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Viabilität neuerer Systemtheorien für das Human Resource Management

Mit Fokus auf das Management von Personal-Ressorts vor dem Hintergrund 6 komparativer Fallstudien

©2002 Diplomarbeit 217 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die Arbeit tritt mit der Fragestellung an, ob sich aus den Benchmarking-Ergebnissen zum Management von Personal-Ressorts sechs internationaler Konzerne vor dem Hintergrund der neueren Systemtheorien weiterführende Erkenntnisse gewinnen lassen. Dabei wird zunächst versucht, dem den Systemtheorien möglicherweise fernstehenden Leser die Wurzeln und Grundkonzepte dieser Theoriegebäude darzustellen. Eine Besonderheit der vorliegenden Arbeit liegt in der Vermeidung einer eingeschränkten Sichtweise, aufgrund der möglichst umfassenden Darstellung und Diskussion der verschiedenen theoretisch sehr spannenden system-theoretischen Ansätze.
Eine weitere Besonderheit der Arbeit liegt im Bestreben eine Brücke zwischen praktischen Managementthematiken im Human Resource Management (HRM) und den schwer zugänglichen Ansätzen der neueren Systemtheorien zu bauen. Hierbei wird der Forderung einer Vielzahl an Arbeiten nach praxisnäherer Forschung entsprochen, indem die Fruchtbarkeit (Viabilität) dieser theoretischen Aussagen direkt anhand der Benchmarking-Ergebnisse untersucht wird.
Besondere Stärken der Arbeit liegen in der grundsätzlichen Offenheit gegenüber den verschiedenen systemtheoretischen Ansätzen und den verschieden Lösungen der Personal-Ressorts. Damit wird sowohl den Ansprüchen der Wissenschaft als auch der betrieblichen Praxis entsprochen.
Ohne den Ergebnissen vorweg zu greifen, lässt sich feststellen, dass die neuere Systemtheorie als Instrument der interdisziplinären Zusammenarbeit gerade im Rahmen des HRMs verschiedene Forschungsdisziplinen und -bereiche in einen einheitlichen Bezugsrahmen integriert. Die Unterschiedlichkeit wird dabei gewahrt, und sie trägt somit dazu bei, dass Impulse für neue Forschungsgebiete entstehen.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
AbbildungsverzeichnisIV
TabellenverzeichnisVI
AbkürzungsverzeichnisVII
1.EINLEITUNG1
1.1Problemstellung der Arbeit1
1.2Zielsetzung der Arbeit3
1.3Wissenschaftliches Grundverständnis der Arbeit6
1.4Aufbau der Arbeit7
2.GRUNDLAGEN - DIE KONZEPTIONELLE BASIS11
2.1Entwicklung des Human-Resource-Managements11
2.1.1Entwicklung des HRMs in der Praxis11
2.1.2Entwicklung des HRMs in der Theorie13
2.2Begriffliche Grundlagen16
2.2.1Der Begriff HRM16
2.2.2Der Begriff System17
2.2.3HRM als soziales System18
2.3Grundlagen naturwissenschaftlicher Systemtheorien19
2.3.1Klassische Systemtheorien21
2.3.2Neuere Systemtheorien25
2.3.2.1Theorie […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 4932
Schneider, Jan: Viabilität neuerer Systemtheorien für das Human Resource Management: Mit
Fokus auf das Management von Personal-Ressorts vor dem Hintergrund 6 komparativer
Fallstudien / Jan Schneider - Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Mannheim, Universität, Diplom, 2002
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Ich misstraue allen Systematikern und gehe ihnen aus dem Weg.
Der Wille zum System ist ein Mangel an Rechtschaffenheit.
(Friedrich Nietzsche)
Die ewig Unentwegten und Naiven
Ertragen freilich unsre Zweifel nicht.
Flach sei die Welt, erklären Sie uns schlicht,
Und Faselei die Sage von den Tiefen.
Denn sollt es wirklich andre Dimensionen
Als die zwei guten, altvertrauten geben,
Wie könnte da ein Mensch noch sicher wohnen,
Wie könnte da ein Mensch noch sorglos leben?
Um also einen Frieden zu erreichen,
So laßt uns eine Dimension dann streichen!
Denn sind die Unentwegten wirklich ehrlich,
und ist das Tiefensehen so gefährlich,
Dann ist die dritte Dimension entbehrlich.
(Hermann Hesse)

Danksagung:
Zunächst möchte ich mich bei allen Personalvertretern für ihr reges Interesse in den
Vorabinterviews der dieser Arbeit zugrundeliegenden empirischen Untersuchung
bedanken, namentlich bei Herrn Dr. Wolfgang Sonnabend, Herrn Peter Schneider, Frau
Diane Edfelder, Herrn Manfred Theunert, Herrn Dr. Herbert Schaaff, Herrn Albert Henn,
Herrn Christian Martin, Herrn Christian Gläser, Herrn Wolfgang Schmidt, Herrn Michael
Feyer, Herrn Klaus Wohlfarth und Frau Dr. Jutta Franke, sowie i.b. bei den Teilnehmern
an der Benchmark-Studie und den Workshops, namentlich Herrn Dr. Ulrich Leitner,
Herrn Fritz Schuller, Herrn Dr. Hermann Dietrich, Herrn Uwe Korb und Herrn Wolfgang
Domdey. Besonders danken möchte ich Herrn Thomas Neumann und Herrn Franz
Deitering darüber hinaus für die Bereitstellung der Räumlichkeiten und der
hervorragenden Verpflegung während der Workshops.
Herrn Prof. Christian Scholz möchte ich für seine sehr inspirierende Unterstützung im
Vorfeld, sowie bei der Moderation der Workshops danken. Nicht zuletzt, n.b. Herrn
Markus Held für sein Vertrauen, das grenzüberschreitende Thema der vorliegenden
Arbeit zu betreuen.

INHALTSVERZEICHNIS
I
INHALTSVERZEICHNIS
Abbildungsverzeichnis... IV
Tabellenverzeichnis... VI
Abkürzungsverzeichnis... VII
1. EINLEITUNG ... 1
1.1 Problemstellung der Arbeit ... 1
1.2 Zielsetzung der Arbeit ... 3
1.3 Wissenschaftliches Grundverständnis der Arbeit ... 6
1.4 Aufbau der Arbeit... 7
2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS... 11
2.1 Entwicklung des Human-Resource-Managements ... 11
2.1.1 Entwicklung des HRMs in der Praxis ... 11
2.1.2 Entwicklung des HRMs in der Theorie ... 13
2.2 Begriffliche Grundlagen ... 16
2.2.1 Der Begriff HRM ... 16
2.2.2 Der Begriff System... 17
2.2.3 HRM als soziales System ... 18
2.3 Grundlagen naturwissenschaftlicher Systemtheorien ... 19
2.3.1 Klassische Systemtheorien... 21
2.3.2 Neuere Systemtheorien ... 25
2.3.2.1 Theorie selbstorganisierender Systeme ... 26
2.3.2.2 Formalanalytische Systemtheorien... 27
2.3.2.3 Gegenstandsbezogene Systemtheorien... 31
2.3.3 Zusammenfassung der neueren Systemtheorien zur NST ... 37
3. ÜBERTRAGUNG DER NST AUF DAS HRM ... 41
3.1 Bisherige Übertragungen auf soziale Systeme ... 41
3.1.1 Luhmanns Theorie autopoietischer Systeme... 42
3.1.2 Übertragungsansätze auf Unternehmen als soziale Systeme ... 43
3.2 Übertragbarkeitsproblem ... 46
3.3 Respezifizierung der NST auf das HRM-System ... 50

INHALTSVERZEICHNIS
II
3.3.1 Komplexitätsmanagement als "Management of Dualities"... 52
3.3.2 Organisation des HRM-Systems... 55
3.3.2.1 Stabilisierende Organisationsformen... 56
3.3.2.2 Flexibilisierende Organisationsformen... 58
3.3.3 Management des Personal-Ressorts als synreferenzielles System .. 62
3.3.3.1 Sinngebung... 64
3.3.3.2 Strategische Ausrichtung und Ziele ... 66
3.3.3.3 Frühwarnsystem und Controlling ... 69
3.3.3.4 Kommunikation... 71
3.3.3.5 Entwicklungsfähigkeit ... 72
4. EMPIRISCHES VORGEHEN... 75
4.1 Wissenschaftsverständnis der Arbeit... 75
4.1.1 Radikaler Konstruktivismus... 76
4.1.2 Neopragmatismus... 77
4.1.3 Interpretatives Paradigma... 78
4.2 Untersuchungsdesign: Grounded Theory ... 80
4.3 Erhebungsverfahren... 83
4.3.1 Problemzentriertes Leitfaden-Interview... 84
4.3.2 Ergänzende Dokumentenanalyse... 85
4.3.3 Gruppeninterviews (Workshops)... 85
4.4 Auswertungsverfahren ... 86
4.5 Methodenkritik & Gütekriterien... 87
5. ERGEBNISSE UND INTERPRETATION ... 90
5.1 Organisation des Human-Resource-Managements ... 90
5.1.1 Stabilisierende Organisationsformen ... 91
5.1.2 Flexibilisierende Organisationsformen... 92
5.1.3 Zentralisierung vs. Dezentralisierung... 93
5.1.3.1 Outsourcing ... 95
5.1.3.2 HRM-Intranetanwendungen... 96
5.2 Sinngebung ­ Konstruktion von Realität & Identität ... 99
5.2.1 Rollenverständnis, Leitbild & Vision... 99
5.2.2 Strategieinhalt, Ziele & Strategy Maps... 102

INHALTSVERZEICHNIS
III
5.2.3 Strategieprozess... 106
5.2.4 Frühwarnsystem ­ Personalplanung & Personal-Controlling... 110
5.2.5 Kommunikation & Marketing ... 113
5.3 Entwicklungsfähigkeit ... 115
6. DISKUSSION UND AUSBLICK ... 118
6.1 Bewertung der Viabilität ... 118
6.2 Reflexion der Vorgehensweise ... 123
6.3 Ausblick ... 125
Glossar ... 128
Literaturverzeichnis... 144
Anhang A ... i
Anhang B ... iii

ABBILDUNGSVERZEICHNIS
IV
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Überblick über den Ablauf der Arbeit... 10
Abbildung 2: Verteilung des HRMs auf unterschiedliche Aktionsträger ... 12
Abbildung 3: Verbindungen der neueren Systemtheorien zu verschiedenen
Wissenschaftsgebieten... 20
Abbildung 4: Alternative Gleichgewichtszustände eines nichtlinearen dynamischen
Systems ... 31
Abbildung 5: Critical-Slowing-Down bis zum Symmetriebruch... 35
Abbildung 6: Komplexitätsmanagement als Rahmen für die Respezifizierung der NST55
Abbildung 7: Ablauf der Studie in Anlehnung an die hermeneutische Spirale ... 82
Abbildung 8: Wie ausgereift ist die Anwendung von Informationstechnologie im HRM?98
Abbildung 9: Optimierungsgrad der Fertigungstiefe ... 98
Abbildung 10: Erfüllung der Rollenanforderungen der Personal-Ressorts... 100
Abbildung 11: EFQM-Modell als Gestaltungsmodell eines HRM-Systems ... 102
Abbildung 12: Inhaltscluster der Personal-Ressort-internen Strategien... 103
Abbildung 13: Inhaltscluster über das Personal-Ressort hinausgehender
Herausforderungen... 103
Abbildung 14: Dimensionen der Balanced Scorecard ... 104
Abbildung 15: Beispiel einer Strategy Map im Balanced Scorecard-Konzept ... 105
Abbildung 16: Strategischer Einfluss des Personal-Ressorts auf das Unternehmen.. 107
Abbildung 17: Loslösung der Personalstrategie von Unternehmensstrategien... 107
Abbildung 18: Charakterisierung des Strategieprozesses (Bottom-up vs. Top-down) 108
Abbildung 19: Beteiligungsumfang unterschiedlicher Stakeholder am Strategieprozess
... 109
Abbildung 20: Aktueller Optimierungsgrad der Strategie-Implementierung ... 110
Abbildung 21: Zeithorizont der strategischen Personal-Planung... 111
Abbildung 22: Ausgereiftheit des Effektivitätscontrollings ... 112

ABBILDUNGSVERZEICHNIS
V
Abbildung 23: Ausprägungsgrad von Wertschöpfungscentern in den Personal-Ressorts
... 113
Abbildung 24: Kundenzufriedenheit mit dem Personal-Ressort ... 114
Abbildung 25: Wahrnehmung des Personal-Ressorts im Unternehmen ... 115
Abbildung 26: Transparenzgrad über das Management Potential ... 116
Abbildung 27: Optimierungsgrad des systeminternen Wissensmanagements ... 117
Abbildung 28: Exemplarische Bezüge der NST im HRM zu anderen Forschungsgebieten
... 126
Abbildung 29: Darstellung des bekanntesten Fraktals, die Mandelbrot-Menge mittels
Fractal eXtreme Version 1.800
Cygnus Software... i
Abbildung 30: Homogene Vergrößerungen der Mandelbrot-Menge aus Abbildung 29...ii
Abbildung 31: Dimensionen des HR-Strategic Business Partnerships ...v

TABELLENVERZEICHNIS
VI
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1: Gründerväter der NST ... 26
Tabelle 2: Entwicklung der ganzheitlichen Systemsicht in den Systemtheorien ... 38
Tabelle 3: Auswahl an Dichotomien des Management of Dualities... 53
Tabelle 4: Aggregierte Verteilung der HRM-Funktionen auf verschiedene Aktionsträger
... 93
Tabelle 5: Outgesourcte HRM-Funktionsbereiche ... 95
Tabelle 6: Intranetlösungen für einzelne HRM-Dienstleistungen (5 der 6 Unternehmen)
... 96

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
VII
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
A&O-Psychologie: Arbeits- und Organisationspsychologie
BSC:
Balanced Scorecard
bzw.:
beziehungsweise
d.h.:
das
heißt
ebd.:
eben
dieser
EFQM:
European Foundation for Quality Management
EVA:
Economic Value Added
HR:
Human Resources / Personal
HRM:
Human Resource Management
i.d.R.:
in der Regel
i.e.S.:
im engeren Sinne
i.w.S.:
im weiteren Sinne
m.E.:
meines
Erachtens
M&A:
Mergers & Acquisitions bzw. Fusionen & Unternehmenskäufe
NST:
gemeinsame Grundlage der neueren Systemtheorien
PVA:
People Value Added
SBP:
Strategic Business Partner
s.o.:
siehe
oben
TQM:
Total Quality Management
u.a.:
unter
anderem
u.ä.:
und
ähnliches
v.a.:
vor
allem
vgl.:
vergleiche
vs.:
versus

1. EINLEITUNG
1
1. EINLEITUNG
In diesem einleitenden Kapitel wird zunächst eine Einführung in die Problemstellung
dieser Arbeit und die Gründe für die Wahl des Untersuchungsobjektes gegeben (Kap.
1.1). Anschließend wird dem Leser ein roter Faden an die Hand gegeben, um die
Zielsetzungen (Kap. 1.2), das wissenschaftstheoretische Grundverständnis (Kap. 1.3)
und den Argumentationsgang der Arbeit nachvollziehen zu können (Kap. 1.4).
1.1 PROBLEMSTELLUNG DER ARBEIT
The theory, research and practice of Human Resource Management (HRM) has
evolved considerably over the past century, and experienced a major
transformation in form and function primarily within the past two decades. Driven
by a number of significant internal and external environmental forces, HRM has
progressed from a largely maintenance function, with little if any bottom line
impact, to what many scholars and practitioners today regard as the source of
sustained competitive advantage for organizations operating in a global
economy. (Ferris, Hochwarter, Buckley, Harrall-Cook & Frink (1999), S. 1)
Die zunehmende Bedeutung des HRMs in Wissenschaft und Praxis der Unternehmen,
ist im wesentlichen auf dynamischere Umweltveränderungen zurückzuführen.
Christian Scholz (2000) weist dabei auf die folgenden fünf Einflussfaktoren hin:
Marktdynamik, Organisationsdynamik, Technologiedynamik, Wertedynamik und
Globalisierung. Diese führen zu einer erhöhten Aufmerksamkeit auf die
unternehmensinternen Human-Ressourcen, was nicht zuletzt in einer neuen
Orientierung der wissenschaftlichen Unternehmensstrategiediskussion, als auch in einer
zunehmenden strategischen Priorisierung in der Praxis zu verzeichnen ist. So wird die
vormalige Konzentration auf die Unternehmensumwelt (Market-Based-View)
zunehmend durch eine verstärkte Orientierung an den internen Ressourcen (Resource-
bzw. Competency-Based-View) abgelöst (Mahoney & Pandian, 1992; Prahalad &
Hamel, 1990). Hierdurch wird die zunehmende strategische Bedeutung der Mitarbeiter
und ihres Wissens deutlich. Auch wenn diese Tatsache schon seit Beginn der "Strategic
Human Resource Management" - Debatte Anfang der 80'er Jahre propagiert wird, so
taucht erst in jüngster Zeit das "Human Capital ... in allen integrierten Unternehmens-
Management-Modellen ... als Grundlage bzw. Befähiger für Innovation, Qualität der
Produkte und Prozesse, Kundenzufriedenheit sowie schliesslich des finanziellen
Erfolgs" (Haldi, 2001, S. 294) auf. Wie im empirischen Teil der Arbeit zu zeigen sein

1. EINLEITUNG
2
wird, finden dabei zur Verdeutlichung der strategischen Bedeutung von HRM zwei
Management-Modelle in zunehmendem Maße Verwendung in der Unternehmenspraxis:
die "Balanced Scorecard" nach Kaplan und Norton (1992, 1993, 1996, 1997, 2001) und
das "Excellence Model" der European Foundation for Quality Management (EFQM)
(Wunderer, Gerig & Hauser, 1997). In diesem Zusammenhang steigt die Zahl
empirischer Studien über den Zusammenhang von HRM und dem Unternehmenserfolg
(Guest, 1997; Huselid, 1995; Huselid, Jackson & Schuler, 1997; Lee & Chee, 1991;
Ulrich, 1998a; Tyson, Guest & Storey, 1997).
Aus den oben genannten Umfeldveränderungen erlangt das HRM und mit ihm die
Personalverantwortlichen ein neues Rollenverständnis. Dave Ulrich (1997, 1998b)
verweist in diesem Zusammenhang auf vier wichtige Aufgaben des HRMs: Business
Partner, Administrative Expert, Employee Champion und Change Agent, die in kurzer
Zeit gerade in Diskussionen in der Praxis weite Verbreitung gefunden haben
1
. "Als
professionelle Träger von Human Resource Management sind die Personalbereiche mit
ihren Führungskräften und Spezialisten aufgefordert, dieser gestiegenen
Aufmerksamkeit und den sicherlich gestiegenen Anforderungen an Professionalität,
internem Marketing und Business-Orientierung Rechnung zu tragen." (Jochmann &
Schubert, 2000, S. 1). Jochen Kienbaum (2001) verweist weiter auf die Notwendigkeit,
dass sich die Personalbereiche analog zu den am Markt tätigen internen Kunden
positionieren müssen. Mit ihrer veränderten Rolle kommt ihnen, insbesondere in
Großunternehmen, auch eine erhöhte Gestaltungsverantwortung zu:
Gestaltet werden die Umfeldbedingungen sowie die unternehmerischen
Reaktionen auf sie, das eigene Unternehmen mitsamt seiner strategischen
Ausrichtung, die Mitarbeiter mit ihren Rollenvorstellungen sowie die Organisation
des Personalmanagements mit ihren Virtualisierungschancen. Personalarbeit als
vernetztes Handlungssystem bedeutet dann, dass Effektivität und Effizienz mehr
und mehr am eigenständigen Wertschöpfungsbeitrag gemessen werden und
dass sich das Personalmanagement zum strategischen Partner der
Unternehmensleitung hin entwickelt. (Scholz, 2001, S. 209)
1
So war im Zusammenhang mit der empirischen Untersuchung dieser Arbeit lediglich einem der
über 20 kontaktierten Personalverantwortlichen dieses Konzept nicht vertraut. Vier von sechs
näher analysierten Unternehmen wählten das Modell sogar als Grundlage ihres HRM-Systems.

1. EINLEITUNG
3
Das zu Anfang dieses Kapitels beschriebene System aus Aktionsfeldern und das
Zusammenspiel der daran beteiligten Aktionsträger (Organisationsgestalter,
Linienmanager, Unternehmensleitung, Arbeitsdirektor, Betriebsrat und Personal-
Ressort) sind Gegenstand der im Laufe dieser Arbeit darzustellenden empirischen
Untersuchung. Aufgrund des begrenzten Rahmens soll dabei eine Fokussierung auf
das Management von Personal-Ressorts vorgenommen werden. Nähere
Ausführungen zu dieser Einschränkung werden in Kapitel 2.1 vorgenommen.
Exemplarisch für eine große Zahl weiterer Autoren zweifelt Manfred Perlitz (1997) an,
ob die bestehenden Personal-Ressorts in der Lage sind diese neuen Aufgaben zu
erfüllen: "I don't know if HR is prepared to make this happen." (S. 61). Unter
Verwendung der neueren Systemtheorien (s. Kap. 2.3.2) soll daher in dieser Arbeit
versucht werden, eine neue Grundlage für das HRM zu entwickeln. Im folgenden Kapitel
wird dieses Ziel näher erläutert.
1.2 ZIELSETZUNG DER ARBEIT
Mit der Anwendung systemtheoretischen Gedankenguts per se wird in dieser Arbeit kein
wissenschaftliches Neuland betreten. Exemplarisch seien für eine solche Tradition in
der Psychologie Lewins Feldtheorie (Lewin, 1963), Piagets Erkenntnistheorie (Piaget,
1973), Campbells Evolutionäre Erkenntnistheorie (Campbell, 1974) oder Katz & Kahns
Organisationspsychologischen Theorien (Katz & Kahn, 1966) erwähnt, die alle als
maßgebliche Impulsgeber für die Weiterentwicklung des systemtheoretischen
Gedankenguts gelten. Das eigentlich Neue an dieser Arbeit ist die in vielen Arbeiten
geforderte aber nicht durchgeführte Validierung der neueren systemtheoretischen
Aussagen in der empirischen Realität, anhand der im Rahmen dieser Arbeit erhobenen
Fallstudien zum HRM. Daraus ergeben sich für die vorliegende Arbeit zwei
Zielsetzungen:
1. Das gemeinsame Gedankengut der neueren Systemtheorien wird
erarbeitet (im Folgenden als NST bezeichnet) und auf das HRM
respezifiziert.
Da ein solches einheitliches Konzept der neueren Systemtheorien noch nicht vorliegt,
wird sich ein großer Teil dieser Arbeit mit der theoretischen Entwicklung bzw. der

1. EINLEITUNG
4
Respezifizierung der NST auf das Personal-Ressort als wesentlichen Aktionsträger des
HRMs beschäftigen.
2. Aus der Konfrontation der NST auf theoretischer Ebene mit den
empirischen Daten der Personal-Ressorts auf praktischer Ebene, soll eine
Bewertung der Viabilität, der auf das HRM modifizierten NST erfolgen.
Hierbei geht es folglich um die Frage, ob die NST tatsächlich völlig neue Perspektiven
für das HRM eröffnet, oder ob sie lediglich ein andersartiges Begriffssystem darstellt, mit
dem letztlich nur sprachliche Innovationen eingeführt werden.
Zum Begriff Viabilität:
Wirklichkeitskonstruktionen, seien es die der Theoretiker oder die der Praktiker,
müssen sich stets daran messen lassen, ob die Informationen, die sie liefern, nützlich
für das Überleben sind. (Simon, 1990, S. 185). Ernst von Glasersfeld führt hierfür den
ursprünglich aus der Biologie stammenden Begriff der Viabilität ein. Nach der weiter
unten noch näher zu explizierenden konstruktivistischen Sichtweise ersetzt der Begriff
der Viabilität im Bereich der Erfahrung den tradionell-philosophischen Wahrheitsbegriff,
der eine korrekte Abbildung der Realität bestimmt. Der von Ernst von Glasersfeld (2000)
begründete Radikale Konstruktivismus verneint die Möglichkeit einer objektiven
Abbildung der Realität, da sie nur subjektiv zugänglich ist. Es gibt demnach niemals nur
eine richtige Beschreibung der Wirklichkeit, sondern sehr viele verschiedene. Die
Viabilität beurteilt demnach die Güte mit dem ein Sprachspiel, wie das in dieser Arbeit
verwendete Sprachspiel der NST, zu den Zwecken passt, für die es verwendet wird (von
Glasersfeld, 1996).
Begründung für die Anwendung der NST:
Systemtheorien beschäftigen sich mit den allgemeinen Eigenschaften und Prinzipien
von Systemen (Systemisomorphien), unabhängig von deren spezieller Natur. Das
oben erwähnte neue Aufgabenfeld des Personal-Ressorts, das vernetzte
Handlungssystem (Scholz, 2001, S. 209) mit zahlreichen Schnittstellen und
Wechselwirkungen zu anderen Bereichen, das Fehlen eindeutiger kausaler
Beziehungen, die mangelnde Prognostizier- und Steuerbarkeit des Gesamtsystems
HRM, lassen die neueren Systemtheorien als adäquates Analyseinstrument erscheinen.
Desweiteren hat sich auch bei den neueren Systemtheorien in den letzten Jahren ein

1. EINLEITUNG
5
Wandel vollzogen, mit dem sich der Fokus der Betrachtung nicht mehr auf das Umfeld,
sondern jetzt primär auf die Innenseite des Systems [Hervorhebung v. Verf.] gerichtet
hat. (Liebig, 1997, S. 49). Damit haben die neueren Systemtheorien eine analoge
Entwicklung vollzogen, wie die weiter oben erwähnte Strategiediskussion, von einer
umweltfokussierten Market-Based-View zu einer nach innen gerichteten Resource-
Based-View. Die neueren Systemtheorien versprechen weiter die Möglichkeit, die
Erkenntnisse aus anderen Disziplinen [Hervorhebung v. Verf.] zur Beschreibung
komplexer Phänomene zu integrieren [Hervorhebung v. Verf.]. (Maier, 1998, S. 22).
Dabei bietet die Systemtheorie als Metatheorie den Vorteil verschiedenste Theorien aus
Psychologie, Soziologie, Betriebswirtschaft, Stochastik, etc. und formale
Gesetzmäßigkeiten naturwissenschaftlicher Systeme, in ein geschlossenes Gedanken-
gebäude integrieren zu können (Oechsler, 1992, S. 12) (vgl. hierzu auch Kap. 1.4).
Aufgrund der oben dargestellten Aspekte soll das Sprachspiel der NST als neutrale
Rekonstruktionssprache eingeführt werden. Dabei soll sie, sprachliche Grenzen der
eigenen Theoriekonstruktion ... überwinden und den Blick auf neuartige Aspekte ...
lenken. ... [Sie] dient damit als Reservoir sprachlicher Konstrukte, wie auch als
eigenständige Perspektive, unter der das Phänomen [HRM] aus einem eigenen
Blickwinkel heraus betrachtet werden kann. (Liebig, 1997, S. I).
Bisher haben die neueren Systemtheorien keinen Eingang in Personal-Lehrbücher
gefunden. Dies gilt insbesondere für die Selbstorganisation von Systemen und die
Handhabung von Komplexität (Maier, 1998, S. 23). Systemtheorien werden zwar
erläutert, meist handelt es sich dabei allerdings um die klassischen Systemtheorien, wie
etwa die von Norbert Wiener begründete Kybernetik (vgl. Kap. 2.3.1). Ist die
Übertragung kybernetischen Gedankengutes noch gut gelungen, so zeigen sich beim
Versuch der Übertragung der neueren Systemtheorien auf pragmatisch orientierte
Fragestellungen erhebliche Schwierigkeiten. So bleiben die Ergebnisse mehr oder
weniger an der Oberfläche, die Sinnhaftigkeit ist zweifelhaft und die Übertragung
degradiert zu einer Mystifizierung systemtheoretischer Aussagen für strategische
Zwecke (Stünzner, 1996, S. 13).
Als ein Grund für die Schwierigkeiten bei der Anwendung wird u.a. eine mangelhafte
Auseinandersetzung mit erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Implikationen der
neueren Systemtheorien gesehen. Hierauf soll daher im folgenden Kapitel näher
eingegangen werden.

1. EINLEITUNG
6
1.3 WISSENSCHAFTLICHES GRUNDVERSTÄNDNIS DER ARBEIT
Im Folgenden soll lediglich eine knappe Form des wissenschaftstheoretischen
Grundverständnisses dargestellt werden. Eine tiefergehende Diskussion erfolgt in
Kapitel 3 im Zusammenhang mit der Übertragbarkeit der NST, sowie in Kapitel 4 im
Zusammenhang mit der empirischen Vorgehensweise.
Aus Sicht des Kritischen Rationalismus (Popper, 1998) ist der wissenschaftliche
Gehalt, insbesondere die Aussagekraft der Systemtheorien sehr begrenzt. Maier (1998)
weist auf die fehlende Möglichkeit einer deterministischen Prognose in den neueren
Systemtheorien hin. Ein weiteres Problem erläutert Willke (1993, S. 139), indem er
darauf hinweist, dass im systemischen Bezugsrahmen weder induktive noch deduktive
Schlüsse möglich sind. Weder der Schluss von der Gesamtheit eines Systems auf seine
Teile, noch der Schluss von Teilen auf die Gesamtheit ist möglich, aufgrund der schon
von der Gestaltpsychologie
2
der 20'er Jahre propagierten Erkenntnis: Das Ganze ist
mehr (bzw. anders) als die Summe seiner Teile. Nicht zuletzt daher ist die Anwendung
der NST vor dem Hintergrund des oben erwähnten Radikalen Konstruktivismus zu
verstehen.
Diesem folgend soll in dieser Arbeit das Wissenschaftsverständnis des
Neopragmatismus als Bezugsrahmen für die Viabilität, also der Zuverlässigkeit des
Transfers von NST auf das Untersuchungsobjekt verwendet werden. U.a. beeinflusst
vom Pragmatismus eines William James, orientiert sich der Wahrheitsbegriff im
Neopragmatismus an Kriterien wie Nützlichkeit, Wert und Erfolg (Störig, 1992, S. 576).
Auf die drei sich daraus ableitenden Anforderungen an eine Theorie, die syntaktische
Richtigkeit, die semantische Fruchtbarkeit sowie die pragmatische Nützlichkeit (Klink,
1997), wird in Kapitel 3 näher eingegangen.
2
Prominente Vertreter der Gestaltpsychologie wie Max Wertheimer (1949 zitiert nach Beisel,
1996), Wolfgang Köhler (1929 zitiert nach Beisel, 1996), Kurt Koffka (1935 zitiert nach Beisel,
1996) oder auch Kurt Lewin (1963) können dabei als lange Zeit unbeachtete Vordenker einer
systemischen Perspektive betrachtet werden.

1. EINLEITUNG
7
1.4 AUFBAU DER ARBEIT
Zunächst soll in diesem Kapitel auf einer Metaebene die allgemeine Vorgehensweise in
dieser Arbeit diskutiert werden. Hierbei wird im besonderen auf ihre Relevanz für die
Arbeits- und Organisationspsychologie eingegangen, wodurch die Beschäftigung mit
der Thematik im Rahmen einer psychologischen Diplomarbeit begründet wird.
Anschließend wird dem Leser ein kurzer Überblick über den konkreten
Argumentationsgang der Arbeit gegeben.
Das HRM als Untersuchungsgegenstand soll im weiteren Verlauf der Arbeit als ein
soziales System charakterisiert werden (s. Kap. 2.2.3). Grundlegend wird von zwei
unterschiedlichen Denkrichtungen im Bezug auf die Analyse sozialer Systeme
ausgegangen. In der ersten Variante wird auf das Ganze vom Verhalten der Individuen
geschlossen, während in der zweiten Variante das Ganze vom System her analysiert
wird. Eine Vielzahl an Autoren innerhalb und außerhalb der Psychologie hat sich mit
dieser grundlegenden Thematik auseinandergesetzt. So berichtet Peter Dachler (1984):
The social sciences have long struggled with this dialectic. While most theories of social
systems have focused primarily on the individual level. (S. 133). Bungard (1993) weist
auf ein zentrales Problem [hin], zu dem die A.O.-Psychologie einen eigenen
Standpunkt finden muß, die Frage ist, wie die Dimension des 'Sozialen' in ihre
Erkenntnisse eingebaut werden soll, da eine Reduktion der Erklärung auf das
'Individuum' nur noch einen allgemeinpsychologisch gekennzeichneten Ansatz einer
Psychologie über den Menschen in einer Organisation darstellen würde ­ ... (S. 393).
So sieht etwa Ulrich (1984a) in seinem systemorientierten Ansatz eine Erweiterung des
mikrosozialen Konzeptes um die makrosoziale Dimension der Umwelt. Die beiden
Psychologen Daniel Katz und Robert L. Kahn haben mit ihrem Buch The Social
Psychology of Organizations das theoretische Fundament für ein Macro-level HRM
(Ferris et al., 1999) gelegt, wie er in der vorliegenden Arbeit verfolgt wird:
We psychologists sometimes assume it is up to the other social sciences to
describe and explain the social environment and identify its dimensions; then we,
as psychologists, will try to account for the behavior of people in these social
settings. This solution is a convenient one, but there are two basic difficulties
with it. The social environment is not a parallel to the physical environment
where we can turn to the physicists and chemists for the benefits of a more
precise analysis. The social environment merely exists of other people and their

1. EINLEITUNG
8
behavior and the products of their activities. Hence as psychologists we cannot
absolve ourselves from the responsibility of making our own contribution to an
analysis of the nature of the social environment and its dimensions. The second
reason for the need of cooperative activity among all social scientists is that
there is less justification at the social level than at the physical level for
preserving the sanctity of specialized disciplines. Many of the different areas
which differentiate the social sciences are more a result of their concepts than of
the nature of the data at the empirical level of research ... (Katz Kahn, 1966,
S. 5)
Schon 1966 wenden sich Katz und Kahn dafür den, gegenüber den klassischen
Systemtheorien weiterentwickelten, offenen Systemtheorien zu:
In our attempt to extend the description and explanation of organizational
processes we have shifted from an earlier emphasis on traditional concepts of
individual psychology and interpersonal relations to system constructs. The
interdependent behavior of many people in their supportive and complementary
actions takes on a form or structure which needs to be conceptualised at a more
appropriate collective level. Classical organizational theory we found
unsatisfactory because of its implicit assumptions about the closed character of
social structures. The development of open-system theory, on the other hand,
furnished a much more dynamic and adequate framework. Hence, our effort, in
the pages to follow, is directed at the utilization of an open-system point of view
for the study of large-scale organizations. (Katz Kahn, 1966, S. vii)
Der Herangehensweise von Katz und Kahn folgend, soll (allerdings im Rahmen der seit
1966 weiterentwickelten neueren Systemtheorien) die Betrachtung des HRM aus
Makro-Systemsicht erfolgen.
Besonders geeignet erscheinen hierfür die neueren Systemtheorien, da sie dazu
tendieren, sich von der disziplinären Betrachtungsweise zu lösen und soziales,
psychologisches und strukturelles Denken zu verbinden (vgl. Kap. 1.2). Hierbei werden
Parallelen zur Organisationspsychologie evident, die sich seit den 60'er Jahren als
Konglomerat aus verschiedenen psychologischen und nicht-psychologischen
Forschungsbereichen (Bungard, 1993, S. 378) entwickelt hat. Diese konsequente
Öffnung gegenüber den verschiedensten Nachbardisziplinen ist besonders aufgrund

1. EINLEITUNG
9
der andersartigen Anforderungen einer Anwendungsorientierung, vor dem
Hintergrund des neopragmatischen Wissenschaftsverständnisses dieser Arbeit,
unumgänglich.
Bungard (1993) verweist auf Neuberger (1991), wenn er betont, dass die AO-
Psychologie als angewandtes Forschungsgebiet der Psychologie nicht ohne
Objektkompetenz lediglich auf der Basis einer Methodenkompetenz betrieben werden
kann. Es sei eine Situationskompetenz vonnöten, daß man die Arbeitswelt aus eigener
Anschauung kennen muß, um sich in diesem 'Milieu' bewegen zu können (Bungard,
1993, S. 373). Blumer (1979) verweist in diesem Zusammenhang auf den Mangel an
empirischen Überprüfungen von Theorien: Ich will nicht übermäßig scharf sein, aber ich
glaube, man muß erkennen, daß es der gängige Trend in den sozialen und
psychologischen Wissenschaften ist, sich von einer direkten Prüfung der empirischen
Welt [Hervorhebung v. Verf.] abzuwenden; ... (S. 49). Auch 20 Jahre nach Blumers
Publikation bestätigt Bungard (1993) seine Kritik. Als angewandte Teildisziplin ist die
AO-Psychologie dazu aufgerufen selbst empirische Forschung zu betreiben, wobei
sich die Forschungsschwerpunkte aus den offenen Fragen und Bedürfnissen der Praxis
ergeben
3
. Daher soll die Problemstellung dieser Arbeit nicht aus einem alles
überwölbenden Metakontext betrachtet werden, sondern es wird versucht, sich der
Vielfalt möglicher Kontexte bewusst zu werden. Konkret soll in der vorliegenden Arbeit
in Anlehnung an das Konzept der Grounded Theory von Glaser Strauss (1967) (vgl.
Kap. 4.2) ein wechselseitiger Prozess der Beobachtung aus Theorie und Praxis
stattfinden. Vor dem Hintergrund der wechselseitigen Verweisungen wird es möglich,
aktuelle Problemfelder des HRMs aufzugreifen und aus der Perspektive der NST derart
zu analysieren, dass weder die Beobachtungen der Praxis ignoriert, noch die
Konstruktionen der Wissenschaft negiert werden.
In Abbildung 1 und den folgenden Erläuterungen wird konkret dargestellt, in welcher
Weise der Leser nun an die Zielsetzungen der vorliegenden Arbeit herangeführt wird.
3
Jürgen Habermas weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine Forschung, die nicht
Forschung für die Betroffenen darstellt, als Kolonialisierung der Lebenswelt der Subjekte durch
Forschung oder externe Zwecke zu bezeichnen sei, die nur einer gekonnteren Aushorchung
dienen würde (Habermas, 1981).

1. EINLEITUNG
10
Kap. 1: Einleitung
- Problemstellung
- Zielsetzung
- Grundverständnis
- Aufbau
Kap. 2.1 2.2:
Grundlagen des HRMs
- Entwicklung des HRMs
- Begriffliche Grundlagen
Kap. 3: Übertragung auf das HRM
Kap. 2.2.3: NST
1. Zielsetzung
Kap. 4: Empirisches
Vorgehen
- Wissenschaftsverständnis
- Untersuchungsdesign
- Erhebungsverfahren
- Auswertungsverfahren
- Methodenkritik Gütekriterien
Kap. 6.2 6.3: Reflexion Ausblick
Kap. 2.3: Grundlagen der
Systemtheorien
- Klassische Systemtheorien
- Neuere Systemtheorien
Kap. 5: Ergebnisse der Validierung
Kap. 6.1: Bewertung der Viabilität
2. Zielsetzung
Ablauf
der
Arbeit
Abbildung 1: Überblick über den Ablauf der Arbeit
Nachdem das einleitende Kapitel dem Leser einen allgemeinen Überblick über die
Fragestellung, die Zielsetzungen, das grundlegende Wissenschaftsverständnis und den
Aufbau der Arbeit gibt, wendet sich Kapitel 2 den Grundlagen der Arbeit zu. Hierbei
wird zunächst auf die Grundlagen des Untersuchungsgegenstandes eingegangen. Nach
einem notgedrungen knappen Überblick über die unterschiedlichen Theorien und den
Veränderungen im Rollenverständnis des HRMs, werden die Begrifflichen Grundlagen
des HRMs erläutert. In Kapitel 2.2 wird dem Leser ein ebenfalls notgedrungen knapper
Überblick über einige der klassischen und neueren Systemtheorien gegeben. Im
abschließenden Kapitel 2.3 wird der Versuch unternommen, das gemeinsame
Gedankengut der neueren Systemtheorien in einen Ansatz (NST) zu integrieren. Kapitel
3 führt durch die Übertragung der NST auf das HRM schließlich zu Erfüllung der
ersten Zielsetzung der vorliegenden Arbeit, wobei hier zunächst auf die grundlegende
Problematik der Übertragbarkeit eingegangen wird. In Kapitel 4 wird zunächst das
methodische Vorgehen der empirischen Untersuchung dargestellt, bevor in Kapitel 5
die Gegenüberstellung der in Kapitel 3 aus der NST abgeleiteten Erkenntnisse mit der
empirischen Realität erfolgen kann. Im 6. Kapitel wird schließlich die zweite
Zielsetzung der Arbeit, die abschließende Bewertung der Viabilität der NST verfolgt.
Eine kritische Reflexion der Vorgehensweise, sowie ein Ausblick beenden die Arbeit.

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
11
2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
Damit die Überprüfung der Viabilität der NST für das Management von Personal-
Ressorts, als zentrales Anliegen dieser Arbeit, begrifflich und konzeptionell eingeordnet
werden kann, ist zunächst ein Überblick über die praktischen (Kap. 2.1.1) und
theoretischen (Kap. 2.1.2) Fundamente des HRMs darzustellen, um in Kapitel 2.2
daraus die begrifflichen Grundlagen dieser Arbeit festzulegen. Anschließend wird ein
Überblick über die naturwissenschaftlichen Grundlagen der klassischen (Kap. 2.3.1) und
neueren Systemtheorien (Kap.2.3.2) erarbeitet, die in Kapitel 2.3.3 abschließend zur
NST zusammengefasst werden.
2.1 ENTWICKLUNG DES HUMAN-RESOURCE-MANAGEMENTS
Die Theorie und Praxis des HRMs bietet ein sehr diffuses und uneinheitliches Bild.
Deshalb kann im Folgenden anhand einer Betrachtung der jeweiligen historischen
Entwicklung lediglich ein exemplarischer Überblick erarbeitet werden.
2.1.1 Entwicklung des HRMs in der Praxis
Die Aufgabenfelder und das damit verbundene Rollenverständnis des HRMs haben sich
in den letzten 50 Jahren stark gewandelt. Die Personalarbeit der 50'er Jahre kann dabei
am ehesten als Personalverwaltung charakterisiert werden. Hierbei wurde der
Schwerpunkt auf Gehaltsabrechnung und lineare Personalplanung gelegt (Scholz,
2000). In den 60'er Jahren folgte im Zuge einer verstärkten Zentralisierung und
Spezialisierung die eigentliche Institutionalisierung der Personalarbeit, mit dem
vorrangigen Ziel der Anpassung des Personals an organisatorische Anforderungen. Im
Zuge der Humanisierung während der 70'er Jahre erfolgte eine zunehmende
Orientierung an den Bedürfnissen der Mitarbeiter, was sich in verstärkten Investitionen
in die Personalentwicklung bemerkbar machte (Wunderer, 1992). Diese Entwicklung
führte zu einer zunehmenden Bedeutung der Personalarbeit, welche schließlich in den
80'er Jahren, inspiriert durch japanische und amerikanische Vorbilder, in die
Betrachtung der Personalarbeit als strategischer Wettbewerbsfaktor mündete. Die
Bezeichnung der Personalarbeit als HRM sollte diese Entwicklung unterstreichen. Erste
Personalstrategien wurden entwickelt. Mit zunehmender Rezession trat seit Ende der
80'er Jahre eine Ökonomisierung (Wunderer, 1992) in Kraft, die getrieben durch
Business Process Reengineering (Hammer Champy, 1993) und Lean
Management (Womack, Jones Roos, 1991) in den 90'er Jahren zu einer

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
12
dramatischen Umstrukturierung der Unternehmen führte. Business Process
Reengineering betont hierbei die Kundenorientierung sowie eine Neustrukturierung des
Unternehmens funktionsübergreifend entlang der eigentlichen Prozesskette, während
das kontrovers diskutierte Konzept des Lean Management (vgl. Bungard, 1995; Ulich,
1994) eine deutliche Verschlankung der Unternehmensorganisationen zur Folge hat.
Eng damit verbunden findet hierbei eine verstärkte Verteilung des HRMs auf
unterschiedliche Aktionsträger statt (s. Abb. 2). Personalaufgaben sollten dort
bewältigt werden, wo sie die höchste Wertschöpfung realisieren, das ist dort, wo sie am
professionellsten erledigt werden. (Scholz, 2001, S. 218). So entwickelten sich
zunehmend zentrale Service-Einheiten (Shared Services), interne Dienstleistungen
wurden an externe Anbieter abgegeben (Outsourcing), Führungskräfte übernahmen
zunehmend die Rolle des Personalmanagers und die Mitarbeiter selbst wurden nicht
zuletzt durch die Möglichkeiten der Virtualisierung durch neue Software-Lösungen
(Employee-Self-Service) zunehmend mit in die Verantwortung genommen
(Intrapreneurship) (vgl. Kastura, 1996).
Centralize top-
level HR
policy making
Centralize
administrative
activities
Transfer
Non-Strategic
Administrative
Functions
Business
Units
Line managers
Deliver services
to employees
Decentralize
direct service
delivery
Decentralize
local HR strategic
planning
Corporate
Headquarters
Leadership
Strategy
Business wide
priorities
Central
Services
Efficiency
Customer-focused
Responsiveness
Abbildung 2: Verteilung des HRMs auf unterschiedliche Aktionsträger (Connolly, Mardis
Down, 1997, S. 13)

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
13
In Abbildung 2 ist ein Ausschnitt des im einleitenden Kapitel 1.2 erwähnten HRM-
Systems mit den vielfältigen Aktionsfeldern und dem Zusammenspiel der daran
beteiligten Aktionsträger dargestellt. Das hierbei ersichtliche Spannungsfeld aus
Zentralisierung und Dezentralisierung von Dienstleistungen wird in Kapitel 3.3.2 bzw.
5.1 weitergehend diskutiert. Desweiteren wird, wie ebenfalls schon in Kapitel 1.2
angedeutet, die Einschränkung des Untersuchungsgegenstandes dieser Arbeit auf
das Personal-Ressort (in Abbildung 2 als Corporate Headquarters bezeichnet) als
Aktionsträger des HRMs deutlich. Somit soll in dieser Arbeit keine Diskussion des
Linienmanagements, externer Dienstleistungsanbieter oder der Mitarbeiter als
Aktionsträger erfolgen. Wie in Kapitel 1.4. erläutert liegt der Fokus dieser Arbeit auf der
Makroebene des HRMs, so dass weiter einschränkend keine Analyse der operativen
Aufgabenfelder Personal-Aktivierung, -Lenkung oder -Bindung stattfinden soll. Somit
liegt der Fokus zusammenfassend auf dem Aufgabengebiet der Personalleitung, in
Organisation und Management des Personal-Ressorts als wesentlicher Aktionsträger
des HRMs.
Ein ähnlich uneinheitliches Bild, wie die oben dargestellte Entwicklung der HRM-Praxis,
bietet die große Zahl an theoretischen Denkrichtungen innerhalb des HRMs, die im
folgenden Kapitel dargestellt werden. Aufgrund des beschränkten Rahmens dieser
Arbeit kann dem Leser auch hier nur ein knapper Einblick in die Entwicklung der HRM-
Theorien gegeben werden.
2.1.2 Entwicklung des HRMs in der Theorie
Selbst innerhalb der personalwirtschaftlichen Lehrbücher differieren die Darstellungen
des theoretischen Fundamentes des HRMs deutlich. So findet Weibler (1995) bei einer
Gegenüberstellung aktueller Lehrbücher eine gewisse Beliebigkeit (S. 120) bei der
Darstellung und Bewertung der Theorien. Lediglich exemplarisch werden daher im
Folgenden Theorien in Anlehnung an Scholz (2000) erwähnt.
Die theoretischen Fundamente des HRMs legten Psychologen in den 50er und 60er
Jahren auf Ebene der Individuen, so etwa Fiedler (1967) mit dem Individuellen
Führungsansatz. In den 70er Jahren entwickelte Flamholtz (1974) die
Humanvermögensrechnung, die versucht sowohl die Kosten als auch die Leistungen
der einzelnen Mitarbeiter zu evaluieren. Zur gleichen Zeit wurde der
Personalplanungsansatz entwickelt (Cascio, 1998), der die frühzeitige Antizipation von

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
14
Anforderungen den Fähigkeiten der Mitarbeiter gegenüberstellt. Der Dualität von
verhaltensorientierten und unternehmensorientierten Ansätzen wurde Ende der 70er
Jahre mit dem Behavioral Systems Approach (Klatt, Murdick Schuster, 1978)
begegnet. Die Hauptverantwortlichkeit für das HRM übernimmt hierbei das
Linienmanagement, wobei das Personal-Ressort als wesentliche Beratungsfunktion
fungiert. Dabei müssen alle Teile des Gesamtsystems zusammenarbeiten, was auch ein
Verständnis der generellen Systemprinzipien erfordert. In den 80'er Jahren entwickelten
sich neben der Betonung verschiedener individueller Entwicklungsansätze, der
Kulturansatz von Schein (1992), der das kulturorientierte HRM betont und der
Ökonomische Ansatz von Odiorne (1984) als Weiterentwicklung der
Humanvermögensrechnung. Die verschiedenen Varianten des Stimmigkeits- bzw.
Kontingenzansatzes betonen schließlich das Zusammenspiel bzw. den Fit der
Human Ressourcen mit der jeweiligen Situation des Unternehmens bzw. der Umwelt.
Der Zusammenhang zwischen Unternehmensstrategie, Struktur und Personalstrategie
wird in den Strategischen Planungsansätzen thematisiert. Wiederum nur
exemplarisch sei hier auf den Michigan-Ansatz (Tichy, Fombrun Devanna, 1982)
verwiesen, der die Personalstrategie als aus der Unternehmensstrategie abgeleitet
versteht, während der Harvard-Ansatz (Beer, Spector, Lawrence, Mills Walton,
1985) das Personalmanagement selbst als treibende Kraft der Unternehmens-
entwicklung versteht, ähnlich dem INSEAD-Ansatz (Evans, Doz Laurent, 1989), auf
den in Kapitel 3.3.1 weitergehend eingegangen wird. Abschließend lassen sich diverse
Ansätze der 90'er Jahre auf einem Kontinuum anordnen, das sich von einer Market-
Based-View (Hard HRM) auf der einen Seite, bis zu einer Resource-Based-View (Soft
HRM) auf der anderen Seite aufspannt. Im Hard HRM dominieren die Marktbelange des
Unternehmens, während im Soft HRM der Erfolgsfaktor Personal im Mittelpunkt der
Betrachtung steht (Scholz, 2000).
Nach Weinand (2000) lässt sich die oben dargestellte Entwicklung des HRMs alternativ
in Abhängigkeit eines sich verändernden Menschenbildes in vier Phasen einteilen. In
einer ersten Phase stand hierbei das Menschenbild des homo oeconomicus, eines
völlig rationalen, ökonomisch-handelnden Menschen. Beispielhaft sei hierfür der
Scientific-Management-Ansatz von Taylor (1911, zitiert nach Weinand, 2000) genannt.
Er betonte die Trennung von Planung und Ausführung sowie die Arbeitsteilung, die
Kontrolle durch das Management, die leistungsgerechte Differenzierung finanzieller
Anreize, sowie die funktionale Gliederung der Organisation (Steinmann Schreyögg,

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
15
1993). In einer zweiten Phase entwickelte sich das Menschenbild des social man in
Folge der Human-Relations-Bewegung bzw. der berühmten Hawthorne-Experimente
(Mayo, 1933, 1945, zitiert nach Weinand, 2000). Das Menschenbild des self-
actualizing-man lenkte den Fokus schließlich auf die Motivationsforschung (Herzberg,
1966), sowie auf die Handlungsspielräume und Entwicklungschancen der Mitarbeiter. In
der letzten Phase bezieht sich Weinand auf das von Schein (1980) entwickelte Bild des
complex man. Hierbei wird die Abkehr von traditionellen verallgemeinernden
Schemata zugunsten einer stärkeren Berücksichtigung der menschlichen Individualität
(Weinand, 2000, S. 31) betont, woraus Weinand schließlich das Menschenbild eines
homo cultus entwirft. In Anlehnung an Peters Waterman (1982), die eine
Hinwendung zum irrational, meaning-looking man (S. 53) einfordern, wird hierunter
das Menschenbild eines mit moralischen Werten ausgestatte[n] und nach Sinn
suchende[n] Wesen (Weinand, 2000, S. 32) verstanden, wie es auch der vorliegenden
Arbeit zugrunde liegt.
Die Verwendung des Begriffs HRM bringt nun die vom Human-Relations-Ansatz
vernachlässigten Strukturen der Organisation wieder stärker zur Geltung. Man
diagnostizierte ein Spannungsverhältnis, das sich aus den traditionellen
Organisationsstrukturen einerseits und den Entfaltungsbedürfnissen der Menschen
andererseits ergibt; ... . (Steinmann Schreyögg, 1993, S. 59).
Aufgrund des begrenzten Rahmens soll an dieser Stelle abschließend lediglich auf die
intensive Diskussion im Zusammenhang mit dem Internationalen HRM hingewiesen
werden (vgl. Hilb, 1997), in der u.a. die Frage der Übertragbarkeit amerikanischer HRM-
Ansätze (s. Kap. 2.1.2) auf europäische Unternehmen thematisiert wird (vgl. Brewster,
1994). Hierzu wurden eine Vielzahl an europaweiten Vergleichstudien durchgeführt, wie
das Cranfield-Projekt (Brewster, 1992), die Towers-Perrin Studie (Towers Perrin, 1992)
oder das Global-Performance-Project (Scholz Stein, 1997)
4
.
Wie aus der in diesem Kapitel dargestellten Vielfalt an theoretischen Denkrichtungen
des HRMs ersichtlich, ist noch kein einheitliches Begriffsinstrumentarium entwickelt
worden. Trotzdem soll im folgenden Kapitel, vor dem Hintergrund der gerade
4
Diese Vergleichsstudien wurden u.a. als Grundlage für die in Kapitel 4 näher dargestellte
empirische Untersuchung herangezogen.

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
16
dargestellten Entwicklung des HRMs, zunächst eine Abgrenzung der in dieser Arbeit
verwendeten Begriffe vorgenommen werden.
2.2 BEGRIFFLICHE GRUNDLAGEN
Die Ausrichtung einer wissenschaftlichen Untersuchung wird entscheidend dadurch
geprägt, mit welchem Verständnis einzelne Begriffe verwendet werden. In den
folgenden Kapiteln werden daher grundlegende Begriffe der Arbeit definiert.
2.2.1 Der Begriff HRM
In Abgrenzung zu dem in dieser Arbeit verwendeten Begriff HRM konzentrieren sich die
folgenden Begriffe auf speziellere Aspekte der Personalarbeit: Die Personalwirtschaft
konzentriert sich auf den wirtschaftlichen Charakter des Personaleinsatzes,
Personalwesen betont die Sozialverpflichtung der ökonomischen Aktivität (Maier,
1998, S. 14) und den verwaltungsmäßigen Aufgabenbereich, während Personalpolitik
die personalpolitische Grundsatzentscheidungen und deren Entstehungsprozess betont
(Maier, 1998).
Der Begriff HRM verdeutlicht hingegen die in Kapitel 2.1.1 erläuterte zunehmende
Bedeutung der Personalarbeit für den Unternehmenserfolg. Die Orientierung am
amerikanischen Ausdruck Management impliziert dabei eine ganzheitliche
Betrachtung des Managementprozesses als Entscheidungsfindungsprozess
hinsichtlich der Ziele sowie der Mittel zu deren optimaler Erreichung (Remer, 1990),
wobei hiermit die Integration personalwirtschaftlicher Funktionsbereiche und ihre
Einbindung in Strategie- und Entscheidungsprozesse (Kastura, 1996, S. 90)
angesprochen wird. Dabei steht die Planung, Umsetzung und Kontrolle von
Personalstrategien (Ackermann Scholz, 1991), sowie die Eingliederung in das
strategische Gesamtkonzept der Unternehmensführung (Krulis-Randa, 1987, S. 4) im
Vordergrund. Neu ist auch die General Management Perspektive, die die Einbeziehung
diverser Aktionsträger in die Verantwortung für das HRM impliziert, über das Linien-
Management, das Personal-Ressort bis zum Mitarbeiter selbst (vgl. Erdenberger, 1997).
Eine weitere wichtige Differenzierung besteht zwischen HRM und dem Begriff
Personalführung. HRM geht über die Bedeutung des Begriffs Personalführung hinaus,
da es sich auf das gesamte System bezieht:

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
17
Leadership denotes in its most fundamental meaning the leadership of people.
... [it] does not reflect adequately the complexities implied in leading social
systems. ... The term management by contrast does not convey such a person
oriented meaning. It is institutions that are managed not people. (Ulrich, 1984b,
S. 80)
Angemerkt sei hierbei, dass die etymologische Deutung des Begriffs Management
selbst kontrovers diskutiert wird und u.a. von manu agere (mit der Hand arbeiten), über
manus agere (an der Hand führen), bis zu mansionem agere (das Haus für den
Eigentümer bestellen) reicht (Staehle, 1999). Entscheidend zeigt sich hierbei, wie schon
einleitend bemerkt, nicht zu sein welche Begriffe verwendet werden, sondern vielmehr
welches Verständnis sich hinter den Begriffen verbirgt.
HRM kann vorläufig zusammenfassend definiert werden als ein integrativer,
prozessorientierter Ansatz, welcher diejenigen Probleme und Maßnahmen thematisiert,
die zur Erhaltung und Entwicklung des Mitarbeiterpotentials (im Hinblick auf die Ziele
einer Unternehmung) erforderlich sind. (Maier, 1998, S. 20).
Bevor das HRM-Verständnis dieser Arbeit unter Rückgriff auf die NST detaillierter
diskutiert werden kann (s. Kap. 3), ist es zunächst notwendig die Betrachtung als
System näher zu verstehen.
2.2.2 Der Begriff System
Die alten Griechen verstanden unter dem Begriff System (griechisch: systema) ein
Gebilde, das irgend ein Ganzes ausmacht und dessen einzelne Teile in ihrer
Verknüpfung irgend eine Ordnung aufweisen. (Saldern,1998, S. 68). Damit sind die drei
Hauptbestandeile eines Systems bereits genannt: Element, Relation (Beziehung
zwischen Elementen) und Umwelt (Abgrenzung der Ganzheit). Zur Charakterisierung
von Systemen sind drei sogenannte Leitdifferenzen unterscheidbar:
· Teil und Ganzes (Differenzierung bzw. Integration)
· System und Umwelt (Komplexitätsaufbau und ­reduktion; Innen- und
Außenorientierung)
· Identität und Differenz (Kontinuität und Veränderung)
(von Saldern, 1998, S. 69)

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
18
Ein einheitlicher Systembegriff ist weitergehend nicht darstellbar, da der formale Begriff
System in der Systemforschung ganz unterschiedliche Erscheinungsformen annimmt
(Ulrich Probst, 1984). So kann was in einer Untersuchung als nicht weiter zerlegbares
Element angesehen wird, in einer anderen Untersuchung als System aufgefasst
werden, dessen Elemente und Relationen analysiert werden. Ashby (1985) warnt in
diesem Zusammenhang vor einer Ontologisierung des Systembegriffs. Es handelt sich
bei der Systembetrachtung vielmehr um einen Formalismus, der nach Bertrand Russel
lediglich dazu da ist, um das Denken zu ersparen: Der Formalismus denkt für uns.
Damit er für uns denken kann, müssen wir wissen, was er kann (von Förster, 1988, S.
20). Da Systeme folglich keine Gegenstände aus der Erfahrungswelt, sondern
theoretische Konstruktionen bzw. Modelle sind, resultiert eine gewisse Beliebigkeit.
Diese Konzentration auf bestimmte Aspekte des Untersuchungsgegenstandes, bei
gleichzeitiger Vernachlässigung aller übrigen Aspekte wird kontrovers diskutiert. Tversky
(1972) weist allerdings auf die Notwendigkeit einer solchen elimination of aspects hin,
um eine optimale Entscheidung treffen zu können.
Vor diesem Hintergrund sei noch einmal auf die wissenschaftstheoretische Verortung
dieser Arbeit im Radikalen Konstruktivismus (s. Kap. 3.2 bzw. 4.1.1) hingewiesen und
die damit verbundene Verwendung der NST als Sprachspiel, analog des oben
erläuterten Formalismus nach Bertrand Russel.
Bevor in Kapitel 2.3 weitergehend auf die Entwicklung des Systembegriffs in den
unterschiedlichen Systemtheorien eingegangen wird, soll im folgenden Kapitel 2.2.3 die
Charakterisierung des HRMs als soziales System vor dem Hintergrund der oben
dargestellten Erkenntnisse erläutert werden.
2.2.3 HRM als soziales System
Die eingangs dargestellte Zielsetzung der Arbeit impliziert wie in Kapitel 1.2 dargestellt
eine Betrachtung des HRMs aus Makro-Systemsicht. Luhmann (1988) differenziert
dabei vier Arten von Systemen: physikalische, biologische, psychische und soziale.
In dieser Arbeit soll das HRM als ein zweckorientiertes und organisiertes soziales
System betrachtet werden, das sich u.a. dadurch auszeichnet, dass es durch die
Formulierung eigener Regeln die Mitgliedschaft im System, wie auch die
Autorisierungsrechte der verfassungsmäßigen Organe festlegt. (Kirsch, 1992, S.
12). Die Betrachtung des HRMs als soziales System bietet sich an, da im HRM das

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
19
gesamte Netz der Beziehungen im sozialen System Unternehmung betrachtet werden
muss (Krulis-Randa, 1987). Darüber hinaus ist die allgemeine Managementliteratur
ohnehin von systemischen Gedanken durchdrungen (Staehle, 1999). Vor diesem
Hintergrund soll das in Abbildung 2 dargestellte vernetzte Handlungssystem (Scholz,
2001, S. 209) aufgrund der vielfältigen Aktionsfeldern, dem Zusammenspiel der daran
beteiligten Aktionsträger, den zahlreichen Schnittstellen und Wechselwirkungen zu
anderen Bereichen, dem Fehlen eindeutiger kausaler Beziehungen und aufgrund der
mangelnden Prognostizier- und Steuerbarkeit des Gesamtsystems in dieser Arbeit, als
soziales System analysiert werden.
Im Folgenden soll dem Leser zunächst ein Einblick in die Grundkonzepte der
klassischen und neueren Systemtheorien gegeben werden, die als Grundlage für die
Übertragung der NST auf das HRM-System in Kapitel 3 unerlässlich sind.
2.3 GRUNDLAGEN NATURWISSENSCHAFTLICHER SYSTEM-
THEORIEN
Mit den klassischen und neueren Systemtheorien wird in den folgenden Kapiteln eine
Theorietradition vorgestellt, deren Entwicklungsgeschichte sie geradezu prädestiniert
erscheinen lässt, die in Kapitel 2.1 dargestellte Neuorientierung der Unternehmen an
den internen Ressourcen und damit das HRM theoretisch zu untersuchen. Denn auch
die Systemtheorien haben sich in den letzten Jahren von einem Fokus auf die Umwelt,
hin zu einem Fokus auf die Innenseite des Systems gewandelt (Liebig, 1997). Die
Systemtheorie hat als junge disziplinübergreifende Wissenschaft fast alle heute
bestehenden Einzelwissenschaften stark beeinflusst (s. Abb. 3; Kap. 3.1) (Schulte-
Zurhausen, 1995). Da der Untersuchungsgegenstand, das HRM, wiederum aus
verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven betrachtet werden kann, bieten die
neueren Systemtheorien darüber hinaus einen idealen Rahmen, um diese vielen
Perspektiven unter einem gemeinsamen Bezugsrahmen zu vereinen (vgl. Capra, 1992).
Kritisch ist zu beurteilen, dass sich viele Autoren auf die Systemtheorie beziehen, ohne
sich dabei explizit zu einem spezifischen systemtheoretischen Ansatz zu bekennen und
diesen von den anderen abzugrenzen. Die neueren Systemtheorien treten unter den
unterschiedlichsten Namen auf, was darauf zurückzuführen ist, dass sie sich auf
verschiedene und oft recht weit voneinander entfernte Zweige der Wissenschaft
begründen (s. Abb. 3). Bei diesen Wissenschaftsbereichen handelt es sich um

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
20
ausdifferenzierte Disziplinen, mit einer langen Tradition, so dass im Rahmen dieser
Arbeit eine selektive Abgrenzung der jeweiligen Konzepte stattfinden muss.
M e d izin
R e c h ts -/ W irts c h a fts -
S ta a tsw is s e n s c h a fte n
M a n a g e m e n t
O rg a n is a tio n
Ö k o lo g ie
P h ys ik
K o m m u n ik a tio n s
-w is s e n s c h a ft
P ä d a g o g ik
(G e s ta lt-)
P s yc h o lo g ie
M e te o ro lo g ie
P o litik -
w is s e n s c h a ft
S o zio lo g ie
P h ilo s o p h ie
W is s e n s c h a fts -
th e o rie
M a th e m a tik
C h e m ie
B io lo g ie
N e u e re
S ys te m th e o rie n
Abbildung 3: Verbindungen der neueren Systemtheorien zu verschiedenen
Wissenschaftsgebieten
Auch wenn die Systemtheorie allgemein den Anspruch einer interdisziplinären,
universellen Theorie erhebt, kann gegenwärtig ... [keine] konsolidierte Gesamtheit von
Grundbegriffen, Axiomen und abgeleiteten Aussagen vorgestellt werden. (Luhmann,
1984, S. 34). Es handelt sich somit bei den neueren Systemtheorien nicht um eine
eigenständige Disziplin, sondern eher um einen Diskurs, d.h. eine bestimmte Art zu
reden, was in dieser Arbeit mit der Verwendung der NST als Sprachspiel zum
Ausdruck gebracht werden soll. Die sehr heterogene und meist unvollständige
Darstellung der Grundlagen in vielen Arbeiten dieses Themenfeldes lässt sich nach
Willke (1991) auch auf die hohe Komplexität zurückführen.
Einzelne systemtheoretische Problemaspekte ... sind so stark ineinander
verwoben und voneinander abhängig, daß sie im Grunde simultan dargestellt
werden müßten. Das ist mit den Mitteln der geschriebenen Sprache nicht
möglich. An allen Ecken und Enden wird der Anfänger dadurch auf Begriffe,
Konzepte und Probleme stoßen, die er eigentlich schon kennen und verstehen
müßte, um das gerade behandelte Problem verstehen zu können. (S. 8)

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
21
In den folgenden Ausführungen soll vor diesem Hintergrund der Versuch unternommen
werden, aufzuzeigen wodurch sich die neueren von den klassischen Systemtheorien
unterscheiden. Der knappe historische Überblick soll dem Leser die Möglichkeit bieten,
mit den elementaren Grundbegriffen und Modellannahmen vertraut zu werden, die für
das Verständnis dieser Arbeit bedeutsam sind. Anschließend werden die gemeinsamen
Grundgedanken der neueren Systemtheorien in Kapitel 2.3.3 zur NST
zusammengefasst.
2.3.1 Klassische Systemtheorien
Die Wurzeln der Systemtheorien im engeren Sinne lassen sich in diversen Brüchen mit
dem noch heute dominierenden reduktionistischen Wissenschaftsverständnis
erkennen. Lange Zeit ging man im reduktionistischen Wissenschaftsverständnis davon
aus, man könne Rück- bzw- Wechselwirkungen vernachlässigen und komplizierte
Verläufe bei hinreichender Genauigkeit letztlich auf lineare Veränderungen
zurückführen (vgl. Kriz, 1997). Kritisiert wird dabei die Grundannahme komplexe
Probleme durch einfache Zerlegung in Einzelphänomene deterministisch erklären zu
können. Obgleich in der Philosophie i.e.S. schon seit Fichte, Hegel, Kant, Schelling u.a.
diskutiert (vgl. Kneer, 1993), gilt Charles Darwin (1859, zitiert nach Dondl, 1992) mit
seiner Evolutionstheorie und der darin enthaltenen Einführung der zufälligen Variation
als Begründer der Kritik am Determinismus Newtonscher Prägung (Maier, 1998). Zu
Beginn des letzten Jahrhunderts folgten u.a. der mathematische Nachweis der
Unlösbarkeit des Drei-Körper-Problems durch Poincaré (Kriz, 1992) und die
bahnbrechenden Ergebnisse der modernen Physik: die Relativitätstheorie von Albert
Einstein (vgl. Einstein, 1952), die Unschärferelation von Werner Heisenberg (vgl.
Heisenberg, 1988) sowie die Quantenmechanik/-theorie von Max Planck (Maier, 1998).
Doch erst die biologische Kritik am physikalischen Determinismus, wonach sich das
Leben nicht auf physikalisch-chemische Vorgänge von Organismen reduzieren lässt,
führte zum tatsächlichen Paradigmenwechsel
5
vom Einzelphänomen zum System
6
.
5
Zur tiefergehenden Diskussion des Paradigmenbegriffs in den Wissenschaften vgl. Kuhn
(1993).
6
Jürgen Kriz (1997, S. 42) weist auf einige Beispiele innerhalb der Psychologie hin, die genau
diese Gegenüberstellung von elementaristischer und holistischer Sichtweise aufzeigen, wie
Chomsky vs. Skinner beim Spracherwerb oder Hubel Wiesel vs. Pribram in der Hirnforschung.

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
22
Allgemeine Systemtheorie:
Der Zoophysiologe Ludwig von Bertalanffy (vgl. von Bertalanffy, 1968) gilt hierbei als
Nestor einer interdisziplinären Allgemeinen Systemtheorie (Kneer, 1993, S. 19). Mit ihr
wird die Aussage der Gestaltpsychologie (s. Kap. 1.2) das Ganze ist mehr (anders) als
die Summe seiner Teile auf einem naturwissenschaftlichen Anspruchsniveau fundiert.
Allgemein wird sie deshalb genannt, da sie sich mit allgemeinen Prinzipien von
Systemen, sogenannten Systemisomorphien beschäftigt, unabhängig von der
speziellen Natur des Systems. Seine Beweggründe für die Entwicklung einer
Allgemeinen Systemtheorie schildert von Bertalanffy (1968) analog des oben genannten
Drei-Körper-Problems folgendermaßen:
[When I joined the Institute for Advanced Study in Princeton] ... I did this in the
hope that by rubbing elbows with those great atomic physicists and
mathematicians I would learn something about living matters. But as soon as I
revealed that in any living system there are more than two electrons, the
physicists would not speak to me. With all their computers they could not say
what the third electron might do. (S. 9)
In der Allgemeinen Systemtheorie wird zwischen organisierter und unorganisierter
Komplexität unterschieden:
Classical science was highly successful in developing the theory of unorganized
complexity which stems from statistics, the laws of change, and, in the last
ressort, the second law of thermodynamics. Today our main problem is that of
organized complexity. [It 's] an alien to conventional physics. However, [it] ...
pops up everywhere in the biological, behavioral, and the social sciences, and
[is], in fact, indispensible for dealing with living organisms or social groups. (von
Bertalanffy, 1968, S. 17)
Organisierte Komplexität beinhaltet folglich zusätzlich komplexe Wechselbeziehungen
zwischen den einzelnen Elementen eines Systems.
Als zweiter wesentlicher Beitrag von von Bertalanffy soll hier noch auf die
Differenzierung zwischen offenen und geschlossenen Systemen in der Allgemeinen
Systemtheorie hingewiesen werden. Ein geschlossenes System unterhält demnach
keine Austauschbeziehungen mit seiner Umwelt und verändert sich nach Erreichen

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
23
eines gleichgewichtigen Zustandes nicht mehr. Die Grenzen eines offenen Systems
hingegen sind für bestimmte Umwelteinflüsse durchlässig. Damit besitzen diese
Systeme eine begrenzte Möglichkeit durch Beeinflussung dieser Austauschprozesse
steuernd auf den eigenen strukturellen Aufbau einzuwirken (Liebig, 1997). Somit
verschiebt sich der Fokus der Systembetrachtung von der Leitdifferenz zwischen Teil
und Ganzem zur Leitdifferenz zwischen System und Umwelt (vgl. Kap. 2.2.2).
Desweiteren löst von Bertalanffy einen alten Widerspruch zwischen Biologie und Physik,
der seinen Ursprung im 2. Hauptsatz der Thermodynamik findet. Danach wird eine
Zunahme der Entropie in Systemen, also ein steter Niedergang von Ordnung zu
Unordnung (Haldi, 2001, S. 219) postuliert. Im Gegensatz dazu findet man in der Natur
eine Entwicklung hin zu immer komplexeren Organismen (s. Evolutionstheorie). Die
Lösung liegt nun darin zwischen offenen und geschlossenen Systemen zu
differenzieren, wobei das Boltzmannsche Prinzip, nach dem die Entropie ... einem
Maximum zustrebt ... eben nur für abgeschlossene Systeme (Haken, 1981, S. 243) gilt.
Die Entstehung von Ordnung aus Unordnung hingegen wird nach von Bertalanffy
dadurch erklärt, dass offene Systeme im Gegensatz dazu Energie von außen
empfangen (Negentropie) und gleichzeitig wiederum Entropie exportieren. Deshalb
nimmt in offenen Systemen die Entropie nicht notwendigerweise zu (Beisel, 1996)
7
.
Der Anspruch der interdisziplinären Gültigkeit führt von Bertalanffy zwangsläufig zu
einer hohen Abstraktion der Aussagen, zu wenig operationalen Aussagen und zu einer
Reduktion der Vielfalt auf universell nachweisbare Kategorien. [there is] an ever-
present danger in approaches to general system theory: doubtless, there is a new
compass of thought but it is difficult to steer between the scylla of trivial and the
charybdis of mistaking neologisms for explanation. (von Bertalanffy, 1968, S. 101).
Kybernetik:
Erst Norbert Wiener (1963) sorgte mit der Begründung der Kybernetik als
Wissenschaft von der Steuerung und Regelung von Systemen (Schulte-Zurhausen,
1995, S. 24), für eine operationalere Formulierung normativer Gestaltungs- bzw.
7
Andere Autoren (vgl. Dondl, 1992) weisen darauf hin, dass erst mit der weiter unten
dargestellten Publikation On Self-Organizing Systems and their Environment (von Foerster,
1960) der Problempunkt des 2. Hauptsatzes des Thermodynamik tatsächlich gelöst werden
konnte.

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
24
Beeinflussungsaspekte von Systemen
8
. Dabei steht das griechische Wort Kybernetes
für einen Steuermann, der sein Schiff unabhängig von willkürlichen und nicht
vorhersehbaren Störgrößen sicher an das vorbestimmte Ziel bringt. (Porenta, 1989, S.
95). Für seine Aufgabe eine Zielautomatik für Flugabwehrkanonen (von Saldern, 1998)
zu entwickeln, versuchte Wiener das selbstgesteuerte Verhalten von lebenden
Organismen für die Konstruktion solcher physikalisch-technischen Systeme nutzbar zu
machen. Kybernetik als die Lehre von Lenkung und Gestaltung von komplexen offenen
Systemen geht von einem Regelkreis aus, der durch negative Rückkopplungen, d.h.
Korrekturen von Abweichungen von einem vorgegebenen Sollwert, das System in
einem Fließgleichgewicht hält. Nach dem Physiologen Walter B. Cannon bezeichnet
man diesen dynamisch-stabilen Zustand lebender Systeme als Homöostase (Maier,
1998). Eine zentrale Aufgabe für Systeme besteht in der Bewältigung der
Umweltkomplexität. Ashby (1956) hat hierfür in seiner aus der Spieltheorie
entstandenen Law of Requisite Variety ein wesentliches Prinzip aufgestellt, wonach
die Homöostase eines Systems nur möglich ist, wenn das System selbst eine
mindestens so hohe Varietät, also Anzahl möglicher Reaktionsmuster, besitzt, wie seine
Umwelt (vgl. auch Haldi, 2001).
Zusammenfassend zeigt sich die klassische Systemtheorie kritisch beurteilt lediglich
als eine Erweiterung des deterministisch-mechanistischen Ansatzes. Im Vordergrund
steht die Stabilität des Systems sowie die gleichgewichtserhaltenden Prozesse. Dieser
Strukturkonservativismus (Providoli, 1997, S. 35) eignet sich folglich lediglich für
zustandsdeterminierte bzw. stabile, in der Terminologie von von Foerster triviale
Systeme (s. Kap. 2.3.2.1), weshalb Providoli die klassische Systemtheorie abschließend
lediglich als eine Relativierung des klassischen reduktionistisch-mechanistischen
Wissenschaftsverständnisses (S. 36) versteht. Daher muss in den neuren
Systemtheorien eine gravierende Erweiterung der bisher genannten klassischen
Beschreibungsmodi von Systemen vorgenommen werden.
Während sich die bisher dargestellten, oft auch als Kybernetik I bezeichneten
klassischen Systemtheorien, primär auf die gleichgewichtserhaltenden Prozesse bzw.
die externe Steuerung von Systemen fokussierten, fokussieren sich Ansätze der
8
Auf die in diesem Zusammenhang ebenfalls in den 40'er Jahren entstandene mathematisch-
technisch orientierte Informationstheorie von Shannon Weaver (1976) sowie die Spieltheorie
von Neumann Morgenstern (1973), soll in dieser Arbeit nicht weiter eingegangen werden.

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
25
neueren Systemtheorien, auch als Kybernetik II bezeichnet, auf die
Systementwicklung durch Selbstregulation bzw. Selbstorganisation von Systemen.
War für die Kybernetik I als Theorie offener Systeme eine Orientierung an der
Systemumwelt charakteristisch, so verlagert sie sich in der Kybernetik II auf das System
selbst. Sie beschäftigt sich im Gegensatz zur Kybernetik I mit Problemen der Instabilität,
der Flexibilität, des Wandels, des Lernens, der Evolution, der Autonomie und
Selbstreferenz. So wird bspw. Ungleichgewicht nicht wie in den klassischen
Systemtheorien als Problem, sondern als Voraussetzung für Wandel gesehen (Staehle,
1999). Im folgenden Kapitel soll der Leser in diese neuen Ansätze eingeführt werden.
2.3.2 Neuere Systemtheorien
Die in diesem Kapitel näher darzustellenden Ansätze beziehen ehemalige
Randphänomene, wie die weiter unten zu erläuternde Dissipation, Nichtlinearität,
Instabilität oder positive Rückkopplungen mit in die Betrachtung ein. Es werden neue
Begriffe wie Bifurkation, Fluktuation oder deterministisches Chaos in die Diskussion
eingeführt und altbekannte Termini einem Wandel unterzogen. Wie schon in Kapitel
2.3.1 für die klassischen Systemtheorien sollen in den folgenden Ausführungen
ausgewählte neuere Systemtheorien skizziert werden (s. Tab. 1). Dieses mehrgleisige
Vorgehen soll den Leser mit den elementaren Grundbegriffen der neueren
Systemtheorien vertraut machen, wobei bei näherer Betrachtung der Ansätze
begriffliche und konzeptionelle Querverbindungen ins Auge fallen. Es handelt sich bei
der Entwicklung der neueren Systemtheorien um eine parallele und keine sukzessive
Entwicklung, weshalb in den verschiedenen Quellen keine einheitliche umfassende
Darstellung zu finden ist. Die folgende Darstellung ist folglich mehr systemisch als
historisch-deskriptiv motiviert. Abschließend soll in Kapitel 2.3.3 das Ergebnis dieses
eklektizistischen Vorgehens, als NST bezeichnet, als Grundlage für die Übertragung auf
das HRM in Kapitel 3 zusammenfassend dargestellt werden.

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
26
Tabelle 1: Gründerväter der NST (in Anlehnung an Beisel, 1996, S. 22)
Fachrichtung:
Hauptvertreter
Theoretische Ansätze
Biologie:
Heinz von Foerster
Selbstorganisierende Systeme
Humberto Maturana
Francesco Varela
Autopoietische Systeme
Physik / Chemie: Ilya Prigogine
Dissipative Strukturen
Manfred Eigen
Molekulare Evolution
Hermann Haken
Synergetik
Meteorologie:
Edward Lorenz
Chaostheorie
Mathematik:
Benoit Mandelbrot
Fraktale Strukturen
Mitchell Feigenbaum
Fraktale Strukturen
René Thom
Katastrophentheorie
2.3.2.1 Theorie selbstorganisierender Systeme
Als Wegbereiter der neueren Systemtheorien kann von Foersters Ansatz der Nicht-
trivialen Maschine und daraus abgeleitet die Theorie selbstorganisierender Systeme
angesehen werden. In seiner Vorlesung On Self-Organizing Systems and their
Environment (von Foerster, 1981) wird ein Ausweg beschrieben aus dem in Kapitel
2.3.1 bereits angesprochenen Entropie-Dilemma des 2. Hauptsatzes der
Thermodynamik. Diese Arbeiten, wie auch das von ihm aufgebaute multidisziplinär
ausgerichtete Biological Computer Laboratory beeinflussten nachfolgende Autoren der
neueren Systemtheorien stark, von denen besonders Ilya Prigogine, Hermann Haken,
Manfred Eigen und Rupert Riedl (vgl. Kap. 2.3.2.3) sowie Edward Lorenz (vgl. Kap.
2.3.2.2) hervorzuheben sind (Dondl, 1992).
Von Foersters häufig zitiertes Konzept der Nicht-trivialen Maschine stellt in gewisser
Weise das Rüstzeug dar, das sich in allen später formulierten Ansätzen der neueren
Systemtheorien wiederfindet (vgl. Providoli, 1998). Bei dem Systemmodell einer Nicht-
trivialen Maschine wird im Gegensatz zum mechanistischen Verständnis der Trivialen
Maschine davon ausgegangen, dass zwischen dem System und der Umwelt keine
starke Kausalität vorliegt. Vielmehr werden Reaktionen des Systems primär von ihren
inneren Zuständen determiniert, von der Umwelt lediglich angeregt, was als schwache

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
27
Kausalität bezeichnet wird (Providoli, 1998). Systeme gleichen auf sie einwirkende
Störungen (Fluktuationen) der Umwelt durch Wandel ihrer Binnenstrukturen in Grenzen
intern wieder aus. Aufgrund der nicht-linearen Rekursivität der Systemzustände
reagieren solche Systeme in komplexer und perplexer Weise ..., [da sie auch] selbst
festlegen, was sie überhaupt als Stimuli zu akzeptieren bereit sind (Willke, 1994b).
Deshalb spricht man, gewissermaßen als Synthese aus offenen und geschlossenen
Systemen, von operativ geschlossenen Systemen.
Wie bereits oben erwähnt, werden uns diese Grundkonzepte der Theorie
selbstorganisierender Systeme in den nachfolgenden Ansätzen wieder begegnen.
Zunächst ist es jedoch erforderlich, dass der Leser zumindest ein elementares
Verständnis der Phänomene der Chaos-Forschung entwickelt, um sich im Anschluss
daran mit der anderen Seite der Medaille ­ den Ansätzen der Selbstorganisation
auseinandersetzen zu können. Im folgenden Kapitel 2.3.2.2 sollen daher zunächst die
mathematischen, nach Mayntz (1990) auch formalanalytisch genannten Ansätze
dargestellt werden, da sie die Voraussetzung für die nachfolgenden Theoriestränge
bilden. Darunter werden eine ganze Reihe an Ansätzen subsummiert, u.a. die
Chaostheorie, die Theorie fraktaler Strukturen sowie die Katastrophen- und
Fluktuationstheorie, die sich in erster Linie mit den Übergängen von Ordnung zu Chaos
in Systemen beschäftigen. Die im Anschluss in Kapitel 2.3.2.3 dargestellten
gegenstandsbezogenen Ansätze (Mayntz, 1990) analysieren im Gegensatz dazu in
erster Linie Phänomene der Selbstorganisation bzw. Phasenübergänge von Chaos zu
Ordnung. Näher eingegangen wird dabei auf die Molekulare Evolutionstheorie, die
Theorie dissipativer Strukturen, die Synergetik sowie auf die Theorie autopoietischer
Systeme.
2.3.2.2 Formalanalytische Systemtheorien
Die Grundlage für die Chaostheorie
9
, als Theorie nichtlinearer, dynamischer
Systeme, kann in dem von König Oskar dem II. von Schweden 1887 initiierten
Wettbewerb zur Frage Ist das Sonnensystem stabil? gesehen werden. Wie in Kapitel
9
Abgeleitet aus dem griechischen chaos: das Klaffende, weit Offenstehende, Leere des
Weltraums, beinhaltet der Begriff historisch und kulturvergleichend betrachtet sehr
gegensätzliche Konnotationen (vgl. Briggs Peat, 1990), von bedrohlich im europäischen
Mittelalter, bis zur Bedeutung Glückszustand in Ostasien (Maier, 1998).

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
28
2.3.1 bereits erwähnt konnte der französische Mathematiker Henri Poincaré in seinem
Beitrag nachweisen, dass eine deterministische Antwort auf diese Frage aufgrund des
Drei-Körper-Problems prinzipiell nicht möglich ist. Viele von den später unter der
Chaostheorie verstandenen Phänomenen wurden bereits von Poincaré und seinen
Schülern Gaston Julia und Pierre Fatou mathematisch präzise dargestellt, jedoch
blieben diese Ergebnisse lange Zeit im mathematischen Kuriositäten-Kabinett
abgelegt (Kriz, 1997, S. 17); bzw. wissenschaftliche Zeitschriften verweigerten über
Jahre eine Publikation (Briggs Peat, 1990).
Mit den neuen Möglichkeiten des Computers ausgestattet begann mit dem
Meteorologen Edward Lorenz erst 1956, wenn auch durch Zufall, der eigentliche
Anstoß der Chaos-Forschung. Bei seinen Berechungen zum Wetterverlauf stieß er
unbeabsichtigt auf das Phänomen, dass für bestimmte Systeme bereits winzige
Änderungen oder Ungenauigkeiten der Anfangsbedingungen ausreichen, um das
System völlig zu verändern. Die deterministische Grundannahme, wonach eine kleine
Veränderung der Anfangsbedingung ein annähernd gleiches Ergebnis zur Folge haben
soll, trifft für nichtlineare, dynamische Systeme nicht mehr notwendigerweise zu (Maier,
1998) (vgl. Beisel, 1996). Die Chaosforschung beschäftigt sich mit der hieraus
resultierenden Dialektik zwischen Chaos und Struktur in diesen dynamischen
Systemen.
Bei der längerfristigen Betrachtung bzw. Simulation des Systemverhaltens in einem
sogenannten Phasenraum lässt sich zeigen, dass die so entstehende
Systemzustandslandschaft je nach Systemtyp charakteristische Bereiche enthält, in
denen sich das System sehr viel häufiger bewegt als in anderen. Diese werden als
Attraktoren bezeichnet und treten wiederum in unterschiedlichen Gestalten auf (vgl.
Maier, 1998). Die klassischen Punktattraktoren in denen ein System sich mit der Zeit
einpendelt werden von den Periodischen Attraktoren unterschieden, bei denen das
System zwischen zwei oder mehr Zuständen in nicht vorhersagbarer Weise hin und her
pendelt. Seltsame oder Chaotische Attraktoren charakterisieren schließlich ein
scheinbar rein zufälliges Systemverhalten, in dem allerdings Inseln von stabilen bzw.
periodischen Verhaltens erkennbar sind. Zur Illustration sei hierfür auf die als
Apfelmännchen bekannt gewordenen Computergrafiken der Mandelbrot-Menge
hingewiesen (s. Anhang A), die allgemein als Fraktale bezeichnet werden. Dabei
werden durch die permanente Wiederholung einer rekursiven Konstruktionsvorschrift
(Providoli, 1998, S. 73) Selbstähnlichkeiten im simulierten Systemverhalten deutlich.

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
29
Erstaunlich ist weitergehend, dass bei Variation des Abbildungsmaßstabes, also etwa
einer Vergrößerung des Ausschnittes, wiederum selbstähnliche Strukturen auftreten
(vgl. Mandelbrot, 1987). Mandelbrot stieß auf diese Gesetzmäßigkeiten in den 60'er
Jahren bei seinen Forschungsarbeiten für den Computerkonzern IBM im
Zusammenhang mit Übertragungsfehlern beim Datentransfer zwischen zwei Computern
(vgl. Beisel, 1996). Eine nähere Darstellung der mathematischen Grundlage und der
Bedeutung der von Mandelbrot (1977) hierfür neu entwickelten Fraktalen-Geometrie
sowie ihrer gebrochenzahligen Dimension, für die Chaos-Forschung, kann im Rahmen
dieser Arbeit leider nicht erfolgen (vgl. hierfür Kriz, 1997). Besonders bedauerlich ist
dies deshalb, da die Theorie Fraktaler Strukturen nach Benoit Mandelbrot (1987),
wenn auch schwer verständlich, den eigentlich mathematischen Kern der
Chaosforschung bildet.
Hingewiesen sei an dieser Stelle auf die oft zitierte Katastrophentheorie von René
Thom (1975), die in ähnlicher Weise eine mathematische Analyse des
diskontinuierlichen Systemverhaltens in Abhängigkeit von kontinuierlichen
Umweltveränderungen beschreibt (vgl. Tab. 1). Allerdings versucht Thom mittels
topologischer Grafiken, sämtliche potentiellen Verhaltensweisen eines Systemtyps als
geometrische Abstraktion zu veranschaulichen. Dabei beschreibt er sieben
unterschiedliche Katastrophenformen (vgl. Beisel, 1996; von Saldern, 1998), die das
mögliche Umklappen von einem Gleichgewichtszustand in den nächsten beschreiben,
auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. Der Fokus auf die
Systemveränderung von außen, der keine Selbstorganisation i.e.S. untersucht, wird
durch die parallel entwickelte, komplementäre Fluktuationstheorie ergänzt, die gerade
die Mikrostruktur des Systems näher analysiert. Dabei werden fünf separate
Erscheinungsformen innerhalb von Systemen differenziert, die Oszillation, die
Dissipation, die Keimbildung, die Diffusion und die Resonanz. Für eine detailliertere
Darstellung soll an dieser Stelle auf Heinl (1995) verwiesen werden.
Unterstrichen wurde die Mächtigkeit der so postulierten Gesetzmäßigkeiten nichtlinearer
dynamischer Systeme durch ihre Bestätigung
in den verschiedenen
Wissenschaftszweigen. So ließen sich die vom Physiker Mitchell Feigenbaum
formulierten Gesetzmäßigkeiten beim Übergang eines stabilen Systems in ein

2. GRUNDLAGEN ­ DIE KONZEPTIONELLE BASIS
30
chaotisches Verhalten, wie etwa die sogenannte Feigenbaum-Konstante
10
, exakt in
empirisch untersuchten Systemen nachweisen. Kriz (1997) nennt als Beispiele hierfür
elektrische und mechanische Oszillatoren, die Hydrodynamik, chemische
Reaktionsoszillatoren, das Herzflimmern und diverse biochemisch-medizinische
Prozesse. Nicht zuletzt treten die von Mathematikern letztlich erfundenen fraktalen
Strukturen in den verschiedensten natürlichen Strukturen wieder auf. So weist Kriz
(1997) darauf hin, das bspw. Lunge, Leber und Darm, das Geflecht aus Adern oder das
der Nerven als fraktale Strukturen verstanden werden können.
Zusammenfassend lassen sich als wesentliche Erkenntnisse der formalanalytischen
Theorien festhalten, dass die in diesem Kapitel näher charakterisierten Systeme nicht
zufällig ins Chaos abrutschen, sondern der Weg ins Chaos bestimmten
Gesetzmäßigkeiten folgt. Zum zweiten schließen sich Ordnung und Chaos,
Vorhersagbarkeit und Unvorhersagbarkeit, Stabilität und Instabilität oder Struktur und
Strukturlosigkeit innerhalb von Systemen nicht gegenseitig aus (vgl. Kap. 3.2). Vielmehr
ist zufälliges Verhalten in deterministischen Systemen tief verwurzelt und ermöglicht
derartigen Systemen, beständig ihren Zustandsraum zu erkunden und dabei
Systemkomplexität zu erzeugen. Die chaotische Gangart [Hervorhebung v. Verf.]
besitzt in sofern eine funktionale Bedeutung [Hervorhebung v. Verf.] für die
Entwicklung und den Fortbestand von Systemen, die an eine sich kritisch ändernde
Umwelt gekoppelt sind. (Beisel, 1996, S. 45). Zum dritten zeigt sich im gemeinsamen
Kern der oben dargestellten Ansätze ein Phänomen der Kontingenz, d.h. eine
Multistabilität (Beisel, 1996, S. 45) des Systems in verschiedenen alternativen
Gleichgewichtszuständen bzw. Attraktoren (s. Abb. 4). Dieses Phänomen, mit dem sich
die sogenannte Bifurkationstheorie beschäftigt, wurde letztlich schon mit den
berühmten Kippfiguren der Gestaltpsychologen diskutiert (Beisel, 1996).
10
Die Feigenbaum-Konstante wurde zuerst von den Marburger Physikern Siegfried Großmann
und Stefan Thomae berechnet und beschreibt eine Regelmäßigkeit im Zusammenhang mit der
Periodenverdopplung beim sukzessiven Übergang eines stabilen Systems in einen chaotischen
Zustand (vgl. Abb. 4). Die Periodenverdopplung steht dabei für eine sprunghafte Verdopplung
der Anzahl der Attraktoren, zwischen denen das System oszilliert (vgl. Kriz, 1997).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832449322
ISBN (Paperback)
9783838649320
DOI
10.3239/9783832449322
Dateigröße
2.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Mannheim – Psychologie
Erscheinungsdatum
2002 (Januar)
Note
1,0
Schlagworte
systemtheorien strategic business partner fallstudien management personal-ressorts benchmarking
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Titel: Viabilität neuerer Systemtheorien für das Human Resource Management
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