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Welten entdecken, zur Person werden

Zur Bedeutung der Fremderfahrung für die individuelle Identitätsbildung der Protagonistin in Emine Sevgi Özdamars Roman "Die Brücke vom goldenen Horn"

©2001 Magisterarbeit 140 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
„Der Fremde in uns“ betitelte die ZEIT im Dezember 2000 ein Schwerpunktthema, das von den aktuellen Diskussionen um „deutsche Leitkultur“ und Einwanderungspolitik angestossen wurde. Die Kopfzeile des Journalisten Robert Leicht lautete: „Warum es uns so schwer fällt, das Unvertraute anzunehmen“. Eine Antwort könnte die Lektüre von Emine Sevgi Özdamars 1998 erschienenen Roman „Die Brücke vom Goldenen Horn“ geben, welchen die Magisterarbeit von Birgit Reuther untersucht.
Özdamars Protagonistin fährt Ende der sechziger Jahre von Istanbul nach Berlin, um als Fabrikarbeiterin bei Telefunken Geld für die Schauspielschule zu verdienen. Während ihrer Aufenthalte in Deutschland und zwischenzeitig in Paris bildet das Mädchen neben Sprachkenntnissen ebenfalls ihre weibliche Identität und ihr politisches Bewusstsein aus. Als herangereifter Charakter kehrt sie in die Türkei zurück und bringt sich mit ihrem Erfahrungsschatz in die links-intellektuelle Szene der Grossstadt ein. Gerechtigkeitssinn und Abenteuerlust bewegen die junge Frau zu erneutem Aufbruch: An der persisch-irakisch-türkischen Grenze recherchiert sie, um über die Missstände der dort hungernden Bevölkerung aufzuklären. Auf dem Land und in Istanbul erlebt die Akteurin schliesslich zur Zeit des Militärputsches die Ohnmacht der Aufbegehrenden gegenüber Staat und bestehenden Verhältnissen.
Die Protagonistin führt exemplarisch vor, wie ein Mensch lernen kann, auch in komplexen Spannungszuständen zu existieren, anstatt ausschliesslich auf die Differenz zwischen dem Eigenem und dem Anderen zu beharren. Der Charakter reibt sich an Begegnungen mit dem Unbekannten und reagiert auf Kontakt zu Neuem mit Annahme, Ablehnung, Auseinandersetzung. Diesen Prozess der Identitätsentwicklung zu betrachten, ist Hauptgegenstand der Arbeit. Die hierfür grundlegenden Begriffe der Fremde und Identität werden zunächst in einem Theorieteil erläutert. Dieser ist, wie auch die nachfolgenden Teile der Textanalyse und Interpretation, interdisziplinär angelegt und impliziert soziologische und psychoanalytische Theorien, aber auch soziolinguistische, historische, geographische und kulturtheoretische Bezüge.
Özdamars Text wird in diesem Sinne als eine Literatur verstanden, die Aufschluß gibt über zeitgenössische Diskurse, die dramatisiert und Machtstrukturen hinterfragt. Die Autorin inszeniert, parodiert und unterläuft in ihrer Narration nicht nur ethnisch-nationale Differenzproduktion, sondern auch […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


A Einleitung

1. Einführung in das Thema und Erläuterung des Untersuchungsgegenstandes

„Der Fremde in uns“ betitelte die ZEIT im Dezember 2000 ein Schwerpunktthema, dass von den aktuellen Diskussionen um „deutsche Leitkultur“ und Einwanderungspolitik angestossen wurde[1]. Die Kopfzeile des Journalisten Robert Leicht lautete: „Warum es uns so schwer fällt, das Unvertraute anzunehmen“. Eine Antwort könnte die Lektüre von Emine Sevgi Özdamars 1998 erschienenen Roman „Die Brücke vom Goldenen Horn“ geben, welchen ich nachfolgend untersuchen möchte[2].

Ihre Protagonistin fährt Ende der sechziger Jahre von Istanbul nach Berlin, um als Fabrikarbeiterin bei Telefunken Geld für die Schauspielschule zu verdienen. Während ihrer Aufenthalte in Deutschland und zwischenzeitig in Paris bildet das Mädchen neben Sprachkenntnissen ebenfalls ihre weibliche Identität und ihr politisches Bewusstsein aus. Als herangereifter Charakter kehrt sie in die Türkei zurück und bringt sich mit ihrem Erfahrungsschatz in die links-intellektuelle Szene der Grossstadt ein. Gerechtigkeitssinn und Abenteuerlust bewegen die junge Frau zu erneutem Aufbruch: An der persisch-irakisch-türkischen Grenze recherchiert sie, um über die Missstände der dort hungernden Bevölkerung aufzuklären. Auf dem Land und in Istanbul erlebt die Akteurin schliesslich zur Zeit des Militärputsches die Ohnmacht der Aufbegehrenden gegenüber Staat und bestehenden Verhältnissen. Özdamars Protagonistin führt exemplarisch vor, wie ein Mensch lernen kann, auch in komplexen Spannungszuständen zu existieren, anstatt ausschliesslich auf die Differenz zwischen dem Eigenem und dem Anderen zu beharren. Denn das Fremde wird gemacht und macht sich selbst. Der Charakter reibt sich an Begegnungen mit dem Unbekannten und reagiert auf Kontakt zu Neuem mit Annahme, Ablehnung, Auseinandersetzung. Diesen Prozess der Identitätsentwicklung zu betrachten, soll Hauptgegenstand meiner Arbeit sein. Die hierfür grundlegenden Begriffe der Fremde und Identität werde ich in einem Theorieteil erläutern (B). Der an eine Textanalyse (C) anschliessende Interpretationsteil stellt eine Kombination aus Längs- und Querschnitt-Untersuchung dar. Das heisst: Ich arbeite aspektorientiert, folge gleichzeitig der Linearität des Buches, verweise jedoch zur Präsentation von Zwischenergebnissen auch auf spätere Textpassagen des Romans. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt dabei tendenziell auf der Interpretation der ersten Romanhälfte, da – wie zu zeigen sein wird – in diesem Abschnitt die Identität einschlägigere Entwicklungen durch diverse Fremderfahrungen macht, wohingegen sich die Persönlichkeit nach neuer Etablierung in Istanbul auf gefestigteren Pfaden bewegt.

In meiner inhaltlichen Vorgehensweise möchte ich mich an Annette Wierschke orientieren, die in Bezug auf Özdamar vorschlägt, Literatur als eine spezielle, ästhetische Repräsentationsform und Perspektive von Kultur zu betrachten: „Die interdisziplinäre Interpretation literarischer Texte erweitert Literatur gleich um mehrere Dimensionen: nämlich um interaktive, soziale, politische und kulturelle Aspekte in einer sich fortwährend verändernden Gesellschaft. Literarische Texte geben Aufschluß über zeitgenössische Diskurse, dramatisieren und hinterfragen Machtstrukturen und handeln die Verwendung von Ironie, Metaphern und Allegorien quasi spielerisch konkurrierender Realitätsbezüge aus“[3]. Um dementsprechend die Vielfalt soziokultureller Faktoren analysieren zu können, die innerhalb des Romans wechselseitige Zuschreibungen von Fremdheit bedingen, werde ich literaturwissenschaftliche Ansätze vor allem mit soziologischen und psychoanalytischen Theorien verbinden, aber auch soziolinguistische, historische, geographische und kulturtheoretische Bezüge integrieren. Denn Özdamar inszeniert, parodiert und unterläuft in ihrer Narration nicht nur ethnisch-nationale Differenzproduktion, sondern auch andere Kontakt- und Konfliktfelder. Wechselwirkend zu den Beziehungen zwischen vermeintlich türkischen, deutschen, französischen, spanischen und griechischen Mentalitäten erfährt ihre Protagonistin permanent neue Welten, die aus dem interkulturellen Kontext herausgelöst ein menschliches Dasein prägen: Distanznahme von der primären Sozialisationsinstanz Familie (D 1), erste Liebe und Initiation (D 2) öffnen die Tür zur Erkenntnis der eigenen Weiblichkeit und ebnen den Weg für eine erweiterte Identitätsbildung. Die räumlichen Grenzerfahrungen der Protagonistin korrespondieren mit jenen auf körperlicher, emotionaler, geistiger und sozialer Ebene. Fokussieren möchte ich in diesem Zusammenhang vor allem die Schnittstellen von Eigenem und Fremden, das Aufeinandertreffen zweier Sinnsysteme und den Umgang mit dieser Begegnung. Exemplarisch hierfür kann die Episode um den schizophrenen Jungen erachtet werden, bei der Bewertungsmassstäbe zwischen sozialer Norm und Anomalie in Erscheinung treten (D 3.2). Durchgängig anschaulich werden komplexe Fremderfahrungen sowohl bei den Bewegungen der Akteurin in sozialen Kreisen, als auch während ihres gesellschaftspolitischen Engagements (D 4). Da ich hingegen die spätere Theaterlaufbahn der Akteurin eher als Ergebnis einer Persönlichkeitsentwicklung ansehe, werde ich mit dem Kapitel Poetisch leben zugleich ein Fazit vorlegen (D 5).

Besonderes Augenmerk soll zudem auf die Hauptschauplätze des Romans gerichtet werden: die Metropolen Berlin und Istanbul (D 1.5). Die Verortung in der Grossstadt stellt aufgrund der Dichte an Einflüssen eine erhöhte Orientierungsleistung dar. Eine ehemals und eine weiterhin geteilte Stadt werden zum Handlungsraum des erzählten Ich, zur Topographie des Erinnerns für die Ich-Erzählerin. Eine markante Architektur – wie der Anhalter Bahnhof in Berlin oder die titelgebende Brücke vom Goldenen Horn in Istanbul – avanciert zu Bühnenbildern für die Szenen des Romans. Nachgehen möchte ich der Frage, inwiefern Istanbul und Berlin als pars pro toto für Okzident und Orient anzusehen sind (D 3.1). Was ist genuin türkisch, was deutsch? Ist die Bundesrepublik ein Einwanderungsland oder nicht? „Berlin can lay claim to being the fourth largest Turkish city“, betont Azade Seyhan 1996[4]. Angesichts dieser Aussage stellt sich die Frage nach der Eindeutigkeit kultureller Systeme. Nationalstaatliche Grenzen werden längst kreuz und quer über- und unterwandert – verstärkt auch literarisch, wie das nachfolgend erläuterte Werk und Leben von Emine Sevgi Özdamar zeigt.

2. Vita und Werk der Autorin

„Als polyglotte Schriftstellerin und Schauspielerin zwischen Ost- und Westdeutschland, der Türkei und Frankreich stellt Özdamar eine Herausforderung für gängige Paradigmen zu der Beschreibung des >Eigenen< und des >Fremden< in kulturkritischen Diskursen dar“[5].

Die 1946 in Malatya im Osten der Türkei geborene Emine Sevgi Özdamar kam 1965 das erste Mal nach Berlin. Im Westteil der Stadt war sie in einer Fabrik tätig und begann ihre Schauspielausbildung, die sie von 1967 bis 1970 in Istanbul fortsetzte. Sechs Jahre später kehrte sie nach Deutschland zurück, um mit Matthias Langhoff und dem Brecht-Schüler Benno Besson an der Ostberliner Volksbühne zu arbeiten. Von 1979 bis 1984 folgte ein Engagement am Schauspielhaus in Bochum, wo sie auch ihr erstes Theaterstück „Karagöz in Alamania“ schrieb. Diesen Text, der den Ausgangspunkt ihres literarischen Schaffens markiert, konnte Özdamar 1987 während ihrer Regiearbeit am Frankfurter Schauspielhaus auf der Bühne umsetzen. Ihr 1991 ebenfalls im Frankfurter Verlag der Autoren veröffentlichtes Stück „Keloglan in Alamania“ blieb bisher unaufgeführt. In der ZEIT publizierte die Autorin, gefragt nach ihrer Meinung zum Miteinander von Deutschen und Ausländern, einen ironischen Abriss zum Ablauf der multikulturell mit Mensch und Tier besetzten „Karagöz“-Inszenierung[6]. Die Migrationsthematik, auf die ich das Werk Özdamars im weiteren Verlauf meiner Interpretation jedoch nicht reduziert sehen möchte, tritt ebenfalls innerhalb ihrer Filmrollen in Erscheinung: Häufig spielte sie eine türkische Mutter – zum Beispiel in „Yasemin“ von Hark Bohm (1988) und in „Happy Birthday, Türke“ von Doris Dörrie (1991). Özdamars Laufbahn als Schauspielerin setzt sich fort mit einer Anstellung in Frankreich in den Jahren 1997 und 1998. In dieser Zeit spielt sie in Langhoffs „Troerinnen“ von Euripides sowie in dem Film „Die Reise in die Nacht“ unter der Regie von Matti Geschonneck.

In dem vom Theater geprägten Teil ihrer Vita liegt ebenfalls das Schreiben Özdamars begründet. Der dramaturgische Ursprung ist in dem 1990 im Rotbuch Verlag erschienenen Prosaband „Mutterzunge“[7] noch gut lesbar, für den die Autorin ihr „Karagöz“-Stück in die Erzählung „Schwarzauge in Deutschland“ umschrieb (M, S. 49 – 103). Auch der darin enthaltene Text „Karriere einer Putzfrau. Erinnerungen an Deutschland “ mutet in seiner monologischen Gestaltung wie ein Kammerspiel für eine Person an (M, S. 104 – 120). Inhaltlich bleibt der Bezug zur Bühne fortwährend im literarischen Werk Özdamars erhalten – zum Beispiel besucht die Protagonistin in „Die Brücke vom Goldenen Horn“ mit dem kommunistischen Heimleiter und dessen Frau Taube regelmässig das Berliner Ensemble (S. 35).

In dem gleichnamigen Eingangstext zu „Mutterzunge“ wird ein weiteres zentrales Motiv Özdamars Erzählkunst sichtbar: die Sprache. Die Akteurin versucht von Berlin aus, sich der verborgenen Wurzeln des Arabischen zu erinnern, um das fremdgewordene Fundament der eigenen Identität zu erkunden und in den aktuellen Lebensentwurf einzubinden. Jedoch handelt es sich bei diesen Bemühungen „lediglich“ um eine Spurensuche nach und Annäherung an Schichten der sprachlichen und kulturellen Vergangenheit. Eine vollständige Integration des Gewesenen findet nicht statt, wie die letztlich gescheiterte Liebe zum Sprachlehrer in der Erzählung „Grossvaterzunge“ zeigt (M, S. 44).

In der Erzählweise weniger kryptisch-gebrochen als „Mutterzunge“ präsentiert sich der 1992 veröffentlichte Roman „Das Leben ist eine Karawanserei hat zwei Türen aus einer kam ich rein aus der anderen ging ich raus“[8]. In einer erhöhten Kontinuität der Handlungsfolge klammert der Text historisch die Dekade 1950 bis 1960 und somit die Phase der ersten ernsthaften Experimente der Türkei mit der Demokratie. Özdamar rekonstruiert hier die kollektive Identität des von ihr verlassenen Herkunftslandes durch die Verwendung von Symbolsystemen, die eine mitunter fraktal erscheinende Sozialisations-Kultur der Protagonistin spezifizieren. Dazu zählen Märchen, Kinderspiele, -lieder und -reime, Sprichwörter, Riten des Wortwechsels, der Religion und des Brauchtums sowie althergebrachte Heilverfahren. Innerhalb meiner Interpretation werde ich den „Karawanserei“-Roman als vorangegangene Lebensgeschichte der adoleszenten Romanheldin deuten, da er inhaltlich an „Die Brücke vom Goldenen Horn“ anschliesst. Denn in dem von mir primär betrachteten Text zeigt die Autorin die Facetten des Prozesses, durch den die Akteurin schliesslich aus dem Land der Kindheit hinausgeht.

Emine Özdamar verneint, dass es sich bei „Die Brücke vom Goldenen Horn“ um ihre Autobiographie handele. Doch schliesst sie die Verschränkung von Vita und literarischem Ausdruck nicht aus, sondern ist der Auffassung: „Meine Erlebnisse sind mein Material. Ich war in den sechziger Jahren wie meine Romanfigur in Berlin, habe dort wie sie in einem Frauenwohnheim gewohnt und in einer Radiofabrik gearbeitet. Aber wenn man zu schreiben beginnt, bildet man die Vergangenheit nicht ab, sondern geht auf eine andere Reise“[9]. Mit derart verselbständigten Erinnerungen und sich weiterentwickelnden Bildern arbeitet die Schriftstellerin ebenfalls in ihrem neuen Erzählband „Der Hof im Spiegel“, der im Juni 2001 erscheint[10]. Vor allem der Text „Mein Berlin“ knüpft hier zeitlich an „Die Brücke vom Goldenen Horn“ an und schildert in nahezu dokumentarischer Direktheit die Rückkehr der Autorin nach Deutschland im Jahr 1976 (H, S. 55 – 61): „In der Türkei war ich nach dem Militärputsch in den Händen der Polizei gelandet. Meine Freunde Theo und Kati hatten Amnesty International eingeschaltet, um mich nach Berlin zu holen“ (H, S. 55).

Vergleicht man die Texte Özdamars in ihrer Chronologie, so erscheinen sie – metaphorisch formuliert – wie ein sich verästelnder Baum, dessen aktuelle Enden stets noch mit dem Stamm verbunden sind und vom Fluidum wiederkehrender Motive und zentraler Geschichten durchströmt werden. Wie eng einzelne Aspekte in Özdamars literarischem Schaffen miteinander verwoben sind, zeigt die jeweilige Reinszenierung von Episoden in ihren Büchern: Innerhalb meiner Arbeit werde ich aufzeigen, wie Textpassagen fast wortwörtlich wiederholt werden und so einerseits den Eindruck von Kontinuität innerhalb eines grossen, autofiktionalen Werkes evozieren, andererseits auch Brüche sichtbar machen: „Die LeserIn kann diese Figuren zusammen denken, als facettenreiche Linien einer Entwicklung, doch die Brüche im Kontinuum legen nahe, die Konstruktion der Identitäten als jeweils neue, differierende zu lesen und die Arbeit dieses Erzählzyklus als ein kreatives Spiel mit kulturellen, historischen und biographischen Potentialen zu verstehen, in dem jeder Text einen eigenen Entwurf bedeutet“[11].

3. Rezeptions- und Forschungsgeschichte

Emine Özdamar gehörte in den sechziger Jahren zur ersten Welle von Gastarbeitern, die von Deutschland angeworben wurden und das Land schliesslich als dauerhaften Wohnort wählten. Aufgrund dieser Biographie muss ihr Werk auch im Rahmen ihrer Migrationserfahrungen bewertet werden, doch darf eine eingängige Betrachtung ihrer Texte nicht ausschliesslich dieser Perspektive verhaftet bleiben.

Die in Kanada ansässige Sabine Milz, die im Bereich der vergleichenden Kulturwissenschaften zur Literatur ethnischer Minderheiten arbeitet, beklagt in der akademischen Rezeption Özdamars eine „Exklusion durch Inklusion“. Das heisst: Häufig findet die sogenannte Minoritätenliteratur lediglich an der Peripherie des literarischen Mainstreams Beachtung, um den dominanten Diskurs über traditionell deutsche Texte zu stützen[12]. Das als ethnisch anders Markierte verbleibt letztendlich am Rande des offiziellen Kanons, um diesen im Innern zu bekräftigen. Dieses Vorgehen erzeugt einerseits ein Zerrbild nationalen Kulturschaffens, dessen eigene Pluralität somit negiert wird. Andererseits wird das dem Fremden Zugeschriebene homogenisiert und depersonalisiert, anstatt dessen Vielfalt an Ausdrucksformen und nicht interkulturell justierten Themen zu untersuchen. In der Debatte um die Auszeichnung Özdamars mit dem Ingeborg Bachmann-Preis kulminierte 1991 die hier skizzierte Schräglage in der Wahrnehmung nicht autochthoner, aber deutschsprachiger Autoren, von denen ich an dieser Stelle exemplarisch die rumänisch-deutsche Autorin Carmen Francesca Banciu nennen möchte[13]. In den Feuilletons renommierter Tageszeitungen wurde heftige Kritik laut an der Qualität des Klagenfurter Literaturwettbewerbs[14]. Denn der Ingeborg Bachmann-Preis ist explizit für deutschsprachige Schriftsteller ausgeschrieben – im Gegensatz zum Adalbert von Chamisso-Preis, der ausschliesslich für Autoren nicht-deutscher Muttersprache vorgesehen ist und den Özdamar 1999 für „Die Brücke vom Goldenen Horn“ erhielt[15]. Beispielhaft für die Empörung kommentiert Martin Ebel in der Saarbrücker Zeitung: „Platz eins aber für die Türkin Emine Sevgi Özdamar, die, ursprünglich als Gastarbeiterin gekommen, jetzt auf Deutsch schreibt. Ihre Erzählung ‚Das Leben ist eine Karawanserei‘ behandelt natürlich das Thema Exil und Entfremdung, unter Zugabe der beliebten orientalischen Ingredenzien (der Erzählteppich wächst aus dem Bart des Großvaters ...) sowie der bekannten türkischen Grausamkeit. Gewiß kann man so die vielen Autoren nichtdeutscher Muttersprache ermutigen, kann sich die Jury für ihre multikulturelle Toleranz auf die Schulter klopfen. Daß hier allerdings ein Text ausgezeichnet wurde, im Ausdruck und in der Dramaturgie unsicher und nicht frei von groben Fehlern [...] ist eher eine Goodwill- als eine literarische Entscheidung“[16]. In seinem Artikel für das Lexikon „Frauen Literatur Geschichte“ meint Deniz Göztürk hingegen: „In der erstmaligen Verleihung an eine Nicht-Muttersprachlerin, eine >>deutsch schreibende Türkin<< [Zitat FAZ], zeichnet sich ein Aufhorchen ab, das weiter reicht als das überhebliche Wohlwollen von Ausländerförderungsprogrammen, obgleich das Interesse an Emine Sevgi Özdamars Text immer noch von Exotismus geprägt ist“[17]. Kader Konuk stellt in einer Überschriften-Analyse heraus, dass die meisten Rezensionen über die „Karawanserei“ dem Label der fremden Orientalin verbunden bleiben. Erst mit „Die Brücke vom Goldenen Horn“ scheint Özdamar innerhalb der medialen Kritik verstärkte Akzeptanz als Kulturschaffende zu erfahren: „Die Autorin wird nicht mehr als >orientalische Gastarbeiterin< ethnisch und klassenspezifisch markiert; es entsteht das komplexere Bild von Özdamar als einer literarisch ernstzunehmenden Autorin der 68er Generation“[18]. So verweist zum Beispiel der Kölner Stadt-Anzeiger in Zusammenhang mit dem Erscheinen des Buches auf den nomadischen Charakter in Özdamars Wirken und titelt: „Ein Leben auf Reisen“[19]. Der Rezensent der ZEIT thematisiert die vielschichtigen Einflüsse der 68er-Generation anhand der zahlreichen Subtexte des Romans: „im Wohnheim wird Dostojewski, Gorki oder Sartre gelesen; ein türkischer Student zitiert Baudelaire, das Kino bringt Godard, und in Istanbul lebt der Geist der Surrealisten. Brecht, Breton, Shakespeare, Lorca tauchen auf im assoziativ fließenden Text, verschwinden und erscheinen erneut“[20]. Unter der Schlagzeile „Die Türkei im Banne Brechts“ betont die Rheinische Post in einem Interview mit der Autorin die Verknüpfung von Schauspielerei und Schreiben innerhalb ihres Lebens[21].

Auch ein Teil der wissenschaftlichen Artikel zu Özdamar befasst sich mit dieser Verbindung zwischen Literatur und Theater, wobei ihr narrativer Einsatz von dramaturgischen Effekten oftmals enggeführt wird mit der Brechung ethnischer Stereotypen und hierarchischer Muster. So weist Claudia Breger in Özdamars Texten das Konzept der nachahmenden Mimikry nach und koppelt dieses mit postkolonialer Theorie, wie beispielsweise Homi K. Bhabhas performatives Modell vom „Dritten Raum“ zwischen opponierenden Bedeutungskonstitutionen[22]. Wie die meisten literaturwissenschaftlichen Auseinandersetzungen bezieht sich auch die Studie Bregers primär auf den „Karawanserei“-Roman. Andrea Reidl hat unter dem Titel „Migrationserfahrung und Migrationsdiskurs. Zur literarischen Inszenierung kultureller Differenz im Werk von Emine Sevgi Özdamar“ eine Magisterarbeit vorgelegt, die ebenfalls „Die Brücke vom Goldenen Horn“ einschliesst[23]. Ein wichtiger Gegenstand ihrer Analyse ist das von der Bühne inspirierte, inszenierte Sprechen der Autorin, wie Kader Konuk es ebenfalls untersucht[24]. Zudem behandelt Reidl einen weiteren Schwerpunkt, um den einige Untersuchungen zu Özdamar kreisen: die Hybridisierung von Sprache. Der Aspekt der Mehrsprachigkeit, den zum Beispiel Sophelia Ghaussy betrachtet[25], ist in der Forschung wiederum stark gebunden an die Interpretation von Identität in Özdamars Werk. So legt Azade Seyhan dar, wie die Autorin die verlassene türkische Vergangenheit im Deutschen zu reproduzieren versucht[26]. In der Aufsatzsammlung „Writing New Identities“, die sich mit Fragen um Gender, Nation und Immigration in zeitgenössischer europäischer Literatur beschäftigt, erörtert die amerikanische Germanistin zudem die grosse Heterogenität von Stil und Inhalt unter türkisch-deutschen Autorinnen[27]. Für Schriftstellerinnen wie Zehra Cirak, Saliha Scheinhard, Alev Tekinay, Renan Demirkan und eben Emine Sevgi Özdamar konstatiert auch Deniz Göztürk trotz einer vergleichbaren ethnischen Biographie unterschiedliche Versuche der Positionsbestimmung. Was jedoch ihr literarisches Schaffen vereine, sei der Prozess der Verortung: „Der Balanceakt zwischen Reiselust, Aufbruch, Fliegen einerseits, Gemeinschaft, Verwachsenheit, Nestwärme andererseits ist über biographische Resonanzen hinaus von Interesse, klingt hier doch eine Grundspannung an, die in Zeiten unserer differenzversessenen Globalkultur besonders in Diaspora- oder Exilliteraturen zur Triebkraft des Schreibens wird – die Spannung zwischen der erträumten Sicherheit einer teils nostalgisch verklärten, teils neu erschaffenen Heimat und den unsteten Freuden an Ungebundenheit und Nomadentum. Die Grenzen der eigenen Identität werden in diesem Prozeß immer wieder in Frage gestellt und neu geschrieben, Fremdes wird einverleibt und Eigenes ausgeschieden“[28].

Türkisches Kulturschaffen innerhalb der deutschen Gesellschaft untersucht ebenfalls der Sammelband von David Horrocks und Eva Kolinsky, der anlässlich Özdamars Gastautorenschaft an der Keele Universität 1994 herausgebracht wurde[29]. Allein diese Einladung aus dem Ausland bezeugt eine internationale Anerkennung, die sich zudem in der Tatsache widerspiegelt, dass Özdamars Bücher in zehn Sprachen übersetzt wurden. Wie selbstverständlich die Akzeptanz nicht-autochthoner Schriftsteller in anderen Ländern erscheint, indiziert ein Kommentar in der Frankfurter Rundschau: „Die Türkin Emine Sevgi Özdamar darf für uns ein solcher Glücksfall genannt werden, wie der gebürtige Inder Salman Rushdie es für die englischsprachige Epik geworden ist oder der Marokkaner Ben Jalloun für das Französische“[30].

Mit ihrem Werk – samt der transformativen Dynamik ihrer Sprache – hinterfragt Özdamar nicht nur das kulturpolitische Gedächtnis der Türkei aus der distanzierten Sicht der Emigrantin, sondern vor allem den deutschen Literaturkanon. Denn: „Nationale Kulturen werden in zunehmendem Maße aus der Perspektive von Minderheiten mitproduziert; die postkoloniale Geschichte ist den westlichen nationalen Identitäten inhärent“[31]. So meint auch Özdamar bezüglich des generellen Zusammenlebens: „Also ich finde es nicht schlecht für Deutschland, wenn noch mehr Überfremdung – dieses Wort wird ja überall in Deutschland benutzt – passiert. [...] Wenn es z. B. in der ganzen Stadt wie am Bahnhof Zoo aussehen würde. [...] Die Leute dort reden noch laut, die sind noch nicht schüchtern, die genieren sich nicht, die sind noch nicht westlich ‚erzogen‘. [...] Und das ist sehr schön, zu sehen wie diese Menschen noch nicht abgeschliffen sind, sondern noch ihre eigene Stimme, den Rhythmus des eigenen Landes, in dem sie Kind waren, tragen“[32]. Bei der hier skizzierten Infiltration der „deutschen Leitkultur“ gestaltet sich der Einfluss der von mir zu analysierenden Momente des Fremden wie folgt: „Die Auseinandersetzung mit dem Sprechakt der >Fremden< ist insofern bedeutend, als daß sie Aufschluß über das Spannungsverhältnis zwischen Selbst- und Fremdzuschreibungen in literarischen und literaturkritischen Diskursen gibt und die Konstruiertheit von Kategorien des >Eigenen< und des >Fremden< entlang der Grenzen zwischen Kanon und Peripherie offenlegt“[33].

Betrachtet man „Die Brücke vom Goldenen Horn“ jenseits des Minoritätendiskurses als eine education emotionale, lässt sich das Werk in die Strömung klassischer Entwicklungsromane einordnen – von Eichendorffs Taugenichts über Wilhelm Meisters Lehrjahre bis hin zu emanzipatorischen Werken einer Rosa Luxemburg. Denn: „Immer sind es Menschen, die innerlich zu reich angelegt sind, als daß sie sich einordnen und festlegen könnten in den Normen der historischen Welt. Sie sind von einem unüberwindbaren Freiheits- und Unabhängigkeitsdrang erfüllt“ und versuchen, die „Wirklichkeit aus der Freiheit ihres souveränen Ichs heraus zu korrigieren oder doch wenigstens schelmisch zu überspielen“[34].

B Theoretischer Hintergrund

In dem nun folgenden Abschnitt (B) möchte ich den theoretischen Hintergrund darlegen, auf dem meine Analyse und Interpretation des Romans „Die Brücke vom Goldenen Horn“ aufbaut. Gemäß des Titels meiner Arbeit fokussiert diese interdisziplinäre Betrachtung die zentralen Begriffe Fremde und Identität.

Dabei soll zunächst erörtert werden, wodurch sich ein Erlebnis als Fremderfahrung auszeichnet. Zugrunde legen möchte ich die These, dass das Präfix „Fremd-“ ein generelles Charakteristikum menschlichen Handelns im situativen Alltag indiziert, welches meist nicht reflektiert wird. Die Annahme einer conditio humana des Fremden würde bedeuten: Jede Erfahrung ist eine Fremderfahrung. Jeder Mensch stellt – für sich und andere – einen Fremden dar.

1. Der Begriff der Fremde in der Wissenschaft

Neugier, Aufgeschlossenheit, Abenteuerlust, Annäherung, Exotik. Diese Worte konnotieren das Phänomen der Fremde respektive Fremdheit positiv. Kontrastierend löst der Begriff ebenfalls negative Vorstellungen aus – zum Beispiel von Distanz, Angst, Aggression, Abwehr und Rückzug. Dieser kurze explorative Einstieg soll veranschaulichen, welche Fülle von Emotionen, Gedankenbildern und Wortfeldern der hier zu erläuternde Terminus evozieren kann.

Grundlegende These ist, dass die Vielzahl der Assoziationen und Ausdrucksformen, die sprachlich um das Fremde kreisen, keine faktische Gesetzmässigkeit konstatiert, sondern erst durch soziales, meist kommunikatives Handeln entsteht. „Fremdheit ist keine Eigenschaft, auch kein objektives Verhältnis zweier Personen oder Gruppen, sondern die Definition einer Beziehung“[35]. Die Relation zwischen dem, was als das Eigene und das jeweils Andere definiert wird, ist keine feststehende Dichotomie, sondern das Ergebnis eines wechselseitigen Zuschreibungsprozesses. Etikettierungen, die historisch bedingt, situativ abhängig und somit wandelbar sind, werden von den Akteuren oftmals nicht als interaktiv produzierte, variable Differenzen reflektiert. Die Einzelperson, Gruppe oder Gesellschaft investiert Bedeutungen meist unbewusst, um Alterität zu schaffen und sich somit als Selbst zu identifizieren. Die Funktion derart stabilisierter Systeme besteht darin, „daß ausgegrenzte Bereiche geschaffen werden, die es ermöglichen, die die menschliche Aufnahmekapazität überwältigende Komplexität zu erfassen und zu verarbeiten [...]; sie bilden ein sinnhaftes, symbolisch vermitteltes Regulativ“[36] zwischen Sinnelementen, die nach innen aufgenommen werden und jenen, die unintegriert in der äusseren Umwelt verbleiben.

An die Vorstellung von Einzelzentren, die von ihrem jeweiligen Standpunkt aus Zuschreibungen vornehmen, lässt sich die Systemtheorie Niklas Luhmanns anknüpfen: Selbstreferentielle „Systeme beziehen sich bei der Konstitution ihrer Elemente, ihrer Operationen und ihrer Strukturen auf sich selbst“[37]. Auf der Basis der Selbstbeobachtung entsteht ein Netzwerk von Prozessen der Produktion und Reproduktion eigener Bestandteile (Autopoiesis), was rückwirkend die Systemstruktur konstituiert und somit dessen Abgrenzung als Einheit im Raum definiert (Selbstorganisation). Obwohl Luhmann diese Theorie primär auf die makrosoziologischen Einheiten der Gesellschaft und ihrer Subsysteme bezieht, läßt sich das Modell ebenfalls auf das Individuum und dessen Produktion von Sinn transformieren.

Eine derartige Subjektbestimmtheit ist Ursache der „Unmöglichkeit völligen Fremdverstehens“, welche Alois Hahn auf kognitiver Ebene als Ursprung humanen Fremdempfindens ansieht[38]. Selbst wenn eine normativ gesteuerte Kommunikations-Situation auf den Erwartungen gegenseitiger Verständigung basiert, ist das Wissen vom Anderen nie gänzlich möglich. Denn das adressierende Individuum ist weder in der Lage, seine eigene subjektive Wirklichkeit als Gesamtheit zu erfassen, noch die vom Bewusstsein zur Mitteilung ausgewählten Inhalte in ihrer vollständigen Bedeutungsfülle zu übermitteln. Aus dieser bruchstückhaften Information muss der Rezipient ebenfalls selektieren. „Wir müssen also durch Schlüsse, Deutungen und Interpolationen di e gegebenen Fragmente ergänzen, bis ein soweit ganzer Mensch herauskommt, wie wir ihn innerlich und für die Lebenspraxis brauchen“[39]. Welches Bild der Adressat aufgrund der ihm dargebotenen Explikation konstruiert, hängt von der Konstitution seiner Persönlichkeit ab. Zum Beispiel kann sein Wissensstand Aufnahme- und Integrationsfähigkeit bestimmen.

Das hier geschilderte grundsätzliche Nicht-Verstehen, das Hahn als Fundamentalalterität bezeichnet[40], führt in der Regel jedoch nicht zu Handlungsunfähigkeit. Eine dialogisch interagierende Gesellschaft gründet sich auf der intersubjektiven Ignoranz semantischer Abgründe, die durch gemeinsame Verstehensfiktionen überbrückt werden. Dieser durch Sprache aufrechterhaltene Konsens-Kanon schafft kollektive Identität, die mit der personalen Identität ein Beziehungssystem bildet und diese wechselwirkend bedingt. Je mehr zwei interagierende Personen, das Ich und das Andere, gemeinsam an kollektiven Identitäten teilhaben oder nicht, umso grösser die Wahrscheinlichkeit des gegenseitigen Vertrauens oder eines Gefühls von Distanz. Dementsprechend ist die Fremde „aus gewissen Maßen von Nähe und gewissen von Ferne zusammengesetzt“[41].

In diese Richtung denkt auch Bernhard Waldenfels, der sich in seiner „Topographie des Fremden“ unter anderem auf die Phänomenologen Schütz, Husserl und Merleyu-Ponty bezieht[42]: Eine durch Selektion und Exklusion entstandene Heimwelt produziert eine Fremdwelt zugleich mit. Die menschliche Lebenswelt bewegt sich zwischen diesen beiden Bereichen, deren Grenzen durch graduelle Verschränkungen verwischen. Lebenswelten gestalten sich somit als heterogene Spannungsfelder, welche keine gänzliche Simultanität erlangen können. Daher lässt sich die Fremde nicht schlicht auf eine konkrete Universalität aller kulturellen Lebensformen zurückführen. Fremdheit resultiert vielmehr aus dem menschlichen Bedürfnis nach einem als normal und allgemein empfundenen System, das die Vorstellung einer bindenden Grundschicht oder eines einenden Kerns ersetzt.

Niklas Luhmann führt aus, wie eine funktionierende Verstehensfiktion zum Aufbau sozialer Systeme beiträgt: „Man hat den Prozeß soziokultureller Evolution zu begreifen als Umformung und Erweiterung der Chancen für aussichtsreiche Kommunikation, als Konsolidierung von Erwartungen, um die herum die Gesellschaft dann ihre sozialen Systeme bildet; und es liegt auf der Hand, daß dies nicht einfach ein Wachstumsprozeß ist, sondern ein selektiver Prozeß, der bestimmt, welche Arten sozialer Systeme möglich werden, wie Gesellschaft sich gegen bloße Interaktion absetzt und was als zu unwahrscheinlich ausgeschlossen wird“[43]. Gedanklich fortgeführt impliziert diese Aussage, dass das Fremde durch übergeordnete Ordnungssysteme definiert wird, mittels derer Zuschreibungsprozesse stattfinden. Je „nach der Art der >>Grenzen<<, über die sich ein System definiert, werden andere Ausgrenzungen produziert“[44]. Nach Luhmann wäre das Fremde das aus der Sinnprodukion Ausgeschlossene – ein Negativ-resultat der „Selektion aus einem Möglichkeitsbereich, den das System selbst entwirft und für relevant hält“[45]. Bernhard Waldenfels hingegen betont verstärkt die Relationalität zwischen Fremdheit und als Heimwelt definiertem System. Er sieht das Fremde in der Überschreitung einer kommunikativen Ordnung begründet, das gemeinsame Regeln und Ziele eines etablierten Dialogs, einer standardisierten Situation oder normierten Institution sprengt[46]: „Die Fremdheit markiert ein Außer-Ordentliches, das als Überschuß über alles Ordentliche hinausgeht und auf diese Weise weder mit dem Ordentlichen identisch noch einfach von ihm verschieden ist“[47].

Die Überschreitung funktionstüchtiger Ordnungen bildet Ansprüche, die von dem Fremden ausgehen. Diese unausweichlichen Konfrontationen können der systemisch erzeugten Verstehensillusion den Sinn entziehen und ihre Interpretierbarkeit radikal hinterfragen. Derartige Einbrüche sind „Grenzphänomene wie Eros, Rausch, Schlaf oder Tod, die den Gang der Dinge, auch die Raum- und Zeitordnung durchbrechen, verdichtet zu einem Augenblick, der die Raum- und Zeitlosigkeit streift. [...] Hierher gehören ferner Umbruchphänomene wie Revolution, Sezession oder Konversion, wo Lebensformen aufeinanderprallen und sich abspalten, ohne daß eine übergreifende Ordnung den Übergang regelt wie etwa dann, wenn eine Veränderung der politischen Verfassung gesetzlich abläuft“[48]. Die hier geschilderten Elemente sind – wie sich zeigen wird – in „Die Brücke vom Goldenen Horn“ verstärkt auszumachen. Das Fremde kann somit per definitionem Faszinosum sein oder Tremdendum[49], Störfaktor und zugleich Lebenselexier, das allerdings nicht verordnet werden darf, sondern wahrgenommen werden muss[50].

Wenn Fremde sich wie bisher beschrieben gestaltet, stellt sich die Frage, wodurch eine Handlung oder Empfindung zur Fremderfahrung wird. Um das als fremd Erachtete überhaupt zu bemerken, muss „der Ferne nah sein“[51]. Es bedarf, wie Ortfried Schäffter formuliert, einer „sozialen Bruchlinie“, die die Bedeutung von „Kontaktstelle, Spannungsgefälle, Konfliktfeld, Berührungsfläche“ erhalten kann[52]. Das autonome System definiert das Fremde mittels der „Selbstregulierung seiner Abhängigkeiten und seiner Unabhängigkeiten“[53] von der Umwelt. Auf der als das Andere interpretierten Seite setzen ebenfalls Mechanismen ein, die das Gegenüber in die eigene subjektive Wirklichkeit einzuordnen versuchen, worauf Integration oder Exklusion folgen können. Wird dieser wechselseitige Zuschreibungsprozess von beiden Akteuren erkannt, kann eine Dauerreflexion auf das Fremderleben einsetzen, wie sie die interkulturelle Hermeneutik für praktikabel hält. Die traditionell angewandte, strukturelle Differenzbestimmung zwischen dem Eigenen und dem Fremden wird relativiert und diskursiv. Der autonome Eigenwert des Fremden wird in Interaktion erkennbar, nie jedoch endgültig bestimmbar. Ortfried Schäffter vergleicht diese offene, dynamische Struktur mit dem Vorgang der Oszillation, die eine „komplementäre Ordnung wechselseitiger Fremdheit“[54] erzeugt. In dieser Bewegung liegt die Kraft, das Eigene und das Fremde nicht mit komparativen Massstäben zu messen, sondern die distanziertere Rolle eines Dritten einzuführen: Waldenfels meint, „daß dieses Konzept eine Nahtstelle bezeichnet, an der außer-ordentliche Ansprüche und Ordnungsregeln aufeinandertreffen“[55] – und zwar als Thema, Zeuge oder Regulator eines Dialoges. Auch Edward W. Said strebt an, „einen dritten Ort in die Dialektik zwischen nationalem bzw. kollektivem Selbst und Anderem einzubauen, einen dritten Ort, an dem andere Stimmen vernehmbar sind“[56].

Denn die Suche nach dem Fremden stellt eine Aporie dar: Solange eine dominante und somit präferierte Heimwelt, zum Beispiel die Muttersprache, zu Ausgangspunkt und Bestandteil der Analyse wird, entziehen sich Eigenes und Fremdes seiner Vergleichbarkeit[57]. Mit dieser Ansicht nähert sich Waldenfels innerhalb der wissenschaftlichen Auseinandersetzung der Position der Kontextualisten an. Diese präferieren ein „Wissen um Grenzen, das diese nicht aufhebt“[58] – im Gegensatz zu den Universalisten, die eine transkulturelle Homogenisierbarkeit tendenziell für möglich halten.

Entscheidend ist folglich die Analyse der Bildung, des Grades und der Veränderung von Fremderfahrungen als Produkt korrelativer Zuschreibungen. Wie diese kollektiv konstruierten Prozesse individuelle Identität bedingen, möchte ich im anschliessenden Kapitel betrachten. Um die komplexen Erscheinungsformen von Fremde innerhalb des Romans für die Interpretation erfahrbar zu machen, möchte ich in Teil D mit dem bereits oben erläuterten Begriff des Ordnungssystems arbeiten. Das bedeutet: Das Phänomen der Fremde wird aufgefächert und segmentär operationalisiert. Bezugssysteme, über die Zuschreibungsprozesse stattfinden, können zum Beispiel die soziale Einheit der Familie oder ein nationalstaatlich begrenztes Territorium sein. In einer Verbindung aus Theorie und Praxis, wissenschaftlicher Literatur und Primärtext, möchte ich innerhalb der Kapitel die Wirkungsweise einzelner Ordnungssysteme stärker hervorheben und seine Wechselbeziehungen zu anderen einflussreichen Strukturen offenlegen.

2. Momente der Identität

2.1 Einleitung

In dem nun folgenden, zweiten Theorieteil möchte ich den Begriff der Identität erläutern und diesen fortlaufend mit dem der Fremde engführen.

Der Titel meiner Arbeit bezieht sich dem Wortlaut nach auf die „individuelle Identitätsbildung der Protagonistin“. Doch ist das ich-bezogene „zur Person werden“ nicht denkbar ohne das „Welten entdecken“ auf kollektiver Ebene. Wie dieses Wechselverhältnis wirken kann, versuche ich anhand der menschlichen Genese vom Kleinkind bis zum Erwachsenen zu veranschaulichen.

Die Formulierung „zur Person werden“ soll zudem auf die Prozesshaftigkeit der Identitätsentwicklung verweisen. Die wissenschaftliche Betrachtung eines Verlaufs steht hierbei in Spannung zu dem Anspruch einer per Geburt gegebenen, unverwechselbaren Singularität des Menschen, die teilweise durch soziale Zuordnungen konstruiert und stabilisiert wird. In nationalstaatlich vorgeschriebenen Personalpapieren zeigen sich die Bemühungen besonders deutlich, einer Identität dauerhaft habhaft werden zu wollen. „Was uns – weitgehend – einzigartig macht, sind unveränderliche Kriterien: Daten (Geburtstag), biologische Unveränderlichkeiten des Körpers (Augenfarbe, Geschlecht, genetischer Code) und relativ unveränderliche Zugehörigkeiten zu bestimmten gesellschaftlichen Gruppen, den Deutschen etwa, den Katholiken, den Verheirateten“[59].

Besondere Schwerpunkte meiner Ausführungen werden die Jugendphase (B 2.6) und – weiter spezialisiert – die weibliche Adoleszenz (B 2.7) darstellen. Verweisen möchte ich in diesem Zusammenhang nur kurz auf die Vielfalt teilweise divergenter Forschungsrichtungen, auf die auch Christa Rohde-Dachser aufmerksam macht. Sie negiert eine einheitliche Theoriebildung innerhalb der Psychoanalyse: Zum einen, weil die Freudschen Erkenntnisse bezüglich der weiblichen Sexualität nicht hinreichend korrigiert seien; zum anderen, da eine standardisierte Entwicklung der Frau unmöglich beschrieben werden könne[60]. In meinen Ausführungen zur Identität werde ich mich daher auf Autoren und wissenschaftliche Ansätze beziehen, deren Kombination mir als Interpretationsgrundlage dienlich erscheint.

Obwohl die entwicklungspsychologische Theorie, die der Psychoanalytiker Erik H. Erikson in den USA der 50er und 60er Jahre entwarf, teils stark angegriffen, teils erweitert und modifiziert wurde, werde ich sein Identitätsmodell als Basis verwenden – nicht zuletzt, da „Die Brücke vom Goldenen Horn“ in dieser Zeit anzusiedeln ist. Die Schilderung grundlegender Momente von Identität möchte ich schliesslich mit dem Konzept der narrativen Identität in Verbindung bringen und so auf die Text-Interpretation hinleiten.

In dem nun anschliessenden Kapitel werde ich zunächst versuchen, die sich verändernde Auffassung von der eigenen Persönlichkeit im geschichtlichen sowie sozialpsychologischen Kontext aufzuzeigen. Diese Ausführungen können als Folie gelesen werden für die Historizität der Identitätsentwicklung innerhalb des Romans.

2.2 Das Bewusstsein von Identität im historischen Wandel

Identität als „massenweise“ hinterfragbare Kategorie, die von der Sozialwelt losgelöst betrachtbar ist, sieht Thomas Luckmann als Produkt moderner Industriegesellschaften, während die Integration des Einzelnen in archaischen Gesellschaften „eine unproblematische Selbstverständlichkeit war“[61]. Denn in traditionalen, segmentären Gemeinschaften, wie Emile Durkheim sie beispielsweise beschreibt, sind einander ähnliche Mitglieder durch eine mechanische Solidarität miteinander verbunden, die durch äusseren Zwang des vorherrschenden Kollektivbewusstseins dauerhaft bestehen bleibt[62]. Während sich das Zusammengehörigkeitsgefühl in archaischen Strukturen hauptsächlich aus Glaube und Mitmenschlichkeit konstituiert, funktionieren moderne Systeme rationaler – zum Beispiel mittels vertraglicher Bindungen. Der Schritt von der einfachen zur differenzierten Gesellschaft erfolgte einerseits durch das Bevölkerungswachstum und den damit verstärkten Kampf um Lebenschancen, andererseits durch eine erhöhte moralische Dichte aufgrund zunehmender interpersonaler Kommunikation. Innerhalb einer organischen Solidarität können sich die sozialen Akteure der Neuzeit arbeitsteilig funktionale Nischen suchen. Voneinander unabhängige Lebensbereiche ermöglichen Handlungsspielräume, mit deren Hilfe die Person eine individuellere Mischung verschiedener Wertvorstellungen in sich vereinen kann. Das Resultat der Moderne: „persönliche Identität ist nicht in gleichem Maß wie in anderen Gesellschaftsformen schicksalhaft“[63].

Die Aufklärung leitete im 18. Jahrhundert diesen Wandel gedanklich ein, der oft als Bruch zwischen dem ordo-Gedanken des Mittelalters und einem freiheitlicher gestaltbaren Menschenbild geschildert wird[64]. Ein reflexiveres Selbstbewusstsein führte unter anderem zu einer neuen Festschreibung des Rollenverhältnisses. Die ehemals häusliche Einheit von Leben und Arbeiten differenzierte sich, da sich Subsysteme zweckrationalen Wirtschafts- und Verwaltungshandelns von der Lebenswelt der Familie abkoppelten[65]. Die Teilhabe an der Gesellschaft wurde weitestgehend so ausgehandelt, dass die Frauen in der heimischen Privatsphäre positioniert wurden und sich selbst in diesen gesellschaftlichen Zusammenhang einordneten. Ihr Verantwortungsbereich lag in der Kinderpflege und der Sorge darum, dass der öffentlich wirkende Mann zuhause seine Arbeitskraft reproduzieren konnte.

Gerhard Schulze zeigt auf, wie der Wandel von der Armutsgesellschaft Mitte des 19. Jahrhunderts hin zum gestiegenen Wohlstand der westlichen Bevölkerung im ausgehenden 20. Jahrhundert die Relation zwischen handelndem Subjekt und betreffender Situation beeinflusste[66]. Früher fokussierte ein Mangel an Geld, Eigentum sowie hilfreichen sozialen Beziehungen, mit deren Hilfe sich die eigene Position verbessern liesse, die Wahrnehmung des Individuums. Dessen Handlungsziel besass aussenorientierten Charakter und bestand darin, sich mit den einschränkenden Verhältnissen zu arrangieren oder deren Grenzen zu erweitern. Diese ökonomische Semantik wurde tendenziell von einer psychophysischen abgelöst, in der menschliche Grundbedürfnisse[67] gegenwärtig weniger als Not gespürt werden.

Der Prozess funktionaler Differenzierung führte dazu, dass eine homogene sozialstrukturelle Determinierung der Gesellschaft abnahm, wie sie in traditionellen Klassen- und Schichttheorien beschrieben wird[68]. Die vertikale soziale Mobilität stieg, was sich heutzutage nicht bloss in einem rein materiell erhöhten Lebensstandard der westlichen Welt äussert. Zunehmende Freizeit sowie flexiblere Zeitstrukturen individualisieren Tagesablauf und Biographie[69]. Räumlich betrachtet erschliessen sich erhöhte Bewegungsoptionen aufgrund verkehrstechnischer Modernisierungen. Expansion der Bildungsmöglichkeiten, stärkere Reflexivität und erhöhte Selbstbezüglichkeit der Lebensplanung führen zu einer Individualisierung, die neue Arten sozialer Einbindungen in eine patchworkartig gestaltete Gesellschaft erfordert. Das Risiko erhöhter Eigenkomplexität besteht in einer Überforderung durch die fragmentarischere Umwelt, die Chance in den vielschichtigen Möglichkeiten aktiver Gestaltung: „Jeder von uns wird Baumeister seines eigenen Beziehungsnetzwerks“[70].

2.3 Fremde und Identität

An dieser Stelle möchte ich nun die enge Verbindung zwischen Identität und Fremde verdeutlichen. Nach Ansicht Ortfried Schäffters ist Fremdheit ein Resultat der eigenen Geschichte: „Es ist die jeweilige personale und soziale Identität, die erst die Fremdartigkeit des Anderen hervorruft“[71]. Die häufig stattfindende Bestimmung des Fremden von einem internen Standpunkt des Eigenen aus hängt damit zusammen, dass ein klar konturiert als Aussen empfundenes System hohe identitätsstiftende Funktion für die innere Ordnungsstruktur besitzt. Das stark dichotom erscheinende Begriffspaar des Innen und Aussen möchte ich hier jedoch als relationales Wechselverhältnis zwischen dem Subjekt und seiner Umgebung „als einer durchdringenden Aktualität“[72] verstanden wissen.

Vor allem in einer polyvalent gedeuteten, postmodernen Welt, die sich aus einer Vielzahl autonomer Einzelzentren zusammensetzt, konstituiert sich Identität in einer steten Kipp-Bewegung zwischen dem vielschichtigen Innen einer Person, Gruppe oder Nation und seinem spezifischen Aussen. Für Erik H. Erikson resultiert psychische Stärke aus der interagierenden Beziehung von individuellem Lebenszyklus, Generationenfolge und Gesellschaftsstruktur: „denn wir haben es mit einem Prozeß zu tun, der im Kern des Individuums >>lokalisiert<< ist und doch auch im Kern seiner gemeinschaftlichen Kultur, ein Prozeß der faktisch die Identität dieser beiden Identitäten begründet“[73]. Das Resultat einer solchen Entwicklung ist nach seiner Ansicht keine abgeschlossene, gesicherte Persönlichkeit, sondern „eine aktive Spannung [...] ohne Garantie“[74]. „Die Funktion, die Fremdheit für eine komplementäre Ordnung erfüllt, läßt sich daher als ein Offenhalten interner Perspektiven beschreiben“[75]. Persönliche Blickwinkel wiederum sind massgeblich definiert durch Sprache, deren Internalisierung und spezifischer Gebrauch vom gesellschaftlichen sowie situativen Kontext abhängen. „Soziales ist von Nicht-Sozialem abgegrenzt, Aktives von Passivem, Alltägliches von Außerordentlichem. Die Sprache enthält selbstverständliche Vorentscheidungen darüber, welche Motive und Handlungsentwürfe allgemein verbindlich sind, welche nur unter besonderen Umständen oder nur für besondere Leute gebilligt oder geduldet werden“[76].

Ausgehend von diesem Dialogcharakter des Fremdverstehens „versucht die Literaturdidaktik, durch bewußte Unterscheidung zwischen Innen- und Außenperspektive und Anleitung zur Perspektivenübernahme die eigene Identität zu hinterfragen und zugleich eine Annäherung an das Fremde zu erreichen“, ohne dessen besonderen Status zu negieren[77]. Aus diesem Forschungsanspruch heraus möchte ich die Frage ableiten: Wie entsteht das Phänomen Identität, von dem die Definition eines Anderen ausgeht?

Erik H. Erikson analysiert die Persönlichkeitsentwicklung anhand des epigenetischen Prinzips[78]: Ebenso wie das biologische Wachstum durch das Erbmaterial prä-determiniert ist, unterliege die psychosoziale Entfaltung eines Menschen einem Grundplan. Dessen einzelne Bestandteile erwachsen asynchron, um schliesslich die funktionierende Komplexität der Identität zu bilden. Mit seinem Modell versucht Erikson zu veranschaulichen, dass das Wesen eines Individuums sukzessiv entsteht: In aufeinanderfolgenden Phasen befindet sich der Heranwachsende im Spannungsverhältnis gegensätzlicher Gefühlszustände. Die erste dieser Dichotomien, die noch weiter erläutert werden, stellt für ein Neugeborenes das Grundempfinden von Ur-Vertrauen oder -Misstrauen dar. „Jedes Stadium wird zu einer Krise, weil beginnendes Wachstum und Bewußtheit in einer neuen Teilfunktion mit einer Verschiebung in der Triebenergie einhergehen“[79]. Im Übergang werden alte Abhängigkeiten gewahr und neue Vertrautheiten erwachen, wodurch ein Gefühl der Entfremdung entsteht. Denn: „Die eigene Identität wird gewonnen durch eine Identifizierung mit Anderen, sie bleibt deshalb stets mit Momenten der Nicht-Identität durchsetzt“[80]. Die anfänglich intuitive Hinwendung zu und spätere Entscheidung für eine lebensprägende, seelisch-geistige Ausrichtung sowie dessen Internalisierung bedeutet die Ausgrenzung der zweiten Möglichkeit als das tendenziell Fremde. Dieser Vorgang ist jedoch stets als graduell anzusehen, da auch die eher verneinte Seite einer epigenetisch-dialektischen Stufe im Menschen weiterwirkt.

Innerhalb meiner Textanalyse möchte ich zeigen, wie sich die Identität der Roman-Protagonistin unter anderem nach den Entwicklungsstadien Eriksons konstituiert, welche die Person permanent zwischen Integration und Exklusion wechseln lassen. Das Eigene und das Fremde erscheinen aus dieser Perspektive als Ergebnisse von Krisen, die durch die zeitversetzte Stufenfolge perspektivischer Veränderungen ausgelöst wurden. „Das Wort Krise wird hier in einem entwicklungsmäßigen Sinn gebraucht, nicht um eine drohende Katastrophe zu bezeichnen, sondern einen Wendepunkt, eine entscheidende Periode vermehrter Verletzlichkeit und eines erhöhten Potentials, und daher die ontogenetische Quelle für Stärke oder Fehlanpassung“[81].

2.4 Frühkindliche Entwicklung

In diesem Kapitel möchte ich nun die Wiege der Identität betrachten: den universellen, interpersonalen Vorgang der primären Sozialisation.

Innerhalb des ersten Lebensjahres lernt das Kind, seinen Körper in Abgrenzung von der Umwelt als Eigenes zu begreifen. Zudem erlangt es die Fähigkeit, visuelle und akustische Reize von einem undeutlich erscheinenden Hintergrund zu isolieren und als bedeutend einzustufen[82]. Die Bildung von Identität basiert somit auf der menschlichen Anlage zu subjektivem Fremdempfinden, die Simmel auf einen biologisch verankerten Oppositionsinstinkt zurückführt. Er meint, „daß der erste Instinkt, mit dem sich Persönlichkeit bejaht, die Verneinung des Anderen ist“[83].

Die Erkenntnis des Selbst in Unterscheidung zu Menschen der externen Realität zeigt sich besonders gravierend im Phänomen des Fremdelns, das etwa im achten Monat in Erscheinung tritt. „Fremd ist dann, was nicht die Mutter ist“. Es entsteht „damit eine intrapsychische Repräsentanz des Fremden beim Kind, die langsam durch die Gestalt des Vaters ausgefüllt wird, der es dem Kind ermöglicht, aus seiner ursprünglichen Einheit mit der Mutter herauszutreten“[84]. Der als Entfremdung erfahrene Verlust dieser Zwei-Einheit mit der Mutter wird im Laufe der Entwicklung verdrängt, wirkt jedoch unbewusst weiter. Die Aufteilung ursprünglich ganzheitlichen Denkens mündet in binäre Strukturen wie der Unterscheidung zwischen Ich und Umwelt, aber auch zwischen männlich und weiblich.

Festzuhalten ist, dass die Phase der Fremdenangst den Aufbau eigener Identität stützt, die junge Person zu interaktiven Handlungen befähigt und gleichzeitig die Basis für spätere Beurteilungen anderer legt. „Das Kind wird auf sein Geschlecht, seine Sprache und seine soziale Rolle hin geprägt“[85]. Als positiv bewertet Erikson die Identitätsentwicklung, wenn der Prozess gleichzeitiger Fremd- und Selbstwahrnehmung eine zunehmende Differenzierung erfährt: „er wird immer umfassender, während das Individuum sich fortschreitend eines sich erweiternden Kreises anderer bewußt wird, die für es Bedeutung haben, von der mütterlichen Person bis zur >>Menschheit<< [...], und er >>endet<< nicht, bis die Kraft eines Menschen zur wechselseitigen Bestätigung schwindet“[86].

In der Phase frühkindlicher Erziehung wird die Triebhaftigkeit des Freudschen „Es“ in sozial kompatibles Verhalten eingebunden und dieses immer wieder, oft mühsam einsozialisiert. Da das physiologische System innerhalb der ersten drei Jahre noch nicht ausgereift genug arbeitet, kann dieser Zeitraum des Aufwachsens nicht erinnert werden. Der Ursprung des eigenen Lebens ist dem Menschen nicht verfügbar, doch dessen Nachhall wirkt immens prägend auf Selbstbild und -vertrauen. Aus dieser psychoanalytischen Sicht ist das Fremde das Unbewusste, das nicht in Narration überführbar ist[87]. In der weiteren Entwicklung konstituiert sich die Einschätzung der individuellen Identität fortdauernd aus Erfahrungen, auf denen die Verstehensfiktion vom eigenen Selbst aufbaut. Doch auch jüngere Schichten der Persönlichkeit sind dem Vergessen unterworfen, positive Erlebnisse ebenso wie alltägliche psychische Verletzungen. Im Falle starker Traumatisierungen müssen Teile der Vergangenheit sogar zunächst verdrängt werden, damit ein Sinnsystem handlungsfähig bleibt.

2.5 Körper und Kultur

Ausgangspunkt und roter Faden der Identitätsentwicklung ist die unikate Anlage der Physis. „Distanz zu Umwelt und Selbst setzt voraus, daß der Mensch eine Leiblichkeit besitzt, deren Leistungen Welt als eine verhältnismäßig konstante Struktur zu erfahren vermögen“. Nach Auffassung Luckmanns entsteht persönliche Identität als Schnittmenge aus der folgenden Beziehungskonstellation: „Bewußtsein ist in Leiblichkeit verwurzelt und Bewußtsein ist gesellschaftlich geformt“[88].

Bevor jedoch ein solcher Grad an Reflexivität erlangt wird, lebt das Neugeborene in einer Ich-All-Einheit: In diesem narzistischen Universum fühlt sich das Kind geschlechtlich omnipotent. Seine offene Trieborientierung gestaltet sich – wie Freud formulierte – polymorph-pervers[89]. Das Gefühl ganzheitlichen Eingebundenseins – das Urvertrauen – bildet die Grundvoraussetzung für ein souveränes Körperempfinden. Es wird primär über den Tastsinn etabliert, entsteht aber auch durch Geruch, Stimme und Form des ersten Bezugskörpers, den meist die Mutter repräsentiert. „Das Urmißtrauen dagegen ist die Summe all jener diffusen Erlebnisse, die nicht irgendwie durch die Erfahrung der Integration erfolgreich ausgewogen werden können“[90]. Ein Grundkonflikt wie dieser, der im ersten Lebensjahr gesetzt wird, agiert fort in der Identität des Erwachsenen, doch muss sich für eine spätere Soziabilität das Urvertrauen gegenüber ontogenetisch zwangsläufigen Frustrationen durchsetzen[91].

Die kindliche Fähigkeit, die eigene physische Beschaffenheit als Objekt zu reflektieren, führt in der folgenden Entwicklung zu permanenten Vergleichen mit anderen Körpern. Mit dem Erwerb der symbolischen Ordnung wächst das Kind auch wie selbstverständlich hinein in ein internalisiertes Bild seiner geschlechtlichen Rolle. Neben dieser Realität des Mann- oder Frauseins existiert nach Ansicht Rohde-Dachsers eine unbewusste, narzisstische Wirklichkeit, „die sich an einem phantasierten Zustand der Zwei-Einheit mit der Mutter vor dem Eintritt in die symbolische Ordnung orientiert“ und in ihrem allumfassenden Charakter auch die Grenzen zwischen Generationen und Geschlechtern zum Verschwinden bringt[92].

Im aktiven Funktionsgedächtnis[93] entsteht jedoch ein eindeutiger definiertes Archiv kulturell tradierter Körperbilder, deren idealisierter Mittelwert die Beurteilung von Normalität respektive Andersartigkeit steuert. Diese Ikonographie beruht auf konstant abgespeicherten Erfahrungen, die durch persönlichen Umgang und durch vom Umfeld gesetzte Relationen bestimmt werden. „Die Erfahrung des Kindes kann man, ähnlich wie bestimmte kulturelle Übergangsphänomene, als synkretistisch bezeichnen, da das Kind in seinen Introjektionen und Projektionen sowie in seinem mimetischen Nachtun und Mittun von vornherein an den Wünschen und Vorstellungen Anderer partizipiert und in eine Welt der Symbole hineingeboren wird, bevor es sich auf sich selbst besinnt und von Anderen Abstand nimmt“[94]. Die gesellschaftlich bedingte Erziehung von Kleinkindern, ob und wie lange sie beispielsweise gestillt oder mit der Flasche aufgezogen werden, ist für diesen identitätsstiftenden Speicher ebenso prägend wie kollektiv vermitteltes Objektverständnis, zum Beispiel durch die Präsenz von Körperkonzepten in Medien und Malerei. Durch seine dialektischen Eigenschaften, unbewusst als das genuin Eigene zu funktionieren und gleichzeitig von Innen und Aussen kritisch betrachtet zu werden, repräsentiert der Körper par excellence die fortwährende Korrelation zwischen dem Selbst und dem Fremden.

Dieses Wechselspiel ist angelegt in der biologisch bedingten, jedoch kulturell gesteuerten Ausbildung körperlicher Basisabläufe. Wie bereits anhand Eriksons erläutert, befindet sich das Kind durch das epigenetische Prinzip im Spannungsverhältnis gegensätzlicher Gefühlszustände, welches sich ebenfalls mit Freudschen Begriffen fassen lässt: Während das Subjekt in der oralen Phase bemüht ist, sich die Welt mit Hilfe des eigenen Mundes einzuverleiben, versucht es in der analen Phase, die Ausscheidung regelnde Muskelkoordination zu erlernen. Zwanghaftes Festhalten und lustvolles Loslassen verdauter Nahrung sind hierbei als Kampf um Autonomie zu deuten: Ein Stadium, in dem die Emanzipation von der Mutter zu Ende geführt wird. „Ein Gefühl der Selbstbeherrschung ohne Verlust der Selbstachtung ist die ontogenetische Quelle eines Gefühls des freien Willens“[95]. Als Gegenpart können Scham und Zweifel der Identität dauerhaft immanent werden: Zum Beispiel kann eine dominante Fremdbestimmung seitens der Eltern ein konstantes Empfinden von Herrschaftsverlust auslösen. Die interne Spaltung in triebhaftes „Es“ und die Gewissens-Instanz des „Über-Ich“, die durch das „Ich“ regulativ gesteuert werden, sieht Erikson nach der Trennung von der Mutter als zweite entscheidende Weichenstellung im Leben, auf die als dritte Wegmarke „die politsche Krise der Ganzheit“ am Ende der Kindheit folgt[96].

2.6 Selbst- und Reinszenierung Jugend

Besonderes Augenmerk möchte ich nun auf die Entwicklungsphase der Jugend und deren Übergang ins Erwachsenenleben richten, da dies dem Alter der Protagonistin in „Die Brücke vom Goldenen Horn“ entspricht.

Aufgrund technischen Fortschritts und gesellschaftlicher Differenzierung wächst der zeitliche Abstand zwischen schulischer Ausbildung und dem Einstieg in eine spezialisierte Welt des Arbeitens. Der Abschnitt der Jugend gewinnt zunehmend an Konturen und wird bewusster als eigenständig wahrgenommen. Daher werde – nach Ansicht Eriksons – verwirrtes und verwirrendes Handeln Adoleszenter gesellschaftlich erwartet und sei somit partiell kollektiv produziert. Vergleichbar beruhe die Rede von der historischen und ökonomischen Jugend einer Nation auf Zuschreibung[97].

Zeitweiliger Identitätsverlust während und nach der Pubertät wird einerseits ausgelöst durch die radikalen Veränderungen des Körpers in hormoneller und optischer Weise. Erikson wertet die jugendliche Liebe als Versuch, sich seiner eigenen Identität vergewissern zu können – vor allem mit Hilfe intimer Gespräche, „indem man sein undeutliches Selbst-Bild auf einen anderen projiziert und es so zurückgeworfen und allmählich geklärt sieht“[98]. Ein selbstreferentieller Prozess, den Niklas Luhmann beschreibt mit den Worten: „Man liebt sich als Liebenden“[99]. Andererseits ist die normative Krise in der individuellen Entwicklung massgeblich dadurch geprägt, dass Heranwachsenden die eigene Historizität bewusst wird. Als wesentlichen Einfluss erachtet Erikson dabei die ideologische Strukur der Umgebung inklusive der Stereotypisierung von Feindbildern, „weil ohne eine ideologische Vereinfachung des Universums das jugendliche Ich seine Erfahrung nicht entsprechend seinen spezifischen Fähigkeiten und seiner sich erweiternden Beteiligung organisieren kann“[100]. Die Sinnsuche in solchen präfabrizierten Symbolsystemen bzw. die Hinterfragung etablierter Werte sieht Mario Erdheim als Resultat von Allmachtsphantasien, die während der Adoleszenz besonders vehement in Erscheinung treten[101].

Erikson führt den Begriff der Identität eng mit dem der Identitätskrise. Ein Gefühl des Verlustes von persönlicher und historischer Kontinuität diagnostizierte der Psychoanalytiker für Veteranen des Zweiten Weltkriegs ebenso wie für eine begrenzte Lebensphase Heranwachsender: „Seit damals haben wir die gleiche zentrale Störung bei jungen, in schweren Konflikten stehenden Menschen entdeckt, deren Verwirrungsgefühl eigentlich einem Krieg innerhalb ihrer selbst zuzuschreiben ist, und bei Rebellen und destruktiven Gesetzesbrechern, die mit ihrer Gesellschaft im Kriegszustand stehen“[102].

Um eine relativ konstante, Ganzheitlichkeit anstrebende Verstehensillusion von sich und seiner Umwelt weiterzuentwickeln, muss der Jugendliche die konkurrierenden Identitätselemente, die Erikson spezifischen Kindheitsstadien zuordnete, innerhalb seiner Adoleszenz erneut integrieren[103]. Resonanzboden, Kontrastfläche und Wechselspieler für diese re-inszenierten infantilen Krisen ist nun nicht mehr die primäre Sozialisationsinstanz der Familie, sondern die grössere, erhöhte Variabilität bietende Struktur des gesellschaftlichen Systems. Das erste, frühkindliche Verlangen nach Vertrauen äussert sich demzufolge bei Heranwachsenden in der Suche nach glaubwürdigen Ideen und Persönlichkeiten, die diese vertreten. Diesem Bedürfnis nach Glauben und Hingabe wirken Skepsis und Zynismus entgegen. Das zweite infantile Streben, das nach Autonomie, impliziert in herangereiftem Stadium, sich in der Arbeitswelt nach eigenen Interessen ausprobieren zu können und einen Beruf frei wählen zu dürfen. Initiative und Phantasie als drittes Erbe aus dem Spielalter bedeuten eine Hinwendung zu Menschen und Bereichen, die dem Ehrgeiz des Jugendlichen ein imaginäres Wirkungsfeld bieten. Eine vierte adoleszente Zielrichtung schliesslich resultiert aus dem in der Schulzeit geweckten Wunsch, Ideale so in die Realität zu überführen, dass sie gut funktionieren: Der Heranwachsende möchte seinen später ergriffenen Beruf möglichst als erfüllende Berufung erfahren.

Nach Erikson bedeutet geglückte Entwicklung also, dass das in der Jugend kreierte Projekt der Identität im Erwachsenenalter realisiert wird. Burghard König hingegen versteht Identität als lebenslangen Prozess: „Sich entwerfen und leben fallen in eins“[104]. Die Verstehensillusion, die eine Person von sich zeitweilig erlangt, entsteht demnach aus einem Zustand permanenten Austarierens zwischen Selbst- und Fremdbild sowie der Bewältigung des Lebens in diesem fortwährenden dialektischen Spannungsverhältniss.

2.7 Weibliche Adoleszenz

Im Folgenden möchte ich mich speziell mit der weiblichen Adoleszenz befassen und aufzeigen, inwiefern geschlechtspezifische sowie kulturell geprägte Differenzen zur männlichen Jugend bestehen. Nach einer weit verbreiteten Ansicht der Psychoanalyse handelt es sich bei der Geschlechterdichotomie um „die kulturelle Selbstverständlichkeit, daß jedes Individuum von Geburt an geschlechtlich definiert ist und diese geschlechtliche Zuschreibung bereits recht früh auch in seine Selbstdefinition übernimmt“[105].

Die Unterscheidung beginnt mit der frühkindlichen Trennung von der Mutter, wie ich sie bereits als erste grundlegende Fremderfahrung des Menschen geschildert habe. Diese greift in die weibliche Identitätsentwicklung härter ein als in die männliche. Denn die libidinöse Beziehung zur Erzeugerin wird in doppelter Weise gebrochen: Vom „Mädchen wird nicht nur der Verzicht auf die Mutter als eingeborene Partnerin gefordert, sondern auch die generelle Aufgabe weiblicher Sexualobjekte, wodurch die Identifizierung mit der Mutter gefördert und der Objektwechsel mobilisiert wird“[106]. Gemäss der im Zusammenhang mit Erikson erläuterten Re-Inszenierung infantiler Krisen wiederholt sich in der Adoleszenz auch der Ödipuskomplex. Dessen reife Form fällt bei der heranwachsenden Frau milder aus, da sie „den Vater nie so intim besessen hat wie die Mutter, während der Junge erst jetzt von der ganzen Härte eines sexuellen Verzichts auf die Mutter betroffen ist“.

Einen markanten Einbruch in die weibliche psychosoziale Genese bedeutet die erste Menstruation. In dieser Zeit bedauert das Mädchen den Verlust extravertierter Unbekümmertheit während der Latenzphase. Die Erkenntnis der geschlechtlichen Reifung muss in das Selbstbild integriert werden. Diese Leistung, das bis zur Agressivität reichende, wiedererwachte Triebpotential in einen Neuentwurf der eigenen Identität einzubinden, bedingt nach Ansicht Poludas eine Wendung nach Innen: Während sich der Umgang mit den Eltern, auch der körperlich-zärliche, bis zur Vorpubertät weitestgehend konfliktfrei gestaltete, verschärft der nun sexuell potente Körper die Inzestgrenze zwischen den Generationen einer Familie und distanziert diese vorerst voneinander.

Während der Pubertät wird die Abhängigkeit von der Mutter überwunden und die eigene Genitalität innerpsychisch gesichert. Nach Ansicht Poludas schliesst daran die zweite, eigentliche Phase der weiblichen Adoleszenz an, die um die Bewältigung des wechselseitigen inzestuösen Begehrens zwischen Vater und Tochter kreist[107]. Früher wurde die aufkeimende Sexualität der Filia unterbunden, indem der Vater durch Verheiratung eine erneute patriarchalische Abhängigkeit schuf. Jenseits dieses ödipalen Hafens der Ehe existiert innerhalb moderner Gesellschaftsstrukturen die Möglichkeit, sich mit der ersten Liebe nicht gleich festzulegen und die Generativität in einer Schwangerschaft zu verwirklichen. Stattdessen kann sich die junge Frau im Verlauf einer ausgedehnten Adoleszenz aus der Vaterbindung lösen, in verschiedenen Liebesbeziehungen entfalten und parallel ihre beruflichen Neigungen und Fähigkeiten entwickeln[108].

Mario Erdheim verweist darauf, dass ein eingehaltenes Inzestverbot die Gesellschaftlichkeit einer jungen Frau überhaupt erst voraussetze. Derjenige, der nicht zur Familie gehört, wird zunehmend positiv konnotiert. Denn die Verbindung mit einem Fremden vermag die Tochter aus der inzestuösen Gefahr zu ziehen, die innerhalb der Blutsbande besteht[109].

2.8 Narrative Identität

Die bereits erläuterte These von der permanenten Bewegung zwischen Facetten des Eigenen und Alteritäten sieht Burghard König als Resultat der dialogischen Wende innerhalb der Identitätsforschung[110]. In Bezugnahme auf das Modell des Soziologen George Herbert Mead betont er den interaktionistischen Charakter von Identität, welche sich in der Spannung zwischen „me“ und „I“ entwickele – zwischen der Übernahme gesellschaftlich vorgeformter Rollen und der individuellen Antwort auf kollektive Erwartungen. Da sich Handlungsraum und -zeit des Individuums dabei auf verschiedene Lebenswelten beziehen, sind einer Person diverse Teilidentitäten immanent. Soziale Anerkennung – der Zugang zum Beispiel zu Familie, Arbeit, Freundschaften und intimen Beziehungen – sowie die Bewegung in und zwischen diesen Bereichen sind abhängig von macht-definierten sozialen und individuellen Ressourcen.

Dem von Erikson konzipierten Ideal einer gefestigten Identität im Erwachsenenalter setzt König das Konzept der Narrativität entgegen: Das Ich handelt Selbstbild und persönliche Stellung im Leben stets aufs Neue aus – monologisch, schreibend, im Austausch mit anderen. „Die Ansätze einer narrativen Identität betonen die Offenheit und Unabgeschlossenheit des Sich-Erzählens“[111]. Gleichzeit impliziert diese diskursive Konstruktion von Identität die Bemühung, kohärente Verbindungen zwischen Ereignissen herzustellen und somit die eigene Geschichte als relativ plausibele Kontinuität zu deuten. Die Reflektion und Verbalisierung von identitätskonstituierenden Lebenswelten steht wiederum in wandel- und somit auch zerstörbarem Abhängigkeitsverhältnis zu dialogischen Kontexten und Personen, die die narrative Verstehensillusion mit ihren Rollenhandlungen stützen.

Die modernitätstheoretischen Kernbausteine Eriksons – Kohärenz und Kontinuität – sind nach dieser spätmodernen Auffassung nicht mehr „die unverrückbaren Koordinaten jeder Art von Identität, sondern sie werden als Konstrukte entziffert, die Subjekte in den Erzählmustern von sich selber herstellen“[112].

Unterstützt durch Phänomene moderner Massenmigration geraten nicht nur Waren und Dienstleistungen, sondern auch sprachliche Zeichen zunehmend in globale Zirkulation. Das Handwerkszeug der Selbstnarration erfährt neue Kombinationsmöglichkeiten. Angesichts dieser Verschiebungen lässt sich an Königs Konzept von einem in Teilidentitäten differenzierten Individuum Edward W. Saids Vorstellung anknüpfen, dass Identität in einer plural verstandenen Welt mehrfach codiert sei. Die individuelle Einbindung in historischen Kontext, Situation und Referenzrahmen zu berücksichtigen, strebt er ebenfalls für einen kritischen Umgang mit literarischen Texten an. Deren kultureller Wert sei bedingt durch eine komplexe Beschaffenheit, der sich der Interpret mittels intertextueller Betrachtung annähern kann[113].

Manche literarischen Werke scheinen aufgrund ihres hybriden Charakters besonders prädestiniert für eine Interpretation, in der die nationale Identität lediglich als eine von vielen gedeutet wird – neben einer Vielzahl kulturübergreifender Unterschiede und Gemeinsamkeiten. „ Hybrid ist alles, was sich einer Vermischung von Traditionslinien oder von Signifikantenketten verdankt, was unterschiedliche Diskurse und Technologien verknüpft, was durch Techniken der collage, des samplings, des Bastelns zustandegekommen ist“[114]. Im Kapitel Analyse der Erzähltechnik (C 1) werde ich nun aufzeigen, das „Die Brücke vom Goldenen Horn“ als ein solcher Text verstanden werden kann, der die unerschöpflich erscheinenden Verflechtungen der realen Welt durch gezielte semiotische Ambiguität abzubilden und offenzuhalten vermag.

[...]


[1] Leicht, Robert: Der Fremde in uns. In: DIE ZEIT, Nr. 52, 20. Dezember 2000, S. 1. Vgl. auch S. 3, 4, 5.

[2] Özdamar, Emine Sevgi: Die Brücke vom Goldenen Horn. Roman. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1998. In dieser Arbeit nachfolgend mit Seitenzahl in Klammern zitiert.

[3] Wierschke, Annette: Auf den Schnittstellen kultureller Grenzen tanzend: Aysel Özakin und Emine Sevgi Özdamar. In: Denn du tanzt auf einem Seil. Positionen deutschsprachiger MigrantInnenliteratur. Hg. von Sabine Fischer und Moray McGowan. Tübingen: Stauffenberg-Verlag 1997 (= Stauffenberg discussion 2), S. 180.

[4] Seyhan, Azade: Lost in Translation. Re-Membering the Mother Tongue in Emine Sevgi Özdamar’s Das Leben ist eine Karawanserei. In: The German Quaterly 69, 4 (1996), S. 417.

[5] Konuk, Kader: >>Identitätssuche ist ein [sic!] private und archäologische Graberei<<: Emine Sevgi Özdamars inszeniertes Sprechen. In: AufBrüche. Kulturelle Produktionen von Migrantinnen, schwarzen und jüdischen Frauen in Deutschland. Hg. von Kader Konuk u. a.. Königstein: Ulrike Helmer Verlag 1999, S. 63.

[6] Özdamar, Emine Sevgi: Schwarzauge und sein Esel. In: DIE ZEIT, Nr. 9, 26. Februar 1993, S. 81.

[7] Özdamar, Emine Sevgi: Mutterzunge. Erzählungen. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1998. In dieser Arbeit nachfolgend in Klammern mit der Abkürzung M und Seitenzahl zitiert.

[8] Özdamar, Emine Sevgi: Das Leben ist eine Karawanserei hat zwei Türen aus einer kam ich rein aus der anderen ging ich raus. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1992. In dieser Arbeit nachfolgend als „Karawanserei“ bezeichnet, in Klammern mit der Abkürzung K und Seitenzahl zitiert.

[9] Schmidt, Sabine: Die Türkei im Banne Brechts. In: Rheinische Post, Nr. 93, 22. April 1998.

[10] Özdamar, Emine Sevgi: Der Hof im Spiegel. Erzählungen. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2001. In dieser Arbeit nachfolgend in Klammern mit der Abkürzung H und Seitenzahl zitiert.

[11] Reidl, Andrea: Migrationserfahrungen und Migrationsdiskurs. Zur literarischen Inszenierung kultureller Differenz im Werk von Emine Sevgi Özdamar. Hamburg: Magisterarbeit 1999, S. 29.

[12] Vgl. Milz, Sabine: Comparative Cultural Studies and Ethnic Minority Writing Today: The Hybridities of Marlene Nourbese Philip and Emine Sevgi Özdamar. CLCWeb: Comparative Literature and Culture: A WWWeb Journal 2.2 (June 2000) = http://www.arts.ualberta.ca/clcwebjournal/clcweb00-2/milz00.html, S. 4 + 5.

[13] Carmen Francesca Banciu thematisiert in ihren Büchern „Vaterflucht“ (1998) und „Ein Land voller Helden“ (2000) Politik, Geschichte und Leben ihres Herkunftslandes Rumänien und besitzt daher meiner Ansicht nach eine hohe Affinität zu Özdamar.

[14] Vgl. zu dieser Auseinandersetzung auch Jankowsky, Karen: „German“ Literature Contested: The 1991 Ingeborg-Bachmann-Prize Debate, „Cultural Diversity“, and Emine Sevgi Özdamar. In: The German Quaterly 70, 3 (1997), S. 261 – 276.

[15] Emine Özdamar wurde zudem mit weiteren Preisen ausgezeichnet: Walter Hasenclever-Preis (1992), Publishers Weekly >>Best Books of the Year<< (1994), >>International Book of the Year<< Times Literary Supplement (1995), Preis der LiteraTour Nord (1999).

[16] Ebel, Martin: Deprimierende Klagenfurter Tage und Ende mit Goodwill. In: Saarbrücker Zeitung, Nr. 152, 4. Juli 1991, S. 19.

[17] Göztürk, Deniz: Kennzeichen: weiblich / türkisch / deutsch – Beruf: Sozialarbeiterin / Schriftstellerin / Schauspielerin. In: Frauen Literatur Geschichte. Schreibende Frauen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Hg. von Hilturd Gnüg und Renate Möhrmann. 2. Aufl.. Stuttgart: Metzler 1999, S. 527.

[18] Siehe Anmerkung (= Anm.) Konuk, S. 62.

[19] Schilling, Regina: Ein Leben auf Reisen. In: Kölner Stadt-Anzeiger, Nr. 69, 23. März 1998, S. 23.

[20] Mielke, Friederich: Literarische Brücke. In: Die ZEIT, Nr. 26, 18. Juni 1998, S. 44.

[21] Siehe Anm. Schmidt.

[22] Breger, Claudia: >>Meine Herren, spielt in meinem Gesicht ein Affe?<< Strategien der Mimikry in Texten von Emine S. Özdamar und Yoko Tawada. In: AufBrüche. Kulturelle Produktionen von Migrantinnen, schwarzen und jüdischen Frauen in Deutschland. Hg. von Kader Konuk u. a.. Königstein: Ulrike Helmer Verlag 1999, S. 30 - 59.

[23] Siehe Anm. Reidl.

[24] Siehe Anm. Konuk, S. 60 – 74.

[25] Ghaussy, Soheila: Das Vaterland verlassen: Nomadic Language and „Feminine Writing“ in Emine Sevgi Özdamar‘s Das Leben ist eine Karawanserei. In: The German Quaterly 72, 1 (1999), S. 1 – 16.

[26] Siehe Anm. Seyhan 1996, S. 414 – 426.

[27] Seyhan, Azade: Scheherazade’s Daughters. The Thousand and One Tales of Turkish-German Women Writers. In: Writing New Identities. Gender, Nation, and Immigration in Contemporary Europe. Hg. von Gisela Brinker-Gabler und Sidonie Smith. Minneapolis, London: University of Minnesota Press 1997, S. 230 – 248.

[28] Siehe Anm. Göztürk, S. 518.

[29] Horrocks, David; Kolinsky, Eva (Hg.): Turkish Culture in German Society Today. Oxford: Berghahn Books 1996.

[30] Schütte, Wolfram: Ganz einfach: ein großes Buch. In: Frankfurter Rundschau, Nr. 74, 28. März 1998, S. ZB 4.

[31] Bronfen, Elisabeth u. a. (Hg.): Hybride Kulturen. Beiträge zur anglo-amerikanischen Multikulturalismusdebatte. Tübingen: Stauffenburg-Verlag 1997 (= Stauffenberg discussions 4), S. 8.

[32] Interview mit der Autorin in: Wierschke, Annette: Schreiben als Selbstbehauptung: Kulturkonflikt und Identität in den Werken von Aysel Özakin, Alev Tekinay und Emine Sevgi Özdamar. Frankfurt am Main: Verlag für Interkulturelle Kommunikation 1996, S. 263.

[33] Siehe Anm. Konuk, S. 60.

[34] Lüthi, Hans Jürg: Der Taugenichts: Versuche über Gestaltungen und Umgestaltungen einer poetischen Figur in der deutschen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Tübingen, Basel: Francke Verlag 1993, S. V.

[35] Hahn, Alois: Die soziale Konstruktion des Fremden. In: Die Objektivität der Ordnungen und ihre kommunikative Konstruktion. Hg. von Walter M. Sprondel. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1994, S. 140.

[36] Bellebaum, Alfred: Soziologische Grundbegriffe. 12. Aufl.. Stuttgart, Berlin, Köln: Verlag W. Kohlhammer 1994, S. 115.

[37] Siehe und vgl. Morel, Julius u.a.: Soziologische Theorie. Abriß der Ansätze ihrer Hauptvertreter. 4. überarb. und erw. Aufl.. München, Wien: Oldenbourg Verlag 1995, S. 191.

[38] Siehe Anm. Hahn, S. 143.

[39] Simmel, Georg: Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. Hg. von Otthein Rammstedt. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1992, S. 698.

[40] Siehe Anm. Hahn, S. 149.

[41] Siehe Anm. Simmel, S. 771.

[42] Vgl. nachfolgend Waldenfels, Bernhard: Topographie des Fremden. 2. Aufl.. Studien zur Phänomenologie des Fremden: Bd. 1. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1999 (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 868), S. 63, 66, 171, 172.

[43] Luhmann, Niklas: Soziale Systeme, Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1984, S. 219.

[44] Siehe Anm. Hahn, S. 142.

[45] Siehe Anm. Luhmann 1984, S. 104.

[46] Vgl. Anm. Waldenfels, S. 116 ff.

[47] Siehe Anm. Waldenfels, S. 111 (in der Fussnote).

[48] Siehe Anm. Waldenfels, S. 37 + vgl. S. 120.

[49] Vgl. Anm. Hahn, S. 151.

[50] Vgl. Anm. Waldenfels, S. 84 + 172.

[51] Siehe Anm. Simmel, S. 765.

[52] Schäffter, Ortfried: Modi des Fremderlebens. Deutungsmuster im Umgang mit Fremdheit. In: Das Fremde. Erfahrungsmöglichkeiten zwischen Faszination und Bedrohung. Hg. von Ortfried Schäffter. Opladen: Westdeutscher Verlag 1991, S. 14.

[53] Luhmann, Niklas: Die soziologische Beobachtung des Rechts. Frankfurt am Main: Alfred Metzner 1986, S. 14.

[54] Siehe Schäffter, S. 27.

[55] Siehe Anm. Waldenfels: S. 115 + 116.

[56] Siehe Anm. Bronfen, S. 6.

[57] Vgl. Anm. Waldenfels, S. 114.

[58] Siehe Anm. Waldenfels, S. 59.

[59] Siehe König, Burghard (Hg.): Identitätskonstruktionen. Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 1999, S. 65.

[60] Vgl. Rohde-Dachser: Über weibliche Sexualität – ein Streifzug durch psychoanalytische Theorien. In: Literarische Entwürfe weiblicher Sexualität. Hg. von Johannes Cremerius u. a.. Würzburg: Königshausen und Neumann 1993 (= Freiburger literaturpsychologische Gespräche 12), S. 9 – 19.

[61] Luckmann, Thomas: Persönliche Identität, soziale Rolle und Rollendistanz. In: Identität. Hg. von Odo Marquard und Karlheinz Stierle. München: Wilhelm Fink Verlag 1979, S. 293.

[62] Vgl. hierzu Berger, Peter L.; Berger, Brigitte: Wir und die Gesellschaft. Eine Einführung in die Soziologie – entwickelt an der Alltagserfahrung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag 1991, S. 25 – 29.

[63] Siehe Anm. Luckmann, S. 308.

[64] Vgl. hierzu Anm. König, S. 18 + 19.

[65] Vgl. hierzu die Erläuterungen zur Kritischen Theorie von Jürgen Habermas in: Anm. Morel, S. 224-230.

[66] Schulze, Gerhard: Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart. 5. Aufl.. Frankfurt, New York: Campus Verlag 1995, S. 52-56. Diese Studie bezieht sich weitestgehend auf den westlichen Teil Deutschlands.

[67] vgl. hierzu die von Maslow konzipierte Hierarchie menschlicher Bedürfnisse

[68] vgl. hierzu Geißler, Rainer: Die Sozialstruktur Deutschlands. Zur gesellschaftlichen Entwicklung mit einer Zwischenbilanz zur Vereinigung. 2. Aufl.. Opladen: Westdeutscher Verlag 1996, S. 69 – 89.

[69] vgl. hierzu Opaschowsky, Horst. W: Einführung in die Freizeitwissenschaft. 3. Aufl.. Opladen: Leske + Budrich 1997, S. 29, 30.

[70] Siehe Anm. König, S. 38.

[71] Siehe Anm. Schäffter, S. 12.

[72] Erikson, Erik H.: Jugend und Krise. Die Psychodynamik im sozialen Wandel. 3. Aufl.. Stuttgart: Klett-Cotta 1980, S. 20.

[73] Siehe Anm. Erikson, S. 18.

[74] Siehe Anm. Erikson, S. 16.

[75] Siehe Anm. Schäffter, S. 26.

[76] Siehe Anm. Luckmann, S. 303.

[77] Nünning, Ansgar (Hg.): Metzler-Lexikon Literatur- und Kulturtheorie: Ansätze – Personen – Grundbegriffe. Stuttgart, Weimar: Metzler 1998, S. 163 + 164.

[78] Vgl. Anm. Erikson, S. 92 ff..

[79] Siehe Anm. Erikson, S. 94.

[80] Siehe Anm. Waldenfels, S. 69.

[81] Siehe Anm. Erikson, S. 96.

[82] Vgl. Anm. Erikson, S. 101.

[83] Siehe Anm. Simmel, S. 299.

[84] Erlenmeyer, Arvid: Kollektiv Verdrängtes und Fremdenfeindlichkeit. In: Das Fremde. Erfahrungsmöglichkeiten zwischen Faszination und Bedrohung. Hg. von Ortfried Schäffter. Opladen: Westdeutscher Verlag 1991, S. 124.

[85] Claessens, Dieter: Das Fremde, Fremdheit und Identität. In: Das Fremde. Erfahrungsmöglichkeiten zwischen Faszination und Bedrohung. Hg. von Ortfried Schäffter. Opladen: Westdeutscher Verlag 1991, S. 45.

[86] Siehe Anm. Erikson, S. 19.

[87] Dieser Aspekt wird in Kapitel D 1.1 Sozialisation weiter ausgeführt, in dem ich die Sozialisation der Protagonistin in Zusammenhang mit dem „Karawanserei“-Roman interpretieren werde.

[88] Siehe dieses und das vorangegangene Zitat: Anm. Luckmann, S. 297.

[89] Vgl. Rohde-Dachser, Christa: Über Widersprüche geschlechtlicher Identität in der weiblichen Entwicklung aus der Sicht der Psychoanalyse. In: Widersprüche geschlechtlicher Identität. Hg. von Johannes Cremerius. Würzburg: Königshausen und Neumann 1998 (= Freiburger Literaturpsychologische Gespräche 17), S. 19 ff..

[90] Siehe Anm. Erikson, S. 82.

[91] Vgl. Anm. Erikson, S. 102.

[92] Siehe und vgl. Anm. Rohde-Dachser 1998, S. 29.

[93] Vgl. zur Unterscheidung von Funktions- und Speichergedächtnis: Assmann, Aleida: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München: Beck’sche Verlagsbuchhandlung 1999, S. 130 ff..

[94] Siehe Anm. Waldenfels, S. 69.

[95] Vgl. Anm. Erikosn, S. 111.

[96] Vgl. Anm. Erikson, S. 86.

[97] Vgl. Anm. Erikson, S. 14, 15.

[98] Siehe Anm. Erikson, S. 135.

[99] Luhmann, Niklas: Suche der Identität und Identität der Suche. In: Identität. Hg. von Odo Marquard und Karlheinz Stierle. München: Wilhelm Fink Verlag 1979, S. 593.

[100] Siehe Anm. Erikson, S. 23.

[101] Vgl. Erdheim, Mario: Weibliche Grössenphantasien in Adoleszenz und gesellschaftlichen Umbrüchen. In: Adoleszenz. Hg. von Johannes Cremerius. Würzburg: Königshausen und Neumann 1997 (= Freiburger Literaturpsychologische Gespräche 16), S. 28

[102] Siehe Anm. Erikson, S. 13.

[103] Vgl. nachfolgend Anm. Erikson, S. 131 ff..

[104] Siehe Anm. König, S. 83.

[105] Siehe Anm. Rohde-Dachser 1998, S. 19.

[106] Siehe dieses und nächstes Zitat: Poluda, Eva S.: Sie war doch sonst ein wildes Blut... Einbruch und Aufbruch in der weiblichen Adoleszenz. In: Adoleszenz. Hg. von Johannes Cremerius. Würzburg: Königshausen und Neumann 1997 (= Freiburger Literaturpsychologische Gespräche 16), S. 10.

[107] Vgl. Anm. Poluda, S. 15 ff..

[108] vgl. diesbezüglich Kapitel D 2. Emotional unterwegs.

[109] Vgl. Anm. Erdheim, S. 34.

[110] Vgl. folgend Anm. König, S. 95-108.

[111] Siehe Anm. König, S. 102.

[112] Siehe Kraus, Wolfgang: Das erzählte Selbst. Die narrative Konstruktion von Identität in der Spätmoderne. Pfaffenweiler: Centaurus-Verlagsgesellschaft 1996 (= Münchner Studien zur Kultur- und Sozialpsychologie 8), S. viii.

[113] Vgl. Anm. Bronfen, S. 6, 7.

[114] Siehe Anm. Bronfen, S. 14.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832452605
ISBN (Paperback)
9783838652603
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hamburg – Germanistik
Note
1,3
Schlagworte
studentenbewegung großstadt hybridität interkulturalität migrationsliteratur
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Titel: Welten entdecken, zur Person werden
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