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Lebensqualität, Religiosität und Lebenssinn bei Angehörigen von palliativ behandelten Tumorpatienten

©2002 Diplomarbeit 138 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In den letzten Jahren ist dem Konzept „Lebensqualität von Patienten“ sowohl von seiten der Medizin als auch der Psychologie immer mehr Aufmerksamkeit zuteil geworden, da bei der Behandlung schwerstkranker Patienten bei der Wahl geeigneter Behandlungsschritte nicht mehr allein die Überlebenszeit das entscheidende Kriterium sein sollte. So scheint es wichtiger, dass Patienten im terminalen Stadium einer Tumorerkrankung über ein möglichst hohes Maß an Lebensqualität verfügen. Dieses Ziel verfolgt die Palliativmedizin.
Aber nicht nur die Patienten selbst, sondern auch ihre Familienmitglieder sind von der Tumorerkrankung stark beeinträchtigt. Obwohl somit auch die Situation der Angehörigen von palliativ behandelten Tumorpatienten besondere Aufmerksamkeit verdient, wurde deren Lebensqualität als Forschungsinhalt bis heute stark vernachlässigt.
Ziel dieser Studie war es deshalb, die Lebensqualität speziell bei Angehörigen von palliativ behandelten Tumorpatienten deskriptiv zu beschreiben und durch bereichsspezifische Korrelate die Faktoren aus dem Bereich der Angehörigen als auch der Patienten auszumachen, die den größten Einfluss auf die Lebensqualität der Angehörigen haben. Zudem sollten Prädiktoren aus dem Bereich der Angehörigen sowie der Patienten ermittelt werden, aus denen sich die Lebensqualität der Angehörigen am besten vorhersagen lässt. Ein besonderer Augenmerk sollte dabei immer auf die Religiosität und den Lebenssinn gerichtet werden.
Hierzu wurde mittels eines Fragebogens die Lebensqualität, die Religiosität sowie der Lebenssinn von 60 Patienten, die sich zum Zeitpunkt der Datenerhebung alle im Krankenhaus befanden, sowie von jeweils einem nahestehenden Angehörigen dieser Patienten untersucht. Dabei konnte festgestellt werden, dass bei den Angehörigen enge Zusammenhänge zwischen der allgemeinen Lebensqualität, dem seelischen sowie dem körperlichen Befinden bestehen.
Zusammenfassung:
Insgesamt fühlten sich die Angehörigen durch die Erkrankung des Patienten stark belastet. Emotional waren sie sogar stärker belastet als die Patienten selbst. Dies verdeutlicht, dass auch für Angehörige von palliativ behandelten Tumorpatienten eine Verarbeitung der Erkrankung des Patienten notwendig wird.
Ein hohes Maß an Genuss- und Entspannungsfähigkeit trug zu einer positiven Bewertung der allgemeinen Lebensqualität bei. Hingegen führten vor allem Angst und Niedergeschlagenheit zu einer schlechten Bewertung des seelischen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 5512
Nitschke, Arndt: Lebensqualität, Religiosität und Lebenssinn bei Angehörigen von palliativ
behandelten Tumorpatienten / Arndt Nitschke -
Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Regensburg, Universität, Diplomarbeit, 2002
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

3
,,Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang,
nur vor dem Tode derer,
die mir nah sind.
Wie soll ich leben,
wenn sie nicht mehr da sind?
Allein im Nebel tast ich todentlang
und laß mich willig in das Dunkel treiben.
Das Gehen schmerzt nicht halb so,
wie das Bleiben.
Der weiß es wohl, dem gleiches widerfuhr.
Und die es trugen, mögen mir vergeben.
Bedenkt: Den eig'nen Tod,
den stirbt man nur,
doch mit dem Tod der and'ren
muß man leben."
(Mascha Kaleko)

4
Vorwort
Zuerst möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. A. Vukovich bedanken, der mir die Durchführung
dieser Untersuchung an seinem Lehrstuhl für Allgemeine und Klinische Psychologie
ermöglicht hat.
Mein herzlicher Dank gilt vor allem Frau Dr. phil. E. Buttenhauser, die mich während der
Entstehungszeit dieser Arbeit durch viele wertvolle Ratschläge unterstützt hat und bei der ich
für anstehende Probleme stets ein offenes Ohr fand.
Auch Herrn Prof. Dr. med. E.-D. Kreuser, Chefarzt der Klinik für Internistische Onkologie und
Hämatologie am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Regensburg, möchte ich für
seine Zustimmung zur Datenerhebung danken. Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. med.
Ch. Fuchs, der mir bei der Aquisitation der Angehörigen stets hilfreich zur Seite stand.
Meinen Kommilitoninnen Sabine Riester und Dubravka Hoffmann möchte ich für die gute
kollegiale Zusammenarbeit bei der Datenerhebung danken.
Bedanken möchte ich mich außerdem bei Herrn Dr. phil. habil. T. Pfeiffer für seine
Ratschläge zur statistischen Vorgehensweise in dieser Studie.
Meinen Freunden Martin Gründl und Melanie Knijff möchte ich danken. Martin für seine
Unterstützung bei technischen Problemen am Computer und Melanie für das Korrekturlesen
dieser Arbeit.
Meiner Familie, insbesondere meiner Mutter, gilt mein Dank für ihre ideelle und finanzielle
Unterstützung, die diese Arbeit erst ermöglicht hat.
Bei Detlef Roloff, Fachkrankenpfleger für Intensivmedizin am Universitäts-Klinikum
Großhadern in München möchte ich mich für die Weitergabe seiner Erfahrungen im Umgang
mit Sterbenden und deren Angehörigen bedanken.
Nicht zuletzt möchte ich natürlich auch allen Angehörigen meinen Dank aussprechen, die
sich trotz ihrer belastenden Situation bereit erklärt haben, an der vorliegenden Untersuchung
teilzunehmen.

5
Zusammenfassung
In den letzten Jahren ist dem Konzept ,,Lebensqualität von Patienten" sowohl von seiten der
Medizin als auch der Psychologie immer mehr Aufmerksamkeit zuteil geworden, da bei der
Behandlung schwerstkranker Patienten bei der Wahl geeigneter Behandlungsschritte nicht
mehr allein die Überlebenszeit das entscheidende Kriterium sein sollte. So scheint es
wichtiger, daß Patienten im terminalen Stadium einer Tumorerkrankung über ein möglichst
hohes Maß an Lebensqualität verfügen. Dieses Ziel verfolgt die Palliativmedizin.
Aber nicht nur die Patienten selbst, sondern auch ihre Familienmitglieder sind von der
Tumorerkrankung stark beeinträchtigt. Obwohl somit auch die Situation der Angehörigen von
palliativ behandelten Tumorpatienten besondere Aufmerksamkeit verdient, wurde deren
Lebensqualität als Forschungsinhalt bis heute stark vernachlässigt.
Ziel dieser Studie war es deshalb, die Lebensqualität speziell bei Angehörigen von palliativ
behandelten Tumorpatienten deskriptiv zu beschreiben und durch bereichsspezifische
Korrelate die Faktoren aus dem Bereich der Angehörigen als auch der Patienten
auszumachen, die den größten Einfluß auf die Lebensqualität der Angehörigen haben.
Zudem sollten Prädiktoren aus dem Bereich der Angehörigen sowie der Patienten ermittelt
werden, aus denen sich die Lebensqualität der Angehörigen am besten vorhersagen läßt.
Ein besonderer Augenmerk sollte dabei immer auf die Religiosität und den Lebenssinn
gerichtet werden.
Hierzu wurde mittels eines Fragebogens die Lebensqualität, die Religiosität sowie der
Lebenssinn von 60 Patienten, die sich zum Zeitpunkt der Datenerhebung alle im
Krankenhaus befanden, sowie von jeweils einem nahestehenden Angehörigen dieser
Patienten untersucht. Dabei konnte festgestellt werden, daß bei den Angehörigen enge
Zusammenhänge zwischen der allgemeinen Lebensqualität, dem seelischen sowie dem
körperlichen Befinden bestehen.
Insgesamt fühlten sich die Angehörigen durch die Erkrankung des Patienten stark belastet.
Emotional waren sie sogar stärker belastet als die Patienten selbst. Dies verdeutlicht, daß
auch für Angehörige von palliativ behandelten Tumorpatienten eine Verarbeitung der
Erkrankung des Patienten notwendig wird.
Ein hohes Maß an Genuß- und Entspannungsfähigkeit trug zu einer positiven Bewertung der
allgemeinen Lebensqualität bei. Hingegen führten vor allem Angst und Niedergeschlagenheit
zu einer schlechten Bewertung des seelischen Befindens. Deshalb sollte professionelle
Unterstützung in Gesprächsgruppen speziell für Angehörige von Tumorpatienten oder im
Wege einer Psychotherapie durch geeignete Techniken die Genuß- und
Entspannungsfähigkeit der Angehörigen fördern sowie deren Angst und
Niedergeschlagenheit reduzieren.

6
Weiterhin zeigte sich, daß die Angehörigen alle abgefragten Aspekte der Lebensqualität der
Patienten durchwegs negativer beurteilten als die Patienten selbst. Hohe Korrelationen
zwischen den Selbsteinschätzungen der Angehörigen und ihren Fremdeinschätzungen über
den Patienten und nur geringe Zusammenhänge zwischen den Selbsteinschätzungen der
Angehörigen und den Selbsteinschätzungen der Patienten in diesem Bereich können als
Hinweis darauf verstanden werden, daß sich die Angehörigen durch ihre viel zu negative
Einschätzung der Situation des Patienten zusätzlich belastet fühlen. Hierzu wären allerdings
noch weitere Untersuchungen notwendig.
Für viele Angehörige spielte ihre Religiosität eine wichtige Rolle. So mag in Zukunft daran
gedacht werden, das spirituelle Angebot im Krankenhaus den Angehörigen besser
zugänglich zu machen. Zudem führte eine hohe innere Sinnerfüllung zu einer besseren
Bewertung des seelischen und des körperlichen Befindens. Da außerdem die vermehrte
Anwendung der Copingstrategie Religiosität und Sinnsuche zur Verarbeitung der Erkrankung
des Patienten zu einer positiveren Bewertung des seelischen Befindens beiträgt, könnte sich
auch für bestimmte Angehörige eine Logotherapie, die den Menschen im Prozeß der
Sinnfindung sowie bei der Bewältigung von Krankheit und Leid zu unterstützen versucht, als
sehr hilfreich erweisen.

7
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ...4
Zusammenfassung...5
Inhaltsverzeichnis...7
1. Lebensqualität, Religiosität und Sinnerfüllung bei Angehörigen von palliativ
behandelten Tumorpatienten ...12
1.1 Einleitung ...12
1.2 Definition des Konzepts Lebensqualität...13
1.3 Dimensionen der Lebensqualität ...14
1.4 Korrelate der Lebensqualität...16
1.5 Meßmethodische Zugänge ...17
1.5.1 Selbst- versus Fremdeinschätzung...17
1.5.2 Globale versus bereichspezifische Lebensqualität ...17
1.5.3 Handlungsvermögen versus Befinden ...18
1.5.4 Qualitative versus psychometrische Meßverfahren ...18
1.6 Auswirkungen der Tumorerkrankung auf die Lebensqualität der Angehörigen...18
1.6.1 Emotionale Belastungen ...20
1.6.2 Belastungen im Rahmen des Krankenhausaufenthaltes und der Pflege
zuhause...22
1.6.3 Veränderungen im familiären Alltag ...23
1.6.4 Kommunikation und Bedürfnisse ...23
1.6.5 Furcht vor Sterben und Tod des Patienten ...25
1.7 Prädiktoren für die Lebensqualität der Angehörigen von palliativ behandelten
Patienten...26
1.7.1 Merkmale der Erkrankung und der Verarbeitung der Erkrankung durch den
Patienten ...26
1.7.1.1 Stadium der Tumorerkrankung...26
1.7.1.2 Körperliches Befinden des Patienten ...27
1.7.1.3 Dauer der Tumorerkrankung ...27
1.7.1.4 Art der Tumorerkrankung ...27
1.7.2 Merkmale der Angehörigen...27
1.7.2.1 Geschlecht...27
1.7.2.2 Alter ...28
1.7.2.3 Religiosität ...28
1.7.2.4 Weitere soziodemographische Variablen ...28
1.7.2.5 Persönlichkeitsmerkmale...29

8
1.7.3 Soziale Unterstützung der Angehörigen von Tumorpatienten ...29
1.8 Einfluß von Religiosität und Lebenssinn auf die Lebensqualität...29
1.8.1 Religiosität und Lebensqualität ...29
1.8.2 Lebenssinn und Lebensqualität ...31
1.9 Zusammenfassung des theoretischen Hintergrunds und Ableitung der
Fragestellungen ...32
2. Fragestellungen der Untersuchung ...33
3. Methoden ...34
3.1 Erläuterung des Erhebungsdesigns...34
3. 2 Verwendete Meßinstrumente...35
3.2.1 Fragebogens zur Lebenszufriedenheit (FLZ) von Fahrenberg et al. (1986) ...36
3.2.2 Profil der Lebensqualität chronisch Kranker (PLC) von Siegrist et al. (1996) ...37
3.2.3 Numerische Analogskalen ...38
3.2.4 Affektthermometer...38
3.2.5 Freiburger Fragebogen zur Krankheitsverarbeitung (FKV) von Muthny (1989)...38
3.2.6 Logo-Test von Lukas (1986) ...39
3.2.7 Fragen zu Religiosität und Glauben...40
3.2.8 Fragebogen zur Zufriedenheit mit der stationären Versorgung (ZUF) von
Schmidt et al. (1989) ...40
3.2.9 Ergänzende Angaben ...41
3.3 Beschreibung der Stichproben ...42
3.3.1 Patientenstichprobe ...42
3.3.2 Angehörigenstichprobe ...44
4. Ergebnisse ...47
4.1 Deskriptive Anayse der Daten der Angehörigen (Fragestellung A) ...47
4.1.1 Lebensqualität der Angehörigen ...47
4.1.2 Copingstrategien der Angehörigen ...51
4.1.3 Sinnerfüllung und Religiosität der Angehörigen ...53
4.1.4 Zufriedenheit der Angehörigen mit der stationären Versorgung des Patienten ...56
4.2. Unterschiedshypothesen (Fragestellung B)...58
4.2.1 Unterschiede zwischen der Selbsteinschätzung der Patienten und der
Selbsteinschätzung der Angehörigen im Bereich Sinnerfüllung und Religiosität
(Fragestellung B1)...58
4.2.1.1 Unterschiede bei der Quartilsentsprechung des Logo-Tests ...58
4.2.1.2 Unterschiede bezüglich der Häufigkeit des Kirchenbesuchs...59
4.2.1.3 Unterschiede bezüglich der Wichtigkeit des Glaubens in ihrem Leben...60
4.2.1.4 Unterschiede bezüglich der Häufigkeit des Betens ...61
4.2.1.5 Unterschiede bezüglich der Rolle des Glaubens in der momentanen

9
Situation...62
4.2.2 Unterschiede zwischen der Selbsteinschätzung der Patienten der
Selbsteinschätzung der Angehörigen und der Fremdeinschätzung der Angehörigen
über den Patienten im Bereich Lebensqualität (Fragestellung B2)...63
4.2.2.1 Unterschiede bezüglich der allgemeinen Lebensqualität ...63
4.2.2.2 Unterschiede bezüglich des seelischen Befindens ...64
4.2.2.3 Unterschiede bezüglich des körperlichen Befindens...65
4.2.2.4 Unterschiede bezüglich der Niedergeschlagenheit ...67
4.2.2.5 Unterschiede bezüglich der Angst...68
4.2.2.6 Unterschiede bezüglich der Unruhe ...70
4.2.2.7 Unterschiede bezüglich der Hilflosigkeit...71
4.3 Zusammenhangshypothesen (Fragestellung C)...73
4.3.1 Zusammenhänge zwischen den Selbsteinschätzungen der Angehörigen
untereinander (Fragestellung C1) ...73
4.3.1.1 Korrelationen zwischen den drei Globalmaßen der Angehörigen ...73
4.3.1.2 Korrelationen zwischen dem Globalmaß der Lebensqualität der
Angehörigen und den einzelnen Dimensionen ihrer Lebensqualität ...74
4.3.1.3 Zusammenhänge zwischen den einzelnen Dimensionen der
Lebensqualität der Angehörigen untereinander ...75
4.3.1.4 Zusammenhänge zwischen den Globalmaßen der Angehörigen und deren
Copingstrategien ...76
4.3.1.5 Zusammenhänge zwischen den Globalmaßen der Angehörigen und deren
Maßen zur Sinnerfüllung und Religiosität...77
4.3.1.6 Zusammenhänge zwischen den Copingstrategien der Angehörigen und
deren Maßen zur Sinnerfüllung und Religiosität...77
4.3.1.7 Zusammenhänge zwischen den einzelnen Maßen zur Sinnerfüllung und
Religiosität der Angehörigen untereinander ...77
4.3.1.8 Korrelationen der globalen Lebensqualität der Angehörigen mit deren
soziodemographischen bzw. krankheitsspezifischen Daten ...78
4.3.2 Zusammenhänge zwischen den Fremdeinschätzungen der Angehörigen über
den Patienten und den hierzu entsprechenden Selbsteinschätzungen der Patienten
(Fragestellung C2) ...78
4.3.2.1 Zusammenhänge aus dem Bereich Lebensqualität ...78
4.3.2.2 Zusammenhänge aus dem Bereich Sinnerfüllung und Religiosität ...79
4.3.3 Zusammenhänge zwischen den Selbsteinschätzungen der Angehörigen und
den Selbsteinschätzungen der Patienten (Fragestellung C3)...79
4.3.3.1 Zusammenhänge zwischen den Globalmaßen der Angehörigen und den
globalen und bereichsspezifischen Maßen der Lebensqualität des Patienten...79

10
4.3.3.2 Zusammenhang zwischen Patienten und Angehörigen mit der Zufriedenheit
mit der stationären Versorgung der Patienten...79
4.3.4 Zusammenhänge zwischen den Selbsteinschätzungen der Angehörigen und deren
Fremdeinschätzungen über den Patienten (Fragestellung C4) ...79
4.3.4.1 Zusammenhänge zwischen den Globalmaßen der Angehörigen und deren
Fremdeinschätzungen über die globalen und bereichsspezifischen Maße der
Lebensqualität des Patienten ...80
4.3.4.2 Zusammenhänge zwischen den Selbsteinschätzungen der Angehörigen
und deren hierzu entsprechenden Fremdeinschätzungen über den Patienten aus
dem Bereich Lebensqualität ...80
4.3.4.3 Zusammenhänge zwischen den Selbsteinschätzungen der Angehörigen
und deren entsprechenden Fremdeinschätzungen über den Patienten aus dem
Bereich Sinnerfüllung und Religiosität...80
4.4. Ermittlung von Prädiktoren (Fragestellung D)...82
4.4.1 Prädiktoren für die Lebensqualität der Angehörigen (Fragestellung D1) ...82
4.4.1.1 Prädiktoren für die Globalmaße der Angehörigen aus deren
Lebensqualitäts- und Copingdaten...82
4.4.1.2 Prädiktoren für die Globalmaße der Angehörigen aus deren Daten zur
Sinnerfüllung und Religiosität ...85
4.4.1.3 Prädiktoren für die Globalmaße der Angehörigen aus den
Lebensqualitätsdaten der Patienten ...86
4.4.2 Stellen die Fremdeinschätzungen ihrer Angehörigen über die allgemeine
Lebensqualität, das globale seelische Befinden und das globale körperliche Befinden
der Patienten geeignete Prädiktoren für die jeweils entsprechenden
Selbsteinschätzungen der Patienten dar? (Fragestellung D2)...87
5. Diskussion ...89
5.1 Diskussion der deskriptiven Ergebnisse (Fragestellung A) ...89
5.1.1 Diskussion der Ergebnisse aus dem Bereich der Lebensqualität der
Angehörigen...89

11
5.1.2 Diskussion der Ergebnisse aus dem Bereich Copingstrategien der
Angehörigen...90
5.1.3. Diskussion der Ergebnisse zur Sinnerfüllung und Religiosität der Angehörigen ..91
5.1.4 Diskussion der Ergebnisse zur Zufriedenheit der Angehörigen mit der
stationären Versorgung des Patienten...92
5.2 Diskussion der Unterschiedshypothesen (Fragestellung B) ...93
5.2.1 Diskussion der Unterschiede zwischen der Selbsteinschätzung der Patienten
und der Selbsteinschätzung der Angehörigen im Bereich Sinnerfüllung und
Religiosität (Fragestellung B1) ...93
5.2.2 Diskussion der Unterschiede zwischen der Selbsteinschätzung der Patienten,
der Selbsteinschätzung der Angehörigen und der Fremdeinschätzung der
Angehörigen über den Patienten im Bereich Lebensqualität (Fragestellung B2) ...94
5.3 Diskussion der Zusammenhangshypothesen (Fragestellung C) ...97
5.3.1 Zusammenhänge zwischen den Selbsteinschätzungen der Angehörigen
untereinander (Fragestellung C1) ...97
5.3.2 Diskussion der Zusammenhänge zwischen den Fremdeinschätzungen der
Angehörigen und den hierzu entsprechenden Selbsteinschätzungen der Patienten
(Fragestellung C2) ...101
5.3.3 Diskussion der Zusammenhänge zwischen den Globalmaßen der
Angehörigen und den globalen und bereichsspezifischen Maßen der
Lebensqualität der Patienten (Fragestellung C3)...102
5.3.4 Diskussion der Zusammenhänge zwischen den Selbsteinschätzungen der
Angehörigen und deren Fremdeinschätzungen über den Patienten
(Fragestellung C4) ...102
5.4 Diskussion der ermittelten Prädiktoren (Fragestellung D) ...103
5.4.1 Diskussion der Prädiktoren für die Lebensqualität der Angehörigen von
palliativ behandelten Tumorpatienten (Fragestellung D1) ...103
5.4.2 Diskussion der Prädiktoren aus den Fremdeinschätzungen der Angehörigen
über die Lebensqualität des Patienten für die jeweils entsprechenden
Selbsteinschätzungen der Patienten über ihre Lebensqualität (Fragestellung D2) ...106
6. Zusammenfassende Betrachtung der Ergebnisse und Ausblick...106
Literaturverzeichnis ...109
Anhang: Fragebogen...114

12
1. Lebensqualität, Religiosität und Sinnerfüllung bei
Angehörigen von palliativ behandelten Tumorpatienten
1.1 Einleitung
Noch immer hat die Diagnose ,,Krebs" nichts von ihrem Schrecken verloren. Häufig wird sie
trotz heute vielfältiger Behandlungsmöglichkeiten mit einem Todesurteil gleichgesetzt. Für
den Betroffenen stellt eine Tumorerkrankung unbestritten eine existentielle Krise dar.
Die Behandlung von Tumorerkrankungen erfolgt nach unterschiedlicher Zielsetzung: Die
kurative Therapie strebt bei prinzipiell heilbaren Tumorerkrankungen die vollständige Heilung
der Grunderkrankung an (Strebel, 1997). Hierzu unterstützend kann die adjuvante
Vorgehensweise mit dem Ziel eingesetzt werden, das Auftreten eines Rezidivs zu
verhindern, indem versucht wird, nach einer Operation die eventuell noch vorhandenen
Mikrometastasen mittels Chemotherapie und Bestrahlung zu vernichten (Strebel, 1997). Im
Stadium der palliativen Behandlung hingegen kann der Tod des Patienten aufgrund der
Fortgeschrittenheit der Erkrankung, meist Metastasenbildung, nicht mehr abgewendet oder
wesentlich hinausgezögert werden. Deshalb ist hier nicht Heilung die Zielsetzung, sondern
die Linderung der momentanen Beschwerden des Patienten (Buttenhauser, 1998).
Gerade für die Lebensqualitätsforschung stellt die palliative Therapie ein interessantes
Forschungsgebiet dar, sollte doch hier die Lebensqualität im Mittelpunkt aller Bemühungen
stehen und einziger Maßstab der Behandlung sein.
Im Gegensatz zu der bisherigen Hauptrichtung psychoonkologischen Forschungsinteresses
konzentriert sich diese Arbeit nicht auf die palliativ behandelten Tumorpatientenen selbst,
sondern befaßt sich vielmehr mit der Lebensqualität, Religiosität und Sinnerfüllung ihrer
Angehörigen.
Um mit seinen Ängsten, seinem veränderten Körperbild, seinen Beschwerden, seinen
beruflichen und sozialen Belastungen sowie mit den Behandlungsanforderungen konstruktiv
umgehen zu können, braucht der Krebskranke soziale Unterstützung. Hierbei sind es neben
den Kollegen oder dem Arzt vor allem seine Angehörigen, insbesondere sein Partner, die
ihm diese geben können (Aulbert, 1993b). Demnach ist es kaum verwunderlich, daß die
Angehörigen in hohem Maß das seelische Wohlbefinden des Patienten beeinflussen (Ferring
et al., 1994).
Eine Studie von Goodwin et al. (1987) zeigte, daß es bei ledigen Krebspatienten insgesamt
zu einer späteren Diagnosefeststellung kam. Auch wurden bei den Ledigen häufiger die
Krankheit nicht richtig behandelt. Deshalb ergab sich für ledige Krebspatienten eine
insgesamt geringere Lebenserwartung als für verheiratete.

13
Nach Raid und Lederberg (zit. n. Buttenhauser, 1998, S. 69) werden fünf verschiedene
Kategorien der familiären Unterstützung unterschieden:
· Familie als Hort emotionaler Unterstützung und Vermittlung von Zugehörigkeitsgefühl
· Familie als Mitträger von Behandlungsentscheidungen
· Familie als Ort der Pflege und Betreuung der Tumorkranken
· Familie als Träger finanzieller, beruflicher und sozialer Belastungen als Folge der
Erkrankung
· Familie als Garant für Stabilität inmitten von Veränderungen
Alle oben genannten Punkte unterstreichen die Bedeutung der familiären Unterstützung für
den Tumorkranken. Aus diesem Grund beschäftigt sich diese Studie entgegen dem
bisherigen Hauptaugenmerk psychoonkolgischen Forschungsinteresses nicht mit den
Patienten selbst, sondern untersucht die Lebensqualität, die Religiosität und den Lebenssinn
der für die palliativ behandelten Tumorpatienten so wichtigen Angehörigen.
1.2 Definition des Konzepts Lebensqualität
Seit der Antike beschäftigt sich der Mensch mit Lebensqualität. Bereits Aristoteles (384-322
v. Chr.) sieht Glück als Ziel menschlichen Lebens, wobei er hierbei gesondert auf ein
tugendhaftes Leben hinweist, unter welchem er ein Leben versteht, das in sozialen
Beziehungen gelebt wird und der Wissenschaft und den schönen Künsten gewidmet ist
(Buttenhauser, 1998).
In den angelsächsischen Ländern tauchte dann in den 60er Jahren erstmals der Begriff der
Lebensqualität auf. Seitdem ist ein immer stärker werdendes Interesse in verschiedenen
wissenschaftlichen Disziplinen -vor allem in der Philosophie, Medizin, Soziologie sowie auch
in der Psychologie- festzustellen. So unterschiedlich die wissenschaftlichen Vorgehenswei-
sen dieser Disziplinen sind, so verschiedenartig sind auch die bisherigen Versuche einer
Operationalisierung des Konzepts Lebensqualität. Einigkeit besteht hierbei in Anlehnung an
die Definition der WHO darin, daß es sich bei Lebensqualität um ein mehrdimensionales
Konstrukt handelt (Buttenhauser, 1998). So wird bei Dorsch (1998, S. 488) Lebensqualität
als ein ,,summerisches Bewertungs- und Optimierungskriterium, unter dem beurteilt wird, in
welchem Maße konkrete menschliche Lebensverhältnisse in verschiedenen Detailperspekti-
ven lebenswert bzw. unbefriedigend und verbesserungswürdig erscheinen" verstanden.
Bunzel (1993, S. 54) präzisiert diese Detailperspektiven, indem er Lebensqualität als ,,die
Bewertung des physischen, psychischen und sozialen Zustandes einer Person" beschreibt.
Für Hasenbring und Schulz (1994, S. 179) beinhaltet Lebensqualität ,,das Ausmaß an
subjektiv relevanten Körperbeschwerden, Veränderungen des Körperschemas und
körperlicher Funktionen, die emotionale Befindlichkeit, Veränderungen in den sozialen

14
Beziehungen sowie in der beruflichen Situation". Demnach ist allen derzeitig bedeutsamen
Definitionen des Konzepts Lebensqualität die Betonung einer körperlichen, psychischen und
sozialen Dimension, im Sinne einer subjektiven Bewertung objektiv gegebener Bedingungen
durch den Betroffenen selbst, gemeinsam (Leiberich et al., 1993).
In seiner Beschreibung von Lebensqualität integriert Rupprecht (1993, S. 76) viele
wesentlichen Aspekte, die bisher in den unterschiedlichen Definitionen von Lebensqualität
auftraten: ,,Lebensqualität ist das Ergebnis eines individuellen, multidimensionalen
Bewertungsprozesses der Interaktion zwischen Person und Umwelt. Als Bewertungsmaß-
stäbe können sowohl soziale Normen als auch individuelle Wertvorstellungen und affektive
Faktoren herangezogen werden. Die Bewertung bezieht sich auf die aktuelle Lebenssitua-
tion, auf die Einschätzung der Vergangenheit und auf die Zukunftserwartungen."
In der Zwischenzeit gibt es auch einige Definitionen, die die Lebensqualität von speziellen
Personengruppen, wie beispielsweise von Tumorkranken (vgl. Aulbert, 1993a) zu erfassen
versuchen. Speziell im Bereich der Angehörigen von Tumorkranken ist bisher noch kaum
von Lebensqualität und deren Definition gesprochen worden.
1.3 Dimensionen der Lebensqualität
Wie oben dargestellt, besteht bis heute noch keine einheitliche Definition des Konzepts
Lebensqualität. Es steht allerdings fest, daß es sich hierbei um ein Konstrukt handelt, das
nicht direkt beobachtbar ist und sich aus mehreren einzelnen Dimensionen zusammensetzt.
Uneinigkeit besteht deshalb darin, welche und wie viele Dimensionen zur Operationalisie-
rung dieses Konstrukts nötig sind. Allen heutigen Definitionen gemeinsam ist jedoch die
Betonung einer körperlichen, psychischen und sozialen Dimension, im Sinne einer
subjektiven Bewertung objektiv gegebener Bedingungen durch den Betroffenen selbst
(Leiberich et al., 1993), so daß man hier von einem Minimalkonsens bei der Bewertung der
Lebensqualität ausgehen kann.

15
· Unter die psychische Dimension fällt neben dem allgemeinen Faktoren wie persönliches
Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit auch Selbstwertschätzung, Angst, Depressivität,
Erfolg, Anerkennung und Entspannungsfähigkeit (Buttenhauser, 1998)
· Unter der physischen Dimension werden Faktoren des objektiven und des subjektiven
Gesundheitszustands wie somatische Beschwerden oder körperliche Mobilität und
Vitalität eines Menschen zusammengefaßt (Rupprecht, 1993).
· Die soziale Dimension umfaßt die Quantität und Qualität der Sozialkontakte, die
Unterstützung durch Familie und Freunde sowie das Maß der sozialen Integration
(Buttenhauser, 1998).
Zudem spielt auch die Betrachterperspektive eine Rolle. Hier kann man zwischen objektiv
gegeben versus subjektiv wahrgenommen oder funktionalistisch versus interpretativ
unterscheiden (Leiberich et al., 1993).
Da sich Menschen unter aktuell vergleichbaren Lebensumständen in ihrer Lebensqualität
stark voneinander unterscheiden, ist davon auszugehen, daß in das Konstrukt
Lebensqualität auch die im Leben gesammelten Lebenserfahrungen und länger anhaltende
Grundstimmungen einfließen. So stellt Lebensqualität nicht nur eine Momentaufnahme
psychischer Befindlichkeit dar, wie sie in einer aktuellen, kurzfristig veränderbaren Stimmung
ihren Ausdruck findet, sondern ist auch als mittelfristig stabile Grundstimmung und als
langfristig internalisierte Lebenserfahrung und -orientierung aufzufassen (Leiberich et al.,
1993). Erst in der zeitlichen Dimension gewinnt Lebensqualität ihren lebensgeschichtlichen
Bezug (Leiberich et al., 1993).
Averbeck und Grote-Kusch (1989, zit. n. Leiberich et al., 1993) berücksichtigen deshalb
neben der inhaltlichen Dimensionen auch die Zeit und die Wahrnehmungsqualität als
Komponenten der Lebensqualität und stellen Lebensqualität als einen dreidimensionalen
Raum dar (siehe Abbildung 1.1).

16
Lebensqualität als dreidimensionaler Raum
· Zeit: aktuell, mittel, langfristig
· Inhalt: psychisch, physisch, sozial
· subjektiv-objektiv: funktionalistisch, interpretativ
Abbildung 1.1: Modell der Lebensqualität als dreidimensionaler Raum nach Averbeck und Grote-
Kusch (1989)
1.4 Korrelate der Lebensqualität
Wie eben erläutert, besteht nur ein Minimalkonsens über die verschiedenen Dimensionen
des Konstrukts Lebensqualität. Da bei Studien, die sich mit dem Thema Lebensqualität
beschäftigen, jeweils verschiedene Dimensionen dieses Konstrukts berücksichtigt werden,
ist hier ein Vergleich von Ergebnissen recht schwierig. Dennoch hat man versucht,
weitgehend unabhängig vom Definitionsansatz von Lebensqualität Merkmale zu finden, die
relativ stabil mit diesem Konstrukt korrelieren.
Dabei zeigte sich, daß objektive Merkmale, worunter man eindeutig definierbare Größen wie
soziodemographische Variablen, Gesundheitsvariablen (Invalidität, Schmerzmittelverbrauch)
und sozioökonomische Indices (Bruttosozialprodukt, Arbeitslosigkeit, Unfallraten) versteht,
für sich genommen lediglich die globale Einschätzung von Zufriedenheit und Wohlbefinden
und auch diese nur am Rand erklären (Buttenhauser, 1998).
Insgesamt haben sich dagegen subjektive Merkmale, worunter man insbesondere
Zufriedenheit, Wohlbefinden und Persönlichkeitskonzepte, also Merkmale, die im Gegensatz
zu den objektiven Merkmalen vom Betroffenen individuell gewichtet werden, hier als relativ
stabile Korrelate erwiesen.

17
So konnten Costa und McCrae (1984) signifikante Korrelationen zwischen verschiedenen
Persönlichkeitsmerkmalen und Lebensqualität nachweisen; es ergab sich hier ein positiver
Zusammenhang mit emotionaler Stabilität und Extraversion und ein negativer mit
Neurotizismus. Laut Lehr (1990) stehen auch bestimmte Copingstrategien und zwar
diejenigen, die eine aktives Auseinandersetzen beinhalten, wie Kontaktpflege, Aufgreifen von
Chancen, positive Deutung der Situation und Korrektur der Erwartungen, in einem positiven
Zusammenhang mit der Lebensqualität. Des weiteren wies sich Selbstwertgefühl als einer
der stärksten Prädiktoren für die Lebensqualität aus; hingegen stellen Faktoren wie
Intelligenz kaum brauchbare Korrelate für die Lebensqualität dar (Bernhard, 1992).
Des weiteren weist nach Fahrenberg et al. (1986) auch die Lebenszufriedenheit einen
positiven Zusammenhang mit der Lebensqualität auf.
1.5 Meßmethodische Zugänge
Da Lebensqualität nicht direkt beobachtbar ist und über operationalisierbare Indikatoren
erschlossen werden muß, existieren unterschiedliche Methoden, um Lebensqualität zu
erfassen. Diese werden im folgenden dargestellt:
1.5.1 Selbst- versus Fremdeinschätzung
Herschbach und Henrich (1991) gehen davon aus, daß Individuen eigene Defizite subjektiv
sehr unterschiedlich bewerten und bewältigen, so daß eine Fremdeinschätzung bei einem
Konstrukt wie Lebensqualität nicht sehr hilfreich erscheint. Auch nach Aulbert (1993a) kann
Lebensqualität nicht von anderen, nur vom Betroffenen selbst für sein individuelles Leben
eingeschätzt werden. Diese Meinung macht den Betroffenen zum wahren Experten seiner
Lebensqualität.
Fremdeinschätzungen unterscheiden sich meist erheblich von denen der Selbsteinschät-
zung. Dennoch scheint es interessant, wie bestimmte Beobachtergruppen die Lebensqualität
von Kranken bewerten. Bei den Angehörigen von Tumorkranken könnte sich nämlich deren
Fremdeinschätzung der Lebensqualität des Patienten durchaus auf die eigene
Lebensqualität auswirken. So beurteilten nach einer Untersuchung von Clipp und George
(1992) Partner von Tumorkranken deren Lebensqualität mit Ausnahme der physischen
Dimension durchwegs negativer als der Patient selbst.
1.5.2 Globale versus bereichspezifische Lebensqualität
Des weiteren besteht die Möglichkeit, Lebensqualität durch ein globales Maß zu erfassen
oder die einzelnen Dimensionen der Lebensqualität getrennt voneinander zu erheben.
Da nicht alle Dimensionen für jede Fallgruppe gleich wichtig sind, muß eine dem
Untersuchungszweck angepaßte Gewichtung vorgenommen werden muß (Herschbach &
Henrich, 1991).

18
Letztendlich hat sich jedoch gezeigt, daß durch die Erfassung einzelner Dimensionen die
Gesamtlebensqualität relativ gut abgeschätzt werden kann (Gross, 1990).
1.5.3 Handlungsvermögen versus Befinden
Siegrist und Junge (1996) gehen davon aus, daß nicht nur das Befinden allein, sondern auch
das tatsächliche Handlungsvermögen für die subjektiv erfahrene Lebensqualität von
Bedeutung ist und stark abweichende Werte aufweisen kann. So unterscheiden sie auch bei
dem in dieser Arbeit zur Erfassung der einzelnen Dimensionen der Lebensqualität
verwendeten Fragebogen ,,Profil der Lebensqualität chronisch Kranker" zwischen dem
Handlungsvermögen eines Menschen und seinem Befinden.
1.5.4 Qualitative versus psychometrische Meßverfahren
Zur Erfassung der Lebensqualität von Angehörigen bieten sich grundsätzlich strukturierte
oder halbstrukturierte Interviews und Fragebögen als Meßinstrumente an.
Obwohl die Erfassung mittels Interview ein individuelleres Bild der Lebensqualität eines
Menschen widerspiegelt, würde ein Interview die meisten Angehörigen in ihrer angespannten
Situation extrem belasten. Außerdem gestaltet sich die Erhebung der Lebensqualität mittels
Fragebogen ökonomischer und die meßmethodischen Gütekriterien wie Validität, Reliabilität
und Objektivität lassen sich damit wesentlich einfacher realisieren. (Bullinger, 1996). Auch ist
davon auszugehen, daß bei einer Erfassung mittels Fragebogen die Antworten nicht ganz so
stark wie bei einem Interview von sozialer Erwünschtheit geprägt sind.
1.6 Auswirkungen der Tumorerkrankung auf die Lebensqualität der
Angehörigen
Für den Betroffenen selbst stellt eine Krebserkrankung unbestritten eine schwere Krise dar.
Leider wurde in der Vergangenheit den Belastungen der Angehörigen, die im Rahmen einer
schweren Erkrankung eines nahen Familienmitgliedes entstehen, nicht genügend Beachtung
geschenkt (Kepplinger, 1996). Die Angehörigen galten, solange sie selbst keine körperlichen
Symptome entwickelten, als in ihrer Lebensqualität unbeeinträchtigt (Northouse, 1988).
Erst Dyk und Sutherland (1956) wiesen darauf hin, daß Partner von Krebspatienten die
Auswirkungen der Erkrankung auf die Familie dramatischer beschreiben als die Patienten
selbst. In der Zwischenzeit sind eine Vielzahl von Studien entstanden, welche teilweise eine
höhere Belastung beim Angehörigen als beim Patienten feststellten. Dies verdeutlichte
immer mehr, daß auch Kranksein und Sterben ein soziales Geschehen darstellt
(Buttenhauser, 1998).
Die Erkrankung eines Familienmitglieds stürzt die Angehörigen in eine existentielle Krise.
,,Was den anderen bedroht, bedroht sie selbst, denn er macht einen Teil ihrer Identität, ihres

19
Selbstseins aus" (Lau 1980, S. 584). Wenn ein Familienmitglied an einer lebensbedrohenden
Erkrankung leidet, ,,kann das für die Angehörigen die Erschütterung des gesamten
Familiensystems, das Ende einer bisher ausgeübten Tätigkeit und die Notwendigkeit einer
Anpassung an künftig erforderliche Funktionen bedeuten" (Huthmacher, 1991, S. 17).
Deshalb werden heute schwere chronische Erkrankungen nicht mehr als ,,sozial-neutrale"
Phänomene betrachtet, sondern vielmehr als Systemstressoren, welche in hohem Maß die
Personen tangieren, die mit dem Patienten zusammen leben (Aymans, 1992).
Des weiteren haben in den letzten Jahrzehnten bedeutende demographische, ökonomische
und soziale Veränderungen stattgefunden, die sich insgesamt auf die Lebensqualität der
Angehörigen von Tumorpatienten auswirken (vgl. Kepplinger, 1996):
· Die verbesserte medizinische Versorgung führt zu einer Verlängerung der Lebenserwar-
tung. So hat sich die durchschnittliche Lebenserwartung für Männer von 64,6 in den
Jahren 1949/1951 auf 74,4 in den Jahren 1996/1998 und für Frauen von 68,5 in den
Jahren 1949/1951 auf 80,5 in den Jahren 1996/1998 gesteigert (Statistisches Bundesamt,
2000). Damit steigt aber auch die altersspezifische Inzidenz für chronische Erkrankungen.
· Der medizinische Fortschritt und die damit verbundene Verlängerung des Lebens führt zu
einer Abnahme von akut verlaufenden Krankheiten. Jedoch ist die medizinische
Lebensverlängerung oftmals von chronischen Erkrankungen und Funktionseinschränkun-
gen überschattet. Insgesamt ist daher eine Zunahme von chronischen Erkrankungen in
der Bevölkerung zu verzeichnen. So stieg die Überlebensdauer von Krebspatienten durch
verbesserte Therapiekonzepte in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich an. Nach einer
Studie des Robert-Koch-Instituts (Schön et al., 1999) steigerte sich die Fünf-Jahres-
Überlebensrate für Männer von 25% im Jahr 1974 auf 49% im Jahr 1988 und für Frauen
von 45% im Jahr 1974 auf 53% im Jahr 1988. Somit wächst, zusammen mit einer
steigenden Inzidenz einzelner Tumorarten, der Anteil der Tumorpatienten an der
Bevölkerung.

20
· Um den wachsenden Kosten im medizinischen und sozialen Bereich entgegenzutreten,
wurden ambulante Behandlungsmöglichkeiten gefördert. Dadurch erhöhen sich die
Anforderungen an die Angehörigen sowohl in betreuerischer als auch in finanzieller
Hinsicht (Kepplinger, 1996).
Diese Veränderungen bewirken, daß die familiäre Übernahme von Pflege- und
Betreuungsaufgaben für die Aufrechterhaltung der Versorgung von immer mehr chronisch
Kranken zunehmend wichtiger wird (Kepplinger, 1996). Dadurch erhält die Leistungsfähigkeit
und das Befinden der Angehörigen von Tumorkranken stärkere gesellschaftliche Relevanz.
Gleichzeitig aber wirken sich Tumorerkrankungen auch zunehmend belastender auf die
Angehörigen des Patienten aus und schränken diese somit immer stärker in ihrer
Lebensqualität ein.
In Anlehnung an Kepplinger (1996) und Buttenhauser (1998) lassen sich folgende
Belastungsbereiche für die Angehörigen eines Tumorkranken unterscheiden:
· Emotionale Belastungen
· Belastungen im Rahmen des Krankenhausaufenthaltes und der Pflege zuhause
· Veränderungen im familiären Alltag
· Kommunikation und Bedürfnisse
· Furcht vor Sterben und Tod des Patienten
Auf diese Belastungsbereiche soll im folgenden näher eingegangen werden:
1.6.1 Emotionale Belastungen
Obgleich Krebserkrankungen heute nicht zwingend tödlich verlaufen und abhängig von der
Art und dem Stadium der Krankheit durchaus heilbar sind, ruft allein die Diagnose ,,Krebs"
bei den Angehörigen von Tumorkranken überwältigende Angst hervor (Day, 1966). Dafür
gibt es viele Gründe:
· Zum Teil ist diese Angst durchaus berechtigt, denn außer dem Tod befürchten die
Angehörigen eine invasive, zur Entstellung des Patienten führende Behandlung (Day,
1966).

21
· Teilweise handelt es sich aber auch um irrationale Krebsängste: Wirsching et al. (1981,
zit. n. Huthmacher, 1991) wiesen bei den Angehörigen Krebskranker folgende
unzutreffende Vorstellungen bezüglich der Krankheit sowie daraus resultierende
Verhaltensregeln nach: Krebs ist eine tödliche Krankheit, ihr Verlauf läßt sich durch
therapeutische Maßnahmen allenfalls verzögern. Deshalb soll der Patient schnell sterben,
statt lange zu leiden, soll in Ruhe gelassen und nicht mit den Gefühlen und Problemen
seiner Angehörigen belastet werden. Aus diesem Grund dürfen Emotionen nicht offen
gezeigt, müssen Belastungen vom jeweiligen Angehörigen allein getragen werden.
Letztlich kämpft daher jedes Familienmitglied allein ums Überleben.
Diese rationalen und irrationalen Ängste führen zu einer starken emotionalen Belastung der
Angehörigen. In einigen Untersuchungen an Partnern brustkrebskranker Frauen konnten die
konkreten Auswirkungen dieser Belastung gezeigt werden. Nach Buddeberg (1985) klagen
die betroffenen Ehemänner hauptsächlich über psychosomatische Beschwerden wie
allgemeine Müdigkeit, Erschöpfbarkeit, Mattigkeit, Nackenschmerzen, Gelenkschmerzen,
Kreuzschmerzen, Kopfschmerzen und Herzklopfen. Auch nach einer Studie von Wellisch et
al. (1978) kommt es bei den betroffenen Ehemänner hauptsächlich zu psychosomatischen
Beschwerden, vorwiegend zu Schlaf- und Eßstörungen und sexuellen Problemen.
Axelsson und Sjödén (1998) zeigten in einer allgemeineren Untersuchung, daß bei den
Partnern von Tumorkranken hauptsächlich Schlaflosigkeit, Ängste und Depressionen
auftreten.
Somit kann festgestellt werden, daß Angst- und Depressionssymptome im Mittelpunkt der
emotionalen Belastungen bei Angehörigen von Tumorpatienten stehen, wobei nach
Kepplinger (1996) Hinweise bestehen, daß viele Partner ihre psychischen Probleme als
körperliche Beschwerden berichten.
Des weiteren werden durch die Krebserkrankung eines Familienmitglieds nicht selten auch
existentielle Fragen, vor allem nach dem Sinn des Lebens, aufgeworfen und es kann sich die
Furcht vor dem eigenen Tod verstärken (Buttenhauser, 1998).
Diese für die Angehörigen unerträgliche Situation führt häufig zu dem Wunsch, daß der
Partner sterben solle, zu Ekel oder auch Furcht vor Ansteckung, welcher durch
verstümmelnde chirurgische Eingriffe und dem allgemeinen körperlichen Zerfall, wie
Gewichts- und Haarverlust und Aufgedunsenheit beim Partner ausgelöst wird (Kepplinger
1996). Die durch normative gesellschaftliche Vorstellungen ausgelöste Tabuisierung solcher
Empfindungen führt häufig zur Infragestellung des Selbstbildes, ,,eine gute Person zu sein",
so daß sich die Partner ständig genötigt fühlten, heiter und hoffnungsvoll zu sein, obwohl sie
Ärger empfanden oder Schuldgefühle hatten (Oberst & James, 1985, zit. n. Kepplinger,

22
1996). Aggressive Tendenzen werden deshalb meist gegen die eigene Person gerichtet
(Buttenhauser, 1998).
Insgesamt läßt sich festhalten, daß die krankheitsbedingten Belastungen von Krebskranken
und ihren Angehörigen weitgehend übereinstimmen: Nach einer Studie von Cassileth et al.
(1985) korrelieren die Parameter psychische Stabilität, Stimmung und Angst der Patienten
und Angehörigen insgesamt hochsignifikant positiv miteinander.
Somit verwundert es kaum, daß emotionale Belastungssymptome bei den Angehörigen
ähnlich stark ausgeprägt sind wie beim Patienten selbst (Kaye & Gracely, 1993). Nach einer
Untersuchung von Keitel et al. (1990) können die Angehörigen emotional sogar noch stärker
belastet sein als die Patienten.
Dies alles zeigt, daß eine Verarbeitung der Erkrankung nicht nur für den Patienten, sondern
auch für seine Angehörigen notwendig wird.
1.6.2 Belastungen im Rahmen des Krankenhausaufenthaltes und der Pflege
zuhause
,,Durch die moderne medizinische Therapie wurde aus der akut lebensbedrohlichen
Krebserkrankung eine chronische Krankheit" (Huthmacher, 1991, S. 40). Für die
Angehörigen von Tumorpatienten stellt deshalb der Krankenhausaufenthalt und die
häusliche Pflege des Patienten eine immer stärker werdende psychosoziale Belastung dar.
Krebs ist eine progressiv verlaufende Krankheit, die mit Besserungen und Verschlechterun-
gen des Gesundheitszustandes verbunden ist. Gerade dieser Wechsel zwischen Krisen- und
Normalzustand und die Unsicherheit in Bezug auf die nächste Krise bewirken enorme
Belastungen für die Angehörigen von Tumorkranken (Rolland, 1988).
Nach einer Untersuchung von Föll (1988) schätzte die Mehrzahl der Angehörigen eines
Tumorpatienten in der Endphase den Krankenhausaufenthalt als sehr belastend ein und
klagt über verschiedene vegetative Störungen.
Die Angehörigen werden bezüglich der Anforderungen der häuslichen Pflege, nachhaltig
gesundheitlich beeinflußt. Nach einer Studie von Stetz und Hanson (1992) klagten die
pflegenden Partner über hohe körperliche Belastung, einen angegriffenen Gesundheitszu-
stand und ein Gefühl von ,,Ausgebranntsein", aufgrund von zu wenig Schlaf und zu wenig
Ruhepausen. Nach dem Tod des Patienten gab die Mehrzahl der pflegenden Angehörigen
an, daß sie sich um mehr Unterstützung von außen kümmern hätte sollen. Bei einer
Untersuchung von Hinds (1985) wurde ebenfalls festgestellt, daß ein großer Teil der
Angehörigen nur schlecht mit der häuslichen Pflegesituation zurechtkam und eine
adäquatere Anleitung dazu benötigt hätten. Bei einem Vergleich zwischen Partnerinnen von
krebskranken Männern und Partnerinnen von kardiovaskulär erkrankten Männern zeigte
sich, daß letztere mit der Pflegesituation wesentlich besser zurechtkamen, da sie, bedingt
durch die körperliche Betätigung ihrer Partner und die Einhaltung von Diätvorschriften und

23
ähnliches über ein wesentlich höheres subjektiv wahrgenommenes Maß an Situationskon-
trolle verfügten (Vachon et al., 1977, zit. n. Huthmacher, 1991).
1.6.3 Veränderungen im familiären Alltag
Die Krebserkrankung eines Familienmitglieds macht Umstrukturierungen des Rollengefüges
der betroffenen Familien, worunter Einschränkungen hinsichtlich der Rolle als Haushaltsvor-
stand, Elternteil oder Ehepartner zu verstehen sind, nötig. Diese Rollen werden aufgegeben
oder inadäquat neu besetzt, so daß hiervon die Funktionsfähigkeit der häuslichen
Gemeinschaft und die Verarbeitung der Erkrankung im Familienverband negativ beeinflußt
wird (Kepplinger, 1996).
Lichtmann et al. (1987) befragten hierzu Ehemänner brustkrebskranker Frauen. 74%
berichteteten von einer größeren Verantwortung, wovon die Hälfte der Befragten diese
zusätzliche Verantwortung als Belastung empfand. Nach einer Untersuchung von Oberst und
James (1985) war die Erkenntnis, daß sich durch die Erkrankung aus einer früher
gleichberechtigt geführten Beziehung eine einseitig fürsorgliche entwickelt hat, innerhalb der
sie wenig Ausgleich für ihre aufgewendeten Mühen spürten, für die Partner besonders
belastend.
Außerdem bedingen Tumorerkrankungen Veränderungen des Lebensstils der betroffenen
Familien. So zeigte sich nach einer Studie von Wilson und Morse (1991), daß es beim
Partner des Krebskranken zu einem völligen Erliegen des Privatlebens kommen kann, da
seine ganze Aufmerksamkeit der Unterstützung des Patienten gilt.
Dabei wird die aus der Tumorerkrankung eines Familienmitglieds resultierende
Einschränkung des eigenen sozialen Lebens laut Jones & Vetter (1984) als stärkere
Beeinträchtigung der eigenen Lebensqualität gesehen als die daraus erwachsenden
konkreten Aufgaben.
Nach einer Untersuchung von Howell (1986) gab die Hälfte der befragten Partner an,
Probleme mit der Veränderung des Lebensstils, vor allem mit dem Alleinsein und dem
täglichen Besuch im Krankenhaus, zu haben.
Dabei ist nach Kepplinger (1996) zu berücksichtigen, daß gerade Bewertungen zum
umstrukturierten Rollenverhalten und veränderten Lebensstils der betroffenen Familien von
sozialer Erwünschtheit beeinflußt sind: So sind im Fall einer Tumorerkrankung eines
Familienmitglieds Äußerungen über Ängste und Niedergeschlagenheit bei den Angehörigen
gesellschaftlich akzeptiert; hingegen dürfte der Ausdruck von Mißfallen bezüglich der
Einschränkung des Lebensstils sozial sanktioniert sein.
1.6.4 Kommunikation und Bedürfnisse
Ein so schwerwiegendes Lebensereignis wie die Erkrankung eines Familienmitglieds an
Krebs bewirkt zwangsläufig Veränderungen im Kommunikationsverhalten zwischen den

24
Familienmitgliedern. Von beiden Seiten werden vor allem krankheitsbezogene und
emotionale Sachverhalte nicht mehr in vollem Umfang mitgeteilt, um sich selbst und andere
vor schmerzhaften Gefühlen zu schützen (Kepplinger, 1996). Dieser Schutzmechanismus
bewirkt, daß sich jedes Familienmitglied letztlich allein mit dem emotionalen Schmerz
auseinandersetzen muß.
Eine Untersuchung von Hinton (1981) befaßt sich mit der Kommunikation zwischen terminal
erkrankten Tumorpatienten und ihren Partnern. Hierbei machte er drei verschiedene
Kommunikationsmuster aus: Einige Paare vermieden es vollständig, über die Erkrankung zu
reden, weil sie sich nicht noch mehr belasten wollten. Die zweite Gruppe von Paaren
vermied ebenfalls Gespräche über die Erkrankung, allerdings wollten diese sich dadurch ihre
Hoffnung bewahren. Die dritte Gruppe von Paaren hingegen sprach zumindest ab und zu
über Gefühle bezüglich des Krankheitsverlaufs. Auffällig war hier, daß die Qualität der
Beziehung einen Einfluß auf die Bereitschaft des gesunden Partners hatte, den
bevorstehenden Tod des Erkrankten ihm gegenüber anzusprechen. Je schlechter die
gesunden Partner ihre eheliche Beziehung einschätzten, desto eher waren sie bereit, die
tödliche Prognose gegenüber dem Erkrankten zur Sprache zu bringen. Umgekehrt logen
sich Paare mit emotional enger Bindungen an, um einander Kummer zu ersparen. Teilweise
waren diese Partner jedoch fähig, mit anderen nahen Angehörigen über die tödliche
Prognose zu sprechen.
Buddeberg et al. (1984) stellten fest, daß sich brustkrebskranke Frauen und ihre Partner in
den ersten Monaten nach der Operation emotional voneinander distanzierten und Gespräche
über die Erkrankung vermieden. Diese gemeinsame Verleumdung stellt nach Buddeberg et
al. (1984) eine Schutzfunktion dar, die zur Krankheitsbewältigung notwendig wird. Allerdings
konnten dadurch Ängste nicht miteinander besprochen werden, was vor allem bei den
Frauen zu einer wachsenden Unzufriedenheit über ihre Ehe führte. So könnte es durch diese
Distanzierung zu einer zunehmenden Isolierung zwischen den Partnern kommen, die durch
Resignation und Vereinsamung gekennzeichnet ist. Allerdings könnte sie auch eine
Verbindungsbrücke darstellen, durch die mit der Zeit Ängste integriert werden können.
Chaitchik et al. (1992) kommen zu dem Ergebnis, daß nur dann, wenn Patient und Partner
eingehend über Diagnose, Behandlung und Prognose aufgeklärt waren, die Kommunikation
zwischen den Partnern offen bleibt und der gesunde Partner den kranken entsprechend
seinen Bedürfnissen unterstützen kann. Hilton (1993) hingegen berichtet von Familien, für
die das Vermeiden der Auseinandersetzung mit der Krankheit eine durchaus effektive
Verarbeitungsstrategie darstellte.
Insgesamt bewirkt mangelnde Kommunikation eine Fehleinschätzung der Angehörigen über
die Situation der Patienten. So zeigte eine Untersuchung von Clipp und George (1992), daß
Partner das seelische Befinden des Patienten durchwegs negativer einschätzen als der
Patient selbst. Die eheliche Beziehung beurteilten hingegen die Patienten besser als deren

25
gesunde Partner. Übereinstimmung zeigte sich lediglich in objektiv beobachtbaren
Verhaltensweisen, welche die körperliche Funktionsfähigkeit betrafen. Hier ist anzunehmen,
daß sich Patienten und Partner über ihr psychisches Befinden nicht austauschen und so nur
Vermutungen über die Befindlichkeit des anderen äußern können (Kepplinger, 1996).
Auch kamen unterschiedliche Untersuchungen zu dem Ergebnis, daß sich im Laufe einer
Tumorerkrankung die Bedürfnisse der Patienten deutlich von denen ihrer Angehörigen
unterscheiden. Eine Untersuchung von Gotay (1984) zeigt eine unterschiedliche
Bedürfnislage bei an Brustkrebs erkrankten Frauen und ihren Partnern auf. Frauen im frühen
Erkrankungsstadium sorgten sich hauptsächlich um ihre Gebärfähigkeit, während dies nur
für einen kleinen Teil der Partner von Belang war. Im fortgeschrittenen Stadium ihrer
Erkrankung setzten sich dieselben Frauen hauptsächlich mit den durch die Erkrankungen
bedingten Einschränkungen ihrer Aktivitäten, den Nebenwirkungen der Behandlung und der
Zukunft ihrer Familie auseinander, während sich in diesem Stadium die Partner zunehmend
um den drohenden Verlust ihrer erkrankten Ehefrau ängstigten. Für Kepplinger (1996) hat
diese unterschiedliche Bedürfnislage ihre Ursache in dem bei den Patienten einsetzenden
Verdrängungsprozeß. Während bei den Angehörigen eine realistische Auseinandersetzung
mit der Krankheit erfolgt, verdrängen die Patienten dies und setzen sich mit randständigen
Problemen auseinander. So bleiben die Erkrankten als auch deren Angehörigen mit der
Sorge umeinander allein.
1.6.5 Furcht vor Sterben und Tod des Patienten
,,Erkrankt ein Familienmitglied an einer Tumorerkrankung, so muß sich nicht nur der
Betroffene selbst, sondern es müssen sich auch die nahestehenden Angehörigen mit dem
potentiell lebensbedrohenden Charakter dieser Diagnose auseinandersetzen. Dabei macht
die Einmaligkeit der familiären Bindung den drohenden Verlust nur umso schmerzlicher"
(Buttenhauser, 1996, S. 73).
Eine Studie von Gotay (1984) an Patienten im Früh- und Spätstadium der Erkrankung zeigte,
daß in allen Krankheitsstadien sowohl beim Patienten als auch bei dessen Angehörigen die
Angst vor einem Rückfall bzw. einem Fortschreiten der Erkrankung bis zum Tod das größte
Problem war. Auch bei Brustkrebspatientinnen und deren Partnern traten schwerwiegende
Unsicherheitsgefühle über den Gesundheitszustand auf. Sie wurden vor allem durch das
Warten auf Untersuchungsergebnisse, das Nichteinordnen-Können der Ergebnisse sowie
durch Zweifel an der Zuverlässigkeit der angewendeten Untersuchungsmethode ausgelöst
(Hilton, 1993).
Nach einer Untersuchung von Northouse (1989) löst allein die Diagnose ,,Krebs" auch bei
den Angehörigen, gleichgültig wie gut die Heilungschancen im Einzelfall auch stehen mögen,
weit mehr Angst aus, als die durch die Behandlung entstehenden Beeinträchtigungen. Dies
verdeutlicht, wie eng bei den Angehörigen die Unsicherheit über den Gesundheitszustand

26
des Patienten mit der Furcht vor dem Tod des Patienten verknüpft ist (Kepplinger, 1996). So
verwundert es kaum, daß bei den betroffenen Angehörigen Gedanken an die Zukunft, das
Überleben und Ärger über den ausbleibenden Behandlungserfolg im Vordergrund standen
(Chekryn, 1984, zit. n. Buttenhauser, 1998). Mit fortschreitender Krankheitsdauer stieg nach
einer Untersuchung von Gotay (1984) deshalb auch die Zahl der Angehörigen, die sich mit
dem möglichen Tod des Patienten auseinandersetzten.
1.7 Prädiktoren für die Lebensqualität der Angehörigen von palliativ
behandelten Patienten
Wie im vorhergehenden Abschnitt dargelegt, wirken sich Tumorerkrankungen einschränkend
auf die Lebensqualität der Angehörigen des Patienten aus.
In diesem Abschnitt soll nun geklärt werden, welche Variablen sich als Prädiktoren für die
Lebensqualität der Angehörigen von palliativ behandelten Patienten finden lassen.
Aus folgenden Kategorien lassen sich potentielle Prädiktoren für die Lebensqualität der
Angehörigen eines Tumorkranken ableiten (vgl. Biegel et al., 1991; Kepplinger, 1996;
Buttenhauser, 1998):
· Merkmale der Erkrankung und der Verarbeitung der Erkrankung durch den Patienten
· Merkmale der Angehörigen und der Beziehung
· Bereich der sozialen Unterstützung der Angehörigen von Tumorpatienten
Im folgenden soll auf alle drei Kategorien näher eingegangen werden:
1.7.1 Merkmale der Erkrankung und der Verarbeitung der Erkrankung durch
den Patienten
Zunächst lassen sich Prädiktoren für die Lebensqualität der Angehörigen ableiten, die
Merkmale der Erkrankung und der Verarbeitung der Erkrankung durch den Patienten
darstellen. Diese sollen nun erläutert werden:
1.7.1.1 Stadium der Tumorerkrankung
Nach einer Studie von Cassileth et al. (1985) nehmen im Stadium der palliativen Versorgung
bei den Angehörigen -wie auch bei den Patienten selbst- Angst und Depressivität signifikant
zu. Axelsson und Sjödén (1998) stellten während der terminalen Phase des Patienten bei
deren Partnern vor allem eine noch stärker wahrgenommene Beeinträchtigung ihrer globalen
Lebensqualität und eine Zunahme von Angst und Depressionen fest. Allerdings spielen
hierbei nicht objektive Merkmale der Erkrankung, sondern die subjektive Einschätzung der
Bedrohlichkeit durch die Angehörigen, eine wesentliche Rolle (Compas et al., 1994).

27
1.7.1.2 Körperliches Befinden des Patienten
Oberst et al. (1989) konnten einen direkten positiven Zusammenhang zwischen dem
körperlichen Befinden des Patienten und der Gesundheit und dem emotionalen Befinden des
Angehörigen ausmachen. Dies legt den Schluß nahe, daß eine höhere Pflegebedürftigkeit
des erkrankten Patienten sich negativ auf die körperliche und emotionale Befindlichkeit der
Angehörigen auswirkt. Auch bei Mor et al. (1987) besteht ein positiver Zusammenhang
zwischen der Pflegebedürftigkeit der Patienten und der wahrgenommenen Belastung der
Angehörigen.
1.7.1.3 Dauer der Tumorerkrankung
In ihrer Studie konnten Oberst et al. (1989) auch einen signifikant positiven Zusammenhang
zwischen der Erkrankungsdauer und der Belastung der pflegenden Angehörigen
ausmachen. Allerdings ist nach einer Untersuchung von Biegel et al. (1991) davon
auszugehen, daß es hierbei auf die Dauer der terminalen Phase und nicht allgemein auf die
verstrichene Zeit seit der Diagnosebekanntgabe ankommt.
1.7.1.4 Art der Tumorerkrankung
Nur recht wenige Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen der Art der Erkrankung
und der Lebensqualität der Angehörigen. Hingegen konnten Cassileth et al. (1985) in ihrer
Studie zeigen, daß Angehörige von Patienten mit Gehirntumoren am stärksten beeinträchtigt
waren. Auch Wellisch et al. ( 1983) konnten einen Zusammenhang bezüglich der
Diagnosegruppe feststellen. In ihrer Untersuchung kamen sie zu dem Ergebnis, daß
Angehörige von Lungentumorpatienten die größten emotionalen Beeinträchtigungen
aufwiesen. Da allerdings beide Diagnosegruppen mit großer Pflegebedürftigkeit des
Patienten und zudem mit einer sehr schlechten Prognose verbunden sind, könnte hier eine
Konfundierung mit den Pflegeanforderungen und der Prognose vorliegen (Kepplinger, 1996).
1.7.2 Merkmale der Angehörigen
Zudem lassen sich Prädiktoren, die sich als Merkmale der Angehörigen beschreiben lassen,
ausmachen, die im folgenden dargestellt werden:
1.7.2.1 Geschlecht
Nach einer Studie von Leiber et al. (1976) weisen weibliche Partner von Krebskranken
deutlich mehr depressive Symptome auf als männliche Partner. Dies wird darauf
zurückgeführt, daß es im Falle der Erkrankung des Mannes zu mehr Spannung in der
ehelichen Gemeinschaft kommen würde, weil in dieser Konstellation die traditionelle
Rollenverteilung stärker gestört sei. Der erkrankte Mann müsse nämlich seine Führungsrolle
aufgeben und seine Partnerin müsse diese ungewohnte Verantwortung übernehmen.

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Hingegen würde im Falle der Erkrankung der Frau diese weiterhin ihren Gefühlen freien Lauf
lassen können und der männliche Partner weiterhin in seiner gewohnten Führungsrolle
verbleiben, so daß hier weniger Spannungen zwischen den Partnern zu erwarten seien und
die männlichen Partner von Tumorpatienten dadurch weniger belastet seien als die
weiblichen.
Eine andere Interpretation legt eine Untersuchung von Allen (1994) nahe. Dabei zeigte sich,
daß gesunde Ehemänner mehr Hilfe von Dritten erhielten als die gesunden Ehefrauen von
Tumorkranken. Diese blieben in ihren Bemühungen um den Kranken öfter allein und
verbrachten wesentlich mehr Zeit mit Unterstützungsaufgaben als die gesunden Ehemänner.
Dadurch seien weibliche Partner von Tumorpatienten stärker belastet als männliche.
Des weiteren zeigte sich bei Stetz (1987), daß männliche Angehörige von Tumorkranken
weniger pflegerische Anforderungen wahrnahmen und sich eher als weibliche Angehörige
um finanzielle Belange und Haushaltsfragen kümmerten. Frauen von Tumorpatienten
hingegen hatten häufiger das Bedürfnis, ihren Ehepartnern beizustehen, selbst wenn sie das
Miterleben des körperlichen Zerfalls als sehr belastend empfanden. Auch dies könnte
demnach eine Erklärung für die stärkere Belastung von weiblichen Angehörigen von
Tumorpatienten sein.
1.7.2.2 Alter
Nach einer Untersuchung von Wellisch et al. (1983) haben jüngere Ehepartner größere
Rollenkonflikte und Beziehungsprobleme und weisen somit einen höheren Belastungsgrad
als ältere auf. Diesem Resultat widerspricht Cassileth (1985), der in seiner Studie keinen
Zusammenhang zwischen dem Alter der Angehörigen und der psychischen Belastung
nachweisen konnte.
Insgesamt kann aber von einer besseren Anpassung an die Situation bei älteren
Angehörigen ausgegangen werden, wobei hier allerdings nach Wellisch et al. (1983) durch
die anstrengende Pflegetätigkeit eher körperliche Probleme auftreten.
1.7.2.3 Religiosität
Auch Religiosität erwies sich bei den Angehörigen als brauchbarer Prädiktor. Da dieser
Zusammenhang einen Schwerpunkt dieser Arbeit darstellt, wurde dies unter Gliederungs-
punkt 1.8.1 ausführlicher dargestellt.
1.7.2.4 Weitere soziodemographische Variablen
Bei der Untersuchung von Vachon et al. (1982) zeigte sich weiterhin, daß sich arbeitslose
Ehefrauen in der terminalen Erkrankungsphase belasteter fühlten als berufstätige Frauen.
Nach Oberst et al. (1989) fühlten sich Angehörige aus niedrigeren Einkommensschichten
stärker beeinträchtigt als Angehörige aus sozial besser gestellten Schichten.

29
1.7.2.5 Persönlichkeitsmerkmale
Bis heute existieren nur vereinzelt Studien über Persönlichkeitsmerkmale, die einen Einfluß
auf die Lebensqualität der Angehörigen von Tumorpatienten haben könnten.
In einer Studie von Given et al. (1993) zeigte sich, daß das Ausmaß des Optimismus des
pflegenden Angehörigen einen großen Einfluß auf deren emotionales und körperliches
Empfinden hatte.
Insgesamt läßt sich hier noch feststellen, daß eigene gesundheitliche Probleme sowie
weitere aktuell belastende Lebensereignisse sich negativ auf die Lebensqualität der
Angehörigen auswirken (Kepplinger, 1996).
1.7.3 Soziale Unterstützung der Angehörigen von Tumorpatienten
Bislang gibt es nur wenige Studien aus dem Bereich der sozialen Unterstützung der
Angehörigen von Tumorkranken.
In einer Untersuchung von Hinds (1985) über die Angehörigenbelastung bei der Pflege von
Tumorkranken zeigte sich, daß viele Angehörigen nur schlecht allein mit dieser Situation
zurechtkamen. So griffen die Angehörigen vor allem auf die Hilfe von Verwandten, Freunden
und Nachbarn zurück. Obwohl es ihnen an professioneller Anleitung und Unterstützung
mangelte, nutzte nur eine Minderheit der Angehörigen das Unterstützungsangebot von
Sozialstationen.
Da immer noch der Patient als vorrangiges Opfer der Erkrankung gilt, werden einer
Untersuchung von Northouse (1988) zufolge die Angehörigen und ihr Wunsch nach stärkerer
Unterstützung weiterhin übersehen.
Dabei wiesen bei den Untersuchungen von Oberst und James (1985) und Howell (1986)
Angehörige, die weniger Unterstützung erhielten, stärkere Belastungswerte auf und klagten
vermehrt über ein schlechteres seelisches und körperliches Befinden. Nach diesen
Ergebnissen sind die starken Belastungen der Angehörigen auch in größerem Ausmaß auf
fehlende soziale Unterstützung zurückzuführen.
1.8 Einfluß von Religiosität und Lebenssinn auf die Lebensqualität
Obwohl es nahezuliegen scheint, daß Religiosität und Lebenssinn eines Menschen einen
Einfluß auf dessen Lebensqualität haben, beschäftigt sich die psychoonkologische
Forschung erst in jüngster Zeit mit dieser Fragestellung. So untersuchte Riester (2000) in
ihrer Studie den Zusammenhang zwischen Lebensqualität, Religiosität und Lebenssinn bei
palliativ behandelten Tumorpatienten.
1.8.1 Religiosität und Lebensqualität
Unter Religiosität versteht man die aus dem Inneren des Menschen entspringende, nicht
allein auf seine Vernunft, sondern auf seinem gesamten Empfindungs- und Wahrnehmungs-

30
vermögen basierende Gesinnung und Haltung gegenüber Gott bzw. dem Heiligen (Kasper,
1999).
Betrachtet man bisherige Studien, die den Zusammenhang von allgemeiner Religiosität und
Lebensqualität untersuchen, kommt man zu keinem eindeutigen Ergebnis. So stellte Bergin
(1983, zit. n. Zwingmann, 1991) durch seine Metaanalyse über den Zusammenhang von
Religiosität und psychischer Gesundheit fest, daß von 27 Untersuchungen 47% eine positive
Korrelation zwischen Religiosität und psychischer Gesundheit aufweisen, 23% eine negative
und 30% keine.
Deshalb wird heute in religionspsychologischen Untersuchungen meist nach Allport (1950)
zwischen intrinsischer und extrinsischer religiöser Orientierung unterschieden. Während
unter der extrinsischen religiösen Orientierung die Ausübung sichtbarer
Glaubenskonventionen zu verstehen ist, die das Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit
befriedigt, bezeichnet die intrinsische religiöse Orientierung die innere Verbundenheit mit
Glaubensinhalten, die nicht nur Pflichtcharakter, sondern auch Erfüllungscharakter aufweist
(Kasper, 1999).
Einige allgemeine Studien beschäftigen sich damit, wie sich der Grad der extrinsischen und
der intrinsischen religiösen Orientierung auf die Lebensqualität auswirkt.
Levin und Markides (1986) konnten in ihrer Untersuchung keinen Zusammenhang zwischen
der Häufigkeit von religiösen Aktivitäten und der subjektiven Einschätzung der Gesundheit
ausmachen. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit einer Untersuchung von Zwingmann
(1991) an 209 gesunden Katholiken aus der Gesamtbevölkerung über den allgemeinen
Zusammenhang von Religiosität und Lebenszufriedenheit. Dabei wurde festgestellt, daß nur
die Ausprägung der intrinsichen religiösen Orientierung eines Menschen einen brauchbaren
Prädiktor für dessen Lebenszufriedenheit darstellt. Insgesamt läßt sich somit feststellen, daß
wohl eher die intrinsische als die extrinsische religiöse Orientierung einen Einfluß auf die
Lebensqualität hat.
Swensen et al. (1993) untersuchten in ihrer Studie speziell den Zusammenhang von
Religiosität und Lebensqualität bei Tumorpatienten und ihren Partnern. Hier zeigte sich, daß
sich religiöser Glaube zwar bei den Patienten selbst positiv auf deren Lebensqualität und die
Intimität ihrer Partnerschaft auswirkt, hingegen die Lebensqualität der Partner wesentlich
stärker vom Gesundheitszustand des Patienten abhängt. Dem sind noch die Ergebnisse
einer Studie von Vachon et al. (1982) hinzuzufügen. Nach dem Tod ihrer Ehemänner gaben
Frauen, die ihren Glauben unterstützend bei der Bewältigung ihrer Situation empfanden,
niedrigere Belastungswerte an als Frauen, die hierbei keine Unterstützung durch ihren
Glauben erfuhren. Dies könnte für die Angehörigen von Tumorpatienten bedeuten, daß sich
zwar, bedingt durch Streß und enorme Belastungen, während der Erkrankung des Patienten,
der Grad ihrer Religiosität kaum auf ihre Lebensqualität auswirkt, nach dem Tod des

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832455125
ISBN (Paperback)
9783838655123
DOI
10.3239/9783832455125
Dateigröße
977 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Regensburg – unbekannt
Erscheinungsdatum
2002 (Juni)
Note
1,0
Schlagworte
familie bewältigung krebs belastung psychoonkologie
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Titel: Lebensqualität, Religiosität und Lebenssinn bei Angehörigen von palliativ behandelten Tumorpatienten
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