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Strategiewahl von Automobilzulieferern in Niedersachsen angesichts Strukturveränderungen in der Automobilzulieferindustrie

Ergebnisse einer empirischen Untersuchung an niedersächsichen Automobilzulieferern

©2001 Diplomarbeit 189 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Seit Ende der 80er Jahre zeichnet sich die Marktsituation der Autohersteller durch deutliche Sättigungstendenzen, zunehmende Überkapazitäten in den westlichen Industrieländern und einen verstärkten Wettbewerbsdruck aus. Die Maßnahmen, mit denen die Autohersteller versuchen, diesen veränderten Marktbedingungen zu entsprechen, beziehen sich auf unterschiedliche Bereiche. So wird einerseits versucht, mit einer Ausweitung des Absatzgebietes an den Potentialen erfolgversprechender Märkte teilzuhaben, andererseits wird der stagnierenden Nachfrage im Inland durch ein immer individualisierteres Modellangebot begegnet. Die Notwendigkeit, neue Produktions- und Organisationsstrategien zu entwickeln, die es erlauben, die Wettbewerbsvorteile der kostensparenden Massenproduktion mit denen der kunden- und qualitätsorientierten Einzel- oder Kleinserienfertigung in Einklang zu bringen, haben zu weitreichenden Restrukturierungsmaßnahmen geführt.
Ein wichtiger Aspekt dieser Strategien der Autohersteller war und ist dabei die Einbeziehung der gesamten Wertschöpfungskette in die Restrukturierungsmaßnahmen. Die von den Autoherstellern verfolgten Konzepte beziehen indirekt oder direkt auch die Unternehmen, mit denen wirtschaftliche Austauschbeziehungen bestehen, mit ein und konfrontieren vor allem die zahlreichen den Autoherstellern vorgelagerten Zulieferer mit neuen Anforderungen hinsichtlich Verläßlichkeit, Flexibilität, Null-Fehler-Produktion, Qualitätsdokumentation sowie Übernahme neuer Leistungsumfänge.
Neben verstärkten Anforderungen bezüglich direkter Preisreduzierungen werden an die Zulieferer auch Forderungen hinsichtlich verstärkter Übernahme von Forschungs- und Entwicklungsaufgaben, Just-in-time-Anlieferung, Ansiedlung in geographischer Nähe des Kunden und Implementierung von elektronischen Datenverarbeitungssystemen gestellt, die mit großen Herausforderungen für die Zulieferer verbunden sind und diese zu einem Überdenken der eigenen Prozesse und Handlungsmöglichkeiten zwingen.
Mit welchen Strategien können die Automobilzulieferer nun aber diesen Anforderungen begegnen und von welchen Kriterien hängt die Strategiewahl dabei ab? Mit dieser Fragestellung wird sich die vorliegende Arbeit mittels einer schriftlichen Befragung niedersächsischer Automobilzulieferer auseinandersetzen.
Die Strategieoptionen beziehen sich in dieser Arbeit sowohl auf Markt- und Produktstrategien als auch auf Kostenmanagement und mitarbeiterbezogene Aspekte. […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Strukturveränderungen in der Automobilzulieferindustrie
2.1 Neue Anforderungen an die Automobilhersteller
2.2 Beschaffungsverhalten der Automobilhersteller
2.2.1 Verringerung der Fertigungstiefe
2.2.2 Global Sourcing
2.2.3 Single Sourcing
2.2.4 Modular/System Sourcing
2.2.5 Produktionssynchrone Beschaffung
2.2.6 E-Commerce
2.3 Pyramidisierung der Wertschöpfungskette
2.3.1 Struktur der Lieferbeziehungen
2.3.2 Struktur der Hintergrundbeziehungen
2.3.3 Nutzen der Pyramidenthese für die Bestimmung von Handlungsoptionen
2.4 Die vier Produktionswelten nach Salais/Storper
2.4.1 Die industrielle Welt
2.4.2 Die Marktwelt
2.4.3 Die interpersonale Welt
2.4.4 Die Innovationswelt
2.4.5 Strategieoptionen in den Welten
2.5 Vergleich von Zulieferpyramide und Produktionsweltenkonzept
2.6 Zusammenfassung und Ableitung der Hypothesen

3 Methode
3.1 Bestimmung der Grundgesamtheit
3.1.1 Relevante Wirtschaftszweige
3.1.2 Anzahl der Zulieferer in Niedersachsen
3.2 Recherche der in Niedersachsen ansässigen Automobilzulieferer
3.3 Erhebungsart: Vollerhebung versus Teilerhebung
3.4 Das Befragungsinstrument: der Fragebogen
3.5 Pretest
3.6 Anschreiben
3.7 Durchführung der Untersuchung
3.8 Rücklauf
3.9 Verfahren der Datenauswertung

4 Auswertung der Befragung
4.1 Auswertung der Betriebsdaten
4.1.1 Gründung der Betriebe
4.1.2 Art des Betriebes hinsichtlich Unternehmenseinbindung
4.1.3 Branchenzugehörigkeit
4.1.4 Anteil des Kfz-Bereiches am Gesamtumsatz
4.1.5 Umsatz
4.2 Auswertung der Mitarbeiterdaten
4.2.1 Mitarbeiterzahl
4.2.2 Veränderung der Mitarbeiterzahl
4.2.3 Anteil an verschiedenen Mitarbeitergruppen
4.2.4 Zukünftiger Bedarf an verschiedenen Mitarbeitergruppen
4.3 Auswertung der Daten mit Kundenbezug
4.3.1 Anteile verschiedener Kundengruppen
4.3.2 Anteile verschiedener Absatzgebiete
4.3.3 Dauer der Kooperationsbeziehungen
4.4 Auswertung der Daten mit Produktbezug
4.4.1 Art des hergestellten Produktes
4.4.2 Abstimmung des Produktes auf den Kundenwunsch
4.4.3 Fertigung bezogen auf Anzahl der hergestellten Produkte
4.4.4 Entwicklung neuer Produkte
4.5 Wettbewerbsfaktoren
4.6 Auslandsaktivitäten
4.7 Auswertung der Anforderungen
4.8 Hauptproblemfelder der Zukunft
4.9 Auswertung der Strategieoptionen
4.10 Beurteilung von Internetplattformen

5 Ergebnisse
5.1 Untersuchung der Zulieferpyramide
5.1.1 Anzahl der Systemhersteller und Teilehersteller
5.1.2 Kundenanteile bezogen auf Produktart
5.1.3 Anteil qualifizierter Mitarbeiter bezogen auf Produktart
5.1.4 Kooperation mit Kunden bezogen auf Produktart
5.1.5 Fazit zur Untersuchung der Zulieferpyramide
5.2 Hintergrundbeziehungen als entscheidendes Kriterium der Strategiewahl
5.3 Untersuchung der Anforderungen und Strategieoptionen
5.3.1 Die Einteilung in vier Qualifikationsgruppen
5.3.2 Betriebliche Merkmale der vier Qualifikationsgruppen
5.3.3 Anforderungsprofil der vier Qualifikationsgruppen
5.3.3.1 Deutliche Unterschiede hinsichtlich des Anforderungsprofils
5.3.3.2 Geringe Unterschiede hinsichtlich des Anforderungsprofils
5.3.3.3 Fazit zur Untersuchung der Anforderungen
5.3.4 Strategieprofil der vier Qualifikationsgruppen
5.3.4.1 Deutliche Unterschiede hinsichtlich des Strategieprofils
5.3.4.2 Geringe Unterschiede hinsichtlich des Strategieprofils
5.3.4.3 Fazit zur Untersuchung der Strategieoptionen

6 Diskussion

7 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Pyramidisierung der Wertschöpfungskette

Abbildung 2: Qualifikationsniveau und Kooperationsbeziehungen bezogen auf Stellung innerhalb der Pyramide

Abbildung 3: Rücklaufcharakteristik

Abbildung 4: Gründungsjahre der Betriebe

Abbildung 5: Art des Betriebes hinsichtlich Unternehmenseinbindung

Abbildung 6: Veränderung der Mitarbeiterzahl

Abbildung 7: Anteil verschiedener Mitarbeitergruppen

Abbildung 8: Einschätzung des Bedarfs an Mitarbeitergruppen

Abbildung 9: Dauer der Kooperationsbeziehungen

Abbildung 10: Art des hergestellten Produktes

Abbildung 11: Anzahl der hergestellten Produkte

Abbildung 12: Anforderungen der letzten Jahre (in %)

Abbildung 13: Beurteilung von Aussagen zur Strategiewahl (in %)

Abbildung 14: Beurteilung von Internetplattformen

Abbildung 15: Dauer der Kooperationsbeziehungen bezogen auf Produktart

Abbildung 16: Abstimmung des Produktes auf den Kundenwunsch bezogen auf Produktart

Abbildung 17: Entwicklung bezogen auf Produktart

Abbildung 18:Unternehmenseinbindung der vier Gruppen

Abbildung 19: Anteil des Kfz-Bereiches am Gesamtumsatz in den vier Gruppen

Abbildung 20: Mitarbeiterzahl in den vier Gruppen

Abbildung 21: Veränderung der Mitarbeiterzahlen in den vier Gruppen

Abbildung 22: Zukünftiger Bedarf an Facharbeitern und Hochqualifizierten

Abbildung 23: Zukünftiger Bedarf an Zeitarbeitskräften in den vier Gruppen

Abbildung 24: Kundenanteile von OEMs und Zulieferern in den vier Gruppen

Abbildung 25: Absatzgebiete der vier Gruppen

Abbildung 26: Dauer der Kooperationsbeziehungen mit Kunden

Abbildung 27: Anzahl der gefertigten Produkte in den vier Gruppen

Abbildung 28: Art der gefertigten Produkte in den vier Gruppen

Abbildung 29: Auslandsaktivitäten der vier Gruppen

Abbildung 30: Konkurrenzdruck aus dem Ausland

Abbildung 31: Anforderung, eigene Entwicklung zu betreiben

Abbildung 32: Anforderung an JIT-Lieferung

Abbildung 33: Notwendigkeit zur Präsenz an Produktionsstätte des Kunden

Abbildung 34: Gemeinsame Entwicklung und Fertigungsoptimierung

Abbildung 35: Anforderung zur Herstellung von Systemen/Baugruppen

Abbildung 36: Druck zur Verlagerung ins Ausland

Abbildung 37: Preisdruck durch Kunden

Abbildung 38: Konkurrenzdruck aus dem Inland

Abbildung 39: Anforderung an die Produktqualität

Abbildung 40: Notwendigkeit zur Beschäftigung qualifizierter Mitarbeiter

Abbildung 41:Veränderung der (Ertrags-) Lage

Abbildung 42: Preissenkung der Produkte als Ziel der Aktivitäten

Abbildung 43: Ausweitung des Absatzgebietes innerhalb Deutschlands

Abbildung 44: Eher Verbesserung vorhandener als Herstellung neuer Produkte

Abbildung 45: Kooperation mit anderen Zulieferern

Abbildung 46: Kooperationen mit anderen Zulieferern zur Kostenteilung

Abbildung 47: Ausland wegen Kostenvorteilen

Abbildung 48: Ausland wegen Kundenforderung

Abbildung 49: Beurteilung von Internetplattformen

Abbildung 50: Wichtige Rolle der Kostenoptimierung

Abbildung 51: Kostenoptimierung zur Senkung von Preisen

Abbildung 52: Qualität als vorrangiger Wettbewerbsfaktor der Zukunft

Abbildung 53: Entwicklung neuer Produkte als Wettbewerbsfaktor

Abbildung 54: Kontinuierliche Optimierung der Produkte

Abbildung 55: Wichtige Rolle des Aufbaus von Know-how bei Mitarbeitern

Abbildung 56: Bedarf an hochqualifiziertem Personal zur Aufgabenbewältigung

Abbildung 57: Produktpositionierung in neuen Segmenten

Abbildung 58: Intensive Kooperation mit Kunden

Abbildung 59: Intensive FuE für innovative Produkte

Abbildung 60: Auslandsaktivitäten zum Aufbau neuer Märkte

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Automobilzulieferbranchen in Niedersachsen 1997 und 1999

Tabelle 2: (Fiktives) Beispiel: Zusammenhang zwischen Produktart und Branche

Tabelle 3: Mitarbeiter und Umsatz (Anzahl der Nennungen)

Tabelle 4: Kundenanteile

Tabelle 5: Absatzgebiete

Tabelle 6: Wettbewerbsfaktoren (Anzahl der Nennungen)

Tabelle 7: Durchschnittlicher Anteil als Kunde bezogen auf Produktart

Tabelle 8: Anteil qualifizierter Mitarbeiter bezogen auf Produktart

Tabelle 9: Wettbewerbsfaktoren in Gruppe 1 (in % von n=15)

Tabelle 10: Wettbewerbsfaktoren in Gruppe 2 (in % von n= 21)

Tabelle 11: Wettbewerbsfaktoren in Gruppe 3 (in % von n= 15)

Tabelle 12: Wettbewerbsfaktoren in Gruppe 4 (in % von n= 45)

Tabelle 13: Die zwei am häufigsten genannten Probleme je Gruppe

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Seit Ende der 80er Jahre zeichnet sich die Marktsituation der Autohersteller durch deutliche Sättigungstendenzen, zunehmende Überkapazitäten in den westlichen Industrieländern und einen verstärkten Wettbewerbsdruck aus (vgl. Semlinger, 1989a, S. 101). Die Maßnahmen, mit denen die Autohersteller versuchen, diesen veränderten Marktbedingungen zu entsprechen, beziehen sich auf unterschiedliche Bereiche. So wird einerseits versucht, mit einer Ausweitung des Absatzgebietes an den Potentialen erfolgversprechender Märkte teilzuhaben, andererseits wird der stagnierenden Nachfrage im Inland durch ein immer individualisierteres Modellangebot begegnet. Die Notwendigkeit, neue Produktions- und Organisationsstrategien zu entwickeln, die es erlauben, die Wettbewerbsvorteile der kostensparenden Massenproduktion mit denen der kunden- und qualitätsorientierten Einzel- oder Kleinserienfertigung in Einklang zu bringen, haben zu weitreichenden Restrukturierungsmaßnahmen geführt (vgl. Kilper, 2000, S. 9).

Ein wichtiger Aspekt dieser Strategien der Autohersteller war und ist dabei die Einbeziehung der gesamten Wertschöpfungskette in die Restrukturierungsmaßnahmen. Die von den Autoherstellern verfolgten Konzepte beziehen indirekt oder direkt auch die Unternehmen, mit denen wirtschaftliche Austauschbeziehungen bestehen, mit ein und konfrontieren vor allem die zahlreichen den Autoherstellern vorgelagerten Zulieferer mit neuen Anforderungen hinsichtlich Verläßlichkeit, Flexibilität, Null-Fehler-Produktion, Qualitätsdokumentation sowie Übernahme neuer Leistungsumfänge (vgl. Mendius/Wendeling-Schröder, 1991, S. 12-13).

Neben verstärkten Anforderungen bezüglich direkter Preisreduzierungen werden an die Zulieferer auch Forderungen hinsichtlich verstärkter Übernahme von Forschungs- und Entwicklungsaufgaben, Just-in-time-Anlieferung, Ansiedlung in geographischer Nähe des Kunden und Implementierung von elektronischen Datenverarbeitungssystemen gestellt, die mit großen Herausforderungen für die Zulieferer verbunden sind und diese zu einem Überdenken der eigenen Prozesse und Handlungsmöglichkeiten zwingen.

Mit welchen Strategien können die Automobilzulieferer nun aber diesen Anforderungen begegnen und von welchen Kriterien hängt die Strategiewahl dabei ab? Mit dieser Fragestellung wird sich die vorliegende Arbeit mittels einer schriftlichen Befragung niedersächsischer Automobilzulieferer auseinandersetzen.

Die Strategieoptionen beziehen sich in dieser Arbeit sowohl auf Markt- und Produktstrategien als auch auf Kostenmanagement und mitarbeiterbezogene Aspekte. Die Marktstrategie beinhaltet die Erweiterung des Absatzgebietes, den Aufbau neuer Märkte und die Ausweitung des Kundenkreises. Die Produktstrategien beschränken sich in dieser Arbeit auf Aspekte des Qualitätsmanagements, der Forschung und Entwicklung, der Produktinnovation und -diversifizierung sowie der Preispolitik. Das Kostenmanagement bezieht sich auf Strategien zur Kostenoptimierung. Unter mitarbeiterbezogenen Aspekten werden in der vorliegenden Arbeit die Qualifizierung von Personal und Mitarbeitereinstellungen sowie –entlassungen verstanden. Weiter sollen sowohl Kooperationen mit anderen Zulieferern als auch unterschiedliche Auslandsaktivitäten als mögliche Strategieaspekte in dieser Arbeit verstanden werden. Diese lassen sich je nach Intention sowohl im Rahmen von Marktstrategien als auch im Bereich des Kostenmanagements einordnen.

Im Zuge einer Strategiewahl entscheidet sich ein Betrieb für eine bestimmte Gewichtung der vorgestellten Strategieoptionen, um mittel- oder langfristig den unternehmerischen Erfolg zu sichern. Sonstige mögliche Strategieoptionen, wie z.B. Akquisitionen von Unternehmen, Strategien zur Kapitalbeschaffung etc. werden in dieser Arbeit nicht berücksichtigt. Die Begriffe Strategieoption, Strategieperspektive und Handlungsoption werden im folgenden synonym verwendet.

In der Diskussion um die Strukturveränderungen der Automobil- und Automobilzulieferindustrie wird von einer Vielzahl von Autoren angenommen, daß sich aus den veränderten Beschaffungsformen der Autohersteller eine pyramidenförmige Struktur der vorgelagerten Automobilzulieferer ergibt, mit der sowohl Aussagen über die Organisation von Lieferbeziehungen als auch über unterschiedliche Anforderungen und Strategieoptionen verknüpft sind. Als entscheidendes Kriterium der Möglichkeiten einer sinnvollen Strategiewahl identifizieren die Autoren das Merkmal einer fest definierten Produktart und die mit ihr verknüpften Hintergrundbedingungen hinsichtlich der im Produktionsprozeß beschäftigten Mitarbeiter und der Kooperationsbeziehungen zu den Kunden.

So werden für die Zulieferer von Systemen und die Lieferanten von Teilen komplett andere Strategieoptionen aufgezeigt, die wiederum mit unterschiedlichen Auswirkungen für die beschäftigten Mitarbeiter verbunden sind.

Ein anderer Ansatz bezieht Strategieperspektiven nicht auf eine bestimmte stoffliche Produktart sondern allein auf die einem Produkt zugrundeliegenden Hintergrundbeziehungen. Dieser von Salais und Storper entwickelte Ansatz der vier Produktionswelten besagt, daß sich je danach, ob die einem Produkt zugrundeliegenden Beziehungen zu den Mitarbeitern auf Know-how und spezielle Kenntnisse der Beschäftigten oder auf austauschbare Ressourcen ausgerichtet sind, und je nachdem, ob die externen Beziehungen zu den Kunden auf Anonymität oder Kooperation und enge Zusammenarbeit ausgelegt sind, unterschiedliche Handlungsoptionen und –restriktionen für die jeweiligen Unternehmen finden lassen. Dieser Ansatz beschränkt sich somit nicht darauf, Handlungsoptionen an einer bestimmten Produktkategorie festzulegen, vielmehr sind nur die jeweiligen Ausprägungen der Hintergrundbeziehungen ausschlaggebend für eine sinnvolle Strategiewahl.

Mit Hilfe dieser beiden Ansätze sollen in der vorliegenden empirischen Arbeit die Unterschiede in den an die niedersächsischen Automobilzulieferer gestellten Anforderungen und die Möglichkeiten hinsichtlich der Strategiewahl untersucht werden.

Die niedersächsische Wirtschaft und ein Großteil der Beschäftigten ist besonders von Veränderungen in der Autobranche betroffen, da sich das Land stark auf die Automobilindustrie ausgerichtet hat: „Natürlich wird ein Land, das in Wolfsburg die größte Autofabrik Europas und in Hannover mit dem „Bulli“-Werk die größte Nutzfahrzeugfabrik des Kontinents hat, zum Autoland (...). Mit allem, was dazugehört: Batterien von Varta, Reifen von Conti, Schläuche, Keilriemen und Dichtungen von ContiTech, Radios von Blaupunkt, Bremsen von Teves und Wabco, Windschutzscheiben, Sitze, alle in Niedersachsen hergestellt“, so die Niedersächsische Staatskanzlei (Niedersächsische Staatskanzlei, 2001, S.1). Von den 50 führenden Firmen hinsichtlich ihrer Wertschöpfung stammen 34 aus dem Produzierenden Gewerbe.

Allein unter den 25 größten Unternehmen hinsichtlich ihrer Wertschöpfung sind mindestens acht Unternehmen dem Automobilzulieferbereich zuzuordnen. Die große Bedeutung des Automobilsektors für die Beschäftigung ist eindeutig: laut Staatskanzlei haben in Niedersachsen doppelt so viele Arbeitsplätze wie im Bundesdurchschnitt mit dem Auto zu tun. In der Region Südostniedersachsen, die das Industriedreieck Wolfsburg-Salzgitter-Peine und das Oberzentrum Braunschweig umfaßt, war 1993 sogar fast jeder vierte Beschäftigte im Fahrzeugbau tätig (vgl. Lompe et.al., 1996, S. 89-90).

Die Strategiewahl der Automobilzulieferer ist aufgrund der großen Bedeutung dieses Industriesektors mit Konsequenzen für den Standort Niedersachsen und die Beschäftigungssituation verknüpft. Gelingt es einem Unternehmen nicht, sich mit der gewählten Strategie erfolgreich zu positionieren, kann dies zu einer prekären Geschäftslage oder möglichen Geschäftsaufgabe führen und mit negativen Folgen für die Beschäftigten verbunden sein. Entscheidet sich ein Unternehmen, die Produktion in Niedersachsen aufgrund der hohen Standortkosten aufzugeben und statt dessen nur noch im Ausland zu produzieren, ergeben sich ebenfalls negative Auswirkungen für die ehemals in diesem Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter. Dagegen könnte sich die Entscheidung eines Unternehmens, sich zunehmend als Anbieter hochwertiger Produkte zu etablieren, positiv auf die Beschäftigung auswirken, wobei auch die Übernahme neuer Arbeitsbereiche wie Forschung und Entwicklung zu Neueinstellungen vor allem hochqualifizierter Beschäftigter führen könnte.

Diese Forschungsarbeit gliedert sich in verschiedene Themenbereiche.

In Kapitel 2 der Arbeit werden zunächst die Veränderungen im Beschaffungsverhalten der Autohersteller aufgezeigt, die maßgeblichen Einfluß auf die Strukturveränderungen der Automobilzulieferindustrie hatten und haben, wobei auch damit verbundene Anforderungen an die Zulieferer erläutert werden. In diesem Kapitel werden außerdem die theoretischen Grundlagen zur Untersuchung der Strategieperspektiven vorgestellt. Dabei wird zunächst das Konzept der Zulieferpyramide erläutert, die sich einer Vielzahl von Autoren zufolge aus den Veränderungen im Beschaffungsverhalten herausbildet.

Weiter wird auf Implikationen dieses Konzeptes für die Strategieoptionen der Zulieferer eingegangen. Als weitere Theorie wird das Produktionsweltenkonzept von Salais und Storper vorgestellt, das ebenfalls Aussagen über Strategieoptionen macht, ohne sich auf eine bestimmte Produktkategorie festzulegen. Aus diesen theoretischen Annahmen werden Hypothesen abgeleitet, die empirisch geprüft werden sollen.

Im dritten Teil der Arbeit wird die Methodik der Untersuchung vorgestellt. Dabei wird auf die Erstellung des Fragebogens, den Vorgang der empirischen Datenerfassung sowie die Untersuchungsdurchführung eingegangen. Weiter werden die für die Auswertung der Untersuchung erforderlichen statistischen Verfahren erläutert.

Im vierten Teil werden die Befunde der Befragung vorgestellt.

Der fünfte Teil der Arbeit widmet sich den Ergebnissen der hypothesentestenden Untersuchung. Zunächst werden die aufgestellten Hypothesen zur Zulieferpyramide getestet. Anschließend werden die Annahmen bezüglich der veränderten Anforderungen an die Zulieferer und der unterschiedlichen Strategieoptionen geprüft.

Der sechste Teil der Arbeit widmet sich der Diskussion der Ergebnisse. Dies geschieht sowohl in Hinblick auf die theoretischen Annahmen als auch auf Implikationen für die Strategiemöglichkeiten niedersächsischer Automobilzulieferer.

In der Zusammenfassung wird die Arbeit resümiert.

Diese empirische Diplomarbeit entstand im Rahmen des am Soziologischen Forschungsinstitut in Göttingen (SOFI e.V.) durchgeführten Forschungsprojektes „Globalisierung der Produktion und industrielle Beziehungen. Eine Studie zu den Auswirkungen transnationaler Unternehmensaktivitäten auf Aushandlungs- und Regulierungssysteme in der Bundesrepublik“. Bei allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des SOFI, die mich bei der Durchführung der Studie unterstützt haben, möchte ich mich herzlich bedanken.

2 Strukturveränderungen in der Automobilzulieferindustrie

Die Automobilhersteller[1] sind in den letzten Jahren mit stark gestiegenen Anforderungen an ihre Lieferflexibilität, Variantenvielfalt und Produktqualität konfrontiert worden, die den Ausgangsimpuls für tiefgreifende Veränderungen im Zuliefersegment gegeben haben (vgl. Mätzke, 1996, S. 69). Im folgenden Kapitel soll auf diese Veränderungen eingegangen werden. Zunächst wird dazu kurz die Marktsituation der Automobilhersteller dargestellt. Anschließend folgt die Erläuterung und Beschreibung der aus diesen Veränderungen resultierenden Umgestaltungen im Beschaffungsverhalten der Autohersteller, die mit hohen Anforderungen an ihre Zulieferer[2] verbunden sind. Das Kapitel schließt mit theoretischen Überlegungen sowohl zum Strukturwandel der Zulieferindustrie aufgrund dieser Tendenzen als auch Aussagen über mögliche Strategieperspektiven für die Automobilzulieferer.

2.1 Neue Anforderungen an die Automobilhersteller

Die Marktsituation der Automobilhersteller zeichnet sich trotz der Erholung von der Rezession in den frühen 90er Jahren weiterhin durch eine begrenzte Nachfrage in den etablierten Märkten aus (vgl. Karsten/Sommerlatte, 1999, S. 10).

Als Konsequenz versuchen die Autohersteller auf der einen Seite, ihre Marktpräsenz auf sogenannten „Emerging markets“, d.h. in Ländern mit steigender Autonachfrage, weiter auszubauen, um an den Absatzpotentialen dieser Länder teilzuhaben und sich damit auch bessere Chancen für die Realisierung von Betriebsgrößenvorteilen zu eröffnen (vgl. Karsten/Sommerlatte, 1999, S. 10, Männel, 1996, S. 98).

Der stagnierenden Nachfrage im Inland wird dagegen mit einer Offensive in der Modellpolitik begegnet, die sich durch eine immer stärkere Individualisierung der einzelnen Produkte und einen stärkeren Zuschnitt des Modellangebots auf die spezifischen Bedürfnisse einzelner Kundengruppen auszeichnet (vgl. Karsten/Sommerlatte, 1999, S. 10). Die Folgen sind sowohl eine Verstärkung des Flexibilisierungsdrucks als auch eine Erhöhung der Innovationsgeschwindigkeit, um den verkürzten Produktlebenszyklen Rechnung zu tragen (vgl. Sauer/Döhl, 1994, S. 198, Semlinger, 1989a, S. 101). Für die Hersteller wird die Beherrschung dieser Komplexität immer notwendiger, was sie einerseits durch geeignete Maßnahmen auf der Produktseite, wie z.B. Plattformkonzepte, vor allem aber auch auf der Prozeßseite durch geeignete Maßnahmen in der Entwicklung, Produktion und Beschaffung zu bewältigen versuchen (vgl. Karsten/Sommerlatte, 1999, S. 10). Der Schwerpunkt der Konzepte richtet sich dabei auf das Problem, sowohl den marktökonomisch begründeten Zwang zu Flexibilisierung und die Komplexitätssteigerung der Produktion als auch das Ziel einer Straffung und Optimierung des Fertigungsflusses miteinander zu verbinden (vgl. Schumann et.al., 1994, S. 53).

Neben einer umfassenden Reorganisation der internen Prozeßstruktur verändern die Autohersteller sowohl die stoffliche Struktur der Produkte als auch den gesamten Prozeß ihrer Entwicklung, Herstellung und Vermarktung. Bezugspunkt von Unternehmens- und Rationalisierungsstrategien wird die Produktions- und Wertschöpfungskette sowie deren Effektivierung und Flexibilisierung, wobei Rationalisierungspotentiale durch eine umfassende Restrukturierung der gesamten Produktions- und Wertschöpfungskette ausgeschöpft werden sollen (vgl. Sauer/Döhl, 1994, S. 198). Deiß spricht in diesem Zusammenhang von einer „systemischen und zunehmend unternehmensübergreifend orientierten Rationalisierung“, die eine Reorganisation der gesamten Wertschöpfungskette beinhaltet (Deiß, 1994, S. 426). Diese Konzepte haben aufgrund der engen organisatorischen und produktionstechnischen Verbindung von Zulieferer und Autohersteller weitreichende Konsequenzen für die Zulieferindustrie.

Die Zulieferindustrie spielt in den Rationalisierungskonzepten der Autohersteller eine wichtige Rolle für die Neustrukturierung von Entwicklungs- und Fertigungsabläufen und die damit angestrebte Steigerung der Gesamtproduktivität in der Automobilproduktion (Deiß, 1994, S. 426). Aufgrund der oben genannten Bestrebungen der Autohersteller kommen auf die Zulieferer in wachsendem Maße neue und verschärfte Anforderungen der kostengünstigen, beschleunigten und flexiblen Bereitstellung von Entwicklungs- und Fertigungsleistungen zu (vgl. Deiß, 1994, S. 427).

2.2 Beschaffungsverhalten der Automobilhersteller

Sechs Haupttrends lassen sich an der Schnittstelle der Hersteller zu den Zulieferern erkennen. Sie beziehen sich auf Veränderungen im Bereich der Leistungstiefe beim Autohersteller und auf neue Anforderungen im Beschaffungsverhalten. Diese Veränderungen haben weitreichende Auswirkungen sowohl auf die Zusammenarbeit zwischen Autohersteller und Lieferant als auch auf interne Prozesse bei den betroffenen Unternehmen. Im folgenden Kapitel sollen diese Haupttrends näher erläutert und Konsequenzen für die Zulieferer aufgezeigt werden.

2.2.1 Verringerung der Fertigungstiefe

In den letzten zehn Jahren zeigt sich bei den Automobilherstellern ein Trend zur Verringerung der Leistungstiefe[3]. Die Autohersteller, oder aber ggf. auch Zulieferer, entscheiden, welche Produkte, Teile oder auch Dienstleistungen sie selbst herstellen wollen und welche Teileproduktionen oder Arbeitsvollzüge an andere Firmen vergeben werden. Dabei geht es um die Entscheidung der optimalen Leistungstiefe, also das bestmögliche Verhältnis zwischen Eigenerstellung und Fremdbezug (vgl. Picot, 1991, S. 336).

Die Autohersteller konzentrieren sich dabei immer stärker auf ihr Kerngeschäft und ihre Kernprozesse und erschließen sich Produktivitätssteigerungen durch die Übertragung immer größerer Produktionsumfänge auf ihre Zulieferer (o.V., BA, 9/1999, S. 1).[4]

Die Tendenz zur Reduzierung der Fertigungstiefe ist bei allen Automobilherstellern eindeutig: Arbeitsvollzüge, Teileherstellung, Dienstleistungen sowie Forschung und Entwicklung werden mehr und mehr an Fremdfirmen vergeben und somit sog. Outsourcing[5] praktiziert (vgl. Meißner et.al., 1994, S. 23).

Eine Zukunftsprognose des Debis-Systemhauses geht von einer Quote der Zukaufteile bei den Autoherstellern von zwischen 80 und 100% im Jahre 2005 aus (vgl. debis, 1997, S.1). Während im Jahre 1997 ca. 50-80% zugekauft wurden, waren es im Jahr 1980 noch nicht einmal 30%, so das Systemhaus (vgl. debis, 1997, S.1). Andere Branchenkenner gehen davon aus, daß sich die durchschnittliche Fertigungstiefe der Automobilhersteller auf 20-30% im Jahre 2010 verringert (vgl. Scholz, 2000, S. 20).

Während beispielsweise die Fertigungstiefe[6] von Mercedes-Benz 1994 bei 45% lag, betrug sie bei der E-Klasse 1995 nur noch 38%, bei weiteren Modellen sollte noch mehr Volumen nach außen gegeben werden (vgl. o.V., AP, 4/1995, S. 28). Audi hatte bereits im Jahr 1993 eine Fertigungstiefe von 25% realisiert (vgl. o.V., AP, 2/1993, S. 142). Die Fertigungstiefe bei VW schwankt je nach Modell und Fertigungsstandort zwischen 50% und spürbar unter 50% (vgl. o.V., AP, 3/2000, S. 32). Für das Mosel-Werk II der VW AG bei Zwickau war zunächst eine Fertigungstiefe von ca. 30% geplant, im Jahre 2000 betrug sie nur noch 18% (vgl. o.V., AP, März 1993, S. 46, o.V., AP, 1/2000, S.42).

Allerdings gibt es auch Meinungen, die von einer wieder steigenden Fertigungstiefe ausgehen. Als ein Beispiel dient dabei die Volkswagen AG: durch die Übernahme von zusätzlichen Produktionen sollten 1995 mehrere tausend Arbeitsplätze gesichert werden (vgl. o.V., Spiegel 39/1995, S. 124). Zuvor zugekaufte Steuerungen werden jetzt wieder von den eigenen Mitarbeitern im Werk Braunschweig für die Herstellung des neuen Passat in Emden gefertigt (vgl. Eckert, 1997, S.1). 1997 gab der damalige VW-Sprecher Schlelein zu: „Wir prüfen, welche ausgelagerten Arbeiten wieder übernommen werden können. (...) Ziel ist es, möglichst viele unserer Arbeitsplätze zu sichern sowie einen höheren Qualitätsstandard und große Termintreue zu erreichen“ (Eckert, 1997, S.1).[7]

Während vor allem sogenannte Low-Tech-Fertigung systematisch ausgelagert wird, verbleibt die Herstellung kapitalintensiver Teile mit großer strategischer Bedeutung und hoher Wertschöpfung beim OEM (vgl. Klebe/Roth, 1991, S. 182, Okamuro, 1993, S. 119).[8] So stößt Outsourcing bei Audi beispielsweise an bestimmte Grenzen: die eigene Vormontage fertigt Großsysteme wie etwa Cockpit, Triebsatz oder Türen und betrachtet die Endmontage als absolute Kernkompetenz (o.V., AP, 4/1996, S. 31).

Allerdings besteht in den letzten Jahren neben der Verlagerung von Low-Tech-Arbeiten ein zunehmender Trend, auch anspruchsvolle Tätigkeiten aus dem Entwicklungsbereich auf die Zulieferer zu verlagern. Während sich Blöcker zufolge die Entwicklungstiefe bei den Endherstellern in den vergangenen Jahren nur wenig nach unten bewegt hat und 1997 bei Audi, VW und BMW in der Regel zwischen 60% und 75% lag, ging die Zeitschrift „Automobil-Produktion“ 1996 davon aus, daß der Anteil der deutschen Kfz-Hersteller an Entwicklungsleistungen von 80% auf 55% bis zum Jahr 2000 zurückgehen würde (vgl. Huth, 1996, S. 50, Blöcker, 1999, S. 57).

Audi beispielsweise wollte neben der Reduzierung der Fertigungstiefe auch die Entwicklungstiefe, die 1993 bei 70% lag, durch die Verlagerung auf Lieferanten reduzieren (vgl. o.V., AP, 2/1993, S. 142).

1999 wurden bei Audi rund 45% des gesamten Entwicklungsvolumens von eigenen Mitarbeitern geleistet, während der Rest mit steigender Tendenz zugekauft wurde (vgl. o.V., AP, 1/1999, S. 28). Beim VW Passat beliefen sich 1996 die externen Entwicklungskosten auf einen Anteil von 50%, wobei der Fremdanteil in der Entwicklung idealerweise zwischen 25% und 30% der gesamten Volumina gesehen wurde (o.V., AP, 5/1996, S. 33).

Ein Konzept, das im Rahmen der Reduktion der Entwicklungstiefe beim OEM zur Anwendung kommt, ist das Simultaneous Engineering, SE, bei dem der Lieferant früher als bisher in den Entwicklungsprozeß des Fahrzeuges miteinbezogen wird (vgl. Reeg, 1998, S. 81-82). Von Projektbeginn an arbeiten dabei alle Funktionsbereiche wie Einkauf, Finanzen, Entwicklung oder Qualitätssicherung in einem Team simultan am neuen Produkt. Simultaneous Engineering baut somit auf einer offenen, engen und konsequenten Zusammenarbeit aller Beteiligten bei der Produktentwicklung und der Planung des Produktionsprozesses auf (vgl. Wolters, 1999, S. 2).

1996 z.B. wurde das parallele Abwickeln von einzelnen Entwicklungsschritten mit den Lieferanten als Grund für die kurze Entwicklungszeit von 24 Monaten beim Audi A3 gesehen (vgl. Schmitt/Iffland, 1996, S. 72-74). Auch bei VW fand bereits Anfang der 90er Jahre der Trend zur Ausweitung der Simultaneous-Engineering-Beziehungen statt, wobei die frühzeitige Einbindung der Zulieferer in den Entwicklungsprozeß ein zentrales Element der VW-Einkaufsstrategie darstellte (vgl. Meißner et.al., 1994, S. 132). 1996 sollten nach VW-Angaben alle zukünftigen Projekte per internem und externem Simultaneous Engineering umgesetzt werden (vgl. o.V., AP, 5/1996, S. 46).

Die Outsourcing - Tendenzen der Autohersteller sind mit weitreichenden Konsequenzen für die Automobilzulieferer verbunden.

So leiten sich aus der Verringerung der Fertigungstiefe oftmals auch hohe qualitative Anforderungen an die Kompetenz der Zulieferer ab, die die ausgelagerten Tätigkeiten übernehmen (vgl. Abend, 1992, S. 96). Die Zulieferer müssen sich u.a. durch hohe quantitative und qualitative Lieferflexibilität und –zuverlässigkeit, hohe Qualitätssicherheit von Produkten und Prozessen sowie die Durchführung kontinuierlicher Verbesserungsprozesse auszeichnen (vgl. Männel, 1996, S. 126).

Die verstärkte Übernahme von Entwicklungsleistungen ist für die Zulieferer nur bei ausreichendem Know-how und qualifizierten Mitarbeitern möglich. So wird der Aufbau von Know-how und die Beschäftigung qualifizierter Mitarbeiter mit entsprechenden Kompetenzen im Rahmen neuer Entwicklungsaufträge besonders wichtig. Probleme können sich unter diesem Aspekt im Rahmen personeller Engpässe auf dem Arbeitsmarkt ergeben. Neben der Qualifizierung der Mitarbeiter sind mit der Übernahme neuer Entwicklungsleistungen hohe FuE-Aufwendungen und der Einsatz erheblicher finanzieller Ressourcen für die Zulieferer verbunden (vgl. Haipeter, 1999, S. 166). Weiter hat auch der durch die gemeinsame Entwicklungsleistung zwischen Autohersteller und Zulieferer gestiegene Abstimmungs- und Kommunikationsbedarf weitreichende Folgen für die Zulieferer. Simultaneous Engineering und andere Entwicklungsleistungen bedürfen oftmals der räumlichen Nähe, was für die Zulieferer eine Standortfrage aufwerfen kann. Sofern immer mehr Hersteller eine räumliche Ansiedlung der Entwicklungspartner in Nähe des OEMs nahelegen, ist dies für die Zulieferer nicht nur mit hohen Investitionen verbunden, sondern durch die Investitionen in neue Fabriken können auch neue Abhängigkeiten vom Endproduzenten entstehen (vgl. Haipeter, 1999, S. 166). Ein Vorteil für den Lieferanten, der bereits in der Entwicklung mitwirkt, ist die mögliche Sicherheit, da in der Regel die Autohersteller langfristige Verträge mit ihren Entwicklungslieferanten abschließen und die Lieferanten kaum aus dem Lieferkontrakt entlassen werden können, da der dabei entstehende Know-how-Verlust bei den OEMs zu groß wäre (vgl. Aigner/Kuckelkorn, 1991, S. 139).

Ein weiterer Trend im Beschaffungsverhalten ist das sogenannte Global Sourcing, das im folgenden Abschnitt erläutert werden soll.

2.2.2 Global Sourcing

In den letzten Jahren ist ein verstärkter Trend zum Global Sourcing festzustellen. Unter dem Begriff Global Sourcing wird die Ausrichtung der Beschaffungspolitik von Unternehmen auf weltweit vorhandene Beschaffungsmärkte verstanden (Bedacht, 1995, S. 11).

Einerseits geht es dabei um die Ausnutzung günstiger Einkaufsquellen für die inländische Produktion. Im Oktober 1996 lag die Importquote bei VW bei knapp 20%, allerdings sollte diese Quote laut Einkaufschef Winand als Beitrag zum Standort Deutschland auch nicht erhöht werden (vgl. o.V., AP, 5/1996, S. 44). Die beiden Passatwerke von VW in Emden und Mosel bezogen auch 1998 etwa 80% des gesamten Lieferumfangs aus Deutschland (o.V., AP, 1/1999, S. 98). Johannes Rudnitzki, Direktor Einkauf der Mercedes Benz AG ging 1995 davon aus, den Teileimport in den nachfolgenden fünf Jahren von 20% auf 30% auszubauen. Dabei sollte jedoch im Ausland vorzugsweise bei denjenigen Lieferanten gekauft werden, von denen Mercedes auch im Inland bezieht (vgl. o.V., AP, 4/1995, S. 28). Audi plante 1997, im Jahre 2000 ein Drittel aller Teile im Ausland zu beschaffen (vgl. o.V., AP, 3/1997, S. 24).

Während sich vor allem für einfachere Teile ein Auslandsbezug anbietet, wird davon ausgegangen, daß High-Tech-Produkte nach wie vor aus nationaler Produktion beschafft werden (vgl. Abend, 1992, S. 101). Auf den Aspekt des unterschiedlichen Produktes beim internationalen Einkauf geht auch Welteinkaufschef Tommaso Le Pera von Fiat ein: „Es ist aber selbstverständlich, daß Deutschland für Fiat Auto einen Einkaufsbereich nur für High-Tech-Produkte darstellt; bei Komponenten mit hohem Lohnanteil kooperieren wir hingegen mit Ländern, die in puncto Arbeitskosten konkurrenzfähig sind“ (o.V., AP, 1/2000, S. 37).

Global Sourcing umfaßt aber auch die Bestrebung der Autohersteller, Teile in der jeweiligen Region im Ausland einzukaufen, in der sie mit eigenen Auslandsproduktionen vertreten sind (vgl. Reeg, 1998, S. 62). Hintergrund dieser Strategie ist die weltweite Produktion bzw. Präsenz der Hersteller auf den wichtigsten Märkten (Meißner et.al., 1994, S. 23). Die Auslandsproduktion der deutschen Hersteller ist seit 1992 konstant gestiegen, im Juni 2000 wurde sogar ein vorläufiger Rekord erreicht (vgl. VDA, 2000, S. 24, 48). Einerseits versuchen die Hersteller, möglichst kundennah auf den Märkten zu produzieren, andererseits spielen auch Kostenaspekte in Ländern mit niedrigen Standortkosten eine Rolle (vgl. VDA, 2000, S. 53).

Für diese Tochterfirmen wird ein großer Teil der Zulieferungen im jeweiligen Produktionsland gekauft, wobei local-content-Anforderungen des jeweiligen Landes, Preisvorteile der einheimischen Lieferanten sowie bestimmte Beschaffungsformen wie Just-in-time oder System Sourcing eine ortsgebundene Beschaffung nahelegen (vgl. Männel, 1996, S.100).

Beide Formen der globalen Beschaffung sind mit weitreichenden Konsequenzen für die Zulieferer verbunden. So stellt die Tendenz der Autohersteller, bestimmte Produktarten kostengünstig im Ausland zu kaufen, die inländischen Produzenten dieser Produkte vor einen hohen Preisdruck. Sofern es sich um Produktarten handelt, die sich leicht global handeln und ausschließlich auf den Preis reduzieren lassen, stehen die inländischen Zulieferer aufgrund der hohen Lohn- und Sozialkosten am Standort Deutschland unter besonderem Konkurrenzdruck aus dem Ausland. Verschärft wird die Situation dadurch, daß viele ausländische Konkurrenten ihr Produktprogramm ausgeweitet haben und auch qualitativ mit deutschen Herstellern konkurrieren können (vgl. Abend, 1992, S. 99).

Für die Zulieferer von einfachen Teilen kann sich aus diesem Konkurrenzdruck die Anforderung ergeben, Produktionsstätten im Ausland aufzubauen, um dort billiger zu produzieren und preislich mit den ausländischen Mitbewerbern konkurrieren zu können. Die großen Teilehersteller wie Bosch etc. haben bereits weltweit Tochterunternehmen gegründet, um die günstige Kostenstruktur in anderen Ländern zu nutzen und durch das zusätzliche Absatzpotential in diesen Ländern größere Mengen herstellen zu können (Eriksen, 1990, S. 114-116).

Die Verlagerung vor allem arbeitsintensiver Teilbereiche ins Ausland ist mit einem potentiellen Wegfall der jeweiligen Arbeitsplätze im Inland verbunden, wobei die Verlagerung auch als Drohung zur Durchsetzung von Maßnahmen der Leistungsintensivierung genutzt wird (vgl. Deiß, 1994, S. 431). Für kleine und mittelgroße Betriebe kann der für eine Auslandsverlagerung hohe Kapitalbedarf ein Hindernis für den Aufbau von Auslandsstandorten darstellen.

Auch der Ausbau der internationalen Tochtergesellschaften der Autohersteller ist mit hohen Anforderungen an die Zulieferer verbunden. Die aufgrund der Internationalisierungstendenzen der Hersteller aufgebauten Tochtergesellschaften haben sich in den letzten Jahren immer weiterentwickelt. So entstehen in den ausländischen Standorten tendenziell die gleichen Anforderungen an die Lieferanten wie im Inland. Die Autohersteller möchten auch im Ausland vor allem mit bereits bekannten und erprobten Zulieferern kooperieren, um eine kontinuierliche Belieferung kostengünstiger und den eigenen Qualitätsanforderungen entsprechenden Zulieferteilen sicherzustellen.

Daher besteht häufig die Anforderung an die Zulieferer, den Kunden ins Ausland zu folgen und dort in Nähe des Abnehmers eigene Produktionen aufzubauen (vgl. o.V., AP, 4/1995, S. 116). Der Aufbau von Auslandsaktivitäten ist für die Zulieferer allerdings mit hohen Investitionen verbunden.

Eine weitere wichtige Rolle im Beschaffungsverhalten spielt das Single Sourcing. Dieser Trend soll im nächsten Kapitel vorgestellt werden.

2.2.3 Single Sourcing

Während Anfang der siebziger Jahre die Autohersteller für jedes extern zu beschaffende Teil mindestens zwei, drei oder mehrere Zulieferer hatten, also Dual bzw. Multiple Sourcing betrieben, sind die Autohersteller mittlerweile dazu übergegangen, die Anzahl der Direktlieferanten drastisch zu verringern (vgl. Abend, 1992, S. 96-97). Jedes zugekaufte Teil bzw. jede Baugruppe soll an jedem Produktionsstandort von nur noch einem, maximal aber von zwei verschiedenen Lieferanten bezogen werden (Höschl, 1994, S. 58). Ziel ist dabei generell, die Zahl der Direktlieferanten um bis zu 50 Prozent zu reduzieren (vgl. Meißner et.al., 1994, S. 24). Single Sourcing ist dabei die extremste Form dieser Verringerung der Lieferantenbasis: jedes spezifische Teil wird von nur noch einem Lieferanten bezogen, der damit zum Alleinlieferanten wird (vgl. Meißner et.al., 1994, S. 24).

Bereits 1994 wurden beispielsweise bei Mercedes 95% aller Teile von jeweils nur einem Lieferanten bezogen (vgl. Meißner et.al., 1994, S. 94). Auch bei VW fand in den 90er Jahren eine Reduzierung des Lieferantenstammes statt, die als Tendenz zum Single Sourcing bezeichnet werden kann (Meißner et.al., 1994, S. 132). Der Anteil des Single Sourcing betrug 1994 70% bis 80% der Teile in Wolfsburg. Wertmäßig wurden 1994 in Wolfsburg 93% des Serienmaterials von nur einem Lieferanten bezogen (Meißner et.al., 1994, S. 132). Ford plante 1995, die Zahl der Zulieferer um 90% zu reduzieren (vgl. o.V., AP, 5/1995, S. 60).

Single Sourcing ist mit weitreichenden Konsequenzen für die Zulieferer verbunden. So wählen die Automobilhersteller die leistungsstärksten Zulieferanten aus, um weniger, aber höher integrierte Partnerschaften einzugehen (vgl. Bedacht, 1995, S. 88).

An die ausgewählten Lieferanten werden daher hohe Anforderungen hinsichtlich Know-how, Entwicklungsleistungen und enger Zusammenarbeit gestellt. Weiter sind mit dem Single Sourcing hohe Anforderungen an die Qualität der gelieferten Produkte verbunden, da bei Qualitätsmängeln möglicherweise kein anderer Lieferant vorhanden ist, der die Kompensation übernehmen kann. Vorteile können für den Zulieferer die Realisierung von größeren Abnahmemengen sein, allerdings kann sich auch eine höhere Abhängigkeit vom Kunden ergeben (vgl. Wolters, 1999, S. 64).

2.2.4 Modular/System Sourcing

Die Tendenz zur Reduzierung der Lieferantenanzahl geht einher mit einer steigenden Nachfrage nach vormontierten Komponenten und Systemen, was als Modular bzw. System Sourcing bezeichnet wird (Reeg, 1998, S. 66).

Als Module werden generell Baugruppen mit einer einbauortspezifischen, räumlichen Zusammengehörigkeit der Teile bezeichnet (vgl. o.V., AP, Jubil. 1996, S. 52, Freudenberg/Klenk, 2000, S. 1). Beim Modular Sourcing werden mehrere Einzelteile bereits bei den Lieferanten miteinander verbunden und an den Automobilhersteller geliefert. Damit wird die Tätigkeit des Zusammenführens einzelner Teilobjekte zu einem Leistungsbündel aus der beschaffenden Unternehmung ausgelagert und auf einen Lieferanten, den Modullieferanten, übertragen (vgl. Kleinau, 1995, S. 72).

Während beispielsweise ein Schiebedach früher aus 37 Anlieferteilen bestand, die teilweise von verschiedenen Zulieferern bezogen wurden und deren Einbau beim Hersteller bis zu 30 Minuten in Anspruch nahm, wird das Schiebedach heute komplett montiert mit vorheriger Funktionsprüfung angeliefert und kann in wenigen Minuten beim Hersteller eingebaut werden (vgl. Abend, 1992, S. 101). Daimler-Benz beispielsweise beschafft für die E-Klasse ein vormontiertes Abgasmodul, welches aus Schalldämpfer, Rohren und Katalysator besteht (Wolters, 1999, S. 62). Der Modulanteil am Beschaffungsvolumen lag Ende der 90er bei Audi bei 30% mit stark steigender Tendenz (vgl. o.V., AP, 3/1997, S. 26). Auch bei BMW wurde im Dezember 1996 über 40% des konzernweiten Einkaufsvolumens in Form vormontierter Einheiten beschafft (vgl. o.V., AP, 6/1996, S. 24).

Dem Modularquellenbezug ähnlich, in seinem funktionellen Umfang aber noch weitreichender ist der Systemquellenbezug. Als Systeme werden dabei Teile oder Baugruppen bezeichnet, die eine technologische, funktionale Zusammengehörigkeit aufweisen (vgl. o.V., AP, Jubil. 1996, S. 52, Freudenberg/Klenk, 2000, S. 1). Die Systemlieferanten zeichnen sich in der Regel dadurch aus, daß sie nicht nur die Anlieferung kompletter Systeme leisten, generell wurden die modularen Leistungsobjekte auch durch eigene FuE des Zulieferers für das beschaffende Unternehmen entwickelt (vgl. Kleinau, 1995, S. 72). Dem Systemlieferanten bzw. Systemintegrator werden somit Aufgaben übertragen, die vorher nur beim Autohersteller angesiedelt waren (Freudenberg/Klenk, 2000, S. 2).

Der Zulieferer Lucas-Autobrzdy in Tschechien trägt zum Beispiel für die Belieferung des Moduls „Hinterachse“ bei Skoda die volle Systemverantwortung. Er hat die Auswahl, Freigabe und den Einkauf von Komponenten zu leisten sowie die Aufgabe, das Modul als Ganzes zu optimieren und unter anderem konstruktive Veränderungen seiner Komponenten vorzunehmen. Ihm unterliegt die gesamte Kette von der Entwicklung bis zur mengen- und termingerechten Anlieferung an das Skoda-Band: er konstruiert die Module, gibt entsprechend der Skoda-Ordner die Abrufe weiter, legt Mengen und Verpackung fest, führt die Wareneingangskontrolle durch, bezahlt die Rechnungen der Sublieferanten und veranstaltet Qualitätsaudits. Somit trägt dieser Zulieferer die Verantwortung für konstruktive Qualität, alle Modul-Kosten und die Logistik (o.V., AP, 1/1995, S. 64).

Der Trend zum System Sourcing ist klar zu erkennen. Für den VW Passat beispielsweise wird das komplette Türsystem vom Automobilzulieferer Brose angeliefert (vgl. Wolters, 1999, S. 65). Dem Chrysler Jeep werden komplette Bremssysteme, bestehend aus ABS, Bremssattel, Verstärker, Zylinder, Scheiben und Belägen von dem Zulieferer ITT geliefert (vgl. Wolters, 1999, S. 65). Während beim alten Opel Vectra nur fünf Systeme verbaut wurden, waren es 1996 beim neuen Vectra schon 30 (o.V., AP, 1/1996, S. 29).

Durch das Modular bzw. System Sourcing werden die Zulieferer mit hohen Anforderungen an ihre Kompetenzen konfrontiert. Die Übernahme von Entwicklungsleistungen, die von den Systemlieferanten i.d.R. verlangt wird, ist, wie bereits oben beschrieben, mit hohen finanziellen Aufwendungen und Anforderungen an die Kompetenzen der Beschäftigten verbunden.

So müssen die Systemlieferanten zur Bewältigung der verschiedenen und vielfältigen an sie gestellten Aufgaben über umfangreiches Know-how verfügen. Aufgrund des hohen Abstimmungsbedarfs und der hohen Transportkosten der Systeme stellt sich für die Zulieferer, die vom System bzw. Modular Sourcing betroffen sind, oftmals auch die Frage nach der Ansiedlung in Nähe des Kunden.

Von den System- und Modullieferanten wird häufig auch die produktionssynchrone Anlieferung in der Reihenfolge der Fahrzeugendmontage verlangt (vgl. Reeg, 1998, S. 67). Eng verknüpft mit dem Modular bzw. System Sourcing ist daher auch das JIT-Prinzip.

2.2.5 Produktionssynchrone Beschaffung

Obwohl bereits seit Mitte der 80er Jahren Tendenzen hinsichtlich Just-in-time, JIT, bestehen, ist diese Beschaffungsart in den letzten Jahren stark ausgebaut worden. Eine allgemeine und allseits verwendete Definition des Just-in-time-Begriffes gibt es nicht. Unter JIT wird generell die Belieferung des richtigen Teils in richtiger Anzahl zum richtigen Zeitpunkt in richtiger Menge am richtigen Ort verstanden (vgl. Abend, 1992, S. 106, Okamuro, 1993, S. 123). Generell wird zwischen JIT im weitesten/weiteren Sinne und JIT im engeren Sinne unterschieden.

Bei dem JIT-Konzept im weitesten Sinn bekommt der Lieferant für einen Horizont von 15 Arbeitstagen tagesgenaue Anweisungen über seine Arbeitsverpflichtungen. Er erhält eine Grobvorschau über sein Liefervolumen für mehrere Monate (vgl. Ruppert, 1997, S. 28). Bei der JIT im weiteren Sinne, der kurzzyklischen Anlieferung, bekommt der Zulieferer zusätzlich zu den Angaben über das Tagesvolumen von 15 Arbeitstagen jeweils die genaue Anlieferzeit der Teile genannt, wobei sowohl einmalige als auch mehrmalige Lieferung pro Tag möglich ist (vgl. Ruppert, 1997, S. 27). Die Anlieferung im engeren Sinne wird auch als sequenzgenaue oder produktionssynchrone Beschaffung, Just-in-sequence, bezeichnet (vgl. Ruppert, 1997, S. 28). Dabei wird die zeitliche Belieferung der Teile mit der Montagesequenz des Herstellers synchronisiert und erfolgt ohne nennenswerte Puffer zwischen Anlieferungszeitpunkt und Einbauzeitpunkt. Der JIT-Teileabruf beim Zulieferer erfolgt erst dann rechnergestützt per Online-Datenverbindung, wenn der Hersteller die Montagereihenfolge der Halbfertigteile festgelegt hat (vgl. Ruppert, 1997, S. 28).

Die Just-in-time-Eignung eines Teiles ist in der Regel von Faktoren wie Wertigkeit, Volumen, Komplexität, Materialbeschaffenheit, Variantenzahl und Bedarfsschwankungen abhängig. Die Kostenvorteile, die sich durch eine produktionssynchrone Teileanlieferung realisieren lassen, nehmen mit zunehmender Wertigkeit und steigender Vorhersagegenauigkeit der Bedarfsentwicklung der zu beschaffenden Teile zu (Reeg, 1998, S. 69). Großvolumige, teure Fahrzeugsysteme wie beispielsweise Komplettsitze, Instrumententafeln und Systeme sowie Aggregate bieten sich daher für eine kurzzyklische montagesynchrone Direktanlieferung aus der Vormontage stärker an als preisgünstige Massen- und Normteile (vgl. Doleschal, 1991, S. 57).

Die Autoproduzenten gehen also zunehmend dazu über, nicht mehr in großen Mengen, sondern bedarfsgerecht, montagesynchron und reihenfolgegenau einzukaufen (vgl. Doleschal, 1991, S. 53). 1995 wurden im VW-Werk in Mosel 45% aller Kaufteile in Reihenfolge der Fahrzeuge ans Endmontageband angeliefert (vgl. o.V., AP, April 1995, S. 50). Für die beiden in Mosel gefertigten Modelle Golf und Passat bezieht das Werk einbaufähige Module von werksnahen Lieferanten, die diese in Sequenz fertigen und anliefern. Gemessen an Volumen und Wert bezieht das Werk Mosel mittlerweile mehr als 50% seiner Kaufteile in diesem Verfahren (o.V., AP, 1/2000, S. 42).

Die Forderung nach JIT-Lieferung ist mit vielfältigen und hohen Anforderungen an die Zulieferer verbunden, die mit dieser Anforderung des Kunden konfrontiert werden. So besteht zunächst die Notwendigkeit der Implementierung von Datenverarbeitungssystemen, um die Lieferabrufe empfangen zu können. Weiter ist die 100%ige Qualität der gelieferten Produkte Voraussetzung für das JIT-Prinzip, was hohe Investitionen in Qualitätssicherungsmaßnahmen für die Zulieferer erforderlich macht. Sofern nicht nur JIT geliefert, sondern auch synchron zur Lieferung produziert wird, müssen die eigenen Produktionszeiten an die des Kunden angepaßt werden, da keinerlei Puffer oder Läger bestehen. Für die taktgenaue Lieferung ist aus Sicherheitsgründen i.d.R. auch die Errichtung einer Produktionsstätte in Nähe des Abnehmers notwendig, wodurch sich auch die Notwendigkeit der Errichtung einer Produktion im Ausland ergeben kann, sofern der Kunde auch dort Anforderungen hinsichtlich JIT stellt.

2.2.6 E-Commerce

Eine weitere Veränderung in den Hersteller-Zuliefererbeziehungen ist in dem verstärkten Einsatz von E-Commerce als Beschaffungsinstrument zu sehen. Die herausragende Rolle spielt dabei der Bereich des B2B-E-Commerce, also die elektronische Abwicklung von Geschäften, bei denen Waren oder Dienstleistungen zwischen Unternehmen über das Internet oder mittels traditioneller Datenübertragung ge- oder verkauft werden (vgl. BCG, 2000, S. 7). Seit Jahren ist die elektronische Abwicklung von Geschäften durch EDI[9] in einigen Branchen üblich. Den Vorteilen einer beschleunigten und fehlerfreien Bestellung direkter Güter standen die Nachteile gegenüber, daß EDI relativ kostenaufwendig, verhältnismäßig starr gegenüber Veränderungen und nicht interaktiv war (vgl. BCG, 2000, S. 7). Dagegen ermöglicht das Internet auch für kleinere und mittelgroße Marktteilnehmer einen einfachen, raschen und kostengünstigen Zugang (vgl. BCG, 2000, S. 8). Die steigende Bedeutung des Internets zeigt sich im Wachstum: während der Internet-Handel jährlich um 68% zunimmt, wächst das klassische EDI nur mit 8% (BCG, 2000, S. 8).

Die Boston Consulting Group, BCG, geht in ihrer Studie „B2B-E-Commerce in Deutschland“ davon aus, daß jedes Unternehmen früher oder später die Kostenpotentiale durch E-Beschaffung und E-Verkauf ausschöpfen wird (vgl. BCG, 2000, S. 5). Sie geht weiter davon aus, daß im Jahre 2003 im Bereich Fahrzeugbau der E-Commerce 28% des gesamten Einkaufsvolumens innerhalb dieser Branche ausmachen wird, während er im Jahre 2000 noch bei 20% lag (vgl. BCG, 2000, S. 9-10).

Drei Grundmodelle im Bereich des E-Commerce lassen sich identifizieren: die E-Beschaffung, bei der wie beim E-Verkauf einem Einkäufer bzw. Verkäufer mehrere Transaktionspartner gegenüberstehen. Beim E-Marktplatz dagegen treffen sich mehrere Einkäufer und mehrere Verkäufer, wobei die Plattform oft ein „offenes“ System darstellt, das Zugangsmöglichkeiten für mehrere oder alle interessierten Marktteilnehmer bietet (vgl. BCG, 2000, S. 12).

Ende Februar 2000 kündigten die Unternehmen DaimlerChrysler, Ford und General Motors ihre Absicht zum Aufbau eines weltweiten internet-basierten Messeplatzes zwischen Autoherstellern und Zulieferern an. Im April teilten auch Renault und Nissan ihre Beteiligung mit (vgl. DaimlerChrysler, 2000, S.1).[10] Im Oktober 2000 wurde „eins der größten Internetprojekte der Welt“ (o.V., Handelsblatt online, 2001, S.1) gegründet, die elektronische Einkaufsplattform Covisint (vgl. Grande/Hill, 2001, S.1).

Die besondere Rolle der Preisfindung bei der Warenbeschaffung wird durch die Zunahme an sogenannten „Reverse Auctions“ dargestellt. Nach einer elektronischen Auftragsausstellung durch die Kfz-Hersteller bieten bei diesen Auktionen die interessierten Lieferanten dann im gegenseitigen Wettbewerb immer niedrigere Preise an (vgl. Ludsteck, 2001, S.2).

VW entschied sich für den Aufbau eines eigenen Internet-Marktplatzes, der im Oktober 2000 startete. Bereits Anfang Oktober kaufte VW per Auktion ein und stimmte seine Kapazität mit ersten Lieferanten ab (vgl. o.V., Wirtschaftswoche heute online, 2000, S.1). Piëch plant für das Jahr 2001, sieben Prozent des gesamten Beschaffungsvolumens des VW-Konzerns über das Internet abzuwickeln (vgl. o.V., Welt online, 2001, S.1).

Virtuelle Marktplätze ersparen Zeit, Geld und Personalkapazitäten bei der Beschaffungsmarktforschung (Müller, 2000, S.1). Die Autokonzerne hoffen auf Einsparungen aufgrund höherer Preistransparenz und Schnelligkeit durch die elektronischen Marktplätze. Dies gilt auch für die Zulieferer (vgl. o.V., Welt online, 2000, S.1). Die Unternehmensberatung Diebold sieht Einsparungspotentiale von 0,5% bis 10% bei den Produktkosten (vgl. Grosche/Sander, 2000, S. 3). Roland Berger & Partner gehen für die europäische Automobilindustrie von drei bis fünf Prozent Einsparvolumen der gesamten Wertschöpfungskette aus (vgl. VDA, 2000, S. 55). Kritiker dagegen sind skeptisch, ob es aufgrund des Internets zu Effizienzsteigerungen kommen wird, da die meisten großen Zulieferer bereits über EDI verbunden sind (vgl. IG Metall, 2000, S. 19).

Kurt Rembold von der Brain International sieht allerdings Unterschiede in der Internetfähigkeit von Produkten: „In solchen Bereichen, in denen Sicherheit, Geheimhaltung und Spezial-Know-how zu den Anforderungen gehören, unterhält sich der OEM von vornherein nur mit seinen „preferred“ Zulieferern. Für eine Auftragsvergabe über solche Entwicklungsaufträge eignen sich Marktplätze als Medium nicht. Anders verhält es sich dagegen bei Normteilen und standardisierten Komponenten, die das Differenzierungspotential eines Fahrzeuges nicht unbedingt prägen müssen. Dort werden die Preise durch einen virtuellen Marktplatz erheblich unter Druck geraten“ (Rembold, 2000, S. 82).

Der VDA meint ebenfalls, daß elektronische Auktionen nur für Produkte und Leistungen von Bedeutung sind, die eindeutig definiert sind und sich nur auf Preisunterschiede reduzieren lassen. Komplexe Produkte oder Systeme und Module dagegen eignen sich nicht für derartige Auktionen (vgl. VDA, 2000, S. 56). Ähnliches gilt für die E-Beschaffung: als geeignet werden vor allem standardisierte Güter mit prinzipiell austauschbarer Lieferantenbasis eingeschätzt (vgl. BCG, 2000, S. 30).

Auf diesen Aspekt geht auch Garcia Sanz, Einkaufschef von Volkswagen, ein: „Wir brauchen Qualität, Innovation, Service, Lieferfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit - das können sie im Internet gar nicht darstellen“ (Lamparter, 2000, S.2).

Hinsichtlich der Konsequenzen für die Zulieferer gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Der VDA geht davon aus, daß B-2-B im Internet sowohl Vor- als auch Nachteile für die Zulieferer mit sich bringen kann: so bieten sich durchaus Chancen, z.B. für Newcomer, in neue Lieferbeziehungen einzusteigen, oder auch durch Kosteneinsparungsmöglichkeiten bei den Zulieferern. Auf der Gegenseite wird sich diese Entwicklung nachteilig auf diejenigen Lieferanten auswirken, die sich nicht schnell genug auf die veränderten Bedingungen einstellen (vgl. VDA, 2000, S. 57). Die IKB nimmt als Folge des E-Commerce einen weiteren Anstieg des Preisdrucks auf die Zulieferer an: während dieser allerdings vor allem standardisierte bzw. austauschbare Produkte betreffe, würde der Kauf über das Internet für Produkte, die anspruchsvoll sind und eine enge Zusammenarbeit bei der Konzeption etc. erfordern, von geringer Bedeutung sein (vgl. IKB, 2000, S. 3). Allerdings ist anzunehmen, daß für nahezu alle Zulieferer der Ausbau einer Internetpräsenz mit hohen Kosten und Qualifizierung von Personal, das mit den neuen Aufgaben betraut wird, verbunden ist.

2.3 Pyramidisierung der Wertschöpfungskette

Die oben vorgestellten Veränderungen im Beschaffungsverhalten haben weitreichende Strukturveränderungen der Wertschöpfungskette zur Folge.

In der Literatur wird von einigen Autoren angenommen, daß vor allem die Trends zum Single und Modular/System Sourcing mit ihrer Tendenz zur Verringerung der direkten Lieferantenbasis eine pyramidenförmige Ausbildung der Wertschöpfungskette begünstigen (vgl. o.V., BA, 9/1999, S. 1, Männel, 1996, S. 117, Seitz, 1995, S. 54). Dabei wird von den Autoren die Ansicht vertreten, daß mit Hilfe der Pyramidenmetapher sowohl Aussagen über die Struktur und Organisation von Lieferbeziehungen als auch Aussagen über unterschiedliche Kooperationsformen mit den Kunden, Qualifikationsstrukturen innerhalb der Unternehmen und mögliche Strategieoptionen getroffen werden können.

Im folgenden Kapitel soll diese Pyramidenthese erläutert werden. Zunächst werden die unterschiedlichen Lieferbeziehungen erklärt. Danach wird auf die Kooperationsbeziehungen und Qualifikationsstrukturen je nach Stellung innerhalb der Pyramide eingegangen. Abschließend werden die unterschiedlichen Handlungsoptionen aufgezeigt, die in der Pyramidenthese impliziert sind.

2.3.1 Struktur der Lieferbeziehungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Pyramidisierung der Wertschöpfungskette

Quelle: in Anlehnung an o.V., AP, Jubil. 1996, S. 52, eigene Darstellung

An der Spitze der Pyramide stehen die Automobilhersteller, die von den Zulieferern der vorgelagerten Wertschöpfungsstufe(n) beliefert werden.

Unterhalb der Stufe der OEMs befinden sich die wenigen Systemlieferanten, die vormontierte und einbaufertige Module bzw. Systeme direkt an die Autohersteller liefern (vgl. Deiß, 1994, S. 427).

Den Systemherstellern vorgelagert ist die Stufe der Komponentenlieferanten. Diese größere Anzahl von Komponentenlieferanten beliefert die Systemlieferanten mit den benötigten Komponenten. Die Lieferanten dieser Pyramidenstufe stehen in der Regel nicht mehr in direktem Kontakt zu den Herstellern, sondern werden von den Modul- und Systemlieferanten koordiniert (Männel, 1996, S. 120).

An der Basis der Pyramide findet sich die große Anzahl von Teilelieferanten, die wiederum die ihnen direkt nachgelagerte Stufe der Pyramide mit Teilen beliefert.

Einige Autoren gehen davon aus, daß zukünftig ausschließlich Systemlieferanten direkten Lieferkontakt zum Autohersteller haben werden, während die unterhalb dieser Stufe liegenden Zulieferer nur noch an die jeweils ihnen direkt nachgelagerte Stufe liefern und mit dieser Kontakt haben (vgl. Reeg, 1998, S. 67, Okamuro, 1993, S. 122, Deiß, 1994, S. 428). Andere Autoren meinen dagegen, daß weiterhin, wenn auch in geringerem Ausmaß, einige Lieferanten aus unteren Wertschöpfungsstufen direkt an den OEM und andere Pyramidenstufen als die direkt nachgelagerte liefern werden (vgl. o.V., AP, Jubil. 1996, S. 52, Männel, 1996, S. 120, Blöcker, 1999, S. 107).

Diese vorgestellten Annahmen hinsichtlich der Pyramide beziehen sich zunächst ausschließlich auf die Struktur der Lieferbeziehungen. Wie bereits oben erwähnt, geht allerdings eine große Anzahl von Autoren davon aus, daß die Stellung innerhalb der Pyramide nicht nur Aussagen über Lieferbeziehungen zuläßt. Vielmehr gehen diese Autoren auf weitere Aspekte ein, die mit der jeweiligen Stellung in der Pyramide und der jeweiligen Produktart verbunden sind. Diese Aspekte sollen im nächsten Abschnitt erläutert werden.

2.3.2 Struktur der Hintergrundbeziehungen

Die Pyramidenmetapher beinhaltet die These einer mehr oder weniger strikten Hierarchisierung der den Autoherstellern vorgelagerten Zulieferunternehmen, wobei sich je nach Position in der Pyramide sowohl unterschiedliche Produktionsstrukturen als auch qualifikatorische Bedingungen finden lassen (vgl. Deiß, 1994, S. 437). Dabei wird angenommen, daß sowohl Flexibilitätsanforderungen als auch Kostendruck und andere Probleme stufenweise nach unten weitergegeben werden, was für die vorgelagerten Stufen eine zunehmende Verschlechterung der Arbeits- und Beschäftigungssituation nach sich zieht (vgl. Seitz, 1995, S. 54, Mätzke, 1996, S. 69, Semlinger, 1989a, S. 112).[11] Weiter gehen die Autoren auf unterschiedliche Formen der Beziehungen zu den Kunden ein, die sich aus der Stellung in der Pyramide ergeben.

Die Stellung in der Pyramide bezieht sich auf die Herstellung einer bestimmten Produktart. Je nachdem, ob ein Unternehmen Systeme, Komponenten oder Teile fertigt, unterscheiden sich, den Annahmen der Pyramide zufolge, sowohl die Kooperationsbeziehungen mit den Kunden als auch das Qualifikationsniveau der Mitarbeiter. Da diese Hintergrundbeziehungen als wichtiges Kriterium der Strategiemöglichkeiten gesehen werden, lassen sich je nach Produktart unterschiedliche Handlungsoptionen aufzeigen. Die Stellung in der Pyramide wird somit für das Unternehmen zum entscheidenden Kriterium für die Bestimmung seiner Absatzsituation und Handlungsspielräume (vgl. Mätzke, 1996, S. 69).

Die Automobilhersteller an der Spitze der Pyramide verfügen über hinreichend große Machtpotentiale, um verschärfte Marktanforderungen strategisch in die Zulieferkette weitergeben zu können (Sauer/Döhl, 1994, S. 201).

Die Systemlieferanten unterhalb dieser Stufe liefern komplette, vormontierte Systeme oder umfassende Problemlösungen und übernehmen somit die aus der Reduzierung der Fertigungstiefe bei den Abnehmern entstehenden Produktionsprozesse (vgl. Bieber/Sauer, 1991, S. 250, Deiß, 1994, S. 428).

Trotz weiterbestehender struktureller Abhängigkeit vom Abnehmer können sich diese Zulieferer eine stärkere Stellung erobern, weil sie aufgrund der erbrachten Leistungen für die Abnehmerunternehmen strukturell an Relevanz gewinnen (vgl. Bieber/Sauer, 1991, S. 250).

Diese Unternehmen der obersten Zulieferstufe zeichnen sich durch hohe Innovationsfähigkeit, großes fertigungsbezogenes Know-how und erhebliche Kapitalkraft aus (Bieber/Sauer, 1991, S. 250, Deiß, 1994, S. 428). Sie führen nicht nur Produktionstätigkeiten aus, sondern übernehmen in der Regel auch die Koordination der Sublieferanten. Diese Lieferanten müssen daher über Know-how bezüglich Produkten und Produktionsprozessen, Montage-, Logistik-, Qualitätssicherungs- und Entwicklungsaufgaben sowie über hohe Management- und Koordinationskompetenzen verfügen (Männel, 1996, S. 120). Diese Systemlieferanten sind in der Lage, die verstärkten Flexibilitätsanforderungen und den Preisdruck ihrer Kunden an ihre eigenen Sublieferanten weiterzugeben (vgl. Bieber/Sauer, 1991, S. 250, Deiß, 1994, S. 428). Ähnlich wie die ihnen nachgelagerten Autohersteller können die Systemlieferanten unrentable arbeitsintensive Aktivitäten auslagern und sich von Aufgaben mit geringem Mehrwert entlasten (vgl. EIRO, 2000, S. 4).

An der Spitze der Pyramide ist die Beziehung zu den Abnehmern stark durch Autonomie und Vertrauen geprägt (vgl. Bieber/Sauer, 1991, S. 251). Die Lieferbeziehungen zu den Endherstellern sind auf langfristige Zusammenarbeit ausgerichtet und in einigen Bereichen durch eine enge Kooperation auf hohem Leistungs- und Intensitätsniveau gekennzeichnet (vgl. Mätzke, 1996, S. 69, Männel, 1996, S. 117, 122).

Die von den Systemlieferanten übernommenen Entwicklungsleistungen bedürfen einer frühen, teamorientierten Einbindung in die Entwicklungsprozesse des Herstellers, um so im Rahmen einer frühzeitigen Zusammenarbeit das Wissen der Zulieferer in die Produktentwicklung einfließen zu lassen (vgl. Männel, 1996, S. 117-118). Weiter ist eine enge Zusammenarbeit notwendig, um herstellerspezifischen Anforderungen besser Rechnung tragen zu können (vgl. Männel, 1996, S. 122). Insgesamt findet sich zwischen den Lieferanten dieser Pyramidenstufe und ihren Kunden eine intensive, sich von der Entwicklung eines Produktes über die Produktion, Logistik bis zur Entsorgung erstreckende Zusammenarbeit (vgl. Männel, 1996, S. 118).

Hinsichtlich der Beschäftigten wird davon ausgegangen, daß bei den Systemherstellern die Arbeitskosten einen begrenzten Einfluß auf die Produktionskosten haben. Die Arbeit ist relativ gut bezahlt, und Produktionsflexibilität wird durch starke Automatisierung und neue Formen der Arbeitsorganisation, wie Strukturen mit geringen Hierarchien oder Arbeit in Gruppen, erreicht (EIRO, 2000, S. 5). In diesem oberen Bereich der Pyramide ist im Vergleich zum unteren ein viel geringer Anteil an Fabrikarbeitern zu verzeichnen (vgl. EIRO, 2000, S. 5).

An der Basis der Pyramide finden sich die Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe, des von ihnen angebotenen Produktspektrums, ihres Know-hows und ihres eingeschränkten Marktzugangs verhältnismäßig leicht austauschbar sind und über eine relativ schwache Position verfügen (Sauer/Döhl, 1994, S. 201). Diese Unternehmen können den veränderten Anforderungen nur begrenzt nachkommen und verfügen kaum über Voraussetzungen, um sich zu Entwicklungs- oder Systemlieferanten zu entwickeln (vgl. Deiß, 1994, S. 428). Hirsch-Kreinsen bezeichnet diese jederzeit austauschbaren Produzenten von einfachen Massenteilen an der Basis der Pyramide gar als „Garagenbetriebe“ und „Sweat shops“ (Hirsch-Kreinsen, 1994, S. 440).

Bei den von den Teilelieferanten gefertigten standardisierten, wenig kundenspezifischen Produkten, die durch eine hohe Markttransparenz charakterisiert sind, ist aufgrund der globalen, überwiegend an Kosten orientierten Ausrichtung der Beschaffung am Weltmarkt auch kurzfristig ein Lieferantenwechsel möglich (Männel, 1996, S. 122). So ist die Zusammenarbeit zwischen den Kunden und den Lieferanten dieser Ebene aufgrund der geringen Spezifität der Leistungen und des relativ niedrigen Produktions-Know-hows meist zeitlich befristet und stark preisorientiert (vgl. Männel, 1996, S. 121). Es dominieren Formen rigiden Preisdrucks und einseitige Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Unternehmen dieser Stufe und den mächtigeren Direktlieferanten (vgl. Mätzke, 1996, S. 69).

In diesen Betrieben an der Basis der Pyramide finden sich nach wie vor und in erheblichem Maße traditionell tayloristisch organisierte Arbeitsstrukturen mit geringen Qualifikationsanforderungen (Deiß, 1994, S. 437). Es finden sich hier auch häufiger als bei den Systemlieferanten ein einfacheres Technisierungsniveau und/oder tayloristische Formen der Arbeitsorganisation (vgl. Deiß, 1994, S. 431).

Eine große Anzahl von Unternehmen führt arbeitsintensive Aktivitäten mit geringem Mehrwert bei starkem Wettbewerb und unter einem hohen Druck aus, die Arbeitskosten aufgrund ihres entscheidenden Anteils an den Produktionskosten zu reduzieren und die Arbeitsbedingungen zu deregulieren (EIRO, 2000, S. 5). Die Anzahl der Fabrikarbeiter nimmt in diesem Bereich der Pyramide in Verbindung mit einer Zunahme instabiler, schlecht bezahlter Arbeit mit geringem Schutz erheblich zu, wobei weniger qualifizierte Arbeitsplätze als in der oberen Ebene existieren (vgl. EIRO, 2000, S.5, 25). Produktionsflexibilität bedeutet in dieser Stufe vor allem eine stärkere Belastung und eine höhere Verfügbarkeit der Arbeitnehmer sowie den Einsatz von Zeitarbeit (EIRO, 2000, S.5).

Wie gezeigt, werden von den Autoren große Unterschiede hinsichtlich der Kooperationsbeziehungen und des Qualifikationsniveaus der Beschäftigten je nach Stellung innerhalb der Pyramide und somit je nach Art des Produktes angenommen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 verdeutlicht die implizierten Unterschiede.

Abbildung 2: Qualifikationsniveau und Kooperationsbeziehungen bezogen auf Stellung innerhalb der Pyramide

2.3.3 Nutzen der Pyramidenthese für die Bestimmung von Handlungsoptionen

Wie im vorangegangenen Kapitel gezeigt wurde, geht ein großer Teil von Autoren davon aus, daß die Herstellung einer bestimmten Produktart unmittelbar mit einer bestimmten Stellung in der Pyramide verknüpft ist. Diese Produktart bzw. Stellung in der Pyramide hat sowohl Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit den Kunden als auch auf die Beschäftigtensituation und das Qualifikationsniveau. So gehen die Autoren davon aus, daß die Hersteller von Systemen enge Kooperationsbeziehungen zu den Kunden haben und die an sie gestellten Aufgaben mit einem hohen Anteil kompetenter Mitarbeiter bewältigen. Dagegen sollen sich die Teilelieferanten dadurch auszeichnen, daß bei ihnen Mitarbeiter mit geringem Know-how standardisierte Produkte fertigen, die keiner engen Kundenbeziehung oder Kooperation bedürfen.

Aus diesen Annahmen werden von den Autoren je nach gefertigter Produktart unterschiedliche Strategieoptionen für die Zulieferer abgeleitet. Für Systemhersteller und Teilelieferanten, als gegensätzliche Pole der Pyramide, ergeben sich aufgrund der implizierten Annahmen grundsätzlich andere Anforderungen und auch Strategieoptionen.

An die Modul- bzw. Systemlieferanten werden von seiten der Autohersteller hohe Anforderungen gestellt, wobei ein kurzfristiger Lieferantenwechsel nach den Kriterien Preis, Qualität und Lieferzuverlässigkeit durch eine langfristige Zusammenarbeit ersetzt wird, der ein intensiver gegenseitiger Informationsaustausch und eine vielschichtige Zusammenarbeit zugrunde liegt (vgl. Männel, 1996, S. 116). Aufgrund der von den Modul- und Systemlieferanten angebotenen Leistungen, die sich durch einen hohen Wertschöpfungs- und Entwicklungsbeitrag auszeichnen, nehmen sie häufig die beste Wettbewerbsposition in der Pyramide ein (vgl. Männel, 1996, S. 125). Auch stehen sie sowohl aufgrund der eher auf Partnerschaft als auf Preisdruck ausgerichteten Zusammenarbeit mit den Kunden als auch der Möglichkeit, eventuellen Preisdruck an die vorgelagerten Pyramidenstufen weiterzugeben, unter geringerem Kostendruck als die Betriebe der unteren Stufen.

Die Anforderungen der Autohersteller hinsichtlich der Übernahme von Entwicklungsleistungen, logistischen Aufgaben, Forschungstätigkeiten und Koordinationsleistungen sind mit hohen Ansprüchen an die beschäftigen Mitarbeiter verbunden.

Für Systemhersteller ist somit die Beschäftigung qualifizierten Personals und deren Weiterqualifizierung ein wichtiges Erfordernis. Von den Mitarbeitern werden Management-Leistungen erwartet, die sich sowohl auf Prozeßsteuerung im Rahmen eines Simultaneous Engineering als auch auf die Koordination einer Vielzahl von Sublieferanten und Partnern in der Pyramide beziehen. Allein technische Kompetenz und Perfektion bei hauseigenen Verfahren werden dagegen nicht länger ausreichend sein (vgl. Wolters, 1999, S. 71).

Sowohl die Forderungen hinsichtlich JIT als auch der hohe Abstimmungsbedarf bei der engen Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung stellen die System- bzw. Modulhersteller vor die Anforderung, sich in unmittelbar geographischer Nähe des Kunden anzusiedeln (vgl. Männel, 1996, S. 119).

Um den verstärkten Internationalisierungstendenzen der Autohersteller Rechnung zu tragen, müssen die Hersteller von Modulen oder Systemen oft auch in Nähe des Auslandsstandortes des Kunden einen Standort errichten, um dort denselben Liefer- und Leistungsservice bieten zu können. Hinsichtlich der Standortfrage wird damit von den Lieferanten der obersten Stufe eine besonders große Flexibilität verlangt (vgl. Männel, 1996, S. 119).

Andere Anforderungen und Strategieoptionen ergeben sich für die Teilelieferanten. Diese sind der Pyramide zufolge starkem Preis- und Konkurrenzdruck ausgesetzt, der sich durch die Austauschbarkeit ihrer Produkte und die mit den Global Sourcing Aktivitäten der größeren Zulieferer oder Autohersteller verstärkte Konkurrenz aus dem Ausland noch verschärft (vgl. Männel, 1996, S. 120-121). Auch sind die von den Teilelieferanten gefertigten Produkte gut für einen Handel im Internet geeignet, was aufgrund der möglichen globalen Marktplätze eine weitere Verschärfung des Konkurrenz- und Preisdrucks nach sich zieht. Die Teilelieferanten stehen somit unter hohem Druck, ihre Prozesse zu optimieren und die Preisführerschaft zu erreichen, um dem verschärften Wettbewerb standhalten zu können. Außerdem ist die Sicherung der geforderten Qualitätsstandards erforderlich (vgl. Wildemann, 1992, S. 398). Die Strategie der Teilelieferanten muß daher entgegen den Strategien der Systemhersteller auf Spezialisierung, Automatisierung und Flexibilisierung gerichtet sein, um in einem spezifischen Marktsegment die Kostenführerschaft zu erreichen (Männel, 1996, S. 125).

Allerdings erweist sich die Realisierung der Kostenführerschaft aufgrund der Standortnachteile für deutsche Zulieferer als schwierig (vgl. Männel, 1996, S. 125). Wildemann zufolge haben Teilefertiger dann eine Überlebenschance, wenn es ihnen gelingt, die Position des Kostenführers unter Wahrung eines hohen Qualitätsstandards einzunehmen, oder sie ihre bisherige Wettbewerbsposition durch die Erweiterung des Leistungsspektrums verändern können (Wildemann, 1992, S. 406).

Sofern bei diesen Zulieferern die nötigen Kapitalmittel vorhanden sind, kann sich eine Verlagerung von Produktionsteilen ins Ausland als sinnvolle Strategieoption erweisen, um dort kostengünstiger zu produzieren. Kooperationen mit anderen Betrieben könnten weitere Möglichkeiten sein, neue Aufgaben zu bewältigen, das Produktspektrum zu erweitern, Kosten zu sparen oder gemeinsam Auslandsaktivitäten aufzubauen.

Das niedrige Qualifikationsniveau der Beschäftigten und die tayloristisch gestalteten Arbeitsprozesse machen die Beschäftigen tendenziell austauschbar. Möglichen Absatzproblemen kann daher leichter über Regulierungen im Mitarbeiterstamm begegnet werden, da in der Regel bei Verbesserung der Absatzlage genügend Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt vorhanden sind, die den geringen qualifikatorischen Anforderungen genügen. Hohe Anforderungen hinsichtlich flexibler Leistungen machen oftmals auch den Einsatz von Zeitarbeitskräften notwendig.

Wie anhand der Ausführungen verdeutlicht werden sollte, stellen sich den Vertretern der Pyramidenthese zufolge aufgrund der stofflichen Produktart und der implizierten Kooperations- und Qualifikationsbedingungen unterschiedliche Anforderungen und Strategieoptionen für die Zulieferer.

Auf unterschiedliche Strategieoptionen, die sich aus den internen Koordinationsanforderungen und den externen Beziehungen zu den Kunden ableiten, stellt auch das Konzept der Produktionswelten von Salais und Storper ab. Im Gegensatz zu der vorgestellten Zulieferpyramide wird in diesem Konzept allerdings die stoffliche Struktur eines Produktes ausgeklammert und Handlungsoptionen bzw. –restriktionen nicht auf eine bestimmte Produktkategorie wie „System“ oder „Teil“ bezogen. Statt dessen wird allein auf die einem Produkt zugrundeliegenden Hintergrundbedingungen eingegangen, um mögliche Strategieoptionen zu entwerfen.

Im folgenden Kapitel soll dieses Konzept vorgestellt werden.

2.4 Die vier Produktionswelten nach Salais/Storper

Salais und Storper gehen davon aus, daß hinter einem bestimmten Produkt jeweils unterschiedliche interne und externe Beziehungen stehen. Durch die Entscheidung, ein bestimmtes Produkt zu fertigen, wird so aufgrund der mit dem Produkt verbundenen internen und externen Faktoren ein bestimmter Handlungsrahmen festgelegt, innerhalb dessen das Unternehmen bestimmte Optionen wahrnehmen und Handlungsspielräume ausnutzen kann (vgl. Salais/Storper, 1992, S. 171, 175).

Den Autoren zufolge gibt es vier grundsätzliche Typen von Produkten: standardisiert-generisch, standardisiert-bestimmt, spezialisiert-bestimmt und spezialisiert-generisch. Zur Bedeutung dieser vier Typen geben die Autoren an: „Each corresponds to different combinations of markets and technologies and (...) each implies different combinations of assets and rationalities of behaviour on the part of producers and users“ (Salais/Storper, 1992, S. 176-177).

Die Dimension „standardisiert – spezialisiert“ bezieht sich auf die zur Herstellung des Produktes nötigen Inputs wie bestimmte Technologien, Informationen und Fähigkeiten, die jeweils Einfluß auf unternehmensinterne Koordinations- und Kooperationsanforderungen haben (vgl. Storper, 1996, S. 763).

Das standardisierte Produkt wird dabei mit austauschbaren und reproduzierbaren Ressourcen hergestellt, die keinerlei Individualität oder spezifisches Know-how zu dessen Fertigung benötigen. Qualität ist so umfassend erreichbar, daß sich der Wettbewerb fast ausschließlich auf den Preis des Produktes konzentriert und die Unternehmen somit bemüht sind, Economies of Scale auszunutzen (vgl. Salais/Storper, 1992, S. 175). Im Falle des spezialisierten Produktes kennzeichnet sich der Herstellungsprozeß und das hergestellte Produkt durch die Nutzung von Input und Objekten, die einen hohen Grad an Spezifität, Wissen und Einzigartigkeit aufweisen. Die Technologie oder das Know-how der Mitarbeiter ist nur einer Gemeinschaft von Spezialisten zugänglich, und jeder menschliche oder materielle Input ist einzigartig (vgl. Salais/Storper, 1992, S. 175). Die Qualität des hergestellten Produktes spielt hier immer eine wichtige Rolle in der Wettbewerbsstrategie des Unternehmens, wohingegen der Preis zweitrangig ist (vgl. Salais/Storper, 1992, S. 175).

Die Dimension „generisch-bestimmt“ bezieht sich auf die Struktur der Nachfrage und das Ausmaß an Anonymität und Gleichartigkeit des Kunden. Verbunden mit dieser Dimension sind externe Koordinations- und Kooperationsanforderungen zwischen Hersteller und Kunden (vgl. Storper, 1996, S. 764).

Generische Produkte zeichnen sich dadurch aus, daß sie für einen anonymen Markt oder Kunden hergestellt werden, ohne auf individuelle und spezifische Kundenanforderungen einzugehen. Generische Produkte können aufgrund ihrer allgemein bekannten Qualitäten direkt auf anonymen Märkten und auch über große Distanzen verkauft werden. Sie bedürfen somit keiner engen Kunden-Herstellerbeziehung (vgl. Salais/Storper, 1992, S. 175). Ein generisches Produkt ist mit einer vorhersehbaren zukünftigen Marktsituation verknüpft, in der zwar Unterschiede bezüglich der Nachfrage bestehen, diese aber mit Hilfe von Kalkulationen und Vorhersagen ausgeglichen werden können (vgl. Salais/Storper, 1992, S. 173, 175).

Ein bestimmtes Produkt richtet sich dagegen auf eine bestimmte, individuelle Nachfrage. Seine Spezifikationen oder Qualitäten werden durch die Wünsche und Ansprüche eines bestimmten Kunden oder Kundentyps definiert, was eine enge Abstimmung zwischen Hersteller und Kunde erfordert und hohe Anforderungen an die externen Kooperationsbeziehungen stellt (vgl. Salais/Storper, 1992, S. 175). Die zukünftige Marktsituation zeichnet sich für die Hersteller durch einen hohen Grad an wahrer Unsicherheit aus. Eine Prognose der zukünftigen Nachfrage oder Anforderungen an das Produkt ist nicht möglich, da diese in jeder Transaktion mit den Kunden erst neu definiert werden (vgl. Salais/Storper, 1992, S. 173, 176). Das bestimmte Produkt ist aufgrund der unsicheren Marktsituation mit einem lokalen Markt verknüpft, da das Produkt nicht unabhängig von engen sozialen und räumlichen Beziehungen zwischen Hersteller und Kunde verkauft werden kann (vgl. Salais/Storper, 1992, S. 176).

Die vier unterschiedlichen Kombinationen mit den jeweiligen Implikationen haben Salais und Storper in ihren vier Produktionswelten beschrieben. Jede Welt steht dabei für eine Form von Koordination zwischen denjenigen Personen, die in die Herstellung des Produktes einbezogen sind und denjenigen Personen, die es später nutzen werden (vgl. Storper/Salais, 1997, S. 42).

2.4.1 Die industrielle Welt

Die industrielle Welt entspricht zu großen Teilen der industriellen Massenproduktion (vgl. Storper/Salais, 1997, S. 21). Diese Welt zeichnet sich dadurch aus, daß in ihr generische, standardisierte Produkte gefertigt werden.

Der Produktionsprozeß ist durch Standardisierung und somit durch den Einsatz austauschbarer und reproduzierbarer Ressourcen gekennzeichnet. In dieser Welt findet der Wettbewerb über den Preis statt, wobei die Ausnutzung von Economies of Scale zum Erreichen der Wettbewerbsfähigkeit oft hohe Investitionen in das Fixkapital erfordert. Die hohe Kapitalbindung wird dadurch gerechtfertigt, daß in dieser Welt von einer abschätzbaren Zukunft ausgegangen wird. Zwar bestehen in dieser Welt auch Unsicherheiten gegenüber der Zukunft, diese beziehen sich aber auf abschätzbare und kalkulierbare Risiken wie temporäre Nachfrageschwankungen und können mittels Praktiken wie Risikomanagement, Produktionsplanung, Strategien zur Marktexpansion und saisonalen oder zeitlichen Veränderungen im Output ausgeglichen werden (vgl. Salais/Storper, 1992, S. 177). Zwar sind in dieser Welt die menschlichen Ressourcen, also die Mitarbeiter, im Grunde austauschbar und ersetzbar, allerdings fördern die hohen fixen Investitionen eine bestimmte Stabilität von Beziehungen und erlauben so kontinuierliche Beschäftigungsverhältnisse mit internen Lerneffekten und die Herausbildung unternehmensspezifischer Kenntnisse und Effizienzsteigerungen (vgl. Storper/Salais, 1997, S. 36). Allerdings werden in dieser Welt Einbrüche im Betriebsergebnis in der Regel durch eine Reduzierung der Arbeitskosten ausgeglichen (vgl. Salais/Storper, 1992, S. 186).

2.4.2 Die Marktwelt

In der Marktwelt werden bestimmte, standardisierte Produkte in größeren Mengen hergestellt. Jede Produktion ist dabei für einen bestimmten Kunden ausgelegt (vgl. Storper/Salais, 1997, S. 34). Es handelt sich dabei z.B. um eine differenzierte Serienproduktion, bei der mittels Differenzierung den Anforderungen eines engen Marktsegments entsprochen wird (vgl. Salais/Storper, 1992, S. 177). Der Produktionsprozeß ist wie in der industriellen Welt durch Standardisierung charakterisiert, was den Druck erhöht, den Produktionsprozeß zu routinisieren.

Die Produktionstechnologie ist dadurch gekennzeichnet, daß flexible und vielfach einsetzbare Maschinen verwendet werden, um sowohl Economies of Scale als auch eine bestimmte Differenzierung der Produkte, mit der auf enggefaßte Anforderungen von Kunden eingegangen wird, zuzulassen (vgl. Storper/Salais, 1997, S. 49).

Die zukünftige Marktsituation zeichnet sich für diese Welt durch wahre Unsicherheit aus. Eine Prognose der zukünftigen Aufträge, Preise, Unternehmenssituation oder des zukünftigen Absatzes ist aufgrund des begrenzten Kundenkreises und der tendenziellen Einzigartigkeit jeder Transaktion nicht möglich. Um dieser Unsicherheit zu begegnen, ist das Unternehmen dieser Welt dazu geneigt, die Irreversibilität von Investitionen so stark wie möglich zu begrenzen und statt dessen viele Aspekte der Zukunft offen zu halten (vgl. Salais/Storper, 1992, S. 173). So werden, im Gegensatz zur industriellen Welt, keine großen Investitionen in Fertigungsanlagen getätigt und mit den Beschäftigten oftmals nur befristete Verträge abgeschlossen (vgl. Salais/Storper, 1992, S. 177). Unter den Beschäftigten findet sich ein großer Teil angelernter Arbeitskräfte, die allerdings aufgrund der Flexibilitätsanforderung von verschiedenen Kundenwünschen in der Lage sein müssen, verschiedene Aufgaben zu bewältigen.

Konkurrenz findet hauptsächlich über den Preis statt, daneben spielt eine hohe Anpassungsflexibilität eine große Rolle, um schnellstmöglich auf Kundenwünsche reagieren zu können.

2.4.3 Die interpersonale Welt

In der interpersonalen Welt werden bestimmte, spezialisierte Produkte hergestellt, die sich auf eine individuelle Nachfrage richten (vgl. Storper/Salais, 1997, S. 20). Der Produktionsprozeß ist durch Spezialisierung gekennzeichnet, wobei hochspezialisierte, sogar einzigartige Ressourcen und Kompetenzen genutzt werden. Die Arbeitskräfte sind entweder qualifiziert oder hochqualifiziert, sie sind in der Lage, eine große Fülle an unterschiedlichsten Aufgaben zu erfüllen. Im Produktionsprozeß werden flexible und vielseitig einsetzbare Maschinen und Werkzeuge verwendet, um den unterschiedlichen Anforderungen an spezifische Produkte gerecht zu werden.

Das Produkt wird auf einen ganz bestimmten Kundenwunsch zugeschnitten, was häufige Absprachen und somit eine intensive Kommunikation zwischen Kunde und Hersteller erfordert. Diese enge Hersteller-Kundenbeziehung ist häufig auf räumliche Nähe angewiesen, da komplizierte Absprachen und Spezifikationen nur schwer ohne direkte Kommunikation getroffen werden können.

Sowohl die Hersteller als auch die Konsumenten sehen sich hinsichtlich der Zukunft wahrer Unsicherheit gegenüber, weil es keine Möglichkeit gibt, im voraus die Qualität des Produktes einzuschätzen, die erst im Verhandlungsprozeß zwischen Hersteller und Kunde definiert wird (vgl. Storper/Salais, 1997, S. 35). Neben der Unsicherheit hinsichtlich der Qualität bezieht sich Unsicherheit auch darauf, welche Art von Produkten die Firma als nächstes zu fertigen hat (vgl. Salais/Storper, 1992, S. 178). Eine intensive und kommunikationsreiche Hersteller-Käufer Beziehung wird zum wichtigsten und einzigen Element, mit dieser Unsicherheit umzugehen. Die räumliche Nähe spielt daher zur Gewährleistung dieser engen Beziehung eine wichtige Rolle (vgl. Salais/Storper, 1992, S. 178).

Kurzfristig versucht das Unternehmen, mittels Preisänderungen auf diese Unsicherheit zu reagieren, langfristig wird eher versucht, durch aktive Suche nach neuen Absatzchancen externe Flexibilität zu erreichen (vgl. Salais/Storper, 1992, S. 178).

Konkurrenz zwischen Firmen findet in dieser Welt vor allem über die Qualität statt, während der Preis des Produktes direkt die Einschätzung von Konsumenten hinsichtlich der Qualität reflektiert.

In der interpersonalen Welt sind die Arbeitskräfte von großer Bedeutung. Die Reduzierung von Arbeitskosten als Reaktion auf Ergebniseinbrüche spielt eine geringere Rolle als in der industriellen Welt oder der Marktwelt, dagegen wird der Reproduktion und Entwicklung von Know-how bei den Mitarbeitern Priorität eingeräumt (vgl. Storper, 1996, S. 773).

2.4.4 Die Innovationswelt

In der Innovationswelt werden spezialisierte, generische Produkte hergestellt. Es handelt sich dabei um Grundlagenforschung für neue Produkte, die meist in den Forschungsabteilungen großer Unternehmen durchgeführt und von diesen getragen wird (vgl. Storper/Salais, 1997, S. 37). Die Firmen sehen sich der extremen Unsicherheit gegenüber, ob ihre Forschungs- und Entwicklungsleistungen tatsächlich in neuen Produkten münden und überhaupt auf eine Nachfrage treffen werden (vgl. Storper/Salais, 1997, S. 37). Die Innovationswelt ist für sich allein nicht wirtschaftsfähig und wird daher aus der Betrachtung innerhalb der folgenden Untersuchung ausgeschlossen.

2.4.5 Strategieoptionen in den Welten

Wie oben bereits kurz erwähnt, lassen sich je nach Welt unterschiedliche Handlungsoptionen oder auch -restriktionen finden, die sich aus den unterschiedlichen internen und externen Kooperations- oder Koordinationsanforderungen ergeben.

So verhindern die Einzigartigkeit und das für die Fertigung notwendige Spezial-Know-how der Mitarbeiter in der interpersonalen Welt kurzfristige Anpassungen an Nachfrageschwankungen über die Regulierung des Mitarbeiterstammes. Die Mitarbeiter sind in der interpersonalen Welt ein wichtiges Kapital, was eine ständige Weiterqualifizierung und den Aufbau weiteren Know-hows äußerst wichtig macht. Die Austauschbarkeit der Mitarbeiter in der Marktwelt eröffnet dagegen die Möglichkeit, kurzfristig über Anpassungen an den Mitarbeiterstamm Nachfrageschwankungen auszugleichen und Kosten zu senken.

Auch die externen Beziehungen zu den Kunden bedingen bestimmte Strategieoptionen. So kann für die interpersonale Welt eine Ansiedlung in Nähe des Kunden eine sinnvolle Strategieoption sein, um die enge Zusammenarbeit mit dem Kunden zu forcieren. Dies kann vor dem Hintergrund der Internationalisierungsstrategien der Hersteller auch das Erfordernis für die Zulieferer der interpersonalen Welt mit sich bringen, im Ausland in Nähe des Kunden neue Standorte aufzubauen, um auch dort eng mit dem Kunden zu kooperieren und außerdem von der räumlichen Ausdehnung des Marktes zu profitieren.

Dagegen spielt diese räumliche Anbindung für die Betriebe der industriellen Welt eine geringere Rolle, da ihre Produkte ohne große Abstimmungsnotwendigkeit mit dem Kunden produziert bzw. verkauft werden können. Das in dieser Welt wie auch in der Marktwelt vorherrschende Kostenprimat macht für die Unternehmen andere Strategieoptionen sinnvoll. Bei diesen Betrieben dürften Kostenoptimierungsmaßnahmen und die Suche nach weiteren Möglichkeiten, die Kosten bzw. auch Preise zu senken, wichtige Strategieoptionen sein, die möglicherweise mit Auswirkungen auf die Beschäftigten verbunden sind. So könnten in diesen Welten Verlagerungen von Produktionsteilen ins Ausland zur Nutzung von Kostenvorteilen eine Rolle spielen und sich damit auch mögliche negative Konsequenzen für einige Tätigkeitsbereiche im Inland ergeben.

2.5 Vergleich von Zulieferpyramide und Produktionsweltenkonzept

Wie in den obigen Ausführungen gezeigt werden konnte, wird sowohl im Konzept der Zulieferpyramide als auch im Konzept der vier Produktionswelten von Salais und Storper auf die einem Produkt zugrundeliegenden Hintergrundbeziehungen eingegangen. In beiden Konzepten werden dabei als zentrale Faktoren die Qualifikationsstruktur der im Produktionsprozeß beschäftigten Mitarbeiter und die Kooperations- und Koordinationsbeziehungen zu den Kunden herausgestellt. So lassen sich in beiden Konzepten aufgrund der jeweiligen Ausprägungen der Hintergrundbeziehungen sowohl bestimmte Anforderungen an die Unternehmen als auch mögliche Handlungsoptionen und -restriktionen aufzeigen. Beide Konzepte sind somit für die Untersuchung der Strategiewahl niedersächsischer Zulieferer von Nutzen.

Während sich die Zulieferpyramide allerdings konkret auf die Zulieferer der Automobilbranche bezieht und die jeweiligen Hintergrundbeziehungen mit jeweils streng definierten stofflichen Produktkategorien verbindet, bezieht sich das Konzept der vier Produktionswelten nicht auf eine bestimmte Branche oder gar bestimmte fest definierte Produktkategorie.

Die folgende Untersuchung beschäftigt sich mit den Unterschieden bezüglich der an die Zulieferer gestellten Anforderungen und Möglichkeiten der Strategiewahl. Dabei soll zunächst geprüft werden, inwieweit sich die Annahmen der Pyramide, ausgehend von einer bestimmten Produktart auf die internen und externen Beziehungen schließen zu können, mittels der Daten aufzeigen lassen.

Sollten sich diese Implikationen der Pyramide anhand der Daten bestätigen lassen, würden die einzelnen Stufen der Pyramide in hohem Maße den Welten von Salais und Storper entsprechen. Die in der Pyramide angenommenen Hintergrundbeziehungen der Systemhersteller entsprechen aufgrund der angenommenen engen Kooperationsbeziehungen zu den Kunden und der hohen Qualifikationsstruktur der Mitarbeiter in hohem Maße den Kriterien der interpersonalen Welt. Dagegen ließen sich die Teilelieferanten, sollten sich die Annahmen hinsichtlich der Hintergrundbeziehungen verifizieren lassen, in die Marktwelt oder die industrielle Welt einordnen.

Falls sich die Hintergrundbedingungen je nach Produktart in der von den Pyramidenvertretern angenommenen Weise unterscheiden, sind je nach Produktart die Strategieoptionen zu erwarten, die im Rahmen des Produktionsweltenkonzeptes für die einzelnen Welten erläutert wurden. Dabei würden die Strategieoptionen, die von den Pyramidenvertretern für die einzelnen Produktarten angenommen werden, aufgrund der gemeinsamen Basis in hohem Maße den erläuterten Handlungsmöglichkeiten nach Salais und Storper entsprechen.

Lassen sich die Annahmen der Pyramide hinsichtlich der Hintergrundbeziehungen dagegen nicht bestätigen, wäre es nicht möglich, allein über die stoffliche Produktart eine Einordnung in die vier Welten vorzunehmen. Damit wäre auch die Bestimmung von unterschiedlichen Strategieoptionen aufgrund der fest definierten Produktart nicht möglich. Somit würden die im Rahmen der Pyramide vorgestellten und eng definierten Strategieoptionen für Systemhersteller und Teilehersteller nicht zu halten sein.

2.6 Zusammenfassung und Ableitung der Hypothesen

Die Autohersteller sahen sich in den 90er Jahren aufgrund der verschärften Konkurrenzsituation und der veränderten Marktbedingungen zu umfassenden Restrukturierungsmaßnahmen gezwungen, um dem starken Wettbewerb standhalten zu können. Diese Maßnahmen beinhalteten auch eine umfassende Veränderung des Beschaffungsverhaltens und führten zu neuen Anforderungen an die Zulieferer. Die von einer Vielzahl von Autoren vertretene Pyramidenthese, die sowohl Aussagen über unterschiedliche Lieferstrukturen als auch über das Qualifikationsniveau der beschäftigten Mitarbeiter und die Art der Kundenbeziehungen macht, wird als Konsequenz des veränderten Beschaffungsverhaltens angeführt. Diese Pyramide ist für diese Arbeit insofern von Nutzen, als daß sich mit ihr je nach Art des hergestellten Produktes unterschiedliche Handlungsoptionen für die Zulieferer aufzeigen lassen. Auf unterschiedliche Strategieoptionen gehen auch Salais und Storper in ihrem Konzept der vier Produktionswelten ein. In ihren Annahmen zu unterschiedlichen Handlungsoptionen beziehen sie sich, wie die Pyramidenvertreter, auf die einem Produkt zugrundeliegenden Hintergrundbeziehungen bezüglich des Qualifikationsniveaus und der Kooperationsbeziehungen mit den Kunden. Im Gegensatz zur Pyramide ordnen sie die Hintergrundbeziehungen allerdings nicht einer fest definierten stofflichen Produktart zu.

In der folgenden empirischen Untersuchung soll als erstes analysiert werden, ob sich sowohl die in der Pyramide implizierten Lieferbeziehungen als auch die unterschiedlichen Formen der Zusammenarbeit mit den Kunden und die differierenden Qualifikationsniveaus der Beschäftigen anhand der erhobenen Daten aufzeigen lassen.

Zunächst soll untersucht werden, ob sich die in der Pyramide implizierten Lieferbeziehungen und Mengenabstufungen hinsichtlich der Anzahl von System- und Teilelieferanten mittels der erhobenen Daten feststellen lassen.[12] Sollten die implizierten Lieferstrukturen auf die befragten niedersächsischen Zulieferer zutreffen, müßten sich für die Systemhersteller und die Teilehersteller unterschiedliche Angaben hinsichtlich ihrer direkten Kunden finden lassen.

Bei den wenigen Systemherstellern müßten der Pyramidenthese zufolge Autohersteller einen großen Anteil als direkte Kunden haben. Dagegen dürften Autohersteller für die vielen Teilelieferanten nur einen geringen oder keinen Anteil als direkte Kunden haben. Statt dessen dürften die Hersteller von Teilen vor allem an andere Zulieferer liefern.

Zur Überprüfung der Lieferbeziehungen und der mengenmäßigen Verteilung werden aus den Annahmen folgende Hypothesen abgeleitet:

H1: Die Anzahl der Teilehersteller ist größer als die Anzahl der Systemhersteller. H0: Es lassen sich keine Unterschiede in der jeweiligen Anzahl zeigen.

H2: Es lassen sich Unterschiede zwischen den Systemherstellern und den Teileherstellern hinsichtlich der Kundenanteile der Autohersteller und Zulieferer aufzeigen. H0: Es lassen sich keine Unterschiede in den Kundenanteilen zeigen.

Weiter soll untersucht werden, ob sich die Thesen hinsichtlich des unterschiedlichen Qualifikationsniveaus und der Art der Kundenbeziehung bei diesen beiden Produktarten bestätigen lassen. Sollten die Annahmen für die niedersächsischen Zulieferer zutreffen, müßten sich starke Unterschiede hinsichtlich des Know-hows der Mitarbeiter und der Kundenbeziehungen zwischen den System- und Teilelieferanten finden lassen.

Die Systemhersteller müßten sich durch ein überdurchschnittlich hohes Qualifikationsniveau ihrer Mitarbeiter auszeichnen, daneben müßte die Beziehung zu den Kunden eng, von langfristiger Dauer und kooperativ sein. Bei den Teileherstellern dagegen müßten sich unterdurchschnittlich viele qualifizierte Mitarbeiter finden lassen.[13] Die Kooperationsbeziehung zu den Kunden müßte, den Annahmen der Pyramide zufolge, kurzfristig und auf Austauschbarkeit gerichtet sein.

Aus diesen Annahmen werden folgende Hypothesen abgeleitet:

[...]


[1] In der Praxis wird anstelle des Begriffs Automobilhersteller auch der Begriff „Original Equipment Manufacturer“, OEM, benutzt (vgl. Abend, 1992, S. 10). Die Begriffe Automobilhersteller, Endhersteller, Finalist und OEM werden in dieser Arbeit synonym verwendet.

[2] Unter Zulieferern werden Produktions- oder Dienstleistungsbetriebe verstanden, deren Geschäftsbetrieb darin besteht, Zulieferprodukte, also Produkte oder Dienstleistungen, an industrielle Abnehmer, die in der Wertschöpfungskette nachgelagert sind, zu liefern (vgl. Ruppert, 1997, S. 22, Reeg, 1998, S. 28). Generell werden unter Zulieferprodukten solche Produkte verstanden, die erst durch den Einbau oder Anbau in bzw. an ein komplexes Hauptprodukt, das wiederum sowohl ein Zulieferprodukt als auch das Endprodukt sein kann, ihre Funktion zweckbestimmt erfüllen können und für die Herstellung des (End-) Produktes erforderlich sind (vgl. Ruppert, 1997, S. 22, Hutzel, 1981, S. 47, Abend, 1992, S. 10). Nicht als Zulieferer werden Unternehmen bezeichnet, die rechtlich und ökonomisch nicht selbständig sind, wie z.B. Tochterfirmen des Abnehmers (vgl. Semlinger, 1989, S. 517). Die in dieser Arbeit durchgeführte Untersuchung beschränkt sich ausschließlich auf Betriebe und Unternehmen, die Zulieferprodukte für das Endprodukt Personenkraftwagen liefern. Nicht einbezogen werden demnach z.B. Zulieferer von Nutzfahrzeugteilen oder Teilen für sonstige Fahrzeuge.

[3] Die Leistungstiefe bezeichnet das Ausmaß, in dem ein Unternehmen benachbarte Leistungsstufen wie z.B. Entwicklung, Fertigung und Montage von Vorprodukten etc. jeweils selbst erstellt (vgl. Picot, 1991, S. 337).

[4] Die Kernprozesse beziehen sich je nach Unternehmen auf verschiedene Bereiche. BMW beispielsweise operiert mit vier Kernkompetenzen: Karosserierohbau, Motorenproduktion, Fahrzeugmontage und Lackiererei. Bei VW und Daimler Benz gehören Rohbau, Lackiererei, zentrale Aggregate und die Fahrzeugmontage zu den Kernkompetenzen (vgl. Blöcker, 1999, S. 104).

[5] Teilweise wird in der Literatur davon ausgegangen, daß sich der Begriff Outsourcing auch auf die Verlagerung von Aktivitäten in konzerneigene Betriebe beziehen kann. In dieser Arbeit soll mit Outsourcing allerdings die Vergabe von Arbeiten an externe Unternehmen gemeint sein.

[6] Bei den folgenden Daten ist anzumerken, daß die Berechnung der Fertigungstiefe nicht einheitlich festgelegt ist und sich somit je nach Unternehmen unterschiedliche Berechnungsarten ergeben können, was einen Vergleich zwischen den verschiedenen Autoherstellern schwierig macht. Die Daten können allerdings zur Verdeutlichung des Trends zur Reduzierung der Fertigungstiefe dienen.

[7] Dem steht allerdings die neueste Fremdvergabe, der Auftrag zur Herstellung der kompletten Außenhaut für den neuen Geländewagen von VW, entgegen. Anfang März 2001 erhielt der Magna-Konzern den Auftrag. Erstmals überhaupt hat VW dabei die Fertigung einer Karosserie außer Haus vergeben, was Branchenkenner als mittlere Sensation werten (Stockinger, 2001, S.1).

[8] Low-Tech-Fertigung bezeichnet Tätigkeiten mit hohem personellen und manuellen Aufwand, geringen Technologie- und Qualifikationsansprüchen, hohen Kosten sowie geringer Wertschöpfung (vgl. Klebe/Roth, 1991, S. 182).

[9] Electronic Data Interchange

[10] Auch der Volkswagen AG wurde eine Zusammenarbeit an Covisint angeboten. Volkswagen-Vorstand Piëch schloß zunächst einen Beitritt von VW zu dieser Plattform nicht aus. Volkswagen handelt bereits seit 1998 über einen elektronischen Marktplatz mit rund 3500 Lieferanten (vgl. o.V., Spiegel-online, 2000, S.1). Die elektronische Vernetzung mit den Zulieferern nennt sich bei VW „Electronic Supplier Link (ESL)“, wobei der Unterschied zum Internet vor allem in höheren Kosten liegt (vgl. Lamparter, 2000, S.2).

[11] In der Erläuterung der unterschiedlichen Kooperations- und Qualifikationsbedingungen innerhalb der Pyramide soll die Analyse auf die Zulieferer der obersten und untersten Stufe beschränkt sein, um die beiden Extremformen der Pyramide zu beleuchten. Die Komponentenhersteller in der mittleren Position bleiben dabei ausgeklammert.

[12] Die Untersuchung der Zulieferpyramide beschränkt sich auf die Untersuchung dieser beiden Produktarten als gegensätzliche Pole der Pyramide, wohingegen aus Zeit- und Platzgründen auf die Einbeschließung der Komponentenfertiger verzichtet wird.

[13] Unter dem Begriff qualifizierte Mitarbeiter werden in dieser Arbeit sowohl Facharbeiter als auch hochqualifizierte Mitarbeiter wie Ingenieure, technische Angestellte u.ä. subsumiert.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832453398
ISBN (Paperback)
9783838653396
DOI
10.3239/9783832453398
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen – Sozialwissenschaften, Soziologie
Erscheinungsdatum
2002 (April)
Note
1,0
Schlagworte
zulieferpyramide automobilindustrie
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Titel: Strategiewahl von Automobilzulieferern in Niedersachsen angesichts Strukturveränderungen in der Automobilzulieferindustrie
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