprobleme, auf die das Begleitungskonzept einzugehen hat, die Betrachtung der
Gründungsbegleitung als spezielle Unternehmensberatung nur wenig sinnvoll erscheint
5
.
Außerdem stellt sich im nächsten Abschnitt heraus, daß die Betriebswirtschaftslehre und
ihre Nachbardisziplinen für die Konzeptionierung einer Gründungsbegleitung bis jetzt
kaum theoretisches Rüstzeug bereitgestellt haben. Es soll also das Anliegen dieser Unter-
suchung sein, dieses Theoriedefizit zunächst zu reduzieren. Nur wenn ein Erkenntnisinte-
resse dem Gestaltungsinteresse vorangeht, können ausreichend begründete Aussagen über
die Ausgestaltung eines Begleitungskonzeptes gemacht und gleichzeitig dessen besondere
Chancen und Risiken verdeutlicht werden.
1.2 Stand der Gründungsforschung
Insbesondere in Deutschland wurde lange Zeit das betriebswirtschaftliche Erkenntnisob-
jekt fast ausschließlich in existenten großen Wirtschaftseinheiten gesehen
6
. Mit der Grün-
dungsforschung, einem im deutschsprachigen Raum noch jungen Wissenschaftsgebiet, hat
sich ein wirtschaftswissenschaftlicher Teilbereich herausgebildet, der sich mit Fragen und
5
Das I
NSTITUT FÜR
M
ITTELSTANDSFORSCHUNG
(1997, S. 7ff.) ist diesbezüglich anderer Meinung. Die
Entwicklung einer geschlossenen Theorie der Beratung wurde aber bis heute ebenfalls nicht geleistet.
Vgl. S
TEYRER
, 1991, S. 2ff.
6
Vgl. z.B. C
HMIELEWICZ
, 1984, S. 151f.

4
Problemen der Genese und Genetik kleinerer Einheiten auseinandersetzt
7
. Hier überwie-
gen derzeit noch eindeutig erkenntnisorientierte Forschungsarbeiten. Neben einer Grün-
dungstheorie wird auch eine Gründungstechnik als gestaltungsorientierter Bereich gefor-
dert
8
.
Auch wenn die Gründungsforschung noch keinen einheitlichen Bezugsrahmen for-
muliert hat, so lassen sich doch vier Forschungsbereiche identifizieren. Jeweils bezüglich
ihrer Wirkung auf Gründungsaktivität und Gründungserfolg werden untersucht
9
:
1.
die Gründerperson mit ihren Motiven, Fähigkeiten und Demographia,
2.
die Strukturdaten neugegründeter Unternehmen und
3.
die Umweltdaten und Rahmenbedingungen von Unternehmensgründungen
10
.
Gegenstand einiger empirischer Untersuchungen sind zusätzlich:
4.
die Bedeutung und die Funktionen von Unternehmensgründungen in einer Volks-
wirtschaft.
Die Gründerperson nimmt in der Gründungsforschung eine zentrale Rolle ein, da sie der
wesentliche Handlungsträger ist, zahlreiche Risikopotentiale auf sich vereint und sich im
Gegensatz zu der Unternehmung, die eben häufig noch gar nicht vollständig existiert, ei-
ner Untersuchung leichter zugänglich zeigt. Eine Untersuchung des Zusammenhangs von
Personenmerkmalen und Gründungserfolg steht vor allem in der angelsächsischen Grün-
dungsforschung im Mittelpunkt
11
.
Die Strukturdaten einer Unternehmensgründung interessieren, da strukturelle Ent-
scheidungen zum Zeitpunkt der Gründung nicht ohne weiteres rückgängig gemacht wer-
7
Zu der Einordnung der Gründungsforschung in die Wirtschaftswissenschaften vgl. K
LANDT
, 1984b, S.
43ff.
8
Vgl. K
LANDT
, 1984b, S. 48f. Gestaltungsorientierte Arbeiten beschränken sich bisher zumeist auf
Leitfäden und Ratgeber des Typs ,Wie mache ich mich selbständig?`. Als Beispiele solcher in der
Regel außerakademischen Arbeiten, die ihre Erfolgsrelevanz allenfalls argumentativ absichern, seien
genannt: A
RNOLD
, 1996; K
ARNATH
, 1990; K
OTSCH
-F
ASSHAUER
, 1997; R
ASNER
/F
ÜSER
/F
AIX
, 1997;
R
ENTROP
, 1991 und S
CHOEFFLING
, 1991.
9
Mit Gründungserfolg ist hier der Abschluß der Gründungsphase zu einer lebensfähigen Unterneh-
mung gemeint. Zu einzelnen Befunden vgl. M
ÜLLER
-B
ÖLING
/K
LANDT
, 1993, S. 156ff.
10
Ein Überblick über die Beziehung zwischen diesen Forschungsobjekten findet sich bei M
ÜLLER
-
B
ÖLING
/K
LANDT
, 1993, S. 143.
11
Das englische Begriffsäquivalent für Gründungsforschung ist Entrepreneurship Research. Zu For-
schungsinhalten vgl. K
LANDT
, 1984b, S. 45f.

5
den können. Eine Unternehmung wird durch die Festlegung von Standort, Rechtsform,
Absatzmarkt etc. langfristig in ihrer Entwicklung beeinflußt.
Mit den Rahmenbedingungen einer Unternehmensgründung sind Aspekte wie Grün-
dungsinfrastruktur, Konjunkturlage, Marktsituation, makrosoziales Umfeld etc. angespro-
chen, die einen direkten oder indirekten Einfluß auf Gründungsaktivität und -erfolg aus-
üben.
Über diese Bemühungen hinaus, die individuellen und situativen Ursachen von Un-
ternehmensaktivität und -erfolg zu erklären, wird von einer gehaltvollen Gründungstheorie
zusätzlich eine Erklärung der gesamtwirtschaftlichen Wirkungen und Funktionen von Un-
ternehmensgründungen gefordert. Hier werden aggregierte Größen wie beispielsweise
Konjunktur- und Beschäftigungswirkungen oder der Beitrag zum technologischen Fort-
schritt von Unternehmensgründungen auf makroökonomischer Ebene erfaßt und unter-
sucht.
Die derzeitige empirische Gründungsforschung bewegt sich ,,... im Schnittfeld meh-
rerer Disziplinen ..."
12
. Mit dem Hinweis auf die Position des Kritischen Rationalismus ei-
fert sie der Erkenntnissicherung durch Hypothesenaufstellung und -prüfung nach. Ent-
scheidend für Hypothesen ist in erster Linie, daß sie intersubjektiv eindeutig formuliert
sind und an der Erfahrung scheitern können
13
, und weniger ihr Inhalt oder ihre Herkunft.
Im Entdeckungszusammenhang der Gründungsforschung stehen Versuche im Vor-
dergrund, mit Hilfe eines ,,... erkenntnistheoretisch einleuchtende[n] Liberalismus hin-
sichtlich des Einsatzes von Entdeckungsmethoden ..."
14
Ursache- und Wirkungszusam-
menhänge einzelner Phänomene zu erkennen. Hier sind vermutlich zahlreiche Aussagen
durch Methoden wie Intuition, Induktion, phänomenologische Betrachtungsweise etc. zu-
stande gekommen. Insgesamt wird die derzeitige Gründungsforschung durch eine große
Anzahl kleiner Forschungsprojekte geprägt, in denen Einzelhypothesen oder lose ver-
knüpfte Mengen von Hypothesen unter relativ exakt angegebenen Bedingungen und mit-
tels mehr oder weniger anspruchsvoller, aber uneinheitlicher Analyseverfahren geprüft wor-
12
P
REISENDÖRFER
, 1996, S. 8. Es handelt sich in erster Linie um Beiträge aus Sozialpsychologie, Be-
triebswirtschaftslehre, Soziologie, Rechtswissenschaften, Geschichtswissenschaften und Volks-
wirtschaftslehre. Ein Überblick über relevante Einflußfaktoren aus benachbarten Wissenschafts-
disziplinen findet sich bei K
LANDT
, 1984b, S. 39ff.
13
Vgl. z.B. R
AFFÉE
, 1993, S. 34.
14
M
UGLER
/P
LASCHKA
, 1987, S. 174. Zur Kritik an Forschungsmethoden und -instrumenten der Grün-
dungsforschung vgl. auch M
ÜLLER
-B
ÖLING
, 1983, S. 124f.

6
den sind. Trotzdem hat der Erkenntnisstand der Gründungsforschung kaum zugenommen,
da sich bis heute lediglich ein heterogener Bestand von kaum vergleichbaren, schlecht in-
tegrierbaren und theoretisch eng begrenzten Einzelergebnissen entwickelt hat. Das Wis-
senschaftsziel liegt jedoch gerade nicht in einer mosaikartigen Fülle von Einzelergebnis-
sen, sondern vielmehr in einer Zielgerichtetheit der Beobachtungen und einer Integration
gehaltvoller explikativer Aussagen, die sich auf eine Menge gleicher Phänomene beziehen
und keinen speziellen Raum-Zeit-Bezug aufweisen. So liegt auch das vermutlich wichtigs-
te Ziel der betriebswirtschaftlichen Forschung ,,... in der Gewinnung von über Einzel-
fälle hinausgehenden Aussagen zur Lösung von Entscheidungsproblemen in der betriebli-
chen Praxis ..."
15
, und es stellt sich die Frage, wie dieses pragmatische Wissenschaftsziel
auch für die Gründungsforschung möglichst schnell erreicht werden kann.
Das größte Problem scheint darin zu liegen, daß der Objektbereich der Unterneh-
mensgründung gegenwärtig noch zu wenig bekannt ist, um sinnvolle Hypothesen aufstel-
len zu können. Und unter Berücksichtigung des pragmatischen Wissenschaftsziels sollte
nicht so sehr der Zuwachs in der Erkenntnissicherung als vielmehr der Zuwachs im Ver-
ständnis als Maßstab für wissenschaftlichen Fortschritt gelten
16
. Welche alternative For-
schungsstrategie bietet sich also für die Gründungsforschung an?
K
UBICEK
schlägt vor, ,,... die Konstruktion wissenschaftlicher Aussagen als einen
von theoretischen Absichten geleiteten und auf systematischem Erfahrungswissen basie-
renden Lernprozeß zu begreifen ..."
17
, der den Umweg des wissenschaftlichen Fortschritts
über die Prüfung tendenziell beliebiger Hypothesen durch theoretisch geleitete Fragen an
die Realität ersetzen soll. Denn während Hypothesen nach Legitimation durch Begrün-
dung verlangen, erhalten theoretisch geleitete Fragen ihre Legitimation durch den durch
sie erzielbaren Erkenntnisgewinn. Der Prozeß, durch Fragen an die Realität und die theo-
retische Verarbeitung des dabei gewonnenen Erfahrungswissens zu weiteren Fragestellun-
gen zu gelangen, wird als iterative Heuristik bezeichnet. Ein solches, immer nur provisori-
sches Erklärungsmodell soll sowohl den weiteren Forschungsprozeß steuern als auch Ori-
entierungshilfen für die Praxis geben. Dieses Vorgehen scheint unter der Bedingung des
momentan geringen Erkenntnisstandes der Gründungsforschung eine gute Möglichkeit zu
15
K
UBICEK
, 1977, S. 5.
16
Vgl. K
UBICEK
, 1977, S. 7.
17
K
UBICEK
, 1977, S. 13.

7
sein, das Verständnis und die Beherrschung des komplexen Problembereiches der Unter-
nehmensgründung zu verbessern.
Demnach könnte die Unternehmensgründung als bisher ungenügend beherrschbares
Problem Ausgangspunkt der Konstruktion eines heuristischen Bezugsrahmens sein. Die
Konstruktion ist abhängig vom Vorverständnis und der Perspektive des Forschers, da sei-
ne Annahmen, Fragen und vor allem Interpretationsmuster in ihrer Gesamtheit den heuris-
tischen Bezugsrahmen bilden. Diese dem Vorverständnis entspringende Perspektive wird
präzisiert, indem weitere Fragen und Interpretationen zur genaueren Abgrenzung des
Problems entwickelt werden, die wiederum der weiteren Erfahrungsgewinnung dienen.
Ein heuristischer Bezugsrahmen soll also ein die Erfahrungsgewinnung vorbereitendes
Ziel erfüllen. Vorliegende und zum Teil interdisziplinäre Einzelhinweise der Gründungs-
forschung müßten zusammengetragen und in einen theoretischen Rahmen gestellt werden,
dessen Inhalt durch künftiges Einfließen immer weiterer Erfahrungen laufend präzisiert
werden kann
18
. Der Bezugsrahmen sollte dabei Annahmen und Fragen aus möglichst un-
terschiedlichen Richtungen, Ansätzen und Disziplinen berücksichtigen, die sein heuristi-
sches Potential erhöhen.
1.3 Konzeption der Untersuchung
Auf dem Weg zu einem Begleitungskonzept für Unternehmensgründungen müssen zahl-
reiche Teilziele verfolgt werden. Da die Gründungsforschung bis jetzt noch keine Theo-
rien zur Verfügung stellt, aus denen sich ein umfassendes Begleitungskonzept ableiten
ließe, soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit zunächst ein heuristischer Bezugsrahmen
entwickelt werden, aus dem sich sinnvolle Orientierungshilfen und Handlungsempfehlun-
gen für die Praxis der Gründungsbegleitung ableiten lassen. Dieser Bezugsrahmen soll
weniger die ,,... Ursachen und Wirkungen von Unternehmensgründungen erklären ..."
19
,
18
Dieses Vorgehen unterscheidet sich von einem naiven Induktivismus dadurch, daß das Vorver-
ständnis des Forschers problematisiert wird und nicht sofort zu gesicherten Aussagen über die Reali-
tät, sondern zunächst zu Fragen führen soll, die geeignet sind, das Vorverständnis zu erweitern. Vgl.
K
UBICEK
, 1977, S. 14.
19
U
NTERKOFLER
, 1989, S. 69.

8
sondern vor allem die Risiko- und Erfolgsfaktoren
20
einer Unternehmensgründung trans-
parent machen, um daraus gründungsbegleitende Maßnahmen ableiten zu können.
Für diesen Bezugsrahmen ist zunächst eine präzise und ausführliche Begriffsabgren-
zung der Untersuchungsgegenstände Unternehmung und Gründung erforderlich
21
. Zum
einen verdeutlichen solche Definition das Vorverständnis und die Perspektive des For-
schers und sind somit Ausgangspunkt aller theoretischen Überlegungen, und zum anderen
sind sie Voraussetzung für eine Überprüfbarkeit der Untersuchungsergebnisse, da insbe-
sondere die Handlungsempfehlungen, aber auch der heuristische Bezugsrahmen selbst zu-
nächst nur einen Behauptungscharakter aufweisen.
In Kapitel 2 dieser Arbeit wird also der Versuch unternommen, diejenigen Merkma-
le herauszuarbeiten, die notwendig und hinreichend dafür sind, daß es sich bei einem Be-
obachtungsgegenstand um eine Unternehmung handelt. Erst wenn festgelegt ist, ab wann
es sich um eine Unternehmung handelt, kann des weiteren auch das Ende ihres Grün-
dungsprozesses fixiert werden. Darüber hinaus wird auch der Beginn einer Gründung ge-
nau festgesetzt und der Gründungsprozeß in einzelne Phasen gegliedert.
In Kapitel 3 werden Sinn und Notwendigkeit einer Gründungsbegleitung verdeut-
licht. Zum einen scheinen diese in bestimmten Funktionen zu liegen, die KMU und deren
Gründungen in einem marktwirtschaftlichen System zukommen. Andererseits ist die Be-
gleitung und Unterstützung von Unternehmensgründungen aufgrund vielfältiger Grün-
dungsprobleme und -risiken sowie Nachteilen der neugegründeten Unternehmungen ge-
genüber etablierten Großunternehmen notwendig und sinnvoll. Da die Probleme, die sich
in der Gründungsrealität beobachten lassen, nicht nur Motiv, sondern auch Ansatzpunkt
für eine Gründungsbegleitung sind, wird versucht, deren Ursachen aufzuspüren und sie zu
systematisieren. Dazu wird auf die Ergebnisse des Kapitels 2 zurückgegriffen.
In Kapitel 4 soll ein heuristischer Bezugsrahmen als exploratives Instrument auf
dem Wege zu einer begleitungsorientierten Gründungstheorie erstellt werden. Ein solcher
heuristischer Bezugsrahmen kann zwar von seiner logischen Konsistenz und Operationali-
tät her nicht den strengen Anforderungen an ein Hypothesensystem genügen, er hilft aber,
20
Diesbezüglich spricht z.B. B
AAKEN
(1989, S. 64) von ,,Determinanten" des Gründungserfolges oder
-mißerfolges. Es ist allerdings zweifelhaft, ob der Erfolg einer Unternehmensgründung wirklich
durch einzelne Faktoren so festgelegt wird, wie es diese Formulierung impliziert.
21
Dieses scheint insbesondere auch deshalb notwendig zu sein, da die Gründungsforschung in dieser
Hinsicht noch nicht viel mehr als Arbeitsdefinitionen zustande gebracht hat, die als stabile Basis für
eine Gründungs- oder Begleitungstheorie nicht geeignet sind.

9
die komplexen Phänomene von Unternehmensgründungen zu ordnen
22
. Hierzu werden
neben den Einzelergebnissen über Problembereiche einer Unternehmensgründung aus Ka-
pitel 3 auch allgemeine und anerkannte Denkmodelle aus Betriebswirtschaftslehre und
Soziologie herangezogen. Vor allem die Betrachtung der Unternehmung als autopoieti-
sches System und die Einbeziehung transaktionskostentheoretischer Aspekte scheinen
Beiträge zu einem pluralistischen und eklektischen Bezugsrahmen leisten zu können.
In Kapitel 5 soll eine Darstellung der augenblicklichen Begleitungspraxis in
Deutschland erfolgen. Vor allem Institutionen wie beispielsweise Technologie- und Grün-
derzentren oder Initiativen wie die Gründungsoffensive in Nordrhein-Westfalen sollen an-
hand der Ergebnisse aus Kapitel 4 beurteilt werden. Darüber hinaus werden existente Be-
gleitungskonzepte daraufhin untersucht, ob sie weitere Anregungen für die eigene Kon-
zeptionierung bieten können.
In Kapitel 6 werden schließlich auf der Grundlage des heuristischen Bezugsrahmens
Aussagen über konkrete Handlungsmöglichkeiten und Ansatzpunkte der Gründungsbe-
gleitung gemacht und zu einem Begleitungskonzept zusammengefaßt
23
.
Abschließend soll eine graphische Übersicht über den Gang der Untersuchung die
Inhalte und Zusammenhänge der einzelnen Kapitel noch einmal verdeutlichen:
22
Vgl. K
UBICEK
, 1977, S. 17f.
23
Die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Unternehmensgründung hängt auch von differenzierten öko-
nomischen, technologischen, politischen und gesellschaftlichen Bedingungen ab. Dieses erfordert ei-
ne so flexible Gestaltung des Begleitungskonzeptes, daß dieses relativ unabhängig von konjunk-
turellen und politischen Veränderungen innerhalb unseres Wirtschaftssystems Anwendung finden
kann.

10
Abb. 1: Konzeption der Untersuchung
Ka
pite
l 6
Bedeutung und Funktionen
von KMU und deren Gründungen
Problem- und Risikobereiche
von Unternehmensgründungen
Konzeption
Gründungsbegleitender
Maßnahmen
Kapitel
4
Einzelergebnisse der
Gründungsforschung
Motivation
AnerkannteDenkmodelle
und Theorien
Systemtheorie
Transaktionskostentheorie
etc.
Konstruktion
Beurteilung Anregungen
Bestandsaufnahme und Beurteilung
der existenten Gründungs-
begleitung in Deutschland
Gründungsoffensive NRW
Technologie- und Gründerzentren
Ka
pi
te
l 3
Kapitel
5
Unternehmung Gründung
Definition
Ka
pi
te
l 2
Heuristischer
Bezugsrahmen
Möglichkeit
der
Überprüfung
Begriffliche
Grundlagen
Handlungs-
ansätze
Quelle: Eigene Darstellung.

,,Jede Wissenschaft muß auf irgendeine Weise der Aufgabe
genügen, ihre Begriffe scharf zu bestimmen und gegen-
einander abzugrenzen."
(S
TENZEL
, 1958, S. 7)
Kapitel 2: Diskussion begrifflicher Grundlagen
2.1 Die
Unternehmung
2.1.1 Begriffliche
Abgrenzung
2.1.2 Die Unternehmung als System
2.1.3 Kleine und mittlere Unternehmen
2.2 Die
Gründung
2.2.1 Die Unternehmensgründung als Prozeß
2.2.2 Eine entscheidungstheoretische Sichtweise der Unternehmensgründung
2.2.3
Gründungsarten
2.3 Zusammenfassung: Der Untersuchungsgegenstand

12
Nach der modernen Wissenschaftstheorie kommt Begriffen weder ein Wahrheitswert noch
ein eigenständiger Informationsgehalt zu. Dennoch ist im Begründungszusammenhang die
Bildung klarer Begriffe unerläßlich, um eine exakte, nachprüfbare und objektive Überprü-
fung aufgestellter Hypothesen zu ermöglichen. Das vorliegende Kapitel stellt verschiede-
ne Definitionen der Begriffe Unternehmung
24
und Gründung dar und macht die zur Be-
griffsbildung verwendeten Merkmale deutlich
25
. Aus der Diskussion verschiedener Sicht-
weisen heraus wird eine für diese Untersuchung zweckmäßige Abgrenzung der Begriffe
entwickelt. Dabei sollen die Betrachtung der Unternehmung als System und der Prozeß-
charakter der Gründung im Vordergrund stehen.
2.1 Die Unternehmung
Will man sich später mit einer Abgrenzung der Unternehmensgründung beschäftigen, so
stellt sich eine zentrale, zunächst frugal formulierte Frage: Ab wann ist eine Unterneh-
mung eine Unternehmung? Im folgenden wird der Versuch unternommen, diejenigen
Merkmale herauszuarbeiten, die für das Vorliegen einer Unternehmung notwendig und
hinreichend sind.
Die betriebswirtschaftliche Literatur zeigt in der Definition des Begriffes Unterneh-
mung mehrere voneinander abweichende Grundrichtungen. Deren Unterschiede werden
im folgenden am Verhältnis des Unternehmungsbegriffes zum Betriebsbegriff verdeut-
licht.
2.1.1 Begriffliche Abgrenzung
Die Begriffe Unternehmung und Betrieb werden selten als austauschbare Synonyme
behandelt, wie sich beispielsweise in den Ausdrücken Unternehmensberatung oder Be-
triebskrankenkasse zeigt. In der Regel werden ihnen unterschiedliche Inhalte zugewiesen.
24
Im wissenschaftlichen Sprachgebrauch findet sich gelegentlich eine Unterscheidung zwischen dem
Unternehmen als Einrichtung im institutionellen Sinn und der Unternehmung als Vorgang im funkti-
onellen Sinn. Da eine Trennung von Institution und Funktion im Gründungszusammenhang nicht
notwendig erscheint, werden die beiden Begriffe in der weiteren Untersuchung synonym verwendet.
25
Die Notwendigkeit eines klaren Verständnisses der Begriffe Unternehmung und Gründung wird in
der Gründungsforschung leider übersehen. Stellvertretend für eine Reihe diesbezüglich mehr oder
weniger mangelhafter Arbeiten seien genannt: C
LEMENS
/F
REUND
, 1994; H
UNSDIEK
, 1987; J
OOS
,
1987; P
ÜTZ
/M
EYERHÖFER
, 1982; S
CHULZ
, 1995; S
ZYPERSKI
/K
IRSCHBAUM
, 1981 und S
ZYPERSKI
/
N
ATHUSIUS
, 1977.

13
(1) Gleichrangigkeit von Unternehmung und Betrieb
Die Begriffe Betrieb und Unternehmung werden als sich auf gleicher Ebene ergän-
zende Begriffe behandelt, sind also zwei Seiten der gleichen Medaille. Mit Betrieb
wird die technisch-wirtschaftliche Seite beschrieben. In der Unternehmung werden
Zweck-, Finanz- und Rechtsaspekte gesehen
26
. Hier findet sich der Hinweis, daß
sich eine Unternehmensgründung nicht auf einen juristischen Akt wie z.B. die
Eintragung ins Handelsregister oder die Gewerbeanmeldung beschränken läßt
27
.
(2) Unternehmung als Oberbegriff
Nach dieser Auffassung ist die Unternehmung als ökonomische Einheit der Gesamt-
wirtschaft durch Kapitaleinsatz, wirtschaftliches Risiko und Gewinnstreben gekenn-
zeichnet
28
. Sie wird als selbständige Produktionswirtschaft von einem Unternehmer
auf eigene Rechnung und Gefahr betrieben. Unter Betrieb wird dagegen die techni-
sche Apparatur, derer sich die Unternehmung zur Erreichung ihrer wirtschaftlichen
Ziele bedient und weiterhin eine ,,... Dauerveranstaltung zur Güterproduktion ..."
29
verstanden.
Eine ähnliche Sichtweise, ohne jedoch explizit vom Betriebsbegriff abzugren-
zen, vertritt S
CHUMPETER
, der in Unternehmungen ,,... äußerlich selbständige,
scheinbar autonome, grundsätzlich auf sich selbst gestellte, unmittelbar nur am
eigenen Lebensinteresse orientierte Einheiten ..."
30
sieht. Im Zentrum seiner Überle-
gungen steht die Innovationsfunktion der Unternehmung. Der Unternehmer als Füh-
rer der Unternehmung muß auf wirtschaftlichem Gebiet ständig neue Möglichkeiten
erkennen und durchsetzen. Bezüglich dieser Aufgabe lassen sich fünf Typen unter-
scheiden:
,,1. Herstellung eines neuen, d.h. dem Konsumentenkreise noch nicht vertrauten
Gutes oder einer neuen Qualität eines Gutes.
2. Einführung einer neuen, d.h. dem betreffenden Industriezweig noch nicht
praktisch bekannten Produktionsmethode, die keineswegs auf einer wissen-
26
Vgl. z.B. L
EHMANN
, 1956, S. 52f. oder R
ÖßLE
, 1956, S. 16 und zur Kritik G
UTENBERG
, 1972, S. 510f.
27
Eine solche eingeschränkte Sichtweise findet sich z.B. bei H
ERTLEIN
, 1965, Sp. 673f.
28
Vgl. z.B. R
IEGER
, 1959, S. 40f.
29
G
ROCHLA
, 1959, S. 586, ähnlich auch R
ÖSSLE
, 1973, S. 15.

14
schaftlich neuen Entdeckung zu beruhen braucht und auch in einer neuartigen
Weise bestehen kann, mit einer Ware kommerziell zu verfahren.
3.
Erschließung eines neuen Absatzmarktes, d.h. eines Marktes, auf dem der be-
treffende Industriezweig des betreffenden Landes bisher noch nicht eingeführt
war, mag dieser Markt vorher schon existiert haben oder nicht.
4. Eroberung einer neuen Bezugsquelle von Rohstoffen oder Halbfabrikaten,
wiederum: gleichgültig ob diese Bezugsquelle schon vorher existierte - und
bloß sei es nicht beachtet wurde, sei es für unzugänglich galt - oder ob sie erst
geschaffen werden muß.
5.
Durchführung einer Neuorganisation ..."
31
Im folgenden soll die Erfüllung mindestens einer dieser Unternehmeraufgaben als
Innovation bezeichnet werden. Innovationen sollen nicht auf technologische Neuerun-
gen beschränkt werden. Der Innovationsgrad läßt sich anhand der drei Dimensionen
Produktionsprozeß, Produkt und Beschaffungs- bzw. Absatzmarkt differenzieren:
Abb. 2: Innovationsarten
Produkt
Prozeß
Markt
neu
neu
neu
alt
alt
alt
Imitative
Ecke
Innovative
Ecke
Quelle: U
NTERKOFLER
,
1989, S.
60.
30
S
CHUMPETER
, 1928, S. 476. Die bloße Orientierung am eigenen Lebensinteresse scheint aber weni-
ger das Wesen der Unternehmung zu treffen als vielmehr die Lebensfähigkeit selbst.
31
S
CHUMPETER
, 1964, S. 100f. Unter den Begriff Gut sollen hier auch Dienstleistungen als imma-
terielle Güter subsumiert werden.

15
(3) Betrieb als Oberbegriff
Folgt man diesem Ansatz, so ist der Betrieb die kleinste Organisationseinheit der
Gesamtwirtschaft. Beispielhaft für die Betrachtung der Unternehmung als spezielle
Betriebsart werden im folgenden drei Sichtweisen vorgestellt.
Der erste Ansatz wurde von N
ICKLISCH
angeregt, der die Leistungserstellung
und den Erhalt von Gegenwerten als Wesensmerkmal des Betriebes nennt
32
. Selb-
ständige Betriebe werden in Haushaltungen und Unternehmungen differenziert. Eine
Unternehmung, die freiwillig das Marktrisiko auf sich nimmt, deckt im Gegensatz
zur Haushaltung fremden Güterbedarf
33
.
Eine Weiterführung dieser Sichtweise findet sich bei K
OSIOL
, der Betriebe als
Sozialgebilde mit einheitlicher Planung definiert
34
. Er faßt Unternehmungen als Er-
zeugungsbetriebe auf und grenzt sie durch die drei Merkmale wirtschaftliche Selb-
ständigkeit, Deckung fremden Bedarfs und freiwillige Übernahme des Marktrisikos
von den Haushalten ab. Ebenfalls ausgehend von N
ICKLISCH
ist für M
ELLEROWICZ
die Unternehmung als Erscheinungsform des Betriebes durch ,,... privates Eigentum
an den Produktionsmitteln, volle Risikoübernahme, Rechenhaftigkeit und Streben
nach maximalem Gewinn ..."
35
gekennzeichnet. Aspekte der Risikoübernahme und
des Gewinnstrebens sollen in der vorliegenden Arbeit als prägnante Eigenarten des
Unternehmertums anerkannt und an anderer Stelle nochmals aufgegriffen werden.
Bedenkt man jedoch die Einbindung der Unternehmung in ein Beziehungsgeflecht
von Lieferanten, Abnehmern, Kapitalgebern, Verbänden und Staat, so können wirt-
schaftliche Selbständigkeit und privates Eigentum an Produktionsmitteln heutzutage
keinesfalls uneingeschränkt als Merkmale einer Unternehmung gelten
36
.
Ein zweiter Ansatz, der Unternehmungen als Spezialfall der Betriebe auffaßt,
geht auf G
UTENBERG
zurück, der eine wirtschaftssystemabhängige Definition des
Unternehmensbegriffes gibt
37
. Nach seiner Auffassung ist ein Betrieb ein wirt-
32
Vgl. N
ICKLISCH
, 1932, S. 164ff.
33
Da auch Haushalte Fremdbedarf und Unternehmen Eigenbedarf decken können, ist hier eine
scharfe
Trennung nicht möglich. Man denke z.B. an Personaleinkauf in Warenhäusern.
34
Vgl. auch K
OSIOL
, 1962, Sp. 5540-5545.
35
M
ELLEROWICZ
, 1969, S. 19f.
36
Vgl. B
USSE VON
C
OLBE
/L
AßMANN
, 1988, S. 19.
37
Vgl. G
UTENBERG
, 1972, S. 460ff. und 464ff.

16
schaftssystemindifferenter Tatbestand, der aus dem System der Produktionsfaktoren,
dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit und dem des finanziellen Gleichgewichts besteht.
Eine Unternehmung in einem marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem wird zusätz-
lich durch drei Merkmale gekennzeichnet: das innere und äußere Autonomieprinzip
und das erwerbswirtschaftliche Prinzip. Unklar bleibt, ob diese Prinzipien als Nor-
men oder als Erfahrungstatbestände verstanden werden
38
.
Der Ansatz von G
UTENBERG
legt die Vermutung nahe, daß die Gründungspro-
blematik und somit auch die Aspekte einer Gründungsbegleitung ebenfalls wirt-
schaftssystemabhängig sein können. Die vorliegende Arbeit soll allerdings auf die
Betrachtung marktwirtschaftlicher Systeme beschränkt bleiben.
In einem dritten Ansatz faßt S
CHNEIDER
alle Organisationen unter dem Begriff
Betrieb zusammen, in denen Menschen Einkommen erwerben. Eine Unternehmung
liegt vor, wenn ein Betrieb absatzmarktgängige Leistungen erstellt und verkauft. Im
weiteren definiert er Unternehmung als Handlungssystem: ,,... Unternehmung heißt
eine durch das Ausüben von Unternehmerfunktionen gelenkte Menge an Marktpro-
zessen eines Anbieters oder Nachfragers, dazugehörender Marktzufuhrhandlungen
und daraus folgenden Gewinnermittlungen und Einkommensverteilungen, wobei
diese Unternehmungsprozesse geordnet werden nach faktischen Einflußgrößen und
den Regelsystemen für das Ausüben von Unternehmerfunktionen sowie der Unter-
nehmungsverfassung."
39
. Eine Unternehmung besitzt also die Fähigkeit, als Anbieter
in Absatzmärkten und als Nachfrager in Beschaffungsmärkten Marktprozesse durch-
zuführen und einen Wertschöpfungsprozeß zu initiieren und aufrechtzuerhalten.
Marktprozeßfähigkeit scheint ein wesentliches Merkmal zur Bestimmung des Unter-
nehmungsbegriffes zu sein.
Die bisherigen Ausführungen mögen eine Vorstellung über die Vielfalt möglicher Be-
griffsinhalte der Unternehmung vermittelt haben. Eine Beschreibung verschiedener realer
Verhaltensweisen wie Kapitaleinsatz, Risikoübernahme, Gewinnstreben oder Deckung
fremden Güterbedarfes dienen einer Abgrenzung der Unternehmung gegenüber anderen
Wirtschaftseinheiten und tragen somit dazu bei, den unüberschaubaren Komplex von Ge-
genständen und Beziehungszusammenhängen innerhalb des Wirtschaftssystems zu ord-
38
Zur Kritik an G
UTENBERG
s Definition vgl. S
CHNEIDER
, Dieter, 1993, S. 87ff.
39
S
CHNEIDER
, Dieter, 1993, S. 93.

17
nen. Die bisher angesprochenen Merkmale einer Unternehmung stellen zwar Wesentlich-
keiten dar, dürfen aber nicht mit deren Wesen selbst verwechselt werden, indem man die-
ses aus der Summe aller Wesentlichkeiten konstruieren zu können glaubt. Sie sind ledig-
lich standpunktbezogene einseitige Aspekte. Das jedoch, was einen Gegenstand von ande-
ren unterscheidet, kann ,,... nur eines sein. Vom Wesen eines Gegenstandes aus müssen al-
le seine konkreten Erscheinungsformen, wie auch seine einzelnen Aspekte, sich erklären
lassen."
40
. Um eine ,,... Beschreibung des Wesens und der Natur ..."
41
einer Unternehmung
im Sinne einer Realdefinition leisten zu können, muß ihre Funktionsweise betrachtet wer-
den
42
.
Um eine überblickhafte Vorstellung der Funktionsweise einer Unternehmung inner-
halb ihrer Umwelt zu bekommen und diese vielfältigen Zusammenhänge vereinfachen und
die allen Unternehmungen gemeinsamen Merkmale aufzeigen zu können, bedarf es eines
Modells, das einer höheren Abstraktionsebene angehört als etwa die Typologie
43
. Ein Un-
tersuchungsgegenstand kann häufig nur vollständig erfaßt werden, wenn er aus Sicht ver-
schiedener Disziplinen beschrieben wird. Dieses setzt ein Minimum an gemeinsamer
Sprache und Methodik voraus. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, sich der System-
theorie als ,,... Metatheorie [zu bedienen], deren Ziel es ist, Erscheinungen in ihrer Gleich-
artigkeit besser zu erkennen und dafür eine einheitliche Terminologie und Methodologie
anzubieten."
44
, und die Unternehmung als System zu betrachten
45
.
40
V
EIL
, 1956, S. 57f.
41
A
LBERT
, 1972, S. 173.
42
V
EIL
versucht, das Wesen der Unternehmung nicht durch ihre Funktionsweise, sondern durch ihren
Zweck und ihr Strukturprinzip (er spricht von ,Seinsbestimmtheit`) zu erfassen. Das Wesen der Un-
ternehmung liegt demnach in der Verbesserung der menschlichen Lebensqualität durch Arbeits-
teilung und Kooperation. Vgl. V
EIL
, 1956, S. 84ff. Diese Sichtweise ist wenig geeignet, die oben for-
mulierten Frage zu beantworten, ab wann eine Unternehmung als solche bezeichnet werden kann.
43
Vgl. z.B. H
EINEN
, 1990, S. 19 oder U
LRICH
, 1970, S. 154 und zur Kritik an einer zu starken Verall-
gemeinerung S
CHANZ
, 1990, S. 105ff.
44
G
UNTRAM
, 1985, S. 297.
45
Zur Beurteilung der Anwendung des Systemansatzes in der Soziologie vgl. W
ILLKE
, 1996, S. 1ff.
und in der Betriebswirtschaftslehre vgl. R
AFFÉE
, 1993, S. 86ff.

18
2.1.2 Die Unternehmung als System
Aus systemtheoretischer Sicht läßt sich die Unternehmung als ,,... ein äußerst komplexes,
künstlich durch menschliche Gestaltungshandlungen geschaffenes ..."
46
, offenes und ziel-
gerichtetes soziotechnisches System beschreiben. Dabei soll unter einem System ,,... eine
geordnete Gesamtheit von Elementen [verstanden werden], zwischen denen irgendwelche
Beziehungen bestehen oder hergestellt werden können."
47
.
Komplexität meint, daß eine Unternehmung aus einer Vielzahl von Elementen und
Subsystemen besteht und selbst wiederum Subsystem seiner Umwelt ist
48
. Die Elemente
einer Unternehmung lassen sich differenzieren in Menschen und in Maschinen bzw.
Betriebsmittel. Folglich existieren drei Arten von Subsystemen
49
:
1.
soziale Systeme (Mensch-Mensch-Systeme),
2.
technische Systeme (Maschine-Systeme) und
3.
sozio-technische Systeme (Mensch-Maschine-Systeme).
Zwischen den integrierten Elementen und Subsystemen bestehen vielfältige Beziehungen,
wobei einzelne Elemente gleichzeitig mehreren (Sub-)Systemen angehören können. Diese
Beziehungen manifestieren sich im Austausch der Strömungsgrößen Information, Energie,
Dienstleistungen, Sachgüter und Zahlungsmittel, welche von Elementen und Subsystemen
der Unternehmung fortwährend aufgenommen, transformiert, produziert oder abgegeben
werden können
50
. Da diese Strömungsgrößen ebenfalls aus der Umwelt aufgenommen und
an die Umwelt abgegeben werden, handelt es sich um ein offenes System. Aufgrund einer
wechselseitigen und variablen Beziehung zwischen dem System Unternehmung und seiner
Umwelt kann man gleichzeitig von einem dynamischen System sprechen. Ihre Elemente
und Subsysteme und deren Beziehungen unterliegen ebenso einem permanenten Wandel
wie ihre Umweltbeziehungen. Die Unternehmung kann sich an Umweltveränderungen
anpassen und gesetzte Ziele erreichen
51
.
46
F
UCHS
, 1973, S. 141ff. Vgl. auch z.B. H
EINEN
, 1990, S. 20f. und U
LRICH
, 1984, S. 24ff.
47
U
LRICH
, 1970, S. 105. Die Darstellung der Unternehmung als System erfolgt an dieser Stelle zu-
nächst in erster Linie mittels des strukturell-funktionalen Ansatzes der Systemtheorie. Im weiteren
Verlauf der Arbeit wird diese Sichtweise modifiziert.
48
Zur Gliederung der Subsysteme einer Unternehmung vgl. R
AFFÉE
, 1993, S. 92f.
49
Vgl. G
ROCHLA
, 1966, S. 76.
50
Vgl. A
LEWELL
/B
LEICHER
/H
AHN
, 1972, S. 218ff. oder G
ROCHLA
, 1974, S. 13.
51
Vgl. H
EINEN
, 1990, S. 21ff.

19
Betrachtet man eine Unternehmung als System, so ist die Lebensfähigkeit ihr zentra-
les Wesensmerkmal. Damit eine System lebensfähig ist, muß es seinen Systemzustand
selbständig durch sogenannte funktionale Erfordernisse relativ stabil halten können. Will
man solche Eigenschaften für die Abgrenzung einer Unternehmensgründung heranziehen,
so muß an dieser Stelle gefragt werden, welches die funktionalen Erfordernisse einer Un-
ternehmung sind. In diesem Zusammenhang führt H
EINEN
drei Fähigkeiten einer Unter-
nehmung an, die er für funktionale Erfordernisse hält und sie als ,,Systembedürfnisse"
52
bezeichnet:
1.
die Fähigkeit zur produktiven Gestaltung der ablaufenden Prozesse,
2.
die Fähigkeit zur Selbsttransformation unter dem Einfluß wechselnder Umweltbe-
dingungen und
3.
die Fähigkeit zur ganzheitlichen Verbindung der Elemente.
Bei einer genaueren Betrachtung des ersten Punktes wird deutlich, daß H
EINEN
ein funk-
tionales Erfordernis nicht berücksichtigt hat. Unternehmungen haben keinen Selbstzweck,
sondern ,,... sie erfüllen produktive Funktionen in ihrer Umwelt ..."
53
. Die Grundfunktion
einer Unternehmung ist ,,... die Schaffung von ökonomischen Werten durch die Erstellung
entgeltlicher Leistungen ..."
54
und deren Abgabe an Institutionen und Individuen ihrer Um-
welt. Berücksichtigt man, daß innerhalb dieses Prozesses die drei Funktionsbereiche Be-
triebsmittelbeschaffung, Marktleistungserstellung und Marktleistungsverwertung im Mit-
telpunkt stehen
55
, so fällt auf, daß sowohl die Betriebsmittelbeschaffung als auch die
Marktleistungsverwertung der Bedingung der Marktprozeßfähigkeit im Sinne S
CHNEIDER
s
unterliegen
56
. Betrachtet man die Unternehmung als produktives soziales System, so muß
zusätzlich die Marktprozeßfähigkeit als noch vorgelagertes funktionales Erfordernis ein-
geführt werden.
Während die Integrationsfähigkeit, die bei H
EINEN
als drittes funktionales Erforder-
nis aufgezählt wird, schon in der Systemeigenschaft einer Unternehmung enthalten ist und
keiner expliziten Herausstellung bedarf, gewinnt die Fähigkeit zur Selbsttransformation in
52
H
EINEN
, 1990, S. 25.
53
U
LRICH
, 1984, S. 24.
54
U
LRICH
/F
LURI
, 1988, S. 16.
55
U
LRICH
, 1984, S. 46.
56
Siehe den vorhergehenden Abschnitt 2.1.1 dieser Arbeit

20
einer zunehmend komplexen und dynamischen Umwelt immer mehr an Bedeutung und
soll hier um den Begriff Selbstreproduktion ergänzt werden. Das System Unternehmung
muß sich nicht nur an eine sich wandelnde Umwelt anpassen können, sondern auch
reproduktive Fähigkeiten in dem Sinne aufweisen, daß es sich über ,,... den Wertumlauf
als kontinuierlichen [Wertschöpfungs-]Prozeß ..."
57
selbst erhalten bzw. reproduzieren
kann. Es müssen also so viele Geldwerte entstehen, daß genügend davon in Form von Ein-
kommen, Produktionsfaktoren etc. in der Unternehmung verbleiben, um alle Funktionen
aufrecht erhalten zu können, die eine immer neue Leistungserstellung und -verwertung er-
möglichen und eine Anpassung an sich ändernde Umweltbedingungen erlauben. Eine Un-
ternehmung muß sich also durch einen gewissen Grad relativer Stabilität auszeichnen.
Im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit soll eine Unternehmung als offenes,
zielgerichtetes und innovatives soziotechnisches System verstanden werden, dessen
zentrales Wesensmerkmal die Lebensfähigkeit ist. Die Unternehmung als lebensfähiges
System muß die funktionalen Erfordernisse Leistungserstellung, Marktprozeßfähigkeit
sowie die Fähigkeit zur Selbsttransformation und -reproduktion aufweisen.
2.1.3 Kleine und mittlere Unternehmen
Bei einer Unternehmensgründung handelt es sich um die Schaffung eines (wenigstens zu-
nächst) kleinen Unternehmens
58
. Die Gründungsproblematik scheint von der charakteristi-
schen Problematik kleiner Unternehmen nicht zu trennen zu sein.
Obwohl zwischen kleinen und mittleren Unternehmen Unterschiede existieren, die
über ungleiche Größenmerkmale hinausgehen
59
, werden sie trotzdem innerhalb einer spe-
ziellen Betriebswirtschaftslehre zu einem Forschungsfeld zusammengefaßt. Argumente
dafür sind die fließenden Grenzen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen und die
überwiegend gemeinsamen Phänomene, die eine betriebswirtschaftliche Subdisziplin er-
fordern, die sich vom Fokus auf betriebliche Großstrukturen loslöst und kleinere Wirt-
schaftseinheiten ins Zentrum der Betrachtung rückt.
In der betriebswirtschaftlichen Literatur finden sich für den Begriff KMU zahlreiche
Synonyme, wie z.B. Klein- und Mittelbetriebe, mittelständische Unternehmungen oder
57
N
ICKLISCH
, 1932, S. 164.
58
Vgl. z.B. B
INKS
/C
OYNE
, 1983, S. 18 und W
ENZ
, 1993, S. 9.
59
Vgl. z.B. K
EMMETMÜLLER
, 1982, S. 206.

21
Mittelstand. In der vorliegenden Arbeit sollen diese Begriffe bewußt nicht übernommen
werden, um deutlich zu machen, daß Freiberufler, große Unternehmungen mit mittelstän-
dischem Charakter, Konzerntöchter und öffentliche Betriebe nicht betrachtet werden. Da-
rüber hinaus soll eine Verwechslung mit einem eher soziologisch orientierten Mittel-
standsbegriff im Sinne eines ,,gesellschaftlichen Mittelstandes"
60
, der beispielsweise auch
leitende Beamte und angestellte Qualifikationsträger beinhaltet, ausgeschlossen werden.
KMU sind keine Großunternehmen im Miniaturformat, sondern weisen spezifische
Merkmale, Merkmalsausprägungen und Probleme auf, die innerhalb einer Gründungsbe-
gleitung Berücksichtigung finden müssen. Hieraus ergeben sich zwei Aufgaben: Erstens
müssen Merkmale mit signifikant unterschiedlichen Ausprägungen eruiert werden, und
zweitens müssen diesbezüglich die Grenzen zwischen KMU und Großunternehmen
festgelegt werden
61
. Für den Versuch einer definitorischen Lokalisierung des KMU-
Sektors steht zwar eine Vielzahl von Abgrenzungskriterien zur Verfügung, aufgrund
seiner Heterogenität ermöglichen diese aber einzeln betrachtet keine scharfe
Trennung
62
. Es handelt sich lediglich um vereinfachende Orientierungswerte oder
Indikatoren. Eine Abgrenzung kann nur von Fall zu Fall erfolgen und hängt nicht nur von
geographischen oder branchenspezifischen Gesichtspunkten, sondern auch von der jeweils
zugrundeliegenden Problemstellung ab.
Die Bezeichnungen klein, mittel und groß legen eine quantitative Abgrenzung nahe.
Durch Untersuchung bestimmter Merkmalsausprägungen werden Rückschlüsse auf das
Vorliegen einer bestimmten Unternehmensgröße gezogen. Die gebräuchlichsten Kriterien
in quantitativer Hinsicht sind die Umsatzhöhe und die Beschäftigtenzahl einer Unterneh-
mung, seltener finden z.B. Marktanteil, Anlagevermögen und Wertschöpfung Berücksich-
tigung
63
. Das B
UNDESMINISTERIUM FÜR
W
IRTSCHAFT
verwendet als Arbeitsdefinition fol-
gende Einteilung, die auf das I
NSTITUT FÜR
M
ITTELSTANDSFORSCHUNG
zurückgeht:
60
H
AMER
, 1990, S. 23f.
61
Zu den Vor- und Nachteilen einer scharfen bzw. weichen Abgrenzung vgl. B
ORNMANN
, 1981, S. 2.
62
Ein umfangreicher Merkmalskatalog findet sich z.B. bei P
FOHL
/K
ELLERWESSEL
, 1982, S. 29ff.
63
All diese Kriterien überzeugen allerdings weniger durch ihre gute Eignung als durch ihre gute statis-
tische Erfaßbarkeit. Vgl. z.B. G
RUHLER
, 1994, S. 23.

22
Tab. 1: Abgrenzung der Unternehmen nach Größenklassen in Deutschland
Unternehmensgröße
Zahl der Beschäftigten
Umsatz (Mill. DM/Jahr)
Klein
bis 49
bis 1
mittel
50 bis 499
1 bis 100
Groß
über 500
über 100
Quelle:
B
UNDESMINISTERIUM FÜR
W
IRTSCHAFT
, 1997, S. 15.
Anläßlich neuer Grundsätze für die Genehmigung von Beihilfen durch die Mit-
gliedsstaaten gelangte die Kommission der Europäischen Union 1996 zu folgender Defini-
tion:
Tab. 2: Abgrenzung der Unternehmen nach Größenklassen in der Europäischen Union
Kleine Unternehmen:
Mittlere Unternehmen:
bis 50 Beschäftigte
bis 250 Beschäftigte
bis 7 Mill. ECU Jahresumsatz
bis 40 Mill. ECU Jahresumsatz
bis 5 Mill. ECU Bilanzsumme
oder 27 Mill. Jahresbilanzsumme
unabhängig
unter 25% des Unternehmens in Besitz
eines oder mehrerer Unternehmen
Quelle:
B
UNDESMINISTERIUM FÜR
W
IRTSCHAFT
, 1997, S. 11.
Solche Abgrenzungen anhand quantifizierbarer Kriterien scheinen sinnvoll, da mit
der Größe und insbesondere mit der Beschäftigtenzahl spezielle Organisationsphänomene
und eigene Risiken und Chancen einhergehen. Gleichzeitig sind diese Abgrenzungen aber
willkürlich und kaum allgemeingültig. Sie bietet zwar eine Art Faustformel zur Bestim-
mung der Unternehmensgröße, die jedoch im Einzelfall einer genaueren Prüfung bedarf.
Bei einer Beurteilung im Einzelfall eignen sich zusätzlich qualitative Kriterien, die
sich meistens an ökonomischen oder soziologischen Merkmalen der Unternehmerperson
orientieren
64
. Im Rahmen einer Gründungsbegleitung interessant und für KMU typisch ist
das Vorliegen einer starken Funktionsbündelung des Inhabers der Unternehmung
65
. In der
Regel ist ,,... speziell die Existenz- und Leistungsfähigkeit kleiner ... Betriebe aufs engste
mit der Qualifikation des personalen Mittelpunktes verknüpft ..."
66
. Eine qualitative Ab-
grenzung der KMU ist allerdings insofern nicht unproblematisch, da sich qualitative Grö-
ßen in der Regel schlecht messen lassen.
64
Vgl. z.B. S
CHUSTER
, 1991, S. 17ff.
65
Vgl. P
IETSCH
, 1995, S. 26.
66
M
ORTSIEFER
, 1980, S. 2.

23
Für die vorliegende Arbeit genügt die Charakterisierung von KMU als Unterneh-
men, die:
1.
nach Tab. 1 tendenziell klein oder mittelgroß sind und
2.
von privaten Eigentümern geführt und geprägt werden.
Es muß allerdings berücksichtigt werden, daß im folgenden auch auf Autoren zurück-
gegriffen wird, die andere Definitionen verwenden. Deren Ergebnisse können also nur mit
Vorsicht und nicht immer vollständig übernommen werden
67
.
2.2 Die Gründung
K
IRSCHBAUM
bezeichnet Gründung als einen ,,... Prozeß der Schaffung eines gegenüber
seiner Umwelt qualitativ abgegrenzten und vorher in gleicher Struktur nicht existierenden
Systems."
68
. In einer etymologischen Ableitung des Begriffes wird jedoch noch eine ande-
re Dimension, nämlich die Bedeutung der Gründung für die weitere Existenz des Gegrün-
deten sichtbar. Unter dem Begriff Grund versteht man das ,,... Fundament, [die] Grundla-
ge, das innerste, tiefste Wesen ..."
69
einer Sache. Gründen meint dann ,,... den Grund zu et-
was legen, errichten, ins Leben rufen ..."
70
. Eine Gründung muß also eine sichere Grundla-
ge für die weitere Existenz und Entwicklung der Unternehmung schaffen.
J
ÄGER
differenziert die Unternehmensgründung in einen finanziell-juristischen und
einen technisch-organisatorischen Akt
71
. Während der finanziell-juristische Akt Aspekte
wie Rechtsformwahl, Verträge und Satzungen meint, bezieht sich der technisch-organisa-
torische Akt auf die Bereitstellung der Produktionsfaktoren
72
. Die benutzten Kategorien
sind jedoch weder vollständig noch lassen sie sich immer sinnvoll voneinander abgrenzen.
Die vorliegende Arbeit löst sich von dieser Betrachtung der Gründung als Akt und widmet
sich im folgenden einer prozeßhaften Sichtweise.
67
Diese Stellen werden im folgenden in den Fußnoten mit einem ,[sic]` gekennzeichnet.
68
K
IRSCHBAUM
, 1982, S. 32.
69
P
FEIFER
, 1993, S. 484.
70
D
UDEN
, 1963, S. 239.
71
Vgl. J
ÄGER
, 1976, Sp. 788.
72
Zur Kritik an dieser Sichtweise vgl. S
ZYPERSKI
/N
ATHUSIUS
, 1977, S. 26.

24
2.2.1 Die Unternehmensgründung als Prozeß
Unter dem Begriff Prozeß soll der Ablauf einer Entwicklung verstanden werden, dem ein
Anfang und ein Ende zugeordnet werden können
73
. Der Prozeß einer Unternehmensgrün-
dung beinhaltet verschiedenartige Aufgabenstellungen, die sich einzelnen sukzessiven
Gründungsphasen zuweisen lassen. Eine solche Phaseneinteilung kann aufgrund gleich-
läufiger Entwicklungslinien relativ unabhängig von der Gründungsart vorgenommen wer-
den
74
. Dabei finden sich bei verschiedenen Autoren sehr unterschiedliche Phasenmodel-
le
75
. Zunächst sollen Anfang und Ende des Gründungsprozesses festgelegt werden.
Der Beginn des Gründungsprozesses wird in der Gründungsliteratur häufig im
Gründungsentschluß gesehen
76
. Gerade unter dem Aspekt einer möglichen Gründungsbe-
gleitung kann aber auf eine Betrachtung des Zeitraumes vor dem Entschluß nicht verzich-
tet werden. Hier liegt der erste Beratungs- und Unterstützungsbedarf vor. Bei einem feh-
lenden Beratungsangebot zu diesem Zeitpunkt bestehen zwei Gefahren. Entweder kann es
zum Gründungsentschluß und somit zu Folgekosten kommen, obwohl die vorliegenden
Bedingungen einen Gründungserfolg unwahrscheinlich machen, oder der Schritt zur
Gründungsentscheidung wird trotz aussichtsreicher Situation nicht gewagt. In der vorlie-
genden Arbeit wird der Zeitpunkt als Anfang des Gründungsprozesses betrachtet, in dem
ein potentieller Gründer
77
eine Gründungsidee hat
78
.
Eine Gründungsidee soll hier definiert werden als gezielte oder zufällige Entdec-
kung einer Chance zu selbständigem unternehmerischem Handeln mittels der Durchset-
zung ,,neuer Kombinationen"
79
im Sinne S
CHUMPETER
s. Jede Unternehmensgründung ist
73
Der Gründungsprozeß dauert in der Regel ein halbes bis ein Jahr und kann als Prozeß verstanden
werden, der dem der Genese natürlicher Systeme gleicht. ,,Die Gründung ist danach ein Geburtsakt
..." (N
ATHUSIUS
, 1990a, S. 31).
74
Vgl. H
UNSDIEK
/M
AY
-S
TROBL
, 1986, S. 127.
75
Eine ausführliche Auflistung verschiedener Einteilungen des Gründungsprozesses findet sich bei
D
IETZ
, 1989, S. 35ff.
76
Vgl. z.B. K
ULICKE
, 1987, S. 7 oder U
NTERKOFLER
, 1989, S. 37.
77
Eine Vielzahl von Unternehmensgründungen werden von mehreren Gründern durchgeführt. Trotz-
dem soll im folgenden aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung von nur einem Gründer gespro-
chen werden. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung können aber sowohl für Einzelgrün-
dungen als auch für sogenannte Teamgründungen gelten.
78
Im allgemeinen Sprachgebrauch konkurrieren zwei Bedeutungen des Begriffes Idee miteinander: I-
dee als subjektiver Gedankenentwurf und Idee als Leitbild. Bemerkenswerterweise sind im Begriff
der Gründungsidee beide Aspekte enthalten.
79
S
CHUMPETER
, 1964, S. 100ff.

25
dann ,,... die Schaffung eines Systems zur Realisierung und Vermarktung dieser [Grün-
dungs-] Idee."
80
und stellt somit eine Innovation per se dar. Wenn jedoch im weiteren Ver-
lauf dieser Arbeit von innovativen Unternehmensgründungen die Rede ist, so soll damit
immer ein besonders hoher Innovationsgrad angesprochen werden
81
. Unternehmen, die
sich auf eine relativ standardisierte und imitative Idee und die Wiederholung vorhandener
und bewährter Konzepte gründen, sollen dagegen nicht direkt Gegenstand der Untersu-
chung sein.
Geht man vereinfachend davon aus, daß es sich um die Gründung einer Ein-
Produkt-Unternehmung handelt, die ein bis dahin noch nicht existentes Produkt produziert
und vertreibt, so
läßt
sich
der
Gründungsprozeß
mit
Hilfe
des
Produkt-Lebenszykluskon-
zeptes
darstellen
82
.
Der Produkt-Lebenszyklus ist ein Modell, in dem bestimmte auf das Produkt bezo-
gene Erfolgsgrößen als abhängige Variablen und die Zeit als erklärende Variable fungie-
ren
83
. Der Lebenszyklus des entstehenden Unternehmens gestaltet sich derart, daß bis zur
Geschäftsaufnahme eine progressiv steigende Kostenzunahme durch zunehmende Pla-
nungs- und Errichtungstätigkeiten zu verzeichnen ist
84
. Im folgenden können die ersten
Umsätze getätigt werden. Markterschließungs- und Marktsicherungskosten sowie Fremd-
kapitalzinsen führen jedoch noch zu einem mehr oder weniger dauerhaft negativen Ergeb-
nis. Erst wenn das Produkt sich am Markt durchgesetzt hat und es zu erheblichen Umsatz-
zuwächsen kommt, können erste Gewinne realisiert werden.
80
H
ORVÁTH
/W
INDERLICH
/Z
AHN
, 1984, S. 142.
81
Siehe Abb. 2 dieser Arbeit (S. 14).
82
Zur Kritik am Produkt-Lebenszykluskonzept vgl. D
IETZ
, 1989, S. 155ff.
83
Vgl. z.B. N
IESCHLAG
/D
ICHTL
/H
ÖRSCHGEN
, 1991, S. 170ff.
84
Siehe Abb. 3 dieser Arbeit (S. 26).

26
Abb. 3: Unternehmens-Lebenszyklus einer Ein-Produkt-Unternehmung
Ze it
Er
fo
lg
sg
ße
n
Gewinn
Umsatz
Markt-
eintritt
G
Idee
Quelle: In Anlehnung an S
ZYPERSKI
/N
ATHUSIUS
, 1977, S. 32 und B
ÖCKER
/D
ICHTL
, 1983, S. 96.
Innerhalb dieses Produkt- bzw. Unternehmens-Lebenszyklus grenzen S
ZYPERSKI
und N
ATHUSIUS
die Gründungsphase als den Bereich ab, der zeitlich vor der Umsatztätig-
keit liegt und lediglich alle ,,... Planungs- und Vorbereitungsschritte, die zur Geschäftsauf-
nahme führen."
85
, umfaßt. Demnach ist die Gründungsphase also mit dem Markteintritt
und den ersten Umsätzen abgeschlossen. Dieser Sichtweise schließt sich die vorliegende
Arbeit nicht an. Wie in Abschnitt 2.1.2 dieser Arbeit dargelegt, ist die Lebensfähigkeit das
zentrale Wesensmerkmal der Unternehmung als System. Da die Unternehmensgründung
allgemein als ,,... mehrstufiger, interaktiver und interdisziplinärer Prozeß verstanden [wer-
den kann], der grundsätzlich alle Aktivitäten ... beinhaltet, die notwendig sind, um eine
Idee (Gründungsidee) durch Schaffung eines lebensfähigen (i.S.e. marktfähigen) Unter-
nehmens ... technisch zu realisieren und wirtschaftlich zu vermarkten ..."
86
, endet die
Gründungsphase erst mit der Lebensfähigkeit der Unternehmung. Analog zu A
LBACH
läßt
sich sagen, daß eine Unternehmung genau dann lebensfähig ist, wenn sie zahlungsfähig
ist
87
. Die funktionalen Erfordernisse der Leistungserstellung und der Marktprozeßfähig-
keit ermöglichen zwar die ersten Umsätze, da aber auch erhebliche Kosten und Tilgungen
anfallen, ist eine Zahlungs- bzw. Lebensfähigkeit nicht sofort garantiert. Erst wenn die
Unternehmung durch einen kontinuierlichen Wertschöpfungsprozeß eine dauerhafte Zah-
lungsfähigkeit erreicht, die sie befähigt, sich selbst zu reproduzieren und an die Umwelt
85
S
ZYPERSKI
/N
ATHUSIUS
, 1977, S. 30ff.
86
U
NTERKOFLER
, 1989, S. 35 ( runde Klammern im Original).
87
Entsprechend stellt A
LBACH
(1987, S. 9) die Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens mit dessen
Tod gleich.

27
anzupassen, liegt Lebensfähigkeit vor. Der Beginn der Lebensfähigkeit soll vereinfachend
als der Zeitpunkt festgelegt werden, in dem die ersten Gewinne realisiert werden
88
.
Im folgenden soll die im Aufbau befindliche, aber noch nicht selbständig lebensfähi-
ge Unternehmung als Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit als Gründungsunternehmen,
im folgenden GU, bezeichnet werden. Mit den ersten Gewinnen entwickelt sich das GU
schließlich zum Jungunternehmen
89
.
2.2.2 Eine entscheidungstheoretische Sichtweise der Unternehmensgründung
,,Die Gründung eines Unternehmens ist ein komplexer Planungs- und Entscheidungspro-
zeß unter Unsicherheit."
90
. Diese Sichtweise legt nahe, die Unternehmensgründung inner-
halb des Lebenszykluskonzeptes mit Hilfe eines entscheidungstheoretischen Rahmens in
einzelne Phasen zu zerlegen. Eine Übertragung eines z.B. aus der Marketingplanung be-
kannten Entscheidungsprozesses
91
ist aber nicht uneingeschränkt möglich, da Gründer
operative und strategische Entscheidungen gleichzeitig zu treffen haben. Im folgenden soll
die Situation des Gründers im Gründungsprozeß mit Hilfe entscheidungstheoretischer
Grundlagen betrachtet werden.
Als Entscheidungstheorie bezeichnet man die logischen und empirischen Analysen
des rationalen Entscheidungsverhaltens
92
. Zunächst soll ein deskriptives und aufbauorien-
tiertes Grundmodell der Entscheidung dargelegt werden. Demnach ist eine Entscheidung
ein durch Information unterstützter Denkvorgang, der anhand eines bestimmten Kriteri-
ums eine Auswahl zwischen Alternativen trifft. Modellhaft läßt sich eine Entscheidung als
Interaktionsprozeß zwischen einem Subjekt- und einem Objektsystem darstellen
93
.
Das Objektsystem umfaßt das Entscheidungsfeld, also vom Entscheidungsträger
durch Aktionen beeinflußbare Personen und Sachen sowie Gesetzmäßigkeiten, die zwar
nicht durch Aktionen beeinflußbar sind, aber ihrerseits die Ergebnisse der Aktionen beein-
flussen können.
88
Entspricht Punkt G in Abb. 3 dieser Arbeit (S. 26).
89
Siehe auch Abb. 6 dieser Arbeit (S. 30).
90
H
UNSDIEK
, 1987, S. 15.
91
Vgl. z.B. N
IESCHLAG
/D
ICHTL
/H
ÖRSCHGEN
, 1991, S. 826ff.
92
Vgl. B
AMBERG
/C
OENENBERG
, 1996, S. 1.
93
Siehe Abb. 4 dieser Arbeit (S. 28).

28
Abb. 4: Die Entscheidung als Interaktionsprozeß
Objektsystem
Subjektsystem
Informationen Aktionen
Informations-
system
Ziel-
system
Entscheidungs-
logik
Umwelt-
gesetze
Entscheidungs-
feld
Personenmerkmale
Quelle: In Anlehnung an B
AMBERG
/C
OENENBERG
, 1996, S. 1.
Das Subjektsystem einer Unternehmensgründung ist ihr Entscheidungsträger. Dabei
kann es sich um eine einzelne Gründerperson, ein Gründerteam oder ein Entscheidungs-
gremium handeln. Das Objektsystem wird als relevante Umwelt des Subjektsystems in
dessen Informationssystem abgebildet. Das Informationssystem verarbeitet Nachrichten
über Umweltzustände. Dabei kann man die Informationsstrukturen Sicherheit, Risiko und
Ungewißheit unterscheiden
94
. Welche Informationen aufgenommen werden, unterliegt un-
ter anderem dem Einfluß der Personenmerkmale des Entscheidungsträgers, insbesondere
seiner motivationalen Lage, also Einstellungen, Motiven etc.
95
. Neben dem Informations-
system beinhaltet das Subjektsystem Entscheidungsdeterminanten und versucht, das Ob-
jektsystem durch zielentsprechende Aktionen in einen wünschenswerten Zustand zu trans-
formieren
96
.
In ein Entscheidungsmodell der Gründung gehen zwei Kategorien von Daten ein:
Daten über das Zielsystem (wertende Prämissen) und über das Entscheidungsfeld (fakti-
sche Prämissen)
97
. Das Entscheidungsfeld einer Unternehmensgründung ist durch drei
Merkmale gekennzeichnet: den Aktionenraum, den Zustandsraum und eine Zuordnung,
94
Vgl. B
AMBERG
/C
OENENBERG
, 1996, S. 21f. und K
IRSCH
, 1970, S. 29f.
95
Die Erweiterung der Darstellung von B
AMBERG
/C
OENENBERG
um die Personenmerkmale ist nur
sinnvoll, wenn es sich beim Entscheidungssubjekt um eine oder mehrere Personen handelt. Im Be-
reich der Gründungsbegleitung existieren allerdings auch Versuche, das Subjektsystem teilweise
durch Expertensysteme zu ersetzen. Für diesen Fall spielen Personenmerkmale keine Rolle. Vgl.
M
ÜLLER
-B
ÖLING
/ K
IRCHHOFF
, 1991, S. 231ff.
96
Vgl. S
EGLER
, 1985, S. 23.
97
Vgl. B
AMBERG
/C
OENENBERG
, 1996, S. 2.

29
die für jede Gründungshandlung und jeden Umweltzustand die Konsequenzen angibt. Der
Aktionenraum als beeinflußbarer Teil des Entscheidungsfeldes umfaßt die Menge alterna-
tiver Gründungshandlungen. Der Zustandsraum beinhaltet die Menge aller gründungsrele-
vanten Umweltzustände.
Im Gegensatz zum Entscheidungsfeld ist das Zielsystem entscheidungsträgerbe-
dingt. Ziele lassen sich als ,,generelle Imperative"
98
nur mittelbar in eine Handlung über-
tragen. Das Zielsystem liefert Wertprämissen, die zur zielorientierten Informationsgewin-
nung und -verarbeitung gebraucht werden. Notwendige Bestandteile des Zielsystems sind
zum einen Zielgrößen im Sinne von Ergebnisdefinitionen und zum anderen Präferenzrela-
tionen bezüglich unterschiedlicher Ergebnismerkmale. Wenn sich dadurch der Entschei-
dungsaufwand überproportional verringern läßt oder der Entscheidungsprozeß der Grün-
dung durch Zeitdruck gekennzeichnet ist, kann es sinnvoll sein, das Anspruchsniveau der
Zielerreichung zu senken
99
.
Eine Gründerperson als Entscheidungsträger muß Informationen über ihre grün-
dungsrelevante Umwelt einholen und eine Prognose erstellen, zu welchen Konsequenzen
bezüglich der Ziele die einzelnen Gründungsaktionen führen
100
. Die Bewertung der prog-
nostizierten Konsequenzen erfolgt durch eine Nutzenfunktion, die jeder Konsequenz ge-
nau einen Nutzenwert zuordnet, und läßt sich in einer Entscheidungsmatrix darstellen
101
.
Gründungsentscheidungen sind aufgrund der Komplexität und Dynamik der Umwelt, ins-
besondere der Märkte, und unvollkommener Informationen als indeterminiert zu bezeich-
nen.
98
H
EINEN
, 1971, S. 51.
99
Vgl. P
FOHL
, 1977, S. 44f.
100
Siehe Abb. 5 dieser Arbeit (S. 30).
101
Vgl. M
EFFERT
, 1980, S. 67.

30
Abb. 5: Das Grundmodell der Entscheidungslehre im Gründungskontext
Handlungs-
alternativen
Handlungs-
konsequenzen
unvollkommene
Information
Zielsystem
Prognose
Entscheidungsfeld
Umweltzustände:
- komplex
- dynamisch
Abbildung
Teilpläne
Entscheidungs-
matrix
Nutzen-
funktion
Quelle: In Anlehnung an M
EFFERT
, 1980, S. 67.
Wie im vorherigen Abschnitt dieses Kapitels dargelegt, behandelt die vorliegende
Arbeit die Unternehmensgründung als Prozeß. Dieses Vorgehen legt zusätzlich zu der
aufbauorientierten Betrachtung der Gründungsentscheidungen eine ablauforientierte
Betrachtung nahe. Im folgenden soll eine entscheidungstheoretische Phaseneinteilung von
R
AFFÉE
zugrunde gelegt werden, in der er Anregungsphase (1), Suchphase (2), Phase der
Alternativen-Bewertung (3), Realisationsphase (4) und Kontrollphase (5) unterscheidet
102
.
Abb. 6: Entscheidungsphasen des Gründungsprozesses
Ze it
Erfolgsgrößen
Gewinn
Umsatz
(1) (2) (3) (4) (5)
Markt-
eintritt
Gründungsunternehmung Jungunternehmung
Gründungs-
entschluß
Quelle: In Anlehnung an S
ZYPERSKI
/N
ATHUSIUS
, 1977, S. 32 und B
ÖCKER
/D
ICHTL
, 1983, S. 96.
102
R
AFFÉE
, 1993, S. 96. Siehe Abb. 6 dieser Arbeit.

31
(1) Die Anregungsphase ist durch einen Anlaß gekennzeichnet, der einen Entschei-
dungs- bzw. Gründungsprozeß auslöst. Ein solcher Impuls geht von Anregungsin-
formationen oder der motivationalen Lage des potentiellen Gründers aus
103
. Häufige
Impulse, die sich aus der motivationalen Lage potentieller Gründer ergeben, sind
beispielsweise auf Arbeitsunzufriedenheit
104
, Leistungsbedürfnis
105
und Streben
nach Unabhängigkeit
106
, aber auch auf die Wahrnehmung von ,,Pseudovorteilen"
107
einer Gründung zurückzuführen. Bemerkenswerter weise stehen finanzielle Motive
nur an nachrangiger Stelle
108
. Risikoaversion und andere negative Motivationen
können dagegen diesen Impuls hemmen
109
. Von der motivationalen Lage hängt ab,
welche Informationen als Anregungsinformationen fungieren und vom Informa-
tionssystem aufgenommen werden, Anregungsinformationen ihrerseits können die
motivationale Lage beeinflussen.
Anregungsinformationen ergeben sich aus der ,,generellen" und der ,,individu-
ellen Gründersituation"
110
, die im Informationssystem des Subjektsystems abgebil-
det werden.
Abb. 7: Impulse in der Anregungsphase des Gründungsprozesses
Motivationale
Lage des Gründers
Generelle
Gründersituation
Individuelle Gründersituation
(z.B. Gründungsidee)
Auslösung des Gründungs- bzw.
Entscheidungsprozesses
Anregungsinformationen
Quelle: Eigene Darstellung.
103
Siehe
Abb.
7
dieser
Arbeit.
Zu
motivationstheoretischen Aspekten vgl. z.B. B
AAKEN
, 1989, S. 199ff.;
Klandt, 1984a, S. 122ff. und S
HAPERO
, 1975, S. 84ff.
104
Vgl. z.B. S
TOREY
, 1982, S. 110f.
105
Vgl. z.B. M
C
C
LELLAND
/W
ENDT
/ F
LEISCHMANN
, 1966, S. 23ff. oder K
LANDT
, 1990, S. 88ff.
106
Vgl. z.B. M
EYERHÖFER
, 1982, S. 26f. oder S
ZYPERSKI
/K
LANDT
, 1981, S. 96ff.
107
U
NTERKOFLER
, 1989, S. 111. Pseudovorteile sind scheinbare Vorzüge, die der Gründer zu besitzen
glaubt und aufgrund derer er sich überschätzt.
108
Vgl. K
IRSCHBAUM
, 1990, S. 80.
109
Vgl. S
ZYPERSKI
/N
ATHUSIUS
, 1977, S. 46.
110
K
LANDT
, 1980, S. 322 oder K
IRSCHBAUM
, 1990, S. 85f.

32
Mit der individuellen Gründersituation sind die finanzielle Situation und der
soziale Rückhalt potentieller Gründer
111
, in erster Linie aber sogenannte Deplazie-
rungseffekte angesprochen. Deplazierungseffekte sind Veränderungen der Lebenssi-
tuation, die eine Neuorientierung der beruflichen Entwicklung notwendig machen
können. Zu den negativ deplazierend wirkenden Faktoren können z.B. Ereignisse
wie eine Nichtberücksichtigung bei Beförderungen, eine schlechte Arbeitsmotiva-
tion, Arbeitslosigkeit oder auch eine Scheidung zählen. Positiv deplazierende Fakto-
ren können hingegen in Form von erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten, insbe-
sondere jedoch im ,,...Erkennen ... neuer Möglichkeiten auf wirtschaftlichem Gebiet
..."
112
in Form einer Gründungsidee vorliegen, deren Attraktivität und Realisierbar-
keit von der Gründerperson positiv beurteilt wird
113
.
Die generelle Gründersituation wird von externen Faktoren geprägt und um-
faßt wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedingungen
114
. Verschiedene bedeutende
Anreizinformationen für den Gründungsprozeß resultieren ,,... aus dem Zusammen-
wirken einer Vielzahl sozio-konomischer Einflußgrößen im wirtschaftlichen Kräfte-
feld ..."
115
. Branchen- und gesamtwirtschaftliche Dimensionen zeigen sich z.B. in
Marktzutrittsschranken, bürokratischen Freiräumen, Infrastrukturen, Arbeitsmarktsi-
tuation und Gründungschancen
116
. Gesellschaftliche Bedingungen spiegeln sich im
Bild vom Unternehmer in der öffentlichen Meinung
117
, im ,spirit of competition` ei-
ner Gesellschaft
118
und in der Forderung nach einer ,,Kultur der Neugier"
119
wider.
111
P
LASCHKA
(1990, S. 199) beispielsweise hat in einer empirischen Untersuchung nachgewiesen, daß
,,... successfull entrepreneurs have a stronger relationship to their families than unsuccsessfull entre-
preneurs.".
112
S
CHUMPETER
, 1928, S. 483.
113
Vgl. P
ETT
, 1994, S. 96.
114
Vgl. z.B. B
ERNDTS
/H
ARMSEN
, 1985, S.11. In welcher Weise gesellschaftliche Wertvorstellungen und
die Zugehörigkeit zu religiösen Gruppen den Erfolg von Unternehmern beeinflussen, wird schon
1905 von W
EBER
untersucht. Dazu vgl. B
RÜDERL
/P
REISENDÖRFER
/Z
IEGLER
, 1996, S. 27ff.
115
K
IRSCHBAUM
, 1982, S. 71.
116
Gründungschancen sind Vorteile eines Gründungsunternehmens gegenüber etablierten Groß-
unternehmen. Vgl. U
NTERKOFLER
, 1989, S. 110.
117
In unserer Gesellschaft zieht die Initiative zur Unternehmensgründung und insbesondere deren Miß-
lingen Aufmerksamkeit auf sich. Anders als z.B. in den USA wird eine gescheiterte Gründung
,geahndet` und der Gründer mit negativem Image belegt. Vgl. z.B. K
LANDT
, 1984a, S. 330ff.;
M
EYERHÖFER
, 1982, S. 9ff. und S
CHIERENBECK
, 1991, S. 80.
118
Spirit of competition läßt sich übersetzen als Bereitschaft zur Selbständigkeit, die offenbar im Zu-
sammenhang mit der Gründerausbildung eines Landes steht. Zum negativen Abschneiden der deut-
schen Gründungslehre im Vergleich zu den USA vgl. z.B. W
ENZ
, 1993, S. 156.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1998
ISBN (eBook)
9783832453442
ISBN (Paperback)
9783838653440
DOI
10.3239/9783832453442
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Paderborn – Wirtschaftswissenschaften, Betriebswirtschaft
Erscheinungsdatum
2002 (April)
Note
1,0
Schlagworte
gründung mittelstand unternehmung
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