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"Haiders Welt"

Rhetorische Hermeneutik

©1999 Diplomarbeit 132 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
„Die historischen Paradigmen der Metaphorik verweisen nicht auf in Rede stehende Gegenstände, sondern in Texten überlieferte Kontexte, die im Bezug aufeinander Geschichte entwickeln und ihre historische Differenz in der Metapher symptomatisch machen.“ Dieses Zitat vermag einen Teil des beabsichtigten methodischen Vorgangs der Interpretation treffend vorzuzeichnen.
Die Annahme, daß gerade die Metapher diejenige Einheit der Sprache wäre, welche unter Umständen mehr als andere Sprachelemente über den „Sinn“ eines Textes, in der Folge sogar über die Denkweise seines Autors Auskunft gibt, spielt eine zentrale Rolle im Rahmen der Interpretation. Will man bei der Interpretation empirisch vorgehen, ist es selbstverständlich noch lange nicht damit abgetan, daß man diesen Sachverhalt einfach für wichtig hält, auch dann nicht, wenn tatsächlich viele Analytiker verschiedenster Disziplinen das Denken im Vergleich, mit dem die Metapherbildung unmittelbar verbunden ist, als eine der wesentlichsten Eigenschaften derselben ausmachen. Wie sagt schon Durkheim, um gleich einen Klassiker zu nennen, „die Analogie ist eine legitime Form des Vergleichs, und der Vergleich das einzig taugliche Mittel, über das wir bislang verfügen, um zum Verständnis der Dinge zu gelangen.“.
Vergleiche oder Analogien sind allerdings mit Metaphern nicht gleichzusetzen, da der Blickwinkel, den eine Metapher unter Umständen zu liefern imstande ist, beim Vergleich gänzlich fehlt. „Im diskursiven Vergleichen des einen Gegenstandes mit dem anderen opfert man die charakteristische Macht und Wirkung einer guten Metapher. Dem wörtlichen Vergleich fehlen Umgebung, Beziehungsreichtum und die ´Sicht` auf den Primärgegenstand, von denen die erhellende Kraft einer Metapher abhängt.“ Die Realität des Sozialen, wie in der Einleitung schon zitiert, hängt in großem Maß von den im Text angewandten Begriffen und rhetorischen Figuren ab. „Es gilt also zu erkennen, wie Metaphern und andere Strategien der Rhetorik die soziale Realität – oder was die Soziologen im Lichte ihrer Theorien dafür halten – nicht nur beeinflussen, sondern zum Teil sogar hervorbringen.“ Unser Erkenntnisvermögen hätte sozusagen eine Schwachstelle, an der die Postmoderne ansetzen will: sein rhetorischer Charakter. Die Aufgabe der Analyse soll die Aufdeckung und das Erkennen dieser rhetorischen Elemente sein. Sie bedient sich einer Theorie, die das Verhältnis zwischen Sprache und Realität ernst nimmt: „Indem sie […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 4740
Zoltan, Peter: "Haiders Welt": Rhetorische Hermeneutik / Peter Zoltan -
Hamburg: Diplomica GmbH, 2001
Zugl.: Wien, Universität, Diplom, 1999
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2
Inhalt
Einführung in das Problem
5
1. Teil: Theoretischer Hintergrund der Textanalyse
Metapher als Grundprinzip der Sprache?
12
Zwei
Vorstellungen
in
einem
Wort
14
Zwei Gegenstände: Vehikel und Tenor
15
Metapheranalyse
19
Fokus und Rahmen
19
Drei
Arten
des
Metapherngebrauches 20
Interaktionstheorie
22
Erweiterung
des
Begriffs
26
Die
lebendigen
Metaphern
27
Wie
findet
man
eine
Metapher?
28
Hermeneutik
und
Metapheranalyse
29
Das "Problem"
29
Die Grundeinheit von Text und Metapher
30
Vom Verstehen der Metapher zum Sinn des Textes
32
Die Interaktion
33
Das Interaktionsnetz
35
Das
"Wie"
der
(Re)Konstruktion
37
Interpretation des Textes und der Metapher
38
Die
Bedeutung
des
Textes
38
Die
Bedeutung
der
Metapher
40

3
2. Teil: Zur Methode der Textinterpretation
Vorgangsweise
43
Metapheranalyse
45
Interpretation
49
3. (Praktischer) Teil: Rhetorische Hermeneutik
Erklärung der Bedeutung der Metapher (1. Ebene)
51
In Namen
der
Großfamilie
53
Die Natur
54
Organismus
60
Der Kampf
65
Nieder mit dem Leviathan
72
Appell
74
Übermaß
75
Die Zeit der Prämoderne
76
Das Andere
77
Fremd
im
eigenen
Land
78
Entwicklung
79
Mahnung
82
Schluß der Ebene
84
Die latenten und manifesten Sinnstrukturen (2. Ebene)
Auslegung des latenten Sinns
88
Der äußere Rahmen
89
Der
innere
Rahmen
91
Schluß der zweiten Ebene
104

4
Interpretation
(3.
Ebene)
Konturen des Horizonts der "offenen Gesellschaft"
107
Die Welt des Werkes
108
Das Werk, das Feld und der Autor (Postskriptum)
Der
Autor
im
sozialen
Raum
114
Stellung
des
Autors
im
Feld
116
Anhang
119
Literaturverzeichnis 126

5
Einleitung in das Problem
Niemand leugnet in abs-
tracto,
daß Wörter vieldeutig und
ohne klare Grenzen sind,
aber
keiner beachtet die Trag-
weite
und die Folgen dieser
Erscheinung.
(Karl Otto Erdmann)
Anliegen dieser Arbeit ist die Erarbeitung einer sozialwissenschaftlichen Hermeneu-
tik als Methode, mit deren Hilfe grundsätzlich jeder beliebige Text vom Werbetext bis
zum Gedicht interpretiert werden kann.
Ausgehend vom metaphorischen Charakter der Sprache, von dem vergleichend vor-
gehenden Verstehensakt der Menschen untereinander und davon, daß in der Sprach-
figur Metapher als einem Teil, dem ,,Fremdwort" des gesamten Textes, sozusagen
minimiert eine Menge von Bedeutungen identifizierbar sind, die, läßt man sie außer
acht, verborgen bleiben, wurde ein Buch eines Politikers untersucht. In dieser Hin-
sicht ist die Untersuchung als angewandte Theorie der Metapher zu lesen, die, in
Verbindung mit einem hermeneutischen Erhebungsmodus versucht, die Bedeutung
des Textes nicht auf eine ,,Wort-für-Wort-Entsprechung" zu reduzieren, da die Be-
deutung sich aus dem ,,Wie, das heißt aus ihrer Formsprache" ergibt.
Die hier vollzogene Interpretation dokumentiert den genannten metaphorischen
Charakter, allgemeiner, die rhetorische Konstituiertheit des gewählten Gegenstandes.
Sie räumt als textanalytische Erhebungsmethode die Möglichkeit ein, Texte beliebiger
Länge zu verstehen (ein Umstand, der in den Sozialwissenschaften ein Problem für
sich darstellt). Texte in dem hier intendierten Sinn zu verstehen heißt unter anderem

6
auch, die im Text protokollierten Spuren von Handlungssituationen des Autors zu
(re)konstruieren. Dabei wird davon ausgegangen, ,,daß kommunikative Akte die Be-
deutungszuweisung einer Handlungssituation auch dann repräsentieren, wenn nicht
gehandelt, sondern retrospektiv oder fiktiv über einen Handlungsverlauf gesprochen
wird." Sprache ist eine soziale Praxis.
Da der Gegenstand der Analyse bewußt manipuliert, das heißt, nicht schon im vor-
hinein als politischer Diskurs eingeordnet wurde, steht die angewandte Methode par-
tiell im Paradigma des sogenannten inhaltsanalytischen Experiments. Die dahinter ste-
hende Überlegung war, zu versuchen, den Untersuchungsgegenstand von seinen
,,Präkonstruktionen" (Bourdieu 1991), seien es alltägliche, journalistische oder gar
wissenschaftliche, so weit wie möglich abzutrennen, ihn neu zu konstruieren, ihn zu
reinigen. Um eine möglichst ungetrübte Erkenntnis zu erreichen, kann der Forscher
eine ,,abduktive Haltung" einnehmen, das heißt ,,er ist darum bemüht, die ´alten`
Überzeugungen auf die Probe zu stellen und ggf. ´neue`, tragfähigere Überzeugun-
gen zu bilden."
Ist ein Text Gegenstand der Analyse, der zusammen mit den anderen Stellungnah-
men des selben Autors für sich auch eine empirisch bedeutsame Leserschaft oder
Anhängerschaft behaupten darf, so haben wir es mit einem Untersuchungsgegens-
tand zu tun, der gesellschaftliche Wirklichkeit dokumentiert und produziert, also mit
einem Diskurs, der die Realität formt und mitgestaltet. ,,Die Lebenswelt des Alltags
ist in modernen Gesellschaften so vielfach durch Diskurse mitkonstruiert." Ein Dis-
kurs ist zum Beispiel nach Foucault ,,regelgesteuerte Praxis, die eine Kette oder ein
zusammenhängendes System von Aussagen (Wissensformen) hervorbringt (...)."
Wirken im ,,sozialen Raum" (Bourdieu) verschiedene, spezifische Funktion aufwei-
sende Felder, so hat man es mit verschiedenen Diskursen (politischen, wissenschaftli-
chen und so weiter) zu tun.
Konstruieren Diskursformen maßgebend mit der ihnen jeweils zugehörigen Macht
die soziale Wirklichkeit, sind sie für sozialwissenschaftliche Analysen im besonderen
geeignet. So läßt sich zum Beispiel danach fragen: ,,Welche manifesten und/oder la-
tenten Inhalte (kognitive Wahrnehmungsschemata, moralische und ästhetische Be-

7
wertungsschemata für ´Sachverhalte`) sie transformieren, welche rhetorischen Mittel
dazu eingesetzt werden" Eine Diskursanalyse wie die vorliegende, die darauf ab-
zielt, aus dem Text jene grundsätzlichen Denk und Deutungsmuster, jene ,,invarian-
ten Merkmale", den ,,Habitus" (Bourdieu) einer Person (oder einer Gruppe) zu erar-
beiten, die an der Hervorbringung des Textes mitbeteiligt waren, muß freilich auch
den Kontext, das Feld der Produktion des Werkes analysieren.
Aller methodischen Absicht der Arbeit zum Trotz ist es nicht ohne Belang, über den
gewählten Gegenstand, das Werk und seinen Autor ­ gleichzeitig Hauptfigur der
FPÖ und Landeshauptmann in Kärnten, der ohne Übertreibung von Jahr zu Jahr
mehr im Mittelpunkt des politischen Geschehens Österreichs, neuerdings auch Euro-
pas steht ­ weitere Erkenntnisse zu erbringen.
Der Gegenstand der vorliegende Interpretation ist in erster Linie als Text und erst
dann als politischer Diskurs zu betrachten. Ein Text wie jeder andere, der, wenigs-
tens ansatzweise, zur Entfaltung seiner Aussage neben anderen Sprachmitteln (wie
etwa dem Begriff) rhetorische Sprachfiguren anwendet. Dieses allgemeine rhetorische
Prinzip der Sprache steht hier im Vordergrund und nicht, oder erst in der Folge sein
politischer Charakter.
Die Konstruiertheit des Gegenstandes, daß er von den anderen Diskursarten prinzi-
piell nicht abgesondert behandelt wird, daß er als ein zwar von der Intention seines
Autors losgelöster, aber als von dessen gesellschaftlicher Stellung nicht unabhängig
betrachteter Gegenstand interpretiert wird, daß er grundsätzlich als mehrdeutiger
Diskurs betrachtet wird, daß mit der Differenz zwischen dem, was gesagt wird und
dem, was es darüber hinaus bedeutet, von vornherein gerechnet wird, erlaubt, fol-
gende Fragen an den Gegenstand zu stellen: Welche sind jene rhetorischen Figuren,
die über ihre bloße Dekorations sowie Wirkungsrolle hinaus bei der Gestaltung der
Aussage des gesamten Textes eine zentrale Funktion erfüllen? Welche Bedeutungen
werden durch rhetorische Figuren, vor allem durch Metaphern in Gang gesetzt; wel-
che evozierte Kontexte kommen durch die rhetorische Verdrehung zum realen Kontext
hinzu, inwiefern können diese Bedeutungen gleichzeitig als Bedeutung des ganzen

8
Textes herangezogen werden? Zweitens fragen wir nach der im Werk oder durch das
Werk erschlossenen Bedeutungen der ,,Welt", nach ihrer Struktur oder nach ihrer
darin entfalteten ,,Seinsweise". Schließlich wird nach der Zusammensetzung jener
zum Teil individuellen, zum Teil überindividuellen Denkkategorien oder Deutungs-
muster gefragt, die diese im Buch konstruierte Welt hervorgebracht haben könnten.
Die erste (theoretische) Vorannahme im Hinblick auf die angewandte Interpretati-
onsmethode betrifft jene ,,Fähigkeit" der Metapher, wesentliche Bedeutungen eines
Textes in sich zu tragen. Um diese Bedeutungen aber aufdecken zu können, muß der
Sinn des gesamten Textes (re)konstruiert werden. Dieser methodische Schritt, der
Zirkel, die daraus resultierende gegenseitige Aufklärung der Bedeutungen ermöglicht
schließlich das Verständnis der Bedeutungen des gesamten Werkes ebenso, wie das
Verständnis des Sinnes, die Metapher einzusetzen.
Indem der Text als der eigentliche Gegenstand dieser Untersuchung als ein von der
Intention seines Autors unabhängiger, somit als ein mehr oder minder über seine ei-
genen Gesetzmäßigkeiten verfügender Gegenstand aufgefaßt wird (im dem Sinn, daß
niemand gänzlich und autonom über die Sprache verfügt, und daß es weder zwi-
schen der sozialen Welt noch zwischen der sozialen Position des Autor und seinem
Werk einen direkten, mechanischen, sondern einen komplex vermittelten Zusam-
menhang gibt), soll das Vorwissen über das Buch und das Vorwissen über seinen Au-
tor womöglich getrennt betrachtet werden. Ersteres beschränkt sich auf das Mindeste:
daß es dieses Buch gibt, daß es sich dabei um das zweite Buch des Autors handelt,
daß es bei Verlag X erschienen ist. Im Wesentlichen gehört zu diesem äußeren Kon-
text nichts anderes.
Zum relevanten Vorwissen über das Buch gehört aber der durch die erste flüchtige
Lektüre gewonnene Eindruck: Das Buch ist relativ reich an verschiedenen rhetorischen
Figuren. Weniger das abstraktbegriffliche, als das bildhaftmetaphorische Erschließen der Din-
ge zählt zu seinen Stärken ­ im Grunde erinnert er eher an einen sozialen Roman als an eine
wissenschaftliche Abhandlung. In der Anwendung von Metaphern und Analogien kommt es
oft zu unangemessenen Übertragungen, sei es, daß ein Sozialphänomen auf die Funktionswei-
se einer Naturerscheinung zurückgeführt wird, sei es, daß ein wie auch immer gearteter, kom-

9
plexer, meist gar unbekannter Sachverhalt durch einen einfachen erklärt wird. Stilistisch ge-
sehen tut sich in dem Werk eher ein Hang zu dunklen (Obskuritas), als zu klaren Formulie-
rungen auf. Politisch gesehen zeichnet sich ein kaum wegzudenkender Hang zum Nationalis-
mus kontra Internationalismus ab.
Das kontextuelle Vorwissen - dieser, dem Untersuchungsgegenstand wohl oder übel
angehörende, unvermeidliche Wissensbestand - beschränkt sich auf die allgemeinen,
impliziten Kenntnisse vom politischen Handeln des Buchautors Haider. Dabei han-
delt es sich zwar um Kenntnisse aus dem wissenschaftlichen und aus dem journalisti-
schen Feld, die von diesen Feldern erbrachten Erkenntnisse werden aber dennoch sys-
tematisch nicht zum Gegenstand der Betrachtung gemacht. Was die überwiegend aus
den genannten Bereichen erwachsenden, durchaus wichtigen Annahmen, Prä-
konstruktionen der Person des Autors anbelangt, dass er ein ,,Populist", ein Sympathi-
sant ,,rechtsextremer" Gruppierungen usw. sei, oder umgekehrt einer, der dazu beru-
fen sei, die politische ,,Landschaft" zu beleben, wird hier weder negiert noch gänzlich
angenommen. Hier geht es zunächst um Einzelheiten, um die über die Struktur des
Textes vermittelte Denkweise und nicht um die Gültigkeit oder Ungültigkeit eines
breitgefassten, politische Einstellungen beschreibenden Begriffs. Ziel ist es, womög-
lich invariante Denkkategorien, die der Seinsweise der im Buch entworfenen Welt
zugrunde liegen, aus der Textstruktur abzuleiten. Folglich besteht das Ziel darin,
vermittelt durch die im Buch identifizierten Stellungnahmen des Autors zu diesem
oder jenem gesellschaftlichen Thema, zu seinem ,,Habitus" (Bourdieu) vorzudringen.
Die Erarbeitung einer den rhetorischen Gehalt eines jeden Textes ernstnehmenden
sozialwissenschaftlichen Hermeneutik wurde als Hauptanliegen dieser Arbeit formu-
liert. Derartige Konzepte, einige Erwähnungen ausgenommen, z.B. bei Heinz-Günter
Vester (1993), der das rhetorische Prinzip der Sprache für wichtig erklärt, fehlen, zu-
mindest in der ,,Schul-Soziologie", beinahe gänzlich. In der Regel werden dagegen in
der soziologischen Textinterpretation oder ,,Inhaltsanalyse" (ein eher misslungener
Begriff) - ich denke dabei vor allem an Mayring und die an ihn anknüpfenden Me-

10
thoden - Texte ohne irgendeine sprach- oder literaturwissenschaftliche und ähnliche
Basis erklärt.
Die objektive Hermeneutik beispielsweise hat eine sprachwissenschaftlich fundierte
Texttheorie, rhetorische Sprachfiguren werden dabei jedoch auch nicht explizit the-
matisiert. Die Integration einer Metaphertheorie in ihr Konzept könnte sich zum Bei-
spiel als durchaus sinnvoll erweisen. Umgekehrt könnte die ihrer Konzeption zu
Grunde gelegte Gegenstandsorientierung, das Aufzeigen des gesellschaftlich ,,Laten-
ten", von dem alles Individuelle auf irgendeine Weise abhängt, in das Konzept der
rhetorischen Hermeneutik integriert werden. Es liessen sich auch zahlreiche und gut
fundierte Methoden z.B. aus dem Bereich der Linguistik und der Semiotik angeben,
deren Gegenstandsorientierung mit dem vorliegenden Konzept in einem sich gegen-
seitig ergänzenden Verhältnis steht.
1
Schließlich wäre es zielführend, die durch eine eher von der Struktur des Textes aus-
gehenden Methode erzielten Erkenntnisse weiter zu objektivieren. Dies könnte bei-
spielsweise dadurch erreicht werden, dass man die hier gewonnenen Ergebnisse in
Bourdieus Feldtheorie integriert. Gewiss konnte hier noch nicht alles unternommen
werden, um die ,,werkimmanente", von Bourdieu als ,,internalistisch" bezeichnete
Interpretation tatsächlich zu überwinden. Allerdings wurde der Glaube, eine solche
Analyse (von der ,,externistischen", die alle Bedeutungen eines Textes direkt auf den
sozialen Kontext reduzieren will, gar nicht zu reden) reiche völlig aus, soziale Phä-
nomene zu erfassen, hier aufgegeben. Das durch eine rein internalistische oder exter-
nalistische Methode erzielbare Ergebnis kommt, wollte man sich metaphorisch aus-
drücken, etwa dem naiven Versuch gleich, eine Kerzenflamme mit der Pinzette fassen
zu wollen. Die vorliegende Interpretation ist daher als Teil einer ,,vollständigen" In-
terpretationsreihe zu lesen, deren Ziel das Erfassen von Struktur und rhetorische
Konstruiertheit des Werkes darstellt. Die Interpretation eines Werkes wäre nach
Bourdieus Theorie dann vollständig, wenn mindestens der ,,Raum des Werkes"
(Form, Stil, die eingenommene Position), also das, was hier unternommen wurde,

11
und der ,,Raum des Autors" als Ort der Produktion (hinsichtlich der darin einge-
nommenen Position des Autors) erfasst und zueinander in Relation gestellt werden.
1
Siehe dazu: St. M. Doohm, Bilderinterpretation, 1997. Und: R. Keller, Diskursanalyse, 1997. In: R. Hitzler:
Sozialwissenschaftliche Hermeneutik, 1997.

12
1. Teil: Theoretischer Hintergrund
der immanenten Interpretationsebene
Metapher als Grundprinzip der Sprache?
Sprache, sagt er, Sprache als Rede
(discourse) steht auf der Grenze
zwischen
Ausgedrücktem und Unausge-
drücktem.
Ihr Ziel und Zweck ist es, diese
Grenze
immer weiter zurückzudrängen.
Die Interpretation hat das gleiche
Ziel.
(P. Ricoeur zitiert Wilhelm von Hum-
boldt)
,,Die historischen Paradigmen der Metaphorik verweisen nicht auf in Rede stehende
Gegenstände, sondern in Texten überlieferte Kontexte, die im Bezug aufeinander Ge-
schichte entwickeln und ihre historische Differenz in der Metapher symptomatisch
machen." Dieses Zitat vermag einen Teil des beabsichtigten methodischen Vorgangs
der Interpretation treffend vorzuzeichnen.
Die Annahme, daß gerade die Metapher diejenige Einheit der Sprache wäre, welche
unter Umständen mehr als andere Sprachelemente über den ,,Sinn" eines Textes, in

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der Folge sogar über die Denkweise seines Autors Auskunft gibt, spielt eine zentrale
Rolle im Rahmen der Interpretation. Will man bei der Interpretation empirisch vor-
gehen, ist es selbstverständlich noch lange nicht damit abgetan, daß man diesen
Sachverhalt einfach für wichtig hält, auch dann nicht, wenn tatsächlich viele Analyti-
ker verschiedenster Disziplinen das Denken im Vergleich, mit dem die Metapherbil-
dung unmittelbar verbunden ist, als eine der wesentlichsten Eigenschaften derselben
ausmachen. Wie sagt schon Durkheim, um gleich einen Klassiker zu nennen, ,,die
Analogie ist eine legitime Form des Vergleichs, und der Vergleich das einzig taugli-
che Mittel, über das wir bislang verfügen, um zum Verständnis der Dinge zu gelan-
gen." Vergleiche oder Analogien sind allerdings mit Metaphern nicht gleichzusetzen,
da der Blickwinkel, den eine Metapher unter Umständen zu liefern imstande ist, beim
Vergleich gänzlich fehlt. ,,Im diskursiven Vergleichen des einen Gegenstandes mit
dem anderen opfert man die charakteristische Macht und Wirkung einer guten Me-
tapher. Dem wörtlichen Vergleich fehlen Umgebung, Beziehungsreichtum und die
´Sicht` auf den Primärgegenstand, von denen die erhellende Kraft einer Metapher
abhängt." Die Realität des Sozialen, wie in der Einleitung schon zitiert, hängt in gro-
ßem Maß von den im Text angewandten Begriffen und rhetorischen Figuren ab. ,,Es
gilt also zu erkennen, wie Metaphern und andere Strategien der Rhetorik die soziale
Realität ­ oder was die Soziologen im Lichte ihrer Theorien dafür halten ­ nicht nur
beeinflussen, sondern zum Teil sogar hervorbringen." Unser Erkenntnisvermögen
hätte sozusagen eine Schwachstelle, an der die Postmoderne ansetzen will: sein rhe-
torischer Charakter. Die Aufgabe der Analyse soll die Aufdeckung und das Erkennen
dieser rhetorischen Elemente sein. Sie bedient sich einer Theorie, die das Verhältnis
zwischen Sprache und Realität ernst nimmt: ,,Indem sie sich über den sprachlichen,
rhetorischen Charakter von Realitätserzeugungen klar wird, nährt sie auch den me-
thodischen Zweifel und entwickelt kritisches Bewußtsein."
Auch dieser Zugang zum empirischen Material liegt, mit dem Unterschied, daß der
methodische Teil der Untersuchung nicht beiseite gelassen wird, in der Nähe meines
Vorhabens. Ein Ziel dieses der Theorie der Metapher gewidmeten Teiles ist, eine Me-

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thode zur Interpretation von Texten zu fundieren. Dies soll im Folgenden in Anknüp-
fung an drei Autoren geschehen.
Zwei Vorstellungen in einem Wort
,,Es ist aber beim weitem am wichtigsten," führt Aristoteles in seiner Poetik aus, ,,daß
man Metaphern zu finden weiß. (...) Denn gute Metaphern zu bilden bedeutet, daß
man Ähnlichkeiten zu erkennen vermag."
Die Rhetorik des 18. und 19. Jahrhunderts wies jedoch Aristoteles zum Trotz der Fi-
gur der Metapher geringen epistemologischen Wert bei. Sie hält Metaphern bloß für
,,fröhliche Wortspielerei". Wie neuere Untersuchungen zeigen, ist der Metapher wohl
weit mehr Gewicht zuzumessen als man früher annahm. Richards bezeichnet sie als
das ,,allgegenwärtigste Prinzip der Sprache" , gleich, ob es dabei um Alltags, Wissen-
schaftssprache oder um die Sprache der Poesie geht. Die Ausklammerung der Aspek-
te dieses Sprachprinzips, sei es, daß ein Wort je nach seiner sprachlichen Umgebung
Verschiedenes bedeuten kann, sei es, daß der Bedeutung eines Wortes nicht immer
eine gegenständlich fixierbare Entsprechung zukommt, führt oft zu fehlerhaften Er-
kenntnissen. Als Beispiel dafür kann man durchaus auch den Freud´schen Bewußt-
seinsbegriff in Erinnerung rufen. Hier haben wir es mit einem Begriff zu tun, der seit
langem schon als sogenannte tote Metapher fungiert. Damit wird jener Umgang mit
dem Ausdruck beschrieben, der die von seinem ,,Schöpfer" gemeinten Implikationen
des zur Metapher mutierten Begriffs gar nicht mehr mitreflektiert. Eine der Aufgaben
der Metapheranalyse besteht gerade in der der Dekonstruktion, der Entschleierung
toter Metaphern. Diese könnten mit Hilfe der Analyse wieder lebendig gemacht wer-
den.
Man müsse sich immer vor Augen halten, führt Richard aus, ,,daß ein Wort norma-
lerweise keinen Ersatz (substitute), sondern eine Kombination allgemeiner Aspekte"
darstellt. ,,Wir bringen beim Gebrauch einer Metapher zwei unterschiedliche Vorstel-

15
lungen in einen gegenseitigen aktiven Zusammenhang, unterstützt von einem einzel-
nen Wort oder einer einzelnen Wendung, deren Bedeutung das Resultat der Interak-
tion beider ist." Frühere Theorien, die sich mit der Metapher auseinandergesetzt ha-
ben, hatten die Metapher für eine auf Verschiebung und Verdrängung von Wörtern
beschränkte Angelegenheit gehalten, ,,wogegen sie doch in allererster Linie Aus-
tausch und Verkehr von Gedanken, eine Transaktion zwischen Kontexten ist. Denken
ist metaphorisch und verfährt vergleichend; daraus leiten sich die Metaphern der
Sprache her."
Bis jetzt habe ich mich Richards angeschlossen, der die Wichtigkeit der Metaphern
nicht nur für eine Theorie der Diskursanalyse, sondern auch für andere sprachliche
Praktiken des Lebens betont. Folgendes Zitat sei einer kurzen Beschreibung seiner
theoretischanalytischen Position vorangestellt:
Unsere Fähigkeit im Umgang mit Metaphern, mit gedanklichen Prozessen ist eine Sache ­
unerklärlich und wunderbar; unser reflexives Bewußtsein von jener Fähigkeit ist etwas ganz
anderes ­ sehr unvollständig, verzerrt, trügerisch und übermäßig vereinfachend. Seine Auf-
gabe besteht nicht darin, die Praxis zu ersetzen oder uns anzuweisen, wie wir tun sollen, was
wir ohnehin schon können; vielmehr soll dieses Bewußtsein unsere natürliche Fähigkeit vor
Beeinträchtigungen durch unnötig abwegige Auffassungen über sie schützen; und vor allem
soll es zur Weitergabe dieser Fähigkeit ­ der Beherrschung der Metapher ­ von Kopf zu Kopf
beitragen.
Zwei Gegenstände: Vehikel und Tenor
Richards tritt für die eindeutige Unterscheidung der zwei ,,Gegenstände" ein, die ei-
ner jeder Metapher mindestens zu Grunde liegen. Findet man keine begrifflich klare
Unterscheidungsterminologie, sei es auch eine neue, so gerät man im Lauf der Analy-
se ständig in die Gefahr der Mißverständlichkeit. Das bedeutet unter Umständen, daß
nicht mehr nachvollziehbar ist, vom welchem Teil einer Metapher eigentlich die Rede

16
ist. Für Verwirrung sorgen nach Richards Ausführungen Formulierungen, wie: ,,ur-
sprüngliche" und ,,ausgeliehene" Vorstellung oder ,,Hauptgegenstand" und so wei-
ter. ,,Wie wäre es, fragt Richards, um die elementarste Arithmetik bestellt, würde
man das Wort zwölf (12) manchmal für die Zahl eins (1) manchmal für die Zahl zwei
(2) und manchmal für die Zahl einundzwanzig (21) verwenden und müßte man sich
ohne Zuhilfenahme der Schreibung irgendwie überlegen, welchen Gebrauch man in
einer Rechenaufgabe an verschiedenen Stellen davon machen soll." Er führt daher
zwei Termini ein, die die Möglichkeit derartiger Uneindeutigkeiten besser zu klären
vermögen. Auf eine kurze Formel gebracht werden Metaphern durch zwei Gegens-
tände (,,Vorstellungen") definiert, durch das Vehikel und den Tenor. Sie sind dazu be-
stimmt, die möglichen Bedeutungen, die einer Vorstellung jeweils zukommen, scharf
voneinander abzugrenzen. Der Begriff Tenor bedeutet zunächst den ,,Hauptgegens-
tand", den Gegenstand, über den etwas ausgesagt wird; das Vehikel bedeutet etwa
,,die zugrunde gelegte Vorstellung" mit deren Hilfe über den Tenor berichtet wird,
was ungefähr dem Black`schen Begriff des ,,untergeordneten Gegenstandes" ent-
spricht.
Die gerade eingeführten Termini sollen die Metapheranalyse soweit vorantreiben,
daß man im Urwald der Begriffsverwirrung zumindest einen Schritt vorwärts gelangt.
Selbst die Begriffe ,,Figur", ,,Bild", ,,Metapher" und so weiter werden häufig so ver-
wendet, daß kaum jemand mehr weiß, ob jetzt die ganze Einheit oder nur dieser oder
gar jener Teil der Einheit damit gemeint sei. Zwar ist auch der von Richards entwi-
ckelte Begriff der Metapher sehr allgemein gehalten, für die sozialwissenschaftliche
Perspektive jedoch erweist er sich als ausreichend. Über Metaphern reden wir nach
ihm bereits dann, wenn uns ein Wort zwei Vorstellungen in einem vermittelt und
auch dann, wenn ,,jene Vorgänge (...) bei denen wir unsere Wahrnehmungen über
eine Sache in Worten ausdrücken, die eigentlich zu etwas anderem gehören ­ wenn
beispielsweise ein Gebäude, das wir betrachten, ein Gesicht zu haben scheint und uns
mit einem eigentümlichen Ausdruck ansieht." Diese Vorgangsweise im Vergleichen
gehört wesentlich zu unserem prinzipiellen Wahrnehmen.

17
Man nehme mit Richards ein einfaches Beispiel: ,,Bein des Tisches". Als Tenor läßt
sich das Tischbein, als Vehikel zum Beispiel das Bein eines Pferdes ausmachen. Wir
suchen zuerst nach den gemeinsamen Merkmalen, nach der Basis der Metapher. Ein
solches Merkmal findet sich in der Funktion beider Beinarten, dem Stützen eines
Körpers. Die Beine des Pferdes weisen selbstverständlich andere Eigenschaften auf,
als die des Tisches und umgekehrt. Nicht in jedem Fall allerdings ist das Erkennen
der gemeinsamen beziehungsweise unterschiedlichen Merkmale so einfach. Nennen
wir beispielsweise jemanden ,,Ente" oder ,,Maus", berufen wir uns wahrscheinlich
nicht auf klare Ähnlichkeiten. Schließlich kann die Basis einer Metapher nicht nur in
den bestimmten Ähnlichkeiten beziehungsweise Differenzen, sondern auch in den
jeweiligen Einstellungen gesucht werden. Ob man sie wirklich findet, ist eine andere
Frage ­ unbeschadet dessen funktioniert die Metapher. Ob wir ein Wort metapho-
risch oder wörtlich verstehen, hängt im engsten Sinn vom seinem Kontext ab. (Das-
selbe gilt selbstverständlich auch für einen noch so buchstäblich gemeinten Satz oder
auch für ein ganzes Werk. Dasselbe Theaterstück beispielsweise kann in Berlin eine
und in Tokio eine völlig andere Bedeutung annehmen.) Wenn wir grundsätzlich Te-
nor und Vehikel nicht auseinanderhalten können, ,,so dürfen wir das Wort vorläufig
wörtlich verstehen; können wir aber wenigstens zwei kooperierende Gebrauchsfor-
men unterscheiden, dann haben wir eine Metapher."
Eine Metapher hat zwar etwas mit dem Vergleich zu tun, um aber die verschiedens-
ten Aspekte des Gegenstandes a oder b oder beider zusammen sichtbar zu machen,
müssen nicht nur die Ähnlichkeiten, sondern auch die Unterschiede der Gegenstände
herangezogen werden. Nicht alle Metaphern sind auf das Prinzip der Ähnlichkeit des
,,Zusammenwürfelns" aufgebaut. ,,Wir dürfen nicht in Übereinstimmung mit dem
18. Jahrhundert annehmen, daß die Interaktionen von Tenor und Vehikel an ihre
Ähnlichkeit (resemblance) gebunden sein müssen. Es gibt auch Wirkung durch ,,Dis-
parität". Und die Interpretation darf nicht dabei stehen bleiben, die TenorVehikelBe-
ziehung auf die Summe der Bedeutungen des Vehikels und Tenors zu reduzieren.
Die gängige Ansicht, wonach eine Äußerung entweder metaphorisch oder wörtlich

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zu sein hat, ist danach wohl aufzugeben. Ambivalente Bedeutungen sind auch mög-
lich. Die mindeste zahlenmäßige Reduktion der Lesarten beträgt vier und nicht zwei.
Man kann etwa nur die Bedeutung des Tenors oder nur die des Vehikels oder die
beider in Beziehung zueinander annehmen, oder ,,Wir können die Richtung, die bei-
de zusammen unserem Leben geben würden, akzeptieren oder zurückweisen."
Schließlich bedeutet Metapher auch Übertragung. In diesem Sinn ist es nicht einerlei,
auf welche Weise eine Übertragung vollzogen wird, in Richards´ Terminologie, wie
man eine Verknüpfung zwischen Tenor und Vehikel unternimmt. Überträgt man et-
wa Eigenschaften des Objekts a auf b und spricht man danach über b so, als wäre es a,
obwohl b von a gänzlich verschieden ist, kann es schnell zur falschen Übertragung
kommen zum Beispiel:
Fälle, wo das Vehikel ­ die übernommene Einstellung, die Elternfixierung etwa tyrannisch
über die neue Situation, den Tenor, herrscht, und das Verhalten unangemessen wird. Das
Opfer ist unfähig, eine neue Person anders wahrzunehmen als in den Bezügen der alten Bin-
dung und deren Zufälligkeiten. Es entziffert die Situation nur im Sinne der Figur, des arche-
typischen Bildes, des Vehikels.

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Metapheranalyse
Fokus und Rahmen
Zur Klärung der Frage, ob ein Satz metaphorisch oder wörtlich zu verstehen sei, führt
Max Black die zwei Termini ,,Fokus" und ,,Rahmen" ein. Der Fokus eines Satzes ist
das Wort, das wir für die eigentliche Metapher halten, für den Kern des als metapho-
risch erkannten Satzes. Die restlichen Wörter der genannten Einheit bilden den
nichtmetaphorischen, wörtlichen Rahmen. Besteht, wie es auch vorkommen mag, der
ganze Satz nur aus metaphorisch gebrauchten Wörtern, spricht unser Autor von ei-
nem über den metaphorischen Satz hinausgehenden Ausdruck, über Rätsel, Sprich-
wort oder Allegorie.
Die Identifikation der eigentlichen Metapher, des Fokus eines Satzes, ist unmittelbar
von dem Rahmen abhängig, in dem er vorkommt. Etwa kann die Feststellung: dieses
Wort ist in jenem Satz metaphorisch gebraucht worden nur im Bezug auf die Bedeutungen
des Satzes ­ derer es ja mehrere geben kann ­ sinnhaft artikuliert werden. Somit ge-
hören Metaphern eher dem Bereich der Semantik und weniger dem der Syntax an.
,,Einen Satz als metaphorischen Sachverhalt bezeichnen, heißt also, etwas über seine
Bedeutung zu sagen, nicht über seine Orthographie, sein phonetisches Pattern oder
seine grammatische Form." Ohne Zweifel gehört es zur Modalität der Metapherfin-
dung, daß es in unserer Sprache Ausdrücke gibt, die schon im Vorhinein als Meta-
phern gelten, weil bestimmte implizite Regeln unserer Sprache es uns so festzulegen
vermögen. Ihre Identifizierung wird uns für gewöhnlich kaum ein Problem bereiten.
Dann gibt es solche, die zwar eindeutig als Metaphern gelten, obwohl wir sie nicht als
solche wahrnehmen, zum Beispiel der Ausdruck ,,Bein des Tisches". Drittens gibt es
eine These der Metaphernfindung, die besagt: Weit und breit ist kaum eine Art Text zu
finden, die nicht zumindest ansatzweise Metaphern zur Gestaltung seiner Aussage verwen-

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det. ,,Der literarischen Schreibweise ist es nach den Ausführungen von Bourdieu ei-
gen, in der konkreten Einzigartigkeit einer sinnhaften Figur und eines individuellen
Abenteuers, die gleichzeitig als Metapher und als Metonymie wirken, die ganze
Komplexität einer Struktur und einer Geschichte zu konzentrieren und zu kondensie-
ren, welche die wissenschaftliche Analyse mühsam auseinanderfalten und ausbreiten
muß." Es muß jedoch mit Genette hinzugefügt werden, daß im Sprachgebrauch von
HansChristoph Koller ,,die Figuralität eines Textes ihm nicht an sich zukomme, son-
dern vom Bewußtsein des Lesers oder Zuhörers abhängt." In diesem Sinn wird hier
nicht nur literarischen, sondern allen schriftlichen Texten ein (in unterschiedlicher
Graduierung) metaphorischer Charakter beigemessen. Nach Black ist die Identifika-
tion dieses metaphorischen Ausdrucks, des Fokus, grundsätzlich allein mit Hilfe der
Auslegung der Bedeutungen des nichtmetaphorischen Gehalts des Satzes, also des
Rahmens, möglich.
Drei Arten des Metapherngebrauches
Es gibt wohl soviel verschiedene Arten Metaphern zu gebrauchen wie Textproduzen-
ten. Trotzdem lassen sich, von den feinen Unterschieden einmal abgesehen, einige
Grundprinzipien ausmachen. Black unterscheidet drei solche Verwendungsweisen.
Indem ich eine Metapher durch einen wörtlichen Begriff ersetze, bediene ich mich der
sogenannten Substitutionstheorie. ,,Demzufolge wird der Fokus einer Metapher, also
jenes Wort oder jener Ausdruck, der deutlich metaphorisch gebraucht ist, innerhalb
eines Rahmens, der durch den Wortlaut des Satzes gegeben ist, dazu benutzt, eine
Bedeutung mitzuteilen, die auch wörtlich hätte ausgedrückt werden können." Dem-
nach besteht die Aufgabe des Interpreten schlicht und einfach in der Erschließung
jener Bedeutungen, die durch die Metapher ersetzt wurden. Die erfolgreiche Er-
schließung ­ die Auflösung des Rätsels ­ ist durch die Beherrschung des jeweils rich-
tigen Codes gewährleistet, gleich, ob es sich dabei etwa um gesellschaftliche Gemein-

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plätze, um gruppenspezifische oder gar individuelle Formen der Verschlüsselung
handelt. ,,Der Autor substituiert M für L; es ist die Aufgabe des Lesers, diese Substi-
tution umzukehren und dabei die wörtliche Bedeutung von M als Indiz für die beab-
sichtigte wörtliche Bedeutung von L zu benutzen. Das Verstehen einer Metapher
gleicht dem Entziffern eines Codes oder dem Auflösen eines Rätsels." Die Gründe
derartiger Substitution, so vielfältig sie auch immer sein mögen, sieht Black im Fehlen
des entsprechenden Wortes für die Bezeichnung eines Sachverhalts oder eines ,,Din-
ges". Wird der ,,Sinn" eines Wortes durch einen anderen Sinn ersetzt, so haben wir es
mit der rhetorischen Figur Katachrese zu tun. Andererseits gibt es Fälle, wo trotz eines
vorhandenen Äquivalentes eine Metapher eingesetzt wird. Die Gründe dafür, zahl-
reich wie immer, sind in den stilistischen Intentionen des Autors zu suchen. So mag
seine Absicht zum Beispiel darin bestehen, bestimmte Aussagen zu beschönigen, ge-
wisse Bedeutungen zu verdrehen, zu vertuschen, zu verschweigen oder einfach zu
schockieren.
Geht man von der Auffassung aus, ein metaphorischer Ausdruck habe eine Bedeu-
tung, ,,die das Resultat einer Umwandlung seiner normalen Wortbedeutung sei", also
davon ,,daß jede Sprachfigur, die semantische Wechsel mit sich bringt (...) ­ daß sie
aus einer Umwandlung von wörtlichen Bedeutungen besteht", so läßt sich für die
Metapher folgendes Funktionsmuster angeben: Die Umwandlung der wörtlichen Be-
deutung des Wortes geschieht an Hand von Analogien sowie Ähnlichkeiten. ,,M ist
seinem wörtlichen Äquivalent L in der Bedeutung entweder ähnlich oder analog. Hat
der Leser erst einmal die Grundlage für die beabsichtige Analogie oder das Gleichnis
entdeckt (mit Hilfe des Rahmens oder Hinweisen aus dem weiteren Kontext), kann er
den Weg des Autors nachverfolgen und zur ursprünglichen wörtlichen Bedeutung,
der Bedeutung von L, gelangen. Nach diesem Verfahren der Metapherformung be-
steht eine Metapher ,,in Darstellung (Präsentation) der zugrundeliegenden Analogien
oder Ähnlichkeiten" nach den Gesetzen der Theorie des Vergleichens. Schopenhauer
bringt dies auf den Punkt: ,,Ein geometrischer Beweis ist wie eine Mausefalle, weil
beide eine trügerische Belohnung verheißen, ihre Opfer allmählich anlocken, zu un-
angenehmen Überraschungen führen, etc."

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Eine sorgfältig gebaute Metapher zeichnet sich allerdings zunächst dadurch aus, daß
sie die bereits vorhandenen Ähnlichkeiten nicht reformuliert, sondern erst schafft. Sie
darf nicht als ,,Ersatz für einen formalen Vergleich" dienen, so Black.
Interaktionstheorie
Erhofft man sich von den Metaphern einen gewissen Erkenntnisgewinn, ist es ange-
bracht, in ihrer Funktionsweise mehr als eine Substitution eines Gegenstandes durch
einen anderen zu sehen, beziehungsweise ihnen mehr als die Fähigkeit zum bloßen
Vergleich zweier Dinge zuzumessen. Das Mehr einer gelungenen Metapher kommt
aus der Interaktion der zwei Teile, mit Richards, der zwei ,,Vorstellungen" zustande.
Durch die Interaktion der zwei der jeweiligen Vorstellung zugehörenden Kontexte
entsteht ein neuer Kontext, eine neue Vorstellung über den Gegenstand, den man
schließlich an Hand eines anderen zeigen wollte. ,,Die Verwendung eines
´untergeordneten Gegenstands` mit dem Ziel, Einsichten über einen ´Haupt-
gegenstand` zu fördern, ist eine spezifische intellektuelle Leistung (uns freilich zur
Genüge vertraut durch die Erfahrung, so ziemlich alles lernen zu können), die wohl
die simultane Wahrnehmung beider Gegenstände verlangt, sich aber nicht auf ir-
gendeinen Vergleich zwischen beiden reduzieren läßt." Richards führt ein einfaches
Beispiel an: ,,Die Armen sind die Neger Europas." Ein metaphorischer Satz. Die ei-
gentliche Metapher, den ,,Fokus" bildet das Wort ,,Neger". Der Rest ist ­ im Wesentli-
chen ­ der wörtliche ,,Rahmen". Nach der Substitutionstheorie wird hier indirekt ü-
ber die Armen Europas etwas ausgesagt. Nach der These der Vergleichstheorie wird
ein Vergleich zwischen den ,,Schwarzen" und den Armen der EU versucht. Selbstver-
ständlich kann damit auch viel mehr gemeint sein, betrachtet man statt aufgrund der
Gemeinsamkeit der Bedeutungen die Zusammenführung von Eigenschaften, oder
wie es Richards erklärt, die Interaktion zwischen den beiden Ausdrücken ,,Arme"
und ,,Neger". Black sagt mit Richards, ,,daß unsere ´Vorstellungen` von den Armen
Europas und von amerikanischen Schwarzen ´in einem gegenseitigen aktiven Zu-

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sammenhang stehen` und ´zusammenwirken (interact)`, um eine Bedeutung hervor-
zubringen, die ein Resultat dieser Interaktion ist." Die neue Bedeutung ist für Ri-
chards ­ wie Black es auslegt ­ ein Produkt, ,,eine Auswahl der in seinen wörtlichen
Verwendungsweisen konnotierten Eigenschaften konnotieren kann". Der Satz ,,Die
Armen sind die Neger Europas" könnte in etwa bedeuten: Die Armen Europas sind
nicht nur Opfer der Gesellschaftsstruktur und der Ausbeutung, sondern auch der
Sklaverei und des Rassismus.
Ein zweites, einfaches Beispiel: ,,Der Mensch ist ein Wolf". Black analysiert verein-
facht dargestellt so: zuerst benennt er die zwei ,,Gegenstände" der Einheit. Die Positi-
on des Hauptgegenstandes nimmt der Mensch ein, die des untergeordneten Gegens-
tandes der Wolf. Der Satz sagt allen denen etwas, denen die Bedeutung des Begriffs
Wolf (und nicht nur Mensch) geläufig ist, denen also mindestens die Gemeinplätze
über den Wolf bekannt sind. Um die Metapher in Funktion zu bringen, müssen die
entsprechenden Bedeutungen nicht in erster Linie wahr sein, sie müssen sich nur
,,zwanglos und ohne Umstände einstellen". Diese Tatsache erklärt, warum eine Me-
tapher hier zur ihrer Funktion kommen kann und anders gesetzt eben nicht. ,,Der
Effekt, den Menschen (metaphorisch) einen ´Wolf` zu nennen, beruht also darauf, das
Wolf-System von untereinander verwandten Gemeinplätzen ins Spiel zu bringen.
Wenn der Mensch ein Wolf ist, dann sucht er seine Beute unter anderen Lebewesen,
ist wild, hungrig, in ständigen Kampf verwickelt, ein Aasfresser und so fort." Alle
diese implizierten Bedeutungen müssen ,,im normalen oder abnormalen Sinne" dem
Hauptgegenstand angepaßt werden können ­ sofern die Metapher einigermaßen an-
gemessen sein will. Ein sogenannter ,,geeigneter Zuhörer ­ oder geeignete Leserin ­
wird durch die Implikationen des Wolf-Systems zur Konstruktion eines entsprechen-
den Systems von Implikationen des Hauptgegenstandes gebracht." Dieses System
entspricht jedoch nicht den wörtlichen Gemeinplätzen, die uns beim Gebrauch des
Wortes Mensch einfallen. Vielmehr werden die neuen Implikationen von den wörtli-
chen Gemeinplätzen des Wolfsystems beeinflußt sein, und zwar solchermaßen, daß
alle jene Merkmale des Wolfsystems, an Hand derer sich ,,ohne unnötige Überstrapa-
zierung" über die ,,Charaktermerkmale des Menschen reden läßt", zu Tage treten. So

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werden dabei bestimmte Merkmale eher hervorgehoben und andere unterdrückt.
Kurz, das Wolfsystem wird unsere Ansichten vom Begriff Mensch umorganisieren,
allgemeiner: ,,der Hauptgegenstand ­ hier Mensch ­ wird durch den metaphorischen
Ausdruck ­ Wolf ­ gesehen." Besonders effektiv zeigt sich die Einwirkung des meta-
phorischen Ausdrucks auf den sogenannten Hauptgegenstand in Blacks Beispiel ei-
ner Schlachtbeschreibung anhand der im Schachspiel angewandten Regeln. Es läßt
sich ohne weiteres vorstellen, wie das Schachvokabular den Ablauf einer Schlacht in
seinem eigenen Rahmen ,,gefangen" hält. ,,Das Schachvokabular filtert und transfor-
miert: es selegiert nicht nur, es stellt Aspekte der Schlacht heraus, die durch ein ande-
res Medium vielleicht überhaupt nicht zum Vorschein kommen würden." Somit: ,,ei-
ne Schlacht als Schachpartie beschreiben heißt dementsprechend durch die Wahl der
Sprache alle emotional erregenden Aspekte des Krieges ausschließen". Oder ebenso
wirkungsvoll zeigt sich in der Tat etwa der Einfluß des Kampfvokabulars auf den
politischen Diskurs ­ auf den hier noch oft Bezug genommen werden wird.
Die ,,assoziierten Gemeinplätze" bilden nicht in jedem Fall dasjenige Medium, durch
das Metaphern erst richtig lebendig werden. Wohl bilden sie, sozusagen den einen
Flügel der Bedingungen, die das Funktionieren der Metapher gewährleisten. Den
zweiten Teil bilden die werkspezifischen Implikationen eines Ausdrucks, die Bedeu-
tungen, die der Autor einem bestimmten Ausdruck durch das ganze Werk beifügt.
Max Black: ,,Metaphern können sowohl von eigens konstruierten Implikationssyste-
men, als auch von bewährten Gemeinplätzen getragen werden; sie können sehr wohl
maßgeschneidert sein und brauchen nicht von der Stange zu kommen".
Bis jetzt sind drei Haupttypen der Verwendungsweisen der Metapher nach Max
Black besprochen worden, am ausführlichsten die Interaktionstheorie. Der Grund
liegt zunächst an ihrer Leistung gemäß der Kraft ihrer ,,Kreativität". Anhand dieser
Theorie, so die vorläufige Annahme, lassen sich auch komplexere Werke analysieren,
Werke, deren Metaphern, mitunter vielleicht das ganze Werk, auch Anspruch darauf
erheben, ,,Dinge" zu zeigen, die mehr als bloßes Abbild eines schon immer dagewe-
senen ,,Dinges" oder einer ebensolchen Vorstellung sind. Aus der Sicht der allgemei-

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nen Textanalyse hat jede der drei genannten Typen eine, wenn auch von Metapher zu
Metapher, von Text zu Text unterschiedliche, eigene spezifische Bedeutung. In der
Regel ist jede einzelne Metapher im Hinblick auf die ihr zugrunde liegende Theorie
genau zu überprüfen. Man sollte die Interaktionstheorie nicht zum Kriterium der Me-
tapher überhaupt machen.
Folgendes SiebenPunkteSystem der Black`schen ,,Interaktionstheorie" soll uns als
Grundlage für die folgende Analyse dienen:
(1) Eine metaphorische Aussage besitzt zwei deutlich unterschiedene Gegenstände ­
einen ,,Hauptgegenstand" und einen ,,untergeordneten Gegenstand".
(2) Oft sind diese Gegenstände am besten eher als ,,Systeme von Dingen" denn als
,,Dinge" zu betrachten.
(3) Die Metapher kommt dadurch zustande, daß auf den Hauptgegenstand ein Sys-
tem von ,,assoziierten Implikationen" angewandt wird, das für den untergeordneten
Gegenstand charakteristisch ist.
(4) Diese Implikationen bestehen gewöhnlich aus ,,Gemeinplätzen" über den unter-
geordneten Gegenstand; in geeigneten Fällen können sie jedoch auch aus abweichen-
den Implikationen bestehen, die vom Autor ad hoc entworfen sind.
(5) Die Metapher selegiert, betont, unterdrückt und organisiert charakteristische Züge
des Hauptgegenstandes, indem sie Aussagen über ihn einbezieht, die normalerweise
zum untergeordneten Gegenstand gehören.
(6) Dies bringt Bedeutungsverschiebungen bei Wörtern mit sich, die zur selben Fami-
lie oder zum selben System wie der metaphorische Ausdruck gehören; manche, wenn
auch nicht alle dieser Verschiebungen können metaphorische Transfers sein. (Die un-
tergeordneten Metaphern sind allerdings mit weniger ,,Emphase" zu lesen.)

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(7) Im allgemeinen gibt es keine einfache ,,Ursache" für die notwendigen Deutungs-
verschiebungen ­ keinen pauschalen Grund (reason) für das Funktionieren einiger
Metaphern und das Versagen anderer.
Erweiterung des Begriffs
Die theoretische Entfaltung des zur kleinsten Einheit der Interpretation erklärten Ge-
genstandes, der Metapher als ,,Gedicht en miniature" (Beardsley), bedarf noch weite-
rer Ergänzungen. Es wurden hier bereits einige theoretischmethodische Möglichkei-
ten der Metapheridentifizierung erschlossen. Woher aber beziehen wir das Gefühl,
daß uns ein Ausdruck unabhängig von der Intention des Autors metaphorisch er-
scheint? Es rührt wohl aus dem Wissen um die wörtliche Bedeutung der gegebenen
Formulierung her, die wir als verdreht angewendet spüren: ,,Das stillschweigende
Wissen um die wörtliche Bedeutung, löst jenes typische Gefühl von Dissonanz oder
´Spannung` zwischen dem Fokus und seinem literalen Rahmen aus." Die angebliche
Verdrehtheit bedeute aber nicht unbedingt auch die ,,Falschheit" der Formulierung.
Man solle die wörtliche Bedeutung einer Äußerung oder Formulierung nicht zum
Maßstab der Stimmigkeit derselben erheben, oder jenen wörtlichen Sinn als die
Wahrheit schlechthin ansehen. Ein derartiger Vorgang würde auf jeden Fall einen pu-
ren Reduktionismus der Bedeutungsebenen zum Ergebnis haben. Genauso ist auch
jene Annahme verfehlt, nach der es nur eine einzige richtige Lesart einer metaphori-
schen Äußerung gibt. ,,Genau dieselbe metaphorische Aussage (...) kann jeweils eine
Reihe verschiedener und sogar teilweise einander widersprechender ´Lektüren` er-
fahren."
Auf die Frage, warum eine Person über einen Sachverhalt spricht, obwohl sie einen
anderen meint, gibt es verschiedene Antworten. Der Hang zum Stil oder das Fehlen
des passenden Wortes wurden schon angeführt. Wichtiger ist es, an dieser Stelle zu-
nächst darauf noch einmal darauf hinzuweisen, daß bei einer Metapher das Uneigent-
liche durch die eigentliche Bedeutung nicht immer ersetzbar ist. Eine ,,geglückte Meta-

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1999
ISBN (eBook)
9783832447403
ISBN (Paperback)
9783838647401
DOI
10.3239/9783832447403
Dateigröße
838 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Wien – Human- und Sozialwissenschaften
Erscheinungsdatum
2001 (November)
Note
1,0
Schlagworte
diskurs rhetorische hermeneutik metapher theorie feldes bourdieu
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