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Die Einführung der Diagnosis-Related Groups (DRGs) in den USA und Deutschland am Beispiel zweier Kliniken

©2001 Diplomarbeit 170 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In Deutschland werden seit 1996 rund 20-25% der stationären Leistungen in Form von Fallpauschalen und Sonderentgelten vergütet. Die Vergütung der übrigen Leistungen erfolgt auf der Basis von Tagessätzen, wobei sowohl Fallpauschalen und Sonderentgelte als auch Tagessätze krankenhausindividuell budgetiert sind. Durch die Einführung des § 17 b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) soll ab dem 01.01.2003 ein pauschalierendes Vergütungssystem für allgemeine voll- und teilstationäre Leistungen auf der Grundlage der Diagnosis Related Groups (DRGs) das bisherige System ablösen. Dies stellt eine der gravierendsten Änderungen im deutschen Gesundheitssystem in den letzten Jahrzehnten dar und wirft eine Vielzahl von Fragen auf.
Gang der Untersuchung:
Die vorliegende Diplomarbeit versucht eine Reihe dieser Fragen zu beantworten, indem ein vergleichender Blick auf die USA geworfen wird. Dort werden seit rund 20 Jahren DRGs in bestimmten Bereichen als Basis eines Vergütungssystems zur Abrechnung stationärer Behandlungen verwendet. Sie werden dabei im Sinne eines Preissystems, wie dies auch in Deutschland vorgesehen ist, eingesetzt.
Zunächst wird die Entwicklung der DRGs aufgezeigt, gefolgt von einer Beschreibung des Gesundheitssystems der USA. Nach der Beschreibung der Einführung dieses Vergütungssystems in den USA im Allgemeinen geht die Arbeit auf die Probleme und Auswirkungen der DRGs im Thomas Jefferson University Hospital, Philadelphia, USA, ein. Dort hat der Autor im Februar und März 2001 ein zweimonatiges Praktikum absolviert und sich durch zahlreiche Gespräche mit führenden Mitarbeitern sowie Literaturstudien einen Einblick in die Problematik verschafft.
Auch wenn Deutschland DRGs erst ab 2003 einsetzt, so ist das System nicht neu in Europa und anderen Teilen der Welt. Daher werden die Erfahrungen in verschiedenen europäischen Ländern vergleichend und zusammenfassend beschrieben. Die Anwendung der DRGs in Australien macht detaillierte Ausführungen notwendig, da die Selbstverwaltungsorgane des Gesundheitswesens in Deutschland am 27.06.2000 für die Australian-Refined DRGs (AR-DRGs) votierten.
Nach einer Übersicht über das deutsche Gesundheitssystem beschreibt die Arbeit den Prozess und wichtige Entscheidungen zur Einführung der DRGs in Deutschland sowie die zu erwartenden Auswirkungen dieser Systemveränderung im Allgemeinen. Am Beispiel des Diakoniekrankenhauses Mannheim, wo der Autor ein dreimonatiges Praktikum […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 4901
Knüppel, Dirk: Die Einführung der Diagnosis-Related Groups (DRGs) in den USA und
Deutschland am Beispiel zweier Kliniken / Dirk Knüppel - Hamburg: Diplomica GmbH, 2002
Zugl.: Mannheim, Berufsakademie, Diplom, 2001
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Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
__________________________________________________________________________________________
2
Inhaltsverzeichnis
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ... 3
ABBILDUNGSVERZEICHNIS... 5
1. EINLEITUNG ... 6
2. GRUNDZÜGE UND ENTWICKLUNG DES DRG SYSTEMS ... 8
2.1. T
HEORETISCHE
E
NTWICKLUNGSPHASE
...8
2.2. G
RUNDZÜGE UND
A
UFBAU
...13
2.3. E
NTWICKLUNG VERSCHIED ENER
DRG-S
YSTEME
...19
2.4. K
RITIK AM
DRG-S
YSTEM
...30
3. DIE EINFÜHRUNG DER DRGS IN DEN USA... 37
3.1. G
RUNDZÜGE DES
G
ESUNDHEITSSYSTEMS IN DEN
USA...37
3.2. E
INFÜHRUNG DES
DRG-S
YSTEMS IM
B
EREICH DER STAATLICHEN
V
ERSICHERUNG
...50
3.3. A
USWIRKUNGEN UND
P
ROBLEME DER
E
INFÜHRUNG
...54
3.4. E
INFÜHRUNG DER
DRG
S AM
B
EISPIEL DES
T
HOMAS
J
EFFERSON
U
NIVERSITY
H
OSPITAL
P
HILADELPHIA
...63
4. DIE EINFÜHRUNG DER DRGS IN EUROPA UND AUSTRALIEN... 78
4.1. S
CHWEIZ
...78
4.2. I
TALIEN
...79
4.3. P
ORTUGAL UND
S
PANIEN
...80
4.4. S
KANDINAVIEN
...81
4.5. G
ROßBRITANNIEN UND
I
RLAND
...82
4.6. Ö
STERREICH
...83
4.7. F
RANKREICH
...84
4.8. A
USTRALIEN
...84
5. DIE EINFÜHRUNG DER DRGS IN DEUTSCHLAND ... 89
5.1. G
RUNDZÜGE DES
G
ESUNDHEITSSYSTEMS IN
D
EUTSCHLAND
...89
5.2. G
ESETZLICHE
G
RUNDLAGEN UND
E
NTSCHEIDUNGEN DER
S
ELBSTVERWALTUNG
...105
5.3. A
USWIRKUNGEN DER
E
INFÜHRUNG
...117
5.4. E
INFÜHRUNG DER
DRG
S AM
B
EISPIEL DES
D
IAKONIEKRANKENHAUSES
M
ANNHEIM
...123
6. VERGLEICH USA - DEUTSCHLAND ... 131
6.1. E
INFÜHRUNGSVORAUSSETZUNGEN
...131
6.2. G
RÜNDE FÜR DIE
E
INFÜHRUNG
...136
6.3. E
NTWICKLUNG IN DEN
USA
UND ERWARTETE
E
NTWICKLUNG IN
D
EUTSCHLAND
...138
6.4. W
EITERENTWICKLUNG DER
DRG
S
...142
7. AUSBLICK... 144
8. ZUSAMMENFASSUNG ... 152
LITERATURVERZEICHNIS ... 156
ANHANG ... 164

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
__________________________________________________________________________________________
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Abkürzungsverzeichnis
ACCC
Australian Casemix Clinical Committee
AHA
American Hospital Association
AID
Automated Interaction Detector
AN-DRG
Australian Nation Diagnosis Related Group
AOK
Allgemeine Ortskrankenkasse
AP-DRG
All Patient Diagnosis Related Group
APR-DRG
All Patient Refined Diagnosis Related Group
AR-DRG
Australian-Refined Diagnosis Related Group
BÄK
Bundesärztekammer
BAT
Bundes-Angestellten-Tarifvertrag
BC/BS
Blue Cross/Blue Shield
BIP
Bruttoinlandsprodukt
BKK
Betriebskrankenkasse
BMA
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung
BMG
Bundesministerium für Gesundheit
BWKG
Baden-Württembergische Krankhausgesellschaft
CC
Comorbidities and Complications
CMI
Case Mix Index
DBF
Diagnose basierte Fallpauschale
DKG
Deutsche Krankenhausgesellschaft
DRG
Diagnosis Related Group
EBM
Einheitlicher Bewertungsmaßstab
FP
Fallpauschale
FR
Frankfurter Rundschau
G-DRG
German Diagnosis Related Group
GHM
Groupes Homogènes de Malades
GKV
Gesetzliche Krankenversicherung
GSG
Gesundheitsstrukturgesetz
HBG
Health Benefit Groups
HCFA
Health Care Financing Administration
HMO
Health Maintenance Organizations
HRG
Healthcare Resource Groups
IAP-DRG
International All Patient Diagnosis Related Group
IBC
Independence Blue Cross
ICD
International Classification of Diseases
ICD-9-CM
International Classification of Diseases, Ninth Revision, Clinical
Modification
IKK
Innungskrankenkasse
InEiK
Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus
JHS
Jefferson Health System
KBV
Kassenärztliche Bundesvereinigung
KHG
Krankenhausfinanzierungsgesetz
KV
Kassenärztliche Vereinigung
KZV
Kassenzahnärztliche Vereinigung

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
__________________________________________________________________________________________
4
LDF
Leistungsbezogene Diagnose-Fallgruppen
LKF
Leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung
MCC
Major Comorbidities and Complications
MDC
Major Diagnostic Category
MDK
Medizinischer Dienst der Krankenversicherung
MEDPAC
Medicare Payment Advisory Commission
NHS
National Health Service
NOMESCO
Nordic Medico Statistical Committee
NordDRG
Bezeichnung der spezifischen Form Diagnosis Related Groups in
Skandinavien
OECD
Organization for Economic Cooperation and Development
OPS-301
Operationsschlüssel gemäß § 301 SGB V
PKV
Private Krankenversicherung
PMC
Patient Management Categories
PMSI
Programme de Médicalisation des Systèmes d'Information
POS
Point of Service Provider
PPO
Preferred Provider Organizations
PPS
Prospective Payment System
PRO
Peer Review Organization
ProPAC
Prospective Payment Assessment Commission
PV
Pflegeversicherung
QM
Qualitätsmanagement
RDRG
Refined Diagnosis Related Group
RSA
Risikostrukturausgleich
RV
Rentenversicherung
SE
Sonderentgelt
SGB
Sozialgesetzbuch
TEFRA
Tax Equity and Fiscal Responsibility Act
TJU
Thomas Jefferson University
TJUH
Thomas Jefferson University Hospital
UHC
University HealthSystem Consortium
UHDDS
Uniform Hospital Discharge Data Set
UV
Unfallversicherung
WHO
World Health Organization

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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5
Abbildungsverzeichnis
Abb. Deckblatt: Patientenklassifikation mit DRGs
Abb. 1: Produktdefinition im Krankenhaus
Abb. 2: Richtlinien zur Erstellung von Patientenfallgruppen
Abb. 3: Notwendige Daten zur Zuordnung eines Behandlungsfalles zu einer DRG
Abb. 4: Schema der DRG-Zuweisung zu einem Behandlungsfall
Abb. 5: Die DRG-Familie
Abb. 6: Erlösrelevante Daten im AR-DRG-System
Abb. 7: Sonderfälle der Pre-MDC
Abb. 8: Fehler-DRGs
Abb. 9: Gruppierungsalgorithmus im AR-DRG-System
Abb. 10: Der ethische Konflikt des Arztes im DRG-System
Abb. 11: Charakteristika des Gesundheitswesens der USA
Abb. 12: Versicherte in den staatlichen Versicherungen der USA
Abb. 13: Finanzierung von Medicare
Abb. 14: Finanzierung des Gesundheitssystems in den USA
Abb. 15: Leistungsanbieter im US-Gesundheitssystem 1998
Abb. 16: Ausgaben im US-Gesundheitswesen
Abb. 17: Patientenzufriedenheit und Gesundheitsausgaben in ausgewählten Ländern
Abb. 18: Einsparungen bei Untersuchungen aufgrund des PPS
Abb. 19: Anstieg des Kostenbewusstseins der Ärzte
Abb. 20: Logo der TJU
Abb. 21: Logo des TJUH
Abb. 22: Qualitätsprobleme im Pflegebereich
Abb. 23: Standardisierte Behandlung durch Leitlinien
Abb. 24: Finanzierung des Gesundheitssystems in Australien
Abb. 25: Charakteristika des deutschen Gesundheitswesens
Abb. 26: Anzahl der Versicherten in der GKV nach Versichertenstatus, Stand Juli 2000
Abb. 27: Ausgaben der GKV nach Leistungsart, Stand 1999
Abb. 28: Zuzahlungen im deutschen Gesundheitswesen
Abb. 29: Gesundheitsausgaben nach Ausgabenträger 1998
Abb. 30: Finanzierung des deutschen Gesundheitswesens
Abb. 31: Krankenhäuser in Deutschland 1999
Abb. 32: Berufstätige Ärzte in Deutschland 2000
Abb. 33: Die organisatorischen Beziehungen der Hauptakteure im deutschen
Gesundheitswesen
Abb. 34: Ziele der DRG-Einführung in Deutschland
Abb. 35: Zeitplan der DRG-Einführung in Deutschland
Abb. 36: Fallkostenermittlung im Kontext der DRG-Einführung
Abb. 37: Angleichung der Basisfallwerte
Abb. 38: Entgeltformen nach BMG-Referentenentwurf
Abb. 39: Eine bessere Zusammenarbeit ist notwendig...
Abb. 40: Logo des Diakoniekrankenhauses Mannheim
Abb. 41: Folgen der Kostendämpfung
Abb. 42: Bettenabbau
Abb. 43: Das veränderte Arzt-Patienten-Verhältnis
Abb. 44: Budgets
Abb. 45: Haupttätigkeit des Arztes nach der DRG-Einführung
Abb. 46: Folgen der Weiterentwicklung des deutschen Gesundheitssystems ?

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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6
1. Einleitung
In Deutschland werden seit 1996 rund 20-25% der stationären Leistungen in Form von
Fallpauschalen und Sonderentgelten vergütet. Die Vergütung der übrigen Leistungen erfolgt
auf der Basis von Tagessätzen, wobei sowohl Fallpauschalen und Sonderentgelte als auch
Tagessätze krankenhausindividuell budgetiert sind. Durch die Einführung des § 17 b des
Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) soll ab dem 01.01.2003 ein pauschalierendes
Vergütungssystem für allgemeine voll- und teilstationäre Leistungen auf der Grundlage der
Diagnosis Related Groups (DRGs) das bisherige System ablösen. Dies stellt eine der
gravierendsten Änderungen im deutschen Gesundheitssystem in den letzten Jahrzehnten dar
und wirft eine Vielzahl von Fragen auf.
Die vorliegende Diplomarbeit versucht eine Reihe dieser Fragen zu beantworten, indem ein
vergleichender Blick auf die USA geworfen wird. Dort werden seit rund 20 Jahren DRGs in
bestimmten Bereichen als Basis eines Vergütungssystems zur Abrechnung stationärer
Behandlungen verwendet. Sie werden dabei im Sinne eines Preissystems, wie dies auch in
Deutschland vorgesehen ist, eingesetzt.
Zunächst wird die Entwicklung der DRGs aufgezeigt, gefolgt von einer Beschreibung des
Gesundheitssystems der USA. Nach der Beschreibung der Einführung dieses
Vergütungssystems in den USA im Allgemeinen geht die Arbeit auf die Probleme und
Auswirkungen der DRGs im Thomas Jefferson University Hospital, Philadelphia, USA, ein.
Dort hat der Autor im Februar und März 2001 ein zweimonatiges Praktikum absolviert und
sich durch zahlreiche Gespräche mit führenden Mitarbeitern sowie Literaturstudien einen
Einblick in die Problematik verschafft.
Auch wenn Deutschland DRGs erst ab 2003 einsetzt, so ist das System nicht neu in Europa
und anderen Teilen der Welt. Daher werden die Erfahrungen in verschiedenen europäischen
Ländern vergleichend und zusammenfassend beschrieben. Die Anwendung der DRGs in
Australien macht detaillierte Ausführungen notwendig, da die Selbstverwaltungsorgane des
Gesundheitswesens in Deutschland am 27.06.2000 für die Australian-Refined DRGs (AR-
DRGs) votierten.

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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7
Nach einer Übersicht über das deutsche Gesundheitssystem beschreibt die Arbeit den Prozess
und wichtige Entscheidungen zur Einführung der DRGs in Deutschland sowie die zu
erwartenden Auswirkungen dieser Systemveränderung im Allgemeinen. Am Beispiel des
Diakoniekrankenhauses Mannheim, wo der Autor ein dreimonatiges Praktikum absolvierte,
wird sodann die spezielle Problematik der Einführung erläutert.
Ein eigenständiges Kapitel verschafft eine vergleichende Übersicht über Unterschiede und
Übereinstimmungen bzgl. der Voraussetzungen, der Erwartungen, der Probleme und der
weiteren Entwicklung in Zusammenhang mit der Einführung der DRGs in den USA und
Deutschland. Hieraus werden vermeidbare Fehler und Fehlentwicklungen abgeleitet und
dargestellt, die sich auch im abschließenden Ausblick widerspiegeln.
Da die DRGs in den USA entwickelt wurden und in Deutschland die australischen DRGs
verwendet werden, ist es unvermeidlich, eine größere Anzahl englischer Begriffe in der
Diplomarbeit zu verwenden. Der Autor hat versucht, wo immer es möglich und passend ist,
deutsche Begriffe zu benutzen. In vielen Fällen ist dies jedoch nicht möglich gewesen, da eine
adäquate deutsche Übersetzung der Begriffe nicht existiert.
Die Gesundheit ist zwar nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts
(Arthur Schopenhauer)

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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8
2. Grundzüge und Entwicklung des DRG Systems
Um eine bessere Übersicht über das komplexe Thema der Entwicklung der DRGs zu
ermöglichen, ist dieses Kapitel in mehrere Unterpunkte gegliedert worden. Durch zahlreiche
Querverweise soll eine Verknüpfung innerhalb der Unterkapitel und mit den anderen
Abschnitten dieser Arbeit vereinfach werden.
Der erste Teil beschäftigt sich mit der frühen Entwicklung der DRGs in den USA bis zu ihrer
landesweiten Implementierung 1983. Die Zeitspanne ab 1983 wird in Kapitel 3.2. erläutert.
Der zweite Abschnitt beschreibt den prinzipiellen Aufbau des DRG-Systems, der im Kern in
allen entwickelten und verwendeten Systemen vergleichbar ist. Der dritte Teil zeigt die
Entwicklung der verschiedenen Systeme und die Gründe auf, warum sie entwickelt wurden.
Ein Teil dieser Systeme wird im Kapitel 4 bei der Beschreibung des Einsatzes der DRGs in
verschiedenen Ländern weitergehend dargelegt. Der letzte Abschnitt gibt die Kritik an DRG-
Systemen wieder.
2.1. Theoretische Entwicklungsphase
1967 wurde in den USA eine Gesetzesänderung wirksam, die von Krankenhäusern, die
staatlich versicherte Patienten (siehe 3.1.) behandeln, verlangte, an einem Programm zur
Qualitätsverbesserung und Ressourcenkontrolle teilzunehmen, sofern sie finanzielle
Unterstützung von der Bundesregierung erhalten wollen. Eine Gruppe von Ärzten der
Universitätsklinik der Yale University trat darauf an das Center for Health Studies, Institution
for Social and Policy Studies, der gleichen Universität heran. Dieses Zentrum wurde von den
Professoren Fetter und Thompson geleitet, die in den Folgejahren die Entwicklung der DRGs
maßgeblich beeinflussten. Die Frage der Ärzte war, ob sich die Methoden der Industrie zur
Kosten- und Qualitätskontrolle auch auf die ,,Krankenhaus-Industrie" anwenden ließen.
Außerdem wollten sie wissen, wie man einen Prozess der Messung und Auswertung von
Krankenhausleistungen beginnen kann, um die Abläufe im Krankenhaus und damit
gleichzeitig Effizienz und Effektivität im Ressourcenverbrauch zu verbessern Dies war der

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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9
Ausgangspunkt eines langjährigen Prozesses, die Produkte bzw. den Output der
Krankenhäuser zu beschreiben
1
.
Die Idee, Konzepte der Industrie auf Kliniken zu übertragen war keineswegs neu. Das
Problem war allerdings, wie man Produktivität in Kliniken messen bzw. deren Produkte
beschreiben kann. Da die Vergütung der Krankenhausleistungen seitens der Versicherung auf
Tagessätzen beruhte, welche die Kosten in jedem Falle abdeckten, gab es auch nur einen
geringen Anreiz, sich näher mit dieser Problematik zu beschäftigen. Außerdem war (und ist)
der Markt der Krankenhausleistungen kein offener Markt, da die Konsumenten (Patienten)
nur in seltenen Fällen für die Leistungen direkt bezahlen und auch ein sonst üblicher
Qualitätsvergleich der Produkte kaum möglich ist
2
.
Andererseits stiegen die Kosten für stationäre Leistungen in den USA zwischen 1960 und
1974 um mehr als 250%, sowohl pro Tag als auch pro Krankenhausfall. Selbst unter
Berücksichtigung von Inflation und Bevölkerungswachstum stiegen die Kosten noch um mehr
als 100%. Daher entschloss sich die Regierung in Washington als Träger eines nicht
unerheblichen Teils der Ausgaben (siehe 3.1. und 3.2.), die Forschergruppe um Fetter und
Thompson mit weiteren Forschungen auf diesem Gebiet zu beauftragen
3
.
Die Initialzündung zur Entwicklung der DRGs war also das Problem, Krankenhausleistungen
zu bestimmen und zu messen, um dem Management Werkzeuge an die Hand zu geben, die
Leistungen effizienter und effektiver zu erbringen. Die heutige Anwendung der DRGs zu
Abrechnungszwecken kam erst Jahre später.
Um die Produkte von Krankenhäusern definieren zu können, musste zunächst die Funktion
der Klinik beschrieben werden: Demnach liegt die hauptsächliche Funktion von Kliniken
darin, diagnostische und therapeutische Leistungen zur Verfügung zu stellen, die die Ärzte in
der klinischen Behandlung ihrer Patienten benötigen. Daneben werden im wesentlichen noch
verschiedene Hotel-, Pflege- soziale Leistungen erbracht. Mit Hilfe dieser Definition wurde
nun der Input, der Output und die Produkte beschrieben. Historisch gesehen wurde der Output
von Krankenhäusern in Pflegetagen sowie Anzahl der Aufnahmen und Entlassungen
beschrieben. Als Input wurden Arbeit, Material, Ausstattung und Management gesehen
4
.
1
Fetter, 1991, S. 4f.
2
Fetter, 1991, S 8
3
Fetter, 1976, S.123; Fetter, 1991, S.8
4
Fetter, 1980, S. 1 ; Fetter, 1991, S. 8f.

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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10
In der neuen Betrachtung is t nur der Input gleichgeblieben, zum Output oder
Zwischenprodukt wurden Pflegetage, Mahlzeiten, Labortätigkeit, Operationen, Medikation
etc. Das eigentliche Produkt ist die Behandlung eines Patienten bzw. eines Falles.
Abbildung 1 stellt diese Definition nochmals grafisch dar.
Abbildung 1: Produktdefinition im Krankenhaus (abgeleitet von Fetter, 1991, S. 10)
Effizienz bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Krankenhaus seine Leistungen zu
möglichst niedrigen Kosten erbringt. Effektivität heißt, dass die Ärzte diese Leistungen nur
im Bedarfsfall und zum Vorteil des Patienten anfordern.
Der Fall bzw. die Fallkosten pro Patient oder Erkrankung wurden in der historischen
Sichtweise völlig vernachlässigt. Den Fall in den Mittelpunkt dieser Betrachtung zu rücken,
stellt also die wesentliche Neuerung dar. Definiert man nun jeden Fall als Produkt, so hat ein
mittelgroßes Krankenhaus schon eine fast unübersehbare Anzahl von Produkten. Allerdings
existieren bestimmte diagnostische und therapeutische Charakteristika, die sich bei
verschiedenen Fällen ähneln
5
. Trotz dieser fallorientierten Betrachtungsweise erwies es sich
als problematisch, den Fällen (Produkten) einen genauen Ressourcenverbrauch (Kosten)
zuzuordnen.
5
Fetter, 1984, S. 337

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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11
Hierfür wurden 3 Gründe verantwortlich gemacht
6
:
1. Nicht alle Krankheitsbilder sind gleichermaßen bezüglich Ursache und Auswirkungen
verstanden. Daher gibt es häufig Schwierigkeiten, diese Krankheiten zu definieren.
2. Es existieren (große) Unterschiede in der Behandlung ein und derselben Erkrankung,
was die Zuordnung des Ressourcenverbrauchs sehr erschwert.
3. Die Verschlüsselung einer Erkrankung in einen alphanumerischen Kode ist
unabhängig vom tatsächlich verwendeten Kodiersystem in vielen Fällen schwierig.
Trotz dieser Schwierigkeiten, die insbesondere zu Variabilität im Ressourcenverbrauch
führen, wurde das DRG-System entwickelt. Um diese Variabilität zu minimieren, wurde auf
eine Vielzahl von standardisierten, bereits von den Kliniken gesammelte Daten
zurückgegriffen, das ,,Uniform Hospital Discharge Data Set". Die Kliniken waren schon seit
langem dazu verpflichtet, die Entlassungsdaten eines Patienten standardisiert zu erfassen, so
dass man zunächst ohne größere Mehrarbeit seitens der Kliniken eine große Anzahl von
Daten zur Verfügung hatte.
Um die theoretische Vielzahl von Fällen (jede Krankenhausbehandlung ein Fall)
zusammenzufassen und den dazugehörigen Ressourcenverbrauch festzustellen ohne den
Aufwand hierfür zu groß werden zu lassen, wurden bei den frühen DRG-Versionen die in
Abbildung 2 genannten Richtlinien beachtet
7
:
Unter Punkt 4 versteht man, dass eine Gruppe nur aus ähnlichen Patienten bzw.
Krankheitsbildern bestehen soll, auch wenn die Zuordnung einer Krankheit allein aufgrund
des Ressourcenverbrauchs auch in eine andere Gruppe möglich wäre. Diese frühen
Richtlinien gelten nach wie vor in der (Weiter-)Entwicklung der DRGs. Da man zunächst
6
Fetter, 1991, S. 11
7
Fetter, 1991, S. 12; Averill, 1991, S. 31
1. Definition der Gruppen aufgrund routinemäßig erfasster Krankenhausdaten
2. Übersichtliche Anzahl von Gruppen
3. Vergleichbarer Ressourcenverbrauch innerhalb einer Gruppe
4. Medizinische Kohärenz innerhalb einer Gruppe
Abbildung 2: Richtlinien zur Erstellung von Patientenfallgruppen

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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12
keine verlässlicheren Daten hatte, wurde der Ressourcenverbrauch mittels der Verweildauer
in einer stationären Einrichtung bestimmt
8
.
Bereits der erste Ansatz in der Entwicklung und Einteilung der DRGs war richtungsweisend
und gilt prinzipiell auch heute noch (siehe auch 2.2.): Zunächst werden alle in Frage
kommenden Diagnosen in Hauptdiagnosen (Major Diagnostic Categories, MDC) eingeteilt.
Diese MDC orientieren sich am betroffenen Organsystem oder der Krankheitsursache
(Ätiologie) und werden dann weiter in Untergruppen, die DRGs, gemäß obiger Prinzipien
eingeteilt
9
. Hierzu wurde anfänglich neben einer Grobeinteilung durch Ärztegremien und
einem speziellen Algorithmus (Automated Interaction Detector, AID) auch eine spezielle
Gruppierungssoftware benutzt, das AUTOGRP Programm, woraus sich später sogenannte
,,grouper" entwickelten, also Programme zur Zuteilung von Patienten zu bestimmten DRGs
aufgrund verschiedener Merkmale (siehe 2.2.).
Die allererste Version der DRGs wies 1973 54 MDCs und 333 Untergruppen auf, die
zunächst als ,,patient groups" bezeichnet wurden. Die für die Einteilung notwendigen Daten
wurden vor allem von Krankenhäusern des Staates Connecticut gewonnen. Zum genauen
Prinzip der Einteilung siehe nächste Kapitel.
1977 war dann die zweite Version in Zusammenarbeit mit der Social Security Administration
im Hinblick auf ein prospektives Vergütungssystem fertiggestellt. Die Zahl der MDCs
erhöhte sich auf 83, die der DRGs auf 383
10
. Diese Version lenkte erstmals eine erhöhte
öffentliche Aufmerksamkeit auf sich, da sie in einer weiterentwickelten dritten Version ab
1980 in New Jersey Anwendung zur Vergütung von Krankenhausleistungen fand. Diese
Ersteinführung der DRGs in New Jersey geht auf einen 1976 unterzeichneten Vertrag
zwischen dem Gesundheitsministerium des Staates New Jersey und der bundesstaatlichen
Krankenversicherung Medicare (siehe 3.1.) zurück, in dem ein prospektives
Vergütungssys tem für Krankenhausleistungen geplant wurde. 1978 schuf der Staat dann die
gesetzlichen Voraussetzungen hierfür
11
.
8
Fetter, 1985, S. 18; Fetter, 1980, S. 5
9
Averill, 1991, S. 34
10
McGuire, 1991, S. 104
11
Iglehart, 1982, S1655f

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
__________________________________________________________________________________________
13
Einer der wesentlichen Überlegungen auf staatlicher Seite war, mit Hilfe der DRGs der
Behauptung vieler Krankenhäuser auf den Grund zu gehen, dass in ihrem Krankenhaus
jeweils viel schwerer erkranke Patienten behandelt werden als in anderen Krankenhäusern
12
.
Eine Behauptung also, die nach Erfahrungen des Autors auch in Deutschland sehr verbreitet
ist. Zudem hatte die DRG-Einführung einen experimentellen Charakter und wurde von der
US-Regierung in Washington gefördert, um daraus gegebenenfalls ein System für die ganze
USA zu entwickeln.
Zunächst begann man 1980 in 26 Krankenhäusern New Jerseys mit der Einführung, binnen 2
Jahren wurde das System dann auf 113 von 116 Hospitälern ausgedehnt
13
.
1982 trat der Tax Equity and Fiscal Responsibility Act (TEFRA) als erster Schritt hin zu
einem prospektiven Vergütungssystem in den gesamten USA in Kraft. Hierdurch wurde
erstmals das Prinzip der Vergütung stationärer Leistungen aufgrund von Ist-Kosten
durchbrochen, indem eine bestimmte Summe pro entlassenem Patient bezahlt wurde
14
. Mit
Hilfe der ausschließlich in New Jersey gewonnen praktischen Erfahrungen und dieses ersten
Schrittes weg vom System der Kostenvergütung wurde das DRG-System so weiterentwickelt,
dass es in der vierten Version ab dem 1. Oktober 1983 landesweit (mit Ausnahme von 4
Bundesstaaten, siehe 3.2.) mit 23 MDCs und 467 DRGs eingeführt werden konnte
15
.
2.2. Grundzüge und Aufbau
Die Prinzipien zur Einteilung der MDCs und DRGs haben sich in den Anfangsjahren nicht
wesentlich geändert, außer dass man die MDCs mehr und mehr organzentriert gestaltete und
dadurch reduzieren konnte. Diese Grundprinzipien finden auch noch bei den heute
verwendeten Systemen (siehe auch 2.3.) größtenteils ihre Anwendung, so dass sie hier näher
beschrieben werden sollen. Insbesondere bei den weiterentwickelten Systemen, die bisher
praktisch keine Verwendung finden, ist allerdings eine größere Anzahl von meist
krankheitsspezifischen Zusatzinformationen notwendig, wodurch das Einteilungssystem
verfeinert werden soll. Darauf wird in Kapitel 2.3. näher eingegangen, so dass sich dieses
Kapitel ausschließlich auf die Grundzüge konzentrieren kann.
12
Iezzoni, 1997, S. 1600
13
Iglehart, 1982, S. 1656ff
14
Chulis, 1991, S. 169f
15
Fetter, 1985, S. 18f

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
__________________________________________________________________________________________
14
Hauptziel der DRGs ist es, alle stationären Behandlungen in Akutkrankenhäusern zu
bestimmten Gruppen nach definierten Kriterien zusammenzufassen. Im wesentlichen
existieren hierfür 2 Kriterien:
- klinische Übereinstimmung innerhalb einer Gruppe, also vergleichbare Erkrankungen
- ähnliche Behandlungskosten
Es muss also versucht werden, 2 prinzipiell unterschiedliche Sichtweisen eines
Behandlungsfalles, nämlich die medizinische und die ökonomische, ausgewogen zu
berücksichtigen.
Um einem Patienten genau eine DRG pro stationärem Aufenthalt zuo rdnen zu können,
müssen verschiedene Daten erhoben werden. Dies sind im allgemeinen:
- Hauptdiagnose,
- (wichtigste) Operation bzw. Prozedur (diagnostischer und/oder therapeutischer
Eingriff),
- Alter,
- Geschlecht,
- Begleiterkrankungen und/oder Komplikationen (im Englischen als CC =
Comorbidities and Complications bezeichnet),
- Entlassungsart
- und in einigen Klassifikationssystemen Geburtsgewicht sowie Dauer der maschinellen
Beatmung (siehe Abbildung 3)
16
.
Abbildung 3: Notwendige Daten zur Zuordnung eines Behandlungsfalles zu einer DRG (abgeleitet von Fischer,
2001, S. 16)
16
Fischer, 2001, S. 13ff

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
__________________________________________________________________________________________
15
Bei weiterentwickelten DRG-Systemen (siehe 2.3.) wird neben dem Auftreten von
Begleiterkrankungen bzw. Komplikationen insbesondere deren Schwere in verschiedene
Grade eingeteilt und zur Zuteilung einer DRG herangezogen. Begleiterkrankungen bzw.
Komplikationen finden allerdings nur Berücksichtigung, wenn sie zu einem erhöhten
Ressourcenverbrauch führen, wobei diese Erhöhung in den verschiedenen DRG-Systemen
unterschiedlich gemessen wird
17
. Bei der Entlassungsart unterscheidet man die Entlassung
nach Hause, Entlassung gegen ärztlichen Rat, Entlassung in eine weiterbehandelnde
Institution und Tod.
Bei der Zuteilung eines Behandlungsfalles, also eines stationär behandelten Patienten, zu
einer DRG wird ­ nach dem Auschluß von Sonderfällen und Fehlergruppen ­ primär von der
Hauptdiagnose ausgegangen. Diese wird in der Regel vom behandelten Arzt festgelegt und ist
im allgemeinen die Diagnose, weswegen der Patient stationär aufgenommen wurde oder die
Diagnose, die zum größten Ressourcenverbrauch geführt hat (zur Definition der
Hauptdiagnose in Deutschland siehe 5.3.). Aufgrund der Hauptdiagnose erfolgt die
Zuordnung zu einer Hauptkategorie (MDC). Diese sind primär nach Organsystemen geordnet
und in vielen DRG-Systemen sehr ähnlich (siehe Anhang 1). Im nächsten Schritt stellt sich
die Frage, ob der Patient operiert wurde oder nicht, wobei als Operation jeder Eingriff in
einem Operationssaal angesehen wird. Wurde der Patient operiert, erfolgt die weitere
Einteilung aufgrund der Hauptoperation. Ist keine OP durchgeführt worden, so ist die
Hauptdiagnose das wichtigste weitere Zuteilungskriterium.
Durch die Hauptoperation bzw. die Hauptdiagnose gelangt man zur Basis-DRG. Der
Hauptoperation bzw. der Hauptdiagnose nachgeordnete Kriterien (siehe Abbildung 3 auf
Seite 9) ­ z.B. Nebendiagnosen, Komplikationen, Alter, Geschlecht ­ dienen zur
letztendlichen Zuweisung einer DRG, wenn bei einer Hauptoperation bzw. Hauptdiagnose
mehrere DRGs in Frage kommen. Jeder Basis-DRG können also mehrere DRGs zu geordnet
sein. Genau diese Möglichkeit, verschiedene Parameter in der letztendlichen Zuweisung einer
DRG zu berücksichtigen, unterscheidet viele der in 2.3. genannten DRG-Systeme. Je mehr
Parameter an diesem Punkt Berücksichtigung finden, desto größer ist im allgemeinen die Zahl
der DRGs.
17
Averill, 1991, S. 37

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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16
Abbildung 4 gibt die Vorgehensweise der Zuordnung eines Falles zu einer DRG grafisch
wieder.
Abbildung 4: Schema der DRG-Zuweisung zu einem Behandlungsfall
Von diesem Schema gibt es zwar einige Ausnahmen in den verschiedenen DRG-Systemen,
aber prinzipiell beruhen alle seit der Einführung der DRGs in den USA 1983 entwickelten
und verwendeten Systeme auf diesem Schema. Die meisten Ausnahmen bestehen im Bereich
der Auswahl und Wichtigkeit der weiteren Faktoren bzw. von Sonderfällen und
Fehlergruppen, die außerhalb des Systems einer eigenen DRG zugeordnet werden
18
. Die
wesentlichen Ausnahmen und Abweichungen werden im folgenden Kapitel erläutert.
18
Rochell, 4/2000, S. 262

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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17
Um von einer DRG zu einer fallspezifischen Vergütung zu kommen sind noch weitere
Schritte notwendig: Jeder DRG wird ein relatives Kostengewicht zugeordnet. Dieses
orientierte sich am Anfang der DRG-Entwicklung (siehe Kapitel 2.1.) an der
durchschnittlichen Aufenthaltsdauer. Mit der zunehmenden Verbreitung der Kostenrechnung
in Krankenhäusern basiert dieses relative Kostengewicht auf den tatsächlichen
Durchschnittskosten
19
. Hierbei werden die mittleren Kosten der einzelnen DRGs miteinander
verglichen. Häufig werden die relativen Kostengewichte so festgelegt, dass der nationale
Durchschnitt 1,0 beträgt. Ausnahmen von dieser Regel sind im Kapitel 2.3. beschrieben.
Das relative Gewicht legt also fest, um wie viel teuer bzw. günstiger ein Fall im
Vergleich zum Standardfall mit dem Relativgewicht von 1 ist.
Beispiel:
Beträgt das relative Gewicht einer DRG 0,5, so fallen bei der Behandlung der Patienten nur
halb so hohe Kosten an wie im Durchschnitt aller DRGs; bei einem relativen Gewicht von 2
entstehen dementsprechend doppelt so hohe Kosten.
Die Summe aller Kostengewichte aller Behandlungsfälle eines Bereiches (eine Abteilung, ein
Krankenhaus, eine Region etc.) wird als Case Mix bezeichnet.
Case Mix = Summe aller Kostengewichte eines Bereichs
Teilt man diesen Case Mix durch die Anzahl der Behandlungsfälle, erhält man den Case Mix
Index (CMI), also das durchschnittliche Kostengewicht pro Behandlungsfall.
Case Mix Index = Case Mix / Anzahl Behandlungsfälle
Der CMI kann z.B. Auskunft geben über den durchschnittlichen Ressourcenverbrauch in
einem Hospital und in gewissen Grenzen auch über die Schwere der behandelten Fälle,
wodurch sich verschiedene Abteilungen, Kliniken oder Regionen vergleichen lassen.
19
Fischer, 2001, S. 16

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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18
Multipliziert man nun dieses relative Gewicht mit der sog. Basisrate (auch als Basisfallpreis
oder Basisfallwert bezeichnet), so erhält man die Vergütung pro Behandlungsfall in der
jeweiligen DRG.
Vergütung (DRG) = relatives Gewicht x Basisfallpreis
Beispiel:
Beträgt das relative Gewicht 1,5 und die Basisfallpreis 4000 DM, errechnet sich eine
Vergütung von 6000 DM.
Die Basisrate wird in fast allen Ländern, die DRG-basierte Abrechnungssysteme verwenden,
zentral festgelegt bzw. zentral verhandelt und gilt dann landesweit.
Die Gesamtvergütung eines Bereichs (z.B. Krankenhaus) ergibt sich aus dem Produkt von
Case Mix und Basisfallpreis.
Gesamtvergütung (Krankenhaus) = Case Mix x Basisfallpreis
Seit der erstmaligen Verwendung der DRGs zu Abrechnungszwecken gibt es von dieser
einheitlichen Regelung jedoch Ausnahmen durch Zu- und Abschläge sowie für sogenannte
Ausreißer (englisch: outlier), für die eine höhere Vergütung geleistet wird. Wann und in
welcher Höhe für wen diese Ausnahmen gelten, wird in den Kapiteln 3-5 näher erläutert. Als
Ausreißer werden Fälle bezeichnet, die eine für jede DRG festgelegte Grenzverweildauer
und/oder Grenzkosten plus das zwei oder drei (je nach System) Standardabweichungen bzw.
einen festen Betrag überschreiten. Dies kann einerseits an Unwirtschaftlichkeiten seitens der
Leistungserbringer liegen, andererseits aber auch an nicht in der DRG-Klassifikation
berücksichtigten Patienten und/oder Behandlungsmerkmalen. Für diese Ausreißer existieren
Sonderregeln bzgl. der Vergütung. Diese Regeln werden für das DRG-System in den USA in
Kapitel 3.2. und für das System in Australien im Kapitel 4.8. näher beschrieben.

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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19
2.3. Entwicklung verschiedener DRG-Systeme
Im Laufe der Jahre haben sich verschiedene DRG-basierte Systeme zur
Patientenklassifikation und Abrechnung entwickelt. Diese unterschiedlichen Systeme sollen
hier dargestellt werden. Auf länderspezifische Entwicklungen bzw. Anwendungen des
jeweiligen Systems wird nur kurz eingegangen, da dies ausführlicher in Kapitel 4 behandelt
wird. Neben den im folgenden erläuterten Systemen wurde noch weitere entwickelt, deren
Verbreitung oder Einsatz aber im Vergleich zu den erläuterten vernachlässigbar gering ist.
Zudem existiert eine große Anzahl von Patientenklassifikationssystemen, die nicht auf DRGs
beruhen, deren Darstellung aber nicht The ma dieser Arbeit ist.
Eine Übersicht über die verschiedenen Entwicklungen gibt Abbildung 5. Entsprechend des
Umganges bei der Berücksichtigung von Schweregraden werden verschiedene
,,Generationen" von DRGs unterschieden, die in Abbildung 5 farblich gekennzeichnet sind.
Abbildung 5: Die DRG-Familie (abgeleitet von Fischer, 2001, S. 21 und Rochell, 4/2000, S. 262)

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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20
Die frühen DRG-Systeme, die vor 1983 in den USA entwickelt wurden, werden vielfach als
Yale-DRGs bezeichnet, da sie maßgeblich von der Universität Yale beeinflusst waren. Da
diese nicht praktisch eingesetzt wurden und eine kurze Erläuterung bereits in Kapitel 2.1.
erfolgte, wird hier auf eine weitere Beschreibung verzichtet.
Neben den Australian-Refined Diagnosis Related Groups (AR-DRGs) wurden von den
Selbstverwaltungspartnern auch die AP-DRGs, die IAP-DRGs und die GHMs für eine
Einführung in Deutschland in Betracht gezogen
20
, so dass ein Schwerpunkt dieses Kapitels
auf diesen Klassifikationssystemen liegt.
Da das in Österreich verwendete System der ,,Leistungsbezogenen Diagnose-Fallgruppen"
(LDF) prinzipiell zwar auf einem Fallgruppensystem basiert, aber doch einige deutliche
Unterschiede zu einem DRG-System aufweist und für die Entwicklung in anderen Ländern
daher kaum eine Rolle spielt, wird es in diesem Kapitel nicht näher beschrieben. Zur weiteren
Information wird auf Kapitel 4.6. verwiesen.
HCFA-DRG
Die Health Care Financing Administration (HCFA) ist ein Teil des Gesundheitsministeriums
der USA, der zuständig ist für die staatliche Versicherung Medicare (siehe 3.1.) und dadurch
für die Einführung der DRGs in den USA 1983 mitverantwortlich war. Die HCFA-DRGs
stellen eine direkte Weiterentwicklung der Yale-DRGs dar. Aus den anfänglich 23 MDCs und
467 DRGs haben sich durch jährliche Überarbeitungen mittlerweile 25 MDCs und 503 DRGs
entwickelt
21
. Zum einen wurden im Rahmen der Überarbeitung neue medizinische
Entwicklungen berücksichtigt, zum anderen wurde versucht, die Homogenität der einzelnen
DRGs zu verbessern. Neben den ursprünglich 23 MDCs wurden daher 2 neue entwickelt, eine
für Polytraumata, eine andere für HIV. Die Zuteilung eines Falles zu einer Gruppe erfolgt
gemäß dem Schema in Abbildung 4 (Seite 11), wobei neben Hauptdiagnosen, Alter und
Geschlecht im wesentlichen CCs anhand einer Nebendiagnoseliste berücksichtigt werden. Die
Einteilung der CCs erfolgt allerdings nicht aufgrund des medizinischen Schweregrades,
sondern auf Basis des Ressourcenverbrauchs: In mindestens 75% der Behandlungsfälle muss
durch die CC die Aufenthaltsdauer um mindestens einen Tag verlängert werden
22
. Zur
Diagnose-verschlüsselung wird der ICD-9-CM benutzt. Während anfänglich für einige DRGs
eine Unterscheidung zwischen bis 69 und über 69jährigen vorgenommen wurde, wird heute
20
Leber, 2001, S76f
21
www.hcfa.gov/regs/hcfa1158p/pp021_111.doc
22
Lauterbach, 2000, S. 9

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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21
nur noch in einigen Bereichen zwischen Erwachsenen (über 17 Jahre) sowie Kindern und
Jugendlichen entschieden (bis 17 Jahre).
Neben den Veränderungen der Klassifikation wird von einer unabhängigen Institution (siehe
3.2.) im Auftrag der der HCFA auch jährlich das relative Gewicht neu berechnet anhand der
jeweils aktuellen Kostenentwicklung. Im HCFA-DRG-System in den USA existiert eine
Reihe von Zuschlägen, die im Kapitel 3.2. erläutert werden, da sie mit der eigentlichen
Entwicklung der DRGs als Patientenklassifikationssystem nichts zu tun haben, sondern nur
für die Vergütung relevant sind.
AP-DRG
Die All Patient Diagnosis Related Groups wurden Ende der 80er Jahre aus den HCFA-DRGs
auf der Basis von 700.000 New Yorker Krankenhausfällen entwickelt, da die HCFA-DRGs in
erster Linie für die ältere Bevölkerung entworfen wurde. Ziel der AP-DRGs war eine
Ausweitung der Fallgruppen auf alle stationären Fälle sowie eine Revision der CCs. Hierfür
wurden zum einen MDCs für Polytraumata (Mehrfachverletzte) und HIV geschaffen, zum
anderen wurden neue Fallgruppen für Kinder und Neugeborene eingeführt, wobei für
Neugeborene das Geburtsgewicht Berücksichtigung findet. Zudem wurden neue DRGs für
Transplantationen und Tracheotomien geschaffen sowie 1990 das Konzept der
schwerwiegenden CCs (Major CCs, MCC) als eigenständige DRGs eingeführt, wodurch das
bisher nur auf der Unterteilung ,,mit CCs" oder ,,ohne CCs" basierende System erweitert
wurde. Im Ablauf der Eingruppierung wird im AP-DRG-System nach der Zuweisung einer
MDC und Trennung zwischen operativer und konservativer Versorgung nach dem Vorliegen
einer MCC weiter aufgesplittet, da bei Vorliegen einer MCC der Patient einer MCC-DRG
zugewiesen wird. Ein Teil dieser Neuerungen fand Aufnahme ab der 8. Version der HCFA-
DRGs 1990. Zur Zeit umfassen die AP-DRGs 641 Fallgruppen
23
. Sie finden international
Anwendung im Rahmen von Benchmark-Projekten sowie in unterschiedlichem Ausmaß zur
internen und externen Budgetierung
24
.
23
McGuire, 1991, S. 109; Lauterbach, 2000, S. 11f; Fischer, 2001, S. 22f
24
Rochell, 4/2000, S. 264

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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22
RDRG
Das Refined Diagnosis Related Groups System (RDRG) stellt eine Verfeinerung der fünften
Version der HCFA-DRGs durch die Universität Yale dar, wobei rund 4 Millionen
Behandlungsfälle aus Maryland und Kalifornien aus dem Jahr 1984 als Grundlage dienten.
Evaluiert wurde das System an rund 1 Million Fällen der staatlichen Versicherung Medic are
(siehe 3.1.) aus dem Jahr 1986. Zielsetzung dieser Verfeinerung war die Weiterentwicklung
der Berücksichtigung von Schweregraden von Begleiterkrankungen (Nebendiagnosen), um
den Ressourcenverbrauch präziser zu beschreiben. Hieraus resultierte eine systematische
Unterteilung nach vier chirurgischen und drei medizinischen Schweregraden. Weist der
Patient mehrere Nebendiagnosen mit verschiedenen Schweregraden auf, so erfolgt die
Einteilung aufgrund der schwerwiegendsten Nebendiagnose. Als Konsequenz erübrigte sich
die Einteilungen nach dem Alter. Anwendung finden die RDRGs als Abrechnungssystem zur
Zeit nur in einem Teil Kanadas, wo es 25 MDCs und knapp 1200 DRGs gibt
25
.
APR-DRG
Kurz nach den RDRGs enstand unter Federführung der Firma 3M das APR-DRG-System als
Weiterentwicklung aufbauend auf den AP-DRGs mit dem Ziel, an der Hauptdiagnose
orientiert den Einfluß verschiedener Nebendiagnosen unter Berücksichtigung des
Schweregrades aufzuzeigen. Sowohl im chirurgischen als auch im internistischen Bereich
wurden dafür 4 Schweregrade definiert, wobei neben der schwerwiegendsten Nebendiagnose
in einem abgestuften System noch ausgewählte Kombinationen von anderen Nebendiagnosen,
Alter, nicht-chirurgischen Prozeduren und Hauptdiagnose Berücksichtigung finden.
Die Schweregrade richten sich dabei zum einen am Ressourcenverbrauch, zum anderen am
Sterberisiko (Mortalität). Daher sind die APR-DRGs die DRG-Klassifikation, die neben
ökonomischen Gesichtspunkten auch die medizinische Komplexität abbildet, was sie als
geeignet für Qualitätsvergleiche erscheinen lässt. Einschränkend ist allerdings zu erwähnen,
dass die medizinische Komplexität über die Verweildauer validiert wurde, was die
medizinische Aussagekraft vermindert. Die APR-DRGs umfassen 25 MDCs und 1530
Fallgruppen, finden zur Zeit allerdings keine weitergehende Anwendung außer in
verschiedenen Projekten zur Qualitätssicherung sowie in den USA zur Analyse, Revision und
25
Freeman, 1995, S. 808f; Lauterbach, 2000, S. 11f; Fischer, 2001, S. 22f

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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23
Plausibilisierung von DRG-Systemen mit geringerem Differenzierungsgrad
26
. Auch in
Deutschland wurde dieses System aufgrund der hohen Zahl der Fallgruppen nicht in Betracht
gezogen
27
.
IAP-DRG
Bei den International All-Patient DRGs handelt es sich um eine Weiterentwicklung der AP-
DRGs, die erst im letzten Jahr auf den Markt kamen. Es findet eine Abbildung des
Schweregrades über 3 Abstufungen statt, wobei die Klasse 3 (schwere und schwerste
Begleiterkrankungen) die Schwereklassen 3 und 4 der APR-DRGs zusammenfasst. Auch die
Zuordnung einer Fallschwere wurde gegenüber dem mehrstufigen Verfahren der APR-DRGs
vereinfacht, indem die schwerste Nebenerkrankung ausschlaggebend ist, was allerdings auch
mehr Manipulationsmöglichkeiten eröffnet. Zur Bildung der 25 MDCs und 1046 Fallgruppen
wurden nicht nur Daten aus den USA, sondern auch aus Italien, Spanien und Belgien
berücksichtigt, die zusammen allerdings weniger als 5% der in den USA berücksichtigten
Fallzahlen ausmachen. Da die IAP-DRGs letztes Jahr noch nicht ausreichend beschrieben und
praktisch keine Anwendungserfahrung vorlag, wurden auch sie von der gemeinsamen
Selbstverwaltung rasch verworfen.
28
GHM
Als Datengrundlage der Groupes Homogènes de Malades dient das bereits 1982 entwickelte
Programme de Médicalisation des Systèmes d'Information (PMSI), wobei schon früh mit der
DRG-Forschungsgruppe der Universität Yale um Professor Fetter zusammengearbeitet
wurde. Zunächst wurde ein Standarddatensatz und eine Kostenkalkulation inklusive der
notwendigen Software entwickelt und erprobt, bevor 1986 die GHM erstmals veröffentlicht
wurden.
In ihrer ursprünglichen Fassung stellen sie eine leichte Modifikation der dritten Version der
HCFA-DRGs dar
29
. 1997 erfolgte in der vierten Version eine Erweiterung um AP-Elemente,
wobei eine zusätzliche Schweregraddimension integriert wurde. Da sie auf der Basis
26
Rochell, 4/2000, S. 265
27
Leber, 2001, S. 76; Lauterbach, 2000, S. 13f; Fischer, 2001, S. 22f
28
Leber, 2001, S. 77; Lauterbach, 2000, S. 15f; Fischer, 2001, S. 22f
29
Rochell, 3/2000, S. 191

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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24
umfassender jährlicher französischer Datenerhebungen kontinuierlich modifiziert wurden,
können sie als eigenständiges System bezeichnet werden
30
.
Derzeit existieren 28 MDCs, wobei MDC 24 für ambulante Behandlungen und Tagesfälle
gebildet wurde, und 506 Fallgruppen, wovon 72 Fallgruppen für ambulante Fälle definiert
sind. Diese MDC bzw. DRGs für ambulante Fälle stellt eine französische Besonderheit dar,
ebenso wie die mehrstufige Altersunterteilung bestimmter DRGs sowohl im Kindes- und
Jugendalter (2 bzw. 18 Jahre) als auch im Seniorenalter (69 bzw. 80 Jahre). Als weitere
Besonderheit ist zudem die Fallgruppe 540 zu sehen, die einfache Entbindung ohne
Komplikationen. Sie stellt mit 1000 Punkten Relativgewicht den Bezugswert für die anderen
Fallgruppen dar
31
. In fast allen anderen DRG-Systemen liegt diese Bezugsgröße bei 1,0 ohne
sich direkt auf eine Fallgruppe zu beziehen. Da sich in Frankreich eine Ablösung des DRG-
Systems ankündigte, wurden auch die GHMs von den Selbstverwaltungspartner nicht weiter
verfolgt
32
.
AN-DRG/AR-DRG
Bereits Mitte der 80er Jahre entwickelte sich in Australien ein ernsthaftes Interesse für das
DRG-System, was insbesondere von der Commonwealth Regierung und vom Bundesstaat
Victoria unterstützt wurde. Zunächst wurde die potenzielle Anwendbarkeit geprüft, um sich
ein Bild von den Krankenhausfällen Victorias zu machen. Die dafür verwendeten HCFA-
DRGs erwiesen sich jedoch als unzulänglich, was insbesondere an fehlenden Fallgruppen für
Kinder und am unterschiedlichen klinischen Alltag in Australien und den USA lag
33
.
1990 wurde vom australischen Gesundheitsministerium das Australian Casemix Clinical
Committee (ACCC) ins Leben gerufen, welches mit Repräsentanten der Regierung, der
Krankenhäuser und verschiedener medizinischer Berufsgruppen besetzt war. Eine der ersten
Aufgaben bestand in der Evaluation der HCFA-, AP- und RDRGs bezüglich ihrer
Übertragbarkeit auf australische Verhältnisse. Nach kritischer Überprüfung und statistischer
Analyse mit australischen Entlassungsdaten verschiedener Regionen wurde in
Zusammenarbeit mit 3M Health Information Systems im Oktober 1992 die Australian
National Diagnosis Related Groups auf Basis der AP-DRGs vorgestellt. Bereits im Folgejahr
30
Rochell, 2001, S. 59
31
Heller, 2000, S. 13-15
32
Palmer, 1991, S. 262; Fischer, 2001, S. 23f.; Leber, 2001, S. 77
33
Duckett, 2001, S. 67f

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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25
wurde eine weiterentwickelte Version mit leichten Modifikationen eingeführt
34
. Die dritte
Version folgte 1995, aber erst die 1998 vorgestellten Australian-Refined Diagnosis Related
Groups (AR-DRGs) stellen eine wirklich eigenständige Entwicklung dar. Dies zeigt sich
insbesondere im Bereich der Berücksichtigung der Schweregrade der Nebendiagnosen, wo 4
Stufen gebildet wurden, sowie in der Einführung eines Sondertatbestandes ,,sonstige
Prozeduren" neben der Unterteilung in chirurgisch und medizinisch (siehe unten)
35
. Dabei
wurden die Daten der Krankenhauserhebung der Jahre 1994/95 unter Beachtung statistischer
Vorgaben einer Verweildaueranalyse unterzogen. Als Maß für den Ressourcenverbrauch
wurde die durchschnittliche Verweildauer herangezogen. Als statistische Vorgaben zur
Bildung einer (neuen) DRG wurde zum einen gefordert, dass mindestens 250 Fälle und
mindestens 10% der ursprünglichen Fallgruppe vorliegen müssen, zum anderen, dass durch
die Aufsplittung eine Homogenitätsverbesserung ausgedrückt durch eine Varianzreduktion
von mindestens 5% resultiert
36
. Die AR-DRGs basieren auf einer australischen Modifikation
der ICD-10-Kodierung und enthalten in der derzeitigen Version 4.1 661 Fallgruppen bei 23
MDCs
37
.
Da das AR-DRG-System von der gemeinsamen Selbstverwaltung
als das zu implementierende System in Deutschland ausgewählt
wurde (siehe 3.2.), soll hier der Aufbau und der
Gruppierungsalgorithmus näher beschrieben werden. Die zur
Gruppierung notwendigen erlösrelevanten Daten sind Abbildung 6
zu entnehmen. Die erlösrelevanten Daten im AR-DRG-System
unterscheiden sich in den Punkten Aufnahmegrund, Alter,
Geschlecht, Haupt und Nebendiagnosen sowie Prozeduren und
Entlassungsart kaum von anderen DRG-Systemen. Die Berücksich-
tigung von Geburtsgewicht und Beatmungsstunden weisen allerdings nur wenige andere
Systeme, insbesondere die der dritten und vierten Generation (siehe Abbildung 5 auf Seite
14), auf. Diese beiden Faktoren finden sich im Gruppierungsalgorithmus der AR-DRGs
wieder, da es sich gezeigt hat, dass zwischen Ressourcenverbrauch und Geburtsgewicht bei
(frühgeborenen) Kindern bzw. Beatmungsstunden auf Intensivstationen eine enge Beziehung
besteht.
34
Hickie, 1998, S. 7; Hindle, 1992, S. 866
35
Rochell, 4/2000, S. 265
36
Neubauer, 2000, S. 29
37
Duckett, 2001, S. 68
Aufnahmegrund
Alter
Geschlecht
Geburtsgewicht
Beatmungsstunden
Hauptdiagnose
Nebendiagnose(n)
Prozedur(en)
Entlassungsgrund
Abbildung 6:
Erlösrelevante Daten
im
A R-DRG-System

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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26
Die Fallgruppenbildung erfolgt in mehreren Schritten: Zunächst wird anhand der erlösrele-
vanten Daten (siehe Abbildung 6) überprüft,
ob der Fall einer Sondergruppe zuzuordnen ist
und damit nicht den weiteren Algorithmus
durchläuft. Zu den Sonderfällen gehören die
DRGs der sogenannten Pre-MDC (siehe
Abbildung 7). Diese stellen entweder
besonders aufwendige Fälle oder besondere
Fallkonstellationen dar, die sich durch die
DRGs nur unzureichend abbilden lassen.
Im nächsten Schritt wird überprüft, ob eine Fehlergruppe vorliegt. Alle Fehlergruppen haben
als gemeinsames Kennzeichen die Ziffer 9 an erster Stelle und sind nicht nach
unterschiedlichem Ressourcenaufwand aufgesplittet, zu erkennen am ,,Z" an der vierten
Stelle.
Eine Übersicht über die Fehlergruppen gibt Abbildung 8.
Liegt weder ein Sonderfall noch eine Fehlergruppe vor, erfolgt die Zuordnung zu einer der 23
MDCs (siehe Anhang 1) aufgrund der Hauptdiagnose. Jeder MDC ist dabei ein Buchstabe als
erste Stelle des alphanumerischen Codes der AR-DRGs zugeordnet.
Die weitere Unterteilung richtet nach der Frage, ob eine Operation oder sonstige Prozedur
durchgeführt wurde; dementsprechend wird dem Fall eine von 409 Basis-DRGs (adjacent
DRGs) zugewiesen.
Transplantationen (außer Niere)
Extrakorporale Membranoxigenierung
Intubation bei unter 16jährigen
Tracheotomie
Langzeitbeatmung (über 95 Stunden)
Neugeborene
HIV-Patienten
Quadri- und Paraplagiker
Abbildung 7: Sonderfälle der Pre -MDC
901Z
Ausgedehnte Operation ohne Bezug zur Hauptdiagnose
902Z
Kleiner operativer Eingriff ohne Bezug zur Hauptdiagnose
903Z
Prostataoperation ohne Bezug zur Hauptdiagnose
960Z
Ungruppierbar
961Z
Unzulässige Hauptdiagnose
962Z
Unzulässige Diagnosekombination
963Z
Neonataldiagnose nicht übereinstimmend mit Alter oder Gewicht
Abbildung 8: Fehler-DRGs

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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27
Diese Zuweisung findet sich in der zweiten und dritten Stelle der Kodierung wieder:
- Die Ziffern 01-39 repräsentieren DRGs, bei denen eine Operation durchgeführt wurde,
- die Ziffern 40 bis 59 stehen für DRGs, bei denen sonstige Prozeduren vorkommen,
- die Ziffern 60 bis 99 kennzeichnen DRGs, bei denen keine gruppierungsrelevanten
Operationen oder Prozeduren vorlagen.
Außer bei den Fehlergruppen wird nun aus den dokumentierten Nebendiagnosen mit Hilfe
einer komplexen Formel ein Fallschweregrad (Patie nt Clinical Complexcity Level, PCCL)
ermittelt, der zwischen 0 und 4 liegt. In diese Berechnung einbezogen wird jede
dokumentierte Nebendiagnose mit einem eigenen Schweregrad (Complication and
Comorbidity Level, CCL) zwischen 0 und 4, wobei 4 die schwerstmögliche Ausprägung
darstellt.
Unter der fast unüberschaubaren Vielzahl von theoretisch möglichen Nebendiagnosen wurden
2802 Diagnosen ausgewählt, die behandlungs- und damit auch erlösrelevant sind.
Verschlüsselt werden dürfen sie allerdings nur dann, wenn sie zu einem erhöhten
Ressourcenverbrauch geführt haben.
Aufgrund der PCCL und weiterer Parameter (siehe Abbildung 6 auf Seite 20) werden im
letzten Schritt die Basis-DRGs aufgesplittet, wobei bei 213 Basis-DRGs keine weitere
Unterteilung stattfindet und nur in 6 Fällen eine Aufteilung in 4 Schweregrade erfolgt. Dieses
Konzept der kumulierten Schweregraddifferenzierung wird als der zur Zeit modernste Ansatz
der DRG-Entwicklung beurteilt
38
. Insgesamt ergeben sich dann 661 abrechenbare DRGs.
Der Split wird durch die Buchstaben A bis 4 an der vierten Stelle der Kodierung kenntlich
gemacht; hierbei kodieren die Buchstaben den Ressourcenverbrauch, A stellt dabei den
höchsten, D den niedrigsten Verbrauch dar
39
.
12 der 661 AR-DRGs sind für Tagesfälle vorgeshen, d.h. teilstationäre Behandlungen im
Krankenhaus, wobei der Patient noch am Aufnahmetag entlassen wird
40
.
38
Rochell, 8/2000, S. II; Clade, 2000, S. 342; Mansky, 2001, S. 188f
39
Günster, 2000, S.7ff
40
Clade, 2000, S. 342

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
__________________________________________________________________________________________
28
Eine Übersicht über den Algorithmus gibt Abbildung 9.
Abbildung 9: Gruppierungsalgorithmus im AR-DRG-System
Zusammengefasst weisen die AR-DRGs folgende Unterschiede zu den meisten anderen
DRG-Systemen auf, die auch für die Selbstverwaltungspartner in Deutschland
mitentscheidend waren (siehe auch 5.2.)
41
:
- neben der Trennung in operativ und konservativ existieren unterhalb der MDC-Ebene
noch ,,sonstige Fälle"
- systematische Schweregraddifferenzierung mit teilweiser Zusammenfassung zwei
oder mehrerer kostenähnlicher Schweregradstufen, so dass die Gesamtzahl der DRGs
überschaubar bleibt
- größte medizinische Aktualität
- 12 DRGs für Tagesfälle
- systematische Nomenklatur, wobei die Basis-DRGs dreistellige und die abrechenbaren
DRGs vierstellige Bezeichnungen tragen
41
Rochell 8/2000, S. III-IV

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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29
NordDRGs
Finnland begann im skandinavischen Bereich als Vorreiter bereits 1983 mit ersten
Vorarbeiten für ein eigenständiges DRG-System. Auch Schweden und Norwegen folgten bald
mit der Evaluierung von HCFA-, AP- und RDRGs.
Die erste Version auf Basis der HCFA-DRGs wurde 1985 fertiggestellt. Da man aber mit
bestimmten Elementen der aus den USA stammenden Grouper-Software unzufrieden war, die
amerikanischen Relativgewichte nicht übertragbar waren und man es zudem als notwendig
erachtete, auf der Basis der eigenen medizinischen Tradition entstandenen Prozeduren an
Stelle der amerikanischen zu setzen, wurden die HCFA-DRGs modifiziert
42
. Basierend auf
den finnischen Vorstudien und der Version 12 der HCFA-DRGs wurde ein speziell auf die
Belange der Nordländer ausgerichtetes System entwickelt. Hieraus entstanden 1995 unter der
Federführung des Nordic Medico Statistical Committee (NOMESCO) die NordDRGs, die
sich in der Systematik noch eng am amerikanischen Vorbild orientieren. Allerdings wurden
sie dem ICD-10 angepaßt, DRGs für Kinder und Neugeborene definiert und der
amerikanische Entscheidungsbaum auf Entscheidungstabellen vereinfacht. Die NordDRGs
umfassen zur Zeit 25 MDCs und 492 Fallgruppen. Für den Einsatz in Finnland, Schweden,
Dänemark und Norwegen wurden diese jeweils länderspezifisch leicht abgewandelt
43
.
HRG
Nach einer ersten Einführung eines DRG-Systems in Großbritannien Mitte der 80er Jahre,
wurden seit 1991 unterschiedliche Projekte mit HCFA-DRGs in England, Schottland und
Wales durchgeführt. Ziel war es, die HCFA-DRGs gezielt auf die Leistungs- und
Kostenstruktur in Großbritannien hin anzupassen und zur Herstellung einer größeren
klinischen Relevanz zu überarbeiten. Diese Weiterentwicklung mündete 1992 in der
Veröffentlichung der Healthcare Resource Groups (HRGs) mit 18 MDCs und 500 HRGs.
44
.
1996 ist das System um eine Detail-Klassifikation ergänzt worden, so dass rund 25.000
Untergruppen entstanden. Dies hatte einen hohen Differenzierungsgrad zur Folge, führte
allerdings auch zu teilweidse sehr kleinen Fallzahlen in den einzelnen Gruppen
45
. Die seit
1997 im Einsatz befindliche Version 3 der HRGs orientiert sich bei etwas höherer
42
Sell, 2000, S. 106; Preusker, 1999, S. 44
43
Rochell, 2001, S. 51ff
44
Sell, 2000, S. 106; Rochell, 2001, S. 60f
45
Preusker, 1999, S. 47

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
__________________________________________________________________________________________
30
Differenzierung wieder enger an den HCFA-DRGs und weist 18 MDCs sowie 572
Fallgruppen auf
46
.
2.4. Kritik am DRG-System
In diesem Kapitel soll auf die grundlegende Kritik an den DRGs als Patientenklassifikations-
und Abrechnungssystem eingegangen werden. Nicht berücksichtigt wird hierbei Kritik an
einzelnen oben genannten Systemen bzw. deren Anwendung in verschiedenen Ländern, da
dies zum Teil in Kapitel 4 erläutert wird. Probleme und Auswirkungen nach der praktischen
Umsetzung in den USA werden ausführlich in Kapitel 3.3. behandelt, so dass hier nur die
grundlegende Kritik näher beleuchtet werden soll.
,,Ablehnung der DRGs in jetziger Form"
47
Schon in der Frühphase der DRGs wurde die Einteilung der Patienten in bestimmte Gruppen
kritisiert, da jeder Patient bzw. Behandlungsfall einzigartig und nicht mit anderen
vergleichbar sei. Dies gelte insbesondere für die ältere Bevölkerung der Medicare-
Versicherung in den USA (siehe Kapitel 3.1.), auf die die DRGs zunächst Anwendung
fanden, da diese eine Vielzahl von Diagnosen aufweist, die vom DRG-System nicht adäquat
widergegeben werden
48
.
Das ist aus medizinischer Sicht zwar in gewissem Maße nachvollziehbar, aber ökonomisch
betrachtet konnten statistisch wiederkehrende Muster identifiziert und beschrieben werden, so
dass eine Gruppeneinteilung möglich wurde.
Auch wurde gesagt, die Einteilung von Patienten sei unethisch, da jeder wie ein Individuum
zu behandeln sei und nicht wie eine Gruppe oder Nummer
49
.
Dieses Problem ist nicht so ohne weiteres von der Hand zu weisen, daher muß von seiten der
Ärzte und in der Arztausbildung frühzeitig gegengesteuert werden, um diese rein
46
Rochell, 2001, S. 60f
47
Überschrift über der den Entschließungen zum Tagesordnungspunkt V des 104. Deuteschen Ärztetages vom
22. bis Mai 2001 in Ludwigshafen
48
Rubin, 1984, S. 341
49
Hindle, 1992, S. 866

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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ökonomische Sichtweise des Patienten zu verhindern. Außerdem ist es nicht spezifisch,
sondern betrifft alle Patientenklassifikationssysteme in gleicher Weise
Einer der wesentlichen Kritikpunkte, die bereits kurz nach der Entwicklung der DRGs und
noch weitaus stärker nach deren Einführung aufkamen, ist, dass die DRGs die
Krankheitsschwere (severity of illness) nur sehr unzureichend abbilden
50
. Daher wurden
verschiedene andere Systeme entwickelt, die weitaus größeren Wert auf die Abbildung der
Krankheitsschwere legten; allerdings setzte sich keines dieser Systeme zum Vergütung von
Krankenhausleistungen durch. Dies lag zum einen an der teilweise unüberschaubaren Anzahl
von Fallgruppen, zum anderen aber auch wohl daran, dass sich trotz aller Widerstände das
DRG-System in den USA rasch etabliert hatte und die Einführung eines neuen Systems aus
organisatorischen und finanziellen Gründen nicht zweckmäßig erschien.
Länder, die sich an den HCFA-DRGs oder weiterentwickelten Versionen orientierten, waren
sich dieses Mangels zwar bewusst, aber die DRGs waren im Gegensatz zu all den anderen
Systemen bereits über längere Zeit klinisch erprobt, so dass man von den Erfahr ungen
profitieren konnte
51
.
Dem DRG-System wurde vorgeworfen, es sei klinisch nicht sinnvoll, da es z. T. auf
Verfahren für Körperregionen, andererseits aber auch organspezifisch basiert ist. Auch
beziehen sich manche DRGs nicht nur auf Diagnosen, sondern teilweise auch auf
Krankheitsbilder oder sonstige Symptome
52
.
Diese Problematik der (scheinbar) fehlenden Systematik der DRGs wurde in den
fortgeschritteneren Versionen berücksichtigt und führte zu einer verbesserten Systematik.
Bereits 1981 wurde auf ein Problem hingewiesen, das als ,,DRG Creep" oder ,,Upcoding"
bekannt ist: Hierbei handelt es sich um das systematische Falschkodieren, damit dem
Behandlungsfall eine besser vergütete Fallgruppe zugewiesen werden kann
53
.
Zu diesem Punkt wurde nach der DRG-Einführung in den USA, aber auch in anderen
Ländern umfangreiche Studien durchgeführt, die im Kapitel 3.3. beschrieben werden.
50
Freeman, 1995, S. 822; Chulis, 1991, S. 173; Horn, 1985, S. 20; Averill, 1991, S. 228
51
Freeman, 1995, S. 822
52
Coffey, 2001, S. 35
53
Simborg, 1981, S. 1602

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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Zwar ist die Zuweisung einer DRG zu einem Fall aufgrund der erhobenen Patientendaten
durch den Gruppierungsalgorithmus genau vorge geben, aber die Zuweisung der Diagnose,
insbesondere der Hauptdiagnose, zu einem Fall unterliegt dennoch einer gewissen subjektiv-
ärztlichen Beurteilung
54
. Dies eröffnet Raum für Manipulationen.
Zudem wird der bis heute in den USA verwendete Diagnose- und Prozedurencode auf Basis
des ICD-9-CM als veraltet und unzureichend angesehen.
Außerdem wurde kritisiert, dass die ICD-Klassifikation zur Sammlung von Morbiditäts- und
Mortalitätsstatistiken zu epidemiologischen Zwecken aufgestellt wurde und daher als
Grundlage für ein Klassifikations- und Abrechnungssystem nicht unbedingt geeignet ist
55
.
Ein weiterer häufig genannter Kritikpunkt ist die zu geringe Homogenität der einzelnen
Fallgruppen bzw. eine zu große Varianz, insbesondere bezüglich des Ressourcenverbrauchs,
aber auch aus medizinischer Sicht. Sind die Gruppen nicht homogen genug, vermindert sich
deren Aussagekraft in Vergleichen und Eignung als definiertes Produkt bzw. Kostenträger
56
.
Diese mangelnde Homogenität kann aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu Benachteiligungen
von Krankenhäusern führen, die innerhalb der jeweiligen Behandlungsgruppe schwerer
erkrankte Patienten oder mehr Notfälle behandelt als andere Krankenhäuser, da beide die
gleiche Vergütung bekommen. Aus medizinischer Sicht erschwert die fehlende Homogenität
Qualitätsvergleiche mittels DRGs
57
.
Andererseits muss man bedenken, dass jede DRG einen Mittelwert von Ressourcenverbrauch
bzw. Kosten repräsentiert, so dass eine gewisse Schwankung um diesen Durchschnittswert
systemimmanent ist, was sic h auf Unterschiede seitens des Patienten, aber auch in der
Behandlung zurückführen lässt. Hier gilt das bereits für die Kritik an der Krankheitsschwere
gesagte: Es wurden Klassifikationen mit größerer Homogenität entwickelt, was aber praktisch
immer zu einer deutlichen Ausweitung der Fallgruppenzahl und damit zu Unübersichtlichkeit
führte.
Weniger das Klassifikationssystem an sich als vielmehr die Implementierung zu
Vergütungszwecken, führt dazu, dass ein Teil des Kostenrisikos im Gesundheitswesen auf die
Leistungsanbieter übertragen wird
58
. Diese Leistungsanbieter können aber die Nachfrage
54
Fetter, 1980, S. 21
55
Hsia, 1988, S. 353
56
Merrill, 1984, S. 518ff; Fischer, 2001, S. 28
57
Horn, 1985, S. 20; Roeder, 2001, S. 780
58
Chulis, 1991, S. 167

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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nicht gezielt steuern, was das Risiko weiter erhöht. Andererseits könnten Anbieter geneigt
sein, Patienten mit ,,profitablen" Diagnosen vermehrt aufzunehmen, was zu Lasten der
Kostenträger und der nicht aufgenommenen Patienten geht.
Die möglicherweise unprofitablen Patienten nicht stationär aufzunehmen, sondern sie an
andere Einrichtungen zu verweisen, hat als ,,dumping" Einzug in die Fachliteratur gefunden
59
.
Diese Möglichkeit zur Mengenerhöhung bzw. Mittel das zu verhindern, sind zur Zeit
Gegenstand einer Diskussion unter den Selbstverwaltungspartnern in Deutschland. Daher
wird auf Kapitel 5 verwiesen, die Maßnahmen der USA zur Mengensteuerung finden sich im
Kapitel 3.2.
Ebenfalls eher die Einführung der DRGs zu Vergütungszwecken betreffend kamen bereits
kurz nach der Implementierung Zweifel auf, ob das Ziel der Kostensenkung erreicht werden
kann. Es wurde davon ausgegangen, dass Krankenhäuser relativ schnell lernen, wie man mit
dem neuen System nicht nur lebt, sondern auch Gewinne macht. Gewinne für Krankenhäuser
bedeuten zwangsläufig, dass nicht der volle erwünschte Einspareffekt seitens der
Kostenträger realisiert werden kann
60
.
Wie in Kapitel 3.3. und 3.4. näher ausgeführt, gelang und gelingt es den Kliniken in den USA
tatsächlich, ihre Gewinne zu stabilisieren oder sogar auszubauen.
Die Nutzung der Verweildauer als Maß für den Ressourcenverbrauch in den ersten Jahren der
DRGs ist ebenfalls nicht unumstritten, da sie eine sehr grobe Maßeinheit für die tatsächlichen
Kosten ist. Andererseits waren die Daten zur Verweildauer schnell und einfach verfügbar,
standardisiert und reliabel
61
.
Im Rahmen der Weiterentwicklung der DRGs wurde dieser Punkt aufgegriffen, indem man
mehr auf die mittlerweile existierenden Daten der Kostenrechnung zurückgriff.
Da die Anwendung bestimmter Behandlungsverfahren, insbesondere Operationen, ein
wesentlicher Aspekt der Kodierung ist, bestand zumindest theoretisch der Anreiz, die
profitabelste statt der angemessenen oder kosteneffektivsten Behandlung anzuwenden
62
. Dies
könnte zum einen nachteilig für den Patienten sein, zum anderen führt es aber auch zu
Kostensteigerungen.
59
Merrill, 1984, S. 522; Horn, 1986, S. 484
60
Merrill, 1984, S. 524
61
Fetter, 1980, S. 3
62
Coffey, 1999, S. 8

Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs)
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Das Problem der Veränderung der Behandlungsqualität nach Einführung der DRGs wird im
Kapitel 3.3. näher beleuchtet.
Andererseits könnten Ärzte in den ethischen Konflikt geraten, dass sie bestimmte als
prinzipiell notwendig erachtete diagnostische oder therapeutische Verfahren aus
wirtschaftlichen Gründen unterlassen
63
. Dies könnte den Patienten gefährden und der
Behandlungsqualität abträglich sein.
Die Frage, ob bewusst profitable Verfahren eingesetzt und teure Verfahren vermieden wurden
und dadurch die Behandlungsqualität verändert wurde, wird in Kapitel 3.3. weiter verfolgt.
Sollte die Behandlungsqualität in einem Krankenhaus so niedrig sein, dass sich der
Gesundheitszustand des Patienten im Laufe der Behandlung verschlechtert, so kann dies zur
Einstufung in eine höher vergütet DRG führen. Dadurch würde die schlechte
Behandlungsqualität durch das DRG-System ,,belohnt"
64
.
Ein grundsätzliches Problem von Patientenklassifikationssystemen, die auf Abrechnungsdaten
beruhen, besteht darin, dass sie nur den Zustand des Patienten bei Entlassung berücksichtigen,
nicht jedoch bei Aufnahme. Dadurch wird eine mögliches Verschulden des Krankenhauses in
der Behandlung nicht erfasst. Verstirbt ein Patient zum Beispiel in der Klinik, werden häufig
63
Begley, 1987, S. 107
64
Forgione, 1999, S. 74
Abbildung 10: Der ethische
Konflikt des Arztes im
DRG-System (Quelle:
www.humanmed.de)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832449018
ISBN (Paperback)
9783838649016
DOI
10.3239/9783832449018
Dateigröße
5.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Duale Hochschule Baden-Württemberg Mannheim, früher: Berufsakademie Mannheim – Wirtschaft
Erscheinungsdatum
2002 (Januar)
Note
1,0
Schlagworte
e-commerce multimedia internet nutzerverhalten online marketing
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