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Giordano Bruno

An der Schwelle der Moderne

©2001 Magisterarbeit 106 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Am 17. Februar 1600 wurde auf Befehl der päpstlichen Inquisition auf dem Campo di Fiore in Rom einer der bedeutensten Denker der italienischen Renaissance auf dem Scheiterhaufen verbrannt – Giordano Bruno. In ihm begegnet uns einer der merkwürdigsten und umstrittensten Männer des 16. Jahrhunderts. Obwohl sicherlich nicht ganz ohne Vorläufer, war er doch der erste bedeutende Vertreter einer neuen Form von Inquisitionsopfern. Er gehörte keiner Reformrichtung der damaligen Zeit an, sondern ging seinen eigenen Weg als Philosoph und Freidenker. Lange Zeit wurde Giordano Bruno neben seinem berühmten Zeitgenossen Galileo Galilei (1564-1642) eine eher geringe Bedeutung beigemessen, was den wissenschaftlich-philosophischen Rang und den Inhalt seines umfangreichen Werkes angeht. Neben den großen Denkergestalten der italienischen Renaissance fand Bruno keineswegs allgemein solche Anerkennung, sondern galt vielmehr von seinen Lebzeiten (1548–1600) bis weit in die Moderne als umstritten. Dennoch gab es nur wenige Denker, die ihren Stimmungsgehalt mit solcher Originalität und Geisteskraft Ausdruck zu verleihen vermochten wie Giordano Bruno. Obwohl sein Name nach seinem Tod zunächst geächtet blieb, ging von Bruno ein Einfluss aus, der in der Nachfolgezeit auf viele Menschen Faszination ausübte und wichtige Denkanstöße bot. Bruno versuchte sich von aller Autorität loszureißen und durch Selbstdenken das Unendliche zu erfassen. Mit seiner impulsiven und lebensbejahenden Einstellung sprengte Bruno die Vorstellungswelt des Mittelalters und sprach mit seiner Philosophie das an, wonach die Zeit drängte. Mag er auch für das moderne Denken eine zu wenig repräsentative Gestalt gewesen sein, so leistete Giordano Bruno doch einen entscheidenden Beitrag dazu, das Tor zur Neuzeit zu öffnen.
So bewunderungswürdig und faszinierend dieser Mann wegen seines tiefeindringenden Geistes und wegen seines Schicksals in der Geschichte auch erscheint, so wenig kennt man ihn jedoch ganz. Vieles in seiner Lebensgeschichte ist noch unbekannt, dunkel und rätselhaft. Da die römischen Prozessakten bislang ebenso wenig veröffentlicht worden sind, wie die zu den Akten überreichten Schriften, zu denen auch eine in der Schlussverhandlung eröffnete Verteidigungsschrift kam, so liegt ein undurchdringlicher Schleier über dem tragischen Schicksal Brunos. Eine nicht unentscheidende Rolle spielte hierbei auch die Einflussnahme der katholischen Kirche, die Brunos Schriften von […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 5336
Koenig, Andrea: Giordano Bruno: An der Schwelle der Moderne / Andrea Koenig - Hamburg:
Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Regensburg, Universität, Magister, 2001
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

2
GIORDANO BRUNO
- AN DER SCHWELLE DER MODERNE -

3
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort
S. 6
0.
Einleitung: Giordano Bruno - Denker der Zeitwende... S. 7
1.
GIORDANO BRUNO ­ SEIN LEBEN
S. 9
1.1.
Geburt und Kindheit... S. 9
1.1.1. Geburtsort und Geburtsdatum... S. 9
1.1.2. Juan Bruno und Fraulissa Savolina... S. 9
1.2.
Die schulische Ausbildung... S. 10
1.2.1. Die Lateinschule in Nola... S. 10
1.2.2. Das Studium der freien Künste in Neapel... S. 10
1.3.
Der Eintritt in den Dominikanerorden... S. 13
1.3.1. Der Orden der Dominikaner... S. 13
1.3.2. Der Name ,,Giordano"... S. 14
1.3.3. Geschichtliches Umfeld... S. 15
1.3.4. Die Zeit als Mönch... S. 16
1.3.5. Der erste Prozess 1566... S. 16
1.3.6. Theologische Karriere... S. 17
1.3.7. Der zweite Prozess 1576... S. 18
1.4.
Die Jahre auf der Flucht... S. 19
1.5.
Der dritte Prozess vor der venezianischen Inquisition... S. 26
1.6.
Der vierte Prozess vor der römischen Inquisition... S. 27
1.7.
Verurteilung und Hinrichtung... S. 27
1.8.
Giordano Bruno und die Inquisition... S. 29
2.
GIORDANO BRUNO ­ SEINE LEHRE
S. 32
2.1. Kosmologie... S. 32
2.2.
Metaphysik... S. 39
2.2.1. Unendlichkeit...
S.
40
2.2.2. Weltseele...
S.
40
2.2.3. Materie und Substanz ... S. 41
2.2.4. Monade... S.
42
2.2.5. Atome...
S.
43
2.2.6. Seele...
S.
44

4
2.2.7. Das Prinzip der Einheit... S. 46
2.2.8. Zusammenfassung...
S.
49
2.3. Anthropologie...
S.
49
2.4.
Brunos Tugendlehre ... S. 51
2.5.
Die magischen Schriften... S. 52
2.6.
Zusammenfassung: Das philosophische System Giordano Brunos... S. 55
3.
GIORDANO BRUNO UND DIE KIRCHE
S. 57
3.1.
Brunos frühe Zweifel... S. 57
3.1.1. Der Inhalt der Zweifel... S. 58
3.1.1.1.Trinität... S. 58
3.1.1.2.Die Zahlenidee des Einen und der Drei.... S. 60
3.2.
Die Abkehr vom Christentum... S. 61
3.3.
Brunos Religionsphilosophie... S. 63
3.4.
Die Suche nach der wahren Naturphilosophie der Antike... S. 69
4.
GIORDANO BRUNO ­ AN DER SCHWELLE DER MODERNE
S. 72
4.1.
Die religiösen Umwälzungen am Ende des Mittelalters... S. 73
4.2.
Voraussetzungen und Einflüsse Giordano Brunos... S. 74
4.2.1. Die Abwendung vom Aristotelismus ... S. 74
4.2.2. Nikolaus von Kues: Die metaphysische Voraussetzung... S. 76
4.2.2.1.Die belehrte Unwissenheit... S. 76
4.2.2.2.An der Schwelle einer Epoche... S. 79
4.2.3. Nikolaus Kopernikus: Die kosmologische Voraussetzung... S. 79
4.2.3.1.Kopernikus` Kosmologie... S. 80
4.2.3.2.Giordano Brunos kopernikanische Konsequenz... S. 81
4.3.
,,Il pensiero Bruniano" ­ Brunos Nachwirkungen und Einflüsse auf
die Folgezeit... S. 82
4.3.1. Giordano Bruno und Baruch de Spinoza... S. 83
4.3.2. Giordano Bruno und Gottfried Wilhelm Leibniz... S. 84
4.3.3. Giordano Bruno und René Descartes... S. 85
4.3.4. Giordano Bruno und Johann Wolfgang von Goethe... S. 87
4.3.4.1.Goethes entelechische Monade... S. 87
4.3.4.2.Goethes Faust ... S. 89

5
4.3.4.3.Goethes Naturphilosophie... S. 90
4.3.5. Giordano Bruno und der deutsche Idealismus... S. 91
4.3.6. Giordano Bruno und die italienische Renaissanceforschung... S. 92
4.3.7. Giordano Bruno und das 20. Jahrhundert... S. 93
4.3.8. Zusammenfassung... S. 94
5.
Schluss: Moderne Häresie... S.95
Giordano Bruno ­ Zeittafel ... S. 97
Literaturverzeichnis... S. 100
Schriftliche Erklärung... S. 105

6
Vorwort
Theologie und Naturwissenschaft ­ eine langwierige Diskussion, bei der sich die beiden
Bereiche über einen großen Zeitraum hinweg konkurrierend gegenüberstanden. Bis ins
19. Jahrhundert wurde versucht, die naturwissenschaftlichen Aussagen der Bibel als
Offenbarungswahrheit gegen die Naturwissenschaft der Neuzeit zu behaupten (vgl. dazu
den Prozess Galileo Galilei). Neue Erkenntnisse und Theorien wurden geradezu
bekämpft. Andererseits hatten die Naturwissenschaften kein Interesse daran, sich mit der
Theologie auf eine Diskussion einzulassen. Sie versuchten die Ordnung der Natur mit rein
rationalem Denken zu erklären.
Im Rahmen meines Theologiestudiums besuchte ich mehrere Veranstaltungen zu diesem
Thema, das bei mir besonderes Interesse regte. Bei der mich interessierenden Frage nach
den Vorbedingungen und Alternativen der neuzeitlichen Wissenschaft wurde ich
aufmerksam die Werke des italienischen Renaissancephilosophen Giordano Bruno. Seine
Vision von einem unendlich belebten Universum stößt auch heute noch bei Kirche und
Naturwissenschaft gleichermaßen auf Ablehnung. Weder für die Kirche noch für die
Naturwissenschaft ist der unendliche Weltseele-Raum des Giordano Bruno eine
integrierbare Größe. Das Thema schien mir passend für eine Magisterarbeit, da es nicht
nur die Person Bruno und sein Werk, sondern auch einen Gegenwartsbezug beinhaltet.
Die Absicht dieser Arbeit ist es daher, nicht nur die Problematik der Person und des
Werkes zu thematisieren, sondern auch die Wirkung, die von Giordano Bruno ausging
und die Nachfolgezeit bis in die Gegenwart beeinflusste. Die Primärliteratur sollte dabei
nicht zu einer bloßen Anmerkung der Sekundärliteratur, sondern Ausgangspunkt der
Arbeit sein.
Danken möchte ich an dieser Stelle meiner Familie, die mir dieses Studium ermöglicht
hat. Widmen möchte ich die Arbeit Monika Nürnberger, die aufgrund eines tragischen
Unfalls viel zu früh aus dem Leben geschieden ist und das Endresultat somit leider nicht
mehr zu lesen bekam.
Regensburg,
Juli
2001
Andrea König

7
0.
Einleitung: Giordano Bruno - Denker der Zeitwende.
Am 17. Februar 1600 wurde auf Befehl der päpstlichen Inquisition auf dem Campo di
Fiore in Rom einer der bedeutensten Denker der italienischen Renaissance auf dem
Scheiterhaufen verbrannt ­ Giordano Bruno. In ihm begegnet uns einer der
merkwürdigsten und umstrittensten Männer des 16. Jahrhunderts. Obwohl sicherlich nicht
ganz ohne Vorläufer, war er doch der erste bedeutende Vertreter einer neuen Form von
Inquisitionsopfern. Er gehörte keiner Reformrichtung der damaligen Zeit an, sondern ging
seinen eigenen Weg als Philosoph und Freidenker. Lange Zeit wurde Giordano Bruno
neben seinem berühmten Zeitgenossen Galileo Galilei (1564-1642) eine eher geringe
Bedeutung beigemessen, was den wissenschaftlich-philosophischen Rang und den Inhalt
seines umfangreichen Werkes angeht. Neben den großen Denkergestalten der
italienischen Renaissance fand Bruno keineswegs allgemein solche Anerkennung,
sondern galt vielmehr von seinen Lebzeiten (1548­1600) bis weit in die Moderne als
umstritten. Dennoch gab es nur wenige Denker, die ihren Stimmungsgehalt mit solcher
Originalität und Geisteskraft Ausdruck zu verleihen vermochten wie Giordano Bruno.
Obwohl sein Name nach seinem Tod zunächst geächtet blieb, ging von Bruno ein Einfluss
aus, der in der Nachfolgezeit auf viele Menschen Faszination ausübte und wichtige
Denkanstöße bot. Bruno versuchte sich von aller Autorität loszureißen und durch
Selbstdenken das Unendliche zu erfassen. Mit seiner impulsiven und lebensbejahenden
Einstellung sprengte Bruno die Vorstellungswelt des Mittelalters und sprach mit seiner
Philosophie das an, wonach die Zeit drängte. Mag er auch für das moderne Denken eine
zu wenig repräsentative Gestalt gewesen sein, so leistete Giordano Bruno doch einen
entscheidenden Beitrag dazu, das Tor zur Neuzeit zu öffnen.
So bewunderungswürdig und faszinierend dieser Mann wegen seines tiefeindringenden
Geistes und wegen seines Schicksals in der Geschichte auch erscheint, so wenig kennt
man ihn jedoch ganz. Vieles in seiner Lebensgeschichte ist noch unbekannt, dunkel und
rätselhaft. Da die römischen Prozessakten bislang ebenso wenig veröffentlicht worden
sind, wie die zu den Akten überreichten Schriften, zu denen auch eine in der
Schlussverhandlung eröffnete Verteidigungsschrift kam, so liegt ein undurchdringlicher
Schleier über dem tragischen Schicksal Brunos. Eine nicht unentscheidende Rolle spielte
hierbei auch die Einflussnahme der katholischen Kirche, die Brunos Schriften von 1603
bis in das Jahr 1965 auf den Index librorum prohibitorum, die Liste kirchlicherseits
verbotener Bücher, setzte. Während Galileo Galilei 1992 ,,rehabilitiert" wurde, ist die

8
Feindschaft der katholischen Kirche Giordano Bruno gegenüber nie aufgehoben worden.
Dafür gibt es Gründe, die, rätselhaft genug, kaum bekannt sind, aber aus denen ersichtlich
wird, dass Bruno auch heute noch ein Ketzer wäre, der der katholischen Kirche gegenüber
stünde. Die bis zum heutigen Tage anhaltende Diskrepanz bewies auch der Besuch des
gegenwärtigen Papstes Johannes Paul II. in Nola, dem Geburtsort des Philosophen, im
Mai 1992, als man ein Denkmal Giordano Brunos mit einer Plane verhüllte.
Giordano Bruno starb nicht als Zweifler oder als Ketzer, dessen dogmatische
Abweichungen nur innerchristliche Vorgänge betrafen, sondern für einen Widerspruch,
der sich gegen das Zentrum und die Substanz des christlichen Systems richtete. Er führte
eine neue Gottheit herauf, die Unendlichkeit. Aus der Kopernikanischen Wende, nach der
die Erde nicht länger als Mittelpunkt des Universums gelten konnte, zog Bruno die
Schlussfolgerung, dass das Dasein des Menschen von Grund auf revidiert werden müsse.
Die Kirche hatte schon die wissenschaftliche Auffassung von Nikolaus Kopernikus
(1473-1543) abgelehnt, weil diese die Zerstörung ihres weltanschaulichen Gebäudes
darstellte. Noch viel mehr bedroht sah sich die Kirche jedoch von Brunos philosophischer
Unendlichkeitslehre, welche die Anhaltspunkte des Christentums in Nichts aufzulösen
drohte. Mit denkerischer Schärfe und Intuition nahm Giordano Bruno vieles vorweg, was
Naturwissenschaftler erst später entdeckten. Als Denker der Zeitwende, der ein neues
Weltbild und die moderne Naturwissenschaft initiierte, wird er heute von vielen
Interpreten, wie z.B. Hans Blumenberg, allgemein charakterisiert.
1
Über die
Auswirkungen und Folgen der Werke Giordano Brunos im Zeitraum vom 16. bis zum
Beginn des 19. Jahrhunderts lassen sich keine zuverlässigen Aussagen machen. Es gibt
kaum explizite Bezugnahmen auf seine Schriften oder gar namentliche Nennungen. Dies
liegt höchstwahrscheinlich daran, dass aufgrund seiner Verurteilung durch die Inquisition
und der Indizierung seiner Schriften eine Auseinandersetzung mit seiner Lehre als Risiko
gegolten haben mag und die Berufung auf Bruno die Gefahr bedeutete, als Sympathisant
eines Irrlehrers in Verruf zu geraten.
Ziel dieser Arbeit ist es, nicht nur einen Einblick in das Leben und die umfangreiche
Lehre des italienischen Renaissancephilosophen, der an der Schwelle der Moderne stand,
zu gewähren, sondern auch einen Erklärungsansatz für die unerschöpfliche Erbitterung
der Kirche gegen den Mitbruder Giordano Bruno und seine Auswirkungen auf die
Folgezeit darzustellen.
1
Vgl. Blumenberg, Hans: Aspekte der Epochenschwelle. Cusaner und Nolaner. Suhrkamp Taschenbuch
Wissenschaft 174, Frankfurt a.M., 1976, S.109ff.

9
1.
GIORDANO BRUNO ­ SEIN LEBEN.
1.1.
Geburt und Kindheit.
1.1.1. Geburtsort und Geburtsdatum.
Giordano Bruno wurde höchstwahrscheinlich im Jahre 1548 geboren. Diese Angabe
über seine Person machte Bruno selbst bei einem der zahlreichen Inquisitionsverhöre am
29. Mai 1592, als er aufgefordert wurde, sein Leben kurz darzustellen.
2
Der Geburtsort Brunos ist Nola, eine kleine Stadt in Süditalien, die zwischen dem Meer
und dem Vesuv, ca. 20 km nordöstlich der Stadt Neapel gelegen ist. Bruno war immer
stolz darauf, in Nola geboren zu sein, was sich daraus schließen lässt, dass er sich später
selbst oft Jordanus Nolanus oder einfach nur Il Nolano nannte.
Von seinen Eltern war Bruno ursprünglich auf den Namen Filippo getauft worden. Den
Namen Giordano, unter welchem er bekannt wurde, erhielt er erst viel später.
1.1.2. Juan Bruno und Fraulissa Savolina.
Giordano Brunos Vater, Juan Bruno, war von Beruf Soldat und diente der Armee der
spanischen Vizekönige von Neapel. Er war ungefähr 23 Jahre alt, als Giordano Bruno das
Licht der Welt erblickte. Der Vorname des Vaters lässt auf spanische Vorfahren
schließen, was bisher jedoch nicht nachgewiesen werden konnte. Dass spanische Familien
im 15. und 16. Jahrhundert nach Italien einwanderten war nicht ungewöhnlich. Die
spanischen Könige versuchten damals durch Förderung der Einwanderung spanischer
Familien nach Italien die spanische Herrschaft in Süditalien zu festigen.
Bruno hat seinen Vater Zeit seines Lebens geliebt und verehrt. Von ihm ging eine
wesentliche Prägung auf die Persönlichkeit Giordano Brunos aus, denn wie Bruno später
öfter in seinen Werken berichtet, vermittelte ihm sein Vater wichtige Denkanstöße. Seine
Achtung gegenüber seinem Vater drückte er später in seinen in Italienisch abgefassten
Werken aus, in denen er Juan Bruno als Einflussgröße u.a. neben Platon, Aristoteles,
Epikur und Seneca namentlich nennt.
3
Juan Bruno war ein einfacher Mann und das blieb er sein ganzes Leben lang. Er machte
keine große Karriere und blieb seinem Beruf immer treu. Das Datum seines Todes ist
2
Vgl. Bruno, Giordano: Inquisitionsakten. In: Kuhlenbeck, Ludwig: Giordano Bruno ­ Gesammelte Werke:
Kabbala, Kyllenischer Esel, Reden, Inquisitionsakten.. Bd.6, Eugen Diederichs Verlag, Jena 1909, S.160.
3
Vgl. Bruno, Giordano: Eroici furori. In: Kuhlenbeck, Ludwig: Giordano Bruno ­ Gesammelte Werke:
Eroici furori (Zwiegespräche vom Helden und Schwärmer). Bd.5, Eugen Diederichs Verlag, Jena 1907,
S.44.

10
nicht bekannt. Als einzige Quelle dient die Aussage Giordano Brunos bei seinem ersten
Verhör vor der Inquisition am 29. Mai 1592, bei dem er wusste, dass sein Vater bereits
gestorben war.
4
Von Giordano Brunos Mutter, Fraulissa Savolino, ist außer ihrem Namen fast nichts
bekannt. Selbst der Name ist nicht genau bezeugt, da Fraulissa eine Italianisierung des
Wortes ,,Frauchen" oder ,,kleine Frau" darstellt und eher als Kosename, aber nie als
Personenname Verwendung fand. Höchstwahrscheinlich war die Familie Savolino auch
eine Soldatenfamilie, da sie, wie die Familie Bruno, in der Soldatensiedlung Nolas
ansässig war. Sie wurde ca. 1522 geboren, heiratete 1545 Juan Bruno und brachte im
Alter von 26 Jahren mit Filippo Bruno ihr wahrscheinlich einziges Kind zur Welt. Im
Gegensatz zu seinem Vater, erwähnte Bruno seine Mutter in seinen Werken kein einziges
Mal. Vieles von ihr bleibt daher unbekannt. Lediglich, dass sie vor dem 29. Mai 1592
gestorben sein muss ist bekannt, da Bruno bei seinem ersten Verhör vor der Inquisition
die Angabe machte, dass seine Mutter bereits verstorben sei.
5
1.2.
Die schulische Ausbildung.
1.2.1. Die Lateinschule in Nola.
Im Alter von etwa zehn Jahren wurde Filippo auf die städtische Schule in Nola
geschickt. Dort brachte man ihm Lesen und Schreiben, sowie die lateinische Sprache bei.
Mit dem Eintritt in die Lateinschule, die als Vorbereitung auf ein Studium diente, betrat
Giordano Bruno um 1558 den Bildungsweg, der seit dem Hochmittelalter üblich war.
Lesen, Schreiben und fehlerfreies Latein in Wort und Schrift stellten zu dieser Zeit die
Grundbedingungen für ein Universitätsstudium dar. Die Vermittlung dieser Fähigkeiten
kam dem niederen Schulwesen der Lateinschulen in den Städten zu, wie der, auf die
Giordano Bruno geschickt wurde. Sein Vater strebte daher höchstwahrscheinlich eine
akademische Karriere seines Sohnes an.
6
1.2.2. Das Studium der freien Künste in Neapel.
1562 verließ Bruno die Lateinschule in Nola, um in Neapel das Studium der freien
Künste zu beginnen. Das Studium an einer Universität gliederte sich damals in zwei
Teile: das Studium der artes oder der freien Künste und das Studium der eigentlichen
4
Vgl. Bruno, Inquisitionsakten. In: Kuhlenbeck, Gesammelte Werke, Bd.6, 1909, S.160.
5
Vgl. ebd., S.160.
6
Vgl. Martin Luther, dessen Vater Hans Luder seinem Sohn eine juristische Karriere zugedacht hatte.

11
Fachausbildung. Das artes-Studium setzte sich wiederum zusammen aus dem Trivium
und dem Quadrivium. Das Trivium bestand aus dem Studium der Grammatik und der
Dialektik, bzw. der Logik. Am Ende dieses Studienabschnittes erhielt man den Titel des
baccalarius artium. Im Hauptstudium, dem Quadrivium, lag der Schwerpunkt der Studien
auf der aristotelischen Philosophie. Das erfolgreiche Studium wurde mit der Erlangung
des Titels eines magister artium abgeschlossen. Erst dann begann die eigentliche
Fachausbildung, die bis ins 18. Jahrhundert hinein nur drei Studienrichtungen zur
Auswahl bot: Theologie, Medizin und Rechtswissenschaften.
Giordano Bruno war ungefähr vierzehn Jahre alt, als er 1562 nach Neapel ging und das
Studium der freien Künste begann. In Neapel wurde er von unterschiedlichen Lehrern
unterrichtet und erhielt eine sehr gute Ausbildung in der lateinischen Sprache und der
aristotelischen Logik. Seine Lehrer aus dieser Zeit hatten entscheidenden Einfluss auf die
Entwicklung Giordano Brunos. Teofilo Galliano de Variano, ein Augustiner-Eremit,
unterrichtete Filippo drei Jahre lang im Einzelunterricht.
7
Als der junge Filippo Bruno
1562 zu Teofilo de Variano kam, hatte dieser gerade sein studium generale mit dem
Erwerb des Titels magister artium abgeschlossen. Ihm kam die Aufgabe zu, den jungen
Bruno in das Studium der Logik einzuführen. Seinen Schwerpunkt setzte er jedoch
anscheinend eher auf die aristotelische Naturphilosophie und Kosmologie, denn bereits
1565, nach den drei Jahren bei Teofilo de Variano, war der junge Bruno fähig, die
Grundlagen der aristotelischen Kosmologie zu durchschauen. Teofilo de Variano
hinterließ bei Bruno einen nachhaltigen Eindruck. So verfasste Giordano Bruno 1584
Dialoge über kosmologische Fragen, in denen ein Dialogpartner namens Teofilo die
Lehren des Giordano Brunos verteidigt.
8
Ob Teofilo de Variano Bruno mit den Werken
des Nikolaus Kopernikus bekannt gemacht hat, lässt sich nicht konkret beantworten. Die
kosmologischen Entwürfe des Nikolaus Kopernikus waren allgemein nicht anerkannt,
galten aber damals bereits als ernstzunehmender Gegenentwurf zur aristotelischen
Kosmologie. Wahrscheinlicher ist, dass Teofilo de Variano den jungen Bruno mit den
Werken des Johannes de Sacrobosco ­ oder auch Johannes de Sacro Busto ­ vertraut
machte. Die Werke des Johannes de Sacrobosco galten seit dem 13. Jahrhundert als
grundlegend und hatten Eingang an den Universitäten gefunden. Das Buch ,,De Sphoera",
ein Werk über Kosmologie, wurde offiziell als Lehrbuch an sowohl katholischen als auch
7
Vgl. Bruno, Inquisitionsakten. In: Kuhlenbeck, Gesammelte Werke, Bd.6, 1909, S.161.
8
Vgl. Bruno, Giordano: Das Aschermittwochsmahl. In: Kuhlenbeck, Ludwig: Giordano Bruno ­
Gesammelte Werke: Das Aschermittwochsmahl. Bd.1, Eugen Diederichs Verlag, Leipzig 1904, S.45-174.

12
protestantischen Universitäten benutzt und zahlreich kommentiert.
9
Einer dieser
Kommentare war verfasst von Cecco Asculano. Giordano Bruno war fasziniert von
diesem Kommentar, so dass er später nicht nur selbst Vorlesungen über ,,De Sphoera"
hielt, sondern in seinen eigenen Werken aus dem Kommentar des Cecco Asculano
zitierte.
10
Brunos zweiter Lehrer, Vincenzo Colle de Sarno, der sich, ähnlich wie Bruno später Il
Nolano, Il Sarnese nannte, unterrichtete ab 1564 an der Fakultät der Freien Künste der
Universität Neapel und hielt dort Vorlesungen über aristotelische Logik für Studenten des
Trivium. Giordano Bruno besuchte, wie er später bei seinem ersten Verhör vor der
venezianischen Inquisition am 29. Mai 1592 angab, zwar seine Vorlesungen, schien
jedoch wenig davon beeindruckt gewesen zu sein.
11
Er erwähnte ihn später in keinem
einzigen Werk und konnte sich, als er vor der Inquisition über sein Leben berichtete,
nicht mehr an seinen vollständigen Namen erinnern.
Auch in der Gedächtniskunst, der sog. Mnemonik, die Bruno sein Leben lang
beschäftigen und ihn später auch berühmt machen sollte, war er bereits gut bewandert, als
er 1565 sein Studium an der Universität von Neapel beendete und in das
Dominikanerkloster eintrat. Bei der Mnemonik, der Gedächtniskunst, handelt es sich um
die Lehre, möglichst viele Wissensinhalte in systematischer Reihenfolge auswendig zu
lernen und wiedergeben zu können. Die Mnemonik galt ursprünglich in der Antike als
Spezialgebiet der Rhetorik und diente Rednern dazu, sich lange Referate und Vorträge,
die frei gehalten werden mussten, anzutrainieren. Im Mittelalter wurde die Mnemonik
dann hauptsächlich Teil des Predigtdienstes, um Prediger dazu zu befähigen, teilweise
mehrstündige Predigten in freier Rede vorzutragen. Zur Zeit Giordano Brunos kam der
Mnemonik auch die neue Aufgabe zu, Wissenschaften zu ordnen und zu gliedern.
Mit Mnemonik beschäftigte sich jedoch weder Teofilo de Vairano noch Vincenzo Colle,
so dass Bruno noch einen weiteren Lehrer gehabt haben muss, der ihn in dieses Gebiet
einführte.
12
Ungeklärt bleibt bis heute jedoch, wer dieser Lehrer war, sowie die Frage,
warum Giordano in Mnemonik ausgebildet wurde.
In all seinen später verfassten eigenen Werken über Mnemonik, verwendete Bruno immer
auch eine besondere Form der Geometrie, die man später Konkrete Geometrie benannte.
9
Den Titel des Buches ,,De umbris idearum" (zu deutsch: ,,Von den Schatten der Ideen") entlieh Giordano
Bruno aus einem Kommentar des Buches ,,De Spoera" von Sacrobosco.
10
Vgl. Bruno, Giordano: Über die Monas, die Zahl und die Figur. In: Samsonow, Elisabeth von: Giordano
Bruno. Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 1999, S.372.
11
Vgl. Bruno, Inquisitionsakten. In: Kuhlenbeck, Gesammelte Werke, Bd.6, 1909, S.161.
12
Vgl. Eggert, Alexander: Giordano Bruno ­ Die Biographie eines Günstlings. Berlin ­ Friedenau 1989,
S.54.

13
Giordano Brunos Konkrete Geometrie unterschied sich von der damals gängigen
mathematischen Geometrie darin, dass er jede Naturbeschreibung, die mit den Gesetzen
der Arithmetik arbeitete, ablehnte; ebenso wie Naturbetrachtungen, die sich auf
Experimente stützten, anstatt Dinge zu figurieren. Bruno kannte stattdessen nur natürliche
Zahlen. Kommazahlen, Brüche und auch die Zahl Null gab es für ihn nicht.
Auch mit Konkreter Geometrie hatte sich weder Teofilo de Vairano noch Vincenzo Colle
befasst. Sein dritter Lehrer, der ihn in die Gedächtniskunst eingeführt haben mag, kommt
ebenso wenig als Vermittler dieser Geometrieform in Frage, da die Verbindung von
Mnemonik und geometrischen Fragestellungen nicht vorkam. Dies lässt die
Schlussfolgerung zu, dass Giordano Bruno in Neapel höchstwahrscheinlich noch einen
vierten Lehrer hatte, der ihm die Grundlagen dessen vermittelte, was er später zu seiner
Konkreten Geometrie ausbaute.
13
Ob dies wirklich so war, muss jedoch offen bleiben,
zudem diese Form der Geometrie nicht jene war, die damals an den Universitäten gelehrt
wurde. Ebenso bleibt fraglich, wer ihm diese Kenntnisse vermittelt haben könnte.
1.3.
Der Eintritt in den Dominikanerorden.
Im Jahre 1565 schloss Giordano Bruno sein Studium an der Universität in Neapel ab.
Während seines dreijährigen arbeitsreichen Aufenthaltes an der Universität hatte er sich
vieles angeeignet, was ihm später als Grundlage seiner zahlreichen Werke diente. Sein
Verlangen nach Wissen war jedoch 1565 keineswegs gestillt. Im Gegenteil, er wollte sich
noch viel mehr aneignen. So kam es zu einer Lebensentscheidung, als der damals etwa
siebzehn Jahre alte Filippo Bruno am 15. Juni 1565 in das Kloster San Domenico
Maggiore in Neapel, einem Kloster des Dominikanerordens, eintrat.
Über den Grund seines Eintritts in einen Orden wurde in der Literatur viel spekuliert.
Naheliegend ist, dass Bruno, der aus armen Verhältnissen stammte, nur als Ordensmann
seine Studien fortsetzen konnte. Ordenseintritte aus diesem Grund waren zu dieser Zeit
nichts Ungewöhnliches.
1.3.1. Der Orden der Dominikaner.
Der Dominikanerorden war ein Bettelorden. Er verfügte über ein ausgeklügeltes
Studiensystem, das vor allem junge Menschen anzog. Der Orden, der auf den in Spanien
gebürtigen Stifter Dominikus (um 1170-1221) zurückgeht, hatte ein klares Ziel, nämlich
13
Vgl. Eggert, Giordano Bruno, 1989, S.56.

14
im Auftrag der Kirche Bekehrungsarbeit zu leisten. Diesem Ziel waren Armut, Studium
und Tun untergeordnet. Bereits in den frühen Anfängen des Ordens wurde die Pflicht zur
wissenschaftlichen Ausbildung der ,,Prediger", wie man die Brüder des hl. Dominikus
auch nannte, zur Regel. Als Grundlage diente damals die Kanonikerregel des hl.
Augustinus erweitert durch die Pflicht zur Armut, zur öffentlichen Predigt und zum
Studium. Immer schon fühlte sich vor allem die geistige Elite von den Idealen des hl.
Dominikus, der bereits 1234 - kurz nach seinem Tod ­ heilig gesprochen wurde,
angezogen. Zahlreiche Kleriker und Gelehrte, darunter zum Beispiel Albertus Magnus
(um 1200-1280) und Thomas von Aquin (1225-1274) gehörten dem Orden an. Später
wurden die Schriften des Thomas von Aquin vom Generalkapitel zur Grundlage des
Ordensstudiums bestimmt.
14
Zur Ausbildung eines Predigers im Dominikanerorden gehörte im 16. Jahrhundert auch
die Ausbildung in der Gedächtniskunst. Die bedeutensten Werke des 16. Jahrhunderts
über Mnemonik wurden von Dominikanern, wie zum Beispiel Johannes Romberg (um
1480-1532), verfasst. Es liegt die Vermutung nahe, dass Giordano Bruno genau aus
diesem Grund in den Orden der Dominikaner eintrat. Hinzu kam höchstwahrscheinlich
Brunos frühe Verehrung für Thomas von Aquin, der im Kloster San Domenico Maggiore
gelehrt hatte, was ausschlaggebend dafür gewesen sein mag, dass Bruno in Neapel und
nicht in seiner Heimatstadt Nola dem Orden beitrat. Bruno promovierte später sogar über
Thomas von Aquin und hielt Vorlesungen über ihn. Auch dass Thomas von Aquin bis ins
19. Jahrhundert hinein als einer der Begründer der Mnemonik galt, unterstützt die
Vermutung über Brunos Entschluss.
Der Orden der Dominikaner hatte noch eine weitere Eigentümlichkeit, die, wie sich später
herausstellte, im Leben Giordano Brunos von entscheidender Wichtigkeit war. Der
Dominikanerorden galt als Orden der Inquisitoren. Diese Tatsache veranlasste im 16.
Jahrhundert viele Menschen zum Eintritt, da sie lieber Inquisitionsrichter als
Inquisitionsopfer sein wollten.
1.3.2. Der Name ,,Giordano".
Bei der Aufnahme in den Dominikanerorden legte sich der Novize Filippo Bruno, den
Gewohnheiten des mönchischen Lebens folgend, einen neuen Rufnamen zu. Von diesem
Zeitpunkt an hieß er Giordano ­ in lateinischer Form Jordanus ­ Bruno.
14
Vgl. Hawel, Peter: Zwischen Wüste und Welt. Das Mönchtum im Abendland. Kösel Verlag, München
1997, S.329ff.

15
In Zukunft sollte er nur noch unter diesem Namen auftreten. All seine Werke sind mit
diesem Namen betitelt. Den Namen Filippo benutzte er später höchstens noch, wenn er
auf der Flucht war.
15
Bei der Aufnahme in einen Orden war es üblich, dass die Novizen
ihren Namen ablegten und stattdessen den Namen eines Heiligen annahmen. Giordano
war im 16. Jahrhundert in Süditalien ein weitverbreiteter Name zahlreicher lokaler
Heiliger. Der Dominikanerorden hingegen kannte nur eine bedeutende Person, die diesen
Namen trug: Jordanus Nemorarius (+ 1220). Dieser war bekannt geworden für seine
theoretischen Abhandlungen auf den Gebieten der Geometrie, der Arithmetik und den
Naturwissenschaften. Im Mittelalter galten seine Abhandlungen als grundlegende Werke
in der Mathematik und wurden später auch in der Renaissance noch oft benutzt.
Die Wahl ausgerechnet dieses Namens könnte bei Bruno reiner Zufall gewesen sein. Es
könnte jedoch auch sein, dass er mit dieser Wahl bereits damals in Bezug auf Jordanus
Nemorarius seinem Interesse Ausdruck verleihen wollte. Diese Vermutung lässt sich
jedoch nicht nachweisen, da nicht genau bekannt ist, ob Bruno die Werke des Jordanus
Nemorarius wirklich kannte. In seinen Werken hat er Nemorarius niemals erwähnt.
1.3.3. Geschichtliches Umfeld.
Als Giordano (Filippo) Bruno am 15. Juni 1565 dem Orden der Dominikaner beitrat,
hatte Papst Pius IV. den päpstlichen Stuhl der katholischen Kirche inne. Etwa eineinhalb
Jahre zuvor war am 4. Dezember 1563 das Trienter Konzil zum Abschluss gebracht
worden, ein Jahr zuvor, am 30 Juni 1564, das Konzil durch den Papst bestätigt worden,
und knapp ein halbes Jahr zuvor, am 13. November 1564, das tridentinische
Glaubensbekenntnis veröffentlicht worden. Die katholische Kirche befand sich zur Zeit
von Brunos Eintritt in den Orden in einer Umbruchphase. Angesichts der Bedrohung
durch den Protestantismus, sollte die Kirche reformiert und einer Neuordnung unterzogen
werden. Papst Pius IV. galt als sehr tolerant. Etwa ein Jahr vor Brunos Eintritt hatte er
einen neuen Index librorum prohibitorum herausgeben lassen, in welchem er die Zahl der
kirchlicherseits verbotener Bücher erheblich reduzierte.
Auch Giordano Bruno strebte Zeit seines Lebens eine Reform der katholischen Kirche an.
Etwa ein Jahr nach seinem Eintritt in den Dominikanerorden hatte er es geschafft,
aufgrund seiner Gedächtniskunst erstmals nicht nur in, sondern auch außerhalb Neapels
Bekanntheit zu erlangen. So wurde auch die Römische Kurie zum ersten Mal auf ihn
aufmerksam. Als Giordano Bruno etwa 20 Jahre alt war, wurde er schließlich mit Papst
15
Vgl. Bruno, Inquisitionsakten. In: Kuhlenbeck, Gesammelte Werke, Bd.6, 1909, S.203.

16
Pius V.
16
bekannt gemacht. Dieser scheint auf Bruno einen tiefen Eindruck hinterlassen
zu haben, denn Papst Pius V. widmete er sein Erstlingswerk, das etwa um 1570 entstand
und den Titel ,,L`Arca di Noé" (zu deutsch: ,,Die Arche Noah") trug. Das Werk gilt heute
als verschollen.
Auch zu den höchsten Oberen des Dominikanerordens pflegte Bruno sehr gute Kontakte.
Die Annahme, dass mehrere einflussreiche Gönner auf der Seite Giordano Brunos
standen, deren Persönlichkeit größtenteils im Verborgenen blieb, ist naheliegend. Nur so
lässt sich erklären, warum es Bruno möglich war, im Dominikanerorden nicht nur einen
Grundstein für seine Karriere zu legen, sondern trotz bereits früher Zweifel am
Christentum, zu deren Äußerung er in der Folgezeit immer mehr neigte, seine Studien
fortzusetzen und 1576 zum Doktor der Theologie zu promovieren.
1.3.4. Die Zeit als Mönch.
Als Giordano Bruno am 15. Juni 1565 in den Dominikanerorden eintrat, setzte er seine
artes-Studien fort, beendete das Trivium und studierte das Quadrivium. Er beschäftigte
sich fast ausschließlich mit der Naturphilosophie und der Metaphysik des Aristoteles, mit
Mathematik und den Naturwissenschaften. Zudem setzte er sich allgemein mit antiker
christlicher Theologie und der Mnemonik auseinander.
Das Quadrivium bestand zu dieser Zeit im wesentlichen aus dem Studium der Werke des
Aristoteles. Obwohl Giordano Bruno keines der Werke der aristotelischen Lehrtradition je
in der Originalsprache gelesen hat, da er nur der lateinischen Sprache mächtig war,
entwickelte er sich zu einem ausgesprochenen Aristoteleskenner.
In den sieben Jahren, die er von 1565 bis 1572 im Orden der Dominikaner verbrachte,
entdeckte er auch seine Leidenschaft für Dichtung. In den lateinischen Klassikern, wie
zum Beispiel Ovid, Horaz oder Vergil, war Bruno enorm belesen und zitierte diese mit
Vorliebe in seinen späteren Werken. Seine Leidenschaft für Dichtung setzte Bruno in der
Folgezeit in zahlreichen selbstverfassten philosophischen Lehrgedichten um.
1.3.5. Der erste Prozess.
Giordano Bruno besaß einen sehr lebhaften und energischen Charakter, den er
besonders auslebte, wenn es Ansichten betraf, die er vertrat oder denen er widersprach. So
16
Papst Pius V. (1504-1572), Papst (1566-1572): zeichnete sich durch strenge Reformen und repressive
Maßnahmen gegen Andersdenkende aus; war mit 14 Jahren in den Dominikaneroreden eingetreten nd
arbeitete seitdem für die Inquisition bis er zum Großinquisitor ernannt wurde. Setzte hauptsächlich die
Tridentinischen Konzile um, schloss eine heilige Allianz gegen die Türken und exkommunizierte Elisabeth
I. von England; wurde 1712 heilig gesprochen.

17
dauerte es nicht lange und es kam zur ersten Auseinandersetzung mit seinem Orden, weil
er sich mehrfach über kirchliche und ordensinterne Verbote hinweggesetzt hatte.
Bruno hatte sich 1566 intensiv mit Werken antiker Theologen befasst, die
Bilderverehrung als heidnischen Brauch ablehnten. Er übernahm diese Meinung und fing
an, alle Heiligenbilder aus seiner Mönchszelle zu entfernen. Wie er später berichtete, ließ
er ausschließlich das Kreuz hängen.
17
Damit verstieß er eindeutig gegen den Beschluss
über Verehrung der Heiligen und der Heiligen Bilder des Konzils von Trient (1545-63),
das diesen sogenannten ,,Ikonoklasmus" (= Bilderstürmerei) als Häresie wertete, was in
solch einem Fall eine sofortige Exkommunikation nach sich zog. So kam es 1566 zum
ersten Prozess gegen Giordano Bruno vor der neapolitanischen Inquisition. Trotz der
schwerwiegenden Anklage, wurde der Prozess jedoch sofort wieder eingestellt. Giordano
Bruno gab später bei seiner fünften Vernehmung vor der venezianischen Inquisition am 3.
Juni 1592 als Ursache an, dass der Ankläger die Anklageschrift öffentlich zerrissen
hätte.
18
Ob dies der wirkliche Grund für die baldige Einstellung des Prozesses gewesen
sein mag, bleibt jedoch fraglich, da gewöhnlich der Angeklagte seine Thesen öffentlich
vor der Inquisition zerreißen musste, als Beweis dafür, dass er diese widerrief.
Es liegt die Vermutung nahe, dass Bruno bereits zu diesem Zeitpunkt Gönner in höheren
kirchlichen Positionen hatte, die ihm aus dieser heiklen Situation relativ problemlos
wieder heraushalfen. Die Einstellung des Prozesses bleibt jedoch rätselhaft und die
wahren Hintergründe im Dunkeln.
In der Folgezeit häuften sich die Ansichten, die Bruno vehement, aber sein Orden und die
katholische Kirche überhaupt nicht, vertrat, so dass er sich immer mehr vom Christentum
abwandte. Die Ideen, die Bruno äußerte, sowie der Prozess vor der neapolitanischen
Inquisition, hätten einer theologischen Karriere schaden müssen. Dies war jedoch
keineswegs der Fall. Zielstrebig setzte Giordano Bruno seinen eingeschlagenen Weg fort.
1.3.6. Theologische Karriere.
Im Jahre 1568 wurde Bruno in die dominikanische Ordensprovinz im nordwestlichen
Italien versetzt, wo er seine Studien fortsetzte. Bereits 1569 kehrte er nach Neapel zurück,
wurde Subdiakon und im Jahr darauf Diakon. Bei seiner Weihe zum Diakon war Bruno
gerade 22 Jahre alt. Damit hatte er die höchsten Weihegrade erreicht, die man in diesem
Alter erhalten konnte. Das sollte Giordano Bruno jedoch nicht reichen und so entschied er
sich für den Weg des Priesters.
17
Vgl. Bruno, Inquisitionsakten. In: Kuhlenbeck, Gesammelte Werke, Bd.6, 1909, S.161.
18
Vgl. ebd., S.202.

18
Am 3. Juni 1571 fasste das Generalkapitel des Dominikanerordens schließlich den
Beschluss, den Bruder Giordano Bruno nach Andria in Apulien zu schicken. Bruno sollte
dort das Quadrivium abschließen und sich auf die Priesterweihe und das
Theologiestudium vorbereiten. Das Theologiestudium innerhalb des Dominikanerordens
war gegliedert in zwei Stufen, die man gewöhnlich nacheinander abschloss. Auf erster
Stufe galt man als ,,studentes absque forme", die man mit dem Erwerb einer
ordensinternen Lehrbefugnis beendete. Danach konnte man als ,,studentes formales"
durch ein Zweitstudium einen regulären akademischen Titel erwerben. Giordano Bruno
übersprang die erste Stufe und wurde sofort ,,studentes formales". Mit dem Ziel eines
sofortigen akademischen Titels war ihm höchstwahrscheinlich eine bedeutende Karriere
zugedacht. Im Winter 1571/1572 etwa schloss Bruno seine artes-Studien mit dem
Quadrivium ab und wurde auf Anlass des Dominikanerordens im Frühjahr 1572 zum
Priester geweiht. Damit erlangte Bruno mit 24 Jahren erneut zum frühstmöglichen
Zeitpunkt die höchstmögliche Weihe. Kurze Zeit später wurde Bruno vom Orden der
Dominikaner am 21. Mai 1572 zum Studium der Theologie an der ordenseigenen
Hochschule in Neapel zugelassen.
Auch während seines Theologiestudiums änderte sich seine Vorliebe für alte Literatur
nicht. So las er hauptsächlich Werke aus den ersten christlichen Jahrhunderten. 1575
beendete er schließlich erfolgreich sein Theologiestudium mit einer Arbeit über Thomas
von Aquin und der Promotion zum doctor theologiae.
1.3.7. Der zweite Prozess 1576.
Giordano Bruno war gerade ein Vierteljahr Doktor der Theologie, als es 1576 zum
zweiten kirchlichen Prozess gegen ihn kam. Ausschlaggebend war ein Streitgespräch mit
einem Dominikaner namens Montalcino, bei dem er seine Ansichten über Trinität und
Christologie kundtat und Erzketzer wie Arius von Alexandrien und Sabellius von
Ptolemais verteidigte. Montalcino zeigte Bruno daraufhin bei der Inquisition in Neapel an.
Die Anklage lautete wiederum auf Häresie. Sofort versuchte Bruno alle literarischen
Werke, die als Beweismaterial gegen ihn Verwendung finden konnten, wie zum Beispiel
Briefe des Hl. Hieronymus mit Glossen von Erasmus von Rotterdam, die schon seit
längerem indiziert waren, zu vernichten und floh nach Rom, wie er später bei einem
Verhör vor der Inquisition berichtete.
19
Bruno versuchte dort Schutz bei seinen Freunden
an der Kurie zu finden, doch deren Vollmacht schien nicht auszureichen, um ihm helfen
19
Vgl. Bruno, Inquisitionsakten. In: Kuhlenbeck, Gesammelte Werke, Bd.6, 1909, S.202f.

19
zu können. Seltsamerweise kam der Hauptbelastungszeuge Montalcino zu dieser Zeit ums
Leben, weil ihn ein Unbekannter in Rom von einer Brücke stieß und er ertrank.
20
Doch
die Anklageschrift, welche 130 Artikel umfasste, war zu diesem Zeitpunkt bereits beim
Sanctum Officium der neapolitanischen Inquisition eingetroffen, so dass die Eröffnung des
Prozesses nicht aufgehoben wurde. Giordano Bruno wurde schließlich verhaftet und
eingekerkert. Kurze Zeit später gelang Bruno jedoch die Flucht aus dem Kerker des
Sanctum Officium und auch die Flucht aus Rom.
Der Entzug vor dem Urteil der Inquisition galt damals als Eingeständnis seiner Schuld
und zog die Exkommunikation wegen Häresie nach sich. Giordano Bruno hätte damit vor
der Inquisition bereits ab diesem Zeitpunkt als öffentlich bekennender Häretiker gelten
müssen. Unerklärlicherweise war dies jedoch nicht der Fall und selbst die
Exkommunikation unterblieb.
Bruno Nolano
- ACADEMICO DI NULLA ACADEMICA -
DETTO IL FASTIDO
1.4.
Die Jahre auf der Flucht.
Nachdem er aus dem Kerker der Inquisition ausgebrochen war, ergriff Giordano Bruno
die Flucht Richtung Norditalien. Rasch mangelte es ihm an Geld und so beschloss er
fortan seinen Lebensunterhalt als wandernder Lehrer zu verdienen. Seine erste Station
war die Bischofsstadt Noli, wo er Knaben in Grammatik unterrichtete und private
Vorlesungen hielt. Da die Verdienstmöglichkeiten jedoch nicht besonders gut waren, zog
er nach ungefähr fünf Monaten nach Savona weiter. Dort fand er jedoch keine Anstellung,
so dass er sich, nach einem kurzen Aufenthalt in Turin, das er sofort wieder verließ, weil
dort die Pest wütete, um die Jahreswende 1576/77 nach Venedig wandte.
Die venezianische Inquisition war vom Sanctum Officium in Rom faktisch unabhängig, so
dass Bruno sich dort problemlos aufhalten konnte. Er verbrachte etwa ein Jahr in
Venedig, wo er zum ersten Mal auch das Verlagswesen als neue Einnahmequelle für sich
entdeckte. So begann er sein Wissen auf Papier zu bringen und verfasste das Werk ,,De`
segni de` tempi" (zu deutsch: ,,Von den Zeichen der Zeit"), welches heute als verloren
gilt. Zu dieser Zeit bemühte sich Giordano Bruno auch um eine Wiedereingliederung in
die katholische Kirche. Zu diesem Zweck verließ er 1578 Venedig und reiste nach Padua,
um sich dort mit seinen Ordensoberen zu treffen. Vermutlich war dieses Treffen
20
Vgl. Mocenigo Giovanni, Inquisitionsakten. In: Kuhlenbeck, Gesammelte Werke, Bd.6, 1909, S.147.

20
ausschlaggebend für seinen Entschluss, Italien zu verlassen. Höchstwahrscheinlich hatten
ihm dies seine Ordensbrüder geraten, so dass er den Ratschlägen folgend nicht mehr nach
Venedig zurückkehrte, sondern stattdessen direkt von Padua aus Richtung Frankreich
reiste. So wandte sich Bruno im Spätherbst 1578 von Bergamo aus Richtung Lyon. Nach
eigenen Angaben, die er später vor der Inquisition machte, verbrachte er die Jahreswende
1578/79 in einem dominikanischen Kloster in Chambéry, wo er von seiner
Exkommunikation durch das Sanctum Officium in Rom erfuhr.
21
Im Frühjahr 1579 reiste Bruno schließlich nach Genf, wo er sich am 20. Mai 1579 unter
dem Namen Philippus Brunus Nolanus an der Universität Genf einschrieb. Doch es
dauerte nicht lange und Bruno geriet in Konflikt mit einem Professor der Genfer
Universität, namens Antoine de La Faye. Obwohl Giordano Bruno sich als guter Calvinist
präsentierte, weil er an der Universität bleiben wollte, konnte er sich mit den Ansichten
des Antoine de La Faye nicht anfreunden und so verfasste er Anfang Juli 1579 ein
Pamphlet von etwa 16 Seiten Umfang, das er Ende des Monats drucken ließ. In diesem
kleinen Heftchen warf Bruno Antoine de La Faye unter anderem vor, in einer einzigen
Vorlesung zwanzig Irrtümer verbreitet zu haben. Zudem konnte er es nicht lassen, auch
einige Bosheiten gegen die Pastoren der Genfer Kirche fallen zu lassen. Die Folge war,
dass Antoine de La Faye Bruno beim Konsistorium der Genfer Kirche anzeigte, wegen
Aufruhr gegen die Genfer Kirche. Am Donnerstag, dem 6. August 1579 ließ der Sekretär
des Genfer Stadtrates Giordano Bruno verhaften. Bruno widerrief seine Vorwürfe und
verließ Genf im September 1579.
22
Unter den Genfer Calvinisten herrschte damals derselbe Fanatismus wie in der
katholischen Kirche vor, so dass unter Calvins Regiment allein in den Jahren 1542-1546
58 Personen wegen angeblichen Irrglaubens hingerichtet worden waren. So fand sich
auch Bruno vor die Wahl gestellt, entweder nachzugeben und zum Calvinismus
überzutreten oder die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen. Bruno wählte das
letztere. Er kehrte nach Lyon zurück und verbrachte dort den folgenden Monat in
dominikanischen Klöstern in Lyon und Umgebung. Doch die Anstellungen, die er dort
fand, reichten nicht zum Leben und so verließ er Lyon und zog nach Toulouse weiter.
Dort erwarb er, im Alter von 32 Jahren den Titel des magister artium, der die
Vorraussetzung für eine artes-Professur war.
Im Frühjahr 1580 wurde Giordano Bruno somit schließlich Professor für artes an der
Universität von Toulouse. In den folgenden zwei Jahren hielt er dort Vorlesungen über
21
Vgl. Bruno, Inquisitionsakten, In: Kuhlenbeck, Gesammelte Werke, Bd.6, 1909, S.167.
22
Vgl. Eggert, Giordano Bruno, 1989, S.207ff.

21
Aristoteles und verfasste eine selbstständige Zusammenfassung des Werkes ,,De Anima",
welches als verloren gilt. Höchstwahrscheinlich war es auch eine Veröffentlichung
Brunos, die ihn im Frühjahr 1582 dazu veranlasste, seine Professur aufzugeben und nach
Paris zu ziehen. Auch dort verdiente er seinen Lebensunterhalt zunächst mit Vorlesungen,
die er in lateinischer Sprache abhielt.
Brunos Privatvorlesungen waren ein großer Erfolg, so dass ihm bereits nach kurzer Zeit
eine Philosophie-Professur an der Universität Paris angeboten wurde. Diese lehnte er
jedoch ab, weil er es, aufgrund seiner Exkommunikation, nicht wagte, an den öffentlichen
Gottesdiensten der Stadt teilzunehmen, die Pflicht für ordentliche Professoren waren, wie
er später vor der Inquisition angab.
23
Diese Entscheidung konnte er sich leisten, da er zu
diesem Zeitpunkt mit dem französischen König Heinrich III. einen neuen Gönner
gefunden hatte. So übernahm Giordano Bruno im Herbst 1582 eine Professur am
königlichen Kolleg in Paris, die ausschließlich vom König vergeben wurde.
Im selben Jahr veröffentlichte er neben der Komödie ,,Il Candelaio" (zu deutsch: ,,Der
Kerzenzieher") seine zwei größten Werke über Gedächtniskunst, die er ,,De umbris
idearum" (zu deutsch: ,,Über die Schatten der Ideen") und ,,Ars memoriae" (zu deutsch:
,,Gedächtniskunst") benannte. Trotz der zwei unterschiedlichen Titel stellen beide
Arbeiten ein zusammenhängendes Werk dar und wurden deshalb auch in einem Band
abgedruckt und veröffentlicht. Bruno fasste darin seine Privatvorlesungen des Jahres 1582
zusammen. Zudem veröffentlichte er einen Kommentar zu dem Werk ,,Ars magna" von
Raimundus Lullus, den Bruno ,,De compendiosa architectura et complemento artis Lulli"
(zu deutsch: ,,Über den zusammenhängenden Aufbau und die Ergänzung der Kunst des
Lullus") betitelte.
Schon während seiner Studienzeit hatte sich Bruno mit der Mnemonik des Raimundus
Lullus (um 1233-1315) selbständig befasst. Von ihm übernahm er den Gedankengang,
durch Kombination einer bestimmten Zahl von Ideen zu einem komplexen Lehrgebäude
zu kommen. Giordano Brunos Lullus-Kommentar, der zu seinen Lebzeiten kaum
Widerhall fand, konnte von den Brüdern des Dominikanerordens nur als Provokation
empfunden werden.
Die Mehrheit der Dominikaner befürwortete nämlich zu diesem
Zeitpunkt nicht nur das Verbot der Werke des Raimundus Lullus, sondern aller
lullistischer Literatur.
24
23
Vgl. Bruno, Inquisitionsakten. In: Kuhlenbeck, Gesammelte Werke, Bd.6, 1909, S.167.
24
Raimundud Lullus galt als erster europäischer Philosoph, der das Studium der arabischen Sprache
befürwortete und versuchte, den arabischen Raum zu missionieren.

22
Nach ungefähr fünf Monaten am französischen Collège Royale, kam es zu allgemeinen
Ausschreitungen in Paris und auch zu erneuten Ausfällen gegen Giordano Bruno. Diese
spitzten sich immer mehr zu, so dass nicht einmal König Heinrich III. Giordano Bruno
schützen konnte und ihm deshalb riet, in die französische Gesandtschaft nach London zu
gehen. So verließ Bruno Anfang 1583 Frankreich und reiste als ,,gentilhomme", d.h. als
Mitglied des französischen Gesandtschaftspersonals, nach England. Dieser Aufenthalt
sollte ihn berühmt machen, denn in England verfasste Bruno seine kosmologischen und
mystischen Werke.
Bis auf einen kurzen Aufenthalt in Oxford Mitte August 1583, wo Bruno sich vergeblich
darum bemühte, eine Anstellung zu finden, verlebte er seine Zeit in der französischen
Gesandtschaft in London. Etwa um diesen Zeitpunkt fing Bruno an, sich verstärkt mit
kosmologischen Themen und den Werken des Nikolaus von Kues und Nikolaus
Kopernikus zu befassen. Da es nicht gerade gut um seine Finanzen stand, musste Bruno
über eine neue Veröffentlichung nachdenken.
Am Aschermittwoch 1584 veranstaltete die französische Gesandtschaft ein Festmahl, bei
dem sich Bruno mit mehreren Medizinern angeregt über Kopernikus und die Bewegung
der Erde unterhielt. Die Gespräche regten ihn so an, dass er knapp einen Monat später
sein bisher populärstes Werk mit dem Titel ,,La Cena de le ceneri" (zu deutsch: ,,Das
Aschermittwochsmahl") veröffentlichte. Bruno erregte damit rasch großes Aufsehen,
doch er schaffte sich nicht unbedingt Freunde. In dem Geschehen treten oft typische oder
karikaturhaft überzeichnete Gestalten aus dem akademischen Milieu auf, die dann mit
bissigem Witz bloßgestellt werden. Er argumentiert vor allem gegen Peripatetiker,
Philologen, Theologen und Magister, von denen er sich oder die Person, die ihn in dem
jeweiligen Dialog vertritt, nicht nur durch intellektuelle Überlegenheit, sondern auch
dadurch unterscheidet, dass er einen gänzlich anderen philosophischen Typus verkörpert.
So nennt sich Bruno selbst im Untertitel von ,,Il candelaio" ,,Bruno Nolano ­ Academico
di nulla Academica, detto il fastidio" (zu deutsch: Bruno der Nolaner ­ Akademiker
keiner Akademie - der Unangenehme).
25
Gerade gegen die an den Akademien herrschende Unvernunft und dem scholastischen
Kompendienwissen mehrerer Jahrhunderte entstammenden aristotelischen
Argumentationen, die Brunos Bild eines unendlichen Universums als naturphilosophische
Unmöglichkeit ausschlossen, versuchte er seine These zu entwickeln.
25
Vgl. Bruno, Giordano: Il Candelaio. Hrsg. von Giorgio Bàberi Squaotti, Eindaudi Verlag, Toronto 1964.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832453367
ISBN (Paperback)
9783838653365
Dateigröße
1.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Regensburg – Philosophische Fakultät II
Note
1,0
Schlagworte
neuzeit unendelichkeitslehre monadologie häresie katholische kirche
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Titel: Giordano Bruno
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