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Fundamentalfaktoren versus sich selbst erfüllende Erwartungen

Traditionelle und neuere Erklärungsansätze für Währungskrisen

©2002 Diplomarbeit 111 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts haben zahlreiche schwere Währungskrisen gesehen, darunter die Krise des EWS (1992-93), die lateinamerikanische „Tequila-Krise“ (1994-95) und die Asienkrise (1997-98). Während diese Krisenepisoden den Eindruck bestätigen, daß Systeme fester Wechselkurse unvermeidbar zum Scheitern verurteilt sind, herrscht unter Ökonomen jedoch keinesfalls Einigkeit über die Ursachen von spekulativen Angriffen, welche eine Währungskrise konstituieren und letztlich die Aufgabe des Fixkurses erzwingen. In der traditionellen Sicht, erstmals von Krugman (1979) in einem Modell formalisiert, sind Währungskrisen auf die Verschlechterung makroökonomischer Fundamentalfaktoren, der fundamentals, zurückzuführen. Durch Devisenspekulationen werden die Regierungen dann lediglich einer wünschenswerten Disziplinierung unterworfen, indem eine untragbare Geld- und Fiskalpolitik bestraft wird. Demgegenüber schieben die Regierungen krisengeschüttelter Länder die Schuld nur allzu gerne den Spekulanten zu, durch deren willkürliches Treiben gesunde Volkswirtschaften zu Fall gebracht würden. Untermauert wird diese Haltung oftmals mit dem Hinweis auf Mechanismen sich selbst erfüllender Markterwartungen, die Gegenstand theoretischer Arbeiten insbesondere von Obstfeld (1994, 1995, 1997) sind.
Die vorliegende Arbeit soll nun einen Überblick über die verschiedenen Erklärungsansätze für Währungskrisen geben und auf diese Weise versuchen, etwas Licht in die Debatte um Fundamentalfaktoren und sich selbst erfüllende Erwartungen zu bringen. Dabei wird deutlich, daß Währungskrisen eine unvermeidbare Folge der grundsätzlichen Problematik fixer Wechselkursregime sind, nämlich des Zielkonflikts zwischen interner und externer Stabilität. Bei der Darstellung der verschiedenen Ansätze wird insbesondere Wert gelegt auf ihre jeweiligen theoretischen Grundlagen. So wird das Krugman-Modell aus dem Salant-Henderson-Modell für Preisfixierungen bei nicht-erneuerbaren Ressourcen hergeleitet, das Obstfeld-Modell aus dem Zeitkonsistenzproblem von Kydland und Prescott bzw. aus dem Barro-Gordon-Modell. Auch die Erklärungsansätze der dritten Generation werden erläutert, in deren Mittelpunkt die engen Verbindungen zwischen Währungs- und Bankenkrisen sowie die Auswirkungen von Währungskrisen auf den realen Sektor der Volkswirtschaft stehen. Die Arbeit schließt mit einer Diskussion der wichtigsten wirtschaftspolitischen Implikationen. Im Anhang findet sich die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Das Problem des Zahlungsbilanzausgleichs
1.2. Der Konflikt zwischen interner und externer Stabilisierung bei fixierten Wech-selkursen
1.3. Spekulationen bei fixierten Wechselkursen

2. Erklärungsansätze der ersten Generation
2.1. Erklärung von Währungskrisen bei exogen determinierter Politik
2.1.1. Theoretische Grundlagen: Die Problematik von Preisfixierungen
2.1.2. Das Grundmodell von Krugman in seiner linearisierten Form (Krugman-Flood-Garber-Modell)
2.1.3. Erweiterungen des Grundmodells
2.2. Erkenntniswert und empirische Relevanz

3. Erklärungsansätze der zweiten Generation
3.1. Erklärung von Währungskrisen bei endogen determinierter Politik
3.1.1. Theoretische Grundlagen: Das Koordinationsproblem des Marktes und das Zeitkonsistenzproblem der Politik in spieltheoretischer Sicht
3.1.2. Das Modell von Obstfeld
3.1.3. Alternative Beispiele und Modellerweiterungen
3.2. Erklärungsansätze in Anknüpfung an die zweite Modellgeneration
3.2.1. Versuche zur Synthese der ersten und zweiten Modellgeneration
3.2.2. Herding und global games
3.2.3. Contagion
3.3. Erkenntniswert und empirische Relevanz

4. Erklärungsansätze der dritten Generation
4.1. Erklärung von Währungskrisen im Zusammenhang mit Krisen des Finanz-sektors
4.1.1. Theoretische Grundlagen: Erklärungsansätze für bank runs in einer ge-schlossenen Volkswirtschaft
4.1.2. Modelle für bank runs mit Eigenschaften offener Volkswirtschaften
4.1.3. Modelle für Währungskrisen mit integriertem Bankensektor
4.2. Erklärung von Währungskrisen im Zusammenhang mit Krisen des realen Sektors
4.2.1. Theoretische Grundlagen: Der balance sheet approach in einer geschlos-senen Volkswirtschaft
4.2.2. Der balance sheet approach in einer offenen Volkswirtschaft
4.3. Erkenntniswert und empirische Relevanz

5. Wirtschaftspolitische Schlußfolgerungen
5.1. Geld- und Fiskalpolitik im Rahmen der Krise
5.2. Die Debatte um Kapitalverkehrskontrollen
5.3. Die Wahl des Wechselkursregimes

Mathematischer Anhang
A. Herleitung der attack time tA im Krugman-Flood-Garber- Modell
B. Herleitung der rational erwarteten Wechselkursänderung im Obstfeld -Modell

Literaturverzeichnis

Ehrenwörtliche Erklärung

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Der gleichgewichtige Preispfad ohne Spekulanten im Salant -Modell

Abb. 2: Bestimmung des kritischen Reserveniveaus im Salant -Modell

Abb. 3: Die shadow exchange rate und der Zeitpunkt des spekulativen Angriffs im Krugman-Flood-Garber- Modell

Abb. 4: Geldmenge, Kreditbestand und Währungsreserven im Krugman-Flood-Garber- Modell

Abb. 5: Die Interaktion zwischen Spekulanten bei unterschiedlich hohen Währungs-reserven der Zentralbank

Abb. 6: Multiple Gleichgewichte im Obstfeld -Modell

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts haben zahlreiche schwere Währungskrisen gesehen, darunter die Krise des EWS (1992-93), die lateinamerikanische „Tequila-Krise“ (1994-95) und die Asienkrise (1997-98).[1] Alle diese Krisen trafen Länder, die den Wechselkurs ihrer Währung gegenüber einer anderen in irgendeiner Form fixiert hatten.[2] Tatsächlich hat bereits Mundell (1961a) festgestellt, daß Währungskrisen ein Bestandteil der internationalen Wirtschaftsbeziehungen bleiben, solange es fixe Wechselkurse gibt.[3]

Während die Krisenepisoden des letzten Jahrzehnts den Eindruck bestätigen, daß Systeme fester Wechselkurse unvermeidbar zum Scheitern verurteilt sind, herrscht unter Ökonomen jedoch keinesfalls Einigkeit über die Ursachen von spekulativen Angriffen, welche eine Währungskrise konstituieren und letztlich die Aufgabe des Fixkurses erzwingen.[4] In der traditionellen Sicht, erstmals von Krugman (1979) in einem Modell formalisiert, sind Währungskrisen auf die Verschlechterung makroökonomischer Fundamentalfaktoren, der fundamentals, zurückzuführen.[5] Durch Devisenspekulationen werden die Regierungen dann lediglich einer wünschenswerten Disziplinierung unterworfen, indem eine untragbare Geld- und Fiskalpolitik bestraft wird.[6] Demgegenüber schieben die Regierungen krisengeschüttelter Länder die Schuld nur allzu gerne den Spekulanten zu, durch deren willkürliches Treiben gesunde Volkswirtschaften zu Fall gebracht würden.[7] Untermauert wird diese Haltung oftmals mit dem Hinweis auf Mechanismen sich selbst erfüllender Markterwartungen, die Gegenstand theoretischer Arbeiten insbesondere von Obstfeld (1994, 1995, 1997) sind.[8]

Dabei handelt es sich keinesfalls um eine rein akademische Diskussion, weil die Erklärung von Währungskrisen nicht nur die öffentliche Einstellung gegenüber Spekulanten beeinflußt, sondern auch wichtige wirtschaftspolitische Schlußfolgerungen nach sich zieht.[9] So wird etwa nicht selten Regierungen nahegelegt, ihre Länder durch die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen vor destabilisierend wirkenden Finanzströmen zu schützen.[10]

Die vorliegende Arbeit soll nun einen Überblick über die verschiedenen Erklärungsansätze für Währungskrisen geben und auf diese Weise versuchen, etwas Licht in die Debatte um Fundamentalfaktoren und sich selbst erfüllende Erwartungen zu bringen. Zunächst sei eine Währungskrise definiert als die abrupte Änderung eines zuvor fixierten nominalen Wechselkurses infolge eines spekulativen Angriffs.[11] Diese Definition umfaßt die Möglichkeit sowohl einer Aufgabe des festen Wechselkursregimes als auch einer bloßen Neuanpassung des Festkurses (realignment). Wird diese Anpassung jedoch nicht unter dem Druck von Marktkräften vorgenommen, so kann es sich um keine Währungskrise handeln.[12] Andererseits berücksichtigen manche empirische Studien zusätzlich auch spekulative Angriffe, die nicht erfolgreich waren.[13] Unter fixen Wechselkursen schließlich sollen anpassungsfähige Festkurse (pegged but adjustable exchange rates, System der Stufenflexibilität) verstanden werden:[14] Die Kurse werden temporär fixiert und können prinzipiell angepaßt werden, um fundamentalen Zahlungsbilanzproblemen zu begegnen.[15] Die Frage, ob oder in wieweit man im Zusammenhang mit flexiblen Wechselkursen überhaupt von Währungskrisen sprechen kann, etwa aufgrund von spekulativen Blasen (bubbles),[16] wird durch die obige Definition ausgeklammert und im folgenden auch nicht weiter erörtert.

Gewöhnlich unterscheidet man nun bei den Erklärungsansätzen für Währungskrisen die Modelle der ersten und der zweiten Generation, wobei diese Aufteilung bedeutungsgleich ist mit der Differenzierung in Modelle mit exogen und endogen determinierter Politik.[17] Während die erste Modellgeneration im Abschnitt 2 der vorliegenden Arbeit erläutert wird, ist die zweite Generation Gegenstand des dritten Abschnitts. Die jüngsten Ansätze, die Währungskrisen insbesondere im Zusammenhang mit Krisen des Finanzsektors erklären und im allgemeinen zur dritten Generation zusammengefaßt werden,[18] sollen dann im Abschnitt 4 behandelt werden. Die Arbeit schließt mit einer Diskussion der wichtigsten wirtschaftspolitischen Implikationen. Zunächst soll aber der Rest dieses ersten Abschnitts darauf verwendet werden, die grundsätzliche Problematik fester Wechselkurse darzustellen und damit die Basis für die weitere Argumentation zu schaffen.

1.1. Das Problem des Zahlungsbilanzausgleichs

Geht man nur von autonomen Transaktionen aus, also solchen, die ohne Rücksicht auf die Zahlungsbilanzsituation erfolgen, dann fällt der Ausgleich der Zahlungsbilanz mit dem Gleichgewicht auf dem Devisenmarkt zusammen.[19] Während ex post angebotene und nachgefragte Devisenmengen stets übereinstimmen, muß durch einen Mechanismus sichergestellt sein, daß ex ante Divergenzen zwischen Devisenangebot und -nachfrage beseitigt werden.[20] In Anlehnung an Friedman (1953) sollen hier vier solcher Möglichkeiten des Zahlungsbilanzausgleichs unterschieden werden: Wechselkursänderungen, Änderungen des inländischen Preisniveaus oder Einkommens, direkte Kontrollen und Änderungen der Währungsreserven.[21]

Bei flexiblen Wechselkursen wird der Zahlungsbilanzausgleich durch die freie Preisbildung auf dem Devisenmarkt erreicht (Wechselkursmechanismus).[22] Jeder Überhang der Devisennachfrage wird durch einen höheren Wechselkurs beseitigt, indem dieser die Nachfrage dämpft und das Angebot erhöht.[23] Umgekehrt führt ein Überschuß des Devisenangebots über die -nachfrage hinaus so lange zu einer Aufwertung der inländischen Währung, bis der Angebotsüberhang vollständig verschwunden ist.[24]

Soll nun der Wechselkurs fixiert werden, dann muß die Zentralbank stets bereit sein, zu diesem Kurs die ausländische Währung im Handel mit privaten Transakteuren auf dem Devisenmarkt zu kaufen oder verkaufen.[25] Übersteigt die Nachfrage auf dem Devisenmarkt das Angebot, ist die Zentralbank gezwungen, Devisen aus ihren Währungsreserven abzugeben und dafür inländische Währung entgegenzunehmen, so daß die Geldmenge sinkt.[26] Liegt dagegen ein Angebotsüberhang vor, so müssen infolge der Notenbankinterventionen Währungsreserven und Geldmenge steigen.[27] Während durch die induzierten Transaktionen der Zentralbank Angebot und Nachfrage auf dem Devisenmarkt zur Übereinstimmung gebracht werden, verharrt aber die autonome Zahlungsbilanz zunächst weiterhin im Ungleichgewicht.[28]

Jedoch führt auch bei fixen Wechselkursen ein automatischer Mechanismus zum Zahlungsbilanzausgleich, nämlich der von Hume (1752) entdeckte Geldmengen-Preismechanismus (price-specie flow mechanism, Hume sches Gesetz).[29] Dieser dem Goldstandard innewohnende Anpassungsprozeß basiert auf der klassischen Ansicht, daß die durch die Zentralbankinterventionen ausgelösten Geldmengenänderungen gemäß der Quantitätstheorie proportionale Veränderungen des Preisniveaus bedingen.[30] Tatsächlich können Preisänderungen im Inland grundsätzlich die gleichen Effekte auf die Zahlungsbilanz erzielen wie Wechselkursänderungen.[31]

In einem keynesianischen Umfeld, gekennzeichnet durch Starrheit der Preise und Löhne sowie durch Unterbeschäftigung, wirken Veränderungen des Nominaleinkommens ebenfalls in Richtung auf einen Zahlungsbilanzausgleich.[32] Während aber im klassischen Fall Bewegungen des Preisniveaus bei konstantem Realeinkommen die Anpassungen herbeiführen, so beruht der automatische Funktionsmechanismus hier auf Änderungen des realen Outputs bei konstanten Preisen.[33] Nun gelangt die keynesianische Multiplikatoranalyse jedoch zu dem Ergebnis, daß eine autonome Exportzunahme lediglich eine geringere Importsteigerung induziert.[34] Damit wäre der Einkommensmechanismus an sich nicht imstande, Störungen der Leistungsbilanz völlig zu beseitigen, woraus oftmals eine Tendenz fixer Wechselkurssysteme zu Zahlungsbilanzungleichgewichten abgeleitet wird.[35] Allerdings zeigt Mundell (1961b), daß auch unter keynesianischen Prämissen ein vollständiger Zahlungsbilanzausgleich zustande kommt, sofern die Geldmenge über Zinssätze und Investitionen auf das Einkommen wirkt (Geldmengen-Einkommensmechanimus, income-specie flow mechanism).[36]

Eine dritte Möglichkeit des Zahlungsbilanzausgleichs besteht in der Einführung direkter staatlicher Kontrollen des Leistungs- und Kapitalverkehrs.[37] Diese Art der Anpassung bringt jedoch eine Reihe schwerwiegender Probleme mit sich, darunter die Notwendigkeit der Vorhersagbarkeit der Güter- und Kapitalbewegungen, die Verzerrung der Zusammensetzung und des Umfangs dieser Ströme, Effizienzverluste bei der Güterproduktion und -verteilung, administrative Schwierigkeiten und die Umgehung der Kontrollen durch private Wirtschaftssubjekte sowie die Möglichkeit von Vergeltungsmaßnahmen des Auslandes.[38]

Während die bisher vorgestellten Anpassungsprozesse jeweils zu einer Zahlungsbilanzkorrektur führen, stellt der nun folgende Mechanismus über eine Änderung der Währungsreserven lediglich eine Zahlungsbilanzfinanzierung dar.[39] Dabei wird die überschüssige Nachfrage nach in- oder ausländischer Währung auf dem Devisenmarkt jeweils durch ein entsprechendes Angebot der Zentralbank befriedigt.[40] Wie bereits erwähnt, wird dadurch zwangsläufig eine Zahlungsbilanzkorrektur über den Geldmengen-Preis- bzw. Geldmengen-Einkommensmechanismus hervorgerufen.[41] Hier soll jedoch unterstellt werden, daß die Zentralbank diesen Automatismus außer Kraft setzt, indem sie ein Durchschlagen des Zahlungsbilanzungleichgewichts auf die Geldmenge durch konterkarierende geldpolitische Maßnahmen verhindert (Neutralisierungs-, Sterilisierungs- oder Kompensationspolitik).[42] Da demnach der Devisenmarkt zwar ins Gleichgewicht gebracht wird, die grundsätzlichen Zahlungsbilanzprobleme aber nicht behoben werden, sollte eine derartige Finanzierung nur bei geringen und temporären Ungleichgewichten der Zahlungsbilanz erfolgen.[43] Im Fall eines Zahlungsbilanzdefizits ist dessen Finanzierung nämlich durch den Umfang der Währungsreserven und der internationalen Verschuldungsmöglichkeiten der Zentralbank beschränkt.[44] Umgekehrt muß die Zentralbank bei einem persistenten Überschuß bereit sein, Währungsreserven unbegrenzt zu akkumulieren.[45]

Die eine oder andere der vier vorgestellten Methoden des Zahlungsbilanzausgleichs muß nun ergriffen werden, um Störungen im Leistungs- oder Kapitalverkehr zu begegnen.[46] Diese Notwendigkeit könnte nur durch einen vollständigen Abbruch der internationalen Wirtschaftsbeziehungen umgangen werden, und auch dies wäre letztlich nur eine extreme Form direkter Kontrollen.[47]

1.2. Der Konflikt zwischen interner und externer Stabilisierung bei fixierten Wechselkursen

Geht man jetzt von festen Wechselkursen aus und abstrahiert zunächst von den Möglichkeiten der Stufenflexibilität, der direkten Kontrollen und der Zahlungsbilanzfinanzierung, so ruht die gesamte Last des Zahlungsbilanzausgleichs auf den Änderungen des inländischen Preisniveaus oder Einkommens über die Anpassung der Geldmenge.[48] In einem solchen System stellt der Wechselkurs die exogene, politisch determinierte Größe dar, wohingegen die Geldmenge endogen bestimmt wird: Sie muß sich stets so anpassen, daß sie mit dem vorgegebenen Wechselkurs kompatibel ist.[49] Damit verliert die Zentralbank aber ihre Fähigkeit, mit Hilfe der Geldpolitik Preisniveau und Output zu steuern.[50] Angenommen, die Notenbank möchte eine expansive Geldpolitik betreiben und steigert deshalb durch den Ankauf inländischer Staatsanleihen die Geldmenge, dann erhöht diese Maßnahme über niedrigere Zinsen und höhere Investitionen das Einkommen.[51] Infolge der Einkommenszunahme steigen die Güterimporte, infolge der Zinssenkung die Kapitalexporte, so daß beide Effekte gleichgerichtet ein Zahlungsbilanzdefizit herbeiführen.[52] Die dadurch notwendigen Interventionen der Zentralbank am Devisenmarkt reduzieren ihre Währungsreserven, die Geldmenge sinkt.[53] Über höhere Zinsen muß dann auch der Output wieder schrumpfen, bis das externe Ungleichgewicht beseitigt ist und Geldmenge, Zinsen sowie Einkommen ihr ursprüngliches Niveau schließlich wieder erreicht haben.[54] Im Vergleich zur Ausgangssituation besteht die einzige Veränderung letztlich darin, daß der Anteil der Währungsreserven an der Geldbasis gesunken, der Anteil der heimischen Reserven dagegen gestiegen ist.[55] Entsprechend bewirkt eine kontraktive Geldpolitik lediglich eine Vermehrung der Währungsreserven, ohne aber Geldmenge, Zinsen oder Einkommen nachhaltig zu beeinflussen.[56]

Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs, insbesondere nach der Weltwirtschaftskrise, hat jedoch die Bereitschaft der Regierungen stark abgenommen, diesen Verlust der geldpolitischen Autonomie bzw. die automatische Wirkung von außenwirtschaftlichen Ungleichgewichten über die Geldmenge auf Preisniveau und Einkommen zu dulden.[57] Vielmehr ist man dazu übergegangen, jeden Effekt des Zahlungsbilanzsaldos auf die Geldmenge sofort zu neutralisieren, die Zahlungsbilanz zu finanzieren und die Geldpolitik zur Erreichung der internen Stabilität einzusetzen.[58] Damit aber gerät das Regime fester Wechselkurse zu einem System des externen Ungleichgewichts.[59]

Dieser Konflikt zwischen binnen- und außenwirtschaftlicher Stabilisierung ist auf eine Verletzung des Tinbergen schen Prinzips zurückzuführen, welches besagt, daß zwei wirtschaftspolitische Ziele auch nur durch den Einsatz zweier voneinander unabhängiger Instrumente realisiert werden können.[60] Demnach ist die Geldpolitik allein nicht in der Lage, in einem Fixkurssystem interne und externe Stabilität simultan zu garantieren.[61] Zur Abhilfe schlägt Mundell vor, daß im Rahmen eines policy mix die Geldpolitik dem Ziel des Zahlungsbilanzausgleichs zugeordnet werden soll und die Fiskalpolitik dem Ziel der Vollbeschäftigung.[62] Allerdings muß die Effektivität der Fiskalpolitik aufgrund der unvorhersehbaren Reaktionen der privaten Wirtschaftssubjekte (Lucas -Kritik) und wegen des Problems der time lags stark bezweifelt werden.[63]

1.3. Spekulationen bei fixierten Wechselkursen

Da das Ziel der internen Stabilität politische Priorität genießt, werden in einem Festkurssystem die automatischen Mechanismen des Zahlungsbilanzausgleichs durch Sterilisierung der Zentralbankinterventionen außer Kraft gesetzt.[64] Unter diesen Voraussetzungen erzwingt ein dauerhaftes Zahlungsbilanzdefizit früher oder später die Aufgabe des fixierten Wechselkurses aufgrund der Begrenztheit der Währungsreserven.[65] Um permanenten außenwirtschaftlichen Ungleichgewichten begegnen zu können, behält sich daher die Politik die fallweise Anpassung des Wechselkurses vor.[66]

Während diese Kursänderungen in einem System der Stufenflexibilität prinzipiell in gleicher Weise auf die Zahlungsbilanz wirken wie in einem System voll flexibler Wechselkurse, haben sie auf spekulative Transaktionen jedoch ganz andere Effekte.[67] So treten bei flexiblen Wechselkursen Abwertungen als Begleiterscheinung bzw. Folge von Verkäufen einer Währung auf dem Devisenmarkt auf, wobei die Abwertung die Verkäufe wiederum entmutigt oder bestraft.[68] Daher können Spekulationen bei Wechselkursflexibilität im allgemeinen nur dann destabilisierend wirken, wenn sie mit Verlusten für die Spekulanten verbunden sind.[69]

Demgegenüber haben aber in einem System anpassungsfähiger Festkurse die Spekulanten jeden Anreiz, Devisen aus den Beständen der Zentralbank aufzukaufen, sobald die Regierung in Verdacht gerät, eine Abwertung der Inlandswährung vornehmen zu wollen.[70] Sollte nämlich die Inlandswährung in der Tat abgewertet werden, dann erzielen die Spekulanten dadurch einen Kursgewinn.[71] Umgekehrt verzeichnen sie aber keinen Verlust, wenn die Abwertung ausbleibt, sofern man von Transaktions- oder anderen Kosten der Spekulation abstrahiert, weshalb die Spekulanten über eine praktisch risikolose „ one-way option[72] verfügen.[73] Mit dieser Einbahnspekulation garantiert das System anpassungsfähiger Festkurse ein Maximum an destabilisierend wirkender Spekulation.[74]

Bisweilen wird nun argumentiert, daß fixe Wechselkurse im Falle solcher Spekulationen technisch nicht mehr aufrechterhalten werden könnten, da angesichts der hohen internationalen Kapitalmobilität und der gewaltigen Transaktionsvolumina auf den Devisenmärkten die Währungsreserven der meisten Zentralbanken völlig unzureichend seien.[75] Allerdings verfügen Notenbanken im allgemeinen über internationale Kreditmöglichkeiten, und in einer Situation, in der ein fester Wechselkurs zwischen zwei Währungen von beiden betroffenen Zentralbanken uneingeschränkt unterstützt wird, existieren keinerlei Restriktionen bezüglich der Währungsreserven.[76] Vor allem aber kann die Notenbank mit Hilfe der Zinspolitik die Opportunitätskosten der Spekulation direkt beeinflussen, so daß grundsätzlich jeder spekulative Angriff auf einen Festkurs abgewehrt werden kann, wenn nur die Zinsen hoch genug gesetzt werden.[77] Tatsächlich schrecken Zentralbanken jedoch oftmals vor dieser Möglichkeit zurück, weil sie die Auswirkungen hoher Zinsen auf die inländische Wirtschaft, insbesondere auf Investitionen und Beschäftigung, aber etwa auch auf den Finanzsektor, fürchten.[78] Deshalb wird der Konflikt zwischen interner und externer Stabilität, die Crux des Regimes fixer Wechselkurse, als Ursache nicht nur für Zahlungsbilanzprobleme, sondern letztlich auch für Währungskrisen angesehen.[79]

2. Erklärungsansätze der ersten Generation

Die erste Generation der Erklärungsansätze für Währungskrisen geht nun von der traditionellen Ansicht aus, daß fixe Wechselkurse nur aufrechterhalten werden können, solange sie nicht mit anderen Zielen der Geld- oder Fiskalpolitik in Konflikt geraten.[80] Da aber in diesen Modellen eine solche Inkonsistenz der Politik als Annahme vorausgesetzt wird, ist eine Währungskrise unvermeidbar, und es wird vom Ansatz der exogen determinierten Politik gesprochen.[81]

2.1. Erklärung von Währungskrisen bei exogen determinierter Politik

Das theoretische Fundament für diese Modellrichtung bilden Überlegungen, die insbesondere von Salant und Henderson (1978) sowie Salant (1983) bezüglich staatlicher Preisfixierungen im allgemeinen angestellt wurden und im folgenden zunächst nachvollzogen werden sollen.[82] Das darauf aufbauende Krugman -Modell und seine Erweiterungen werden im Anschluß erläutert.

2.1.1. Theoretische Grundlagen: Die Problematik von Preisfixierungen

Regierungen versuchen immer wieder, durch Preisfixierungen die Unsicherheit in der Volkswirtschaft zu reduzieren und auf diese Weise den gesellschaftlichen Wohlstand zu steigern.[83] Die Einführung fester Wechselkurse zur Förderung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen ist dafür nur ein Beispiel.[84] Nach Ansicht von Townsend (1977) basieren diese Versuche zum Teil auf deterministischen ökonomischen Modellen, die den Eindruck erwecken, Unsicherheit stelle weniger einen notwendigen Bestandteil der Realität dar, sondern vielmehr eine Anomalie.[85]

In Townsends stochastischem Modell wird die Ausstattung einer reinen Tauschwirtschaft mit den Gütern 1 und 2 in jeder Periode neu durch Zufall und unabhängig voneinander bestimmt.[86] Beide Güter können ohne Kosten und ohne Abschreibungn gelagert werden, so daß die Aufgabe der nutzenmaximierenden Wirtschaftssubjekte darin besteht, die Gütermengen zu wählen, die sie in der jeweiligen Periode konsumieren oder in die nächste Periode übertragen möchten.[87] Nun wird angenommen, daß der Staat versucht, gegenüber den Privaten ein festes Austauschverhältnis zwischen beiden Gütern aufrechtzuerhalten, weshalb er Vorräte an beiden Gütern anlegt.[88] Ohne Preisflexibilität muß der Staat alle Störungen im Verhältnis der angebotenen Gütermengen durch seine Reserven akkomodieren, wozu er jedoch nicht in der Lage ist.[89]

Aufgrund des staatlich garantierten Austauschverhältnisses ist für ein Wirtschaftssubjekt nur noch der Wert seiner gesamten Güterausstattung ausgedrückt in Einheiten eines Gutes relevant.[90] Da diese Gesamtausstattung aber nach wie vor stochastisch determiniert wird, ist die Unsicherheit an sich durch die Fixierung des Austauschverhältnisses keinesfalls beseitigt worden.[91] In einer Periode, in der die angebotene Menge von Gut 1 überdurchschnittlich, die von Gut 2 unterdurchschnittlich und die Gesamtausstattung damit durchschnittlich ausfällt, werden die Privaten bestrebt sein, von beiden Gütern jeweils auch durchschnittliche Mengen zu konsumieren, und daher bei der Regierung Gut 1 gegen Gut 2 eintauschen.[92] Mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 muß nun früher oder später eine Anzahl solcher Perioden hintereinander auftreten, die ausreicht, um den staatlichen Vorrat an Gut 2 völlig zu erschöpfen.[93] Tatsächlich gelingt Townsend im Rahmen eines stochastischen Modells der Beweis, daß kein Fixpreis dauerhaft aufrechterhalten werden kann, und zwar unabhängig vom Umfang der Reserven der Regierung.[94] Jedoch unterläßt Townsend eine Untersuchung der Gleichgewichtssituation, die sich bei einer solchen zum Scheitern verurteilten staatlichen Politik einstellt.[95]

Demgegenüber haben Salant und Henderson (1978) auf der Basis des deterministischen Hotelling -Modells für erschöpfbare Ressourcen die Bedeutung spekulativer Angriffe bei der unvermeidlichen Aufgabe von Preisfixierungen hervorgehoben.[96] Nach Hotelling muß der Gleichgewichtspreis für eine nicht-erneuerbare Ressource, etwa Erdöl, unter der Annahme vollständiger Konkurrenz und zu vernachlässigender Förder- und Lagerkosten gemäß dem Zinssatz im Zeitablauf steigen.[97] Dies folgt aus der Annahme, daß die Ölförderer den Gegenwartswert ihrer heutigen und künftigen Gewinne maximieren.[98]

Salant und Henderson betrachten nun den Fall, daß der Staat zu einem bestimmten Preis pfix bereit ist, jede angebotene Ölmenge zu kaufen oder auch seine gesamten Vorräte zu verkaufen.[99] Liegt dieser staatliche Preis unter dem aktuellen Marktpreis, wird sich der Marktpreis unverändert behaupten, weil niemand mit Verlust an die Regierung verkaufen wird und diese zu Beginn über keinerlei Reserven zum Verkaufen verfügen soll.[100] Übersteigt der staatlich fixierte Preis dagegen den Marktpreis, wird dieser entsprechend angehoben und die Regierung einen Ölvorrat erwerben.[101] Da die Förderer ihr Öl nur zum höchsten Gegenwartswert abgeben, können sie nur in zwei Situationen verkaufen: Im Zeitpunkt 0 verkaufen sie Öl an die Regierung und nach Erschöpfung der staalichen Reserven und Aufgabe der Preisfixierung (in t 1) direkt an die Konsumenten.[102] In der Zwischenzeit wird die private Konsumnachfrage durch Verkäufe aus den Regierungsvorräten zum Festpreis befriedigt, was schließlich zur Aufhebung der Preisfixierung führt.[103] Damit muß die Kurve des gleichgewichtigen Preises unstetig sein und aus zwei Ästen bestehen: Zunächst verläuft die Kurve horizontal in Höhe des Fixpreises und springt dann in t 1 auf das Niveau, das sich in Abwesenheit der Fixierung mittlerweile eingestellt hätte, von wo aus der Preis gemäß dem Zinssatz exponentiell bis zum Prohibitivpreis pc (choke price) steigt (siehe Abb. 1, S. 19).[104]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Der gleichgewichtige Preispfad ohne Spekulanten im Salant -Modell

Quelle: Salant, S. W. (1983), S. 8.

Werden nun auch Spekulanten mit vollständiger Voraussicht in die Betrachtung einbezogen, dann beseitigen diese alle intertemporalen Arbitragemöglichkeiten.[105] Damit muß aber die Sprungstelle im Gleichgewichtspfad verschwinden, weil der Preissprung für die Spekulanten den Anreiz darstellt, unmittelbar zuvor zum Festpreis eine unendlich große Ölmenge zu erwerben und diese dann später zum höheren Marktpreis abzustoßen.[106] Unbegrenzte spekulative Käufe sind aber angesichts der beschränkten Ölvorräte nicht mit einem Gleichgewicht vereinbar.[107]

Ohne den Preissprung verkaufen nun die Förderer ihr gesamtes Öl zum Zeitpunkt 0 an die Regierung.[108] Infolge des privaten Ölkonsums sinken die staatlichen Reserven dann stetig im Zeitablauf.[109] Erreichen sie das kritische Niveau qA (attack threshold), erwerben die Spekulanten in einem Moment den gesamten verbliebenen Ölvorrat der Regierung und verkaufen das Öl im Zeitablauf zu Preisen, die gemäß dem Zinssatz steigen.[110] Der kritische Level der staatlichen Reserven als Anlaß für diesen spekulativen Angriff läßt sich auch genau bestimmen.[111] Denn je größer die von den Spekulanten zu absorbierende Ölmenge (q) ist, um so geringer ist der Preis pH, der sich unmittelbar nach der Aufgabe der Preisfixierung gemäß dem Hotelling -Prinzip auf dem Markt bildet.[112] Deshalb wird qA durch die Beziehung pH (q)= pfix genau definiert (siehe Abb. 2, S. 20).[113] Übersteigen die Reserven das kritische Niveau, dann würde ein spekulativer Angriff zu einem Marktpreis führen, der noch unter dem Festpreis liegt, und den Spekulanten damit Verluste bescheren.[114] Bei jedem Level, der niedriger ist als der kritische, wäre dagegen die Differenz zwischen Markt- und Fixpreis positiv und würde daher eine unendlich große Nachfrage der Spekulanten hervorrufen.[115]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Bestimmung des kritischen Reserveniveaus im Salant -Modell

Quelle: Salant, S. W. (1983), S. 10.

Als Ergebnis dieses Modells sei hier herausgestellt, daß bei vollständiger Voraussicht Spekulanten eine Preisfixierung plötzlich, ohne vorher in irgendeiner Form aktiv gewesen zu sein, und noch vor der Erschöpfung der staatlichen Reserven durch die Konsumenten attackieren.[116] Dabei resultiert dieses Verhalten völlig rational aus den Anreizen, die der Staat mit seinem Versuch der Preisfixierung den Marktteilnehmern gibt.[117] Die ökonomische Funktion des spekulativen Angriffs besteht darin, die Vorräte an der erschöpfbaren Ressource dem Staat zu entreißen, der sie sonst weiterhin zu dem niedrigen Festpreis abgeben würde, und sie den Spekulanten zu übertragen, die sie zu Marktpreisen verkaufen, welche die tatsächliche Knappheit der Ressource widerspiegeln.[118] Letztlich kann der Staat mit der Preisfixierung nur den Erlös für seine Reserven festlegen, während der Zeitpunkt und damit auch der Gegenwartswert seiner Verkäufe endogen bestimmt werden.[119]

2.1.2. Das Grundmodell von Krugman in seiner linearisierten Form ( Krugman-Flood-Garber- Modell)

Salants Arbeit hat sich insbesondere gegen Vorhaben gerichtet, im Rahmen einer „Neuen Internationalen Wirtschaftsordnung“ internationale Agenturen die Preise für bestimmte Rohstoffe durch An- und Verkäufe sowie Vorratshaltung stabilisieren zu lassen.[120] Nun hat Krugman (1979) aber erkannt, daß die gleichen Überlegungen auch auf eine Zentralbank angewendet werden können, die versucht, durch Interventionen auf dem Devisenmarkt und Rückgriff auf ihre Währungsreserven den Wechselkurs zu fixieren.[121] Da jedoch die Analyse- und Darstellungsmöglichkeiten des Krugman -Modells aufgrund von nicht-linearen Eigenschaften beschränkt sind,[122] wird es im folgenden nur in seiner von Flood und Garber (1984a) modifizierten Form erörtert.

In diesem Modell besteht der grundsätzliche Konflikt zwischen interner und externer Stabilität darin, daß die Zentralbank eines kleinen Landes einerseits ein staatliches Budgetdefizit durch die Ausdehnung der Geldbasis alimentiert (Seigniorage -Finanzierung), andererseits aber auch einen festen Wechselkurs garantiert, solange sie noch über Währungsreserven verfügt.[123] Es wird unterstellt, daß zu einem permanenten flexiblen Wechselkursregime übergegangen wird, sobald die Reserven erschöpft sind.[124] Die inländischen Wirtschaftssubjekte besitzen vollständige Voraussicht, agieren also unter Sicherheit und können zwischen vier assets wählen, nämlich zwischen inländischem Geld, inländischen Bonds, ausländischem Geld und ausländischen Bonds, wobei in- und ausländische Bonds perfekte Substitute darstellen.[125] Das Modell basiert nun im wesentlichen auf fünf Gleichungen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

wobei Mt, Pt und it für die Geldmenge, das Preisniveau bzw. den Zins im Inland stehen, Rt für die Währungsreserven der Zentralbank als Buchwert in inländischer Währung, Dt für den inländischen Kreditbestand und St für den Wechselkurs (spot rate).[126] Der hochgestellte Index ( ) A zeigt eine (konstante) ausländische Größe an, und der Punkt über der Variable bedeutet ihre Ableitung nach der Zeit.[127]

Gl. (1) definiert auf der rechten Seite die Nachfrage nach realer Kasse als eine negative Funktion des inländischen Zinses und stellt die Bedingung für das Gleichgewicht auf dem Geldmarkt auf.[128] Weil in dieser Welt keine Banken existieren, stimmt nach Gl. (2) die angebotene Geldmenge mit der Geldbasis überein, die aus den Währungsreserven und dem inländischen Kredit besteht.[129] Dabei wächst der Kreditbestand aufgrund der Defizitfinanzierung der Zentralbank gemäß Gl. (3) mit der konstanten Rate m.[130] Schließlich stellen die Gl. (4) und (5) die Kaufkraft- und die ungedeckte Zinsparität her.[131]

Werden nun die Gl. (4) und (5) in die Gl. (1) eingesetzt und die Konstanten zu den neuen Parametern a und b zusammengefaßt, so erhält man

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (6)

mit Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.[132] Geht man von einem fixen Wechselkurs Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten aus, so muß seine Änderung im Zeitablauf gleich null sein Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, und die Substitution von Mt in Gl. (2) durch die rechte Seite von Gl. (6) liefert dann

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[133] (7)

In Verbindung mit Gl. (3) folgt daraus unmittelbar für die zeitliche Änderung der Währungsreserven:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[134] (8)

Während die Zentralbank zur Finanzierung des defizitären Staatsbudgets die angebotene Menge des inländischen Geldes erhöht, muß die Nachfrage nach realer Kasse wegen der internationalen Kapitalmobilität, der daher gültigen ungedeckten Zinsparität und der Fixierung des Wechselkurses konstant bleiben.[135] Aufgrund der Kaufkraftparität in Verbindung mit dem Festkurs kann sich aber auch das inländische Preisniveau nicht vom ausländischen entfernen, weshalb der Überhang an inländischem Geld nicht einfach zu höheren Preisen führt.[136] Die Wirtschaftssubjekte können aber stets das überschüssige Inlandsgeld bei der Zentralbank zum Festkurs gegen Devisen eintauschen,[137] so daß die Änderungen der Währungsreserven den Geldmarkt ins Gleichgewicht bringen.[138] Deshalb müssen gemäß Gl. (8) die Devisenbestände einer Zentralbank, die in einem System fixer Wechselkurse zur Finanzierung des Staatsdefizits kontinuierlich Geld druckt, stetig schrumpfen.[139] Es steht fest, daß die Währungsreserven schließlich erschöpft sein werden und die Fixierung des Wechselkurses aufgegeben werden muß.[140] Zwar werden dadurch die Zahlungsbilanzprobleme eines Landes in einer solchen Situation und das unabwendbare Scheitern des Festkurssystems verständlich, doch es erklärt noch nicht das Phänomen der Währungskrise im Sinne eines spekulativen Angriffs.[141]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Die shadow exchange rate und der Zeitpunkt des spekulativen Angriffs im Krugman-Flood-Garber- Modell

Quelle: Flood, R. P. und Garber, P. M. (1984a), S. 5.

Flood und Garber führen nun das Konzept der shadow exchange rate Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten ein: Es handelt sich dabei um denjenigen Wechselkurs, der sich zum Zeitpunkt t frei auf dem Devisenmarkt bilden würde, wenn die Währungsreserven der Zentralbank aufgebraucht wären und diese folglich ihre Interventionen fortan einstellen müßte.[142] Sobald das Fixkurssystem tatsächlich aufgegeben wird (im Zeitpunkt tA), ist die shadow exchange rate also identisch mit dem herrschenden (flexiblen) Wechselkurs St.[143] Da die Reserven auf null gesunken sind, müssen in dieser Situation gemäß Gl. (2) die Geldmenge und damit nach einfachen quantitätstheoretischen Überlegungen auch das Preisniveau mit dem Kreditbestand steigen.[144] Es gilt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.[145] (9)

Aufgrund der Kaufkraftparität erhöht sich der Wechselkurs proportional zum Preisniveau und bringt so den Geldmarkt ins Gleichgewicht.[146] Der flexible Wechselkurs ergibt sich dann aus Gl. (6) in Verbindung mit Gl. (9):

[...]


[1] Vgl. Pesenti, P. und Tille, C. (2000), S. 3.

[2] Vgl. Calvo, G. A. (1999a), S. 1.

[3] Vgl. Mundell, R. A. (1961a), S. 657.

[4] Vgl. Heinemann, F. und Illing, G. (2000), S. 2.

[5] Vgl. Heinemann, F. und Illing, G. (2000), S. 2.

[6] Vgl. Jeanne, O. (1997), S. 264.

[7] Vgl. Heinemann, F. und Illing, G. (2000), S. 2.

[8] Vgl. Heinemann, F. und Illing, G. (2000), S. 2.

[9] Vgl. Jeanne, O. (1997), S. 264.

[10] Vgl. Jeanne, O. (1997), S. 264.

[11] Vgl. Esquivel, G. und Larraín, B. (1998), S. 8.

[12] Vgl. Bordo, M. D. und Schwartz, A. J. (1996), S. 1 f.

[13] Vgl. Esquivel, G. und Larraín, B. (1998), S. 8.

[14] Vgl. Jarchow, H.-J. und Rühmann, P. (1993), S. 200.

[15] Vgl. Friedman, M. (1953), S. 163.

[16] Vgl. Rose, K. und Sauernheimer, K. (1999), S. 229 ff.

[17] Vgl. Pesenti, P. und Tille, C. (2000), S. 4 f.

[18] Vgl. Krugman, P. R. (2001), S. 1 f.

[19] Vgl. Rose, K. und Sauernheimer, K. (1999), S. 47.

[20] Vgl. Friedman, M. (1953), S. 160.

[21] Vgl. Friedman, M. (1953), S. 160 f.

[22] Vgl. Jarchow, H.-J. und Rühmann, P. (1991), S. 152.

[23] Vgl. Rose, K. und Sauernheimer, K. (1999), S. 48.

[24] Vgl. Rose, K. und Sauernheimer, K. (1999), S. 48.

[25] Vgl. Krugman, P. R. und Obstfeld, M. (2000), S. 494.

[26] Vgl. Jarchow, H.-J. und Rühmann, P. (1993), S. 21.

[27] Vgl. Jarchow, H.-J. und Rühmann, P. (1993), S. 21.

[28] Vgl. Rose, K. und Sauernheimer, K. (1999), S. 105.

[29] Vgl. Willms, M. (1995), S. 96.

[30] Vgl. Jarchow, H.-J. und Rühmann, P. (1993), S. 37.

[31] Vgl. Friedman, M. (1953), S. 164.

[32] Vgl. Rose, K. und Sauernheimer, K. (1999), S. 117.

[33] Vgl. Rose, K. und Sauernheimer, K. (1999), S. 125.

[34] Vgl. Willms, M. (1995), S. 59 ff.

[35] Vgl. Mundell, R. A. (1961b), S. 170.

[36] Vgl. Mundell, R. A. (1961b), S. 159.

[37] Vgl. Jarchow, H.-J. und Rühmann, P. (1993), S. 16.

[38] Vgl. Friedman, M. (1953), S. 167 ff.

[39] Vgl. Jarchow, H.-J. und Rühmann, P. (1993), S. 22 f.

[40] Vgl. Friedman, M. (1953), S. 170.

[41] Vgl. Jarchow, H.-J. und Rühmann, P. (1993), S. 21 f.

[42] Vgl. Rose, K. und Sauernheimer, K. (1999), S. 251.

[43] Vgl. Friedman, M. (1953), S. 170.

[44] Vgl. Friedman, M. (1953), S. 170.

[45] Vgl. Friedman, M. (1953), S. 170.

[46] Vgl. Friedman, M. (1953), S. 172.

[47] Vgl. Friedman, M. (1953), S. 172.

[48] Vgl. Friedman, M. (1953), S. 171 f.

[49] Vgl. Gärtner, M. (1997), S. 217.

[50] Vgl. Krugman, P. R. und Obstfeld, M. (2000), S. 497 ff.

[51] Vgl. Jarchow, H.-J. und Rühmann, P. (1991), S. 157.

[52] Vgl. Jarchow, H.-J. und Rühmann, P. (1991), S. 157.

[53] Vgl. Jarchow, H.-J. und Rühmann, P. (1991), S. 158.

[54] Vgl. Willms, M. (1995), S. 82 f.

[55] Vgl. Willms, M. (1995), S. 83.

[56] Vgl. Jarchow, H.-J. und Rühmann, P. (1991), S. 160.

[57] Vgl. Friedman, M. (1953), S. 171.

[58] Vgl. Mundell, R. A. (1961b), S. 160.

[59] Vgl. Mundell, R. A. (1961b), S. 153.

[60] Vgl. Luckenbach, H. (1986), S. 249.

[61] Vgl. Luckenbach, H. (1986), S. 249.

[62] Vgl. Willms, M. (1995), S. 85.

[63] Vgl. Willms, M. (1995), S. 92.

[64] Vgl. Mundell, R. A. (1961b), S. 165.

[65] Vgl. Mundell, R. A. (1961b), S. 166.

[66] Vgl. Jarchow, H.-J. und Rühmann, P. (1993), S. 27.

[67] Vgl. Friedman, M. (1953), S. 163.

[68] Vgl. Friedman, M. (1953), S. 164.

[69] Vgl. Friedman, M. (1953), S. 175.

[70] Vgl. Friedman, M. (1953), S. 164.

[71] Vgl. Jarchow, H.-J. und Rühmann, P. (1993), S. 213.

[72] Krugman, P. R. (1979), S. 312.

[73] Vgl. Jarchow, H.-J. und Rühmann, P. (1993), S. 213.

[74] Vgl. Friedman, M (1953), S. 164.

[75] Vgl. Obstfeld, M. und Rogoff, K. (1995), S. 77.

[76] Vgl. Obstfeld, M. und Rogoff, K. (1995), S. 79.

[77] Vgl. Obstfeld, M. und Rogoff, K. (1995), S. 78.

[78] Vgl. Obstfeld, M. und Rogoff, K. (1995), S. 79 f.

[79] Vgl. Garber, P. M. und Svensson, L. E. O. (1994), S. 29.

[80] Vgl. Pesenti, P. und Tille, C. (2000), S. 4.

[81] Vgl. Pesenti, P. und Tille, C. (2000), S. 4.

[82] Vgl. Krugman, P. R. (1997), S. 2.

[83] Vgl. Townsend, R. M. (1977), S. 190.

[84] Vgl. Townsend, R. M. (1977), S. 190 f.

[85] Vgl. Townsend, R. M. (1977), S. 191.

[86] Vgl. Townsend, R. M. (1977), S. 191.

[87] Vgl. Townsend, R. M. (1977), S. 191.

[88] Vgl. Townsend, R. M. (1977), S. 191.

[89] Vgl. Townsend, R. M. (1977), S. 191.

[90] Vgl. Townsend, R. M. (1977), S. 193.

[91] Vgl. Townsend, R. M. (1977), S. 193.

[92] Vgl. Townsend, R. M. (1977), S. 195.

[93] Vgl. Townsend, R. M. (1977), S. 195.

[94] Vgl. Townsend, R. M. (1977), S. 194.

[95] Vgl. Salant, S. W. (1983), S. 4.

[96] Vgl. Krugman, P. R. (1997), S. 2.

[97] Vgl. Hotelling, H. (1931), S. 140 ff.

[98] Vgl. Hotelling, H. (1931), S. 140.

[99] Vgl. Salant, S. W. (1983), S. 6.

[100] Vgl. Salant, S. W. (1983), S. 7.

[101] Vgl. Salant, S. W. (1983), S. 7.

[102] Vgl. Salant, S. W. (1983), S. 7.

[103] Vgl. Salant, S. W. und Henderson, D. W. (1978), S. 642 f.

[104] Vgl. Salant, S. W. (1983), S. 7 f.

[105] Vgl. Salant, S. W. und Henderson, D. W. (1978), S. 631.

[106] Vgl. Salant, S. W. (1983), S. 9.

[107] Vgl. Salant, S. W. (1983), S. 9.

[108] Vgl. Salant, S. W. (1983), S. 9.

[109] Vgl. Salant, S. W. und Henderson, D. W. (1978), S. 642 f.

[110] Vgl. Salant, S. W. (1983), S. 11.

[111] Vgl. Salant, S. W. (1983), S. 10.

[112] Vgl. Salant, S. W. (1983), S. 10.

[113] Vgl. Salant, S. W. (1983), S. 10.

[114] Vgl. Salant, S. W. (1983), S. 10.

[115] Vgl. Salant, S. W. (1983), S. 10 f.

[116] Vgl. Salant, S. W. (1983), S. 11.

[117] Vgl. Salant, S. W. (1983), S. 11.

[118] Vgl. Salant, S. W. (1983), S. 30 f.

[119] Vgl. Salant, S. W. und Henderson, D. W. (1978), S. 642.

[120] Vgl. Salant, S. W. (1983), S. 1 ff.

[121] Vgl. Krugman, P. R. (1997), S. 2.

[122] Vgl. Agénor, P.-R., Bhandari, J. S. und Flood, R. P. (1992), S. 358.

[123] Vgl. Krugman, P. R. (1979), S. 315 ff.

[124] Vgl. Flood, R. P. und Garber, P. M. (1984a), S. 3.

[125] Vgl. Flood, R. P. und Garber, P. M. (1984a), S. 2.

[126] Vgl. Flood, R. P. und Garber, P. M. (1984a), S. 2.

[127] Vgl. Flood, R. P. und Garber, P. M. (1984a), S. 2.

[128] Vgl. Flood, R. P. und Garber, P. M. (1984a), S. 2.

[129] Vgl. Flood, R. P. und Garber, P. M. (1984a), S. 2 f.

[130] Vgl. Flood, R. P. und Garber, P. M. (1984a), S. 3.

[131] Vgl. Flood, R. P. und Garber, P. M. (1984a), S. 3.

[132] Vgl. Flood, R. P. und Garber, P. M. (1984a), S. 3.

[133] Vgl. Flood, R. P. und Garber, P. M. (1984a), S. 3.

[134] Vgl. Flood, R. P. und Garber, P. M. (1984a), S. 3.

[135] Vgl. Calvo, G. A. (1996), S. 3 f.

[136] Vgl. Calvo, G. A. (1996), S. 3 f.

[137] Vgl. Krugman, P. R. (1979), S. 318.

[138] Vgl. Flood, R. P. und Marion, N. P. (1998), S. 4.

[139] Vgl. Krugman, P. R. (1979), S. 318.

[140] Vgl. Flood, R. P. und Garber, P. M. (1984a), S. 3.

[141] Vgl. Krugman, P. R. (1979), S. 319.

[142] Vgl. Flood, R. P. und Marion, N. P. (1998), S. 5.

[143] Vgl. Garber, P. M. und Svensson, L. E. O. (1994), S. 32 f.

[144] Vgl. Calvo, G. A. (1996), S. 4.

[145] Vgl. Flood, R. P. und Garber, P. M. (1984a), S. 4.

[146] Vgl. Calvo, G. A. (1996), S. 4.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832448714
ISBN (Paperback)
9783838648712
DOI
10.3239/9783832448714
Dateigröße
950 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2002 (Januar)
Note
1,3
Schlagworte
wechselkurse währungskrisen erwartungen fundamentalfaktoren angriffe
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Titel: Fundamentalfaktoren versus sich selbst erfüllende Erwartungen
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