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"Welche Farbe hat denn Ihr Strom?" oder: Wie entsteht ökologisch motiviertes Konsumverhalten?

Eine empirisch orientierte Studie zu Faktoren für die ökologisch motivierte Auswahl des Energieanbieters auf dem liberalisierten Berliner Strommarkt

©2001 Diplomarbeit 280 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Diplomarbeit „Welche Farbe hat denn Ihr Strom“ ist in ihrem Kernstück eine qualitativ-empirische Studie zum individuellen Umgang mit dem liberalisierten Strommarkt. Es ging mir darum, einen Erklärungsansatz zu entwickeln, warum sich die Bereitschaft, den Stromanbieter zu wechseln - und hier insbesondere, den Anbieter nach ökologischen Kriterien auszuwählen - zum Zeitpunkt meiner Untersuchung (Sommer bis Herbst 2000) in ausgesprochen bescheidenem Rahmen bewegte. Dieser Frage bin ich anhand der exemplarischen Befragung von insgesamt 24 Personen, WechslerInnen wie Nicht-WechslerInnen, nachgegangen. Durchgeführt wurde die Erhebung in Berlin.
Gang der Untersuchung:
Die sehr umfangreich ausgefallene Arbeit besteht aus zwei Teilen, die - je nach Interessenschwerpunkt - auch unabhängig voneinander gelesen werden können. Daher sind in der pdf-Version Lesezeichen eingefügt, um schnell und problemlos im Text navigieren zu können. Als kleiner Wegweiser soll ein Auszug aus der Einleitung dienen:
Der erste Teil umfasst die Kapitel 1-3. Diesen Part habe ich „Plädoyer für Ökostrom“ genannt. Daran schließt sich in den Kapiteln 4-7 meine eigentliche Studie „Welche Farbe hat denn Ihr Strom“ an. Ich hätte sicher auch schneller in meine Untersuchung einsteigen können. Aber sowohl der Strommarkt als auch das spezielle Marktsegment „Grüner Strom / Ökostrom“ sind derart neue Phänomene, dass ich erst einmal zusammenfassend darstellen wollte, welche komplexen Problemzusammenhänge den Hintergrund bilden.
Zum Einstieg befasse ich mich im 1. Kapitel mit Begriffen wie „Umweltschutz“, „Ökologie“ und „Nachhaltigkeit“. In der zweiten Hälfte des Kapitels stelle ich dar, welche ökologischen Probleme ich hinsichtlich der Energieversorgung im Blick habe. Ich beschreibe das Problempotential und weise auf notwendige Veränderungen hin.
Im 2. Kapitel beziehe ich die zuvor eher grundsätzlich gehaltene Problemanalyse konkret auf die Stromerzeugung. Eine Fülle ausgewählt zusammengestellter Daten zu Erzeugung und Verbrauch von Strom soll zur Veranschaulichung der Dimensionen dienen, in denen sich ein Umbau der Energieversorgung bewegen müsste. Des Weiteren erläutere ich jeweils knapp die derzeit gebräuchlichen Stromerzeugungsformen sowie die bekannten regenerativen Energiequellen.
Mit einem Exkurs zur Geschichte der Liberalisierung des Strommarktes beginnt das 3. Kapitel. Meine Schilderung des „Vorher“ und „Nachher“ mündet jeweils in einer Analyse der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 5044
Tönjes, Andrea: "Welche Farbe hat denn Ihr Strom?" oder: Wie entsteht ökologisch motiviertes
Konsumverhalten?: Eine empirisch orientierte Studie zu Faktoren für die ökologisch motivierte
Auswahl des Energieanbieters auf dem liberalisierten Berliner Stromm - Hamburg: Diplomica
GmbH, 2002
Zugl.: Berlin, Technische Universität, Diplom, 2001
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Inhalt 1
1
Inhalt:
Vorwort
5
Einleitung 7
TEIL I
1
Die Geschichte vom Sägen am Ast? 13
1.1
Was sind ,,ökologische Motive"? 13
1.1.1
Alles Umwelt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.1.1.2 Mensch versus Natur - Natur versus Mensch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
1.1.2
Von Naturschutz & Umweltschutz zum Leitbild ,,Nachhaltigkeit" . . . . . . . . . . . . 17
1.2
Warum Nachhaltigkeit - Sägen wir am eigenen Ast? 19
1.2.1
Nachhaltige Probleme: Energieverbrauch im fossil-nuklearen Zeitalter . . . . . . . . . 21
1.2.2
Globale Klimaveränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
1.2.2.1 Der natürliche Treibhauseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
1.2.2.2 Der anthropogene Treibhauseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
1.2.2.3 Ein Prozess mit unkalkulierbaren Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
1.3
Klimaschutzziele - Auf dem besten Weg in die Zukunft? 31
1.4
Glossar 33
1.5
(Tabelle: Umweltfolgen der Gewinnung verschiedener fossiler Energieträger)
35
2 Strom: Ein ganz besonderer Saft 37
2.1
Exkurs: Daten und Fakten zu Energienutzung und Erzeugung
37
2.1.1
Allgemeines zu Elektrizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
2.1.2
Allgemeines zu Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2.1.3
Strom im Netz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
2.1.4
Nutzung elektrischer Energie in Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
2.1.5
Erzeugung elektrischer Energie in Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.2
Stromproduktion: Konventionelle Erzeugungsformen 43
2.2.1
Kernenergie: Visionen von gestern & Konsequenzen für die Ewigkeit . . . . . . . . . . 44
2.2.2
Fossile Energieträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
2.2.2.1 Begrenzte Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
2.2.2.2 Unterschiedlich potente Klimakiller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
2.2.3
Eine Frage der Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
2.2.4
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2.3
Stromproduktion: Erneuerbare Energien 53
2.3.1
Windenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
2.3.1.1 Windenergie & potentielle ökologische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . 54
2.3.2
Wasserkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
2.3.2.1 Speicherkraftwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
2.3.2.2 Laufwasserkraftwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
2.3.2.3 Wasserkraft & potentielle ökologische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . 57
2.3.3
Solarenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
2.3.3.1 Photovoltaik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
2.3.3.2 Photovoltaik & potentielle ökologische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . 60
2.3.4
Biomasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
2.3.4.1 Biogas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
2.3.4.2 Biomasse, Biogas & potentielle ökologische Konsequenzen . . . . . . . . . . . 63

Inhalt 2
2
2.3.5
Geothermie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
2.3.5.1 Geothermie & potentielle ökologische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . 65
2.3.6
Fazit und Einschätzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
2.3.6.1 Potentiale und Machbarkeitserwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
3
Jetzt neu im Angebot: Ökostrom 69
3.1
Exkurs: Vom Gebietsmonopol zum liberalisierten Strommarkt
70
3.1.1
Monopole und Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
3.1.1.1 Die Stromversorgung in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
3.1.2
Die gesamtdeutsche Energiebranche nach 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
3.1.2.1 Privatisierung und Aufteilung der ostdeutschen Stromwirtschaft . . . . . . 74
3.1.2.2 Privatisierung als haushaltspolitische Maßnahme - Beispiel Bewag . . . . . 76
3.1.2.3 Keine Chance für erneuerbare Energien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
3.1.3
Liberalisierung des Strommarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
3.1.3.1 Aktuelle Entwicklungen - Vom Monopol zum Oligopol? . . . . . . . . . . . . 82
3.1.3.2 Chancen für erneuerbare Energien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
3.1.4
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
3.2
Ökostrom auf dem Markt - Zukunft in der Nische 87
3.2.1
Verwirrende Vielfalt auf dem Ökostrommarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
3.2.1.1 Firmen und Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
3.2.1.2 Liefer- und Versorgungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
3.2.3
Eine sinnvolle Mehrausgabe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
3.2.3.1 Plädoyer für Ökostrom: Auch die Wahl des Stromversorgers ist politisch 94
TEIL II
4
Mein Strom kommt aus der Steckdose 99
4.1
Wissen, Bewusstsein und Handeln - Eine logische Reihenfolge?
100
4.1.1
Einige Gedanken zu den verwendeten Begriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
4.1.2
Der Geist ist willig - Ökologisches Problembewusstsein in Deutschland . . . . . . . . 102
4.1.2.1 Vorhandenes ökologisches Problembewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
4.1.2.2 Zum Handeln bereit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
4.1.2.3 Wer ist zum Handeln bereit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
4.1.3
Ja, aber... - Der weite Weg von der Bereitschaft zum Handeln . . . . . . . . . . . . . . . 108
4.1.3.1 Hinderliche Zielkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
4.1.3.2 Motive & Ziele ökologisch orientierten Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
4.1.3.3 Ökologische Motive & Konsumalltag - Worauf wird geachtet? . . . . . . . 112
4.1.3.4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
4.2
Klimaschutz - Eine Einladung zum Handeln? 115
4.2.1
Klimaveränderungen als wahrgenommene Bedrohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
4.2.1.1 Welcher Art ist die wahrgenommene Bedrohung? . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
4.2.1.2 Klimaschutz als Aufgabe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
4.2.2
Woher kommt mein Strom? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
4.2.2.1 Ja, ich würde vielleicht zu Ökostrom wechseln - Verbale Zusagen . . . . . 120
4.2.2.2 Die Tücken des Objekts - Mein Strom kommt aus der Steckdose . . . . . 121
4.2.3
Ist Ökostrom ein reizvolles Angebot? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
4.2.3.1 Fazit: Wen könnte Ökostrom ansprechen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

Inhalt 3
3
5
Welche Farbe hat denn Ihr Strom?
129
5.1
Das Feld - Ökostrom in Berlin 130
5.1.1
Ökostrom in Berlin in Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
5.1.2
Ökostrom findet nicht statt - Unsichtbarkeit und mangelnde Information . . . . . 133
5.1.2.1 Ökostrom in Medien - Eine weitgehend ernüchternde Bilanz . . . . . . . 136
5.2
Welche Farbe hat denn Ihr Strom - Methode und Planung
138
5.2.1
Ein offener Forschungsprozess - Methodische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . 139
5.2.1.1 Was fragen? - Vorläufige Untersuchungsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
5.2.1.2 Wie fragen? - Die Suche nach dem geeigneten Verfahren . . . . . . . . . . 143
5.2.2
Welche Farbe hat denn Ihr Strom? - Die schriftliche Erhebung . . . . . . . . . . . . . 145
5.2.2.1 Zum Einstieg - Ein Kurzfragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
5.2.2.2 Der offene Fragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
5.2.2.3 Einige Gedanken zur Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
5.2.3
Wen befragen? - Die Auswahl der TeilnehmerInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
5.2.3.1 Die Auswahl der Gruppe ,,BerlinKlassik" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
5.2.3.2 Die Auswahl der Gruppe ,,Ökostrom" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
5.3
Im Feld - Die Durchführung der Erhebung 155
5.3.1
Weitere Schritte - Neue Fragen & Vertiefende Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
5.3.2
Erfahrungen und Probleme - Versuch einer Rekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . 160
5.3.2.1 Die Kommunikationsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
5.3.2.2 Die Beziehungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
5.3.2.3 Die Angemessenheit von Gegenstand und Methode - Ein Resümee . . 163
6
...Und deshalb ist ,,mein" Strom... 165
6.1
Vierundzwanzig subjektive Sichtweisen zum Thema ,,Anbieterwechsel"
165
6.1.1
Ich habe zu Ökostrom gewechselt, weil... - Die Gruppe ,,Ökostrom" . . . . . 165
6.1.2
Ich habe nicht gewechselt, weil... - Die Gruppe ,,BerlinKlassik" . . . . . . . . 174
6.1.3
Erste Auffälligkeiten im direkten Vergleich der Kurzfragebögen . . . . . . . . 182
6.2
Ein Besuch in der Gedankenwerkstatt 185
6.2.1
Schritt für Schritt - Textaufbereitung und Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . 185
6.2.1.1 Die Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
6.3
Integrität oder Wirkung? - Abbildung und Interpretation
193
6.3.1
Was ist Ökostrom? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
6.3.2
,,Irgendwie kommt für mich der Strom immer noch aus der Steckdose" . . 197
6.3.2.1 Liberalisierung: Folgt der Blick hinter die Steckdose? . . . . . . . . . . 199
6.3.2.2 ,,Da sind tausend andere Sachen..." . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
6.3.3
,,Das ist meine Grundeinstellung: Ich muss damit anfangen..." . . . . . . . . . . 206
6.3.3.1 Handlungsrelevantes Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
6.3.3.2 Integrität, Selbstbestimmung und Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . 209
6.3.4
,,Kleinvieh macht Mist": Wer soll das Kleinvieh sein und was der Mist? . 210
6.3.4.1 Die richtigen Umweltsauereien machen die ,,Großen" . . . . . . . . . 210
6.3.4.2 Ökologisch orientiertes Handeln - Sinnlos und unbequem? . . . . . 211
6.3.4.3 Nähe von Ursache und Wirkung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
6.3.5
Was soll Ökostrom ,,bringen"? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
6.3.6
Ökologie?- Sowieso nicht ganz mein Thema... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
6.3.7
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
6.3.7.1 Eine abschließende Bemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Inhalt 4
4
7
Mehr Lust auf Ökostrom: Was tun? 229
7.1
Wie wird Ökostrom zur interessanten Option? 229
7.1.1
Ich würde zu Ökostrom wechseln, wenn... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
7.1.1.1 Wissenslücken füllen & Zusammenhänge verdeutlichen . . . . . . . 231
7.1.1.2 Warum ist Ökostrom teurer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
7.1.1.3 Die Energiewende als gesellschaftlich-politische Dimension . . . . 235
7.1.2
Mein Ökostromanbieter soll... - Ein klares Votum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
7.1.2.1 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
7.1.3
Mögliche Impulse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242
7.1.3.1 Mehr Medienpräsenz für Ökostrom? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
7.1.3.2 Ökostrom-Kampagnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
7.1.3.3 Das persönliche Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
7.2
Zusammenfassung & Fazit 249
7.2.1
Reichweite und Aussagekraft der empirischen Untersuchung . . . . . . . . . . 250
7.2.2
Was macht Lust auf Ökostrom? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
7.2.2.1 Handlungsrelevantes Wissen & Bewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252
7.2.2.2 Weitere Faktoren: Was habe ich von einem Wechsel? . . . . . . . . . 255
7.2.3
Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
Literatur und Quellenverzeichnis 259
Anhang

Vorwort 5
5
Vorwort:
Einige Gedanken zu Beginn.
Um der Frage vorzubeugen: Ja, auch ich habe den Stromanbieter gewechselt - weil ich den Ausbau
regenerativer Energien aktiv fördern will. Aber deshalb eine Diplomarbeit darüber schreiben?
Immer wieder, wenn ich im Freundeskreis oder auch gegenüber anderen Studierenden das Thema meiner
Arbeit erwähnt habe - insbesondere dann, wenn ich verkürzend sagte, ich schriebe über ,,Ökostrom" -
wurde mir ungläubig und zweifelnd die Frage gestellt, was Strom denn mit dem Studiengang Sozialpä-
dagogik zu tun habe? Oder gar, ob ich denn etwas von Elektrizitätslehre verstünde?
Nun, was die zweite Frage anbetrifft: Ich musste mich zwar für meine Arbeit mit einigen technischen
Aspekten befassen, die mir bislang verschlossen geblieben waren bzw. denen ich nie größere Aufmerksamkeit
geschenkt hatte, aber es ist möglich, eine sozialwissenschaftliche Arbeit über Ökostrom zu schreiben, ohne
ein Ingenieurstudium absolviert zu haben. Leserinnen und Leser mit einem naturwissenschaftlich-tech-
nischen Hintergrund mögen meine Ausführungen im ersten Teil der Arbeit eventuell als ,,nicht auf dem
richtigen fachlichen Niveau" empfinden. Da es nicht meiner Absicht entsprach, hier den Schwerpunkt zu
setzen, muss ich mich auch nicht als Energie-Expertin ausweisen können. Ich denke, als Hintergrund für
meine empirische Arbeit ist das, was ich zusammengetragen habe, vollkommen ausreichend.
Die erste Frage hat sicherlich viel mit einer absoluten Gleichsetzung von Sozialpädagogik mit den klassischen
Feldern sozialer Arbeit zu tun. Zugegebenermaßen lässt sich beim Thema Ökostrom kein klar eingrenzbares
Klientel finden, dem in irgendeiner - von mir zu beschreibenden - Weise durch den Wechsel zu Ökostrom
in seiner weiteren Lebensgestaltung ,,geholfen" wäre. Ich nehme an, dass in diesem Falle niemand an der
Sinnhaftigkeit meiner Arbeit als sozialpädagogischer Diplomarbeit gezweifelt hätte.
Offenbar habe ich eine andere (weiter gehende?) Auffassung dessen, wozu mein Fach gut sein kann.
Nachhaltige Entwicklung, ökologisch verträglichere Wirtschaftsweisen und Konsumformen sind für mich
wichtige thematische Felder politischer Bildung. Gerade das Konzept der ,,Nachhaltigkeit" krankt meines
Erachtens noch sehr an mangelnder Kommunikation und Diskussion seiner möglichen Inhalte - ins-
besondere, was die Ebene von Eigenverantwortlichkeit anbetrifft. Im Gegensatz zu klassischer Umweltpolitik,
per Gesetz verordnet und gesteuert, verläuft Nachhaltigkeitspolitik nicht von oben nach unten, sondern
bedarf mehrdimensionaler Aktivitäten in vielerlei Formen und auf möglichst allen gesellschaftlichen wie
institutionellen Ebenen. Die Veränderung von Konsummustern gehört mit dazu. In diesem Kontext sehe
ich meine Arbeit angesiedelt: Mit Ökostrom als Beispiel.

Vorwort 6
1
Das vollständige Zitat lautet: ,,Genie ist zehn Prozent Inspiration und neunzig Prozent Transpiration."
(aus: Eco, U.: Nachschrift zum ,Namen der Rose`, München, 1986, S. 18). Das Genie habe ich tunlichst
beiseite gelassen.
6
Durch ihre beiden Teile ist meine Arbeit sehr umfangreich geworden. Ich hoffe jedoch, dass Mühe und
Aufwand sich gelohnt haben. Es war eine Menge Arbeit - und sehr frei nach Umberto Eco möchte ich
anmerken, dass sie nur in einem geringeren Umfang aus Inspiration und zum überwiegenden Teil aus
Transpiration bestand.
1
Immerhin glaube ich, dass so, wie ich die Arbeit aufgebaut habe, auch beide Teile unabhängig voneinander
auf Interesse stoßen und mit Gewinn gelesen werden können.
Zum Schluss noch eine stilistische Anmerkung. Ich will meine feministische Sozialisation nicht bestreiten.
Sie wird zwar nicht an meinem Thema deutlich, aber doch an meinen sprachlichen Vorlieben. Ich habe
zuerst dazu tendiert, konkrete Personengruppen, in denen Menschen jeglichen Geschlechts vermutet
werden können, allein mit der weiblichen Form zu bezeichnen. Im Deutschen sind eben leider nur wenige
neutrale Begriffe gegeben.
In der Entstehungsphase meiner Arbeit wurde von geneigten Leserinnen und Lesern immer wieder
bemängelt, dass sie angesichts der weiblichen Bezeichnungen stutzten und sich unsicher waren, ob ich
vielleicht gerade hier doch ausschließlich Frauen meine. Es ist ja wirklich kein gewohnter Anblick, von
einer ,,gemischten" Personengruppe als Kundinnen oder als Untersuchungsteilnehmerinnen zu lesen...
Nach dieser Kritik - die zudem die berechtigte Frage stellte, warum ich zwar von Kundinnen schreibe, aber
trotzdem von Anbietern - hat mich der revolutionäre Eifer wieder verlassen, ausgerechnet mit dieser Arbeit
Lesegewohnheiten über den Haufen werfen zu wollen. Nachdem ich auf die gängigen männlichen Bezeich-
nungen umgestiegen war, gefiel mir selbst mein Text nicht mehr... mangels eigener Identifikation als
Verbraucher...
Und so bin ich bei der sperrigen Hässlichkeit gelandet, die ich eigentlich vermeiden wollte: dem großen ,,I".
Allerdings nur hinsichtlich der Bezeichnung von Gruppen buchstäblicher bzw. ,,privater" Personen. Sofern
von Firmen, Organisationen und Institutionen die Rede ist, störe ich mich nicht am Stromversorger.

Einleitung 7
1
vgl. Greenpeace (Hg): Sauberer Strom: Worauf Sie achten sollten.
Der Satz ,,Strom ist nicht mehr gleich Strom" entstammt einer Broschüre, die der Berliner Ex-Monopolist
Bewag im Oktober 1999 allen Berliner Haushalten zukommen ließ.
7
Einleitung:
,,Die Zeiten, in denen Stromkunden dem Monopolanbieter ausgeliefert waren, sind vorbei. Die
neue Freiheit auf dem Strommarkt [...] bietet auch die Möglichkeit, umweltfreundlich produ-
zierten Strom zu beziehen."
-
,,Strom ist nicht mehr gleich Strom."
1
In meiner vorliegenden Arbeit geht es um die Konsequenzen jener ,,neuen Freiheit", um Konsequenzen
auf der privaten Ebene als StromverbraucherIn, als KundIn. Durch die Liberalisierung des deutschen
Strommarktes im Jahre 1998 ist die Möglichkeit entstanden, nach eigenen Kriterien den Stromver-
sorger auszuwählen. Wie in anderen Alltags- und Konsumbereichen auch, besteht nunmehr auf dem
Energiesektor die Chance, ökologische Motive zur persönlichen Entscheidungsgrundlage zu machen.
Ökostrom-Kundinnen und -Kunden
: So bezeichne ich in meiner Arbeit die Menschen, die seit der
Liberalisierung des Strommarktes diese Möglichkeit genutzt und sich für ein Angebot von ökologisch
verträglicher erzeugtem Strom entschieden haben. Ich selbst verstehe darunter vorrangig Strom aus
regenerativen Energien.
Wie bin ich zum Thema dieser Arbeit gekommen?
Obwohl ich im Rahmen meines Studiums verschiedentlich mit ,,Umweltthemen" Umweltpädagogik
befasst war, hatte meine seit längerem bestehende Aufmerksamkeit gegenüber ökologischen Problemen
mehrheitlich einen privaten Charakter behalten bzw. stand nicht mit meinem Studium in Verbindung.
Auch der Begriff der ,,nachhaltigen Entwicklung", den ich bereits vor Jahren erwartungsvoll aufgenom-
men hatte, stellte in meinem Denken keine unmittelbare Verknüpfung zwischen persönlichem,
ökologisch motiviertem Handeln und Studieninteresse oder -inhalten her. Vor dem Hintergrund
meines früheren, entwicklungspolitisch orientierten Soziologiestudiums hatte ich eher die wirtschafts-
und sozialpolitischen Dimensionen dieses Entwurfs einer ,,globalen Gerechtigkeit" im Sinn als kon-
kreten Umweltschutz. Erst meine Auseinandersetzung mit dem Szenario eines drohenden Klimawan-
dels (gleichfalls zuerst von den destruktiven Auswirkungen auf den Süden her gedacht), hat mir
wirklich klar gemacht, dass natürlich auch hier Ökologie, Ökonomie und soziale Aspekte zusammen
gehören. So hat sich der Kreis zu meinem Pädagogik-Studium geschlossen: Nachhaltigkeit als Leitidee,
als umfassendes Konzept für die Gestaltung einer zukunftstauglichen Wirtschaftsweise muss erst noch
vermittelt werden.

Einleitung 8
8
Die Liberalisierung des Strommarktes, die mir selbst im ersten Moment eine Mischung aus Desinteresse
und Stirnrunzeln abgenötigt hatte, erfreute mich beim zweiten Blick als ein sehr einfaches Mittel, als
Verbraucherin Konsequenzen aus meinem Wissen um die Folgen der fossil-nuklear betriebenen
Energieerzeugung zu ziehen. Mir zumindest erschien es ,,sonnenklar", dies als Teil meines persönlichen
Beitrages zu Klimaschutz und ,,Energiewende" aufzufassen. Um so irritierter war ich, als im November
1999 die ersten Zahlen (für Berlin) veröffentlicht wurden und ich sehen konnte, dass ich - in diesem
als so umweltbewusst geltenden Land - zu einer verschwindend kleinen Minderheit gehörte: Zu den
nicht einmal 0,5% der Berliner Haushalte, die sich für Ökostrom entschieden hatten.
Der Verblüffung folgten Enttäuschung und leise Wut. Voller Wunschdenken hatte ich eine größere
Resonanz stillschweigend vorausgesetzt. Aus diesem Ärger und der Frage, warum nur so wenige
Menschen gewechselt hatten - die zuerst so ,,privat" waren wie auch meine eigene Entscheidung für
Strom aus erneuerbaren Energien - wuchs innerhalb weniger Stunden die Idee zur vorliegenden Arbeit.
Ihren Titel habe ich in Anspielung auf die im Sommer 1999 gelaufene Werbekampagne seitens der
neuen Anbieterfirma Yello-Strom gewählt, in der es hieß ,,Strom ist gelb". Der zuvor ganz selbst-
verständlich farb- und gesichtslosen Dienstleistung Strom musste nach der Liberalisierung ein Marken-
image verpasst werden, um sich von den neuen Konkurrenzfirmen abzugrenzen. So drängte sich als
Frage geradezu auf: ,,
Welche Farbe hat denn Ihr Strom?
"
----------------------------------------------------------------------
Ich wollte etwas darüber herausfinden, warum sich Menschen - ganz konkrete Menschen - für
Ökostrom oder für den Verbleib beim Gehabten und Gewohnten entschieden haben. Ebenso inter-
essierte es mich, was Menschen ,,ohne" Ökostrom als Faktoren nennen würden, die Einfluss darauf
haben könnten, dass sie möglicherweise ihre Entscheidung nochmals überdenken: Unter welchen
Umständen und aus welchen Motiven heraus würden sie doch zu Ökostrom wechseln?
Aus diesen beiden Fragestellungen heraus ist die vorliegende Arbeit entstanden. Wie am letztgenann-
ten Aspekt unschwer zu ersehen ist, hat sie nicht nur einen explorativen Charakter, also etwas zu
erforschen, worüber zu Beginn der Arbeit noch keine Untersuchungsergebnisse und Erkenntnisse
vorlagen, sondern auch einen handlungsorientierten Ansatz: Ich kann gleich zugeben, dass mir die
Steigerung der Nachfrage nach Ökostrom ein wichtiges Anliegen ist. Gleichermaßen war es mir, ganz
unabhängig vom späteren Thema, von vornherein ein großer Wunsch gewesen, qualitativ-empirisch
zu arbeiten. Das beschriebene Frageinteresse bot eindeutig die Möglichkeit dazu.
Während der Zeit, in der ich für meine Diplomarbeit geforscht und an ihr gebastelt habe, wurde ich
durch weitere Entwicklungen in meinem Ansatz bzw. in der Wichtigkeit, die ich Ökostrom zumesse,
bestärkt. Einige Beispiele seien vorweg genommen:

Einleitung 9
9
)
Im Juni 2000 wurde der so genannte ,,Atomkonsens" beschlossen, der (wenn auch in ausge-
sprochen langfristigster Perspektive) den Ausstieg der Bundesrepublik aus der Atomenergie
vorsieht. Damit nicht letztlich Atomenergie und klimaschädliche fossile Energien gegenein-
ander ausgetauscht bzw. aufgerechnet werden, ist der Ausbau von Alternativen unabdingbar.
)
Spätestens seit Herbst 2000 war immer wieder zu vernehmen, dass die Energiewirtschaft sich
gegen Quotenregelungen für die effizientere und somit klimafreundlichere Kraft-Wärme-
Kopplung sperrt. Im November 2000 ging (wieder einmal) eine internationale Klimaschutz-
konferenz - in Den Haag - ohne konkrete Ergebnisse zu Ende. Beides bestärkt mich darin,
dass Impulse für Veränderungen auch von unten, von den VerbraucherInnen kommen
müssen, um deutliche Signale in Richtung von Politik und Wirtschaft zu senden.
)
Nicht zuletzt die neuesten Daten zu Klimawandel und globaler Erwärmung - veröffentlicht im
Januar 2001 - die noch drastischer ausfallen als die bisherigen Prognosen, zeigen mir, dass es
höchste Zeit ist, zu handeln. Auf allen denkbaren Ebenen zu handeln - denn ein Mangel an
Taten kann in seiner Konsequenz zu einem fatalen Mangel an Folgen führen...
So viel zu meiner Motivation. Ich möchte nun vorstellen, wie ich meine Arbeit aufgebaut habe.
Sie beginnt mit einem Teil, den ich Plädoyer für Ökostrom genannt habe. Ich hätte sicher auch
schneller in meine Untersuchung einsteigen bzw. unmittelbar mit einigen theoretischen Vorüberlegun-
gen zu meiner Forschung beginnen können. Aber sowohl der Strommarkt als auch das spezielle
Marktsegment Ökostrom sind derart neue Phänomene, dass ich erst einmal zusammenfassend
darstellen wollte, aufgrund welcher ökologischen Problematiken ich den Ausbau erneuerbarer Energien
im Allgemeinen und den Wechsel zu Ökostrom im Besonderen für einen wichtigen Schritt halte.
Als Einstieg befasse ich mich im 1. Kapitel mit Begriffen wie ,,Umweltschutz", ,,Ökologie" und
,,Nachhaltigkeit". In der zweiten Hälfte des Kapitels stelle ich dar, welche ökologischen Probleme ich
hinsichtlich der Energieversorgung im Blick habe. Ich beschreibe das Problempotential und weise auf
notwendige Veränderungen hin.
Im 2. Kapitel beziehe ich die zuvor eher grundsätzlich gehaltene Problemanalyse konkret auf die
Stromerzeugung. Eine Fülle ausgewählt zusammengestellter Daten zu Erzeugung und Verbrauch von
Strom soll zur Veranschaulichung der Dimensionen dienen, in denen sich ein Umbau der Energie-
versorgung bewegen müsste. Des Weiteren erläutere ich jeweils knapp die derzeit gebräuchlichen
Stromerzeugungsformen sowie die bekannten regenerativen Techniken. Eine kurze Einschätzung unter
ökologischen Gesichtspunkten schließt sich jeweils an. Am Ende des Kapitels stelle ich einige Analysen
hinsichtlich der Realisierbarkeit einer ,,Energiewende" vor.

Einleitung 10
10
Mit einem Exkurs zur Geschichte der Liberalisierung des Strommarktes beginnt das 3. Kapitel. Meine
Schilderung des ,,Vorher" und ,,Nachher" mündet jeweils in einer Analyse der Chancen erneuerbarer
Energien unter den beschriebenen Bedingungen. Anschließend daran widme ich mich dem neuen
Marktsegment Ökostrom. Nach meiner persönlichen Definition dessen, was ich unter Ökostrom
verstehe, gebe ich einen kurzen Überblick über die verschiedenartigen Angebote, die auf dem Markt
unter dieser Bezeichnung firmieren. Ich schließe das Kapitel mit einem Plädoyer ab: Meiner Erklärung,
warum ich den Wechsel zu Ökostrom für einen sinnvollen Schritt halte.
Ich verstehe demnach die ersten drei Kapitel meiner Arbeit nicht allein als Grundlage für ihren
weiteren inhaltlichen Aufbau, sondern gleichzeitig als - möglicherweise auch separat zu lesende -
Argumentationshilfe für die Propagierung von Ökostrom. Teile des 2. 3. Kapitels sind noch
zusätzlich als Exkurse gekennzeichnet; Das heißt, sie sind nicht maßgeblich für das Verständnis der
weiteren Arbeit. Wer sich umfassend mit technischen Details der Stromerzeugung auskennt, wem die
Verbrauchsziffern geläufig sind oder, wer sich die Geschichte vom deutschen Strommonopol bis zur
Liberalisierung mit allen Klippen und Kanten vergegenwärtigen kann, der mag über diese Abschnitte
getrost hinwegsehen. Ich habe diese Exkurse verfasst, weil ich nicht davon ausgehe, dass die in ihnen
beschriebenen Sachverhalte allen potentiellen LeserInnen meiner Arbeit gleichermaßen bekannt und
präsent sind.
----------------------------------------------------------------------
Das 4. Kapitel bildet als Einstieg in den zweiten Teil gleichsam die Überleitung zu meiner empirischen
Untersuchung. In ihm befasse ich mich mit ökologisch motiviertem Konsumverhalten und dem
bisweilen schwierigen Schritt vom Umweltbewusstsein zum ökologisch orientierten Handeln. Zuerst
wiederum auf einer allgemeinen Ebene, wofür ich Erkenntnisse aus der Umweltpsychologie und einige
neuere Untersuchungen zu Rate ziehe. Im zweiten Schritt stelle ich eine Beziehung zu Strom
Ökostrom her und versuche zu ergründen, ob bzw. warum gerade Strom ein besonderer Fall ist, der
nicht ohne weiteres zu ökologisch orientiertem Handeln aufruft. Anhand dessen kann ich einige der
Vermutungen veranschaulichen, mit denen ich mich ,,in`s Feld" begeben habe.
Mit dem 5. Kapitel eröffne ich den empirischen Teil meiner Arbeit. Nach der Beschreibung des Feldes
,,Berliner Ökostrommarkt", wie ich es bis zum Beginn meiner Erhebung wahrgenommen habe,
erläutere ich meine methodische Vorgehensweise. Zusätzlich zu den theoretischen Grundlagen meiner
Untersuchung stelle ich Erhebungsinstrumente und -inhalte vor. Die einzelnen Stationen des For-
schungsprozesses werden geschildert. Letzteres liegt mir besonders am Herzen, da ich - dies sei vorweg-
genommen - mit einem etwas unkonventionellen Verfahren gearbeitet habe. Den Abschluss des
Kapitels bildet demnach ein kurzer Forschungsbericht, in dem ich meine Erfahrungen reflektiere.

Einleitung 11
11
Im 6. Kapitel folgt die Auswertung des gewonnenen Datenmaterials und die Abbildung der von mir
gezogenen Schlüsse. Die methodische Vorgehensweise sowie die verschiedenen Stationen des Aus-
wertungsprozesses werden wiederum schrittweise nachvollziehbar gemacht. Nach einer kurzen Vor-
stellung der UntersuchungsteilnehmerInnen rücke ich die Frage in den Mittelpunkt, warum die
befragten Menschen in unterschiedlicher Weise mit der Option Ökostrom umgegangen sind. Wie
lassen sich die Entscheidungen und ihre gedanklichen Grundlagen beschreiben? Welche Zugänge
bestehen zum Themenkomplex Energie / Strom(-markt) / Ökostrom? Um nur einige Analyseaspekte
aufzugreifen.
Das 7. Kapitel oder Schlusskapitel knüpft unter dem Titel ,,Mehr Lust auf Ökostrom?" an den zweiten
Schwerpunkt meiner Untersuchung an: Unter welchen Bedingungen würden die ,,Normalstrom"-
KundInnen unter den Befragten sich doch für Ökostrom entscheiden können? Ohne dass ich es als die
Aufgabe meiner Arbeit ansehe, konkrete Rezepte für die bessere Vermarktung von Ökostrom zu
entwickeln, gehe ich auf einige Teilbefunde nochmals auf einer allgemeineren Ebene ein. Zusätzlich
wird meine Untersuchung nochmals reflektiert: Was habe ich herausfinden können? Was ist weiterhin
unklar und könnte (müsste?) meiner Ansicht nach noch eingehender bzw. auf andere Weise unter-
sucht werden?
Dies soll vorerst als Einleitung in Aufbau und Inhalt meiner Arbeit genügen, da ich jedes einzelne
Kapitel mit einer Übersicht über die darin enthaltenen Abschnitte beginne und mit einer knapp
zusammengefassten Wiederholung der wichtigsten Feststellungen beende.
----------------------------------------------------------------------
Eine Bemerkung noch:
Wie bei allen Forschungsvorhaben, die sich auf aktuelle, zum Zeitpunkt der Erhebung noch an-
dauernde und sich (tagespolitisch) verändernde Phänomene beziehen, stand ich mehrfach vor der
Entscheidung, welche weiteren Entwicklungen ich noch in meine Untersuchung miteinbeziehe. Dies
gilt gleichermaßen für die Beschreibung des Hintergrundes. Ich musste in beiden Fällen irgendwann
einen Schnitt machen: Im Forschungsprozess, um nicht ständig neue, auf aktuelle Ereignisse bezogene
Nachfragen als ,,ganz wichtig" zu befinden und im theoretischen Teil der Arbeit, insbesondere im
dritten Kapitel, um nicht nach jeder Zeitungslektüre die neuesten Geschehnisse noch in meinen Text
einflechten zu wollen.
In meine empirische Untersuchung sind Entwicklungen auf dem Berliner Strommarkt bis ungefähr
Ende Oktober 2000 eingeflossen, in die Chronologie der Marktliberalisierung habe ich den Zeitraum
bis Februar 2001 berücksichtigt.

Teil I
Welche Farbe hat denn
Ihr Strom?
- Ein Plädoyer für Ökostrom -
Hintergründe Zusammenhänge

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 13
13
1 Die Geschichte vom Sägen am Ast?
- Darstellung eines Problemfeldes -
Meine Arbeit befasst sich mit ökologisch motiviertem Konsumverhalten am Beispiel der Auswahl des
Stromanbieters. Die Möglichkeit, sich als VerbraucherIn selbst für einen Stromversorger zu ent-
scheiden, besteht erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit. Im Zuge meiner eigenen empirischen Unter-
suchung, die den zweiten Teil der Arbeit bildet, wurde ich immer wieder mit einer ganzen Reihe von
Unsicherheiten konfrontiert: Ändert sich irgendetwas am Strom, wenn der Anbieter gewechselt wird?
Ist es denn überhaupt sinnvoll, den Anbieter nach ökologischen Kriterien auszusuchen? Überhaupt:
Wie funktioniert Ökostrom?
Ich bin auf eine erstaunliche Menge an Klärungsbedarf gestoßen. Daher habe ich mich entschieden,
der Darstellung meines eigenen Forschungsprojektes dieses und die beiden folgenden Kapitel voranzu-
stellen. Mit ihrer Hilfe möchte ich erläutern, warum bei der Wahl des Energieversorgers unbedingt die
Frage nach der Erzeugung des Stroms gestellt werden sollte. Mit anderen Worten: Ein Plädoyer für
Ökostrom.
Den Begriff Ökostrom selbst, den ich in der Einleitung bereits kurz und oberflächlich angerissen hatte,
werde ich allerdings erst gegen Ende des Plädoyers richtig füllen. Zuvor möchte ich die ersten beiden
Kapitel nutzen, um einen Überblick darüber zu vermitteln, welche ökologischen Implikationen im
Zusammenhang mit Elektrizität eine Rolle spielen.
Zum Einstieg seien einige Voraussetzungen geschaffen. Um begreiflich zu machen, auf welcher Basis
ich mich dem Thema Ökostrom annähere, werde ich schildern, von welcher Sichtweise und welchem
Problemverständnis ich ausgehe.
1.1 Was sind ,,ökologische Motive"?
Der Terminus ökologisch motiviertes Konsumverhalten umfasst zwei Bestandteile: Ökologie und Konsum-
verhalten. Letzteres, die Muster und Strukturen des täglichen Verbrauchs - sei es materieller oder
immaterieller Güter - möchte ich hier beiseite lassen. Konsum ist ein Grundbestandteil menschlicher
Reproduktion. Mein Augenmerk soll vorerst allein dem ersten Teil des Begriffes gelten: Was bedeutet
Handeln aus ökologischen Motiven? Was soll ökologisch motiviertes (Konsum-)Verhalten bezwecken?
Der gebräuchlichere Begriff in diesem Kontext ist meiner Erfahrung nach Umweltschutz. Ökologisch
motivierte Handlungen sind demnach solche, denen die Intention innewohnt, umweltschonend,
umweltschützend oder umweltfreundlich zu sein.

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 14
1
vgl. Schnack, K., in: Schleicher, K.: Umweltbewusstsein und Umweltbildung in der EU, S. 353
2
vgl. DUDEN, Fremdwörterbuch (Ausgabe 1982), S. 537
14
Nun ließen sich zu jedem dieser Termini umfassende Überlegungen anstellen, von der begriffstheoreti-
schen bis hin zur alltagspraktischen Ebene. Dies soll nicht meine Aufgabe sein. Was ich hier dennoch,
wenn auch in recht knapper Form, einbringen möchte, sind einige grundsätzliche Gedankengänge
hinsichtlich des Gegenstands umweltschützerischer Bemühungen.
1.1.1 Alles Umwelt?
Wie soeben erwähnt, wird ökologisch motiviertes Handeln gängigerweise als (praktizierter) Umwelt-
schutz bezeichnet, wobei die Vorstellung von Umwelt im Allgemeinen auf Vorstellungen von Natur
basiert. Ein derartiges Verständnis ist bereits in sich nicht unproblematisch:
,,Jedoch lässt sich ,Umwelt` nicht auf ,Natur` reduzieren; denn für sich allein ist Natur keine
Umwelt. Zur Umwelt wird sie erst, wenn wir sie nach menschlichen Interessen betrachten."
1
Das Zitat verweist zum einen deutlich auf den Beziehungscharakter von Umwelt. Sie ist somit keine
Umgebung im Sinne einer Kulisse, sondern das, wovon und womit wir leben und womit wir in einem
Austausch - einem Stoffwechsel - stehen. Die dabei von Schnack beanstandete Reduktion auf ,,Natur"
verstellt jedoch auch meiner Ansicht nach den Blick auf jenes wechselseitige Verhältnis: Umwelt wird
so zum Außen, zum Anderen.
Ich möchte nicht die Meinung diverser AutorInnen zur Diskussion stellen, dass es sich dabei um eine
spezifisch abendländische Sichtweise handele. Wichtig scheint mir vielmehr, dass hier Umwelt bzw.
Natur als äußere Phänomene gedacht werden und somit als etwas, mit dem keine tatsächliche
Beziehung besteht. Daher habe ich gewisse Schwierigkeiten mit dem Begriff Umwelt: Der Beziehungs-
charakter, das Aufeinanderwirken - welches letztlich Vorbedingung, Grundlage und Auswirkung
jeglicher Existenz ist - kommt meines Erachtens nicht richtig zur Geltung. So ziehe ich für meine
Arbeit den Begriff Ökologie vor: ,,Die Wechselbeziehungen zwischen den Lebewesen und ihrer
Umwelt".
2
Das heißt, zueinander in Wechselbeziehungen zu stehen, ist grundsätzlicher Bestandteil der zeitgleichen
und aufeinander folgenden Existenz sämtlicher Lebensformen bzw. ihrer ,,Beziehungen" zu unbelebter
Materie: Was existiert nimmt auch am Stoffwechsel teil und übt so Einfluss auf andere Existenzformen
aus. Diese Wechselwirkungen können allerdings nicht aus sich selbst heraus bewertet werden, sondern
allein im Hinblick auf jeweils bestimmte Lebensinteressen.

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 15
3
vgl. Kerber-Ganse, W.: Sustainable development [...], S. 5 Gerade auf Mitteleuropa bezogen müsste folg-
lich konstatiert werden, dass es dort kaum mehr Natur in
diesem Sinne gibt. Das hilft jedoch nicht weiter...
4
vgl. Schnack; S. 354
5
vgl. Knaus, A. Renn, O.: Den Gipfel vor Augen - Unterwegs in eine nachhaltige Zukunft, S. 34ff
15
1.1.1.1 Mensch versus Natur - Natur versus Mensch
Der zweite Gedanke ist oben ebenfalls angedeutet. Wenn Umwelt gemeinhin mit Natur gleichgesetzt
wird bzw. die Natur das ,,Andere" des Menschen sein und nichts mit menschlichen Lebensweisen zu
tun haben soll, liegt es nahe, als Natur - also als das, was nach diesem Denken durch Umweltschutz
geschützt werden soll - etwas zu verstehen, was nur frei von menschlichen Einflüssen überhaupt wirklich
Natur ist:
,,Natur ist Natur nur ohne den Menschen, quasi Vorgeschichte des Menschen, eine projektive
Paradiesvorstellung."
3
Nach jenem Bild, in welchem die Naturhaftigkeit menschlicher Existenz nicht mit bedacht ist, würde
folglich Umweltschutz bedeuten, dass die Natur vor einem feindlichen und fremden Element bewahrt
werden muss - den Menschen. Es handelt sich demnach um einen Ausgangspunkt, der gänzlich konträr
zu der zitierten Auffassung von Schnack ist. Mit anderen Worten, es wird quasi verschwiegen oder gar
negiert, dass Umweltschutz bzw. ökologisches Denken und Handeln vom Maßstab menschlicher
Interessen ausgeht:
,,Umweltverschmutzung ist insofern [...] ein normativer Begriff. Mit Umweltverschmutzung ist
allgemein die Anwesenheit von bestimmten Substanzen an einem Ort gemeint, an dem wir sie
nicht wünschen. Für die Bezeichnung ,Umweltverschmutzung` ist also entscheidend, ob wir
Substanzen dort wünschen oder nicht wünschen. [...] Umweltprobleme sind insofern soziale
Probleme, als in ihnen verschiedene Einstellungen zur Natur und unterschiedliche Nutzungs-
wünsche zum Ausdruck kommen."
4
Der letzte Satz weist auf eine weitere mögliche Sichtweise hin. Wenn Natur als das ,,Andere" oder
,,Äußere" begriffen wird, ist nicht allein denkbar, menschliche Lebensformen als prinzipiell naturfeind-
lich anzusehen, sondern es liegt auch ein anderes Extrem nahe: Die äußere Natur als Selbstbedienungs-
laden, der allein für Menschen und nach ihren jeweiligen Wünschen eingerichtet sein soll.
So lassen sich anthropozentrische und biozentrische Sichtweisen auf Natur oder Umwelt unterscheiden.
Das zuletzt genannte Extrem, die utilitaristische Sicht, ist die stärkste Ausformung einer anthropo-
zentrischen Perspektive. Die Einschätzung, menschliche Aktivitäten seien per se schädlich und die
Natur müsse vor ihnen bewahrt werden, ist hingegen die extremste, protektionistische Ausformung einer
biozentrischen Sicht.
5

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 16
6
Auch der Schutz bedrohter Spezies ist nie wertfrei: Es erfolgt immer eine Unterscheidung nach schützens-
werten und nicht schützeswerten Arten. Wer würde sich mit Argumenten für Arten- und Naturschutz für
eine Spezies wie die Anopheles-Mücke einsetzen - die letztlich in ihrer Ökosphäre ebenso wichtig sein
kann wie die anerkanntermaßen als ausgesprochen schützenswert erachteten Delfine in der ihrigen.
7
Meyer-Abich, K., zitiert nach: Knaus Renn, S. 16 / 17
8
vgl. Knaus Renn, S. 36 (Hervorhebungen: A. T.) Zudem ist eine anthropozentrische Sicht ,,ehrlicher":
Der ,,Natur" als Gesamtheit und Subjekt vorgestellt ist es wahrscheinlich vollkommen egal, welche so
(Fortsetzung...)
16
Schnack macht also deutlich, dass menschliche Umweltvorstellungen und Interessen sehr verschieden
sein können. Entscheidend ist, dass sie dabei immer Auffassungen aus menschlicher Perspektive
bleiben, egal, ob nun in Alaska nach Öl gebohrt oder diese subpolare Landschaft geschützt und als
,,unberührte Natur" erhalten werden soll.
6
Der Gedanke, dass es sich immer um eine menschliche Perspektive handelt, scheint mir von elemen-
ta-rer Bedeutung: Auch ein biozentrisches Konzept von Naturschutz wird nie zwischen Wölfen,
Schafen, Bandwürmern, Grashalmen und Menschen ausgehandelt werden, sondern bleibt immer das
Ergebnis menschlicher, kulturell gewachsener Naturvorstellungen. Ein Weltbild aus der Perspektive von
Wolf oder Grashalm zu denken, scheint mir zudem von vornherein zu einer gehörigen Schieflage
verurteilt. Im Übrigen würde sich dieser Gedankengang auf ein Terrain äußerst komplexer ethischer
Fragen begeben, die ich im Zusammenhang meiner Arbeit sowieso nicht behandeln möchte.
Eine ähnliche Schieflage beinhaltet die Vorstellung, allein Menschen würden störende und zer-
störerische Kräfte entfalten. Wie gesagt, jede Existenzform steht in einem Stoffwechsel mit ihrer
Umgebung und so kann auch jede Existenzform Entwicklungen hervorbringen, die ihrem eigenen
Leben oder gar Überleben nicht zuträglich sind. Vom Prinzip her handelt sich hierbei um keine
spezifisch menschliche Unart:
,,... wir Menschen sind nicht dazu da, um die Welt wieder so zu verlassen, als wären wir gar
nicht da gewesen. Wie für alle Lebewesen gehört es auch zu unserer Natur und zu unserem
Leben, Veränderungen in die Welt zu bringen [...] Erst dann, wenn wir die menschliche
Weltveränderung grundsätzlich bejahen, können wir uns der entscheidenden Frage zuwenden,
welche Veränderungen dem menschlichen Dasein angemessen sind und welche nicht."
7
Demnach ist das spezifisch Menschliche die Fähigkeit, unerwünschte Konsequenzen zu antizipieren
und sich zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten zu entscheiden, um so gezielte Anstrengun-
gen zur Vermeidung potentieller Schäden und Beeinträchtigungen zu unternehmen:
,,Wenn man davon ausgeht, dass das subjektive Erkennen von Folgen des eigenen Handelns
nur dem Menschen zukommt (kognitiver Anthropozentrismus) und die Aufstellung und Befolgung
ethischer Normen nur als Ansprüche an den Menschen und nicht an die Natur als Ganzes oder ihre
Elemente Sinn machen (normativer Anthropozentrismus), ist aus unserer Sicht eine ,gemäßigte`
anthropozentrische Sicht des Mensch-Natur-Verhältnisses logisch überzeugender als biozentri-
sche Sichtweisen."
8

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 17
8
(...Fortsetzung)
genannten Katastrophen auch immer geschehen mögen, denn Katastrophen sind lediglich aus der Sicht der
jeweils geschädigten Arten und Individuen katastrophal. Die Natur als Ganzes ist insofern nie wirklich
geschädigt, als dass sie auch nach einem atomaren Super-GAU in der Lage wäre, neue Lebensformen
hervorzubringen - denn dies ist ihre
prinzipielle Potenz. All unsere Vorstellungen von Natur sind nichts als
Momentaufnahmen dieser Möglichkeiten.
9
vgl. Knaus Renn, S. 13 (Der Begriff stammt von einem Forstbeamten aus dem Jahre 1713).
17
So kommt wieder die Ökologie ins Spiel: Als Grundlage, um Zusammenhänge und Auswirkungen zu
erkennen. So kann einem utilitaristischen, am augenblicklichen Gewinn und Nutzen ausgerichteten
Umgang mit natürlichen Potentialen eine Sichtweise entgegengesetzt werden, die an langfristigen
Lebensbedürfnissen und an der perspektivischen Überlebensfähigkeit von Menschen orientiert ist.
Eine auf Ökologie bzw. auf ökologischem Wissen basierende Sicht, die auch menschliche Existenz als
in natürliche Stoffwechselprozesse eingebunden und letztlich nur durch sie gewährleistet anerkennt,
impliziert demnach gleichzeitig den Schutz anderer Lebenszusammenhänge und Existenzformen.
Mir ist durchaus bewusst, dass ich nun auf einigen wenigen Seiten eine Reihe sehr komplexer Fragen
angeschnitten habe, von denen jede einzelne längeres und sehr viel tiefer gehendes Nachdenken
verdient. Trotz der möglicherweise unbefriedigenden - gleichwohl gebotenen - Knappheit, war es mir
ein Bedürfnis, zu Beginn meiner Arbeit die Grundzüge meines Denkens und meiner Haltung zu Fragen
des ,,Umweltschutzes" klarzustellen und so zu verdeutlichen, warum im Folgenden die Rede von
ökologisch orientiertem Handeln ist:
)
Aus dem Begriff Umweltschutz erwächst keine hinlängliche Klarheit, was Ausgangspunkt und
Ziel des Schutzes sein soll. Ökologie hingegen stellt den Beziehungs- und Vernetzungscharakter
jeglichen Lebens und Handelns heraus.
Im Laufe des letzten Jahrzehnts ist in Zusammenhang mit menschlichen (Über-)Lebensinteressen ein
weiterer Begriff auf der Bildfläche erschienen: Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung.
1.1.2 Von Naturschutz Umweltschutz zum Leitbild ,,Nachhaltigkeit"
Der Terminus Nachhaltigkeit ist an sich nicht neu. Er entstammt ursprünglich der Forstwirtschaft und
bezeichnete dort den Grundsatz, dass im Sinne vorausschauenden Wirtschaftens vernünftigerweise
allein so viel Holz eingeschlagen werden dürfe wie durch Neupflanzung nachwachsen kann.
9
Nur so
bleibt die Regenerationsfähigkeit des Waldbestandes erhalten und darüber die gewünschte langfristige
Nutzung gesichert.
)
Auf die Gesamtheit menschlicher Aktivitäten bezogen bedeutet Nachhaltigkeit, dass jegliches
Wirtschaften daran ausgerichtet sein sollte, seine eigenen natürlichen Grundlagen nicht zu
gefährden oder gar zu zerstören:

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 18
10
vgl. Knaus Renn, S. 14
11
vgl. BMU (Hg.): Rio-Deklaration, in: Dokumente zur Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und
Entwicklung, S. 41 (Grundsatz 3)
12
Beispielsweise ist nach wie vor strittig, ob sich die Idee wirtschaftlichen Wachstums mit Nachhaltigkeit
vereinbaren lässt bzw., was nachhaltiges Wachstum sein könnte. Zudem muss festgehalten werden, dass
Armutsbekämpfung ein fundamentaler Bestandteil von nachhaltiger Entwicklung ist: Wer heute ums
Überleben kämpfen muss, kann sich nicht auf die Sicherung des Morgen einlassen (vgl. Rio-Deklaration,
Grundsatz 5 bzw. BMU (Hg.): Aus Verantwortung für die Zukunft, S.10: ,,Armut ist eine wichtige Ursache
unangepasster, nicht nachhaltiger Produktions- und Lebensverhältnisse."). Armutsbekämpfung stellt
jedoch Wirtschaftsbeziehungen in Frage, die vom globalen Wohlstandsgefälle profitieren. Dies sei hier als
Beispiel der vielfältigen Verwobenheit nachhaltiger Entwicklung genannt.
18
,,Was auch immer der Mensch durch Erfindungsgeist, Arbeitseinsatz und Organisations-
kraft geschaffen hat und auch weiter schaffen wird, ist auf irgendeine Vorleistung der
Natur angewiesen. Alle dem Menschen zur Verfügung stehenden Grundstoffe, einschließ-
lich der Primärenergieträger wie Kohle, Öl und Gas, die zur Herstellung von Produkten
und Dienstleistungen benötigt werden, sind aus der natürlichen Umwelt entnommen [...]
Mit den Ressourcen der Natur haushälterisch umzugehen, ist ein Erfordernis ökono-
mischer Klugheit und vorausschauender Vorsorge."
10
Im Zuge der ,,Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung", die im Jahre
1992 in Rio de Janeiro stattfand, wurde die so genannte ,,Rio-Deklaration" verabschiedet. Sie
erhebt das Prinzip der Nachhaltigen Entwicklung zum fundamentalen Leitbild der zukünftigen
globalen Entwicklung.
Dieses Leitbild rückt insbesondere die Beziehungen zwischen armen und reichen Gesellschaften
sowie zwischen heute lebenden und zukünftigen Generationen ins Blickfeld und stellt so eine
neuartige Verbindung zwischen der weltweiten ökonomischen Entwicklung und ihren natürlichen
wie gesellschaftlichen Grundlagen her:
,,Das Recht auf Entwicklung muss so erfüllt werden, dass den Entwicklungs- und Um-
weltbedürfnissen heutiger und künftiger Generationen in gerechter Weise entsprochen
wird."
11
Grundgedanke und Zielsetzung des Prinzips Nachhaltigkeit ist folglich globale (und Generationen-)
Gerechtigkeit. Natürlich kann auch der Begriff Gerechtigkeit umfassend diskutiert werden. Klar
ist jedoch, dass zur Verwirklichung des Leitbildes nicht allein ökologisches Denken, sondern auch
tiefgreifende ökonomische und politische Maßnahmen dringend erforderlich sind.
12
Somit ist
Nachhaltigkeit kein vorgeblich zweckfrei formuliertes Naturschutzprogramm, sondern Umwelt-
schutz wird als ein elementarer Bestandteil der Strukturierung menschlichen Zusammenlebens
definiert: Zum Zweck der Sicherung menschlicher Bedürfnisse und der Erhaltung menschlicher Über-
lebensfähigkeit.
Je nach Problemfeld muss dieses Grundprinzip neu mit den entsprechenden Inhalten ausgefüllt
werden: Was ist im jeweiligen Fall nachhaltig?

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 19
13
vgl. BMU / Kuckartz (Hg.): Umweltbewusstsein in Deutschland 2000, S. 68, Tabelle 60. Erstaunlicher-
weise stimmten die Befragten Inhalten wie Generationengerechtigkeit, Ressourcenschutz oder fairer
Handel durchaus mehrheitlich zu (vgl. ebenda, S. 70, Tab. 62). Ihnen war jedoch nicht bekannt, dass diese
Elemente zu einem übergeordneten Prinzip zusammengefasst sind und, dass dieses Prinzip
Nachhaltigkeit
heißt. Die Autoren der Studie bemängeln hier, dass der Begriff ,,nachhaltig" mittlerweile in alle Bereiche
von Politik diffundiert sei, ohne dabei an Schärfe zu gewinnen oder wirklich mit Inhalten gefüllt zu
werden.
14
vgl. Homburg, A. Matthies, E.: Umweltpsychologie, S. 9
19
Warum ich das Leitbild Nachhaltigkeit in den Zusammenhang mit der Energieversorgung bzw.
mit Ökostrom setze, soll im Folgenden deutlich werden.
Zuvor noch eine Bemerkung: Obwohl die Konferenz von Rio de Janeiro vor mittlerweile neun
Jahren stattfand und auch die Bundesrepublik zu den Staaten gehört, die sich zu nachhaltiger
Entwicklung bekannt haben, scheint das Leitbild selbst - zumindest dem Namen nach - immer
noch eher unbekannt zu sein. So heißt es in einer Studie aus dem Jahre 2000, dass 63% der
befragten BundesbürgerInnen angaben, noch nie von nachhaltiger Entwicklung gehört zu haben.
Lediglich 13% war der Begriff als solcher bekannt.
13
In Anbetracht meines Problemverständnisses ziehe ich inzwischen den Begriff Nachhaltigkeit vor
und könnte eigentlich in jedem Fall ökologische Orientierung durch nachhaltige Orientierung bzw.
Orientierung an Nachhaltigkeit ersetzen. Da ich jedoch weiß, dass es sich bislang weder um ein
durchweg bekanntes noch um ein angemessen inhaltlich gefülltes Leitbild handelt, greife ich
(zumeist) doch auf den Begriff ökologisch zurück.
1.2 Warum Nachhaltigkeit - Sägen wir am eigenen Ast?
Schon der Entwurf eines neuen Leitbildes bzw. das Nachdenken über ,,mehr Umweltschutz" geht
davon aus, dass tatsächlich gravierende Probleme bestehen, die angegangen werden müssen:
,,Es herrscht heute weitgehende Übereinstimmung darüber, dass Eingriffe des Menschen in die
Umwelt Lebensbedingungen und Lebensqualität vieler Organismen bedrohen. Zwar haben
Menschen bereits seit Jahrhunderten Umweltschäden verursacht, seit Mitte dieses [des vergan-
genen Jahrhunderts / Anm. A. T.] Jahrhunderts hat die Problematik jedoch eine neue Qualität
erhalten: Es wird eine globale Umweltzerstörung prognostiziert und damit eine umfassende
Bedrohung der menschlichen Lebensgrundlagen."
14
Obwohl ich mich im Folgenden auf einen ganz bestimmten Problemkomplex konzentrieren werde,
seien nochmals einige etwas raumgreifendere Gedanken angebracht.
Wie Knaus Renn anmerken, hat es auch zu früheren Zeiten immer wieder ökologische Kata-
strophenszenarien gegeben, die den baldigen Kollaps einzelner Gesellschaften aufgrund der Erschöp-
fung natürlicher Ressourcen oder gar den Weltuntergang infolge des menschengemachten Zusammen-

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 20
15
vgl. Knaus Renn, S. 19 (Immerhin sind in der Tat schon einzelne Gesellschaften an selbstverursachten
lokalen ökologischen Krisen gescheitert. Gänzlich an Erfahrungen dieser Art mangelt es also nicht.)
16
So der Ressourcenökonom J. Simon, zitiert nach Knaus Renn, S. 20
17
vgl. Knaus Renn, S. 21
18
,,Das alles beherrschende Trägheitsgesetz [...] war in Zeiten, als z. B. das Fällen und Transportieren von
Bäumen sehr mühsam war, oft der beste Umweltschützer." (vgl. Radkau, J.: Natur und Macht. Eine
Weltgeschichte der Umwelt, S. 13)
20
bruchs ganzer Ökosysteme prognostizierten, ,,nahezu alle diese Prognosen haben sich aber als falsch
erwiesen."
15
Sind demnach alle Warnungen vor Umweltkrisen pessimistische Panikmache? Eine in
diesem Sinne kritisch argumentierende Stimme:
,,Wir sind der festen Überzeugung, dass die Natur der physischen Welt eine stetige Verbesserung
der menschlichen Wohlfahrt auf lange Sicht, ja sogar auf ewig sicherstellen kann. Natürlich
wird es immer lokale Engpässe, Probleme und Verschmutzungen geben [...] Aber die Lösungen
dieser Krisen wird die Menschheit gewöhnlich besser dastehen lassen als wenn die Probleme
niemals entstanden wären."
16
Krisenstimmung sei demnach nicht angebracht, denn Menschen finden immer Lösungen. Allerdings
gibt es auch die Position, die - meiner Ansicht nach zu Recht - besagt, dass die Ausgangslage sich im
Laufe der Zeit verändert habe, wodurch heutige ökologische Krisen eine neue Qualität erreichen:
,,Die Bevölkerung wächst erstens schneller, als wir Verfahren und Vorsorgemaßnahmen
entwickeln und einsetzen können, um die damit einhergehende Beanspruchung der natürli-
chen Umwelt auszugleichen. Die heutige Umweltkrise ist zweitens globaler Natur. Die Aus-
wirkungen menschlicher Eingriffe greifen drittens tiefer in die natürlichen Kreisläufe ein als in
der Vergangenheit und diese Eingriffe erfolgen viertens im Zeitraffereffekt."
17
)
Inzwischen leben auf der Erde mehr Menschen, als über die gesamte Menschheitsgeschichte
zusammengerechnet je existiert haben. Entsprechend ist der Ressourcenbedarf immens
gestiegen. Das heißt, was die Natur bisher über lange Zeiträume zur Verfügung stellte und sich
dabei ausreichend regenerieren konnte, wird ihr heute innerhalb kürzester Zeit abverlangt.
Die Opfer lokaler ökologischer Krisen können zudem nicht mehr ,,einfach" den Ort wech-
seln, ohne zwangsläufig in massive Konflikte mit anderen Menschen zu geraten.
)
Frühere ökologische Krisen waren - trotz ihrer verheerenden Folgen für die Betroffenen -
meist lokal begrenzt bzw. wurden durch fehlende technische Möglichkeiten von vornherein
abgebremst.
18
Die Masse heutiger Eingriffe und das immens gewachsene technische Potential
vergrößern jedoch die Folgen hin zu globalen Auswirkungen: Beispielsweise lassen sich
Luftschadstoffe in den entlegensten Winkeln der Erde, weit entfernt von ihren Emissions-
orten nachweisen.
)
In ihrem Zusammentreffen bedingen diese Komponenten eine permanente Beschleunigung
der Auswirkungen, den zitierten ,,Zeitraffereffekt".

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 21
19
In Berlin machte Strom 1997 zwar ,,nur" 18% des so genannten ,,Endenergieverbrauchs" aus, wenn man
jedoch einzelne fossile Energieträger für sich genommen betrachtet, werden sie teilweise zu über 90%
verstromt (­ Tabelle S. 42).
21
Somit ist der Begriff Nachhaltigkeit leider auch auf anderen Ebenen zutreffend: Wir stehen vor nachhal-
tigen Problemen, die ebenso nachhaltige Lösungsstrategien erfordern und die möglicherweise bisherige
Strategien und ein Denken, wie es dem vorletzten Zitat zu Grunde liegt, nachhaltig in Frage stellen.
1.2.1 Nachhaltige Probleme: Energieverbrauch im fossil-nuklearen Zeitalter
Nach jenen einleitenden Gedanken komme ich nun zum eigentlichen Gegenstand dieses Kapitels: Den
ökologischen Folgen, die sich aus den derzeit gebräuchlichen Techniken zur Erzeugung von elektri-
scher Energie ergeben.
In Anbetracht des vorangegangenen Abschnittes lässt sich auch hinsichtlich des Bedarfs an Elektrizität
sagen, dass der wachsenden Weltbevölkerung naturgemäß ein wachsender Energiebedarf entspricht.
Mittlerweile benötigen über 6 Milliarden Menschen Nahrung, Kleidung, Wohnraum, Infrastruktur etc.
Dass ein erheblicher Prozentsatz dieser Menschen in krasser Armut lebt, ändert nichts an der Tatsache
des weltweit steigenden Energiebedarfs - unter anderem in Form von Elektrizität.
Zum anderen ist insbesondere in den so genannten ,,westlichen hochentwickelten" Nationen der
Lebensstandard in einer Weise angestiegen, die vor wenigen Generationen schlicht undenkbar gewesen
wäre. Elektrizität gehört inzwischen zur selbstverständlichen Grundausstattung, ist geradezu die Basis
des fortschreitenden ,,Informationszeitalters". Ohne Strom wäre - nicht nur hierzulande - ein funktio-
nierender Alltag kaum denkbar: Was wird nicht elektrisch betrieben?
Natürlich macht Elektrizität nur einen Teil des gesamten Energieverbrauchs aus. Wenn man sich die
Gestaltung eines hochtechnisierten Alltags - sei es im privaten oder im öffentlichen Bereich - vor
Augen hält, ist der Stromverbrauch jedoch kein geringfügiger Faktor.
19
Es kommt mir nicht zu, die genannten Faktoren zu kritisieren. Um sich mit dem Problemkomplex
Energiebedarf zu befassen, ist es gleichwohl nötig, sie im Bewusstsein zu haben: Der Gesamtbedarf an
elektrischer Energie wird in absehbarer Zeit mit Sicherheit nicht sinken, eher im Gegenteil.
Elektrizität selbst stellt in Anwendung und Verbrauch kein ökologisches (Emissions-)Problem dar,
Elektromotoren oder andere elektrisch betriebene Geräte und Anlagen rauchen nicht, stinken nicht,
sie arbeiten ,,sauber". Relevant für meine Arbeit ist, dass Strom seinerseits überhaupt erst hergestellt
werden muss. Mittels welcher technischer Verfahren und unter Einsatz welcher Ausgangsstoffe dies
derzeit hauptsächlich geschieht, werde ich im 2. Kapitel ausführlicher darstellen.

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 22
20
vgl. BMU (Hg.): Erneuerbare Energien und Nachhaltige Entwicklung, S. 16
21
vgl. BMU (Hg.): Aus Verantwortung für die Zukunft, S. 20 (nach International Energy Agency IEA, Genf)
22
vgl. BMWi (Hg.): EnergieDaten 2000, S. 42f.
Die Staaten mit der am umfangreichsten ausgebauten AKW-Nutzung fördern zumeist selbst kein Uran.
23
vgl. BMU (Hg.): Erneuerbare Energien und Nachhaltige Entwicklung, S. 6
22
Seit der Industrialisierung beruht die Bereitstellung der benötigten Energiemengen auf dem großzügigen
Einsatz so genannter fossiler Energieträger, zuerst ausschließlich von Kohle, inzwischen von Kohle, Erdöl
und Erdgas. Daher die Bezeichnung fossiles Zeitalter.
20
Im Jahre 1997 entfielen über 60% der weltweiten
Stromerzeugung auf die Verwendung fossiler Energieträger.
21
Im Laufe der letzten Jahrzehnte kam die Nutzung der Kernenergie hinzu - das fossile Zeitalter wurde
somit zum fossil-nuklearen. Obwohl der Ausbau dieser Energietechnik nicht in allen Staaten zur
Anwendung gekommen ist, trifft die Bezeichnung gleichwohl global zu: Uran, der Ausgangsstoff der
Kerntechnik, wird vornehmlich in Ländern abgebaut, die selbst über keine atomar betriebenen
Kraftwerke verfügen,
22
die Frage der sicheren Entsorgung radioaktiver Abfälle ist weltweit ungelöst und
nicht zuletzt macht Radioaktivität nicht an Landesgrenzen halt.
Ich gehe allerdings hier nicht weiter auf das leidige Thema Atomenergie ein. Was ich statt dessen in
den Mittelpunkt stellen möchte, sind die spezifischen Probleme, die sich aus der großangelegten
Nutzung fossiler Energieträger ergeben und, warum diese Art der Stromgewinnung nicht als nachhaltig
bezeichnet werden kann.
Orientiert am geschilderten Konzept der Nachhaltigen Entwicklung hat eine Enquete-Kommission des
Deutschen Bundestages vier Handlungsgrundsätze für die Energieversorgung erarbeitet:
,,1. Die Nutzung einer Ressource darf auf Dauer nicht größer sein als ihre Rate der Erneuerung
oder die Rate des Ersatzes all ihrer Funktionen.
2. Die Freisetzung von Stoffen darf auf Dauer nicht größer sein als die Tragfähigkeit bzw. die
Aufnahmefähigkeit der Umwelt.
3. Gefahren und unvertretbare Risiken für Menschen und Umwelt sind zu vermeiden.
4. Das Zeitmaß menschlicher Eingriffe in die Umwelt muss in einem ausgewogenen Verhältnis
zu der Zeit stehen, die die Umwelt zur Selbststabilisierung benötigt."
23
Es lässt sich natürlich trefflich darüber streiten, welche Risiken ,,unvertretbar" sind bzw., was ,,auf
Dauer" bedeuten soll. Gerade die hinlänglich bekannten Debatten pro und kontra Kernenergie bieten
hierzu gutes Anschauungsmaterial (­ 2.2.1).
Im Hinblick auf die Nutzung fossiler Energieträger plädiere ich aus folgenden Gründen auf eine
möglichst enge Auslegung aller vier Prinzipien:

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 23
24
Bis aus pflanzlichen und tierischen Überresten Kohle entstanden ist, dauert es Millionen von Jahren: Der
Ursprung heutiger Steinkohlevorkommen liegt im Karbon, einem Erdzeitalter vor 350 - 270 Mio. Jahren,
Braunkohle stammt aus dem Tertiär vor 15 - 30 Mio. Jahren. ,,Photosynthese über Hunderte von Jahrmil-
lionen war nötig, um die energiereichen Kohlenstoffverbindungen aufzubauen. In nur wenigen hundert
Jahren verschwendet die Menschheit diese wertvollen Reserven." (vgl.: Erneuerbare Energien und
Nachhaltige Entwicklung, S. 8).
25
Obwohl kein fossiler Brennstoff, ist Uran mit aufgelistet, weil auch Uran abgebaut werden muss.
(­ Tabelle im Anhang, S. 276 / 277)
23
)
Fossile Energieträger sind endliche Rohstoffe.
24
Sie entstehen weder immer wieder in dem
Maße neu, wie sie derzeit entnommen werden noch sind sie durch menschliche Anstrengun-
gen reproduzierbar.
Das heißt, ihre Verwendung oder besser, ihre Vernutzung, beruht auf der unwiederbringlichen Aus-
beutung natürlicher Vorkommnisse - wenn sie eines Tages erschöpft sein werden, ist bei den darauf
basierenden Technologien das Ende der Fahnenstange erreicht. Wie diese Perspektive hinsichtlich
fossiler Brennstoffe im Einzelnen aussieht, werde ich im zweiten Kapitel genauer beleuchten.
)
Bereits beim Abbau und Transport können fossile Energieträger eine Reihe von Umwelt-
schäden von teilweise folgenreichen bzw. lang anhaltenden Auswirkungen verursachen.
Dass Schäden bereits Beiwerk des Alltagsbetriebs, mithin des Normalfalls sind - es nicht erst einer
Tankerhavarie bedarf - soll die Tabelle am Ende des Kapitels verdeutlichen.
25
)
Auch bei der Stromerzeugung selbst, also bei der Verbrennung der Energieträger in Kraft-
werken, werden Stoffe in Luft und Atmosphäre freigesetzt, die entweder direkt giftig bzw.
schädlich sind oder solche, die an sich ,,unverdächtig" sind, aber letzten Endes ebenfalls zu
massivsten ökologischen Problemen führen können.
Ich möchte mich nicht weiter mit der erstgenannten Schadstoffkategorie beschäftigen. Letztlich führt
jeder Verbrennungsprozess zur Freisetzung von Stäuben, Stickstoff- und Schwefelverbindungen etc.,
mit denen vermeidend oder ,,entsorgend" umgegangen werden muss. Mein Augenmerk soll statt
dessen den Kohlendioxid-Emissionen gelten, die bei der Verbrennung fossiler Energieträger entstehen.
Sie sind der Schlüssel zu den bedrohlichen Szenarien, die seit einiger Zeit unter der Überschrift
,,Treibhauseffekt und Klimaveränderungen" in die Schlagzeilen geraten sind. Im folgenden Abschnitt
werde ich versuchen, darzustellen, was es damit auf sich hat.

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 24
26
Die ,,Global Climate Coalition", ein Zusammenschluss von Industriekonzernen, trat in der Vergangenheit
immer wieder mit wissenschaftlichen Expertisen auf (bzw. initiierte sie), die den Zusammenhang von
Kohlendioxidemissionen und globalen Klimaveränderungen in Abrede stellten. Inzwischen scheint diese
Front zu zerbröckeln (vgl. Pötter, B.: ,,Ein Sieg der Klimawarner", in: taz vom 20. Februar 2001).
27
vgl. Liebert, N.: ,,Klimawandel sorgt für dünnes Eis", in: taz vom 27. Februar 2001
28
vgl. Greenpeace: Themen und Kampagnen / Argumente Klima, S.1
29
vgl. ASE (Hg.): Energiewelten, S. 36 (Die Durchschnittstemperatur betrüge -18°C, +15°C sind es derzeit)
24
1.2.2 Globale Klimaveränderungen?
Wenn vom Treibhauseffekt oder gar vom drohenden Klimakollaps die Rede ist, fehlt es im All-
gemeinen nicht an drastischen Beschreibungen. Während unter WissenschaftlerInnen mittlerweile
größtenteils Einigkeit besteht,
26
das heißt, eine gewisse globale Erwärmung an sich kaum mehr strittig
ist und ,,nur" ihre wahrscheinliche Höhe und die konkret daraus resultierenden Folgen noch diskutiert
werden, herrscht in der Öffentlichkeit teilweise eine rechte Verwirrung, was dies nun zu bedeuten hat:
Ist jede ,,Laune des Wetters" ein deutliches Zeichen, welches in Angst und Sorge versetzen sollte oder
darf man sich vielleicht doch eher ganz arglos auf mildere Winter freuen - wie beispielsweise der
kanadische Transportminister offenbar einen wirtschaftlichen Aufschwung für den Nordosten des
Landes durch in naher Zukunft möglicherweise ganzjährig eisfreie Häfen erhofft.
27
Meiner Wahrnehmung nach haben sich die Schlagworte Klimawandel oder gar Klimakatastrophe zwar
inzwischen im öffentlichen Bewusstsein festgesetzt, aber oft fehlt der Hintergrund, was darunter genau
zu verstehen ist. Folglich ist anzunehmen, dass erst recht die Vorstellung fehlen dürfte, wie der eigene
Alltag damit in Beziehung zu setzen sein kann. Daher möchte ich zunächst eine Begriffsklärung
vornehmen, um dann den Zusammenhang zu Stromerzeugung und Stromverbrauch herzustellen.
1.2.2.1 Der natürliche Treibhauseffekt
Der inzwischen übel beleumdete Treibhauseffekt ist an sich eine natürliche physikalische Wirkung der
Erdatmosphäre:
,,Die Sonne strahlt gewaltige Mengen an Energie in Form von kurzwelliger Strahlung an die
Erde ab. Von der Erdoberfläche entweicht jedoch nur ein Teil zurück in den Weltraum. Der
größte Teil wird in langwellige Strahlung (Infrarot) umgewandelt. Die so genannten Treib-
hausgase - etwa CO2 und Methan - wirken als Speicher für diese Energieform und erwärmen
die Erdoberfläche auf ein angenehmes Maß."
28
Ohne die ausgleichende Wirkung der Atmosphäre als Wärmespeicher und Filter wäre Leben auf der
Erde, so wie wir es kennen, schlechterdings unmöglich. So lägen die durchschnittlichen Temperaturen
auf der Erdoberfläche unter dem Gefrierpunkt und es würden extreme Schwankungen zwischen Tag-
und Nachttemperaturen bestehen.
29

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 25
30
vgl. BMWi (Hg.): Energie Daten 2000, S. 55.
Auch der Gehalt an atmosphärischem Ozon, Methan etc. ist im Anstieg begriffen.
31
vgl. Energiewelten, S. 177
32
Natürlich gab es in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit klimatische Schwankungen (z. B. die Eis-
zeiten des Pleistozäns). Die frühen Menschen waren durch derartige Veränderungen zu Wanderungen
gezwungen.
Die Herausbildung von Ackerbaukulturen als Grundform heutiger, seßhafter Lebensweisen fand erst im
Holozän oder Alluvium statt. Das ist das seit etwa 10.000 Jahren herrschende Erdzeitalter. In dieser
(kurzen) Phase blieb das Klima - im Großen und Ganzen gesehen - einigermaßen konstant.
25
Wie stark das Speicherpotential der Atmosphäre ist, hängt von der Konzentration verschiedener so
genannter Treibhausgase ab: Wasserdampf ist zu über 60% am Treibhauseffekt beteiligt, Kohlendioxid
(derzeit) zu knapp 30%, während Gase wie Ozon, Stickstoffoxide und Methan zusammengerechnet um
die 5% beitragen.
30
Im vorliegenden Fall soll es primär um Kohlendioxid (CO
2
) gehen. Dieses Gas ist an sich ein elemen-
tarer Baustein sämtlicher Lebensprozesse auf der Erde und in den so genannten Kohlenstoff-Kreislauf
eingebunden:
,,Grundlage allen Lebens auf der Erde bilden Verbindungen von Wasser und Kohlendioxid.
Grüne Pflanzen, Algen [...] sind in der Lage, aus der Luft Kohlendioxid und aus dem Boden
Wasser sowie Mineralien aufzunehmen und daraus [...] energiereiche Substanzen aufzubauen.
Bei diesem Prozess, der Photosynthese, wird der für Mensch und Tier notwendige Sauerstoff
gebildet. So wird die von der Sonne kommende Energie in Form von Kohlenwasserstoff-
verbindungen in Pflanzen gespeichert. Sie wird von Tier und Mensch im Nahrungskreislauf
genutzt. Dabei wird Kohlendioxid wieder abgegeben."
31
Der Kohlendioxidgehalt der Erdatmosphäre ist im Verlauf der Erdgeschichte nicht immer konstant ein
und derselbe gewesen, man kann also nicht sagen, der ,,normale" Gehalt sei so und so hoch. Er war
immer abhängig von den jeweils vorherrschenden Lebensformen, dem Verhältnis von pflanzlichem zu
tierischem Leben - und hat gleichzeitig dieses Verhältnis bzw. die Lebensmöglichkeiten mitgestaltet.
Wie es über die Erdzeitalter hinweg immer wieder extreme klimatische Veränderungen gab, so
schwankte ebenfalls der CO
2
-Gehalt der Atmosphäre. Die verhältnismäßig junge Spezies Mensch hat
in ihrer eigenen Evolutionsgeschichte nicht so sehr viel davon mitbekommen können. Umgekehrt gilt
jedoch, dass die Entwicklung, die weltweite Ausbreitung und das Überleben unserer Art, so wie wir sie
heute kennen, in hohem Maße von bestimmten äußeren Bedingungen abhängig war. Zu diesen
Bedingungen gehören der CO
2
-Kreislauf und die klimatischen Verhältnisse der Jetztzeit.
32
)
Die klimatischen Rahmenbedingungen stehen in Zusammenhang mit dem atmosphärischen Treibhaus-
effekt, der entscheidend für die Oberflächentemperatur auf der Erde verantwortlich ist.

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 26
33
vgl. IPCC (Hg.): Shanghai Draft, Summary for Policymakers, S. 13, Schaubild 2a (ppm = parts per million,
somit entsprechen 350 ppm 0,035%. Hierzu vergegenwärtige man sich, dass dieses atmosphärische
Spurengas für beinahe 30% des natürlichen Treibhauseffekts verantwortlich gemacht wird!)
34
vgl. ebenda, S. 4 (The rate of increase [..] has been about 1,5 ppm [..] per year over the last two decades.)
35
vgl. Erneuerbare Energien und nachhaltige Entwicklung, S. 10
36
vgl. Energie Daten 2000, S. 14, Tabelle 8
26
1.2.2.2 Der anthropogene Treibhauseffekt
Im Gegensatz zum eben beschriebenen natürlichen Treibhauseffekt, beruht die menschengemachte
Variante auf der Tatsache, dass im Laufe der letzten Jahrhunderte - namentlich seit Beginn der
Industrialisierung - der CO
2
-Gehalt in der Atmosphäre stetig angestiegen ist. Während er um das Jahr
1800 herum bei ungefähr 280 ppm lag, beträgt er derzeit um die 350 ppm.
33
Dies entspricht einer
Steigerung um 25% im Laufe von zwei Jahrhunderten. Allein während der letzten beiden Jahrzehnte
lag die Zunahme bei durchschnittlich 0,4% pro Jahr.
34
Der Zuwachs ist vor allem die Folge einer massiven Freisetzung von Kohlendioxid durch die Ver-
brennung fossiler Energieträger wie Kohle und Erdöl. Diese Rohstoffe, die in langwierigen chemisch-
physikalischen Prozessen aus vor Urzeiten abgestorbenen Lebewesen entstanden sind, bestehen ihrem
organischen Ursprung zufolge größtenteils aus Kohlenstoff. Sie haben auf die heutige Zusammen-
setzung der Atmosphäre so lange keinen Einfluss, wie sie in ihren unterirdischen Lagerstätten einge-
schlossen bleiben oder zumindest nicht verbrannt werden. Bei jeder Verbrennung organischer Sub-
stanzen wird jedoch zwangsläufig Kohlendioxid frei und in die Luft geblasen.
Auf diese Weise werden zurzeit weltweit etwa 22 - 23 Milliarden Tonnen Kohlendioxid pro Jahr emittiert.
Bei gleichmäßiger Verteilung auf alle Menschen wären dies knappe 4 Tonnen pro Kopf und Jahr. Die
Rechnung geht aber so einfach nicht:
,,Ein Viertel der Menschheit, nämlich die Bewohner der Industrieländer, sind für drei Viertel
der globalen Kohlendioxidemissionen pro Jahr verantwortlich, nur das restliche Viertel wird
von den Bewohnern der Entwicklungsländer emittiert."
35
Wenn man allein die größten Verursacher in Betracht zieht - namentlich die USA, die EU-Staaten
und Japan - dann sind 13% der Weltbevölkerung für annähernd 50% der Emissionen verantwortlich.
In Deutschland betrug der verbrennungsbedingte CO
2
-Ausstoß im Jahre 1999 um die 860 Millionen
Tonnen. Pro Kopf der Bevölkerung gerechnet, macht das über 10 Tonnen.
36
Zugegebenermaßen ist
dies zwar ,,nur" die Hälfte dessen, was US-BürgerInnen, die in jener Hinsicht die weltweit größten
VerursacherInnen sind, Jahr für Jahr freisetzen - aber bezogen auf den oben bezifferten weltweiten
Durchschnitt von 4 Tonnen ist es mehr als doppelt so viel.

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 27
37
vgl. Energie Daten 2000, S. 14, Tabelle 8 Seilnacht, Th..: Umweltlexikon, Stichwort ,,Kohlendioxid"
38
Strom machte in den letzten 10 Jahren circa 17% bis 18% des bundesdeutschen Endenergieverbrauches
aus (vgl. Energie Daten, S. 12, Tabelle 6b): 339 t CO
2
-Emissionen sind hier für Kraft- u. Heizkraftwerke
angegeben. Mit der Tabelle auf S. 41 in Relation gesetzt, ergibt dies grob 1kg pro erzeugte Kilowattstunde
Strom. Angesichts unterschiedlicher Techniken ist dieser Durchschnittswert natürlich grob vereinfachend.
Fakt ist jedoch, dass die Stromerzeugung (vielfach) die eingesetzte Energie nicht effizient umsetzt - daher
die Kluft zwischen Primärenergieeinsatz und Endenergieverbrauch (­ 1.4 2.1)
39
vgl. Berliner Energiebilanz 1997, S. 26, Tab. 15
40
vgl. IPCC, S. 4 (Übersetzung: A. T.);
Die Konzentrationen werden beispielsweise über Vergleichsmessungen in altem Gletschereis bestimmt.
27
Fossiler Kohlenstoff wird heute in einer Vielzahl industrieller und technischer Prozesse verbrannt, unter
anderem eben in der Stromerzeugung. Von den 860 Mio. Tonnen ,,deutscher" CO
2
-Emissionen des
Jahres 1999 gingen knapp 340 Mio. Tonnen auf Kraft- und Heizkraftwerke zurück.
37
Ein Blick auf die
Zeitreihe der letzten 10 Jahre zeigt, dass die Stromerzeugung einigermaßen konstant 35% - 38% dieser
Emissionen zu verantworten hat. Somit trägt nicht einmal ein Fünftel des so genannten Endenergie-
verbrauchs zu über einem Drittel der Kohlendioxidemissionen bei.
38
Ein gezielter Blick auf Berlin zeigt vergleichbare Werte: Von den über 25 Mio. Tonnen, die in Berlin
im Jahre 1997 ,,energieverbrauchsbedingt" emittiert wurden, stammten annähernd 10 Mio. Tonnen
aus der Stromerzeugung.
39
Das so frei gewordene Kohlendioxid steht quasi außerhalb des heutigen CO
2
-Kreislaufs, das heißt,
dieses Überangebot kann nicht in entsprechendem Maße von der Pflanzenwelt und den Oberflächen
der Ozeane wieder gebunden werden. Daher erhöht sich die CO
2
-Konzentration in der Atmosphäre.
Die weltweite, permanent fortschreitende Reduzierung bewaldeter Flächen verkleinert die Kapazitäten
zur Wiedereinbindung von CO
2
noch zusätzlich:
,,Die gegenwärtige CO2-Konzentration wurde während der letzten 420.000 Jahre nicht über-
schritten und wahrscheinlich nicht während der vergangenen 20 Millionen Jahre. Die aktuelle
Zuwachsrate ist beispiellos während der letzten 20.000 Jahre."
40
Im Übrigen ist CO
2
nicht das einzige Treibhausgas, das in hohen Konzentrationen freigesetzt
wird. Auch die Zunahme anderer klimawirksamer Gase in der Atmosphäre - wie Methan,
Stickoxide, FCKWs, Ozon etc. - geht zu einem Löwenanteil auf menschliche Aktivitäten zurück.
)
Der anthropogene Treibhauseffekt ist demzufolge die mutmaßliche Verstärkung eines natürlichen
Phänomens durch von Menschen verursachte Schadstoffeinträge.

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 28
41
vgl. IPCC, S. 1
42
vgl. ebenda, S. 1ff (Übersetzung: A. T.)
28
1.2.2.3 Ein Prozess mit unkalkulierbaren Folgen
Wie sehen nun die möglichen Folgen dieser atmosphärischen Veränderungen aus?
Noch vor nicht allzu langer Zeit wurde eher befürchtet, die zunehmende Verschmutzung der Luft-
schichten könne die einfallende Sonnenstrahlung vermindern und somit zu einer Abkühlung auf der
Erdoberfläche führen. Dieses Phänomen war immerhin bereits wiederholt in Zusammenhang mit
starken Vulkanausbrüchen zu beobachten. Obwohl auch dieser Effekt der Luftverschmutzung als
nachgewiesen gilt, wird mittlerweile doch dem gegenteiligen Szenario - einer globalen Erwärmung - die
höhere Wahrscheinlichkeit zugeschrieben.
Ansatzweise sind Auswirkungen des anthropogenen Treibhauseffektes inzwischen feststellbar bzw.
gelten als belegt: Bereits im Laufe des vergangenen Jahrhunderts hat sich die mittlere Oberflächen-
temperatur auf der Erde um ca. 0,6 °C erhöht. Die 90er Jahre des gerade vergangenen Jahrhunderts
waren die wohl wärmste Dekade seit Anbeginn regelmäßiger Temperaturaufzeichnungen (seit den
1860er Jahren). Laut Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change, dem Klimaforum der
UNO, war auf der Nordhalbkugel der Erde das 20. Jahrhundert wahrscheinlich das wärmste der
letzten 1.000 Jahre.
41
Der im Januar 2001 veröffentlichte IPPC-Bericht nennt einige weitere, bereits beobachtete und als
Zeichen einer globalen Erwärmung interpretierte Auffälligkeiten:
42
)
Nicht allein in Erdoberflächennähe, sondern auch in den unteren Schichten der Atmosphäre
hat die Temperatur in den letzten Jahrzehnten zugenommen.
)
Satellitenbilder legen nahe, dass die ganzjährig eis- und schneebedeckten Flächen seit Ende
der 60er Jahre abgenommen haben. Auf der Nordhalbkugel hat sich die winterliche Ver-
eisung von Gewässern im Schnitt um zwei Wochen im Jahr verkürzt. In den arktischen
Gewässern scheint ein Rückgang der sommerlichen Vereisung von um die 40% beobachtbar
zu sein. Gletscher in nicht-polaren Regionen sind weltweit auf dem Rückzug.
)
Der durchschnittliche globale Meeresspiegel ist während des 20. Jahrhunderts um 10 - 20 cm
gestiegen und die mittleren Temperaturen der Ozeanoberflächen haben sich erhöht.
)
Während in mittleren und hohen Breiten die Wahrscheinlichkeit starker Niederschläge
zugenommen hat, war in subtropischen Regionen ein Rückgang der (ohnehin sehr niedrigen)
Niederschlagsmengen zu verzeichnen.

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 29
43
vgl. IPCC, S. 9 (Tabelle). Der Temperaturanstieg bezieht sich auf Landregionen.
Nach Einschätzungen des IPCC ist von einer wesentlich stärkeren Erwärmung auszugehen, als bislang
schlimmstenfalls angenommen wurde. Den Wert von ,,bis zu 5,6 °C" hatte ich zuvor noch nirgends gelesen.
44
vgl. ebenda, S. 6
29
Die KlimawissenschaftlerInnen des IPPC halten eine weitere durchschnittliche Erwärmung um 1,4 °C bis
5,6 °C (und insbesondere einen Anstieg der absoluten Höchst- und Tiefsttemperaturen), eine Ver-
schiebung von Niederschlagsmengen in Richtung eines noch ausgeprägteren weltweiten Ungleich-
gewichtes sowie eine deutliche Zunahme von Intensität und Häufigkeit schwerer (tropischer) Stürme
im Verlauf dieses Jahrhunderts für sehr wahrscheinlich.
43
Gerade der diagnostizierte Temperaturanstieg mag angesichts der letztjährigen außerordentlichen
Kältewellen im kontinentalen Nordosten Asiens zynisch klingen, aber es sei ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass aus kurzfristigen Wetterphänomenen keine Aussagen über mittel- bis langfristige Klima-
entwicklungen ableitbar sind. Die beschriebenen Entwicklungen beruhen auf Durchschnittswerten,
Häufungen und berechneten Modellen. Eine Erwärmung um durchschnittlich 0,6 °C mag auf den ersten
Blick keinen großen Eindruck machen, aber man muss sich vor Augen halten, dass beispielsweise
Vegetationszyklen oder lokale Wasserhaushalte auf derart minimale Verschiebungen bereits reagieren.
Nun mag auch eingewendet werden, dass eine Erwärmung zwar dramatisch in ihren Konsequenzen,
aber dennoch natürlichen Ursprungs sein könnte, so wie es in der Vergangenheit immer wieder globale
Klimaveränderungen gegeben hat. Ich bin keine Klimawissenschaftlerin, jedoch scheint mir - einge-
denk der seit langem anerkannten Treibhauswirkung - die Zunahme an atmosphärischem Kohlen-
dioxid einerseits und die beschriebenen klimatischen Entwicklungen andererseits eine überdeutliche
Koinzidenz zu sein. In den Worten des IPCC:
,,There is new and stronger evidence that most of the warming observed over the last 50 years
is attributable to human activities."
44
Wie in der Vergangenheit schon hinsichtlich anderer wissenschaftlich berechneter Modelle, könnten
sich natürlich auch diese ,,neuen und stärkeren Beweise" in der Zukunft als Fehlannahme heraus-
stellen, im positiven wie im negativen Sinn. Welche weiteren Wechselwirkungen im Einzelnen
eintreten könnten, ist sicherlich mit Hilfe von Computermodellen sowieso nicht zu errechnen.
Es ist nicht meine Absicht, hier Schreckensbilder der möglichen Folgen des Klimawandels an die
Wand zu werfen, dazu sind sowieso andere Medien und Darstellungsformen besser geeignet. Es sei nur
darauf hingewiesen, dass eine globale Erwärmung in mancher Hinsicht zu einem sich selbst weiter
steigernden Prozess werden kann: Das partielle Auftauen der sibirischen und kanadischen Permafrost-
böden würde zu ausgedehnten Sumpfgebieten führen und das Absterben von Wäldern infolge
veränderter Niederschlagsmengen verrottende Biomasse produzieren. Beides würde folglich große

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 30
45
Darauf weist die vollständige Fassung des IPCC-Berichtes hin, die mir nicht in dieser Form vorliegt.
(vgl.: Zumach, A.: ,,Da steppt das Klima", in: taz vom 20. Februar 2001 zur Genfer IPCC-Konferenz)
46
vgl. Allnoch, R. in: IWR-Pressemitteilung vom 12. März 2001
47
IPCC, zitiert nach IWR-Pressemitteilung vom 12. März 2001
30
Mengen an Methan freisetzen und könnte den Treibhauseffekt weiter beschleunigen.
45
Zudem ist
davon auszugehen, dass die wirksamen Gase über lange Zeiträume in der Atmosphäre aktiv bleiben
werden.
Robert Allnoch, der Leiter des Münsteraner ,,Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative
Energien", hat die beschriebenen bzw. befürchteten Entwicklungen sowie die üblicherweise zu be-
obachtenden Reaktionen auf folgende Formel gebracht:
,,Den weltweiten Ausstoß von Kohlendioxid kann man mit einem einzigartigen gigantischen
geophysikalischen Experiment auf der Erde mit unbekanntem Ausgang gleichsetzen. Alle
hoffen dabei, dass die Abgase der in einer erdgeschichtlichen Sekunde verbrannten fossilen
Energieträger keinen Schaden anrichten."
46
Welche Folgen sich auch immer zeigen mögen, es ist durchaus davon auszugehen, dass die wohl-
habenden Länder des Nordens bzw. ihre Bevölkerungen nicht diejenigen sein werden, die die negativen
Auswirkungen der globalen Erwärmung als Erste massiv am eigenen Leib erfahren müssen. Die
Ökosysteme der so genannten gemäßigten Klimazonen gelten im Vergleich zu extremeren Klimaten
mit prekären Wasserhaushalten als etwas weniger empfindlich. Hinzu kommt, dass beispielsweise
hierzulande die finanziellen und logistischen Ressourcen, um Vorkehrungsmaßnahmen zu treffen oder
Betroffene zu entschädigen, in weitaus größerem Maße vorhanden sind als in den ärmeren oder gar
den ärmsten Staaten.
Ganz abgesehen davon, dass die Ausarbeitung und Erprobung von Vorkehrungs- bzw. Anpassungs-
maßnahmen angesichts der bereits festgestellten Erwärmung und ihrer Konsequenzen sowieso vonnö-
ten sein dürften, hält das Intergovernmental Panel on Climate Change fest, dass ein ,,Stopp oder eine
Verminderung der Erwärmung nur durch eine baldige, drastische Reduzierung der Treibhausgas-
Emissionen bewirkt werden kann."
47
So stellt sich die Frage, wie dies zu erreichen ist und durch wen?
)
Die Bundesrepublik bzw. ihre BewohnerInnen gehören zu dem Viertel der Menschheit, das drei
Viertel des jährlichen weltweiten CO
2
-Eintrages zu verantworten hat.
So sollten genau diese Länder, die die größten Emittenten sind, sich am stärksten aufgefordert sehen,
der Entwicklung entgegen zu steuern. Diese Staaten verfügen zudem am ehesten über die Ressourcen,
um einen weiteren, potentiell verhängnisvollen Prozess positiv zu beeinflussen:

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 31
48
vgl. Aus Verantwortung für die Zukunft, S. 10. Es ist ausgesprochen billig, sich angesichts der potentiel-
len chinesischen AutofahrerInnen zu gruseln. Im Übrigen greifen Behörden in ,,Entwicklungsländern"
mitunter zu Maßnahmen, die hierzulande nicht einmal diskutiert werden bzw. bei denen lieber auf lange,
freundliche Übergangszeiten gesetzt wird. Obwohl die Maßnahme mangels Vorbereitung leider zum
Scheitern verurteilt war, hatte die Verwaltung von Delhi den Mut, ab April 2001 den Betrieb von nicht-
gasbetriebenen ÖPNV-Fahrzeugen schlicht zu
verbieten. Kritisiert wurde in Delhi auch nicht die Tatsache
an sich, sondern die schlechte Organisation der Maßnahme durch die verantwortlichen Behörden. Man
stelle sich nur einmal vor, wie die Reaktionen in Deutschland ausfallen würden...
49
vgl. Erneuerbare Energien und nachhaltige Entwicklung, S. 10
50
vgl. Kyotoprotokoll (zum Rahmenabkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen), Art.3 Abs.1
Übrigens hat die Bundesrepublik das Abkommen zwar unterschrieben, aber nicht ratifiziert. Überhaupt
können sich die Unterzeichnerstaaten nur schwer zu seiner Implementierung aufraffen - und die neue US-
Regierung will vom Kyotoprotokoll gar nichts mehr wissen.
31
,,Würden also die Entwicklungsländer die Lebens- und Wirtschaftsweise der Industriestaaten
übernehmen, wäre der ökologische Zusammenbruch unvermeidlich. Daher müssen die Indu-
striestaaten nicht nur ihr eigenes Verhalten grundlegend ändern, sondern auch die Entwick-
lungsländer dabei unterstützen, Wege zu gehen, die einen höheren Lebensstandard mit einem
deutlich niedrigeren Verbrauch an Energie und Rohstoffen [...] ermöglichen."
48
Niemandem auf der Welt kann das Recht abgesprochen werden, einen Lebensstil anzustreben, wie er
für BewohnerInnen der reichsten Gesellschaften gang und gäbe ist - insbesondere nicht, so lange diese
auf sich selbst bezogen darauf bestehen, genauso ressourcenaufwändig weiter leben zu wollen, wie sie
es derzeit praktizieren. Im Übrigen lässt sich die schlichte Rechnung anstellen, dass die CO
2
-Reduktion
auf Seiten der Hauptverursachenden naturgemäß die größte Gesamtwirkung entfalten kann.
1.3
Klimaschutzziele - Auf dem besten Weg in die Zukunft?
Auf der staatlichen und zwischenstaatlichen Ebene liegen Beschlüsse und Abkommen zum Klima-
schutz inzwischen in größerer Zahl vor - was leider noch nichts über ihre Umsetzung aussagt. Für die
Bundesrepublik stellt das Bundesumweltministerium fest:
,,... so ist eine weltweite Reduktion der gegenwärtigen Emissionen um die Hälfte bis zum Jahr
2050 unerlässlich. Berücksichtigt man die weiter wachsende Bevölkerung, so darf jeder der dann
voraussichtlich 10 Milliarden Erdenbürger nur noch weniger als eine Tonne CO2 emittieren.
Daraus abgeleitet sollte Deutschland das längerfristige Ziel einer Senkung um 75% bis zum Jahr
2050 erreichen."
49
Im Dezember 1997 haben sich 184 Teilnehmerstaaten des so genannten ,,Klimagipfels" im japanischen
Kyoto auf ein Abkommen zum Klimaschutz geeinigt. Hier haben sich die teilnehmenden Industriestaa-
ten dazu verpflichtet, bis zum Zeitraum 2008 / 2012 ihren Ausstoß an treibhauswirksamen Gasen
gegenüber dem Stand von 1990 um durchschnittlich 5% (!!) zu reduzieren.
50
Die Bundesrepublik bzw.
alle EU-Staaten verpflichteten sich auf eine Reduktion um mindestens 8%.

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 32
51
vgl. Energie Daten, S. 14. Die Verpflichtung bezieht sich auf alle Treibhausgase, umgerechnet als so ge-
nannte ,,Kohlendioxidäquvalente", je nach der unterschiedlichen Treibhauswirksamkeit der Gase.
52
vgl. ebenda, S. 15
53
vgl. BMU (Hg.): Rat der Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 2000, Abschnitt 137
54
vgl. BMU (Hg.): Magazin Umwelt, Sonderteil 11 / 2000, S. II
55
vgl. ebenda, S. IV
32
Die EU-Staaten ihrerseits haben im Juni 1998 diesen Durchschnitt auf ihre einzelnen Mitgliedsländer
aufgeschlüsselt und verbindliche Quoten festgelegt. Demnach muss die Bundesrepublik ihre treib-
hausrelevanten Emissionen bis 2008 / 2012 um bis zu 21% senken.
51
Im Vergleich zu 1990 ist in Deutschland inzwischen tatsächlich eine Reduktion um knapp über 15%
festzustellen. Allerdings bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, worauf dieser Rückgang im
Einzelnen zurückzuführen sei. Während das Bundeswirtschaftsministerium der Ansicht ist, dazu
,,haben vor allem Fortschritte bei Industriefeuerungen und im Kraftwerksbereich beigetragen",
52
kommt der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen - eine interdisziplinäre Kommission von 7
ExpertInnen - in seinem letzten Gutachten zu einer deutlich negativeren Einschätzung:
,,Der weitaus größte Teil dieser Emissionsminderung war vereinigungsbedingt und nicht auf
gezielte Klimaschutzmaßnahmen zurückzuführen. Nach dem Auslaufen der ostdeutschen
Sonderentwicklung wurden nur noch geringfügige Emissionsminderungen erreicht. Mit
Ausnahme der [FCKW] waren die Emissionsverläufe der übrigen Treibhausgase [...] durch
Stagnation, zum Teil aber auch durch große Zuwächse gekennzeichnet. Deutschland befindet
sich folglich nicht auf einem Reduktionspfad, der die Zielerreichung bis 2005 ermöglichen
könnte [...]."
53
Übereinstimmend wird jedoch von beiden Seiten festgestellt, dass die Steigerung der CO
2
-Emissionen vor allem
dem Straßenverkehr und den privaten Haushalten anzulasten sei. Ich möchte die Behauptung wagen, dass
dieser Sachverhalt den ,,privaten Haushalten" - die ja auch zu einem großen Teil zum Straßenverkehr
beitragen - nicht in entsprechendem Maße klar ist. Kohlendioxid stinkt nicht und ist nicht sichtbar
und, dass jede verbrauchte Kilowattstunde Strom bei ihrer Erzeugung in fossil befeuerten Kraftwerken
naturgemäß CO
2
freisetzt, ist wahrscheinlich den wenigsten ausreichend bewusst.
Auf dem Weg, die bundesdeutschen Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2050 um zusammen-
gerechnet 75% zu senken, hat die Bundesregierung im Nationalen Klimaschutzprogramm vom Herbst
2000 beschlossen, bis 2005 eine Reduktion des CO
2
-Ausstoßes um 25% zu erreichen.
54
Angesichts der
zitierten Diagnose des Umweltrates ist dieses Ziel als recht ehrgeizig zu bezeichnen.
Insbesondere mittels Effizienzsteigerung ist es der Energiewirtschaft in den letzten zehn Jahren zwar ge-
lungen, ihre Kohlendioxidemissionen um über 16%
55
zu reduzieren, aber in Anbetracht dessen, dass
sie immer noch über ein Drittel des gesamten Ausstoßes zu verantworten hat, sind meiner Ansicht
nach auf diesem Sektor weitere massive Konsequenzen unumgänglich:

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 33
33
)
Auf die Stromerzeugung entfallen hierzulande mehr als 35% des Kohlendioxidausstoßes. Im Sinne der
zwingend notwendigen Reduktion dieser Emissionen stellt sich die Frage, mit welchen Mitteln sie am
besten, zügigsten und nachhaltigsten erfolgen kann.
)
Die privaten Haushalte verbrauchen annähernd 30% des erzeugten Stroms. Die Tendenz ist steigend.
Hier stellt sich die Frage nach Möglichkeiten, wie private VerbraucherInnen sich an einer Umge-
staltung beteiligen bzw. auf sie Einfluss nehmen und Verantwortung übernehmen können.
Was dies im Detail bedeutet und welche Art von Verantwortung im Sinne eines langfristigen Um-
steuerns den privaten Haushalten zukommen könnte, möchte ich in den nächsten beiden Kapiteln
ausführlicher schildern. Zur Klärung der häufig verwendeten energietechnischen Begriffe soll das
folgende Glossar dienen.
1.4
Glossar
Energie:
Energie ist die Fähigkeit oder Möglichkeit eines Systems, Arbeit zu verrichten.
Sie tritt in verschiedenen Formen auf bzw. kann von einer Form in eine andere
technisch umgewandelt werden z. B. bei der Verbrennung eines Stückes Holz wird
die darin enthaltene Energie in Wärme und Licht umgewandelt.
Primärenergie:
Von Primärenergie spricht man bei Energieträgern, die direkt von der Natur aus zur
Verfügung stehen und die noch keiner (technischen) Energieumwandlung unter-
worfen wurden z. B. Kohle vor der Verbrennung im Kraftwerk oder Wasser, das in
Wasserkraftwerken genutzt werden kann. Aus den Primärenergieträgern wird
Sekundärenergie erzeugt z. B. Strom.
Endenergie:
Die Sekundärenergie am Ort ihres letztendlichen Verbrauchs wird Endenergie
genannt z. B. wenn die Sekundärenergie Strom einer Steckdose entnommen wird,
dann heißt sie Endenergie.
Bei der Nutzung von Endenergie wird sie in Nutzenergie umgewandelt z. B. wenn in
einem elektrischen Heizgerät Wärme entsteht.
Wirkungsgrad:
Der Wirkungsgrad ist das Verhältnis von eingesetzter, also aufgenommener Leistung
und wieder abgegebener, nutzbarer Leistung bei der Energieumwandlung z. B. wie
viel von der Sonnenenergie, die auf einen Sonnenkollektor auftrifft, durch ihn in
nutzbare Wärme umgesetzt wird (auch Ausnutzungsgrad genannt).
Anergie:
Der Energieanteil, der nicht mehr weiter in eine andere, nutzbare Form umgewan-
delt werden kann.

Die Geschichte vom Sägen am Ast? 34
56
vgl. Energie Daten 2000, S. 11 (Box ,,Fazit: 5)
34
)
Durch die Verluste bei der Energieumwandlung (und beim Transport!) ergibt sich, dass der
Energieeinsatz immer höher ist als die gewonnene nutzbare Energie. Auf die Umwandlungs-
prozesse von Primärenergie zu Endenergie bezogen, besteht in Deutschland derzeit ein
Verhältnis von knapp unter 3 : 2.
56
Bei der Energieumwandlung zu Strom kann das Verhält-
nis deutlich schlechter sein (­ 2.2.3).
Maßeinheiten:
Energieleistung oder Arbeit wird in Joule angegeben bzw. bei Strom in Kilowatt-
stunden (kWh). Ein Joule (J) entspricht einer Wattsekunde. Da angesichts der
enormen genutzten Energiemengen unendlich viele Nullen angefügt werden müss-
ten, sind bestimmte Vorsilben gebräuchlich:
Kilo = 10³ (Tausend Wattstunden oder Joule); Abkürzung k
[Mega = 10³ Kilo (eine Million der Grundeinheit); Abkürzung M]
[Giga = 10³ Mega (eine Milliarde der Grundeinheit); Abkürzung G]
Tera = 10³ Giga (eine Billion der Grundeinheit); Abkürzung T
[Peta = 10³ Tera (eine Billiarde der Grundeinheit); Abkürzung P]
Exa = 10³ Peta (eine Trillion der Grundeinheit); Abkürzung E
So vermeidet beispielsweise der Gebrauch von ,,Exa" 18 (!) Nullen.
Bruttostromerzeugung:
Die gesamte Stromerzeugung z. B. in Deutschland, inklusive dem, was in Industrie
und Gewerbe zum Eigenverbrauch hergestellt wird (in Stahlwerken, bei der Bahn).
Nettostromerzeugung:
Der in öffentlichen Kraftwerken erzeugte Strom, der in das Netz eingespeist wurde.
Er steht allerdings nicht vollständig zum Verbrauch zur Verfügung, denn Kraftwerke
benötigen einen Teil des erzeugten Stroms selbst und ein weiterer Teil geht beim
Transport im Leitungsnetz ,,verloren" (z. B. betrug beides zusammen 1998 bundes-
weit durchschnittlich 13%).
CO
2
-Bilanz:
Pflanzen binden Kohlendioxid, da sie es für ihren Stoffwechsel benötigen, um daraus
ihre Masse aufzubauen. Auch Meeresoberflächen können Kohlendioxid aufnehmen.
So wird ein Teil der Emissionen wieder aus der Luft herausgefiltert. Aber eben nur
ein Teil. Was über die beschriebenen Bindekapazitäten hinaus geht, wirkt sich
negativ auf die CO2-Bilanz aus und steigert letztlich den Kohlendioxidgehalt der
Atmosphäre, ist somit nicht klimaneutral.

Welche Farbe hat denn Ihr Strom / Anhang 276
276
1.5
Umweltfolgen
durch die Gewinnung verschiedener konventioneller Energieträger (in Deutschland
)
Steinkohle
Braunkohle
Erdöl Erdgas
Uran
Flächeninanspruchnahme
direkte und indirekte Inanspruch-
nahme durch Halden und Berg-
senkungen
ca. 5000 km² eingeschränkte
Nutzung indirekt beanspruchter
Flächen
keine Nutzungsmöglichkeit direkt
beanspruchter Flächen
direkte Inanspruchnahme durch
Abbau- und Abraumflächen
ca. 3000 km² stark eingeschränk-
te Nutzbarkeit, auch nach der
Renaturierung
punktuelle Beeinträchtigung
durch Bohrungen in der Nordsee
37 km² Betriebsfläche, z. T. radio-
aktiv und / oder mit Schwerme-
tallen und Metalloiden kontami-
niert
Massenverlagerungen
80 Mio. m³ Steinkohle und Ber-
gematerial pro Jahr
Förderverhältnis 1 : 2
1,2 Mrd. m³ Braunkohle und
Abraum pro Jahr
Förderverhältnis 1 : 5
keine Angaben
460 Mio. t Bergematerial
240 Mio. t Aufbereitungsrück-
stände mit hohen Gehalten an
Radionukliden, Schwermetallen
u. Metalloiden
Reliefveränderungen
großräumige Bergsenkungen
Halden
Tagebaurestseen, Halden
Bergsenkungen strittig
Restlöcher, Halden
(Fortsetzung nächste Seite)

277
Beeinträchtigungen
der Oberflächengewässer,
des Grundwassers
der Meere
Einleitung von 100 Mio. m³ Was-
ser mit hohen Salzgehalten in
Vorfluter von Rhein, Ruhr, Em-
scher u. Lippe
Veränderung des Grundwasser-
spiegels (absolute Absenkung,
relativer Anstieg in Senkungs-
bereichen)
In Halden u. Ablagerungsberei-
chen von Abraum: --
großflächige Grundwasserabsen-
kungen, Grundwasserdefizite von
mehreren km³
kritische Wasserqualität in
Tagebaurestseen (hohe Salinität,
saure Sickerwasser, Eisen- und
Schwermetallgehalte)
Freisetzung von Schwefelsäure u.
Mobilisierung v. Aluminium
Gefahr der Grundwasserkontami-
nation durch Bohrzusätze, Ein-
leitung von Öl u. ölhaltigem
Wasser bei Gewinnung, Trans-
port u. Verarbeitung (Schädigung
der marinen Umwelt)
Eintrag von Betriebsstoffen, Anti-
Fouling-Anstrichen und Bohr-
zusätzen
Entstehung saurer u. mit Radio-
nukliden belasteter Sickerwasser
(durch Pyritoxidation in den
Halden u. Säurezusätze in Aufbe-
reitungsrückständen)
Mobilisierung v. Radionukliden,
Schwermetallen und Komplex-
bildnern im Grundwasser
Atmosphärische Emission
klimarelevante Methanemissio-
nen
klimarelevante Methanemissio-
nen
Methanverluste bei Gewinnung
u. Transport von bis zu 2%
keine klimarelevanten Emissio-
nen
Produkte radioaktiven Zerfalls
von Thorium, Radonemissionen
(erhöhtes Krebsrisiko)
Industriebrachen und
Altlasten
Boden- u. Oberflächenkontami-
nation an Gewinnungs- u. Aufbe-
reitungsorten bzw. in der Umge-
bung der Betriebsgelände
(u. a. durch nichtsachgemäßen
Umgang mit Betriebsmitteln, Le-
ckagen etc.)
Spezifisches Schadstoffinventar
siehe Nebenspalte
Spezifisches Schadstoffinventar
siehe Nebenspalte
spezifisches Schadstoffinventar
siehe Nebenspalte
spezifisches Schadstoffinventar,
radioaktive Abfälle
Steinkohle
Braunkohle
Erdöl Erdgas
Uran
(Quelle: Umweltgutachten 2000)

Strom: Ein ganz besonderer Saft 37
1
vgl. Rother, R.: ,,Billig. Klassisch. Ökologisch.", in: taz vom 30. Oktober 1999
2
vgl. Smrz, L.: Elektrotechnik, S. 15
37
2 Strom: Ein ganz besonderer Saft
- Ein Blick hinter die Steckdose -
In diesem Kapitel werde ich mich weiter mit Energie und Elektrizität befassen. Im Mittelpunkt steht
ein Überblick über die zurzeit dominierenden Verfahren zur Elektrizitätserzeugung sowie Verweise auf
die ökologischen Konsequenzen, die - mit Fokus auf Ressourcenverbrauch und klimaschädigendes
Potential - aus den vorgestellten technischen Prozessen resultieren. Eine analoge Übersicht über das
Spektrum der erneuerbaren Energien schließt sich daran an. Daraus wird ersichtlich werden, warum eine
grundlegende Umgestaltung der Energiegewinnung hin zur flächendeckenden Nutzung regenerativer
Energieträger hinsichtlich der im ersten Kapitel dargestellten globalen ökologischen Auswirkungen
notwendig ist.
Ich möchte einen fassbaren Zugang zum Thema Strom vermitteln, aber mich dabei nicht auf das
unsichere Feld kleinster technischer Details begeben. So werde ich meine Ausführungen auf das im
Zusammenhang meiner Arbeit Nötigste beschränken, also vornehmlich auf die potentiellen Um-
weltrisiken.
2.1 Exkurs: Daten und Fakten zu Energienutzung und Erzeugung
2.1.1 Allgemeines zu Elektrizität
Elektrischer Strom ist der Lebenssaft unserer hochtechnisierten Gesellschaft: Wenn die Stromversor-
gung zusammenbricht, gerät gleichermaßen der Alltag aus den Fugen. Aber was ist Strom?
,,Strom - das ist nichts weiter als ein Transport elektrischer Ladungen. Er ist entgegen landläufi-
ger Meinung nicht gelb, sondern absolut farblos, unsichtbar gar..."
1
Elektrizität ist ein natürliches Phänomen. Sie ist bereits auf atomarer Ebene ,,in jedem Stoff, in jedem
Stückchen Materie enthalten."
2
Wir alle kennen Blitze als gewaltige elektrische Entladung. Oder dass
frisch gebürstete Haare im wahrsten Sinne des Wortes zu Berge stehen, weil die Reibung beim Bürsten
elektrische Spannung erzeugt hat.

Strom: Ein ganz besonderer Saft 38
3
Nun würde sich natürlich noch die Frage stellen, warum Strom immer wieder produziert werden muss, da
er doch nicht wirklich verbraucht wird. Vereinfacht könnte man antworten, dass die Leistung der Strom-
produzenten darin besteht, überhaupt die notwendige Spannung zu erzeugen, damit die Elektronen in
Bewegung kommen. Es wird sozusagen der Anschub gegeben. Er muss umso stärker ausfallen, je mehr
,,stromverbrauchende" Geräte gerade in Betrieb sind.
4
vgl. Energiewelten, S. 45
38
Dabei ist elektrische Energie nichts Gegenständliches, sondern das Ergebnis der Bewegung von
elektrisch geladenen Elementarteilchen oder Elektronen. Zweck ihrer Bewegung ist der Ausgleich von
Spannung. Mit anderen Worten: Eine ungleiche Verteilung von Elektronen soll wieder ausgeglichen
werden. Genau genommen ist das Herstellen von Gleichgewichten ein grundsätzliches natürliches
Ordnungsprinzip. Auch viele Prozesse im menschlichen Organismus laufen auf diese Art ab.
Allerdings ist jene überall vorkommende Elektrizität nicht unbedingt gezielt nutzbar. Das, was wir aus
der Steckdose beziehen, muss vor der Verteilung erst einmal erzeugt werden. Außerdem ist dafür zu
sorgen, dass kein Ausgleich stattfinden kann und folglich kein Strom mehr ,,fließt". Das ist die Aufgabe
von Kraftwerken.
Wenn Strom auf seinem Weg durch das Leitungsnetz durch ein elektrisches Gerät hindurch fließt,
muss er Widerstände überwinden, das heißt, er muss im physikalischen Sinne Arbeit verrichten, um
beispielsweise eine Glühlampe zum Leuchten zu bringen. Genau diese geleistete Arbeit ist gemeint,
wenn vom Stromverbrauch die Rede ist: Im Gegensatz zu Gas, das nach seiner Verbrennung im
Warmwasserboiler tatsächlich nicht mehr als solches vorhanden ist, verlässt der Strom nach getaner
,,Arbeit" die Glühlampe auch wieder. Insofern ist die gängige Rede vom Stromverbrauch eigentlich
irreführend.
3
2.1.2 Allgemeines zu Energie
Elektrische Energie ist nur eine von vielen möglichen Energieformen. Ihnen allen gemein ist, dass für
bzw. bei ihrer Nutzung die zugeführte Energie in eine andere Energieform überführt wird. Auch Energie
selbst wird also nicht im eigentlichen Sinne verbraucht, sondern lediglich verändert:
,,Es gilt allgemein, dass Energie nicht vernichtet und nicht neu geschaffen werden kann. Man
vermag lediglich eine Energieform in eine andere umzuwandeln. Dabei entstehen aber stets
Verluste. Nur ein Teil wird in eine nutzbare Energieform, ein anderer Teil in eine nicht oder
schwer nutzbare Energieform umgewandelt."
4
Es handelt sich folglich sowohl bei der Stromerzeugung als auch beim so genannten Verbrauch um
Umwandlungsprozesse. Umgewandelt werden jeweils natürlich gegebene chemische oder physikalische
Potentiale von Materie:

Strom: Ein ganz besonderer Saft 39
39
Beispielsweise wird zur Gewinnung von Elektrizität aus Steinkohle zuerst die Kohle verbrannt. Dabei
entsteht auf chemischem Wege Wärmeenergie, welche dazu dient, Wasserdampf zu erzeugen, mit
welchem wiederum Turbinen angetrieben werden. Die Turbinen ihrerseits treiben die elektrischen
Generatoren an. Die Bewegung der Turbinen hat sowohl Elektrizität zur Folge als auch wieder Wärme,
die durch die Reibung entsteht. Neben der Reibungswärme gibt es aber noch einen sehr großen Anteil
von Wärme, der sich gemäß den physikalischen Gesetzen der Thermodynamik grundsätzlich nicht
weiter in elektrische Energie umwandeln lässt. Diese so genannte Abwärme wird in vielen technischen
Verfahren nicht genutzt.
Genauso verhält es sich, wenn mit dem gewonnenen Strom beispielsweise ein Rührgerät betrieben
wird. Neben dem gewünschten Effekt, also der Rührbewegung, wird außerdem auch hier Wärme
abgegeben. Da niemand gezielt Rührgeräte benutzt, um die Küche zu beheizen, stellt die Wärme auch
in diesem Falle eine ,,nicht nutzbare Energieform" dar.
Insgesamt bleibt die Summe aller Energie laut Energie-Erhaltungssatz - einem Grundsatz der klassi-
schen Physik - immer gleich, egal, ob sie nutzbar ist oder nicht. Allerdings nimmt im Laufe der
energetischen Umwandlungsprozesse der Anteil an so genannter Anergie immer weiter zu. Wie ich
noch zeigen werde, fallen diese Verluste je nach Umwandlungsform unterschiedlich stark ins Gewicht.
2.1.3 Strom im Netz
Ein grundsätzliches Problem ist, dass Strom nur in kleinen Mengen gespeichert werden kann, beispiels-
weise in Batterien. So ist es möglich, den mittels einer Photovoltaikanlage am sonnenhellen Nach-
mittag produzierten Strom für die Nacht ,,aufzubewahren". Bei den Mengen, die hierzulande im Laufe
eines Tages aus dem öffentlichen Netz bezogen werden, ist eine derartige Vorratshaltung jedoch nicht
machbar. Folglich muss dieser Strom genau dann produziert werden, wenn auch Bedarf danach besteht.
Der Bedarf ist aber, je nach Tages- und Jahreszeit, verschieden hoch. So gibt es einen kontinuierlichen
Grundbedarf, der rund um die Uhr einigermaßen gleichbleibend ist sowie eine deutliche Steigerung
während der Tagesstunden. Dazu kommen mehrmals täglich so genannte Lastspitzen, während derer
die höchste Nachfrage besteht.
Nicht jede Kraftwerkstechnik ist zur Erfüllung beider Aufgaben gleichermaßen geeignet. Zum Beispiel
ist es leicht nachzuvollziehen, dass aus einem Stausee je nach Bedarf Wasser ins Kraftwerk geleitet
werden kann, während ein Kraftwerk an einem fließenden Gewässer eher einigermaßen kontinuierlich
arbeitet und eine Windkraftanlage in ihrer Erzeugungsleistung von der jeweils herrschenden Wind-
stärke abhängig ist:

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832450441
ISBN (Paperback)
9783838650449
DOI
10.3239/9783832450441
Dateigröße
1.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Berlin – Geisteswissenschaften
Erscheinungsdatum
2002 (Februar)
Note
1,0
Schlagworte
umweltpädagogik umweltschutz nachhaltigkeit ökostrom sozialstudie
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Titel: "Welche Farbe hat denn Ihr Strom?" oder: Wie entsteht ökologisch motiviertes Konsumverhalten?
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