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Jugendkriminalität

Tendenzen, Ursachen und Maßnahmen der Prävention im Rahmen sozialer Arbeit

©2000 Diplomarbeit 101 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In dieser Arbeit soll aufzeigt werden, in welche Richtung sich das Ausmaß der Jugendkriminalität momentan bewegt und eindringlich auf die möglichen Ursachen hingewiesen werden, die einen jungen Menschen zu Handlungen hinreißen lassen, welche ihn dann zum „Kriminellen“ machen.
Ich werde außerdem auf Maßnahmen eingehen, die es möglich machen sollen, Jugendliche von strafbaren Taten abzuhalten, bzw. das Ausmaß in Grenzen zu halten, denn so lange es Menschen gibt und diese auf engem Raum zusammen leben, zusammen konsumieren und agieren, so lange werden sie wohl die Gesetze, die sie machen auch brechen.
Das Thema „Jugend und Gewalt“ werde ich nur im Rahmen der Jugend-(gewalt)- kriminalität behandeln, nicht aber explizit, da es meiner Ansicht nach selbst genügend Diskussionsstoff für eine Diplomarbeit bietet. Das Themengebiet „Rechtsextremismus“ ist ebenfalls komplex genug, um den Rahmen dieser Arbeit zu sprengen. Die Handlungen jugendlicher rechtsradikaler Täter sind hier deshalb unter die der Jugendkriminalität allgemein zu subsumieren.
Als Sozialpädagoge hat man es in vielen Arbeitsfeldern immer wieder mit Kindern und Jugendlichen zu tun, die aufgrund ihrer Entwicklung oder ihres psychosozialen Umfeldes und den damit einher gehenden Schwierigkeiten (z.B. schulischer Leistungsdruck, Partnerprobleme der Eltern, genetisch bedingte Verhaltensstörungen usw.) mehr oder weniger schwerwiegende Verhaltensauffälligkeiten aufweisen. Solche Verhaltensstörungen könnten sowohl Ursache, als auch Begleiterscheinung delinquenten Verhaltens sein, was wiederum ein beeinflussender Aspekt auf die Frage der richtigen Prävention sein dürfte. Außerdem werde ich der Frage nachgehen, welche Rolle soziale Ausgrenzung, Armut oder der Lebens- und Wohnraum für die Entstehung von Jugendkriminalität spielen. Am Ende soll deutlich werden, dass eine vernünftige Sozialpolitik die beste Kriminalpolitik darstellt.
Vorab möchte ich zudem noch erwähnen, dass Kriminalität als Begriff den unterschiedlichen und wandelbaren strafrechtlichen Bestimmungen unterliegt und somit selbst wandelbar ist. Ein noch immer aktuelles Beispiel dafür sind die liberalisierten gesetzlichen (strafrechtlichen) Bestimmungen hinsichtlich des Schwangerschaftsabbruches. Hinzu kommt, dass nicht jeder, der ein Gesetz bricht bzw. eine „kriminelle“ Handlung begeht von der Gesellschaft als „Krimineller“ bezeichnet wird, da es scheinbar akzeptierte, legitime „kriminelle“ Handlungen zu geben […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 5305
Scherk, Peter: Jugendkriminalität: Tendenzen, Ursachen und Maßnahmen der Prävention im
Rahmen sozialer Arbeit / Peter Scherk - Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Mannheim, Fachhochschule, Diplomarbeit, 2000
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

I
INHALTSVERZEICHNIS
INHALTSVERZEICHNIS ... I
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS... III
A. VORWORT ...1
B. JUGENDKRIMINALITÄT ­ TENDENZEN, URSACHEN UND MAßNAHMEN
DER PRÄVENTION IM RAHMEN SOZIALER ARBEIT ...4
I. DEFINITIONEN ZUR JUGENDKRIMINALITÄT...4
1.1 Z
UM
B
EGRIFF DER
K
RIMINALITÄT
...4
1.2 W
AS VERSTEHT MAN UNTER
,,
ABWEICHENDEM
V
ERHALTEN
"? ...4
1.3 D
EFINITION
I
DER
J
UGENDKRIMINALITÄT
...5
1.4 D
EFINITION
II
DER
J
UGENDKRIMINALITÄT
...5
1.5 Z
UM
D
ELINQUENZ
- B
EGRIFF
...6
II. TENDENZEN UND ENTWICKLUNGEN DER JUGENDKRIMINALITÄT...7
2.1 S
TATISTISCHE
E
NTWICKLUNGEN
...7
2.1.1 Quantitative Entwicklungen (Fallzahlen, Tatverdächtigenzahlen)...8
2.1.3 Geschlechtszugehörigkeit, Nationalität und Altersgruppen ...10
2.1.2 Qualitative Entwicklungen und Deliktschwerpunkte ...14
2.2 K
RITISCHE
B
ETRACHTUNG
...17
III. URSACHEN VON JUGENDKRIMINALITÄT...25
3.1 B
IOLOGISCHE
M
ODELLE ZUR
E
NTSTEHUNG VON
K
RIMINALITÄT
...25
3.2 D
IE PSYCHOANALYTISCHE
S
ICHTWEISE ZUR
K
RIMINALITÄTSENTSTEHUNG
...27
3.2.1 Neurotische Formen der Kriminalität ...29
3.2.2 Psychopathische Formen der Kriminalität ...29
3.3 E
NTSTEHUNG DER
J
UGENDKRIMINALITÄT AUS SOZIALISATIONSTHEORETISCHER
S
ICHT
...30
3.3.1 Die unvollständige Familie als Risiko - Faktor? ...31
3.3.2 Schichtspezifische Ansätze ...31
Die unterschichtspezifische Sozialisation ...32
Die mittelschichtspezifische Sozialisation...33
3.4 E
RKLÄRUNGSANSATZ DER
V
ERHALTENS
-
UND
L
ERNTHEORIE
...34
3.5. S
OZIALSTRUKTURELLE
A
NSÄTZE
...35
3.5.1 Die Anomietheorie nach M
ERTON
...35

II
3.5.2 Die Anomietheorie nach O
PP
...37
3.6. D
IE INTERAKTIONISTISCHE
S
ICHTWEISE
...41
3.6.1 Der ,,Labeling - Approach" ­ Ansatz...41
3.6.2 Das ,,Teufelskreis" ­ Modell nach Q
UENSEL
...42
3.7 A
LTERNATIVE
E
RKLÄRUNGSMODELLE ZUR
E
NTSTEHUNG
VON
J
UGENDDELINQUENZ
...46
3.7.2 Nahrungsmittelphosphat als Ursache abweichenden Verhaltens?...48
3.7.3 Der Einfluß des Fernsehens - insbesondere hinsichtlich Gewaltkriminalität...49
3.7.4 Konsumdruck als kriminalitätsfördernder Faktor ...51
3.7.5 Gewalt in der Familie ...52
3.7.6 Jugenddelinquenz im Zusammenhang mit Jugendarbeitslosigkeit, Armut
und Wohnsituation...53
3.7.7 Jugenddelinquenz in Abhängigkeit von Disposition, Auslöser
und Gelegenheit ...57
IV. MAßNAHMEN DER JUGENDKRIMINALITÄTSPRÄVENTION
IM RAHMEN SOZIALER ARBEIT...60
4.1 E
NTWICKLUNG DES
J
UGENDSTRAFRECHTS
...61
4.1.1 Historische Entwicklung ...61
4.1.2 Das gegenwärtige Jugendgerichtsgesetz ...62
4.2 B
EGRIFF DER
P
RÄVENTION
...63
4.2.1 Definition der Generalprävention ...64
4.2.2 Definition der Spezialprävention ...64
4.3. K
RITIK AM
P
RINZIP DER
B
ESTRAFUNG
...65
4.4 J
UGENDKRIMINALITÄTSPRÄVENTION IM
R
AHMEN SOZIALER
A
RBEIT
...69
4.4.1 Diversion im Jugendstrafverfahren ...70
4.4.2 Täter ­ Opfer - Ausgleich ...72
4.4.3 Soziale Trainingskurse...73
4.4.5 ,,Erlebnispädagogik" ...75
4.4.6 Präventionsmaßnahmen sozialer Arbeit in Kooperation mit der Polizei ...77
4.4.7 Sozialpolitik - Grundstock sinnvoller Jugendkriminalitätsprävention ...78
V. FAZIT...80
C. QUELLENVERZEICHNIS...86
D. ANHANG: ZEITUNGSAUSSCHNITTE: ...89

III
Abkürzungsverzeichnis
(alltägliche Abkürzungen nicht berücksichtigt)
Abb. Abbildung
Abs. Absatz
AJS Aktion
Jugendschutz
Art. Artikel
BaWü
Baden ­ Württemberg
BewHi Bewährungshilfe
BtMG Betäubungsmittelgesetz
CD Compact
Disk
GG Grundgesetz
H. Heft
Hrsg. Herausgeber
i.d.R.
in der Regel
Jg. Jahrgang
JGG Jugendgerichtsgesetz
JGH Jugendgerichtshilfe
JVA Justizvollzugsanstalt
KJHG
Kinder- und Jugendhilfegesetz
LKA Landeskriminalamt
m.E. meines
Erachtens
MschrKrim
Monatsschrift für Kriminologie
MzD
Minimale zerebrale Dysfunktion
PKS Polizeiliche
Kriminalstatistik
SA SozialarbeiterInnen
SP SozialpädagogInnen
StGB Strafgesetzbuch
StVStat Strafverfolgungsstatistik
SZ Süddeutsche
Zeitung
TOA
Täter ­ Opfer ­ Ausgleich
TV Tatverdächtigen
TVBZ Tatverdächtigenbelastungszahl
Vgl. Vergleiche

1
A. Vorwort
Auf Grund aktueller Umstände, über die in den Medien berichtet wird ­ z.B. ,,Amokläu-
fer" an amerikanischen und deutschen Schulen, Diskussionen um ,,Abschiebungen kri-
mineller Ausländer", Streit um ,,Jugendstrafrechtsverschärfung", Berichte über eine
,,steigende Jugendkriminalität" usw. ­ habe ich mich dafür entschieden, über das Thema
Jugendkriminalität zu schreiben. Ein recht komplexes Gebiet, das für die soziale Arbeit
in ihren Handlungsfeldern sicher immer präsent sein wird.
In der Berichterstattung der Massenmedien (allen voran die Boulevardzeitungen und
private Fernsehsender) stellt das Thema Jugendkriminalität nach wie vor einen brisanten
Diskussionsstoff dar.
"Ab in den Knast!"..."Einlochen"... ,,Hinter Gitter, für immer!"..."Tür zu und Schlüssel
weg!" ..."Abschieben"..."Wegsperren"...
Die Liste der polemisch ­ populistischen Schlagworte ließe sich noch weiter führen. All-
zu oft bekommt man sie (leider) überall zu hören.
Es ist einfach über Sachverhalte zu berichten, schwieriger jedoch ist es, diese auch zu
recherchieren und objektiv darüber zu schreiben. Schließlich ist es auch ein gefundenes
Fressen für Journalisten, wenn junge, noch dazu ausländische (!) ,,Serientäter" spektaku-
lär für Furore sorgen. Gegenwärtig wird das ,,Problem" mit der Jugendkriminalität oft so
dargestellt, als hätte es Ausmaße erreicht, die im Gegensatz zu früher quantitativ und
qualitativ verändert zu sein scheinen mit der Tendenz: ,,Es wird ja alles immer schlim-
mer!"
Nicht verwunderlich ist, dass durch solche Berichterstattung und durch polizeiliche Kri-
minalstatistiken (die es zu hinterfragen gilt) eine Diskussion entstehen kann, die sich um
die Frage der Jugendstrafrechtsverschärfung dreht. Es soll später deutlich werden, ob
solche Diskussionen ihre Berechtigung haben. Mehr noch, ob Strafe
(= Abschreckung?)
als Prävention überhaupt Sinn macht bzw. welchen ,,Nutzen" die Opfer und Täter daraus
ziehen und ob nicht möglicherweise durch andere Maßnahmen (z.B. Diversion
, Täter-
Opfer-Ausgleich, Anti-Aggressionstraining usw.) positivere Ergebnisse erreicht werden.
Von lat. ,,divertere", bedeutet Umleitung, Ablenkung, Richtungsänderung. Ausführliche Erläuterung im
Abschnitt 4.4.1.

2
Folglich verstehe ich den Begriff ,,Prävention" nicht nur als ,,Verhinderung von
Kriminalität" generell, sondern auch in Verbindung mit dem ,,Vorbeugen von
Wiederholungstaten", sozusagen dem resozialisierenden Aspekt der Prävention.
In dieser Arbeit soll aufzeigt werden, in welche Richtung sich das Ausmaß der Jugend-
kriminalität momentan bewegt und eindringlich auf die möglichen Ursachen hingewie-
sen werden, die einen jungen Menschen zu Handlungen hinreißen lassen, welche ihn
dann zum ,,Kriminellen" machen.
Ich werde außerdem auf Maßnahmen eingehen, die es möglich machen sollen, Jugendli-
che von strafbaren Taten abzuhalten, bzw. das Ausmaß in Grenzen zu halten, denn so
lange es Menschen gibt und diese auf engem Raum zusammen leben, zusammen konsu-
mieren und agieren, so lange werden sie wohl die Gesetze, die sie machen auch brechen.
Das Thema ,,Jugend und Gewalt" werde ich nur im Rahmen der Jugend-(gewalt)-
kriminalität behandeln, nicht aber explizit, da es meiner Ansicht nach selbst genügend
Diskussionsstoff für eine Diplomarbeit bietet. Das Themengebiet ,,Rechtsextremismus"
ist ebenfalls komplex genug, um den Rahmen dieser Arbeit zu sprengen. Die Handlungen
jugendlicher rechtsradikaler Täter sind hier deshalb unter die der Jugendkriminalität all-
gemein zu subsumieren.
Als Sozialpädagoge hat man es in vielen Arbeitsfeldern immer wieder mit Kindern und
Jugendlichen zu tun, die aufgrund ihrer Entwicklung oder ihres psychosozialen Umfeldes
und den damit einher gehenden Schwierigkeiten (z.B. schulischer Leistungsdruck, Part-
nerprobleme der Eltern, genetisch bedingte Verhaltensstörungen usw.) mehr oder weni-
ger schwerwiegende Verhaltensauffälligkeiten aufweisen. Solche Verhaltensstörungen
könnten sowohl Ursache, als auch Begleiterscheinung delinquenten Verhaltens sein, was
wiederum ein beeinflussender Aspekt auf die Frage der richtigen Prävention sein dürfte.
Außerdem werde ich der Frage nachgehen, welche Rolle soziale Ausgrenzung, Armut
oder der Lebens- und Wohnraum für die Entstehung von Jugendkriminalität spielen.
Am Ende soll deutlich werden, dass eine vernünftige Sozialpolitik die beste Kriminalpo-
litik darstellt.
Vorab möchte ich zudem noch erwähnen, dass Kriminalität als Begriff den unterschiedli-
chen und wandelbaren strafrechtlichen Bestimmungen unterliegt und somit selbst wan-
delbar ist. Ein noch immer aktuelles Beispiel dafür sind die liberalisierten gesetzlichen
(strafrechtlichen) Bestimmungen hinsichtlich des Schwangerschaftsabbruches. Hinzu
kommt, dass nicht jeder, der ein Gesetz bricht bzw. eine ,,kriminelle" Handlung begeht

3
von der Gesellschaft als ,,Krimineller" bezeichnet wird, da es scheinbar akzeptierte, legi-
time ,,kriminelle" Handlungen zu geben scheint, die hin und wieder der ein oder andere
begeht und dadurch aber nicht zum ,,Verbrecher" oder ,,Kriminellen" degradiert wird.
Man stelle sich beispielsweise einen Handelsvertreter oder Versicherungskaufmann vor,
der einige Male im Jahr einen Freund zum Essen einlädt und diese Kosten als ,,Ge-
schäftsessen" steuerlich absetzt, oder sie als ,,Spesen" deklariert. Es liegt uns fern, so
jemanden bzw. solche Handlungen als kriminell zu bezeichnen, obwohl sich dieser
(,,clevere" Geschäfts-) Mann strafbar macht. Andererseits jedoch taucht ein 14-jähriges
Kind, das einmal in einem Geschäft eine CD klaut, in der polizeilichen Kinder- und Ju-
gendkriminalitäts-statistik auf, auch wenn es nicht zum Wiederholungstäter wird. Als
weiteres Beispiel fallen mir die unzähligen Raubkopien von Musik - CD's oder Compu-
terspielen ein, die heute in vielen Wohn- oder Kinderzimmern in Vielzahl vorhanden
sind. Obwohl dies strafbar ist und vermutlich einen beträchtlichen wirtschaftlichen Scha-
den anrichtet, wird es von jedem als legitim betrachtet. Nicht zu vergessen, der alljährli-
che wirtschaftliche Schaden durch den scheinbar ,,legitimen" Versicherungsbetrug in der
Kfz ­ Haftpflichtversicherung!
Raufereien auf dem Schulhof, dem Spielplatz oder auf der Straße sind schon immer gang
und gäbe, jedoch könnte eine Sensibilisierung der Bürger durch eine massivere oder rea-
litätsfremde Darstellung in den Medien evtl. ein höheres Anzeigeverhalten herbeiführen,
welches wiederum zu steigenden Kriminalitätsquoten führt. Außerdem ist zu vermuten,
dass eine höhere Polizeipräsenz zu höheren Aufdeckungsquoten führen könnte, was so-
mit auch die Kriminalitätsstatistik selbst ansteigen läßt.
Es wird deutlich, dass es sich - wenn folgend in der vorliegenden Arbeit von Kriminalität
die Rede ist - dabei um einen äußerst weitgefächerten, wandelbaren Begriff handeln
kann.
Zu guter letzt soll diese Arbeit zum Nachdenken anregen, denn meiner Ansicht nach ma-
chen sich leider nur wenige Menschen Gedanken darüber, wie es überhaupt soweit
kommt, dass ein Kind oder Jugendlicher sich ,,kriminell" verhält und was man tun könn-
te, um dies zu verhindern.

Jugendkriminalität ­ Tendenzen, Ursachen und Maßnahmen der Prävention im Rahmen sozialer Arbeit
4
B. Jugendkriminalität ­ Tendenzen, Ursachen und Maß-
nahmen der Prävention im Rahmen sozialer Arbeit
Da es mir äußerst wichtig erscheint, bei Problemlagen möglichst die Ursache zu erken-
nen, um so die angemessene Art der Intervention zielorientiert anwenden zu können bzw.
eine auf die Ursache gerichtete präventive Arbeit zu leisten, möchte ich auf verschiedene
Theorien zur Entstehung von Jugendkriminalität eingehen. Zuvor jedoch soll der Begriff
Jugendkriminalität erläutert werden, wie er in dieser Arbeit zu verstehen ist und das ge-
genwärtige Ausmaß und die Tendenzen dargestellt werden.
I. Definitionen zur Jugendkriminalität
1.1 Zum Begriff der Kriminalität
Im Allgemeinen wird die Verletzung von Strafgesetzen (durch ,,Verbrechen" oder ,,Ver-
gehen") mit dem Begriff ,,Kriminalität" bezeichnet. Darunter ist ein von festgelegten
Normen (rechtsgültige strafrechtliche Bestimmungen) abweichendes Verhalten zu ver-
stehen.
Diese Normen sind im Strafgesetzbuch (StGB) zusammengefaßt. §1 StGB besagt, dass
eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor
die Tat begangen wurde
,,Keine Strafe ohne Gesetz".
Dies bestimmt auch Art. 103 Abs.2 GG. Es kann also nur jemand als ,,kriminell" be-
zeichnet werden, der Taten begeht, deren Strafbarkeit gesetzlich bestimmt ist.
1.2 Was versteht man unter ,,abweichendem Verhalten"?
Darunter ist ein Verhalten von Einzelnen oder Gruppen zu verstehen, dass sich von dem
von der Gesellschaft als ,,gut" oder ,,richtig" empfundenen Verhalten abhebt. Es muß
deshalb immer im Kontext zu den gesellschaftlich festgelegten Wert- und Normensyste-
men betrachtet werden. Die allgemeine Akzeptanz dieser Wert- und Normensysteme der
Mehrheit der Gesellschaft bedeutet jedoch nicht zwangsläufig eine Unnotwendigkeit des

Jugendkriminalität ­ Tendenzen, Ursachen und Maßnahmen der Prävention im Rahmen sozialer Arbeit
5
Hinterfragens dieser Werte und Normen. Ebenso sind sie kein Garant für ein allgemeines
Wohlbefinden aller Gesellschaftsmitglieder.
Die Gefahr einer Ausdifferenzierung dieser Normensysteme liegt darin, dass sie gleich-
zeitig einhergeht mit einer Ausweitung dessen, was als ,,abweichend" zu bezeichnen ist.
Somit wird die Bildung von Instanzen ,,sozialer Kontrolle" notwendig, die sich mit der
Einhaltung, Überwachung, Prävention oder Intervention beschäftigen
1
. Die Ursachen für
abweichendes Verhalten sind in den verschiedenen Wissenschaften kontrovers diskutiert
(vom Einfluß individueller Faktoren bis hin zu sozialstrukturellen Einflüssen).
Verschiedene Theorien bieten die Sozialwissenschaften, darunter beispielsweise auch die
unter 3.5.1 beschriebene ,,Anomietheorie".
1.3 Definition I der Jugendkriminalität
Jugendkriminalität, verbrecherisches Verhalten Jugendlicher (14 bis 18 Jahre), von Ju-
gendgerichten nach Jugendstrafrecht unter Berücksichtigung geltender Altersgrenzen
geahndet; z.T. wird die Jugendkriminalität hervorgerufen durch mangelnde Erziehung,
Milieu, die Statusunsicherheit des Jugendlichen sowie auch durch die aus der Emanzipa-
tion sich herleitende Opposition gegen Familie und Erwachsene
(Der Knaur, Universallexikon
in 15 Bänden, Band 7, S. 2513)
. Hier wird nicht nur definiert, sondern schon analysiert und
nach Ursachen gesucht. Es ist von ,,verbrecherischem" Verhalten die Rede, ohne zu be-
denken, dass auch ,,Vergehen" unter das Strafrecht fallen können. Jugendliche Täter wer-
den hier zum ,,Verbrecher" gemacht.
1.4 Definition II der Jugendkriminalität
Im §10 StGB wird darauf verwiesen, dass das StGB für die Taten von Jugendlichen und
Heranwachsenden nur gilt, ,,soweit im Jugendgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt
ist", In diesem Zusammenhang ist folgendes zum Jugendgerichtsgesetz (JGG) zu sagen:
Der Anwendungsbereich des JGG bezieht sich auf ,,Jugendliche und Heranwachsende",
wobei unter Jugendlicher zu verstehen ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht
achtzehn Jahre alt ist. Als Heranwachsender wird bezeichnet, wer achtzehn, aber noch

Jugendkriminalität ­ Tendenzen, Ursachen und Maßnahmen der Prävention im Rahmen sozialer Arbeit
6
nicht einundzwanzig Jahre alt ist. Kinder unter vierzehn Jahren sind somit nicht straf-
mündig und dürfen strafrechtlich nicht belangt werden.
Noch deutlicher wird dies in §19 StGB: "Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat
noch nicht vierzehn Jahre alt ist".
(Kinder werden von der Polizei generell erst ab 8 Jahren statistisch erfaßt).
Im Folgenden ist also unter Jugendkriminalität die Gesamtheit der von Jugendlichen und
Heranwachsenden innerhalb einer bestimmten Zeit und eines bestimmten Gebietes be-
gangenen Straftaten zu verstehen, also die strafbaren Taten der 14 bis einschließlich 20-
jährigen
2
. Gerade bei der Betrachtung der statistischen Jugendkriminalitätsentwicklung
möchte ich jedoch nicht auf die Tatverdächtigenzahlen und Fallzahlen der unter
14jährigen verzichten, schon allein wegen des Vergleichs zu den älteren Gruppen. Ich
werde außerdem im Laufe der Arbeit an Stellen, wo es nicht auf eine exakte Definition
ankommt den Begriff ,,Jugendliche" pauschal für Jugendliche und Heranwachsende
benutzen.
1.5 Zum Delinquenz - Begriff
Um eine stigmatisierende Wirkung des negativ belasteten Begriffes ,,Kriminalität" zu
vermeiden, wird im deutschen Sprachgebrauch oft die abgemilderte Bezeichnung ,,Ju-
genddelinquenz" verwendet. Wenn von delinquentem
Verhalten die Rede ist, liegt daher
eine verstehende Haltung zu Grunde, die anstatt einer strafenden Reaktion auf kriminel-
les Agieren eher eine helfende Reaktion bevorzugt. Da sich das rechtswidrige Verhalten
Jugendlicher und Heranwachsender intentional und tatbestandsmäßig von dem der
Erwachsenen Akteure erheblich unterscheidet, sollte der Begriff ,,Jugenddelinquenz"
dem Etikett ,,Kriminalität" vorgezogen werden
3
.
Allerdings habe ich im Titel zum besseren Verständnis bewußt den Begriff ,,Jugendkri-
minalität" gewählt. Diesen Begriff werde ich deshalb auch im weiteren Verlauf der Ar-
beit hin und wieder verwenden.
1 Vgl. Pressel, I., 1993, S. 4f
2 Vgl. Böhm, A., 1993, S. 530
Aus dem Lat.: delinquere, in etwa: ,,hinter dem erwarteten Verhalten zurückbleiben"
3 Vgl. Scheerer, S., 1993, S.209

Jugendkriminalität ­ Tendenzen, Ursachen und Maßnahmen der Prävention im Rahmen sozialer Arbeit
7
II. Tendenzen und Entwicklungen der Jugendkriminalität
Verfolgt man die Berichterstattung der Medien oder öffentliche Diskussionen, so entsteht
leicht der Eindruck die Jugendlichen würde immer krimineller und gewalttätiger. Durch
einen Blick auf die Polizeiliche Kriminalstatistik wird diese Hypothese scheinbar evi-
dent. Später jedoch wird deutlich, dass eine kritische Betrachtungsweise einen solchen
Trend nicht in jeder Hinsicht bestätigt.
2.1 Statistische Entwicklungen
In dem Vorwort zum Jahresbericht 1992 des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg
(LKA BaWü) spricht der damalige Innenminister F
RIEDER
B
IRZELE
von einem auffallen-
den Anstieg der Jugendkriminalität im Vergleich zum Jahr zuvor. 3662 tatverdächtige
Jungtäter oder 8,9 % mehr als im Vorjahr
4
.
(Nun stellt sich mir allerdings die Frage, ob denn ,,tatverdächtig" gleichzustellen ist mit
,,kriminell" bzw. ,,straffällig"?)
Unterschiedliche Ansichten zur Frage einer steigenden Jugenddelinquenz scheinen sich
in den Ausführungen der verschiedenen Parteien zu zeigen. Hier nur zwei als Beispiel:
Die CSU zum Thema Kinder- und Jugenddelinquenz
(Stand vom 01.07.1998)
5
:
,,Die Kinder- und Jugendkriminalität ist in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen. Von
den in Bayern ermittelten rund 314.000 Tatverdächtigen hatten mehr als 75.000 das 21. Lebens-
jahr noch nicht vollendet. Gerade bei den Jugendlichen ist der Tatverdächtigenanteil von 10%
deutlich höher als ihr Bevölkerungsanteil von 4%. Alarmierend ist nicht zuletzt der hohe Auslän-
deranteil".
Und weiter heißt es hier:
,,Der kriminelle Schwerpunkt liegt zwar im Bereich der Diebstahlsdelikte, wobei wiederum La-
dendiebstähle dominieren. Daneben treten junge Menschen aber auch ­ mit der Tendenz ständig
steigender Gewaltbereitschaft ­ mehr und mehr bei Delikten wie Körperverletzung und Straßen-
raub in Erscheinung".
4 Vgl. Birzele, Frieder, 1992, S.3
5Im Internet: http://www.csu.bayern.landtag.de/doc/argu_kinder.htm

Jugendkriminalität ­ Tendenzen, Ursachen und Maßnahmen der Prävention im Rahmen sozialer Arbeit
8
(Weiter unten erteilt die CSU einer von der SPD ,,immer wieder propagierten Entkriminalisie-
rung von Bagatell-Straftaten eine klare Absage"[...]. )
Die SPD wiederum meint in ihrem Regierungsprogramm von 1998 zum Thema ,,Die
innere Sicherheit verbessern" folgendes
6
:
,,Nur ein geringer Prozentsatz der Jugendlichen unseres Landes wird jemals straffällig. Bei den
jugendlichen Straftätern, die vor Gericht kommen, zeigt sich außerdem, dass die vom Jugend-
strafrecht vorgegebenen Maßnahmen in den allermeisten Fällen eine Wiederholung verhin-
dern".[...]
Um eine klarere Sichtweise über die Lage zu bekommen, werde ich deshalb nun dem
Ausmaß und den Entwicklungen der Jugenddelinquenz auf den Grund gehen:
Die jährlich der Polizei bekanntgewordenen Straftaten, für die Jugendliche und Heran-
wachsende ermittelt wurden, werden vom Bundeskriminalamt in der polizeilichen Krimi-
nalstatistik (PKS) erfaßt
7
.
Im Auftrag des Innenministeriums erstellt das jeweils zuständige Landeskriminalamt für
das jeweilige Bundesland ebenfalls einen solchen Jahresbericht. Diese Statistiken sind im
allgemeinen bedeutsam für politische Entscheidungen und bilden den Grundstock für
Diskussionen in den Medien. Deshalb werde ich mich an dieser Stelle (zunächst kom-
mentarlos) auf die Daten des LKA BaWü beziehen
:
2.1.1 Quantitative Entwicklungen (Fallzahlen, Tatverdächtigenzahlen)
Die in Baden-Württemberg von der Polizei im Jahr 1997 ermittelte Zahl der Tatverdäch-
tigen (TV) unter 21 Jahren betrug 63.282 und somit 6,1 % oder 3.648 mehr als im Vor-
jahr.
Das Diagramm auf der folgenden Seite zeigt die Entwicklung der Tatverdächtigenzahlen
von 1988 bis 1997 im Vergleich Jungtäter und Tatverdächtige insgesamt:
6Im Internet: http://www.edition-digital.com/spd-mv/programm/t00041.htm
7 Vgl. Böhm, A., 1993, S. 530
Da statistische Erhebungen und deren Auswertung stets einige Zeit in Anspruch nehmen, spiegeln die
Daten von 1998 den Stand von 1997 wider. Ein neuerer Stand war zum Zeitpunkt des Verfassens dieser
Arbeit nicht auffindbar.

Jugendkriminalität ­ Tendenzen, Ursachen und Maßnahmen der Prävention im Rahmen sozialer Arbeit
9
Abb.1: Kriminalitätsentwicklung der Tatverdächtigen unter 21 Jahren
im Verhältnis zu den Tatverdächtigen insgesamt
Quelle: LKA BaWü (1998
), S. 6
Die Tatverdächtigenzahlen erhöhten sich bei den
·
Kindern um 1.720 (13,4%) auf 14.544 TV, wobei diesen 16.011 Fälle (+ 10,0 %) zugeordnet
werden konnten,
·
Jugendlichen um 1.355 (5,2%) auf 27.456 TV, wobei diesen 41.354 Fälle (+ 5,5 %) zugeord-
net werden konnten und
·
Heranwachsenden um 573 (2,8%) auf 21.282 TV, wobei diesen 39.170 Fälle (+ 2,8 %) zuge-
ordnet werden konnten
8
.
Der Anteil der unter 21jährigen an der Gesamtzahl der Tatverdächtigen ist von 27,5 %
(1996) auf 27,8 % (1997) angestiegen. Dabei stieg der Anteil der Kinder an der Gesamt-
zahl der TV von 5,9 % auf 6,4 % und der der Jugendlichen von 12,0 % auf 12,1 %. Bei
den Heranwachsenden sank er demgegenüber geringfügig von 9,5 % auf 9,4 %
9
.
8 Vgl. LKA BaWü 1998, S. 6
9 Vgl. LKA BaWü 1998, S. 7
39.
257
39.
200
40.
913
41.
334
44.
996
46.
678
49.
929
54.
823
59.
634
63.
282
165.818 167.327
174.216 176.024
188.010
205.876 205.943 208.976
217.038
227.394
0
50.000
100.000
150.000
200.000
250.000
1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997
Jungtäter
Tatverdächtige insgesamt

Jugendkriminalität ­ Tendenzen, Ursachen und Maßnahmen der Prävention im Rahmen sozialer Arbeit
10
Betrachtet man die Entwicklung der Tatverdächtigenbelastungszahl
(TVBZ), so zeigt
sich folgendes Bild:
Abb.2: Tatverdächtigenbelastung der unter 21jährigen
2636
2714
2869
2912
3164
3290
3508
3812
4096
4260
1809
1786
1862
2040
1983
1953
1987
2063
1780
1776
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
3500
4000
4500
1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997
unter 21jährige
Erwachsene
Quelle: LKA BaWü, 1998, S. 9
Dem Diagramm oben ist abzulesen, dass die Tatverdächtigenbelastungszahl der unter
21jährigen 1997 doppelt so hoch ist wie die der Erwachsenen.
2.1.3 Geschlechtszugehörigkeit, Nationalität und Altersgruppen
Vorab gesagt scheint Jugenddelinquenz (wie Kriminalität allgemein) hauptsächlich ein
männliches Phänomen bzw. Problem darzustellen. 1997 beispielsweise wurden 53.281
weibliche Tatverdächtige unter 21 Jahren erfaßt, gegenüber 174.113 männlichen. Es ist
jedoch eine Steigerung der Tatverdächtigenzahlen bei den weiblichen unter 21jährigen
zu beobachten, die viermal so hoch ist als die Steigerung der Tatverdächtigenzahl der
weiblichen Erwachsenen
10
.
Die TVBZ ist die auf 100.000 Einwohner entfallende Zahl der von der Polizei ermittelten TV, jeweils
ohne Kinder unter 8 Jahren. Sie drückt die durch die ermittelten Tatverdächtigen verursachte Gefähr-
dung der Bevölkerung aus.
10 Vgl. LKA BaWü, 1998, S. 14

Jugendkriminalität ­ Tendenzen, Ursachen und Maßnahmen der Prävention im Rahmen sozialer Arbeit
11
Die erhöhte Zunahme der weiblichen Tatverdächtigen (Kindern und Jugendlichen) ist
auch folgender Tabelle gut zu entnehmen:
Tatverdächtige
1988 1996 1997
Zunahme
1988 ­ 1997
Zunahme
1996 / 97
Kinder
männlich
4.890
9.404
10.483
+ 114,4 %
+ 11,5 %
weiblich
1.398
3.420
4.061
+ 190,5 %
+ 18,7 %
Jugendliche
männlich
12.098
19.308
20.066
+ 65,9 %
+ 3,9 %
weiblich
3.524
6.793
7.390
+ 109,7 %
+ 8,8 %
Heranwachsende
männlich
13.902
16.697
17.163
+ 23,5 %
+ 2,8 %
weiblich
3.445
4.012
4.119
+ 19,6 %
+ 2,7 %
Erwachsene
männlich
95.071
120.116
126.401
+ 33,0 %
+ 5,2 %
weiblich
31.490
37.288
37.711
+ 19.8 %
+ 1,1 %
Tab. 1: Kriminalitätsentwicklung bei den männlichen und weiblichen unter 21jährigen. Quelle: LKA BaWü
1998, S.14
Auffallend erscheint die enorme Zunahme bei den weiblichen Kindern und Jugendlichen,
während bei den weiblichen Heranwachsenden die Tatverdächtigenzahl weniger gestie-
gen ist als bei den männlichen Altersgenossen.
Als nächstes möchte ich die Entwicklung der Kriminalstatistik der nichtdeutschen Tat-
verdächtigen betrachten.
Dabei werde ich hier jedoch nicht auf die Diskussion eingehen, wie viele Menschen aus
anderen Ländern in der BRD einen Wohnraum oder Arbeitsplatz finden können, bzw. ob
in unserem Land genügend Kapital vorhanden ist, um asylsuchende Menschen oder Aus-
siedler aufzunehmen. Tatsache ist für mich, dass die Menschen die hier leben zu unseren
Mitbewohnern zu zählen sind und somit auch in allen erdenklichen Statistiken auftreten
können.
Das LKA BaWü berichtet von einer Steigerung der Tatverdächtigenbelastungszahl der
deutschen unter 21jährigen (von 1996 auf 1997) um 6,4% und von einer Steigerung bei

Jugendkriminalität ­ Tendenzen, Ursachen und Maßnahmen der Prävention im Rahmen sozialer Arbeit
12
den nichtdeutschen um 0,9%. Wobei die TVBZ der nichtdeutschen als doppelt so hoch
zur deutschen Vergleichsgruppe angegeben wird
11
. Der Anteil der nichtdeutschen an der
Gesamtzahl der unter 21jährigen Tatverdächtigen lag 1997 mit 33,6% etwas unter dem
des Vorjahres (35,5%)
12
.
Einen Zehnjahresvergleich deutscher und nichtdeutscher Jungtäter zeigt folgendes Dia-
gramm:
Abb. 3: Deutsche und nichtdeutsche Jungtäter im Zehnjahresvergleich
Quelle: LKA BaWü, 1998, S. 15
An dem oben abgebildeten Diagramm ist deutlich zu erkennen, dass der Anteil der nicht-
deutschen unter 21jährigen Tatverdächtigen an den Jungtätern insgesamt, seit 1994 deut-
lich zurückgegangen ist.
Beispiel:
Tatverdächtige unter 21-jährige 1993 insgesamt: 46.678;
deutsch: 25.320, nichtdeutsch: 21.358.
TV unter 21-jährige 1997 insgesamt: 63.282;
deutsch: 42.005, nichtdeutsch: 21.277.
11 Vgl. LKA BaWü, 1998, S. 9
12 Vgl. LKA BaWü, 1998, S. 15
0
5.000
10.000
15.000
20.000
25.000
30.000
35.000
40.000
1988
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
nichtdeutsch
deutsch

Jugendkriminalität ­ Tendenzen, Ursachen und Maßnahmen der Prävention im Rahmen sozialer Arbeit
13
Detailliert betrachtet zeigt sich die Zunahme (von 1996 ­ 97) der Tatverdächtigen im
Vergleich insgesamt wie folgt:
Tatverdächtige deutsch
nichtdeutsch
absolut
in %
absolut
in %
Kinder
+ 1.385
+ 15,6
+ 335
+ 8,5
Jugendliche
+ 1.318
+ 7,4
+ 37
+ 0,5
Heranwachsende
+ 836
+ 7,1
- 263
- 2,9
Tab. 2: Kriminalitätsentwicklung der deutschen und nichtdeutschen unter 21jährigen. Quelle: LKA BaWü 1998,
S. 14
Auffällig ist hier der Rückgang der nichtdeutschen Tatverdächtigen Heranwachsenden
um 2,9%.
Im Zehnjahresvergleich wird jedoch deutlich, dass die Steigerungsrate bei den nichtdeut-
schen Heranwachsenden deutlich höher ist als bei den deutschen Altersgenossen, wäh-
rend bei den Kindern der Trend genau umgekehrt ist:
Tatverdächtige
1988 1997
Zu-/Abnahme
1988 / 1997 in %
Kinder
deutsch
3.728
10.265
+ 175,3
nichtdeutsch
2.560
4.279
+ 67,1
Jugendliche
deutsch
10.657
19.204
+ 80,2
nichtdeutsch
4.965
8.252
+ 66,2
Heranwachsende
deutsch
12.591
12.536
- 0,4
nichtdeutsch
4.756
8.746
+ 83,9
Tab. 3: Zehnjahresvergleich der Entwicklung der Tatverdächtigenzahlen deutscher und nichtdeutscher TV.
Quelle: LKA BaWü, 1998, S. 16

Jugendkriminalität ­ Tendenzen, Ursachen und Maßnahmen der Prävention im Rahmen sozialer Arbeit
14
2.1.2 Qualitative Entwicklungen und Deliktschwerpunkte
Jugenddelinquenz ist überwiegend bestimmt durch Eigentums- und Gewaltdelikte. Der
Diebstahl ist in all seinen Varianten nach wie vor ein typisches Delikt junger Delinquen-
ten.
Der Anteil der unter 21jährigen an der Gesamtzahl der Tatverdächtigen beträgt 27,8%, in
einzelnen jugendtypischen Deliktsbereichen liegt der Anteil höher und stellt sich wie
folgt dar
13
:
Anteil der unter 21jährigen an einzelnen jugendtypischen Deliktsbereichen im Vergleich
zur Gesamtzahl der Tatverdächtigen:
·
Straßenraub
1.123
TV
(72,8%)
·
Landfriedensbruch
215 TV
(60,2%)
·
Straßendiebstahl
5.134
TV
(59,8%)
·
Raub, räub. Erpressung
und räub. Angriff auf Kraftfahrer
1.819 TV
(55,1%)
·
Straßenkriminalität
7.760
TV
(53,5%)
·
Erpressung
350 TV
(49,1%)
·
Sachbeschädigung
5.516
TV
(47,2%)
·
Diebstahl
insgesamt
33.137
TV
(41,8%)
·
Diebstahl unter erschwerenden Umständen
5.827 TV
(53,2%)
·
Diebstahl ohne erschwerende Umstände
29.216 TV
(40,8%)
·
Ladendiebstahl
23.392
TV
(40,2%)
·
Brandstiftung
462 TV
(39,9%)
·
Gewaltkriminalität
6.010
TV
(39,6%)
·
Begünstigung, Strafvereitelung,
Hehlerei und Geldwäsche
1.350 TV
(39,0%)
·
Gefährliche und schwere Körper-
verletzung sowie Vergiftung
4.422 TV
(38,5%)
·
Computerkriminalität
421 TV
(37,2%)
·
Rauschgiftdelikte
7.690
TV
(35,9%)
·
Erschleichen von Leistungen
3.782 TV
(35,1%)
·
Verstöße gegen das Waffengesetz und
das Kriegswaffenkontrollgesetz
1.089 TV
(32,1%)
13 Vgl. zu Folgendem: LKA BaWü 1998, S. 16

Jugendkriminalität ­ Tendenzen, Ursachen und Maßnahmen der Prävention im Rahmen sozialer Arbeit
15
Bei den Diebstahlsdelikten stiegen die Tatverdächtigenzahlen von Kindern und Jugendli-
chen seit 1994 an, während bei den Heranwachsenden ein rückläufiger Trend zu beo-
bachten ist. Außerdem ist es offensichtlich, dass die Steigerungsraten in diesem Bereich
hauptsächlich auf die deutschen Tatverdächtigen zurückzuführen sind. Weiterhin ist be-
obachtbar, dass weibliche Kinder und Jugendliche in diesem Bereich gegenüber den
männlichen Gleichaltrigen um ein Mehrfaches höhere Steigerungsraten aufzuweisen ha-
ben
14
.
Besonders repräsentiert sind die weiblichen Tatverdächtigen unter 21 Jahren beim sog.
,,Ladendiebstahl"
15
.
Bei den jugendspezifischen Gewalttaten liegt der Schwerpunkt seit Jahren bei Körper-
verletzung und Sachbeschädigung. Bei den Gewalttätigkeiten der unter 21jährigen ist
eine Steigerung der Quantität sowie der Qualität festzustellen. Die Steigerungsraten lie-
gen bei der Gewaltkriminalität
im Vorjahresvergleich deutlich über den Werten der
Straftaten insgesamt:
Tatverdächtige Straftaten
insgesamt
Gewaltkriminalität
Kinder
+ 13,4%
+ 26,3%
Jugendliche
+ 5,2%
+ 5,9%
Heranwachsende
+ 2,8%
+ 6,5%
Tab. 4: Steigerungsrate der Gewaltkriminalität der unter 21jährigen. Quelle: LKA BaWü 1998, S. 8
Eine Steigerung der Gewaltkriminalität wird besonders bei den Kindern erkennbar.
Besorgniserregend erscheint hier außerdem der Trend der Verlagerung von der einfachen
Körperverletzung hin zur gefährlichen und schweren Körperverletzung:
14 Vgl. LKA BaWü, 1998, S. 20f
15 Vgl. LKA BaWü, 1998, S. 23
Unter dem statistischen Sammelbegriff ,,Gewaltkriminalität" werden z.B. Mord, alle übrigen Tötungsdelikte, Verge-
waltigung, Raubdelikte, Körperverletzung mit Todesfolge, gefährliche und schwere Körperverletzung verstanden.
Delikte wie ,,leichte" Körperverletzung und Sachbeschädigung sind in diesem Schlüssel nicht enthalten. (Vgl. LKA
BaWü, 1998, S.8)

Jugendkriminalität ­ Tendenzen, Ursachen und Maßnahmen der Prävention im Rahmen sozialer Arbeit
16
Abb.4: Unter 21jährige Tatverdächtige
2000
2500
3000
3500
4000
4500
198
8
198
9
199
0
199
1
199
2
199
3
199
4
199
5
199
6
199
7
gefährliche u. schwere
Körperverletzung
einfache Körperverletzung
Quelle: LKA BaWü 1998, S. 7
Im Bereich der Körperverletzungsdelikte wurden im Berichtsjahr insgesamt 7.936 Tat-
verdächtige unter 21 Jahren erfaßt, was eine Zunahme von 11,2 % gegenüber dem Vor-
jahr bedeutet.
Letztendlich kann man die Tatverdächtigenzahlen noch in Relation zur Wohnbevölke-
rung stellen:
Somit wurde 1988
und im Jahr 1997
·
jedes
214.
Kind,
·
jedes 113. Kind,
·
jeder 29. Jugendliche und
·
jeder 16. Jugendliche und
·
jeder 26. Heranwachsende
·
jeder 15. Heranwachsende
als Tatverdächtiger erfaßt
16
.
Ich möchte mich im nächsten Abschnitt der Frage widmen, ob allein die Erfassung der
Tatverdächtigen eine Schlußfolgerung über eine tatsächlich so besorgniserregend ange-
stiegene Jugendkriminalität zuläßt. Unter Umständen können auch andere Faktoren eine
Rolle spielen, die eine statistische Steigerungsrate hervorrufen oder sich auf diese aus-
wirken.

Jugendkriminalität ­ Tendenzen, Ursachen und Maßnahmen der Prävention im Rahmen sozialer Arbeit
17
2.2 Kritische Betrachtung
Viele Zahlen und teilweise etwas komplizierte Statistiken können bei dem einen oder
anderen hin und wieder ein wenig Verwirrung stiften. Ein mir unbekannter Autor hat
einmal gesagt: ,,Glaube keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast".
Nun möchte ich keinesfalls behaupten, dass das LKA seine Statistiken manipuliert oder
gar fälscht! Dennoch sollte man solche Erhebungen (wie im Allgemeinen alle Statisti-
ken) überaus vorsichtig betrachten und vor allen Dingen kritisch hinterfragen.
Schon Ende der 70er Jahre wies die Süddeutsche Zeitung mit der Überschrift ,,Jung, ge-
fühllos und brutal" auf die ,,wachsende Jugendkriminalität" hin (SZ vom 3. November
1978). Auf Grund der Polizeilichen Kriminalstatistik kündigte der bayerische Innenmi-
nister an, bis 1982 insgesamt 3000 neue Beamte für die Polizei einstellen zu wollen
17
.
Ich frage mich allerdings, ob dies angesichts einer ,,gestiegenen" Jugendkriminalität dann
wohl den Zweck verfolgen sollte, diese einzudämmen? Oder ob dies nicht eher dazu füh-
ren könnte, dass noch mehr Taten aufgedeckt werden, was somit ja letztendlich heißen
würde: Die Jugendkriminalität ist noch weiter gestiegen. (Obwohl sie eigentlich vorher
schon auf dem gleichen Stand war!).
Um es anders auszudrücken, produzieren die offiziellen Instanzen ihre Handlungslegiti-
mationen letztendlich selbst, indem sie sich auf eigene Statistiken beziehen und diese
Daten für das eigene Handeln verwenden. Es wird demnach der Eindruck erweckt, dass
durch den Ausbau sozialer Kontrollinstanzen eine positive Wendung herbeizuführen ist.
Gleichzeitig scheinen sich solche Daten aber auch dazu verwenden zu lassen, sich gegen
andere soziale Instanzen (z.B. Sozialarbeit) abzugrenzen
18
.
L
AMNEK
und A
LBRECHT
weisen darauf hin, dass Dunkelfeldforschungen die Unzuläng-
lichkeiten von Kriminalstatistiken ebenso aufdecken konnten, wie Untersuchungen zur
selbstberichteten Delinquenz. Außerdem muß jedem klar sein, dass veränderte Erfas-
sungsmodalitäten und Strafverfolgungsressourcen, oder das Anzeigeverhalten der Bevöl-
16 Vgl. LKA BaWü, 1998, S. 9
17 Vgl. Albrecht, P.-A. / Lamnek, S., 1979, S. 13
18 Vgl. Albrecht, P.-A. / Lamnek, S., 1979, S. 13f

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2000
ISBN (eBook)
9783832453053
ISBN (Paperback)
9783838653051
Dateigröße
2.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Mannheim – unbekannt
Note
1,3
Schlagworte
anomietheorie delinquenz
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