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Konvergenz internationaler "Corporate Governance"?

Kritische Diskussion wesentlicher Entwicklungen

©2002 Diplomarbeit 80 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wagte niemand der Annahme zu widersprechen, dass die traditionellen und wirtschaftlich etwas zurückgebliebenen Länder, wie Japan, Deutschland oder andere Kontinentaleuropas, nahezu vollständig die Eigenheiten der erfolgreichen amerikanischen Corporate Governance übernehmen werden. Doch die angebliche Überlegenheit kam Mitte der 90er Jahre durch viele Unternehmenskrisen ins Wanken. Die Corporate Governance ist Gegenstand eines ständigen Lernprozesses. Aus diesem Grund realisierte man mehr und mehr den Mangel an Forschungsbeiträgen über ländervergleichende Studien („Comparative Corporate Governance“). Um das eigene System zu optimieren, ist die Gegenüberstellung mit ausländischen notwendig geworden. Diese Vergleiche haben konsequenterweise auch dazu geführt, dass man in manchen Teilbereichen von einer Annäherung des anglo-amerikanischen und des deutschen Corporate Governance-Systems spricht.
Gang der Untersuchung:
Ziel dieser Arbeit ist es, den Wandel im Bereich der Corporate Governance herauszufiltern und diesen unter Konvergenzgesichtspunkten zu bewerten. Dabei soll zuerst Definition und Aufstieg des heute verwendeten Corporate Governance-Begriffs in die wissenschaftliche Forschung in Kapitel 2 aufgezeigt werden.
Im 3. Kapitel werden Ursachen für mögliche Annäherungsansätze formuliert.
Beginnend mit dem 4. Kapitel werden drei Komponenten (vom Verfasser auch als Klammern bezeichnet), innerhalb derer Indizien zu einer Konvergenz anmuten, kritisch beleuchtet. Dieses erste Kapitel beschäftigt sich mit einer möglichen Angleichung der internationalen Unternehmensverfassungen, wogegen sich das 5. mit dem Wandel in der Interessensvertretung und das 6. mit Umbrüchen in den Führungsprinzipien auseinandersetzt. Der Schwerpunkt liegt auf der Fokussierung des anglo-amerikanischen Corporate Governance-Verständnisses und dem des deutschen, wobei bei ersterem verstärkt auf die Vereinigten Staaten eingegangen wird. Die Kapitel werden jeweils durch eine deskriptive Gegenüberstellung der beiden unterschiedlichen Systeme eingeleitet, um ein solides Fundament für das optimale Verständnis der Umschwünge zu garantieren. Diese Umschwünge werden jeweils von beiden Ausgangspunkten betrachtet. Denn es gibt nicht nur Versuche in Deutschland eine Brücke zum anglo-amerikanischen System inklusive seiner funktionalen Ausgestaltungen zu bauen, sondern man bemerkt in den USA interessanterweise eine […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 5729
Nigischer, Sina: Konvergenz Internationaler "Corporate Governance"?: Kritische Diskussion
wesentlicher Entwicklungen / Sina Nigischer -
Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Bielefeld, Universität, Diplomarbeit, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

I
NHALTSVERZEICHNIS
1. M
OTIVATION DER
A
RBEIT
...1
2. D
EFINITION UND
H
INTERGRÜNDE DER
C
ORPORATE
G
OVERNANCE
-D
EBATTE
...3
2.1. Begriffsabgrenzung... 3
2.2.
Zum Aufstieg der Corporate Governance-Problematik in die wissenschaftliche
Forschung ... 6
3. U
RSACHEN FÜR EINE MÖGLICHE
K
ONVERGENZ INTERNATIONALER
C
ORPORATE
G
OVERNANCE
... 10
3.1.
Globalisierung der Produkt- und Absatzmärkte ...10
3.2.
Zusammenwachsen der Finanzmärkte...12
3.3. Institutionalisierung
der
Märkte ...15
4. Z
UR
A
NGLEICHUNG DER
U
NTERNEHMENSVERFASSUNGEN
... 17
4.1.
Board-Modell versus Vorstands-/Aufsichtsratsmodell ...17
4.2.
Vom Vereinigungsmodell zum Trennungsmodell ­
Audit Committees als Wegbereiter?...23
4.3.
Vom Trennungsmodell zum Vereinigungsmodell ­
Verkümmern die Aufsichtsräte? ...28
4.4. Schlussfolgerung ...34
5. D
IE
I
NTERESSENSVERTRETUNG IM
W
ANDEL
...36
5.1.
Shareholder-Ansatz versus Stakeholder-Ansatz...36
5.2.
Der Stakeholder-Ansatz als anglo-amerikanische Corporate Governance-Reform?...41
5.3.
Der Shareholder Value als neues Paradigma in Deutschland?...44
5.4. Schlussfolgerung ...47
6. U
MBRÜCHE IN DEN
F
ÜHRUNGSPRINZIPIEN
...49
6.1.
Direktoriale Führung versus kollegiale Führung...49
6.2.
Die Trennung von CEO und Chairman ­ das Ende der direktorialen Spitze?...52
6.3.
Verstärkte Personifizierung von Vorstandsvorsitzenden ­
Auflösung des kollegialen Kalküls?...55
6.4. Schlussfolgerung ...57
7. F
AZIT UND
A
USBLICK
...58
L
ITERATURVERZEICHNIS
...LVI
III

A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abs. Absatz
AG Aktiengesellschaft
AktG Aktiengesetz
BFuP
Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis
bspw. beispielsweise
bzw. beziehungsweise
ca. circa
CalPERS
California Public Employees' Retirement System
CEO
Chief Executive Officer
d.h. das
heißt
DAX Deutscher
Aktienindex
DB Der
Betrieb
DBW Die
Betriebswirtschaft
etc.
et cetera
EU Europäische
Union
F&E
Forschung und Entwicklung
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
HGB Handelsgesetzbuch
IAS
International Accounting Standards
IDW
Institut für Wirtschaftsprüfer
insb.
insbesondere
km Kilometer
MitbG Mitbestimmungsgesetz
No. Number
Nr. Nummer
NYSE
New York Stock Exchange
OECD
Organisation of Economic Cooperation and Development
(Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung)
o.V. ohne
Verfasserangabe
p.a. per
anno
S. Seite
SEC
Securities and Exchange Commission
StuB
Steuern und Bilanzen
IV

UK United
Kingdom
USA
United States of America
US-GAAP
US Generally Accepted Accounting Principles
Vol.
Volume
vs. versus
WISU Das
Wirtschaftsstudium
Z. Ziffer
z.B. zum
Beispiel
ZfB
Zeitschrift für Betriebswirtschaft
zfbf
Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung
zfo
Zeitschrift Führung + Organisation
ZHR
Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht
V

1. M
OTIVATION DER
A
RBEIT
,,The way business is run matters to all of us, wherever we live [...] The careful study of systems of corporate
governance is important at the present time because the world of the next century will be even more competitive than
it is now as the economies of the Far East gather speed and the former Communist states enter the fray. Countries
will need to take a long hard look at the way other systems work and keep their own under review; to tolerate a
poor system is to impose upon oneself an unnecessary competitive handicap".
1
J.P. Charkham
Es sind vor allem die Globalisierung, das Zusammenwachsen der Märkte und der Wettbewerb,
die Charkham als Gründe nennt, sich genauer mit der Leitung von Unternehmen auseinander zu
setzen. Die Diskussion über solch eine "angemessene Unternehmensführung (Corporate
Governance)"
2
entsprang ­ wie so vieles ­ in den Vereinigten Staaten und breitete sich über die
restliche Welt wie ein Lauffeuer aus. In Großbritannien wurde sie in den 80er Jahren durch
spektakuläre Unternehmenskrisen und -zusammenbrüche ausgelöst,
3
ebenso wie in Deutschland
­ jedoch erst ein Jahrzehnt später (z.B. Balsam, Metallgesellschaft, Schneider etc.).
4
Die
Begleiterscheinungen freundlicher und feindlicher Übernahmen in den USA haben das Problem
der Trennung von Eigentum und Kontrolle wieder aktuell werden lassen.
5
Das Fehlen einer eindeutigen Definition in der bereits immens angewachsenen Literatur über
Corporate Governance, stellt sich als symptomatisch für die ganze Reform dar.
6
So wurden und
werden viele Aspekte, die Problematik am Kern der Sache zu treffen, in Erwägung gezogen. Die
Palette reicht von der Gewährleistung einer effizienteren Kontrolle in den Systemen, über die
Auseinandersetzung mit den wichtigsten Interessensgruppen einer Unternehmung, bis hin zur
Etablierung von Kodizes.
7
Einhergehend mit den Veränderungen in den verschiedenen Corporate Governance-Systemen
hat man sich auch auf wissenschaftlich-theoretischer Ebene vermehrt mit Fragen der
Konvergenz beschäftigt. Man fragt sich, inwiefern sich die Systeme in einzelnen Punkten an-
1
Vgl. Charkham, J. P. (1994), S. 1.
2
Vgl. Feddersen, D. / Hommelhoff, P. / Schneider, U. H. (1996), S. 1.
3
Vgl. Price Waterhouse (1997), S. 9.
4
Vgl. Scheffler, E. (1995), S. 80.
5
Vgl. Haid, A. (2001), S. 195.
6
Vgl. Keasey, K. / Thompson, S. / Wright, M. (1997), S. 2.
7
Hierbei handelt es sich jedoch nur um einen Ausschnitt relevanter Sachverhalte, und haben daher keinen An-
spruch auf Vollständigkeit.
1

nähern und inwieweit eines dem anderen überlegen ist. Denn die Corporate Governance ist im
Zeitablauf gesehen nicht notwendigerweise ein konstantes Gebilde.
8
So soll nicht nur eine
gewisse Annäherung der europäischen Corporate Governance an die anglo-amerikanische in
Teilbereichen stattgefunden haben, sondern auch umgekehrt.
9
Ob diese dem Tatbestand einer
Konvergenz genügen, sei jedoch kritisch zu hinterfragen.
Ziel dieser Arbeit ist es, den Wandel im Bereich der Corporate Governance herauszufiltern und
diesen unter Konvergenzgesichtspunkten zu bewerten. Dabei soll zuerst Definition und Aufstieg
des heute verwendeten Corporate Governance-Begriffs in die wissenschaftliche Forschung in
Kapitel 2 aufgezeigt werden. Im 3. Kapitel werden Ursachen für mögliche Annäherungsansätze
formuliert. Hierzu muss jedoch angemerkt werden, dass die Ursache-Wirkungsbeziehungen nicht
klar abgegrenzt werden können, da sie im Wesentlichen der Interpretation des Lesers unterliegen.
Das Zusammenwachsen der Finanzmärkte kann daher entweder als Ursache für eine mögliche
Konvergenz internationaler Corporate Governance erläutert oder andererseits als Resultat dieser
Tendenz ausgelegt werden.
Beginnend mit dem 4. Kapitel werden drei Komponenten (vom Verfasser auch als Klammern
bezeichnet), innerhalb derer Indizien zu einer Konvergenz anmuten, kritisch beleuchtet. Dieses
erste Kapitel beschäftigt sich mit einer möglichen Angleichung der internationalen Unter-
nehmensverfassungen, wogegen sich das 5. mit dem Wandel in der Interessensvertretung und das
6. mit Umbrüchen in den Führungsprinzipien auseinandersetzt. Diese drei Klammern sind nach
ihrer Gewichtung absteigend angeordnet. Es ist jedoch anzumerken, dass sie nicht alle
beobachtbaren ,,Konvergenzindizien" enthalten können. Eine vollständige Darstellung der
Umschwünge ist zwar angestrebt, vermag aber aufgrund des vorgegebenen Arbeitsumfanges an
Perfektion zu leiden. Des Weiteren sind die Klammern nicht notwendigerweise über-
schneidungsfrei. Der Schwerpunkt liegt auf der Fokussierung des anglo-amerikanischen
Corporate Governance-Verständnisses und dem des deutschen, wobei bei ersterem verstärkt auf
die Vereinigten Staaten eingegangen wird. Die Kapitel werden jeweils durch eine deskriptive
Gegenüberstellung der beiden unterschiedlichen Systeme eingeleitet, um ein solides Fundament
für das optimale Verständnis der Umschwünge zu garantieren. Diese Umschwünge werden
jeweils von beiden Ausgangspunkten betrachtet. Denn es gibt nicht nur Versuche in Deutschland
eine Brücke zum anglo-amerikanischen System inklusive seiner funktionalen Ausgestaltungen zu
bauen, sondern man bemerkt in den USA interessanterweise eine umgekehrte Tendenz.
10
Als
8
Vgl. Schmidt, R. H. (2001), S. 63.
9
Vgl. Thomsen, S. (2001), S. 7.
10
Vgl. Haasen, U. (1988), S. 376.
2

Abschuss werden im Fazit die vorausgegangenen Entwicklungen ganzheitlich kritisch diskutiert,
und versucht, diese anhand verschiedener Interpretationen von Konvergenz zusammenzufassen.
Abschließend soll ein Ausblick gegeben werden, wohin möglicherweise eine Annäherung der
beiden unterschiedlichen Systeme führen wird.
2.
D
EFINITION UND
H
INTERGRÜNDE DER
C
ORPORATE
G
OVERNANCE
-
D
EBATTE
2.1. Begriffsabgrenzung
Corporate Governance hat sich international zunehmend zu einem ,,hot topic" entwickelt und
beschäftigt neben der Wissenschaft in hohem Maße auch politische Institutionen sowie
Organisationen der Wirtschaftspraxis. Da das anglo-amerikanische Paradigma die Forschung sehr
stark dominiert und sich der Terminus ,,Corporate Governance" kaum direkt ins Deutsche
übertragen lässt, wird zumeist auf eine Übersetzung verzichtet und die englische Bezeichnung
verwendet.
11
In der vorliegenden Arbeit wird versucht, den Ausgangspunkt für die drei
Klammern durch Definitionen zu konstituieren. Dabei stützt sich sowohl das 4. als auch 6.
Kapitel jeweils auf eine Interpretation, wogegen das 5. sich nicht so einfach auf einer
zusammenfassenden aufbauen lässt. Hier liefert eine spezifische anglo-amerikanische und eine
deutsche Auslegung die Basis.
Generell zeichnet sich die Begriffsbestimmung einerseits durch die anglo-amerikanische
Rechtssprache, andererseits den anglo-amerikanischen Kapitalmarkt ab. Diese Schere ist bis
heute nicht geschlossen oder ist gar ein Konsens gefunden worden. In der erstgenannten
Begriffsbestimmung steht speziell die rechtliche Entscheidungsorganisation im Unternehmen,
insbesondere die Zuständigkeiten und Aufgaben der obersten Leitungsorgane im Vordergrund.
,,Gute" Corporate Governance ist demgemäss die zweckmäßige, rechtliche Strukturierung der
obersten Leitungsorgane. Den Grundgedanken für das
Kapitel 4 soll das Zitat von v. Werder
bilden, der sagt: ,,Versteht man unter Corporate Governance den rechtlichen und faktischen
Ordnungsrahmen für das Zusammenwirken von Leitungsorganen, Überwachungsgremien und
Interessensgruppen (namentlich den Anteilseignern) im Unternehmen, so kann der Ausdruck
11
Vgl. v. Werder, A. (2000), S. 2.
3

allerdings recht zwanglos dem Begriff der Unternehmensverfassung gleichgesetzt werden"
12
. Im
Gegensatz dazu unterscheidet man in der angelsächsischen Kapitalmarkt-Sprache zwei Aus-
prägungen. Zum einen geht es um die nachhaltige Wahrnehmung der Interessen der
Anteilseigener als Investoren und damit um das Verhältnis zwischen dem Unternehmen, dem
Kapitalmarkt und je nach Sichtweise um die Interessen der anderen Anspruchsgruppen
(Stakeholder). Zum anderen wird die Kommunikation zwischen der Unternehmensleitung, dem
Überwachungsorgan und den Wirtschaftsprüfern hervorgehoben.
13
Deutlich wird dies durch die
Interpretation von Scheffler: ,,Im anglo-amerikanischen Bereich spricht man dabei von
Corporate Governance und meint in erster Linie die Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen in
Kapitalgesellschaften. Es geht um die Zuständigkeit und Aufgaben der Organe dieser
Gesellschaften und um deren spezielle Überwachungsaufgabe, und zwar in einem marktwirt-
schaftlichen Umfeld".
14
Das
Kapitel 5 baut auf einer zweigeteilten Definition auf. Bei der angelsächsischen Sichtweise
von Corporate Governance steht das Spannungsverhältnis zwischen Kontrolle und Verfügungs-
gewalt ­ in der Literatur als Prinzipal-Agenten-Problematik beschrieben ­ im Vordergrund. Hess
deutet es ähnlich, indem er darunter den Prozess der Kontrolle und Verwaltung des Vermögens
und der Mitarbeiter einer Aktiengesellschaft im Interesse der Eigentümer der Gesellschaft
versteht. Es sind damit Verantwortlichkeit und Überwachung des Managements von Aktien-
gesellschaften sowie Mechanismen, die sicherstellen sollen, dass das Management fundierte
Entscheidungen in Übereinstimmung mit den Interessen der Aktionäre trifft, gemeint.
15
Dieses
Begriffsverständnis, das ausschließlich den Aktionär in den Mittelpunkt des Interesses rückt, gilt
in der Klammer der Interessensvertretung als anglo-amerikansiche Corporate Governance-
Interpretaion. Demgegenüber steht die in Kontinentaleuropa und Japan gebräuchliche weitere
Auslegung. Die Grundlage für das deutsche Corporate Governance-Verständnis ist durch Witt
widergegeben, der darunter ganz allgemein die Organisation der Leitung und Kontrolle eines
Unternehmens zur Sicherung eines optimalen Interessensausgleichs zwischen allen Stakeholdern
versteht.
16
Ganz allgemein ­ ohne auf eine von Unternehmensentscheidungen betroffene Gruppe Bezug zu
nehmen ­ äußerst sich dazu Scheffler, der sagt: ,,Corporate Governance bezeichnet das System,
12
Vgl. v. Werder, A. (2000), S. 2.
13
Vgl. Schneider, U. H. (2000), S. 2413.
14
Vgl. Scheffler, E. (1995a), S. 1.
15
Vgl. Hess, G. E. (1996), S. 10.
16
Vgl. Witt, P. (2000), S. 159.
4

mit dem Unternehmen geführt und überwacht werden"
17
. Diese Definition stellt sicherlich die
weitest gehende Interpretation von Corporate Governance dar und ist im wesentlichen eine
Übersetzung des aus dem Griechischen und Lateinischen abstammenden Wortes der
,,Governance". Es bezieht sich auf die Funktionen, ein Schiff zu steuern und zu lenken.
18
Taucht
man ein in diese metaphorische Übersetzung, kann man den Kapitän eines Schiffes mit der
obersten Führungskraft einer Unternehmung gleichsetzen. In
Kapitel 6 wird nach dieser
Deutung der Corporate Governance-Terminus treffender und speziell auf die Spitzenmanager
bezogen. ,,Er bezeichnet die Gesamtheit der Sachverhalte und Regelungen, die prägen, wie in
(großen) Unternehmen die wesentlichen Entscheidungen getroffen werden".
19
Das Unterscheidende zwischen dem anglo-amerikanischen und dem deutschen Verständnis ist
jedoch, dass für ersteres weniger der juristische Rahmen als vielmehr die konstitutive Sicherung
des Funktionierens der Unternehmung als ein arbeitsfähiges, zielstrebiges System im Vorder-
grund steht.
20
Wie augenscheinlich geworden ist, besteht die Schwierigkeit, ,,eine richtige" Definition für
Corporate Governance zu finden. ,,Corporate Governance is a catchy but ill-defined term, and so
many discuss Corporate Governance issues without any clear definition of the term, making the
discussion heated and futile."
21
Man steht vor einer Fülle von anglo-amerikanischer Sichtweise
geprägten Literatur, die bis vor kurzem auf kontinentaleuropäische Verhältnisse ,,umgemünzt"
werden musste. Es gibt keine übereinstimmenden Definitionen oder gar Grenzen für die
Auslegung des Untersuchungsgegenstandes Corporate Governance: ,,The lack of a broad
defining paradigm has created a sense of intellectual vertigo in the increasingly intense debate
over corporate governance reforms"
22
.
Seit einigen Jahren ist die Thematik auch bei europäischen Wissenschaftlern hoch im Kurs. Ein
unterschiedliches Vorverständnis und die Prägung von unterschiedlichen Wurzeln machen die
Corporate Governance-Debatte mühevoll. In der vorliegenden Arbeit wird aufgrund der
Komplexität der Organisationsstrukturen und -prozesse sowie deren Umweltbeziehungen
vordergründig auf die börsennotierte Aktiengesellschaft eingegangen. Unter internationalen
Konvergenzgesichtspunkten ist ein Eingehen auf diese Gesellschaftsform relevant, da die Märkte
17
Vgl. Scheffler, E. (1995), S. 80.
18
Vgl. Clarke, T. / Bostock, R. (1994), S. 232.
19
Vgl. Schmidt, R. H. / Grohs, S. (1999), S. 1.
20
Vgl. Bleicher, K. / Bortel, K.-D. / Kleinmann, R. / Paul, H. (1984), S. 21.
21
Vgl. Miwa, Y. (1998), S. 243.
22
Vgl. Turnbull, S. (2000), S. 4.
5

stark von deren Unternehmensgröße und dem damit einhergehenden Einfluss-potenzial
dominiert werden. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass sich entsprechende Fragen einer
optimalen Corporate Governance bei allen Rechtsformen stellen.
23
2.2. Zum Aufstieg der Corporate Governance-Problematik in die wissenschaftliche
Forschung
Um die derzeitigen sich vollziehenden Veränderungen besser illustrieren und verstehen zu
können, ist das Aufzeigen der Entstehungsgeschichte von Corporate Governance essentiell.
Denn das Thema war noch nie so ,,in aller Munde" und brisant wie heute. Dominiert wird die
Entwicklung von den Vorschlägen und Aktivitäten der Amerikaner, so dass nachfolgend
verstärkt auf deren Bemühungen eingegangen wird. Zahlreiche Zitate
24
sollen den genauen Inhalt
von Aussagen unverzerrt widergeben und ,,eingebürgerte" englische Ausdrücke die internationale
Brisanz in diesen Belangen augenscheinlich machen.
Corporate Governance wird seit Tausenden von Jahren durch Unternehmen gelebt, doch ist die
wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik erst weniger als ein Jahrhundert alt.
Tatsache ist, dass der Ausdruck Corporate Governance nicht vor den 80er Jahren des 20. Jahr-
hunderts benutzt wurde, das aufgrund der Flut von Managementtheorien zum ,,Jahrhundert des
Managements" geworden ist. Das neu angebrochene 21. Jahrhundert verspricht nun zur Ära der
Corporate Governance zu werden ­ da die Macht
25
verstärkt auf einzelne Unternehmens-
einheiten ausgeweitet, effektiver und legitimiert wird.
26
Allerdings darf man nicht dem Irrtum unterliegen, Corporate Governance mit Management
gleichzusetzen. Die zentralen Unterschiede liegen in einem externen Fokus der Corporate
Governance, wogegen das Management einen internen verfolgt. Ein offenes System wird von der
Corporate Governance unterstellt, das Management geht dagegen von einem geschlossenen
System aus. Und schließlich wird die Corporate Governance als strategieorientiert charakterisiert,
demgegenüber das Management als aufgabenorientiert beschrieben wird. Die wohl heraus-
23
Vgl. Feddersen, D. / Hommelhoff, P. / Schneider, U. H. (1996), S. 1.
24
,,Wer zu wenig zitiert, erregt den Verdacht, Originalität vortäuschen zu wollen. Wer zu viel zitiert, erregt den
Verdacht, mit Belesenheit vortäuschen zu wollen." Vgl. Kliemann, H. (1973), S. 144. In der vorliegenden Arbeit ist
versucht worden, den goldenen Mittelweg zu finden.
25
Macht wird definiert als ,,jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Wider-
streben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht". Vgl. Weber, M. (1984), S. 89.
26
Vgl. o. V. (2000), S. 289.
6

ragendste Aufgabe der Corporate Governance ist es, sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen
Führung und Kontrolle im Board of Directors oder Vorstands-/Aufsichtsratsmodell auseinander
zu setzen; die des Managements, sich dem operativen Tagesgeschäft zu widmen.
27
Die Initialzündung für das Phänomen Corporate Governance kam von Adam Smith, der in
seinem Buch ,,The Wealth of Nations" bereits 1776 schrieb: ,,The directors of companies, being
managers of other people's money than their own, it cannot well be expected that they should
watch over with the same anxious vigilance with which the partners in a private copartnery
frequently watch over their own".
28
Vor diesem Hintergrund lieferten Berle und Means in ihrem Buch ,,The Modern Corporation
and Private Property" im Jahre 1932 den Ausgangspunkt für die Lehre der (amerikanischen)
Unternehmensverfassung. Sie definieren die moderne Aktiengesellschaft als ein Konstrukt, das
vornehmlich durch die Trennung von Eigentum und Kontrolle gekennzeichnet ist. Gerade
wegen dieser Separation argumentieren sie für den Schutz der passiven
29
Aktionäre mittels
Gesetz.
30
Die besondere Berücksichtigung der Aktionäre, neusprachlich auch Shareholder
genannt, hat im anglo-amerikanischen Raum seitdem einen sehr hohen Stellenwert.
In den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts legte Eisenberg in den Vereinigten Staaten den
Grundstein für die unternehmerische Verpflichtung des Board, das Management zu überwachen.
Schon damals forderte er die Etablierung von Komitees zur Unterstützung des Board, die aus-
schließlich aus unabhängigen Direktoren bestehen sollten.
31
Aber auch erste Schritte in Richtung
Konvergenzbemühungen wurden deutlich. So fokussierten Conard und Vagts die amerikanische
Aufmerksamkeit auf das deutsche Trennungsmodell als eine institutionelle Alternative.
32
Die 80er Jahre setzten signifikante Meilensteine. Mindestens 5 Entwicklungsströme wurden dafür
verantwortlich gemacht, dass das Thema Corporate Governance in den Vordergrund des
internationalen Unternehmensinteresses gerückt ist. Zum einen war es der starke Rückfall der
US-amerikanischen Unternehmen hinter die japanischen und deutschen Konkurrenten Mitte der
80er Jahre. Man fragte sich, ob diese Ereignisse in gewisser Weise als eine Konsequenz angesehen
werden konnten, wie Unternehmen geführt und kontrolliert werden sollten. Zum anderen
27
Vgl. Cochran, P. L. / Wartick, S. L. (1994), S. 10-11, Tricker, R. I. (1994), S. 44.
28
Vgl. o. V. (2000), S. 289.
29
Aufgrund des hohen Streubesitzes der Aktien ist es den Aktionären nur schwer möglich ihrer einzelnen Stimme
Ausdruck zu verleihen. Sie verhalten sich angesichts dieser Tatsache eher untätig.
30
Vgl. Rock, E. B. (1995), S. 291.
31
Vgl. Rock, E. B. (1995), S. 292.
32
Vgl. Rock, E. B. (1995), S. 293.
7

etablierte sich der Finanzmarkt als ,,Markt für Unternehmenskontrolle"
33
im Zuge der Takeover-
Ära
34
. Als dritter Auslöser für eine Auseinandersetzung mit der Thematik wird das immense
Ansteigen der Managergehälter angesehen. Aber auch der kontinuierliche Prozess der
Restrukturierung, der Board-Fluktuation und dessen optimale Besetzung der meisten großen
amerikanischen Konzerne trug seinen Teil dazu bei. Die Diskussion wurde nicht zuletzt auch
vom dramatischen Niedergang der sozialistischen Staaten Osteuropas und der ehemaligen
Sowjetunion heraufbeschworen.
35
Die 90er Jahre sind durch das Aufkommen institutioneller Anleger und Kodizes gekennzeichnet.
,,Californian Public Employees' Retirement System" (CalPERS) ­ der größte Pensionfonds der
USA ­ bemühte sich als einer der ersten, globale Prinzipien für eine Corporate Governance
aufzustellen, die die Unternehmen im Portefeuille erfüllen müssten. Aber auch außerhalb der
USA machte man sich zunehmend Gedanken über Kodizes, die ein Maßstab für Corporate
Governance sein sollten. Als einer der bekanntesten ist der Cadbury Report (1992) in
Großbritannien zu nennen, der die Betonung auf unabhängige Direktoren und Komitees legte.
36
Zahlreiche andere Staaten formulierten eigene Ansätze, wie der Vienót Report in Frankreich, der
Peters Report in den Niederlanden, der German Code of Corporate Governance in Deutschland,
der Interim Report der japanischen Corporate Governance-Prinzipien und der amerikanische des
Business Round Table sowie die der OECD und viele mehr.
37
In den letzten Jahren beschäftigt sich Roe's ,,Neuer Komparatismus" mit den verschiedenen
länderspezifischen Ausgestaltungen im Bereich der Corporate Governance und deren Effektivität
speziell für die Vereinigten Staaten. Indem er gegebene Systeme in Frage stellt und sie
miteinander vergleicht, versucht er bessere Formen aufzudecken. Roe will das amerikanische
Staatenrecht reformiert wissen, um unterschiedlichen Strukturen der Corporate Governance Platz
für deren Entfaltung zu bieten. Neben diesen rein rechtlichen Fragestellungen stehen im
33
Durch die Androhung eines sofortigen Ressourcenentzugs kann ein Fehlverhalten der Manager möglicherweise
schon im Ansatz verhindert werden. Mit dieser Exit-Drohung der Anteilseigner in der Kapitalmarktsphäre ist
eine Exit-Drohung in der Arbeitsmarktsphäre der Manager verbunden. Auf der anderen Seite besteht die
Aussicht, mittels ,,voice" seinem Unmut durch Konfrontation mit den Managern kund zu tun und Veränderungen
anzuregen. Die Unterscheidung von möglichen Handlungsalternativen der Aktionäre geht auf Hirschman, A. O.
(1970) zurück. Die verschiedenen Kontrollphilosophien ,,Exit, Voice and Loyality" prägen als Ausdruck
differierender nationaler Wertsysteme die Organisationsverfassungen.
Vgl. Heine, K. / Stieglitz, N. (2001), S. 13-21.
34
Die Ernennung von W. Baxter zum Leiter der Antitrust-Abteilung der Justizbehörde in den USA führte dazu,
dass die bis dato verbotenen horizontalen Zusammenschlüsse von Unternehmen nun vollständig legal waren.
Vgl. Rock, E. B. (1995), S. 293.
35
Vgl. Blair, M. M. (1995), S. 6-11.
36
Vgl. o. V. (2000), S. 292.
37
Eine Gesamtübersicht diesbezüglicher Reports in Europa, Amerika, Asien und internationalen Bemühungen,
findet sich bei European Corporate Governance Institute (2002). Ebenso kann dort eine vergleichende Analyse
der unterschiedlichen Kodizes nachgelesen werden.
8

Zentrum der von Buxbaum aufgestellten ,,Komparativen Legitimationsthese" die institutionellen
Investoren. Kernaspekte sind für ihn das Trennungsmodell, das einen systematischen Input
durch institutionelle Investoren gewährleistet, und die Mitbestimmung, durch die das
angespannte Zusammenspiel von Arbeit und Kapital abgeschwächt werden kann.
38
Heute hat sich Corporate Governance zu einer eigenständigen Forschungsrichtung etabliert. Das
Interesse wächst mit den jeweiligen länderspezifischen Vorkommnissen und Unzufriedenheiten
in den Führungsstrukturen jeden Tag mehr. So überrascht es wenig, dass aufgrund dessen eine
weltumspannende Diskussion rund um das Thema entbrannt ist, die in regelmäßigen
Zeitabständen erneut ,,aufgekocht" wird.
39
Gerade der Trend, sich mit den länder-
charakteristischen Ausgestaltungen der Corporate Governance auseinander zu setzen, hat das
Interesse an einer ,,Comparative Corporate Governance" gefördert. Verstärkt wird dies durch
internationale Kapitalverflechtungen, die zunehmende Globalisierung des Wettbewerbs oder die
Integrationsbemühungen in Europa.
40
Aufbauend auf diesen vergleichenden Studien hat sich der
wissenschaftliche Diskurs zunehmend mit einer möglichen Konvergenz
41
internationaler
Corporate Governance beschäftigt. Es wird versucht aufzuzeigen, inwiefern die verschiedenen
Corporate Governance-Systeme sich hinneigen, sich annähern beziehungsweise in einem oder
mehreren Punkt(en) zusammenlaufen.
42
Im folgenden wird speziell auf die Globalisierung der
Produkt- und Absatzmärkte, das Zusammenwachsen der Finanzmärkte und der allgemein
ansteigenden Institutionalisierung der Märkte als Ursachen für eine mögliche Konvergenz
eingegangen.
38
Vgl. Rock, E. B. (1995), S. 295-298.
39
Vgl. Feddersen, D. / Hommelhoff, P. / Schneider, U. H. (1996), S. 6.
40
Vgl. Gerum, E. (1998), S. 136.
41
Der Begriff Konvergenz ist auf das lateinische Verb ,,convergere" zurückzuführen.
42
Vgl. Zapp, W. (1985), S. 8.
9

3. U
RSACHEN FÜR EINE MÖGLICHE
K
ONVERGENZ INTERNATIONALER
C
ORPORATE
G
OVERNANCE
3.1. Globalisierung der Produkt- und Absatzmärkte
Es wird allgemein angenommen, dass die Globalisierung
43
im Bereich der Produktion, der Finanz
und des Handels der Grund ist, warum die Wirtschaftsstaaten hinsichtlich ihrer Entwicklung
konvergieren und die Institutionen eine formale Konvergenz erleben.
44
Globalisierung wird
assoziiert mit einem Ansteigen des länderübergreifenden Verkehrs von Gütern, Dienstleistungen,
Geld, Personen, Informationen und Kulturen. Strittige Meinung unter den Wissenschaftlern
besteht jedoch, ob dies wirklich eine Ursache oder gar eine Antriebskraft für die Globalisierung
ist.
45
Die Ausweitung der Märkte ­ induziert durch zahlreiche länderübergreifende Firmenin-
vestitionen und -finanzierungen
46
­ führt dazu, dass die Unternehmen neuen Einflüssen be-
gegnen und sich dementsprechend verändern. Eine stärkere gegenseitige Wahrnehmung und
Beeinflussung muss aber nicht unbedingt eine vollständige Angleichung implizieren.
47
Multinationale Unternehmen (MNUs) sehen die Globalisierung als ein Mittel, die gesetzten Ziele
durch das Schaffen oder Erhalten eines Wettbewerbsvorteils zu erreichen.
48
Durch ihre
Investitionen tragen sie wesentlich zum Zusammenwachsen der Märkte bei. Die Anzahl der
Direktinvestitionen deutscher Unternehmen ist von 1980 bis 1996 um fast das Doppelte
gestiegen. Deren Umsatz nahm um mehr als das Dreifache zu, und die Zahl der dort
Beschäftigten stieg um ca. 60%.
49
Ebenso darf die Bedeutung von Unternehmensverflechtungen
50
nicht außer Acht gelassen werden.
Die Globalisierung der Märkte hat als Korrektiv essentielle Auswirkungen auf Organisations-
strukturen und Strategien.
51
Aber Rahmenbedingungen, die im Heimatland adäquat sind, müssen
nicht unbedingt auf internationale Transaktionen übertragbar sein. Es ist bewiesen, dass Firmen
43
Eine zeitliche Abgrenzung der Globalisierung vorzunehmen ist schwierig. Die Spanne reicht von der ersten
Erdumkreisung, dem Aufstieg Europas im 16. Jhd., dem 20. Jhd. allgemein, der Zeit nach dem 2. Weltkrieg, der
Ölkrise Anfang der 70er Jahre, dem Aufstieg von Thatcher und Reagan oder gar dem Untergang der Sowjetunion
im Jahre 1989. Vgl. Guillen, M. (1999), S. 8.
44
Vgl. Bratton, W. W. / McCahery, J. A. (1999), S. 233.
45
Vgl. Guillen, M. F. (2001), S. 5.
46
Als Erklärungsansätze von Auslandsaktivitäten dienen die Theorien des internationalen Handels, die Theorien der
Direktinvestition im Ausland und die Theorien der Internationalisierung bei gleichzeitiger Berücksichtigung
verschiedener Markteintrittsstrategien. Vgl. Decker, R. / Wagner, R. (2000), S. 54-93.
47
Vgl. Guillen, M. F. (2001), S. 6.
48
Vgl. Hamilton, L. / Cockerill, S. (1994), S. 290.
49
Vgl. Matthes, J. (2000), S. 41.
50
Für ergänzende Literatur siehe Beyer, J. (1996), S. 79-101.
51
Vgl. Roe, M. J. (1994), S. 27.
10

verschiedene Organisationsformen ­ zugeschnitten auf die jeweiligen institutionellen und
sozialen Strukturen ihres Heimatlandes ­ adaptieren, wenn Globalisierungstendenzen stärker
sichtbar werden.
52
,,Die klassischen Grenzen der Unternehmen beginnen zu verschwimmen, sich
nach innen wie nach außen zu verändern, teilweise auch aufzulösen. An die Stelle von tief
gestaffelten Unternehmenshierarchien, die primär nach Befehl und Gehorsam funktionieren,
treten zunehmend dezentrale, modular zerlegte Gebilde, die von Autonomie, Kooperation und
indirekter Führung geprägt sind".
53
Und tatsächlich ist es so, dass die Globalisierung dazu
ermutigt, unterschiedliche wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen und verschiedene
Organisationsformen zu wählen.
54
Staaten versuchen ihren eigenen individuellen Platz in der
globalen Wirtschaft zu finden und sich von anderen abzugrenzen, wobei die Pfadabhängigkeit
55
als wesentlicher Hemmfaktor für Konvergenzaspekte gilt.
In der Literatur ist es unbestritten, dass sich die Corporate Governance-Systeme in den 90er
Jahren als Reaktion auf die Globalisierung verändert haben. Dieses Faktum wird durch das
weltweite Operieren multinationaler Unternehmen auf den gemeinsamen Produkt-, Arbeits- und
Kapitalmärkten verschärft. Giuseppe Vita, ehemaliger Vorstandschef des Berliner Pharma-
konzerns Schering (1989-2001), formuliert es treffend: ,,Unternehmen, die sich nicht rechtzeitig
international ausrichten, laufen eher Gefahr, keine Rolle mehr zu spielen".
56
Diese internationale
Orientierung muss neben erfolgversprechenden Marktstrategien effiziente innere Strukturen
beinhalten, denn die Corporate Governance eines Unternehmens ist erfolgsrelevant. Der
derzeitig sich vollziehende Wandel ist theoretisch das Ergebnis eines Systemwettbewerbs, der im
Wesentlichen durch einen Standortwechsel von Unternehmen im Wettbewerb um effiziente
Corporate Governance-Systeme charakterisiert ist.
57
Dabei können drei Endformen resultieren:
die Dominanz eines Systems, die Konvergenz der Systeme oder der Fortbestand verschiedener,
gleichwertiger Systeme.
52
Vgl. Guillen, M. (1999), S. 9.
53
Vgl. Picot, A. / Reichwald, R. / Wigand, R. T. (1996), S. 2.
54
Vgl. Guillen, M. F. (2001), S. 21.
55
Die Abhängigkeit eines Landes von historischen Gegebenheiten steht im Vordergrund der Pfadabhängigkeit.
Lokale Gewohnheiten und Traditionen sind es, die Staaten voneinander unterscheiden. Diese Eigentümlichkeiten
sind nach der Theorie der Pfadabhängigkeit dafür verantwortlich, dass die wirtschaftliche Entwicklung eines
Landes in eine bestimmte Richtung (Pfad) verläuft, und nicht anders. Die verschiedenen Corporate Governance-
Ausgestaltungen unterscheiden sich somit als ein Resultat von abweichenden Ideologien, Historien, politischen
Einstellungen und sozialen, wirtschaftlichen und anderen Faktoren. Der interessierte Leser findet in Clark, G. L. /
Tracey, P. / Lawton Smith, H. (2001), S. 3-6 und Heine, K. / Kerber, W. (2002), S. 53-54 weitere Informationen.
Die Entwicklung verschiedener Corporate Governance-Systeme durch Pfadabhängigkeit wird in Bebchuk, L. /
Roe, M. (1999) intensiviert.
56
Vgl. o. V. (2002), S. 33.
57
Vgl. Witt, P. (2000), S. 162.
11

Dass die Globalisierung eine Annäherung forcieren wird bzw. dies bereits getan hat, wird von
vielen konstatiert.
58
So hat sie zur Übernahme von einheitlichen Corporate Governance-
Standards geführt, deren konsequentes internationales Engagement jedoch noch zu wenig
offensichtlich ist. Eine Konvergenz zu unterschiedlichen, aber gleich effizienten Corporate
Governance-Systemen, die durch die Globalisierung induzierte Schocks besser bewältigen
können, scheint präsent zu sein.
59
3.2. Zusammenwachsen der Finanzmärkte
Den ausschlaggebenden Grund für das Zusammenwachsen der Finanzmärkte auf der ganzen
Welt gab sicherlich das Aufgeben des Bretton-Woods-Systems
60
und Übergehen zu festen
Wechselkursen. Zahlreiche Deregulierungsmaßnahmen im Bereich des Kapitalverkehrs ­ vor
allem innerhalb der EU aber auch über dessen Grenzen hinweg ­ haben es möglich gemacht,
dass Finanzmittel leichter transferiert werden können. Vor allem länderübergreifende Fusionen
und Übernahmen sind es, die zu einer ansteigenden Bedeutung internationaler Finanzmärkte
beitragen.
61
Speziell in Deutschland ermöglicht das ,,Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz"
(KaPAEG), durch den Zugang zu internationalen Kapitalmärkten, die Stärkung der
Wettbewerbsposition von Unternehmen.
62
Vergleicht man die Zahlen der Marktkapitalisierung
63
in Großbritannien (1975: 37%; 1996: 142%) und in den USA (1975: 48%; 1996: 114%) mit denen
in Deutschland (1975: 12%; 1996: 28%), so wird trotz des großen Unterschiedes eines sichtbar ­
Deutschland neigt sich, wenn auch sehr langsam, einer Aktionärskultur hin.
64
Deutsche
58
Vgl. Khanna, T. (2001), S. 25-26.
59
Vgl. Heine, K. / Stieglitz, N. (2001), S. 33.
60
Das Bretton-Woods-Abkommen von 1944 zeichnete sich durch feste Wechselkurse und Hilfsmaßnahmen für
Länder, die in Zahlungsbilanzschwierigkeiten gerieten, aus. Im Rahmen der Vereinbarungen diente der Dollar
quasi als Weltwährung, was den USA gegenüber den anderen kapitalistischen Mächte große Vorteile
einbrachte. Diese Vorteile wurden, zumindest theoretisch, durch die Regelung beschränkt, dass der Dollar zum
Kurs von 35 Dollar pro Feinunze in Gold eingetauscht werden konnte. So lange die Masse von US-Dollars,
die überall auf der Welt zirkulierten, durch in den USA gelagertes Gold gedeckt waren, konnte das System weiter
funktionieren. Aber die Expansion der internationalen Wirtschaft selbst führte zu einer erhöhten Nachfrage nach
internationaler Liquidität in Form amerikanischer Dollars. So wurde das Verhältnis zwischen Gold und Dollar um
so hinfälliger, je mehr sich die Weltwirtschaft ausdehnte. Die Geschichte des Zusammenbruchs (US-Präsident
Nixon hob 1971 die Golddeckung des Dollars auf) umfasst zwei zusammenhängende Entwicklungen - die
Entstehung eines globalen Produktions- und Finanzsystems und den relativen Niedergang der USA im Rahmen
der Bretton-Woods-Ordnung, die zu einem neuen, auf freier Kapitalbewegung beruhendem Regime über-
wechselten, um ihre globale Vormachtstellung zu verteidigen. Nachzulesen ist dies bei Beams, N. (2001).
61
Vgl. Matthes, J. (2000), S. 29-30.
62
Vgl. Schmidt, R. H. / Grohs, S. (1999), S. 18.
63
Die Marktkapitalisierung spiegelt den aktuellen Börsenwert einer börsennotierten Unternehmung wider. Diese
Maßzahl ergibt sich aus der Anzahl der an einer Börse gehandelten Aktien, multipliziert mit den jeweiligen
Kursen. Nachzulesen ist dies unter http://www.boersenlexikon.de/marktkap.htm.
64
Vgl. Nestor, S. / Thompson, J. K. (1999), S. 8.
12

Unternehmen erkennen zunehmend den Nutzen des Aktienmarktes, und in der deutschen
Bevölkerung schleicht sich ein gewisses Maß an Aktionärsbewusstsein ein,
65
wodurch auch die
Marktkapitalisierung im Jahre 1999 rasant anstieg. Globale Finanzmärkte sind eine Triebfeder bei
der Konvergenz von Corporate Governance-Systemen. Der Druck, sich an die Erfordernisse der
globalen Finanzmärkte anzupassen, wird in allen Wirtschaftssysteme und Gesellschaften zu-
nehmen.
66
Das Zusammenwachsen der Finanzmärkte bedarf aber auch einem stärkeren Gewicht in der
Kontrolle von Unternehmen. Da die Kapitalmärkte sich immer mehr verflechten und sensibler
gegenüber Eingriffen reagieren, ist es umso wichtiger, eine interne organisatorische Kontroll-
instanz zu haben, die als Gegengewicht zu den Umwelteinflüssen eine effizientere Überwachung
und eine sichere Basis des Unternehmens garantiert.
67
Erbrachte Fehlleistungen lassen sich
aufgrund der offeneren Transparenz der Globalisierung nicht mehr unauffällig verkraften. In
Kontinentaleuropa und auch in den anglo-amerikanischen Ländern werden deshalb verstärkt
Überlegungen angestellt, eine effizientere Unternehmensüberwachung zu gewährleisten.
Eine weitere Auswirkung, die aufgrund zusammenwachsender Finanzmärkte ihren Ursprung hat,
ist der durch die Wertpapierbörsen induzierte Paradigmenwechsel in Richtung international
anerkannter Rechnungslegungsstandards. Deren Akzeptanz hängt eng mit einer Zulassung von
Aktien zum freien Handel an der Börse zusammen. Als Bindeglied zwischen den nationalen
Wertpapierhandels-Aufsichtsbehörden agiert die ,,International Organization of Securities
Commissions" (IOSCO) als weltweiter Zusammenschluss der Börsenaufsichtsstellen, deren
berühmtestes Mitglied die ,,Securities and Exchange Commission" (SEC)
68
ist. Die IOSCO hat
sich 2000 dafür ausgesprochen, die ,,International Accounting Standards" (IAS)
69
(zukünftig als
,,International Financial Reporting Standards", IFRS, bezeichnet) als Basis für die Zulassung an
den Börsen zu fordern, um ein international einheitlicheres Bild zu schaffen. Dadurch hat die
extrem ablehnende Haltung der SEC gegenüber anderen Standards außer den ,,US Generally
Accepted Accounting Principles" (US-GAAP)
70
zumindest dazu geführt, dass andere
65
Vgl. Matthes, J. (2000), S. 32.
66
Vgl. OECD (1995), S. 119.
67
Vgl. Wenger, E. (1996), S. 175.
68
Die SEC wurde 1934 vom US-amerikanischen Kongress, dem sie direkt unterstellt ist, als unabhängige
Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde gegründet. Zur Durchführung der ihr übertragenen Überwachungs-
aufgaben wurde die SEC mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet, wobei sie auch ermächtigt wurde, Grund-
sätze und Richtlinien bezüglich der Form und des Inhaltes der bei ihr einzureichenden Jahresabschlüsse zu be-
stimmen.
69
IAS steht für ,,International Accounting Standards", die internationale Bilanzierungsregeln für die Konzern-
rechnungslegung darstellen.
70
Die US-GAAP ist die US-amerikanische Richtlinie für Konzernrechnungslegung. Anhand wirtschaftlicher,
politischer und kultureller Faktoren legt die GAAP den Jahresabschluss eines Unternehmens dar.
13

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832457297
ISBN (Paperback)
9783838657295
DOI
10.3239/9783832457297
Dateigröße
758 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Bielefeld – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2002 (August)
Note
1,0
Schlagworte
sharholder value führung comparative corporate governance unternehmensverfassung interessenvertretung
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Titel: Konvergenz internationaler "Corporate Governance"?
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