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Struktur und Verhalten

Zur Begründung und Durchführung systemischer Organisationsentwicklung in der Schule unter dem Blickwinkel erkenntnistheoretischer Ansätze

©1997 Doktorarbeit / Dissertation 281 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Organisationsentwicklung (OE), Schulautonomie, Innere Schulreform sind Begriffe, die gegenwärtig verstärkt Eingang in die pädagogische Diskussion finden. Mittlerweile gibt es auch einige Ansätze, OE auf schulische Strukturen und Prozesse zu übertragen, die häufig unter dem Begriff Schulentwicklung (SE)gefaßt wurden (PIEPER/SCHLEY, MILLER, PHILIPP, DALIN/ROLFF). Diese Arbeiten basieren in der Regel auf Modellen aus Unternehmen der Privatwirtschaft, die auf schulische Verhältnisse angepaßt wurden.
Die vorliegende Arbeit versucht, den Zusammenhang zwischen subjektiver Weltsicht und dem Postulat erziehenden Unterrichts ins Blickfeld zu nehmen; systemische Schulentwicklung bietet sich nach Auffassung des Verfassers als Klammer an, welche die antagonistischen Pole verbinden kann.
Dabei setzt die Arbeit an bei dem gesellschaftlichen Auftrag der Schule, angesichts stetigen Wandels gesellschaftlicher Normen und Werte einer pluralistischen Gesellschaft, einen Grundkonsens an erzieherischen Vorstellungen umzusetzen. Problematisch wird dieser Auftrag, wenn man neuere wissenschaftliche Erkenntnisse über die Subjektivität menschlicher Realitätswahrnehmung berücksichtigt. In extremer Form stellt sich diese Position im Modell des Konstruktivismus dar, der davon ausgeht, daß Wirklichkeit subjektiv konstruiert wird; objektive Realität ist letztlich nur das Ergebnis gemeinsamer Sichtweisen.
Berücksichtigt man Erkenntnisse des pädagogischen Pragmatismus wie etwa den „Just-Community-Ansatz“ oder die „Stufen der moralischen Entwicklung“ zeigen sich die Grenzen individuellen erzieherischen Handelns. Wirksame Erziehung gelingt am besten durch die organisatorische Gestaltung von pädagogischen Arrangements. Dabei gilt der Grundsatz „Struktur erzeugt Verhalten, Verhalten erzeugt Struktur“. Die Gestaltung von pädagogisch wirksamen Strukturen setzt jedoch unbedingt einen Grundkonsens der beteiligten Erzieher/innen voraus.
An dieser Stelle setzt nach Auffassung des Verfassers der spezifische Aufgabenbereich systemischer Betrachtungsweisen schulischer Strukturen und Prozesse ein. Der Einsatz von OE in der Schule ist notwendig, um die immer schon vorhandenen Strukturen einer Schule sichtbar zu machen, die pädagogischen Grundüberzeugungen der einzelnen Lehrer/innen bewußt und transparent werden zu lassen und im Wege eines gemeinsamen Prozesses in einem Kollegium eine kollektive Identität als Grundlage eines strukturellen Schulprofils entstehen zu […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

DANKSAGUNG

EINLEITUNG, PROBLEMSTELLUNG UND 9 THESEN

ERZIEHUNG ALS AUFGABE DER SCHULE
Schulrechtliche Rahmenbedingungen des Erziehungsauftrags der Schule
Grundlegende Traditionslinien moralischer Erziehung in der Schulpädagogik
Hegel: Moralerziehung als staatsethische Funktion
Herbart: Sittliche Erziehung vom Kinde aus
Positionen erziehenden Unterrichts in der heutigen schulpädagogischen Diskussion
Überblick
Erziehung als Werteübermittlung
Konzepte der Wertklärung (Value Clarification)
Wertanalyse als Mittel moralischer Erziehung
Erziehung auf der Basis der Steigerung des Niveaus des moralischen Urteils
Wertevermittelnde Funktion der Schulkultur
Probleme erziehenden Unterrichts
Zum Stand der Diskussion in den vergangenen drei Jahrzehnten
Moralerziehung - ein Paradoxon?
Moralerziehung in der Schule
Erziehungsansätze im Spannungsfeld zwischen Elternhaus und Schule
Wege aus der Krise:

NEUE EVOLUTIONÄRE ANSÄTZE DER ERKENNTNISTHEORIE
Das Problem der Wahrnehmung von Realität
Fragestellungen erzieherischer Weltsicht
Ist eine Erkenntnis der Wirklichkeit möglich?
Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben?
Theoriebildung und Wahrheit im Kritischen Rationalismus nach Popper
Der Wirklichkeitsbegriff im radikalen Konstruktivismus
Neurobiologische Strukturdetermination des Menschen
Cartesianische Vorstellungen
Das moderne Bild neuronaler Netze als Voraussetzung des Konstruktivismus
Sprache und Welterkenntnis
Zusammenfassung

NEUE ANSÄTZE DER ORGANISATIONSTHEORIE
Vom traditionellen zum systemischen Paradigma
Systemisch-evolutionäre Betrachtung des Bezugs von Individuum und Organisationen
Traditionelles und systemisches Denken in der Organisationstheorie
Das Individuum in einer Organisation
Merkmale sozialer Systeme
Soziale Systeme sind strukturdeterminiert
Strukturelle Kopplung und evolutionäre Entwicklung
Schlüsselprozesse in der Organisation
Soziale Systeme entwickeln sich (Evolvierung)
Traditionelle Organisationstheorie und spontane Selbstorganisation
Das Menschenbild der „Humanistischen Psychologie“ in der systemischen Organisationstheorie
a) Theorie X und Y nach McGregor
b) Die Motivpyramide von Maslow
c) Die Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg
d) Weitere Ansätze (Rogers, Cohn, Berne, Lewin, Perls)
Zusammenfassung

SYSTEMISCHE ORGANISATIONSENTWICKLUNG
Begründung und Definition des Ansatzes der Organisationsentwicklung
Was ist Organisationsentwicklung?
Warum wird Organisationsentwicklung angewendet ?
Wissenschaftstheoretischer Hintergrund und Geschichte der systemischen Organisationsentwicklung
Grundkonzeption von Organisationsentwicklung
Kriterien eines OE-Prozesses
Grundsätzliche Vorgehensweise der Organisationsentwicklung
Struktur und Prozeß in der Organisationsentwicklung
Anforderungen an einen OE-Berater
Zentrale Themen von Organisationsentwicklung
a) Rollenprobleme
b) Bedeutung von Strukturen
c) Macht, Autorität, Führung und Delegation
d) Normen und Werte, Organisationsidentität
e) Ziele, Konzepte, Strategien - „Visions“ und „missions“
Methodische Elemente in den Phasen eines OE-Prozesses
Aktivitäten zur Vorbereitung von Organisationsentwicklung
Die Phase der Problemanalyse
Was ist ein Problem?
Klassifikation von Problemtypen
Qualität der Problemlöser
Methodische Schritte
Ein Modell zur Teambildung
Das Modell der „Logische Ebenen der Veränderung“
Teamentwicklung als Problem der Organisationsentwicklung
Die RISK-Analyse
RISK-Analyse in der Durchführung
Die Phase der Organisationsdiagnostik
Methoden der Datenerhebung
Auswertungsmethoden:
Diagnostische Sitzungen
Problembeschreibungen
Die Phase der Maßnahmen in der OE
Projektmanagement einer OE-Maßnahme
Struktur der Projektorganisation
Ablaufschema eines Projekts
Grundsätze der Zielformulierung von Projekten
Interventionsebenen von OE-Maßnahmen
Interventionen auf der individuellen Ebene
Zwei Modelle der Wahrnehmungssensibilisierung
Die „Integrierte Persönlichkeitstheorie“ als weitergehende Interventionen zur biographischen Selbstreflexion
Interventionen auf der Ebene der Gruppe bzw. des Teams
Grundlagen von Gruppenbeziehungen
Beeinflussung von gruppendynamischen Prozessen
Konfliktlösemodelle
Phasen der Konfliktbewältigung
Prinzipien des Konfliktmanagements
Vermittlung durch Mediation
Phasen des Mediationsverfahrens
Themenzentrierte Interaktion (TZI)
Das Konzept der Neurolinguistischen Programmierung (NLP)
Grundlagen
Methoden der NLP-Intervention
Die Transaktionsanalyse (TA)
Struktur-Analyse
Analyse der Transaktionen
Transaktionsmodelle
„Strokes“ als Ausdruck von Anerkennung und Zuwendung
Das Bedürfnis nach Zeitgestaltung
Skript-Analyse
Das „Skript“
Spiel-Analyse
OE-Interventionen auf der Grundlage der Transaktionsanalyse
Interventionen auf der Ebene der Gesamtorganisation

5. VON DER ORGANISATIONSENTWICKLUNG ZUR SYSTEMISCHEN SCHULENTWICKLUNG - SPEZIFISCHE BEDINGUNGEN VON OE IN DER SCHULE
Versuch einer Organisationsdiagnostik des Systems Schule
Das Bild der Schule als Reduktion auf ihre Strukturelemente
Ein Versuch zum „Unfreezing“ bestehender Überzeugungen: Betrachtungen zum notwendigen Paradigmenwechsel in der schulpädagogischen Reflexion
Der Mythos des eindimensionalen, zweckrationalen Denkens:
Der Glaube an die sinnstiftende Ordnungskraft gesellschaftlicher Großorganisationen
Die Hoffnung auf die problemlösende Kraft der Politik
Der Mythos von der sinnstiftenden Kraft religiöser Vorstellungen:
Der Glaube an den wissenschaftlichen Fortschritt:
Die Überzeugung von der moralischen Wirksamkeit humanistischer Bildung
Der Mythos von der technisch-medizinischen Machbarkeit physischer Gesundheit
Die Illusion der direkten Wirksamkeit erzieherischer Maßnahmen
Konzepte und Forschungsergebnisse zur „guten Schule“
Neue Ergebnisse der Schulqualitätsforschung
Problemanalyse: Wie kann Organisationsentwicklung als Schulentwicklung unter den gegenwärtigen Bedingungen betrieben werden? Probleme - Irritationen - Chancen
Die spezifische Funktion von Schulentwicklung im Bereich pädagogischen Handelns
Veränderungsfelder
Einige pragmatische und realitätsnahe „visions“ und „missions“ im Bereich der Schule
Möglichkeiten im Unterricht
Strukturierung und Rhythmisierung des Unterrichts
Thematisierung von Aggression und Gewalt als besonderes Problem von erziehendem Umterricht
Möglichkeiten auf der Ebene der einzelnen Schule
Gestaltung der Schulkultur
Gestaltung der sozialen Strukturen
Stärkung der Kooperations- und Kommunikationsstrukturen
Möglichkeiten auf der Ebene der Kultusverwaltung, der Schulaufsicht und der Schulträger
Pädagogisierung der Schule
Konsequenzen für das professionelle Berufsverständnis von Lehrerinnen und Lehrern
Erziehungsauftrag contra Bildungsauftrag?

6. BEISPIELE AUS DER PRAXIS
Die Roßdorfschule und ihr Umfeld
Erste Schritte zur Schulentwicklung
Von SCHILF zur Schulentwicklung
Normen und Werte im Kollegium - die Survey-Feedback-Methode in der Praxis
Das Projekt „Zukunftskonferenz“ als Ansatz zur Identitätsbildung
Das Konzept der „Zukunftskonferenz“
Planungsskizze Zukunftskonferenz Roßdorfschule
Das Problem der Gewalt an der Schule
Zwei Fälle
AGGRESSION UND GEWALT - DEFINITORISCHE ABGRENZUNGEN
VERBALE GEWALT UNTER KINDERN UND JUGENDLICHEN
Quantitative Dimension
Zusammenfassende Interpretation
Qualitativ, inhaltliche Dimension
Äußerungen verbaler Gewalt
IST VERBALE GEWALT DAS, WAS SIE ZU SEIN VORGIBT? Versuch einer Interpretation
a) Einschätzung aus der Sicht von Lehrerinnen und Lehrern
b) Versuch einer kommunikationstheoretischen Interpretation
c) Pädagogische Implikationen verbaler Gewalt
Das Projekt „Judo“ als schulartübergreifendes Vorhaben der Werte-Erziehung
Übertragung von Haushaltskompetenzen auf das Kollegium
Mit STEP zur guten Schule - Der Ständige EntwicklungsProzess als schulisches Qualitätsicherungssystem
Umsetzung innerhalb des Kollegiums
Beteiligung der Eltern
Ausdehnung auf die Schüler/innen
Ausdehnung des Verfahrens auf die Ebenen der Schulaufsicht

Schlussbemerkung

LITERATURVERZEICHNIS

ABSTRACT

Danksagung

Die Vorarbeiten zu dieser Arbeit reichen einige Jahre zurück und umfassen neben dem Studium der einschlägigen Literatur und der wissenschaftlichen Diskussion in Seminaren an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe und der Universität Tübingen auch meine Praxiserfahrungen an der Schule und am Seminar für schulpraktische Ausbildung Nürtingen. Ich möchte mich deshalb sehr herzlich bei allen Kolleginnen und Kollegen der Roßdorfschule Nürtingen bedanken, die sich bereitwillig und mit großem Engagement an diesem Versuch zur Schulentwicklung beteiligt haben und durch ihre Kommentare, Vorschläge, Rückmeldungen, kritische Fragen und ihr Verständnis diese Arbeit voran gebracht haben. Ein besonderer Dank gebührt Frau Antje Blessing, die als Gesprächspartnerin und in ihrer Tätigkeit als Schulsekretärin viel zum Gelingen der Arbeit beitrug. Danken möchte ich auch meiner Kollegin und Sportkameradin Renate Beck für ihre Unterstützung im Rahmen des Projekts Judo in der Schule.

Wichtig bei einer solchen langfristigen berufsbegleitenden Denk- und Entwicklungsarbeit ist auch eine wohlwollende vorgesetzte Dienstbehörde, ohne deren Toleranz und Unterstützung vieles nicht möglich gewesen wäre. Stellvertretend möchte ich hierfür dem Leiter des Staatlichen Schulamts Nürtingen, Herrn Günther Schramm, und dem Direktor des Seminars für schulpraktische Ausbildung, Herrn Siegfried Henzler, für ihr Verständnis herzlich danken.

Bedanken möchte ich mich auch bei den Professoren der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe und der Universität Tübingen, die mich bei der Vorarbeit der Arbeit in fruchtbringenden Beratungsgesprächen unterstützten. Genannt seien hier vor allem Frau Prof. Dr. Helgard Moll-Strobel, Frau Prof. Dr. Erika Werlen, Herr Prof. Dr. Jürgen Rekus und Herr Prof. Dr. Hans-Ulrich Grunder.

Ein besonderer Dank gebührt Herrn Prof. Dr. Kristian Kunert für seine Betreuung, Beratung und Unterstützung in vielen Gesprächen. Seine Anregungen und die stets wohlwollende kritischen Einwände, sein Verständnis für meine beruflichen Termine sowie seine Teilnahme an einem Pädagogischen Tag der Roßdorfschule waren mir eine große Hilfe.

Einleitung, Problemstellung und 9 Thesen

Der achtjährige Daniel und ein gleichaltriger Klassenkamerad bekamen während der großen Pause auf dem Schulhof Streit miteinander. Daniel wirft seinen Mitschüler auf den Boden und traktiert ihn mit Schlägen bis dieser nur noch weint. Als der aufsichtsführende Lehrer dazueilt, ist Daniel soeben im Begriff, seinem Gegner den Stiefelabsatz ins Gesicht zu stoßen. Bei einem anschließenden Gespräch auf die möglichen Folgen seines Handelns angesprochen, kommentiert Daniel seine Tat lediglich mit den Worten: "Wenn ich ihn totgeschlagen hätte, wäre ich eben in den Knast gekommen."

Auf dem Heimweg von den Grundschule wird Katja, Schülerin der zweiten Klasse, von einer Gruppe von Mitschülern angehalten und bedroht: "Entweder du gibst uns eine Mark oder wir schlagen dich zusammen!" Katja hat kein Geld dabei und wird von den anderen Kindern geschlagen, bis sie weinend entkommt. Ebenso ergeht es Björn, einem anderen Zweitklässler. Die Mitglieder der "Erpresserbande" sind zwischen 6 und 10 Jahren alt.

Diese Beispiele stammen aus den aktuellen Akten einer Grundschule mit ca. 270 Schülerinnen und Schülern. Die Schule befindet sich in einem Stadtteil mit Wohnblocks, einigen Hochhäusern und Einfamilienhäusern am Rande einer Stadt von etwa 40.000 Einwohnern. Sie belegen deutlich, dass das Phänomen "Gewalt an Schulen" nicht etwa nur ein Problem von Jugendlichen in Großstädten darstellt, sondern sich sowohl altersmäßig als auch geographisch ausgedehnt hat. Untersuchungen zeigen, daß Aggression und Gewalt schon ein vieldiskutiertes Thema in vorschulischen Institutionen darstellt. Später beschäftigen dieselben Erscheinungsformen Pädagogen aller Schularten, verschiedene Ebenen der Schulaufsicht, soziale Dienste der Jugendhilfe, kirchliche und freie Beratungsstellen für Eltern, Versicherungen, Polizei und Justiz sowie wissenschaftliche Untersuchungen. Gewalt an der Schule ist in den letzten Jahren offensichtlich ein gesamtgesellschaftliches Problem erheblichen Ausmaßes geworden.

Andere Probleme beschäftigen die Lehrerinnen und Lehrer in ebenso hohem Maß:

Die Immigrationsbewegungen der letzten Jahre schufen in der Schule ein multikulturelles Klima, in dem Normen, Werte, Anschauungen und Einstellungen der unterschiedlichsten Art unvermittelt aufeinanderprallen. Die Schule soll die gesellschaftliche Aufgabe der Integration leisten ohne hinreichend dafür ausgestattet zu sein.

Änderungen in den Familienstrukturen wie z. B. der Trend zur Ein-Kind-Familie, eine hohe Scheidungsquote bis zu 50 % in Großstädten, veränderte Freizeitgewohnheiten führen zu einer veränderten Kindheit, die geprägt ist durch einen Verlust an Eigentätigkeit der Kinder, Mediatisierung von Erfahrungen, möglichst sofortige Befriedigung aller Bedürfnisse, Verlagerung von Erziehung vom Elternhaus in Institutionen, verfrühte physische, psychische und sexuelle Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, zunehmende Vereinnahmung dieser Altersgruppe als Zielgruppe der Werbung, Abschottung in Nischenkulturen, Verlust an sozialen Bindungen, Werteunsicherheit.

Angesichts dieser Entwicklungen wird in der Presse, von Politikern, von einem Teil der Eltern und nun auch in der pädagogischen Diskussion vehement der Ruf nach einer verstärkten moralischen Bildung, nach Werterziehung erhoben. Seltsamerweise hört man diese Forderung kaum, wenn man mit Praktikern, den Lehrerinnen und Lehrern an Schulen spricht. Es ist zu fragen, welche Ursache diese Diskrepanz der Meinungen haben kann.

Tatsache ist, daß die Schule in den vergangenen Jahren mit immer mehr und immer neuen Aufgaben beauftragt wurde: Gesundheitserziehung, Zahnpflege, Verkehrserziehung, Umweltschutz, AIDS-Prophylaxe, Geschlechtserziehung und nun auch noch Werte-Erziehung! All dies sind natürlich wichtige gesellschaftliche Probleme - aber kann Schule dies alles zusätzlich zu ihren traditionellen Aufgaben leisten? Je lauter in der Öffentlichkeit neue Forderungen für die Schule aufgestellt werden, desto stärker wird in den Lehrerkollegien das Stöhnen über die neue zusätzliche Belastung, wenn nicht sogar der Überlastung. Auch die Ursachen für das Burn-out Syndrom bei Lehrerinnen und Lehrern weisen in diese Richtung.

Die Schulpädagogik an den Hochschulen bot in der Vergangenheit den Praktikern eher geringe Hilfen, bot sie bisher doch eher theoretische Begründungen für all diese der Schule zusätzlich aufgebürdeten Aufgaben und ließ die Lehrerinnen und Lehrer weitgehend allein mit dem Problem, damit fertig zu werden. Erst in neuester Zeit gerät das Problem der Überlastung der Schule in das wissenschaftliche Blickfeld. Hans-Ulrich Grunder stellt dazu fest:

„Es ist offenkundig: Was die Gesellschaft politisch nicht zu bearbeiten die Kraft findet, verweist sie an die Schule. In deren überbordendem Stoffplan sind dann die Krisensymptome als Bewältigungsstrategien sichtbar: Schule, zwangsläufig instrumentalisiert, soll über Erziehung und Unterricht gesellschaftspolitische Minenfelder entschärfen.“ [1]

Steht damit die Aufgabe der Erziehung und moralischen Bildung in einer Reihe mit den anderen oben aufgeführten Aufgaben? Schulpädagogische Forschung muß sich dieser Frage stellen, wenn sie sich dialektisch auf die Praxis beziehen will, indem sie zum einen ihre Aufgabenstellung aus der Schulwirklichkeit nimmt und zum anderen Forschungsergebnisse an die Praktiker weitergibt. Dabei muß sie zwangsläufig auch außerschulische Einflüsse - wie z. B. die Gewaltproblematik, das Drogenproblem, die Sinnkrise von Kindern, Jugendlichen und deren Eltern etc. - in ihre Reflexionen einbeziehen.[2]

Nicht ausreichend ist die politische Forderung nach stärkerer Akzentuierung des erzieherischen Auftrags der Schule und deren Absicherung als theoretischer Überbau aus dem Steinbruch schulpädagogischer Theorien. Nimmt man das Problem der „Überbürdung“ (Grunder) von Schule ernst, muß die Schulpädagogik auch diesen Aspekt in ihr Aufgabenfeld einschließen und Strategien zur Bewältigung des Problems für die Schüler/innen und Lehrer/innen reflektieren. Notwendig ist eine schulpädagogische Reflexion der Begründungen, der Bedingungen, der Möglichkeiten und Grenzen und der Realisierungschancen moralischer Bildung und Erziehung unter Einbeziehung von Ergebnissen der quantitativen und qualitativen Sozialforschung, der pädagogischen Nachbardisziplinen Psychologie, Soziologie, Schulrecht , Philosophie sowie der Traditionslinien von Moralerziehung in der Geschichte der Schule und der Schulpädagogik.

Ich möchte den zu Anfang angesprochene Problemen 9 Thesen gegenüberstellen:

1. Die Schule kann ihre Aufgabe nur erfüllen, wenn sie ihren Erziehungsauftrag ernst nimmt
2. Erziehen heißt nicht Belehren, sondern Schaffen einer Atmosphäre, in der das von einem Kollegium nach gründlicher Reflexion im Konsens beschlossene gewünschte Verhalten und die entsprechenden Einstellungen bei den Schülerinnen und Schülern gefördert werden.
3. Die Schaffung einer solchen pädagogischen Organisationskultur scheitert oft am unterschiedlichen Erziehungskonzept der Lehrerinnen und Lehrer und der Unfähigkeit des Systems Schule, einen erzieherischen Konsens herzustellen.
4. Ursache dieses Auseinanderdriftens pädagogischer Intentionen ist nicht nur der Pluralismus unserer Gesellschaft, sondern ein voneinander verschiedenes - immer aber höchst subjektives - Weltbild der Erzieher.
5. Dies ist nicht als Defizit zu werten, sondern liegt in der anthropologischen Anlage des Menschen. Neuere Erkenntnistheorien wie der Konstruktivismus zeigen deutlich, dass die Erkennbarkeit der Wirklichkeit immer subjektiv ist.
6. Es ist deshalb nicht möglich, ein einheitliches pädagogisches Weltbild der Lehrer qua Gesetz, Lehrplan oder sonstige administrativen Maßnahmen anzuordnen. Möglich ist nur, die subjektiven Weltsichten transparent werden zu lassen und auf dieser Grundlage eine offene Diskussion über einen erzieherischen Konsens zu erzielen.
7. Die herkömmlichen Instrumente der Kooperation in den Schulen reichen dafür bei weitem nicht aus. Das in außerschulischen Bereichen entwickelte Modell der systemischen Organisationsentwicklung ist eine methodisch-organisatorische Chance, diesen angestrebten Konsens effektiv und effizient anzustreben.
8. Ein erfolgversprechendes methodische Repertoire zur Erreichung der angestrebten Ziele findet sich in den Ansätzen der „Humanistischen Psychologie und Pädagogik“ wie der Neurolinguistischen Programmierung (NLP), der Themenzentrierten Interaktion (TZI), der Transaktionsanalyse (TA) und anderen Methoden aus dem Bereich systemischen Denkens.
9. Dieses methodische Instrumentarium in Verbindung mit einer spezifischen Adaption des Modells der Organisationsentwicklung kann die Schule so verändern, dass sie in einer evolutionären Entwicklung die Chance hat, auf die geänderten Rahmenbedingungen in angemessener Form zu reagieren und somit ihrem gesellschaftlichen und gesetzlichen Auftrag nachzukommen.

In dieser Arbeit möchte ich den Versuch machen, die 9 Thesen auszuführen und zu entwickeln. Ausgehend von der schulrechtlicher Verankerung des Erziehungsauftrags der Schule sollen aktuelle pädagogische Ansätze moralischer Bildung und Werte-Erziehung unter Berücksichtigung ihrer grundlegenden Traditionslinien bei W.F. Hegel und J.F. Herbart diskutiert und Probleme der Umsetzung aufgezeigt werden. Meine 2. These stütze ich insbesondere auf die pädagogischen Implikationen des amerikanischen Pragmatismus und insbesondere auf die Theorien L. Kohlbergs.

These 4-6 möchte ich durch eine Darstellung der Ergebnisse neuerer Erkenntnistheorie - der evolutionären Theorie des Kritischen Rationalismus von K. Popper, den Ansätzen des Konstruktivismus vertreten durch P. Watzlawick, E. v. Glasersfeld, H. v. Foerster u.a., den Entdeckungen der Neurobiologen H. Maturana und F. Varela über den Strukturdeterminismus des Menschen und linguistischen Betrachtungen über die sprachlichen Zusammenhänge der Weltsicht (W. v. Humboldt, L. Weisgerber, B.J. Whorf - belegen.

Die 7. und 8. These finden ihre Berechtigung in den Erkenntnissen der Organisations- und Systemtheorie, den bisher entwickelten Konzeptionen der Organisationsentwicklung und den Modellen der humanistischen Sozialwissenschaften wie TZI, NLP, TA. Deren Bedeutung für die Gestaltung und evolutionäre Entwicklung von sozialen Systemen führen zur 9. These.

Hier möchte ich den Versuch unternehmen, das Modell der Organisationsentwicklung an das Sozialsystem Schule anzupassen und spezifische Formen der Anwendung in theoretischer Darstellung, die zum Teil mit Beispielen aus meiner Praxis als Schulleiter einer Grundschule mit 23 Kolleginnen und Kollegen belegt sind, darzustellen.

Betonen möchte ich, dass sich diese Arbeit nicht mit der Umsetzung erzieherischer Intentionen an die Schülerinnen und Schüler befasst. Mein Ziel ist lediglich, die Bedingungen und Möglicheiten eines erzieherischen Konsenses der Lehrkräfte in der Schule als Voraussetzung der eigentlichen pädagogischen Arbeit zu reflektieren. Damit ist zugleich die Hoffnung verbunden, einen Beitrag zur Steigerung der Effizienz professionellen Erziehens bei einer gleichzeitigen Humanisierung der Arbeitsbedingungen der Lehrerinnen und Lehrer in der Schule zu leisten.

Erziehung als Aufgabe der Schule

Schulrechtliche Rahmenbedingungen des Erziehungsauftrags der Schule

Bildung und Erziehung stellen nahezu in der gesamten schulpädagogischen Literatur die zwei grundlegenden Konstituenten schulische Arbeit dar. Apel grenzt beide Begriffe voneinander ab:

„Durch das Schulleben, den Umgang und den Unterricht wird auf Lernende erziehend und bildend eingewirkt. Erziehen wird vorläufig sowohl als direkte wie auch als indirekte Einflußnahme Erwachsener auf Kinder und Jugendliche bezeichnet, die zu dem Zweck erfolgt, ‘soziale Tugenden’ (Hegel), Arbeits- und Lernverhalten zu fördern; von einem Handeln in bildender Absicht ist zu sprechen, wenn mannigfaltige Anregungen durch Umgang mit Personen und Sachaufgaben im Unterricht und Schulleben erfolgen...“[3]

Wichtig erscheint die weitere Differenzierung pädagogischen Tuns als:

„...öffentliche, nicht private Tätigkeit, erfolgt also als Ausführung eines Amtes unter den Augen des kritischen Publikums, durch dessen Mitbestimmung beeinflusst und durch rechtliche Vorgaben gebunden. Die Bedeutung des Schulrechts für die Gestaltung von Schule und Unterricht wird in pädagogischen Beiträgen immer wieder unterschätzt. Gerade die Bindung aller an Schule Beteiligten durch allgemeine, also alle verpflichtende Regelungen ist ein Ausdruck moderner Gesellschaftsordnung.“[4]

Dieser Hinweis auf die rechtliche Bindung schulischen Handelns wird in schulpädagogischen Beiträgen in der Tat häufig mißachtet; häufig wird wohl eher die Metapher des „freischaffenden Künstlers“ als Basisidentität des Lehrerberufs angenommen. Richtig dagegen ist - und dies ist als Voraussetzung allen pädagogischen Handelns in der staatlichen Schule zu akzeptieren - daß Unterricht und Schulleben in einer gesellschaftspolitisch definierten und schulrechtlich kodifizierten Umgebung geschieht.

Dies gilt auch für den Bereich moralischer Bildung und Erziehung. Wie in den meisten anderen Staaten sind die Lehrer auch in unserem Land zur Werte-Erziehung durch verfassungs- und schulrechtliche Normen verpflichtet. Als Beispiel sei die Situation in Baden-Württemberg herangezogen. Im Artikel 12 der Landesverfassung vom 11. November 1953 ist als oberster Erziehungsauftrag vorgegeben:

„Die Jugend ist in der Ehrfurcht vor Gott, im Geist der christlichen Nächstenliebe, zu Brüderlichkeit aller Menschen und zur Friedensliebe, in der Liebe zu Volk und Heimat, zu sittlicher und politischer Verantwortlichkeit, zu beruflicher und sozialer Bewährung und zu freiheitlicher demokratischer Gesinnung zu erziehen.“[5]

Im § 1 des Schulgesetzes werden diese Vorgaben im ähnlichen Wortlaut wiederholt und in den Bildungsplänen erneut aufgegriffen und in den unterrichtlichen Zusammenhang gestellt. Im Bildungsplan für die Grundschule heißt es etwa:

„Die gesamte Arbeit der Schule vollzieht sich auf der Grundlage der [in der Landesverfassung und in § 1 Schulgesetz, Anm. D. Verf.] genannten Werte und Normen... Sie weckt die sittliche, religiöse, soziale und freiheitlich-demokratische Gesinnung, auf der das Zusammenleben gründet... Die Lehrerinnen und Lehrer sind nicht nur Belehrende und Wissensvermittler. Sie regen als Erzieher bei den Kindern das Wertvernehmen, das Verstehen und Deuten von Werten an.“[6]

Im Lehrplan für die Hauptschulen wird betont, daß die „Bildung des Charakters ... sowie die Ausbildung sozialer, ethischer und religiöser Werte und Verhaltensweisen ... gleichrangig ... neben dem Erwerb von Tätigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten stehen“ sollen.[7]

Diese Forderungen sind durch die Bestimmungen des Beamtenrechts als unbedingt zu befolgende Dienstpflichten aller Lehrkräfte zu sehen. Grenzen findet die schulische Wertevermittlung allerdings ebenfalls in den Bestimmungen des Grundgesetzes, der Landesverfassung und der schulrechtlichen Bestimmungen. So stellt Artikel 6 des Grundgesetzes fest:

„Pflege und Erziehung sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“[8]

In der Landesverfassung wird ergänzt:

„Das natürliche Recht der Eltern, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder mitzubestimmen, muß bei der Gestaltung des Erziehungs- und Schulwesens berücksichtigt werden.“[9]

Darüber hinaus ist der Auftrag der schulischen Moralerziehung durch die dienstrechtlichen Bestimmungen des Beamtenrechts eingeschränkt. So hat der Beamte „bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus seiner Stellung und aus der Rücksicht auf die Pflichten seines Amtes ergeben.“[10]

Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg den Begriff der politischen Betätigung sehr weit gefaßt und festgestellt:

„Die Schule darf ,,, weder zu einem Forum für eine einseitige politische Beeinflussung der Jugend gemacht werden, noch bei Erfüllung ihrer Erziehungsaufgaben in aktuellen Prozessen der Meinungsbildung Partei ergreifen oder sich einseitig werbend mit einzelnen politischen Auffassungen identifizieren. Sie muß vielmehr bei der Bestimmung der Ziele und Inhalte schulischer Erziehung und Bildung sowie bei der Unterrichtsgestaltung für die Vielfalt der in der Gesellschaft bestehenden Anschauungen offen bleiben. Hieraus erwächst dem einzelnen Lehrer die dienstliche Verpflichtung, in kontroversen Bereichen ethischer, weltanschaulicher oder politischer Fragen (Hervorhebung durch den Verf.) Zurückhaltung zu üben, jede missionarisch sich ereifernde Werbung für bestimmte eigene Auffassungen zu unterlassen, die verschiedenen, sich widersprechenden Auffassungen sachlich darzulegen und den Schülern das Unterrichtsmaterial so zu unterbreiten, daß diese sich ein eigenes kritisches Urteil bilden und einen eigenen Standpunkt beziehen können...“[11]

Damit wird deutlich, daß die Schule einerseits verpflichtet ist, die Schüler auf der Grundlage eines allgemein anerkannten Konsenses moralischer Auffassungen zu erziehen, andererseits in vielen konkreten Fragen zur Zurückhaltung verpflichtet ist. Gegenstand schulischer Erziehung ist pflichtgemäß der Wertekanon, der die Grundlage unserer Gesellschaft und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung darstellt, „bei den gruppenspezifischen Glaubens- und Wertüberzeugungen, die darüber hinausreichen, haben die Lehrer jedoch streng neutral zu sein.“[12]

Im Gegensatz zu den Zielen der Werterziehung gibt es über die Methoden keine Bestimmungen. Für die Methodik gilt der Grundsatz der „Pädagogischen Verantwortung“, die dem einzelnen Lehrer einen nicht unerheblichen Freiheitsraum einräumt. Pädagogisches Handeln erfordert immer und zwangsläufig ein kind- und situationsgerechtes Eingehen auf die Schüler und setzt damit Entscheidungsfreiheit in Bezug auf Inhalte und Methoden des Unterrichts voraus. Somit ergibt sich die pädagogische Freiheit, die verantwortlich genutzt werden muß, als unabdingbare Grundlage jeder Erziehungsarbeit.

Damit stellt sich in schulrechtlicher Hinsicht der Sachverhalt, daß Schule zu moralischer Erziehung verpflichtet ist und sich ihr nicht entziehen kann, andererseits nichts reglementiert ist, was die Art und Weise der sittlichen Bildung betrifft. Betrachtet man vor dem Hintergrund dieser rechtlichen Verankerung in den Verfassungen, Schulgesetzen und Bildungsplänen den Ruf nach Werte-Erziehung und mehr Moral in den Schulen angesichts der Orientierungslosigkeit und Gewaltbereitschaft der Jugend entlarven sich diese Forderungen rasch als journalistische Schaumschlägereien oder politische Stimmenfängerei. Nicht das Ob oder ob-nicht steht zur Debatte, denn moralische Bildung gehört seit langem zur realen Schulwirklichkeit. Auch die Forderung nach Intensivierung sittlicher Erziehung zielt am Kern des Problems vorbei, denn Unterricht über und zur Moral ist keine Frage quantitativen Handelns.

Sehr wohl diskussionsbedürftig aber ist das Problem der Methodik, der Effektivität und Effizienz einer Erziehung zu sittlichem Handeln und Reflexion über Moralität. Trotz des rechtlichen und bildungspolitischen Fundaments ist über die Erfolgsaussichten recht wenig bekannt. Der Bogen der Erwartungen erstreckt sich vom Heilsglauben an die Macht der Erziehung bis zur Auffassung, daß jegliche Ansätze moralischer Bildung nutzlos, vielleicht sogar schädlich seien.

Grundlegende Traditionslinien moralischer Erziehung in der Schulpädagogik

"Ich stehe mit beiden Beinen fest in der Luft." Dieser in einem Vortrag über Gewalttendenzen unter Jugendlichen von Karl Giebeler (Jugendbildungsreferent und Studienleiter für politische Jugendbildung bei der Evangelischen Akademie Bad Boll) zitierte Ausspruch eines Halbwüchsigen gibt treffend das Lebensgefühl eines Teils der 10-20-Jährigen in unserer Gesellschaft wieder. Moralerziehung oder Werterziehung in der Schule soll die Heranwachsenden befähigen, wieder festen Boden unter ihre Füße zu bekommen.

Zu den Axiomen schulpädagogischen Denkens gehört, daß Schule mehr sein soll als Unterricht. Diese These - wie immer sie inhaltlich ausgefüllt wurde - ist von nahezu allen Autoren schulpädagogischer Texte aufgenommen und je unterschiedlich interpretiert worden. Als wesentliche Grundlegungen können die Ansätze von Johann Friedrich Herbart und Wilhelm Friedrich Hegel aus den Anfangsjahren des 19. Jahrhunderts herangezogen werden. Im folgenden sollen die Grundzüge der beiden Theorieansätze aufgezeigt werden.

Hegel: Moralerziehung als staatsethische Funktion

Hegel nahm in seiner „Gymnasialrede vom 2. September 1811“ „das Verhältnis der Schule und des Schulunterrichts zur sittlichen Bildung des Menschen überhaupt“ in den Blick und reflektierte über die moralische Wirkung durch unmittelbare Belehrung und über die mittelbare Wirkung des Unterrichts im Hinblick auf die sittliche Erziehung.[13] Nach Hegel nimmt die Schule die Stellung einer „Mittel-Sphäre“ ein zwischen der familiären Welt, die durch emotionale Bindung geprägt ist, und der „wirklichen Welt“ als ein „von dem Subjektiven unabhängige(m) Gemeinwesen“, in welches „der Mensch ... darin nach den Geschicklichkeiten und der Brauchbarkeit für eine ihrer Sphären... gilt“[14]

Die direkte Belehrung über moralische Begriffe und Grundsätze macht nach Hegel einen „wesentlichen Theil unseres Unterrichts aus; auch der beiläufige Inhalt dessen, woran die Jugend für die Erlernung der Sprachen geübt wird, enthält größtenteils solche Begriffe, Lehren und Beispiele.“[15] Ziel schulischer Bildung ist Hegel zufolge, „das Bewußtsein mit den sittlichen Bestimmungen bekannt zu machen, die moralischen Reflexionen in ihm zu befestigen, und es zum Nachdenken darüber anzuleiten.“[16]

Hegel geht aber über das bloße kognitive Erfassen, Verstehen und Reflektieren moralischer Exempel hinaus und konstatiert: „Es ist aber nicht bloß ums Verstehen zu thun, sondern moralische Begriffe und ihr Ausdruck sollen auch eine Festigkeit in der Vorstellung des Gemüths erhalten.“[17] Die Schule soll dazu auch einen „sittlichen Zustand“ repräsentieren, „in welcher der Mensch verweilt und worin er durch Gewöhnung an wirkliche Verhältnisse praktisch gebildet wird.“[18]

Hegel postuliert mit diesen Zuschreibungen von Aufgaben einen in weiten Zügen bis heute zutreffenden Dualismus von moralischer Bildung und sittlicher Erziehung. Die Schule wird dabei als Sozialisationsagentur der Gesellschaft begriffen, die das Kind bzw. der Jugendliche zu durchlaufen hat, um überhaupt Mitglied im gesellschaftlichen Leben werden zu können.

Benner charakterisiert diese schulpädagogischen Reflexionen vor dem Hintergrund der Hegel’schen Rechtsphilosophie im Stadium des Übergangs der feudalistischen zur bürgerlichen Gesellschaft.[19] Während die feudalistische Gesellschaft durch die Bindung des Einzelnen an seinen durch Geburt fixierten Stand charakterisiert ist und somit die individuelle Entscheidungsfreiheit eng begrenzt ist, ist in der bürgerlichen Gesellschaft in der Sichtweise Hegels ein „jeder sich Zweck“. Andere sind ihm zunächst nur „Mittel zum Zweck des Besonderen“, das er selber anstrebt. Regulative innerhalb des sozialen Miteinanders sind nicht mehr feste Standesordnungen, sondern der Ausgleich der Einzelinteressen der Individuen im gesellschaftlichen Zusammenspiel. Hegel drückt dies aus, wenn er sagt: „Aber der besondere Zweck gibt sich durch die Beziehung auf Andere die Form der Allgemeinheit und befriedigt sich, indem er zugleich das Wohl des Anderen mit befriedigt.“[20]

Diese Zielsetzung - den Schüler zum Interessenausgleich hinzuführen - verfolgt nach Hegel die moralische Erziehung in der Schule. Sittliches Handeln soll das wirtschaftsliberalistische Prinzip des „homo homini lupus est“ in seine Schranken verweisen. Das Handeln des Einzelnen wird auf die Folgen für die anderen Mitglieder der Gesellschaft bezogen. Sittliches Handeln ist demnach ein Tun, das dem Handelnden nützt ohne dem Anderen - soweit vermeidbar - nicht schadet.

Hegel selbst erkannte, daß dieses Konstrukt in seiner praktischen Bewährung auf recht wackeligen Füßen steht und sah über diesem moralischen Interessenausgleich die Notwendigkeit einer Bindung an einen starken Staat vor, der den Schwächeren vor der Willkür des Stärkeren schützen muß. Dabei definierte er als Idee des Staates nicht die logischerweise aus der bürgerlichen Grundauffassung hervorgehende demokratische Ordnung, sondern ließ als politisches Regulativ der konkurrierenden Einzelinteressen nur die konstitutionelle Erbmonarchie nach preußischen Vorbild als einzig vernünftige Regierungsform zu. Als Institution dieses Staates hat die Schule in Hegels Ansatz einen eminent hohen Stellenwert, da nur sie durch die allgemeine Schulpflicht einen Zugriff auf alle Kinder und Jugendlichen hat und so über die moralische Erziehung die geistigen Voraussetzungen für die Balance im sozialen Zusammenleben legt.

Selbständigkeit zur Verfolgung des „besonderen Zwecks“ des Einzelnen, Einsicht in die Rechte aller Bürger und Disziplin als Unterordnung unter die staatliche Hoheit sind die drei Grundpfeiler Hegelianischer Moralerziehung. Pädagogisches Handeln wird dabei aus dem Blickwinkel seiner gesellschaftlichen Funktion definiert. Pädagogik ist Teil einer Staatsethik, der Schüler ist Objekt gesellschaftlicher und staatlicher Interessen.

Herbart: Sittliche Erziehung vom Kinde aus

Einen diametral entgegengesetzten Ansatz hat dagegen Herbart in seiner 1810 entstandenen Schrift „Über Erziehung unter öffentlicher Mitwirkung“.[21] Er wendet sich entschieden gegen eine Sichtweise, die Pädagogik als Funktion staatlicher Lenkung versteht, wenn er konstatiert: „...der Weg von der Politik in die Pädagogik sei ein verkehrter Weg. Auf diesem Weg kann nichts anderes gefunden werden, als eine immer feinere und genauere Unterscheidung dessen, was jeder werde leisten können...“[22] Pädagogisches Handeln ist von Herbart definiert vom individuellen Vermögen des einzelnen Kindes aus, „denn jedes Individuum bedarf der Erziehung für sich, und darum kann die Erziehung nicht wie eine Fabrik arbeiten, sie muß jeden Einzelnen vornehmen.“[23]

Diesen individualistischen Ansatz verfolgt Herbart auch in Bezug auf die moralische Erziehung. „Moralität“ heißt für ihn ebenso wie für Kant, die Maximen des Handelns aus sittlich verantwortbaren Motiven zu bestimmen; und genau dies ist für Herbart „Zweck des Menschen und folglich der Erziehung.“[24] Sittliche Beweggründe transzendieren hier - anders als bei Hegel - die gesellschaftliche Realität und reflektieren das Handeln vom Standpunkt einer übergesellschaftlichen Ebene der allgemeingültigen Vernunft. Pädagogisches Ziel moralischer Erziehung im Sinn Herbarts ist folglich, Heranwachsende zur Einsicht in die Vernünftigkeit oder Unvernünftigkeit der zugrundeliegenden Motive und letztlich zu einem Handeln gemäß der Einsicht in sittlich verantwortbare Beweggründe zu erziehen.

Daraus ergibt sich der Grundansatz des „Erziehenden Unterrichts“ Herbarts. Unterrichtliches Handeln ist in zwei Ebenen gegliedert: Auf die Vermittlung von Erkenntnissen folgt darauf aufbauend die Ermöglichung von Teilnahme am Erkannten im handelnden Umgang. Moralisches Handeln ist so weder die bloße Einsicht in vernunftmäßig vorgegebenes sittliches Handeln, noch blinder Gehorsam gegenüber angeordneten Handlungsmaximen. Der Zweck moralischer Erziehung wird erst erreicht, wenn der erziehende Unterricht Einsichten erweckt und in der Folge „Maßnahmen der Zucht“, die den Heranwachsenden zum Handeln auffordern, den Gehorsam solchen Einsichten gegenüber provozieren.[25]

Nicht diskutiert sei an dieser Stelle die Auffassung Herbarts, daß die Institution Schule diese Forderung des erziehenden Unterrichts bedingt durch ihre Struktur nicht erfüllen könne. Dessenungeachtet wurde Herbarts Theorie des „erziehenden Unterrichts“ Grundlegung für eine ganze Traditionslinie schulpädagogischer Theorien in der Ausrichtung pädagogischen Tuns vom Kinde aus.

Ebenso spiegelt sich Hegels gesellschaftliche Sichtweise in der Linie soziologisch orientierter Schultheorien ebenso wie in den einschlägigen Artikeln und Paragraphen schulrechtlicher Rahmenbestimmungen wieder.

Positionen erziehenden Unterrichts in der heutigen schulpädagogischen Diskussion

Überblick

In der bildungspolitischen Diskussion der heutigen Zeit nimmt die Forderung nach einer verstärkten Moral - oder Werterziehung breiten Raum ein.[26] Die Unterscheidung der Begriffe Moral- bzw. Werterziehung wird in der Literatur unterschiedlich gehandhabt. Sinnvoll dürfte die Definition von Oser sein, der Moral an universellen, in sich begründeten Gründen festmacht, während Werte gesellschaftsabhängig, konventionsbedingten Charakter haben.[27]

Begründet wird die aktuelle Forderung nach Werterziehung häufig mit einer Kritik an der angeblich einseitigen intellektuellen Ausrichtung schulischen Lehrens und Lernens in den siebziger Jahren. Wissenschaftsorientierung sollte damals als Leitmotiv zur Reform der Lehrpläne aus den fünfziger Jahren dienen und wurde von der Grundschule bis zur Sekundarstufe II als didaktisches Prinzip in den Bildungsplänen verankert. Erinnert sei an das CIEL-Projekt zum Mehrperspektivischen Sachunterricht (Giel/Hiller u.a.), die Abschaffung des Geschichtsunterrichts zugunsten der Integration des Faches in einen sozialwissenschaftlichen Lernbereich in der Sekundarstufe I einiger Bundesländer und die Einführung eines hochschulorientierten Kurssystems an der gymnasialen Oberstufe. Als Folge dieser Maßnahmen sei bei den Schülerinnen und Schülern ein Wertvakuum entstanden, das die Gefahr in sich trägt, daß Kinder und Jugendliche den Einflüssen verschiedenster gesellschaftlicher Gruppierungen und Subkulturen schutzlos ausgeliefert seien.

Terhart weist diese Angriffe gegen die Wissenschaftsorientierung entschieden zurück, denn

1. müsse man zwischen programmatischer Zielsetzung und realer Umsetzung unterscheiden;
2. auch wissenschaftsorientierter Unterricht sei nicht „wertlos“, sondern beruhe auf Wertentscheidungen;
3. würde bei konsequenter Einhaltung der Kritik die Position von Wissenschaft als Konstitutivum auf für das Lernen und Erziehen in der Schule unhaltbar und negiere sich selbst;
4. würden der Pädagogik der Bildungsreformära von den heutigen Protagonisten der Werterziehung an anderer Stelle gerade nicht fehlende, sondern falsche Erziehungsziele (wie Emanzipation, Demokratisierung, Selbstverwirklichung, Konflikterziehung u.ä.) vorgeworfen, durch deren Realisierung den Eltern ihre Kinder entfremdet würden sowie Disziplin und Leitungsbereitschaft untergraben worden seien.[28]

Terhart warnt aber auch davor, „mit der Zurückweisung dieser konservativen Programmatik zugleich auch die Konzepte zur Weiterentwicklung oder gar sämtliche Ansätze von Moralerziehung abzulehnen.“[29] Angebracht sei vielmehr eine differenzierte Betrachtung unterschiedlicher Ansätze und eine „Isolation des Problems, ... auf welches die Diskussion um Moralerziehung reagiert.“[30]

Erziehung als Werteübermittlung

Dieser Ansatz möchte durch erzieherische Mittel verbindliche Normen und Werte direkt an die nachfolgende Generation tradieren, um damit Verbindlichkeit und Orientierung zu schaffen. Insbesondere pädagogische Problembereiche in der Schule aber auch in der Familie und in außerschulischen Institutionen sollen durch wertbewusste Erziehung zur moralischen Stabilisierung der Kinder und Jugendlichen beitragen.[31]

Ein solches Bemühen läßt sich direkt auf die Traditionslinie der an Hegel orientierten pädagogischen Theorien zurückführen. Erziehung wird als Objekt der gesellschaftlichen Einflußnahme aufgefaßt und dient letztlich der Eingliederung der Heranwachsenden in den sozialen Status quo.

In diese Richtung zielt denn auch die grundlegende Kritik von Blankertz an dieser von ihm als „normative Didaktiken“ bezeichneten Ansätzen. Ihnen liege letztlich ein pessimistisches Bild des Kindes bzw. des kindlichen oder jugendlichen Entwicklungsprozesses zugrunde, denn die Notwendigkeit der Moralerziehung wird mit einem Zurückfallen hinter erreichte Moralvorstellungen bzw. einer drohenden Orientierungslosigkeit begründet. Gleichzeitig würde das Eigenrecht der nachfolgenden Generation auf die Relativierung alter und der Erarbeitung neuer moralischer Grundsätze negiert.[32]

Ein neues Gewicht - wenn auch unter veränderten Vorzeichen - erhalten diese Ansätze nach der deutschen Wiedervereinigung, wenn man das Ergebnis einer solchen Erziehung der Wertübertragung unter den Vorzeichen der Erziehungswirklichkeit in der ehemaligen DDR und den Aussiedlern aus den anderen osteuropäischen Staaten betrachtet.[33] Sieht man die häufig anzutreffende Orientierunglosigkeit gerade unter diesen Kindern und Jugendlichen, ist Uhl beizupflichten, der als Ergebnis empirischer Forschungen feststellt: „...hinsichtlich der Werte-Erziehung in der Schule bestätigt die empirische Forschung tatsächlich, daß die meisten Spezialprogramme (gemeint sind Ansätze zur Werterziehung, Anm. D. Verf.) für den Unterricht wenig oder gar nichts bewirken.“[34] In einem Sammelbericht über empirische Forschungen zur Moralerziehung heißt es: „Die neuesten Forschungsergebnisse ... über den Einfluß der herkömmlichen Unterweisung und Belehrung durch den Lehrer ... sprechen dafür, daß die direkten Methoden zur Erziehung des Charakters die Werteinstellungen und die moralisch relevanten Verhaltensweisen einfach nicht ändern.“[35]

Konzepte der Wertklärung (Value Clarification)

Im Gegensatz zum oben skizzierten Ansatz der Wertübermittlung lassen sich die folgenden Grundsätze moralischer Erziehung auf Herbartianische bzw. Kantianische Grundzüge zurückführen und sind in der schulpädagogischen Diskussion fest verankert (Natorp, Cohn, Hönigswald, Petzelt, Heitger). Ausgangspunkt ist das Individuum, dem das Recht zugestanden wird, eigene moralische Setzungen vorzunehmen. Heitger sagt dazu:

„Es hieße das Personale mißachten, wollte man die Educandus unter Ziele und Zwecke zwingen, die er nicht vor dem Richterstuhl seiner ‘Urteilskraft’ bringen könnte, weil sich solche Inhalte auf Grund selbstverständlicher Gültigkeit über jene erhaben zu können glauben.“[36]

Pädagogische Aufgabenstellung ist hier die Bewusstmachen und Klärung eingegangener Präferenzen unter Berücksichtigung der reflexiven Urteilskraft des Schülers. Ziel ist nicht die Anpassung an die „Normativität des Faktischen“ oder die Kritik „falscher“ Wertvorstellungen, sondern im aufklärerischen Sinne die intellektuelle Erhellung individuell unterschiedlicher Motive des Handelns. Bei Heitger ist von einem „unendlichen Prozeß der Argumentation und Motivation“ die Rede, in dem der Heranwachsende lernt eine Position zu beziehen, Gründe für sein Handeln zu finden und eine Bindung an seine Vernunft und Urteilskraft einzugehen.[37] In diesem Reflexionsprozeß sollen Orientierungsmuster in einer wertpluralistischen Gesellschaft für den Einzelnen möglich werden und Sinn für das Handeln gestiftet werden.

Erziehung hat hier nicht die Aufgabe, gesellschaftliche Wertvorstellungen unreflektiert zu tradieren bzw. Heranwachsende in bestehende Strukturen einzugliedern, sondern das Individuum und seine persönlichen moralischen Präferenzen stehen im selbstreflektorischen Sinn zur Diskussion. Lassahn charakterisiert diese Haltung in Anlehnung an Heitger, wenn er sagt:

„Normativität erscheint hier nur im kritischen Bewußtsein und ist weit davon entfernt, einfach materiale Normen vorgeben zu wollen. Von solcher Fremdbestimmung will sich pädagogische Führung gerade distanzieren und nur ‘Geburtshilfe’ leisten bei dem Akt der Selbstbestimmung.[38]

Gegenstand der unterrichtlichen Reflexion ist auch nicht die Dichotomie „richtig“ oder „falsch“, sondern erstes Kriterium ist die Fragestellung „klar“ oder „unklar“. Cohn erweitert das Ziel um das Begriffspaar „Befreien“ und „Binden“: der Heranwachsende ist aus Unmündigkeit zu befreien und soll durch den Unterricht lernen, sich an moralische Maßstäbe zu binden.[39]

In den USA entwickelten Simon, Raths, Harmin seit Mitte der sechziger Jahre das Modell der „value clarification“ (Wertklärung).[40] Er hat nicht die moralische Essenz einer Entscheidung zum Ziel, sondern den Prozeß der Wertfindung. Ausgehend von einer subjektiven Entscheidung sollen die Schüler sich der Werte und Argumente ihrer subjektiven Entscheidungen bewußt werden. Dabei sind „self-knowledge“ (Selbsterfahrung) und „self-esteem“ (Selbstbewußtsein) entscheidende Schlüsselbegriffe. Methodisch entwickelte Simon Materialien wie Wertbögen, Ideenblätter, Verhaltenslisten, Rollenspiele, Diskussionsanlässe sowie leitende Fragestellungen zur Aufschlüsselung wie:[41]

„Ist dies etwas, was du sehr schätzst?“

„Was empfandest du, als das geschah?“

„Ist das etwas, das du selbst ausgesucht und gewählt hast?“

„Kannst du mir einige Beispiele zu dieser Idee geben?“

„Würdest du das wirklich tun oder sagst du das nur so?“

„Was müssen wir voraussetzen, daß sich die Dinge so entwickeln?“

„Welche anderen Möglichkeiten gibt es?“

„Möchtest du anderen von deiner Idee erzählen?“

„Woher weißt du, daß es richtig ist?“

„Schätzt du das?“

Kritiker dieses Ansatzes weisen auf die Gefahren eines „Wertrelativismus“ (L. Kohlberg) hin und befürchten eine Trivialisierung moralischer Probleme auf die Ebene persönlicher Neigungen und Vorlieben, denn die inhaltliche Relevanz sittlicher Handlungsziele bleibe außerhalb der Perspektive der Reflexion.[42] Rekus pointiert diese Kritik, wenn er schreibt:

„Durch diesen Verzicht auf gegenständliche Auseinandersetzungen und rationale Begründungsbemühungen für die eigenen Wertpräferenzen, d. h. durch die Ausblendung bildungstheoretischer Aspekte, laufen die erziehungstheoretischen Ansätze am Ende auf naiven Subjektivismus hinaus. Das hat aber mit Moralität nicht mehr viel zu tun.“[43]

Protagonisten des Ansatzes wie Simon/Raths akzeptieren diese Kritik, entziehen ihr aber die Grundlage durch die Eingrenzung der Reichweite des Ansatzes: Es gehe nicht um die Erörterung systematischer Probleme der Ethik, sondern um Orientierung im individualpsychologischen Sinn. Simon interessiert, daß die Schüler ihre Werte klären können - ob diese im ethischen Sinn „gut“ sind, ist nicht Gegenstand der Methode.[44] Terhart weist deshalb dieser Theorie ein „optimistisches Weltbild“ zu:

„Das ‘an sich gute’ Individuum muß durch moralische Erziehung als Wertklärung nur noch zur Definition seiner Präferenzen gebracht werden... Die Rolle des Lehrers besteht darin, Situationen zu schaffen, in denen der Heranwachsende durch Rückfragen, Erläuterungswünsche etc. Zur Auseinandersetzung mit seinem Handeln und den darin eingeschlossenen Präferenzen provoziert wird. Konflikte aufgrund divergierender oder konträrer Präferenzen bleiben ausgeklammert.“[45]

Wertanalyse als Mittel moralischer Erziehung

Als Mittelweg zwischen den beiden oben skizzierten Ansätzen kann die von Hall entwickelte Position der Wertanalyse bezeichnet werden: Der Schüler soll durch geeignete methodisch-didaktische Maßnahmen die Implikationen, Voraussetzungen und Folgen moralischer Handlungsziele erkennen. Auf den intrapsychischen Prozeß der Setzung ethischer Präferenzen selbst nimmt der Erzieher keinen Einfluß.[46]

Diesen Weg zwischen sozialem Konformismus und moralischem Individualismus bezeichnet Terhart in Anlehnung an Mauermann als

„Qualifizierungsprogramm in Sachen Meta-Ethik. Ziel ist es, bei den Schülern die Fähigkeiten zur rationalen Analyse von sowie rationalen Entscheidungen in Wertkonflikten aufzubauen. Die inhaltlich systematische Frage nach der Begründbarkeit von Normen tritt zurück (materiale Werte-Ethik).“[47]

Methodisch-didaktischer Weg ist in diesem Ansatz die Analyse von Motiven in Entscheidungssituationen, denen Wertkonflikte zugrunde liegen.[48] Großes Gewicht haben dabei Erörterung und Entscheidung, so daß es bei diesem Verfahren um einen „Unterricht über Werte“, nicht um Werte in Erziehung und Unterricht geht. Ausgeschlossen ist auch eine Erziehung zu bestimmten, vom Lehrer vorgegebenen Werten. Allerdings liegt hier - wie beim Ansatz der Wertklärung - die normative Qualität in der zugrundeliegenden Geisteshaltung, nämlich Sachverhalte auf ihren ethischen Gehalt untersuchen zu wollen.

Erziehung auf der Basis der Steigerung des Niveaus des moralischen Urteils

Kohlberg liefert in seinen philosophisch und entwicklungspsychologisch abgesicherten Arbeiten die Grundlage für Ansätze zur Moralerziehung, die davon ausgehen, daß der Mensch in seiner Entwicklung Stufen ethischer Urteilsfähigkeit durchläuft.[49] Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Selman, wobei die Stufen geringfügige Unterschiede aufweisen:[50]

Tabellarische Gegenüberstellung Kohlberg - Selman

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Kohlberg, Turiel und andere haben wiederholt logisch und empirisch den Beweis geführt, daß diese Niveaustufen als strukturelle Stufen definiert werden können:

- Sie sind eher qualitativ verschiedene Denkweisen als zunehmendes Wissen um oder Internalisierung von moralischen Überzeugungen und Standards Erwachsener.
- Sie bilden eine invariante Ordnung oder Abfolge in der Entwicklung...
- Die Stufen bilden eine strukturierte Ganzheit. Es gibt einen allgemeinen Faktor der moralischen Stufe, der durch alle verbalen oder Verhaltensdilemmata geht, mit denen ein Individuum konfrontiert wird...
- Die Stufen sind hierarchische Integrationen. Die Individuen begreifen alle Stufen unter ihrer eigenen und nicht mehr als eine über ihrer eigenen Stufe. Sie bevorzugen die höchste Stufe, die sie verstehen...[51]

Altersmäßig ordnet Kohlberg Kinder im Alter von acht oder neun Jahren den Moralstufen 1 und 2 (prämoralische Ebene) zu, „da sie ‘richtig’ und ‘falsch’ noch durch Rekurs auf Bestrafung und Konformität gegenüber mächtigen Erwachsenen definieren.“[52] Zwar handeln die Kindern dem äußeren Anschein nach schon moralisch, bei Untersuchungen auf der Ebene der Denkstrukturen konnte Kohlberg aber nachweisen, daß die Probanden noch prämoralisch reagierten. Die vollentwickelten Denkstufen 5 und 6 der postkonventionellen Ebene tauchen in der Regel dagegen nicht vor dem 16. Lebensjahr auf, wobei manche Menschen die höchste Stufe erst wesentlich später im Erwachsenenalter oder gar nicht erreichen.[53]

Aufgabe des Erziehers ist es, sich zum einen am erreichten Niveau der moralischen Urteilsfähigkeit des Kindes zu orientieren, zum anderen aber die Entwicklung des Schülers zur nächsten Stufe hin zu orientieren. Dies erreicht er durch Unterrichtsarrangements, die bereits der nächsthöheren Stufe entsprechen („+1-Methode“) und so den Schüler herausfordern, sich zu diesem Niveau vorzutasten.

Methodisch läßt sich dies etwa in Form von Gruppendiskussionen, Rollenspielen u.ä. über Konfliktsituationen („Dilemmata“) erreichen. Ähnlich wie bei Simon können hierbei Schlüsselfragen - bei Kohlberg jedoch präskriptiver Art, auf moralische Entscheidungshintergründe zielend - leitend sein:

„Was meinst du, sollte X tun und warum?“

„Wie kannst du das am besten begründen?“

„Ist das ein guter Grund?“

„Was sollte X tun?“

„Was meinst du, was X tun würde, wenn sie oder er wirklich in der Situation wäre?“

„Was würdest du tun, wenn du in dieser Situation wärst?“

„Warum oder warum nicht?“

„Wie ist das, wenn du etwas nicht tust, obwohl du weißt, daß du es hättest tun sollen?“[54]

Damit sollen Kinder lernen, das Problem des „Wollens“ und „Sollens“ zu unterscheiden, damit moralische und nichtmoralische Kriterien voneinander zu trennen und somit für moralische Prinzipien und Universalien sensibilisiert werden.

Uhl verweist in diesem Zusammenhang auf empirische Studien, die belegen, daß die Unterrichtsgespräche und Gruppendiskussionen über werte-bezogene Themen und über moralische Entscheidungsprobleme nach der Methode der Steigerung des Niveaus der Urteilsfähigkeit (Kohlberg-Methode) zu einer signifikanten Zunahme der moralischen Urteilsfähigkeit der Schüler führten. Dies ist ein Beweis für die Effektivität dieses Ansatzes (wobei Effektivität bedeutet, daß der erwartete Effekt überhaupt eingetreten ist; es ist damit noch nichts über die Effizienz, den Grad des Erfolgs, ausgesagt). Im Gegensatz dazu haben sich etwa Wertklärungsprogramme, die in den sechziger und siebziger Jahren an zahlreichen amerikanischen Schulen durchgeführt wurden, trotz großen Aufwands als fast völlig wirkungslos herausgestellt. Einschränkend merkt Uhl jedoch an, daß sich die positive Bewertung von Kohlberg-Programmen in empirischen Untersuchungen bei praxisnaher Betrachtung oft nicht als so wirkungsvoll erwiesen. Wissenschaftler legen bei quantitativen Messungen in der Regel andere Maßstäbe an als Praktiker und so ist ein signifikanter Anstieg eines Meßergebnisses in der Untersuchung bei der Bewertung durch Nicht-Wissenschaftler manchmal kaum wahrnehmbar. Zum zweiten sei mit der Verbesserung des moralischen Urteilsfähigkeit noch nicht viel über das reale Handeln ausgesagt, da beide Faktoren zwar miteinander zusammenhängen, aber das Tun noch von vielen anderen Variablen in erheblichem Maß beeinflußt wird.[55]

Wertevermittelnde Funktion der Schulkultur

Während die bisher behandelten Ansätze sich alle auf der intellektuell-kognitiven Ebene bewegen, geht es hier darum, durch organisatorische Arrangements Bedingungen zu schaffen, die moralisches Handeln notwendig machen bzw. als nützlich erscheinen lassen. Anknüpfen ließe sich hier an der von Bertram/Bertram geäußerten Kritik an Kohlbergs Analyse der moralischen Entwicklung, derzufolge jener Ansatz der sozialen Erfahrung einen relativ geringen Stellenwert einräumt. Kohlberg unterschätze damit das soziale Lernen, den Einfluß familiärer und sozialstruktureller Konstellationen.[56]

Durch pädagogische Arrangements soll sittliches Tun damit aus der Ebene bloßen Denkens in die Ebene des praktischen Handelns verlagert werden und dadurch in erweiterter Form erfahrbar zu sein. Grundlage ist bei diesen Ansätzen der lerntheoretische Gedanke von Rogers, daß sich Lernen immer auf drei unterschiedlichen Erfahrungsschichten abspielt: der kognitiven, der emotionalen und der aktionalen Ebene. Rogers nennt dies die „Drei Straßen des Lernens“:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach Rogers konstituieren diese drei Bereiche die menschliche Persönlichkeit und befinden sich bei einem psychisch gesunden Menschen im Gleichgewicht. Will man das Verhalten eines Menschen beeinflussen, muß man den gesamten Menschen erfassen, d.h. alle drei Konstituenten berücksichtigen.[57]

In aller Regel sind diese Ansätze gekoppelt mit dem Ziel der Erziehung zu demokratischen Entscheidungsverfahren und gehen damit zurück auf die Idee der „Just-Communitiy-School“. Der „Kohlberg-Ansatz“ ist mit der lernpsychologisch inspirierten Idee der Schaffung eines „Settings“, d. h. einer mehr oder weniger selbstverwalteten Schulgemeinde kombiniert.[58] Empfehlungen in diese Richtung stammen auch von Kohlberg selbst, der anmerkte, daß die Diskussion von moralischen Dilemmata allein, nicht die Übertragung auf das Handeln gewährleistet:

„Such discussions, if too often used, will become pedantic. The classroom discussion approach should be part of a broader, more enduring involvement of students in the social and moral functioning of the school ... one must create a ‘just community’“[59]

Kohlberg und seine Mitarbeiter betonen hier ausdrücklich den Aspekt des Handelns. Ausgangspunkt ist die These, „daß Moralerziehung am besten in einem System partizipatorischer Demokratie vor sich geht.“[60] Moralische Erziehung wird durch organisatorische Maßnahmen auf der Handlungsebene, nicht durch Belehrung, intellektuelle Analyse, vermittelt.

Damit nähert sich der „Just-Community-Ansatz“ der Herbart’schen Forderung nach Teilnahme im Anschluß an das Erkennen an.

Innerhalb der Schule setzt dies allerdings eine erhebliche Abstimmungsarbeit und Einigkeit über anzustrebende normative Ziele unter den Lehrenden voraus. Allerdings zeigte sich bei Untersuchungen an versuchsweise eingerichteten Community-Schulen, daß sich immerhin 80 % der Schüler „pro-sozial“ verhalten wollen, im Gegensatz zu einem Anteil von 40 % an anderen Schulen.[61]

Kritik an diesem Ansatz wird von Rekus angebracht, indem er den Moralbegriff Kohlbergs näher untersucht:

„Auf den ersten Blick scheint daher der Ansatz der Just-Community-School äußerst sinnvoll zu sein. Denn hier werden Rationalität und Moralität in einem einheitlichen Lebenszusammenhang gefordert und praktiziert. Auf den zweiten Blick fällt allerdings auf, daß Moralität als Prinzip des guten Handelns in eigenwilliger Weise mit dem Begriff der Gerechtigkeit gleichgesetzt wird.“[62]

Ein solcher Begriff von Gerechtigkeit meint lediglich eine reversible Verteilungsgerechtigkeit und klammert - so Rekus - emotional tiefergehende Handlungsmotive wie „liebevolle Zuwendung, ... einspringende Fürsorge, ...sozialverpflichtete Formen des Aufeinanderzugehens“ aus.[63] Rekus führt den Kohlberg-Ansatz auf den Hintergrund des in den USA herrschenden und durch die amerikanische Verfassung gebotenen pragmatischen Sinnhorizont zurück. Werterziehung in diesem Verständnis verlangt den Verzicht auf religiöse und weltanschauliche Aspekte, schulische Werterziehung als Ausformung staatlichen Handelns muß sich daher auf die Wahrung von Interessen und Chancengleichheit zurückziehen.

Probleme erziehenden Unterrichts

Zum Stand der Diskussion in den vergangenen drei Jahrzehnten

Spricht man heute mit Lehrerinnen und Lehrern erscheint das bewußte Erziehen im Rahmen des Schulunterrichts allgemein als ein sehr schwieriges Unterfangen empfunden zu werden und ist entgegen den Forderungen des Bildungsplanes keineswegs ein selbstverständlicher Teil schulischen Lebens. Zugespitzt stellt sich das Problem bei der moralischen Erziehung. Gefragt wird zum einen nach den Möglichkeiten und Grenzen von schulischer Erziehung überhaupt, zum anderen steht ja in unserer religiös und weltanschaulich pluralistischen Gesellschaft keineswegs fest, zu welchen Zielen die Kinder zu erziehen wären. Darüber hinaus herrscht ein erheblicher Dissens über die anzuwendenden Erziehungsmittel und deren Legitimität.

Auch in der schulpädgogischen Literatur bekamen Praktiker in den letzten Jahren kaum Hilfestellungen, häufig herrschte in Fachbüchern, Fachzeitschriften und mehr noch in der Rezeption der Fachliteratur in populärwissenschaftlichen Zeitschriften eine diffus erziehungskritische Grundtendenz. Dies übertrug sich in erheblichem Umfang auch auf die Elternschaft, die zum Teil allen Erziehungsversuchen von Lehrerinnen und Lehrern, sofern die eigenen Auffassungen auch nur im entferntesten tangiert werden, sehr kritisch gegenüberstehen und mitunter rasch zum Mittel der Beschwerde bzw. gleich zu juristischen Maßnahmen greifen. Die Antwort darauf heißt Verrechtlichung schulischer Vorgänge: Eine seit langem in der Schule praktizierte Maßnahme wie „Nachsitzen“ (hier soll jetzt nicht der Sinn dieser Sanktion erörtert werden)gilt beispielsweise als „Freiheitsberaubung“ und bedarf deshalb einer rechtlichen Legitimation z. B. im Rahmen der juristisch normierten „Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen“ nach § 90 des baden-württembergischen Schulgesetzes.

In den sechziger Jahren hatte sich die Erziehungskritik ursprünglich an den - in Bezug zur damaligen Gesellschaft überholten - Erziehungszielen und - methoden entfacht. Das Schlagwort der antiautoritären Erziehung machte die Runde. In der öffentlichen Diskussion blieb von philosophischen Überlegungen Adornos, Blochs u.a., von den pädagogischen Anregungen des „Summerhill-Leiters“ Neill, von den schulpädagogischen Reflexionen über Grenzen der Erziehung, häufig nur die Angst, „irgendwie“ (das Modewort der 70er und 80er) autoritär zu erscheinen.

In den siebziger Jahren spitzen die Anhänger der Antipädagogik (Illich, v. Braunmühl, Kupfer) die Diskussion weiter zu. Erziehung diene dazu, „wehrlose Kinder mit pädagogischen Manipulationen zu terrorisieren“ und sie einer „zunehmend trickreich veranstalteten „ „Gehirnwäsche“ zu unterziehen. Erziehung sei ein „totalitärer und auf Entselbstung zielender, ... kinder-, menschen- und lebensfeindlicher“ Akt der „Kindermißhandlung“.[64]

Auch in der Lehrerausbildung jener Zeit bis in die achtziger Jahre hinein waren erziehungskritische Tendenzen in weitem Maße präsent. Die Professoren an den Pädagogischen Hochschulen sahen sich vorwiegend als Fachwissenschaftler bzw. Fachdidaktiker und Seminare über curriculare Probleme herrschten vor.

Dies alles lähmte die Erziehungskräfte der Lehrerinnen und Lehrer in der Schule und trug als Folge in Verbindung mit anderen Faktoren manchmal zum gefürchteten „Burn-out-Syndrom“, zu hohem Krankenstand, zu Frühpensionierung von Lehrkräften bei. In der Elternschaft machte sich große Unsicherheit breit in mehreren Dimensionen:

a) über die eigenen ethischen Zielsetzungen;
b) ob diese überhaupt als Maßstab für die Erziehung der Kinder dienen sollen oder dürfen;
c) über die Mittel der Erziehung.

Häufiges Resultat dieser Unsicherheit war oft, daß Eltern zwar erzogen - entsprechend der Aussage der Unmöglichkeit der Nichterziehung -, aber in Bezug auf Ziele oft halbherzig, mit Unbehagen und vielen Brüchen. Mit Erschrecken stellten sie dann oft fest, daß das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung erreicht wurde: die als Vorbild gezeigte Unsicherheit und Indifferenz der Eltern, übertrug sich als Grundhaltung auf die Kinder.

Erst die beunruhigenden neueren Tendenzen bei Kindern und Jugendlichen wie maßloser Konsum von audiovisuellen Medien, Rückzug in Nischenkulturen, Drogenmißbrauch, Gewaltbereitschaft u.ä. scheinen nun in den neunziger Jahren zu einer Trendwende in der Diskussion zu führen. Fragen moralischer Bildung werden in der schulpädagogischen Literatur differenzierter erörtert. Ergebnisse der „moral instructions“-Programme in den USA in den beiden vergangenen Jahrzehnten geraten auch bei uns verstärkt ins Blickfeld. „Werte-Erziehung als Kunst des Möglichen“, so Uhl, mit Fragen nach realistischen Erwartungen an den Erfolg der Erziehung werden diskutiert.[65] Hauptrichtungen der wieder erwachenden Diskussion heute sind Probleme um die empirische Analyse der Effektivität und Effizienz von Werterziehung, die Auseinandersetzung mit erziehungsskeptischen Ansätzen sowie die Methodendiskussion.

Moralerziehung - ein Paradoxon?

Terhart wirft bei der Erörterung von Problemen der Moralerziehung in Anlehnung an den amerikanischen Erziehungsphilosophen J. Mc Clellan die Frage auf, ob moralische Erziehung nicht letztlich auf ein Paradoxon hinausläuft:

„Moralische Erziehung ist entweder unmoralisch oder ineffektiv. Um nämlich das Kind dazu zu bringen, gemäß den Moralvorstellungen (des Erziehers) zu handeln, muß er es auf eine Weise behandeln, die seinen Moralvorstellungen widerspricht. Verzichtet er jedoch, das Kind auf eine Weise zu behandeln, die seinen Moralvorstellungen widerspricht, so ist damit garantiert, daß jedes Kind im späteren Erwachsenenalter nicht einmal den Unterschied zwischen moralisch Ge- und Verbotenem anerkennt.“[66]

Terhart konkretisiert diese Auffassung als die „bereichsspezifische Variante des grundlegenden Paradoxons jeder Erziehung, die zur Selbständigkeit der zu Erziehenden führen (!) will.“[67]

Zu fragen ist bei dieser Diskussion, ob hierbei der Begriff der moralischen Erziehung nicht zu eng auf Ansätze im Sinn der Wertübertragung verkürzt wurde. So scheinen offensichtlich die methodischen Mittel der „value-clarification“, der Wertanalyse, der moralischen Niveaustufen und der Moralerziehung durch pädagogische Arrangements diesem Gegensatz zwischen Ziel und Methode nicht zu unterliegen.

Eine Chance, diesem Dilemma zu entgehen liegt im entwicklungstheoretischen Charakter des Kohlberg-Ansatzes, der durch Beachtung der zeitlichen Entwicklungslogik moralische Erziehung mindestens nicht prinzipiell unmöglich erscheinen läßt. Allerdings kann das angestrebte Ziel nicht unmittelbar ins Auge gefaßt werden, sondern pädagogische Maßnahmen sind immer nur als partikuläre Schritte auf dem Weg dorthin aufzufassen.[68] Das eingangs erwähnte Paradoxon moralischer Erziehung ist damit entkräftet: Es kann sicher als Problem von Erziehung in einer konkreten Situation auftreten. Durch den prinzipiell prozesshaften Charakter von Erziehung wird der Gegensatz von Ziel und Methode in der Regel im Laufe der Zeit aufgehoben.

Moralerziehung in der Schule

Nach der Diskussion über die Möglichkeiten moralischer Erziehung überhaupt ist nach den Chancen der Realisierung solcher Ansätze in der heutigen Schule mit ihren derzeit ausgeprägten Strukturen zu fragen. Skeptiker befürchten, daß hierbei analog zu anderen Fächern eben nur ein „moralisches Schulwissen“ erzeugt werde, das vom Erfahrungswissen der Schülerinnen und Schüler getrennt ist und somit kaum auf das außerschulische Leben übertragen wird.

Diese Befürchtung kann wohl bestätigt werden - und empirische Untersuchungen belegen dies -, wenn moralische Erziehung als eine unterrichtliche Form der Belehrung praktiziert wird.

Dagegen scheinen handlungs- und erfahrungsorientierte Ansätze, die durch wertanalytische Schritte ergänzt werden und auf dem entwicklungsstufengerechtem Niveau der jeweiligen Schüler angesetzt sind, im schulischen Bereich Möglichkeiten zu bieten. Ergebnisse der Schulqualitätsforschung sowie Berichte über erste Programme etwa im Bereich der Gewaltprophylaxe bestätigen dies.[69]

Der Einwand, daß die Schule mit dieser Aufgabe überlastet würde, steht wohl nicht mit den Realitäten in Einklang. Schulisches Handeln ist gerade heute - wie empirisch überzeugend nachgewiesen wurde - unabhängig von den Zielsetzungen des Lehrplans in erheblichem Umfang von Phänomenen der Orientierungslosigkeit der Schule - also von Lehrkräften, der Organisation, der Schülerinnen und Schüler, der Eltern - überlagert. Lernen im traditionellen Sinn kann vielfach im Bereich der Grund- und Hauptschule im besonderen Maße durch auftretende Probleme im Bereich der Beziehungsebene gar nicht mehr stattfinden. So sind Klärungen im Bereich der ethischen Grundlegungen nachgerade eine notwendige Bedingung schulischer Arbeit. Allerdings darf dabei Moralerziehung nicht im Sinne eines weiteren Schulfaches „Ethik“ - eventuell als Ersatz für das immer weiter abnehmende Interesse am Religionsunterricht - begriffen werden, sondern muß im Sinne der Definition von Schulpädagogik nach Grunder als „pädagogisches Handeln unter schulischen Voraussetzungen und der außerschulisch wirksamen Prämissen für die schulische Arbeit“ aufgefaßt werden.[70] Moralerziehung muß als unterrichtliches Prinzip aufgefaßt werden, das Auswirkungen hat sowohl auf die methodisch-didaktische Gestaltung des Unterrichts als auch auf die schulorganisatorischen Rahmenbedingungen im Sinne pädagogischer Arrangements mit dem Ansatz der „Just-Communitiy-School“.

Erziehungsansätze im Spannungsfeld zwischen Elternhaus und Schule

Kritiker schulischer Moralerziehung befürchten weiter eine Belastung des Verhältnisses zwischen Schule und Familie. Häufig wird aufgrund der „konstatierte(n) zunehende(n) Aushöhlung der Familie“ die Forderung nach einer Verstärkung des Erziehungsauftrags erhoben. Gleichzeitig wird eine enge Kooperation zwischen Elternhaus und Schule als zwingend angesehen. Terhart sieht darin einen logischen Gegensatz und schreibt, daß die Forderung nach Kooperation darauf hinweist, dass es anscheinend doch noch Familien gibt, die als pädagogisch intakt gelten können, während moralische Erziehung gerade mit einem Defizit an familiärer Erziehungskompetenz begründet würde.[71] Terhart befürchtet, daß die „Forderung nach einer erziehungs- und wertbewussten Schule gegebenenfalls sogar noch den Erosionsprozeß der Familienerziehung“ beschleunige, da die Eltern ja nun guten Gewissens auf Moralerziehung meinen verzichten zu können; andererseits ist „Kooperation hinsichtlich Werterziehung von den Familien womöglich gar nicht erwünscht, weil sie diese Aufgabe selbst und allein wahrnehmen möchten.“[72] Terhart zufolge gerät deshalb

„eine dezidierte Werterziehung als Wertübermittlung notwendig in einen Konflikt mit dem Elternrecht, weil eben nicht mehr mit einem allgemeinen Konsens hinsichtlich der durchzusetzenden Werteorientierung gerechnet werden kann. Und ein verordneter, spezifischer Wertekonsens widerspräche sowohl dem Neutralitätsgebot staatlicher Institutionen wie schließlich auch der faktischen Situation der Wertepluralismus in der Gesellschaft.“[73]

Entgegenzuhalten ist dieser Argumentation in mehrfacher Hinsicht mit schulpädagogischer und schulrechtlicher Begründung:

- Abgesehen von wahltaktischen Forderungen einiger Politiker und dem Konzept weniger Privatschulen bestehen in der BRD keine ernstzunehmenden Tendenzen, Moralerziehung in der Form einer platten Wertübertragung zu realisieren.
- Terhart fällt mit seinem Plädoyer für eine werterziehungsfreie Schule hinter den erreichten wissenschaftlichen Stand zurück. Ebenso wie es unmöglich ist, nicht zu kommunizieren (Watzlawick), ist es unmöglich, nicht zu erziehen. Moralerziehung aus der Schule herauszuhalten, hieße nur, das leitende Erziehungsinteresse von Lehrkräften aus dem reflektierenden Denken auszublenden und impliziert keine wertfreie Erziehung.
- Schulrechtliche Bestimmungen geben immer einen Minimalkonsens schulpädagogischer Ansätze wieder. Eine moralische Enthaltsamkeit oder Neutralität wird im deutschen Schulrecht (wie im entsprechenden Kapitel bereits aufgezeigt) nirgends gefordert. Ganz im Gegenteil geben Verfassungen und die Eingangsparagraphen der Länderschulgesetze eindeutige Vorgaben im Bezug auf ethische Grundsätze schulischen Unterrichts und Erziehung.
- Das Schulrecht ist im Grundgesetz dem Elternrecht nicht untergeordnet, sondern Artikel 6 und 7 stehen sich nach Meinung bedeutender Schulrechtsexperten ergänzend gegenüber. Dies ist mit den unterschiedlichen Erziehungssphären beider Sozialisationsinstanzen begründet. So wie die familiäre Erziehung kaum Sozialerziehung leisten kann, ist es in der Schule oft gar nicht möglich, in die moralische Intimsphäre der Familie einzugreifen; und wo dies doch geschehen kann, verbietet dies die schulrechtlich verbindliche pädagogische Verantwortung der Lehrer.
- Heutige Schulpädagogik bewegt sich immer im Spannungsfeld der eingangs skizzierten Traditionslinien zwischen der gesellschaftlich geprägten Auffasssung im Sinne Hegels und dem individualistischem Ansatz im Geiste Herbarts. Weder vom einen noch vom anderen Standpunkt ist es gegenüber der heranwachsenden Generation zu verantworten, auf ethische Bildung im aufklärerischen Sinne zu verzichten. Dies ist auch nicht abhängig von einem optimistisch oder pessimistisch geprägten Weltbild, sondern die Orientierung an sittlichen Mustern - die natürlich auch Reibung, Auseinandersetzung und Neuorientierung beinhaltet - ist anthropologische Grundvoraussetzung menschlicher Existenz und die Voraussetzung für die Analyse und kritische Reflexion gesellschaftlicher Normen.
- Wo sonst als in der seit Beginn der bürgerlichen Gesellschaft für die Vermittlung individuell und gesellschaftlich notwendiger Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten etablierten Institution Schule könnte im Anschluß an die familiäre Primärsozialisation moralische Erziehung und Bildung in einem systematischen Sinn geleistet werden?

Wege aus der Krise:

Abschließend soll nochmals auf die in der Einleitung aufgeworfene Frage nach der Überbürdung der Schule durch Moralerziehung eingegangen werden. Wie oben dargelegt, besteht nicht die Gefahr der Überlastung der Schule durch moralische Bildung, sondern die empirisch nachzuweisenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wie Medienkonsum, Gewaltbereitschaft, Flucht in Nischenkulturen, Okkultismus, Drogenkonsum etc. fordern sogar dringend eine ethische Orientierung. Schule kann ohne eine Reformierung im Sinne einer verstärkten Moralerziehung als methodisches Prinzip des Unterrichts und der Schulorganisation ihre bisherigen Aufgaben in der Zukunft nicht mehr erfüllen. Bestandteile dieser Reform müßten unter anderem sein:

- Reflexion der dem Unterricht und dem gesamten Schulleben zugrundeliegenden Normen innerhalb der Schulverwaltung und innerhalb der einzelnen Kollegien.
- Erarbeitung eines ethisch begründeten pädagogischen Minimalkonsenses innerhalb der einzelnen Kollegien mit Hilfe von Maßnahmen der Organisationsentwicklung.
- Entwicklung methodischer Handlungsziele zur Umgestaltung des Schullebens und des Unterrichts.
- Einsatz von Kontrollschleifen zur organisatorischen Ergebnissicherung im erzieherischen Bereich der Schule.
- Erweiterte Autonomie der einzelnen Schule im Rahmen von allgemeinen Richtlinien zur Entwicklung und Umsetzung eines spezifischen Schulprofils
- Wissenschaftliche Beratung und organisierte Unterstützung der Einzelschule durch erweiterte Kooperation mit bestehenden Forschungs-, Aus- und Fortbildungseinrichtungen und Hochschulen sowie einer im Sinne von mehr Beratungskompetenz umgestalteten Schulaufsicht.

Neben diesen schulorganisatorischen Aspekten ist, Rekus zuzustimmen, dass jeder der aufgezeigten Ansätze einen jeweils spezifischen Bereich der moralischen Bildung beinhaltet. Nötig ist sicher die Auseinandersetzung mit Bildungsinhalten und -werten, die allerdings durch wertklärende Ansätze erweitert werden muß. Hierbei müssen die eigenen Präferenzen des Schülers hinterfragt werden und vor dem Hintergrund eigener und fremder Normen und Werte eine ethische Orientierung angestrebt werden. Im Sinne der praktischen Erprobung und Anwendung der auf der intellektuellen Ebene erreichten Klärungen sind diese methodischen Formen jedoch in erheblich stärkererem Maß als dies in heutigen staatlichen Schulen üblich ist, durch handlungsorientierte Formen der Schulorganisation im Sinne der „Just-Communitiy-School“ zu erweitern. Hierzu reichen aber die methodisch-didaktischen Kompetenzen traditioneller unterrichtlicher Schularbeit nicht mehr aus. Ansätze aus der humanistischen Pädagogik und Konzeptionen der Organisationsentwicklung weisen hier einen erfolgversprechenden Weg.

[...]


[1] Grunder, H.-U.: Schule als Überbürdung - überbürdete Schule: und die Schulpädagogik? In: H.J. Apel/H.-U. Grunder (Hrsg.): Texte zur Schulpädagogik. Selbstverständnis, Entstehung und Schwerpunkte schulpädagogischen Denkens 1995), S. 267

[2] vgl. ebda, S. 271: Grunder ergänzt die weitgehend konsensfähige Definition von Schulpädagogik um den außerschulischen Aspekt, wenn er schreibt: „Schulpädagogik schöpft ihre Aufgabenstellungen aus der heutigen Schulwirklichkeit. Sie muß dabei zwangsläufig außerschulische Einflüsse auf die Schule einbeziehen.“

[3] Apel, H.J.: Schulpädagogik und pädagogische Bildung. Zur Situation der Schulpädagogik. In: Apel/Grunder, a.a.O., S.248

[4] ebda, S. 248

[5] Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11. November 1953, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Februar 1991. In: Holfelder/Bosse: Schulgesetz für Baden-Württemberg. Handkommentar mit Nebenbestimmungen und Sonderteil Lehrerdienstrecht. 11., völlig neubearbeitete Auflage (1993)

[6] Bildungsplan für die Grundschule (1994) (=Kultus und Unterricht. Amtsblatt des Ministeriums für Kultus und Unterricht Baden-Württemberg, 1/1994, Lehrplanheft S. 9, 10 und 14.)

[7] Bildungsplan für die Hauptschule (1994) (=Kultus und Unterricht. Amtsblatt des Ministeriums für Kultus und Unterricht Baden-Württemberg, 2/1994, Lehrplanheft S. 11)

[8] Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949. In: Holfelder/Bosse: Schulgesetz für Baden-Württemberg. Handkommentar mit Nebenbestimmungen und Sonderteil Lehrerdienstrecht. 11., völlig neubearbeitete Auflage (1993)

[9] Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11. November 1953, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Februar 1991. In: Holfelder/Bosse, a.a.O.

[10] Landesbeamtengesetz Baden-Württemberg in der Fassung vom 8. Augsut 1979, zuletzt geändert am 6. Juli 1994, Gesetzblatt, S. 349/1994

[11] Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 24.5.1984. In: VBlBW (1985), S. 115 ff.

[12] Uhl, S.: Werte-Erziehung in der heutigen Schule: Die Kunst des Möglichen. In: Lehren und Lernen, 21. Jg. 1/1995, S. 4

[13] Hegel, W.F.: Gymnasialrede am 2. September 1811. In: Apel/Grunder, a.a.O., S. 37-45

[14] ebda, S. 48

[15] ebda, S. 46

[16] ebda, S. 47

[17] ebda, S. 47

[18] ebda, S. 48

[19] Benner, D.: Was ist Schulpädagogik? In: J. Derbolav (Hrsg.): Grundlagen und Probleme der Bildungspolitik (1977), S. 88-111. Abgedruckt in: Apel/Grunder, a.a.O., S. 54-83

[20] Hegel. W.F.: Sämtliche Werke, hgg. Von H. Glockner (1961), Bd. VII. Zitiert nach: Benner, a.a.O., S. 59

[21] Herbart, J.F.: Über Erziehung unter öffntlicher Mitwirkung. In: Apel/Grunder, a.a.O., S. 37-45

[22] ebda, S. 39

[23] ebda, S. 39

[24] zitiert nach Benner, a.a.O., S. 75

[25] vgl. dazu Benner, S. 76 ff.

[26] vgl. dazu den Überblick von Uhl, S.: Belehrung und Unterricht als Mittel der Moralerziehung. Pädagogische Ideengeschicht, Literaturüberblick, Forschungsergebnisse. In: Lehren und Lernen, 21. Jg., 8/1995, S. 3-34

[27] vgl. Oser, F. u.a. (Hrsg.): Moralische Zugänge zum Menschen - Zugänge zum moralischen Mesnchen (1986)

[28] vgl. Terhart, E.: Moralerziehung in der Schule. Positionen und Probleme eines schulpädagogischen Programms. In: Apel/Grunder, a.a.O., S. 221-238

[29] ebda, S. 227

[30] ebda, S. 227

[31] Unter den schulpädagogischen Theoretikern finden sich kaum Vertreter dieses strengen Ansatzes; am ehesten können noch die Vertreter der katholischen Erziehunglehre wie Henz oder März dieser Richtung zugeordnet werden. Wertorientierte Praktiker und Politiker dagegen vertreten m.E. häufiger die Position der Wertübermittlung.

[32] vgl. Blankertz, H.: Theorien und Modelle der Didaktik 6(1972), S. 18 ff.

[33] Dabei ist allerdings der Wechsel aus der rigiden moralischen Diktatur der Ostblockstaaten in eine freiheitliche, wertepluralistische Gesellschaft sicher auch als psychologisches Verarbeitungsproblem zu berücksichtigen, das möglicherweise zu einem Verlust aller Wertvorstellungen führt.

[34] Uhl, S.: Werte-Erziehung in der heutigen Schule: Die Kunst des Möglichen. In: Lehren und Lernen, 21. Jg. 1/1995, S.10

[35] Leming, J.S.: Curricular Effectiveness in Character Education: What Works, What Doesn’t, What might, and What Else We Need to Know. Manuskript, o.O. [Carbondale, Il] o.J. (Southern Illinois University), S. 13. Übersetzt von S. Uhl, zitiert nach: Uhl, S., S. Anm. 21

[36] Heitger, M.: Die Bedeutung des Normativen für den Begriff der pädagogischen Führung. Zitiert nach: Lassahn, R.: Einführung in die Pädagogik (1974), S. 107

[37] Heitger, a.a.O., S. 107

[38] Lassahn, R.: Einführung in die Pädagogik (1974), S. 107

[39] vgl. Cohn, J.: Geist der Erziehung. Pädagogik auf philosophischer Grundlage (1919)

[40] Raths, L/Harmin, M./Simon, S.: Values and teaching (1966). Deutsch: Werte und Ziele: Methoden zur Sinnfindung im Unterricht (1976)

[41] Simon u. a.: Value Clarification. A Handbook of Practical Strategies for Teachers and Students (1973), S. 75-81. Zitiert nach: Schmitt G.,: Politische Sozialisation oder moralische Erziehung? In. Politisches und soziales Lernen im Grundschulalter (=Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 131) (1978), S. 48-63

[42] vgl. Mauermann, L.: Darstellung und Kritik aktueller Konzepte zur Werterziehung in der Schule. In: Handbuch Schule und Unterricht, Bd. 7.1., hrsg. Von W. Twellmann (1985), S. 357-371

[43] Rekus, J.: Bildung und Moral. Zur Einheit von Rationalität und Moralität in Schule und Unterricht (1993), S. 180

[44] vgl. dazu auch den Aufsatz von Gisela Schmitt: Politische Sozialisation oder moralische Erziehung? S.A. 41

[45] Terhart, a.a.O., S. 229

[46] vgl. Hall, R.T.: Unterricht über Werte. Lernhilfen und Unterrichtsmodelle (1979)

[47] Terhart, a.a.O., S. 229

[48] Sartre benutzte diese Methode in seinen Dramen und Romanen. Existentielle Probleme werden dramatisch verdichtet zur Reflexionsgrundlage für moralisch begründete Entscheidungsprozesse ohne explizit auf die zugrundeliegenden ethischen Ansätze einzugehen.

[49] vgl. Kohlberg, L.: Development of Moral Character and Moral Ideology. In: Hoffman, M.L./Hoffman, L.W. (Hrsg.): Review of Child Development Research, Bd. 1. Nachdruck (1968), S. 383-431. Kohlberg, L.: Stufe und Sequenz. Sozialisation unter dem Aspekt der kognitiven Entwicklung. In: Ders.: Zur kognitiven Entwicklung des Kindes. Drei Aufsätze (1974)

[50] vgl. Selman, R./Kohlberg,L.: First things. A strategie for teaching values (1972)

[51] Kohlberg, L.: Eine Neuinterpretation der Zusammenhänge zwischen der Moralentwicklung in der Kindheit und im Erwachsenenalter. In: Döbert, R./Habermas, J./ Nunner-Winkler, G.: Entwicklung des Ichs (1977), S. 233

[52] Turiel: Entwcklungsprozesse, a.a.O., S.121

[53] vgl. Kohlberg, s. A. 50, S. 225-252

[54] Colby: Values and Teaching, S. 137. Zitiert nach: Schmitt, G, s. A. 43, S. 62

[55] Uhl (1995), a.a.O., S. 10

[56] vgl. Dazu zwei Dissertationen von Birgit und Hans Bertram: Teil I: Bertram, B: Typen moralischen Urteilens, Diss. Düsseldorf 1976; Teil II: Bertram H.: Gesellschaftliche und familiäre Bedingungen moralischen Urteilens, Diss. Düsseldorf (1976)

[57] vgl. dazu Comelli, G.: Training als Beitrag zur Organisationsentwicklung (1985), S.

[58] vgl. dazu Ansätze in der Reformpädagogik wie Jena-Plan-Schulen, Konzepte nach Dewey und seit den achtziger Jahren in der BRD Versuche mit diesem Modell in Nordrhein-Westfalen.

[59] Kohlberg, L/Hersh, R.H.: Moral Development: A Review of the Theorie. In: Rich, J.M. (ed.): Innovations in Education. Reformers and their Critics (1988), S. 269

[60] Kohlberg, L.: Moralische Entwicklung und demokratische Erziehung. In: Lind, G./Raschert, J. (Hrsg.): Moralische Urteilsfähigkeit. Eine Auseinandersetzung mit Lawrence Kohlberg (1987), S. 38

[61] vgl. Lind, G. Ansätze und Ergebnisse der“Just-Community“-Schule. In: Die Deutsche Schule, 1/1987, S. 4-12

[62] Rekus, a.a.O., S. 163

[63] ebda

[64] Braunmühl, E. v.: Antipädagogik. Studien zur Abschaffung der Erziehung 2(1976), S. 16, 78, 84 und 245

[65] vgl. Uhl (1995), a.a.O.

[66] McClellan J.E.: Philosophy of Education (1976), S. 156

[67] Terhart, a.a.O., S. 232

[68] vgl. ebda

[69] vgl. dazu Analysen und Berichte im Sammelband von Valtin, R/Portmann, R. (Hrsg.): Gewalt und Aggression: Herausforderung für die Grundschule (=Beiträge zur Reform der Grundschule - Bd. 95), (1995)

[70] Grunder, s. A. 2, S. 272

[71] vgl. Terhart,a.a.O., S. 234

[72] ebda

[73] ebda, S. 235

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
1997
ISBN (eBook)
9783832449841
ISBN (Paperback)
9783838649849
DOI
10.3239/9783832449841
Dateigröße
1.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen – Sozial- und Verhaltenswissenschaften 08
Erscheinungsdatum
2002 (Februar)
Note
1,0
Schlagworte
schulentwicklung erziehungsauftrag erkenntnistheorie konstruktivismus
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