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Motivation betrieblicher Frauenförderung in österreichischen Privatunternehmen

©2000 Diplomarbeit 117 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Gegenstand der Arbeit ist die Motivation österreichischer Privatunternehmungen zur Förderung weiblicher Mitarbeiter im Unternehmen. Ausgangspunkt bildet dabei die Definition betrieblicher Frauenförderung als Strategie zur Erschließung des weiblichen Arbeitskräftepotentials. das aufgrund der in Zukunft zu erwartenden Entwicklungen im Unternehmensumfeld immer wichtiger wird für die Erhaltung der Existenzfähigkeit von Unternehmungen.
Welche Veränderungen in diesem Zusammenhang zu erwarten sind und wieso diese Entwicklungen betriebliche Frauenförderung erforderlich machen, wird im konzeptionellen Teil dargestellt.
Im empirischen Teil der Arbeit werden die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zum Gegenstandsbereich dargestellt. Anhand der Auswertung qualitativer Interviews, die mit Vertretern frauenfördernder Betriebe geführt wurden, wird versucht, die tatsächliche Motivation betrieblicher Frauenförderung zu klären. Die Auswertung der Interviews zeigte diesbezüglich, dass die Motive in der Praxis nicht mit jenen des konzeptionellen Teils übereinstimmen. Werden in der Literatur als Gründe für die Einführung betrieblicher Frauenförderung vorwiegend Veränderungen im Unternehmensumfeld angeführt, wirkten in den befragten Unternehmungen primär Faktoren auf der betrieblichen oder persönlichen Ebene.
Als mögliche Erklärung hierfür wird angeführt, dass das Verständnis betrieblicher Frauenförderung in der Praxis nicht der Arbeitsdefinition entspricht, sondern Frauenförderungsmaßnahmen mehrheitlich der Realisierung gleicher beruflicher Chancen für männliche und weibliche Mitarbeiter sowie der nachhaltigen effizienten Nutzung des verfügbaren Arbeitskräftepotentials dienen.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
A.ALLGEMEINE GRUNDLAGEN1
1.Die Existenzfähigkeit der Unternehmen ist gefährdet1
2.Ziele und Aufbau der Arbeit3
3.Paradigmatische Grundlage der Arbeit4
4.Der Begriff Frauenförderung wird oft missverstanden5
4.1Chancengleichheit6
4.2Frauenförderung7
4.2.1Frauenförderung im weiteren Sinne7
4.2.2Frauenförderung im engeren Sinne – Betriebliche Frauenförderung8
4.3Vereinbarkeit von Familie und Beruf11
B.KONZEPTIONELLER BEZUGSRAHMEN13
1.Das betriebliche Umfeld verändert sich13
1.1Das technologische Umfeld13
1.1.1Die Gesellschaft wird zur Informationsgesellschaft13
1.1.2Der technologische Fortschritt bewirkt einen strukturellen Wandel15
1.2Das sozio-kulturelle Umfeld17
1.2.1Die Werte der Gesellschaft haben […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 5175
Rosar, Bettina: Motivation betrieblicher Frauenförderung in österreichischen Privatunternehmen
/ Bettina Rosar - Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Wien, Wirtschaftsuniversität, Diplom, 2000
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2002
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
I
Inhaltsverzeichnis
A. A
LLGEMEINE
G
RUNDLAGEN
...1
1. Die Existenzfähigkeit der Unternehmen ist gefährdet ...1
2. Ziele und Aufbau der Arbeit...3
3. Paradigmatische Grundlage der Arbeit...4
4. Der Begriff Frauenförderung wird oft mißverstanden...5
4.1. Chancengleichheit ...6
4.2. Frauenförderung ...7
4.2.1. Frauenförderung im weiteren Sinne...7
4.2.2. Frauenförderung im engeren Sinne ­ Betriebliche Frauenförderung ...8
4.3. Vereinbarkeit von Familie und Beruf...11
B. K
ONZEPTIONELLER
B
EZUGSRAHMEN
...13
1. Das betriebliche Umfeld verändert sich...13
1.1. Das technologische Umfeld...13
1.1.1. Die Gesellschaft wird zur Informationsgesellschaft ...13
1.1.2. Der technologische Fortschritt bewirkt einen strukturellen Wandel...15
1.2. Das sozio-kulturelle Umfeld...17
1.2.1. Die Werte der Gesellschaft haben sich geändert...18
1.2.2. Die österreichische Bevölkerung ,,vergreist"...21
1.2.3. Die Frauen holen bei Bildung und Qualifikation auf...23

Inhaltsverzeichnis
II
1.3. Politisch-rechtliche Umwelt ...27
1.3.1. Rechtsakte der Europäischen Union ...28
1.3.2. Rechtsakte auf nationaler Ebene ...30
1.3.3. Was sieht das Regierungsprogramm für die Frauenpolitik vor?...32
1.4. Makro-ökonomische Umwelt...33
1.4.1. Der heimische Arbeitsmarkt erholt sich wieder...33
1.4.2. Der europäische Binnenmarkt wird sich in den nächsten Jahren vergrößern ...34
1.4.3. Die Globalisierung der Märkte erhöht den Wettbewerbsdruck ...36
2. Die veränderte Unternehmensumwelt als Chance für Frauen ...38
C. E
MPIRISCHE
E
RHEBUNG
...43
1. Methodologische Vorgehensweise ...43
1.1. Welche Methode wurde für die empirische Untersuchung ausgewählt? ...43
1.2. Die Interviewpartner sind Sieger des ,,Gläsernen Schuhs" ...45
Exkurs: ,,Der Gläserne Schuh"...47
1.3. Wie wurden die Interviews ausgewertet?...48
2. Die Geschichte betrieblicher Frauenförderung verlief in den befragten
Unternehmen sehr unterschiedlich ...50
2.1. Bei XY ist Frauenförderung Teil des Diversity-Programms...50
2.2. Bei YZ war der Weg sehr steinig ...53
2.3. Bei XZ war Frauenförderung schon immer eine Selbstverständlichkeit...56

Inhaltsverzeichnis
III
3. Wie verstehen die untersuchten Unternehmungen betriebliche
Frauenförderung? ...59
4. Wer waren die Initiatoren betrieblicher Frauenförderung? ...62
4.1. Unternehmensleitung...62
4.2. Einzelpersonen ...63
5. Aus welchem Sinnzusammenhang wird betriebliche Frauenförderung in
den Unternehmen erklärt? ...64
6. Wie überzeugten die Initiatoren andere von der Notwendigkeit Frauen
zu fördern?...68
7. Welche Faktoren beeinflußten den Prozeß der betrieblichen
Frauenförderung? ...72
7.1. Rechtlicher Rahmen ...72
7.2. Arbeitsmarktsituation ...73
7.3. Branchenzugehörigkeit...74
7.4. Unternehmensgröße...75
7.5. Wirtschaftliche Situation...76
7.6. Konzernmitgliedschaft ...78
7.7. Belegschaft ...79
7.7.1. Frauenanteil...79
7.7.2. Qualifikationsniveau ...79
7.7.3. Altersstruktur ...80

Inhaltsverzeichnis
IV
7.8. Unterstützung durch PromotorInnen ...81
7.8.1. Unternehmensleitung ...81
7.8.2. Fach- und Führungskräfte ...82
7.8.3. Betriebsrat ...83
7.8.4. Belegschaft...84
7.8.5. Kunden ...84
7.9. Unternehmenskultur und Sensibilität ...85
7.10. Geschlechtsrollenstereotype...88
7.11. Subjektive Wahrnehmung...89
8. Was kann bezüglich der Ausgangsfragen festgestellt werden? ...91
D. W
ELCHE
S
CHLÜSSE KÖNNEN AUS DER
A
RBEIT GEZOGEN WERDEN
?...95
Abbildungsverzeichnis ...98
Literaturverzeichnis...99

A. Allgemeine Grundlagen
1
A. Allgemeine Grundlagen
1. Die Existenzfähigkeit der Unternehmen ist gefährdet
Die Umwelt des ausgehenden 20. Jahrhunderts ist geprägt von steigender Komplexität,
Diskontinuität und Dynamik. Verursacht wird diese Entwicklung durch zunehmende
Veränderungen auf gesellschaftlicher, technologischer, makro-ökonomischer, ökologi-
scher und politisch-rechtlicher Ebene. In diesem sich in einem permanenten Umbruch
befindenden Umfeld findet das Konzept des Strategischen Managements zunehmend
Eingang in die betriebliche Unternehmensführung.
Ziel des strategischen Managements ist die Gewährleistung des Unternehmensbestands
durch die Schaffung und die Erhaltung möglichst stabiler, nachhaltiger und einzigartiger
Wettbewerbsvorteile (vgl. Hoffmann/Klien/Unger, 1995, S.208). Dies erfolgt über die
Antizipation möglicher Umbrüche in der Umwelt sowie über die Ableitung der daraus
für die eigene Unternehmung resultierenden Konsequenzen. Dabei kann es sich um
mögliche Chancen oder Risiken handeln. Die Aufgabe des strategischen Managements
besteht nun darin, die besten Voraussetzungen, d.h. Erfolgspotentiale, für die Ergreifung
potentieller Gelegenheiten bzw. für die Vermeidung drohender Gefahren zu schaffen
und zu erhalten (vgl. Riedl, 1995, S.8ff).
Erfolgspotentiale können informationeller, struktureller, humaner, technologischer oder
finanzieller Natur sein und dienen der Generierung von Wettbewerbsvorteilen. Ihre
Gewinnung und Erhaltung sind Aufgabe der strategischen Planung, die der Entwicklung
von Strategien zur Erschließung neuer und zum Erhalt bereits bestehender Erfolgspoten-
tiale dient (vgl. Riedl, 1995, S.14ff, Hoffmann/Klien/Unger, 1995, S.207). Herzstück
der strategischen Planung ist die strategische Ausgangsanalyse, die eine Umwelt- und
eine Unternehmensanalyse beinhaltet. Erste dient der Identifikation des Chancen- und
Risikopotentials relevanter Umweltentwicklungen sowie der kritischen Erfolgsfaktoren
des Wettbewerbs; zweite untersucht die relativen, d.h. im Vergleich zu den wichtigsten

A. Allgemeine Grundlagen
2
Konkurrenten vorhandenen, Unternehmensstärken und ­schwächen (vgl. Stein-
mann/Schreyögg, 1997, S.154ff).
Die Ausgangsanalyse zeigt somit, welche Erfolgspotentiale zur Generierung von Wett-
bewerbsvorteilen erforderlich sind und ob das Unternehmen über diese verfügt bzw.
diese aufbauen und erhalten kann. Aufbauend auf diesen Informationen kann der opti-
male Weg, d.h. Strategie, zur Erschließung und zur Erhaltung der identifizierten Er-
folgsfaktoren festgelegt werden (vgl. Hoffmann/Klien/Unger, 1995, S.212, Stein-
mann/Schreyögg, 1997, S.156).
Einige in Österreich tätige Unternehmen haben das bisher weitgehend brachliegende
weibliche Arbeitskräftepotential als kritischen Faktor im Kampf um Wettbewerbsvortei-
le erkannt und setzen zu dessen Aufbau und Erhaltung betriebliche Frauenförderung ein.
Angesichts der geringen Zahl dieser frauenfördernden Betriebe, interessiert die Verfas-
serin der konkrete Antrieb des betrieblichen Engagements. Bewerten diese Unterneh-
mungen die sich abzeichnenden Umweltveränderungen bloß über oder stehen ihnen zu-
sätzliche Informationen über das Chancen- und Risikopotential der Umfeldentwicklung
zur Verfügung? Eines steht jedoch fest: In Anbetracht der sich verschärfenden Konkur-
renzsituation können Unternehmen es sich nicht leisten, Frauenförderung ausschließlich
aus sozialromantischen Motiven heraus zu betreiben.
Im Rahmen dieser Arbeit soll die tatsächliche Motivation dieser wenigen Unterneh-
mungen geklärt werden, welche die Unternehmen zur formalen Entscheidung für be-
triebliche Frauenförderung veranlaßte. Die zentralen Fragen der Arbeit lauten daher:
- Welche Motivationsfaktoren wirken im (Motivations-)Prozeß, der einer formalen
Entscheidung für betriebliche Frauenförderung vorausgeht?
- Welche Akteure spielen eine maßgebliche Rolle in diesem Motivationsprozeß?
- Welche Überzeugungstaktiken setzen diese Akteure zur Überzeugung der Entschei-
dungsträgerInnen ein?
Da nach eingehender Literaturrecherche festgestellt werden mußte, daß nicht ausrei-

A. Allgemeine Grundlagen
3
chend Information zur Bearbeitung dieses Themenbereichs vorliegt, wurde eine empiri-
sche Studie zur Beantwortung der offenen Fragen durchgeführt.
2. Ziele und Aufbau der Arbeit
Zur Beantwortung der zentralen Fragen, die im ersten Kapitel formuliert wurden, ver-
folgt diese Arbeit zwei Ziele:
- Theoretisches Ziel der Arbeit und Gegenstand des Theorieteils ist es, mögliche Mo-
tivationsfaktoren der betrieblichen Frauenförderung aus strategischer Sicht darzu-
stellen.
- Ziel der empirischen Erhebung ist es den Motivationsprozeß, der der formalen Ent-
scheidung zum Einsatz betrieblicher Frauenförderprogramme vorausging, qualitativ
in österreichischen, frauenfördernden Privatbetrieben zu untersuchen.
Zur Erreichung dieser beiden Ziele bedarf es zunächst der Klärung des Begriffs ,,Frau-
enförderung". Diese erfolgt in Kapitel 4, in dem eine Abgrenzung von Frauenförderung
erfolgt.
In Teil B. erfolgt eine Darstellung der Unternehmensumwelt sowie möglicher Verände-
rungen in dieser, die eine Implementation von Frauenförderung im engeren Sinne erfor-
derlich machen und deshalb als Motivationsfaktoren betrieblicher Frauenförderung be-
zeichnet werden können. Im Anschluß daran werden die Konsequenzen der erwarteten
Umweltentwicklung für die Unternehmungen dargestellt sowie ein Bedarf nach Frauen-
förderung im engeren Sinne abgeleitet.
Die Ergebnisse der empirischen Erhebung sind Gegenstand von Teil C. dieser Arbeit.
Einleitend wird dargestellt, auf welchen methodologischen Grundlagen die Untersu-
chung aufbaut. Nach Darstellung der verschiedenen Geschichten betrieblicher Frauen-
förderung in den befragten Unternehmungen werden die empirischen Ergebnisse der
Untersuchung präsentiert und zur Beantwortung der in Kapitel A.2. Die Existenzfähig-
keit der Unternehmen ist gefährdet gestellten zentralen Fragen der vorliegenden Arbeit

A. Allgemeine Grundlagen
4
herangezogen.
Zum Abschluß der Arbeit werden in Abschnitt D. die wichtigsten Ergebnisse des theore-
tischen und empirischen Teil der Arbeit zusammengefaßt. Darüber hinaus werden wei-
terführende Überlegungen für neue wissenschaftliche Untersuchungen zum Objektbe-
reich aufgezeigt.
3. Paradigmatische Grundlage der Arbeit
Bevor eine Einführung in die Thematik der vorliegenden Arbeit erfolgt, ist es zunächst
erforderlich die wissenschafts- und erkenntnistheoretischen Grundlagen, die dieser Ar-
beit zugrunde liegen sollen, zu klären.
Als paradigmatische Basis dieser Arbeit wurde das interpretative Paradigma gewählt.
Lamnek (1995a) bezeichnet dieses interpretative Paradigma als eine grundlagentheoreti-
sche Position, ,,die davon ausgeht, daß alle Interaktion ein interpretativer Prozeß ist, in
dem die Handelnden sich aufeinander beziehen durch sinngebende Deutung dessen, was
der andere tut oder tun könnte. Das interpretative Paradigma (...) begreift soziale Wirk-
lichkeit und damit den Gegenstandsbereich der Sozialwissenschaften als durch
Interpretationshandlungen konstruierte Realität. Gesellschaftliche Zusammenhänge, die
einer soziologischen Analyse unterworfen werden können, sind daher nicht objektiv
vorgegebene und deduktiv erklärbare ,,soziale Tatbestände", sondern Resultat eines
interpretationsgeleiteten Interaktionsprozesses zwischen Gesellschaftsmitgliedern".
Dies erfordert, daß soziale Phänomene und damit auch Frauenförderung nur in
Abhängigkeit von den sie konstruierenden Individuen gesehen werden können (vgl.
Lamnek, 1995a, S.43, Kasper, 1996, S.64).
Wissenschaftstheoretische Basis des interpretativen Paradigmas ist der Konstruktivis-
mus. Im Zentrum des konstruktivistischen Verständnisses steht die Einsicht, daß ,,Men-
schen immer nur mit ihren Erfahrungswirklichkeiten umgehen und nicht mit der Wirk-
lichkeit an sich" (vgl. Kasper, 1996, S.72). Für den Forschungsprozeß impliziert dies

A. Allgemeine Grundlagen
5
folgendes:
- Soziale Phänomene und damit auch der Gegenstandsbereich vorliegender Arbeit,
betriebliche Frauenförderung, können nicht unabhängig von den sie konstituieren-
den Individuen gesehen werden (vgl. Kasper, 1996, S.64)
- Die von der Forscherin ermittelten Daten und deren Erkenntnisse sind durch ihre
spezifische Identität und persönliche Situation geprägt und damit nicht unabhängig
von ihr, sondern durch ihre Theorie und ihre Meßinstrumente konstruiert" und kön-
nen somit keine unabhängige Prüfinstanz für die Theorie sein (vgl. Kasper, 1996,
S.64, Lamnek, 1995a, S.268).
Für die vorliegende Arbeit kann daher folgendes abgeleitet werden:
- Der im theoretischen Teil präsentierte Bezugsrahmen für die Motivationsfaktoren
der betrieblichen Frauenförderung stellt keine allgemeingültige Wahrheit, sondern
nur das Wirklichkeitsmodell der Verfasserin dar. Daneben gibt es weitere Möglich-
keiten die Motivation betrieblicher Frauenförderung in privaten Unternehmen dar-
zustellen.
- Bei der empirischen Erhebung stehen nicht nur die ,,objektiven" Fakten im Mittel-
punkt, sondern auch die durch die Interviewpartner vermittelte subjektive Wahr-
nehmung möglicher Motivationsfaktoren.
- Der Erkenntnisgewinn im Rahmen der empirischen Erhebung ist als interpretations-
geleiteter Interaktionsprozeß zu verstehen.
4. Der Begriff Frauenförderung wird oft mißverstanden
Dieses Kapitel soll helfen die Mißverständnisse zu beseitigen, die mit dem Thema Frau-
enförderung verbunden sind. Zur Klärung und Abgrenzung des Begriffs sollen Definiti-
onen von Chancengleichheit, Frauenförderung und Vereinbarkeit von Familie und Be-
ruf gegeben werden.

A. Allgemeine Grundlagen
6
4.1. Chancengleichheit
Chancengleichheit ist sicherlich jener Begriff, der im Zusammenhang mit der Ge-
schlechterthematik, wenn auch in den mannigfaltigsten Ausgestaltungsformen, am häu-
figsten als Zielvorstellung genannt wird (vgl. Arioli, 1991, S.37). So findet sich im
Frauenlexikon zum Begriff ,,Chancengleichheit" folgendes: ,,Chancengleichheit geht
von der gleichen Personenwürde der Menschen aus, wie sie der christlichen Position
und der Aufklärung entspricht. Das, was im Menschen angelegt ist, soll entfaltet wer-
den; gesellschaftlich, sozial und geschlechtsspezifisch verursachte Hindernisse sollen
beseitigt werden." Chancengleichheit zielt somit darauf ab Gerechtigkeit unabhängig
vom Geschlecht durch die Schaffung gleicher Voraussetzungen für die persönliche Ent-
faltung zu verwirklichen und die Fähigkeiten einer größtmöglichen Zahl an Personen
auszuschöpfen (vgl. Laurien, 1988, Sp.129ff).
Für das Erwerbsleben bedeutet die Umsetzung der Chancengleichheit, ,,daß sowohl die
männliche Normalbiographie als auch der ,,typisch" weibliche Lebenszusammenhang
Berücksichtigung finden". Denn nur unter diesen Bedingungen wären Frauen wie Män-
ner nicht länger weder von der traditionellen Rollenverteilung noch von der ge-
schlechtsspezifischen Arbeitsteilung in ihrer Entscheidung beeinflußt und hätten da-
durch tatsächlich die freie Wahl zwischen Partizipation an der Familienarbeit und Betei-
ligung am Berufsleben (vgl. Arioli, 1991, S.40).
Zur Realisierung dieses Zieles können zwei unterschiedliche Maßnahmenbündel einge-
setzt werden (vgl. Bendl, 1997, S. 11):
- Konkrete Maßnahmen zur Förderung von Frauen sowie
- Maßnahmen zur Veränderung der Lebensbedingungen von Frauen und Männern im
Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Maßnahmen zur Förderung von Frauen haben die direkte Förderung der beruflichen
Chancen von Frauen zum Ziel und werden deshalb unter dem Begriff ,,Frauenförde-
rung" zusammengefaßt. Durch den von Einsatz von Maßnahmen zur Verbesserung der

A. Allgemeine Grundlagen
7
Ausbildungs- und Einstellungspraxis sowie durch Vorschläge zu den Bereichen Auf-
stieg, Weiterbildung und Wiedereingliederung bewirkt Frauenförderung, daß mehr
Frauen im Unternehmen beschäftigt sind und bessere Beschäftigungs- und Aufstiegs-
chancen vorfinden (vgl. Lück/Boes, 1990, S.23f).
Das zweite Maßnahmenbündel bezweckt eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Fa-
milie, insbesondere bei Müttern. Diese Maßnahmen beschränken sich jedoch nicht nur
auf Frauen, sondern beziehen auch Väter mit ein, die ihre Vaterrolle wahrnehmen wol-
len; der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt hier auf der Gestaltung der Arbeitszeit und
der Unterstützung bei der Kinderbetreuung (vgl. Lück/Boes, 1990, S.24).
4.2. Frauenförderung
Der Begriff ,,Frauenförderung" ist in der Praxis oft negativ behaftet und wird häufig als
eine Art ,,karitativer Hilfe" für Frauen mißverstanden, die zu einer ungerechtfertigten
Bevorzugung von Mitarbeiterinnen und Bewerberinnen führt (vgl. Weg/Gotzes/Knapp,
1985, Krell, 1997 u.a.). Maßnahmen zur Förderung von Frauen stellen jedoch keines-
wegs Sonderprogramme für das ,,schwache Geschlecht" dar, sondern bezwecken den
Abbau der strukurellen Ungleichheit und der Benachteiligung von Frauen auf betriebli-
cher Ebene (vgl. Hubacher, 1991, S.81).
Programme zur Förderung von Frauen können auf zwei unterschiedlichen Ebenen, der
staatlichen und der betrieblichen, ansetzen und lassen sich in der Folge in zwei Katego-
rien unterteilen: Frauenförderung im weiteren Sinne umfaßt Zielsetzungen und Maß-
nahmen auf gesellschaftlicher, politischer und gesetzlicher Ebene; Frauenförderung im
engeren Sinne bezeichnet hingegen die Implementation und Umsetzung konkreter Maß-
nahmen auf betrieblicher Ebene (vgl. Bendl, 1997, S.12, Arioli, 1991, S.142).
4.2.1. Frauenförderung im weiteren Sinne
Frauenförderung im weiteren Sinne bezweckt allgemein die Verwirklichung der Gleich-

A. Allgemeine Grundlagen
8
stellung von Frau und Mann in allen gesellschaftlichen Bereichen. Die konkreten Ziel-
setzungen, die tatsächlich mit Hilfe von Frauenförderkonzepten realisiert werden sollen,
können jedoch mitunter sehr unterschiedlicher Natur sein. Als mögliche Ziele nennt A-
rioli (1991, S.135f):
- die Aufdeckung bestehender Gleichstellungsdefizite von Frauen,
- einen Beitrag zur Bewußtseinsbildung leisten,
- die Förderung eines Umdenkprozesses in der Gesellschaft als wesentliche Voraus-
setzung für die Beseitigung der geschlechtsspezifischen Rollenfestschreibung,
- der Abbau geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung in Beruf, Familie und Gesell-
schaft,
- die Förderung der Integration der Frauen in alle Bereiche und Ebenen des Erwerbs-
lebens sowie
- die Integration der Männer in die Familienarbeit.
Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele können in den Bereichen Wirtschafts- und Tech-
nologie-, Arbeitsmarkt-, Bildungs- sowie Sozial- und Gesellschaftspolitik ansetzen.
Frauenförderung im weiteren Sinne darf jedoch nicht als Ersatz für betriebliche Frauen-
förderung mißverstanden werden, sondern ergänzt diese durch die Schaffung optimaler
Rahmenbedingungen (vgl. Knapp/Weg, 1985, S.154ff, Scheinecker, 1991, S.136f).
4.2.2. Frauenförderung im engeren Sinne ­ Betriebliche Frauenförderung
Die Literatur bietet eine Vielzahl von Definitionen des Begriffs ,,Frauenförderung", die
zum Teil unterschiedliche Aspekte beleuchten und verschiedene Ziele verfolgen. Viele
Erklärungsansätze nehmen jedoch bezug auf die Definition von Krebsbach-Gnath/
Schmid-Jörg (1985 und 1988). Diese verstehen Frauenförderung als ,,eine bewußte und
gezielte unternehmensspezifische Personalplanung und ­politik, die das Ziel hat, breite-
re Personalressourcen effizienter zu nutzen. Es sind Maßnahmen oder Programme,
- die helfen, die vorherrschenden personalpolitischen Entscheidungsmuster ,,bei glei-
cher Qualifikation für den männlichen Bewerber" aufzubrechen und möglicherweise

A. Allgemeine Grundlagen
9
auch einmal für eine befristete Zeit umzukehren,
- die der Tatsache Rechnung tragen, daß es viele qualifizierte und motivierte Frauen
gibt, deren berufliche Chancen an sozialen Vorurteilen, die vielfach die betriebliche
Personalarbeit leiten, scheitern,
- die den Zugang zu einem größeren Spektrum an qualifiziertem Personal eröffnen,
- die den Entscheidungsträgern im Unternehmen helfen, bewußte und unbewußte,
willkürliche und unwillkürliche Benachteiligungen von Frauen im Arbeitsleben ab-
zubauen" (vgl. Krebsbach-Gnath/Schmid-Jörg 1985, S.9 und 1988, S.187f).
Frauenförderungsmaßnahmen umfassen Bereiche wie z.B. Personalwerbung, -auswahl
und -einstellung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Karriereplanung, Arbeits-
bewertung, Entlohnung, Vereinbarung von Familie und Beruf oder Wiedereinstieg (vgl.
Krebsbach-Gnath/Schmid-Jörg, 1985, S.9 und 1988, S.188). Da diese Aktionen auf
grundsätzliche strukturelle und personelle Veränderungen abzielen, können Maßnahmen
zu Förderung von Frauen als Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen in-
terpretiert werden.
Dieser Auffassung ist auch Zauner (1990), die Frauenförderung als ,,Sonderform der be-
trieblichen und überbetrieblichen Entwicklung der Organisation und des Personals" be-
schreibt. Ihr Ziel ist die Beseitigung von Berufs- und Karrierehemmnissen sowie von
Barrieren, denen sich Frauen in der betrieblichen Praxis gegenüber sehen. Dies soll
durch die Verbesserung der individuellen Qualifikationen von Frauen, die Veränderung
der gesamten Organisation, die Schaffung struktureller Regelungen sowie durch die
Veränderung der Einstellungen und Haltungen der Organisationsmitglieder gegenüber
Frauen erreicht werden. Durch Maßnahmen der Frauenförderung realisieren Unterneh-
mungen gleiche berufliche Chancen für männliche und weibliche Mitarbeiter sowie die
tatsächliche Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern und ermöglichen so eine
nachhaltige effiziente Nutzung des gesamten verfügbaren Arbeitskräftepotentials (vgl.
Zauner, 1990, S.31f).
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß betriebliche Frauenförderung darauf abzielt

A. Allgemeine Grundlagen
10
durch den Abbau von Barrieren Frauen den Zugang zu qualifizierten Ausbildungs- und
Beschäftigungsverhältnissen zu eröffnen und sie in gleichem Maße wie männliche Mit-
arbeiter bei ihrer beruflichen (Weiter-)Entwicklung zu unterstützen. Der Erfolg von
Frauenförderungsmaßnahmen wird primär durch eine Zunahme der Frauen auf allen
Hierarchieebenen im Unternehmen sichtbar. Damit diese Entwicklung auch von Dauer
ist, muß sie zur Normalität im betrieblichen Alltag werden und nicht Alibifunktion ha-
ben (vgl. Zauner, 1990, S.64).
Wie Bendl (1997) bemerkt, stehen im Zentrum der vorhandenen Definitionen immer
mögliche Vorteile für Frauen (und Männer), während jedoch die potentiellen Vorteile,
die Unternehmen aus der Implementation von Frauenförderprogrammen erwachsen
können, vernachlässigt werden (vgl. Bendl, 1997, S.21). Deshalb nimmt Bendl eine
Neudefinition der betrieblichen Frauenförderung vor: ,, Betriebliche Frauenförderung ist
eine bewußt und gezielt eingesetzte Unternehmensstrategie, verbunden mit operationa-
len Maßnahmen und Ergebniskontrolle im Rahmen der Organisationsentwicklung und
des betrieblichen Funktionsbereiches Personal. Ziel ist es,
- einerseits die Personalressourcen und die damit verbundenen Veränderungen der
Mitarbeiterinnenqualifikationen und der Organisationskultur für das Unternehmen
effizienter bzw. effektiver zu nutzen und
- andererseits frauenspezifische Benachteiligungen im Unternehmen auszugleichen
bzw. abzubauen, um Chancengleichheit für Frauen im Unternehmen zu verwirkli-
chen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowohl für Frauen als auch für
Männer einzuführen" (vgl. Bendl, 1997, S.22).
In Anlehnung an Bendl und unter Einbeziehung des Konzepts des strategischen Mana-
gements (s.a. Kapitel A.1) wird dieser Arbeit folgendes Verständnis betrieblicher Frau-
enförderung zugrundegelegt:
Die betriebliche Förderung von Frauen ist eine bewußt und gezielt eingesetzte Unter-
nehmensstrategie, verbunden mit operationalen Maßnahmen und Ergebniskontrolle. Ihr
Ziel ist die Erschließung und der Erhalt des strategischen Erfolgspotentials ,,weibliche

A. Allgemeine Grundlagen
11
Arbeitskraft" zur Sicherung und Stärkung der unternehmerischen Wettbewerbsfähig-
keit. Betriebliche Frauenförderung wird deshalb als Instrument der strategischen Un-
ternehmensführung verstanden, das es dem Unternehmen ermöglichen soll die aus dem
Unsicherheitspotential der turbulenten Umwelt resultierenden potentiellen Chancen zu
ergreifen bzw. drohenden Risiken zu vermeiden.
Diese Definition soll der Auffassung der Verfasserin Rechnung tragen, daß Unterneh-
men angesichts der aktuellen Konkurrenzsituation Frauenfördermaßnahmen nicht aus
gesellschaftspolitischen Idealen heraus implementieren, sondern daß dahinter primär
wirtschaftliches Interesse steht. Das schließt nicht aus, daß bei der Entscheidung zur be-
trieblichen Frauenförderung ethische Faktoren Bedeutung haben können. Solche sind
jedoch nicht ausschlaggebend für die Entscheidung.
4.3. Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Ergänzend soll unter diesem Punkt eine Definition des Begriffes ,,Vereinbarkeit von
Familie und Beruf" erfolgen, da die Erreichung echter Chancengleichheit im Unterneh-
men neben Frauenförderungs- auch Vereinbarkeitsmaßnahmen bedarf. Da sich die Fra-
gestellung der vorliegenden Arbeit auf den Bereich der Frauenförderung beschränkt,
soll nachfolgend nur ein Überblick über die Intention und die möglichen Handlungsfel-
der der betrieblichen ,,Vereinbarkeitspolitik" gegeben werden.
Das Ziel betrieblicher Vereinbarkeitsprogramme ist die Aufhebung des Spannungsfel-
des zwischen den beiden konkurrierenden Bereichen Beruf und Familie, das als eines
der größten Hemmnisse der weiblichen Karriereentwicklung gilt (vgl. Wunderer/Dick,
1997, S.16). Dies soll erreicht werden, indem sowohl Frauen als auch Männern die
Möglichkeit geboten wird diese Lebensbereiche besser miteinander vereinbaren zu kön-
nen. Dies ermöglicht Unternehmen verstärkt hochqualifizierte weibliche Mitarbeiter an-
zuwerben und zu halten (vgl. Wunderer/Kuhn, 1995, S.344ff, Schwerdtner, 1993,
S.138).

A. Allgemeine Grundlagen
12
Der Schwerpunkt der betrieblichen Vereinbarkeitsregelungen liegt auf folgenden Maß-
nahmenbereichen (vgl. Wunderer/Kuhn, 1995, S. 344ff , Zanol, 1993, S. 30ff):
- Maßnahmen zur Fort- und Weiterbildung während des Karenzurlaubs,
- Kontaktpflege während der Familienphase,
- Wiedereinstellungszusagen bzw. Arbeitsplatzgarantien für karenzierte Mitarbeite-
rInnen,
- Unterstützung bei der Kinderbetreuung,
- Angebot qualifizierter Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten oder anderer alternati-
ver Arbeitsformen für Positionen auf allen hierarchischen Ebenen sowie
- Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeitregelungen.
Angebote zur besseren Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf müssen den Angehöri-
gen beider Geschlechter offenstehen und zwar formal wie auch faktisch. Eine Ein-
schränkung auf weibliche Mitarbeiter würde sich hinderlich für diese auswirken, da sie
zur Fortsetzung der Festschreibung der Frauen auf Hausarbeit und Kinderbetreuung bei-
tragen würde (vgl. Krell, 1997, S.144 und Wunderer/Kuhn, 1995, S.344).
Nach Definition von Chancengleichheit, Frauenförderung und Vereinbarkeit von Fami-
lie und Beruf ist darauf hinzuweisen, daß in der Praxis keine klare Trennung zwischen
diesen einzelnen Begriffen erfolgt. So werden auf unternehmerischer Ebene Frauenför-
derprogramme implementiert, die sich bei genauer Betrachtung der zugrunde liegenden
Ziele und der umzusetzenden Maßnahmenkataloge als Programme zur besseren Verein-
barkeit von Familie und Beruf erweisen.

B. Konzeptioneller Bezugsrahmen
13
B. Konzeptioneller Bezugsrahmen
1. Das betriebliche Umfeld verändert sich
In diesem Kapitel soll ein Überblick über die aktuellen und die zu erwartenden
Entwicklungen in der globalen Umwelt der Unternehmungen sowie über die daraus für
Unternehmen resultierenden Konsequenzen gegeben werden. Zur besseren
Übersichtlichkeit der Darstellung wird in Anlehnung an die traditionelle strategische
Umweltanlayse eine Unterteilung des Umfelds in folgende Bereiche vorgenommen
(vgl. Kreilkamp, 1987, S.69ff):
- technologische Umwelt,
- soziokulturelle Umwelt,
- rechtlich-politische Umwelt und
- makro-ökonomische Umwelt.
Dieses Klassifizierungsschema stellt jedoch nur eine idealtypische Betrachtungsweise
dar; in der Realität sind die Grenzen zwischen den einzelnen Umweltsegmenten auf-
grund bestehender Interdependenzen fließend (vgl. Kreilkamp, 1987, S.69ff).
1.1. Das technologische Umfeld
Seit einigen Jahrzehnten stellt der technologische Fortschritt die Unternehmungen vor
wesentliche Herausforderungen, da es in immer kürzeren Intervallen zur bahnbrechen-
den Neuerungen auf dem Gebiet der Technik kommt. Der technische Fortschritt tangiert
nicht nur die Betriebe, sondern auch die gesamte Gesellschaft: Diese entwickelt sich
von der Industrie- zur Informations- und Dienstleistungsgesellschaft.
1.1.1. Die Gesellschaft wird zur Informationsgesellschaft
Die wohl bedeutendste Basistechnologie der neunziger Jahre war die Mikroelektronik,

B. Konzeptioneller Bezugsrahmen
14
die auf den verschiedensten Gebieten Fortschritte ermöglichte und somit alle Lebensbe-
reiche des Menschen tangiert (vgl. Hoss, 1996, S.632). Die wichtigsten Technologien,
die aus der Mikroelektronik hervorgingen, sind (vgl. Wunderer/Kuhn, 1993, S.41):
- Computer Integrated Manufacturing (CIM), inklusive Robotik,
- Sprach-, Bild- und Mustererkennung,
- Expertensysteme,
- Telekommunikation und
- Bürokommunikationssysteme.
Für die Zukunft werden weitere Entwicklungsschübe auf den Gebieten der Informati-
ons- und der Datenverarbeitung erwartet. Diese erhöhen und erleichtern die Kommuni-
kationsmöglichkeiten der Unternehmen auf betriebsinterner sowie auf globaler Ebene
deutlich, indem sie Betriebe befähigen, eine immer größer und komplexer werdende
Flut von Informationen zu sammeln und zu verarbeiten (vgl. Hoss, 1996, S.632, Glau-
bitz/Krug, 1999, S.28). Experten sprechen in diesem Zusammenhang von einer verän-
derten Gesellschaft, die vom Stadium der Industriegesellschaft ins Stadium der Informa-
tionsgesellschaft übergeht (vgl. Henes-Karnahl, 1988, S.48, Wuppertaler Kreis e.V.,
1992, S.13).
Um die Chancen realisieren zu können, die die technologischen Errungenschaften im
Informations- und Kommunikationsbereich eröffnen, bedarf es ausgeprägter Kommuni-
kationsfähigkeit und ­bereitschaft sowie der Fähigkeit zu eigenständigem und eigenver-
antwortlichem Handeln auf allen Unternehmensebenen (vgl. Henes-Karnahl, 1988,
S.49, Glaubitz/Krug, 1999, S.28). Diese ,,neuen" Kompetenzen implizieren einen Trend
zum Einsatz höher qualifizierter MitarbeiterInnen auf allen betrieblichen Stufen. Ver-
stärkt wird diese Entwicklung durch die zunehmende Automatisierung der Produktion,
die einen erhöhten Abbau unqualifizierter Arbeitskräfte erwarten läßt. Während manuel-
le Arbeitsleistung abnimmt, erlangen Steuerungs- und Überwachungsfunktionen an Be-
deutung (vgl. Hoss, 1996, S.632, Wuppertaler Kreis e.V., 1992, S.13).

B. Konzeptioneller Bezugsrahmen
15
In Anbetracht dieser erhöhten Kommunikationsanforderungen bedarf es eines Unter-
nehmensdesigns, das diesen veränderten Bedingungen gerecht wird und die Kommuni-
kation im Unternehmen unterstützt und eine beschleunigte Reaktion auf empfangene
Daten ermöglicht. Zu diesem Zweck wird das Lean Management-Konzept eingesetzt,
dessen Ziel die Verbesserung der Flexibilität von Unternehmungen im Sinne einer ho-
hen Anpassungsfähigkeit an Veränderungen im betrieblichen Umfeld ist (vgl. Hoss,
1996, S.632, Klotz, 1995a, S.11). Lean Management erfordert eine flexible Gestaltung
der Betriebsorganisation sowie eine Abschlankung der bestehenden hierarchischen
Strukturen, die Unternehmungen erstarren und träge werden lassen. Maßnahmen, die im
Rahmen von Lean Management implementiert werden, verfolgen deshalb eine
Umstrukturierung der Aufbauorganisation, der Prozesse und der Belegschaft. Wichtiges
Instrument ist der Einsatz von Projektteams und Arbeitsgruppen sowie die Etablierung
einer Informationskultur, die eine problemlose Zusammenarbeit innerhalb und zwischen
einzelnen Teams gewährleisten soll (vgl. Priddat, 1996, S.25, Weiss, 1994, S.254).
Diese Neuorganisation verstärkt die durch die Entwicklung zur Informationsgesellschaft
bereits zunehmende Bedeutung der Kommunikationsfähigkeit von MitarbeiterInnen und
Vorgesetzten. Weiters stehen Qualitäten wie Aufgeschlossenheit, Sensibilität für soziale
Beziehungen und Respekt für die Fähigkeiten anderer im Vordergrund. Erforderlich
bleibt dennoch auch weiterhin die fachliche Qualifikation, da Teams in Zukunft mehr
Entscheidungsverantwortung übertragen wird (vgl. Weiss, 1994, S.255, Klotz, 1995a,
S.11ff, Priddat, 1996, S.25).
1.1.2. Der technologische Fortschritt bewirkt einen strukturellen Wandel
Die Entwicklungen auf dem Gebiet der Technologie bewirken neben der Entstehung der
Informationsgesellschaft auch einen strukturellen Wandel, der als ,,Tertiarisierung" be-
zeichnet wird. Wie Abbildung 1 zeigt, kommt es zu einer Verlagerung der Beschäfti-
gung vom primären und sekundären Sektor auf den Dienstleistungsbereich.

B. Konzeptioneller Bezugsrahmen
16
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
Primär
Sekundär
Tertiär
Entwicklung der Beschäftigtenzahlen nach Sektoren
1971
1981
1991
2000
Abbildung 1: Entwicklung der Anteile der Beschäftigten nach Wirtschaftssektoren
(Quelle: Lassnigg/Prenner/Steiner, 1999, S.11)
Während das Beschäftigungsniveau in der Land- und Forstwirtschaft sowie im produ-
zierenden Gewerbe aufgrund von Produktivitätssteigerungen im Verlauf der letzten
Jahrzehnte sank, waren bereits 1998 rund zwei Drittel aller Arbeitskräfte im tertiären
Sektor beschäftigt (vgl. Weinzierl, 1998, S.201). Ein Blick auf die Entwicklung der Be-
schäftigten im Dienstleistungsbereich zeigt, daß vor allem die sekundären Dienstleis-
tungen an Bedeutung gewonnen haben. Unter diese Begriff werden qualifizierte und be-
triebsbezogene Dienstleistungen wie Forschung und Entwicklung, Management und
Organisation sowie Betreuen, Beraten und Lehren zusammengefaßt (vgl. Engelbrech,
1993, S.79). Laut Wirtschaftsprojektionen werden im Jahr 2010 fast 38% der unselb-
ständig Beschäftigten mit solchen sekundären Dienstleistungen betraut sein (vgl. Butt-
ler/Tessaring, 1994, S.317).
Ursache dieser Entwicklung ist, wie bereits erwähnt, der technologische Fortschritt, der
zu einer fortschreitenden Verkürzung der Produktlebenszyklen führt und so die unter-
nehmerischen Aufgaben Forschung und Entwicklung, die der Schaffung neuer Produkte
dienen, aufwertet. Da durch dieses zunehmende Innovationstempo vorhandenes Mitar-
beiterInnenpotential relativ rasch veraltet, erlangen Tätigkeitsfelder wie Beratung, Be-

B. Konzeptioneller Bezugsrahmen
17
Betreuung und Lehren höheren Stellenwert (vgl. Hoss, 1996, S.632). Dieser Trend wird
durch die steigende Lebenserwartung und die Zunahme des Anteils der älteren Bevölke-
rung verstärkt, da dadurch personen- und gesellschaftsbezogene Dienstleistungen wie
Pflege, Versorgung und Betreuung älterer Menschen erforderlich werden (vgl. Schrei-
lechner, 1993, S.32ff, Engelbrech, 1993, S.79 ). Auf der anderen Seite ist in Zukunft bei
den unqualifizierteren primären Dienstleistungen, dazu gehören Tätigkeiten im Verkauf,
sowie einfache Büro- und Labortätigkeiten, mit sinkender Beschäftigung zu rechnen.
Die Entstehung der postindustriellen Dienstleistungsgesellschaft impliziert eine Verän-
derung der Qualifikations- und Tätigkeitsprofile der Beschäftigten in Richtung sozialer
und kreativer Fähigkeiten (vgl. Hoss, 1996, S.236). Aufgrund der zunehmenden Bedeu-
tung der sekundären Dienstleistungen steigt die Nachfrage nach höher qualifizierten
MitarbeiterInnen zu Lasten schlechter qualifizierter Arbeitskräfte (vgl. Hahn, 1998,
S.695, Buttler/Tessaring, 1994, S.319).
Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß der fortschreitende Einsatz neuer
Technologien im Fertigungs- und Bürobereich eine deutliche Veränderung der Arbeits-
plätze und ­inhalte bewirkt. Aufgrund des verstärkten Einsatzes von Teams und der
Ausweitung des Dienstleistungsbereichs verlangen Unternehmen in Zukunft von Mitar-
beiterInnen und Vorgesetzten Qualifikationen wie Kommunikationsfähigkeit und sozia-
len Umgang mit anderen. Daneben steigen in Folge der Übertragung von Verantwor-
tung an Teams auch die fachlichen Anforderungen an die Beschäftigten. Deshalb wird
künftig mit einem steigenden Anteil höher qualifizierter MitarbeiterInnen sowie mit
stagnierender Beschäftigung weniger qualifizierter Arbeitskräfte gerechnet (vgl. Just,
1991, S.1).
1.2. Das sozio-kulturelle Umfeld
Das gesellschaftliche Umfeld beeinflußt das verfügbare Arbeitskräftepotential der Un-
ternehmen sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht. Verantwortlich da-
für sind vor allem die verbreiteten gesellschaftlichen Wertsysteme, die demographische

B. Konzeptioneller Bezugsrahmen
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Struktur sowie das Bildungssystem. Nachfolgende Ausführungen sollen einen kurzen
Überblick über die Entwicklung dieser zentralen Faktoren liefern.
1.2.1. Die Werte der Gesellschaft haben sich geändert
Verschiedene Ergebnisse der empirischen Sozialforschung weisen auf einen Wertewan-
del bzw. einen Wertewandlungsschub hin. Dieser setzte Anfang der sechziger Jahre ein
und prägte ein neues Wertsystem in der Gesellschaft (vgl. Klages, 1991, S.57).
Bevor Aussagen zu diesem Wertewandel gemacht werden können, muß der Begriff
,,Wert" erklärt werden: Im Handwörterbuch der Führung werden Werte als ,,die in einer
Gesellschaft geteilten Auffassungen von Wünschenswertem" definiert. Weiters heißt es,
Werte ,,liegen an der Schnittstelle zwischen der Gesellschaft und dem Individuum. Ihre
Repräsentanz beim einzelnen wird als Werthaltung oder ­orientierung bezeichnet". Von
einem Wandel der Werte bzw. Wertorientierungen spricht man, wenn sich ,,neue" Wer-
te in der Gesellschaft bilden und andere verschwinden, wenn die Intensität bestimmter
Werte zu- bzw. abnimmt oder die Präferenzfolge sich ändert (vgl. Rosenstiel, 1995,
Sp.2175).
Die drei wichtigsten Vertreter der sogenannten ,,Wertewandelsthese" sind Elisabeth
Noelle-Neumann, Ronald Inglehart und Helmut Klages. Noelle-Neumann interpretiert
den Wandel der Werte negativ, indem sie ihn als Verfall der Arbeitsmoral und der bür-
gerlichen Tugenden wie Pflichtbewußtsein, Ordnungsliebe, Fleiß und Disziplin deutet
(vgl. Rau, 1995, S.162, Hendrich, 1992, S.148).
Inglehart sieht im Wertewandel eine Verlagerung des Schwerpunkts von materiellen
Werten, darunter werden wirtschaftliche und physische Sicherheit verstanden, zu post-
materiellen Werten wie z.B. Selbstverwirklichung, Partizipation und Persönlichkeit.
Damit bewirkt der Wertewandel eine positive Wendung. Primäre Ursache ist die hoch-
gradige Befriedigung der materiellen Werte in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg
(vgl. Autenrieth, 1996, S.8f, Hendrich, 1992, S.148).

B. Konzeptioneller Bezugsrahmen
19
Klages´ Interpretation läßt sich mit folgender Kurzformel beschreiben: ,,Von Pflicht-
und Akzeptanzwerten zu Selbstentfaltungswerten" (vgl. Klages, 1991, S.59). Pflicht-
und Akzeptanzwerte umfassen Werte wie Disziplin, Gehorsam, Akzeptanz, Sicherheits-
orientierung und Pflichterfüllung; unter Selbstenfaltungswerten werden Autonomie,
Hedonismus, Selbstentfaltung, Gleichheit und idealistisches Engagement subsumiert
(vgl. Klages, 1991, S.73, Rau, 1995, S.162f). Die Kurzformel darf jedoch nicht miß-
verstanden werden. Der Wertewandel, wie ihn Klages versteht, führt nicht zur Auslö-
schung der Pflicht- und Akzeptanzwerte, sondern zu einer Verschiebung der Präferen-
zen zugunsten der Selbstentfaltungswerte (vgl. Wunderer/Kuhn, 1993, S.24).
Trotz unterschiedlicher Interpretationsansätze besteht bezüglich folgender Punkte Ei-
nigkeit unter den Sozialforschern (vgl. Rau, 1995, S.163f):
- Träger des Wertewandels sind hauptsächlich die ,,jungen Gebildeten"; der Werte-
wandel darf jedoch nicht als reines ,,Jugendphänomen" verstanden werden,
- die Auswirkungen des Wertewandels manifestieren sich vor allem in einer geänder-
ten Arbeits- und Leistungsmotivation und
- der Wertewandel erstreckt sich auf die westlichen Industrieländer.
Zusammenfassend können die Auswirkungen des strukturellen Wertewandels durch den
Satz ,,Arbeiten, um zu leben" auf den Punkt gebracht werden. Dies soll zum Ausdruck
bringen, daß der Wertewandel in den westlichen Industriegesellschaften eine Verände-
rung der Einstellung vor allem der jüngeren Bevölkerungsschichten zur Arbeit hervor-
ruft. Arbeit wird nicht länger als zentraler Aspekt der Lebensplanung gesehen, sondern
bekommt Konkurrenz von den außerberuflichen Bereichen Familie und Freizeit (vgl.
Hoss, 1996, S.633, Rückle, 1994, S.162). Diese Umorientierung bewirkt eine sinkende
Bereitschaft vieler Erwerbstätiger, 60 bis zu 70 Stunden pro Woche zu arbeiten, sowie
eine Veränderung der Erwartungen an Arbeitsinhalte. Menschen werden im Berufsleben
anspruchsvoller und sehen Arbeit nicht mehr als Pflicht, sondern erwarten human zu-
mutbare und inhaltlich sinnvolle Beschäftigung. Für Mitarbeiter werden Kriterien wie
Verantwortung, Mitbestimmung, interessante und abwechslungsreiche Tätigkeiten oder

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2000
ISBN (eBook)
9783832451752
ISBN (Paperback)
9783838651750
DOI
10.3239/9783832451752
Dateigröße
782 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Wirtschaftsuniversität Wien – unbekannt
Erscheinungsdatum
2002 (März)
Schlagworte
frauenförderung qualitatives interview empirie strategie
Produktsicherheit
Diplom.de
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