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Eine vergessene Wiener Vorstadtgeschichte

Ada Christen: "Jungfer Mutter" (1892)

©1998 Examensarbeit 107 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die Werke der Wiener Autorin Ada Christen haben weder in der österreichischen Literaturrezeption, noch in der spezifisch um Frauenliteratur bemühten Rezeption einen Platz gefunden.
Ada Christen wird noch 1984 von Hahnl zu den „vergessenen Literaten“ gezählt, das von Treder editierte Sammelwerk über Lyrikerinnen im 19. Jahrhundert widmet ihr nur wenige Zeilen und in der Frauen–Literatur–Geschichte von 1985 werden Ada Christens literarische Beiträge zur modernen Frauenbewegung nicht berücksichtigt.
In Veröffentlichungen über Ada Christen wird größtenteils auf die ‚Lieder einer Verlorenen‘ Bezug genommen. Das lyrische Werk der Dichterin ist als Katalysator für eine „Ausweitung des literarischen Diskurses“ gewürdigt worden. Ada Christens Œuvre wird jedoch meist auf diese ersten ‚Lieder’ beschränkt, mit denen sie bekannt geworden war, von denen sie sich selbst aber, aus noch zu zeigenden Gründen, distanzierte.
Den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet das Spätwerk von Ada Christen, die Wiener Vorstadtgeschichte ‚Jungfer Mutter‘ aus dem Jahre 1892.
‚Jungfer Mutter‘ ist das umfangreichste Prosawerk von Ada Christen. Nach der Erstveröffentlichung erschien es 1947 im Bellaria-Verlag in Wien und München sowie in der Büchergilde Gutenberg (o. J.). ‚Jungfer Mutter‘ kann insofern als eine, wie im Titel angekündigte, „vergessene Wiener Vorstadtgeschichte“ bezeichnet werden, da eine umfassende Interpretation bisher nicht geleistet wurde. Obwohl in zahlreichen Lexika und Romanführern dieses Werk aufgeführt wird, gilt ‚Jungfer Mutter‘ bis heute als eine Vorstadtgeschichte, in der „die Liebe der Dichterin [...] vor allem dem alten, nun längst entschwundenen Wien mit seinen Wällen und Vorstädten“ gehört.
In der neuesten Veröffentlichung zu Ada Christen kann nachgewiesen werden, daß sich die Dichterin nicht der Konservierung entschwundener Orte widmet, sondern ein „soziales Panorama dieser Stadt, gekennzeichnet durch die Opposition Innenstadt – Vorstadt“ bietet. An diesen Ansatz soll in der vorliegenden Arbeit angeknüpft werden.
Die Diplomarbeit von Rathner (1992) bezieht ‚Jungfer Mutter‘ im Rahmen eines kurzen inhaltlichen Vergleichs zu der Lyrik Ada Christens ein. Dieser konzentriert sich auf die ‚Dichtung als Aufarbeitung der persönlichen Situation‘ und die ‚Dichtung als Desillusionierung‘. Rathner leistet sowohl Erklärungsmuster für die zeitgenössische Rezeption Ada Christens als auch die erste umfassende Interpretation des […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Einleitung

Die Werke der Wiener Autorin Ada Christen haben weder in der österreichischen Literaturrezeption, noch in der spezifisch um Frauenliteratur bemühten Rezeption einen Platz gefunden.

Ada Christen wird noch 1984 von Hahnl zu den „vergessenen Literaten“ gezählt, das von Treder editierte Sammelwerk über Lyrikerinnen im 19. Jahrhundert widmet ihr nur wenige Zeilen und in der Frauen–Literatur–Geschichte von 1985 werden Ada Christens literarische Beiträge zur modernen Frauenbewegung nicht berücksichtigt.

In Veröffentlichungen über Ada Christen wird größtenteils auf die ‚Lieder einer Verlorenen‘ Bezug genommen. Das lyrische Werk der Dichterin ist als Katalysator für eine „Ausweitung des literarischen Diskurses“[1] gewürdigt worden. Ada Christens Œuvre wird jedoch meist auf diese ersten ‚Lieder’ beschränkt, mit denen sie bekannt geworden war, von denen sie sich selbst aber, aus noch zu zeigenden Gründen, distanzierte.

Den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet das Spätwerk von Ada Christen, die Wiener Vorstadtgeschichte ‚Jungfer Mutter‘ aus dem Jahre 1892.

‚Jungfer Mutter‘ ist das umfangreichste Prosawerk von Ada Christen. Nach der Erst­veröffent­lichung erschien es 1947 im Bellaria-Verlag in Wien und München sowie in der Büchergilde Gutenberg (o. J.). ‚Jungfer Mutter‘ kann insofern als eine, wie im Titel angekündigte, „vergessene Wiener Vorstadtgeschichte“ bezeichnet werden, da eine umfassende Interpretation bisher nicht geleistet wurde. Obwohl in zahlreichen Lexika und Romanführern dieses Werk aufgeführt wird, gilt ‚Jungfer Mutter‘ bis heute als eine Vorstadtgeschichte, in der „die Liebe der Dichterin [...] vor allem dem alten, nun längst entschwundenen Wien mit seinen Wällen und Vorstädten“[2] gehört.

In der neuesten Veröffentlichung zu Ada Christen kann nachgewiesen werden, daß sich die Dichterin nicht der Konservierung ent­schwun­dener Orte widmet, sondern ein „soziales Panorama dieser Stadt, gekenn­zeichnet durch die Opposition Innenstadt – Vorstadt“ bietet[3]. An diesen Ansatz soll in der vorliegenden Arbeit angeknüpft werden.

Die Diplomarbeit von Rathner (1992) bezieht ‚Jungfer Mutter‘ im Rahmen eines kurzen inhaltlichen Vergleichs zu der Lyrik Ada Christens ein. Dieser konzentriert sich auf die ‚Dichtung als Aufarbeitung der persönlichen Situation‘ und die ‚Dichtung als Des­illusionie­rung‘. Rathner leistet sowohl Erklärungsmuster für die zeitgenössische Rezeption Ada Christens als auch die erste umfassende Interpretation des lyrischen Werkes der Autorin.

Die vorliegende Arbeit ist die erste umfassende Analyse der Wiener Vorstadt­geschichte ‚Jungfer Mutter‘. Durch eine erweiterte Quellengrundlage bietet die Arbeit darüber hinaus sowohl einen Einblick in den Literaturbetrieb im 19. Jahrhundert als auch eine Untersuchung von Ada Christens poetologischem Konzept.

Die Arbeit umfaßt zwei Teile. Der erste Teil dieser Arbeit beleuchtet kurz die Rezeption von Ada Christens erfolgreichem Erstlingswerk ‚Lieder einer Verlorenen‘. Im Mittel­punkt steht die Auswertung von Ada Christens Korrespondenz mit Julius Roden­berg und Julius Campe junior. Diese zeitgenössischen Quellen sind in bisherigen Veröffent­lichungen zu Ada Christen nicht berücksichtigt worden.

Es handelt sich um fünf datierte Briefe von Ada Christen an Julius Rodenberg aus der Zeit von 1870-1874. Diese Briefe sind unveröffentlicht und befinden sich im Nachlaß von Julius Rodenberg im Goethe - und - Schiller - Archiv Stiftung Weimarer Klassik.

Die Briefe von Ada Christen an Julius Campe junior befinden sich in dem Nachlaß von Julius Campe junior im Heinrich – Heine – Archiv Düsseldorf. Sie sind undatiert und unveröffentlicht. Eine ungefähre zeitliche Einordnung dieser Briefe gelingt allenfalls über die in den Briefen thematisierten Werke. Bei meiner Archivarbeit im Heinrich – Heine – Archiv im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnte ich aus zeitlichen Gründen nur etwa dreißig der insgesamt 157 Briefe sichten und transkribieren. Die in der Arbeit zitierten Briefauszüge ent­sprechen meiner Abschrift dieser Quellen. Der Umfang der eingesehenen Briefe dient folglich als Quellengrundlage für die Darstellung der Beziehung zwischen Ada Christen und Julius Campe junior in dieser Arbeit. Die Orthographie von Ada Christen wird originalgetreu übernommen, ebenso die zahl­reichen Unter­streichungen einzelner Worte.

Diese zeitgenössischen Dokumente werden unter der Fragestellung analysiert, zu welcher Dichterpersönlichkeit sich Ada Christen selbst stilisiert und welche Strategien eine Dichterin in dem damaligen Literaturbetrieb anwenden konnte, um Anerkennung für ihr Werk zu erhalten.

Unter Einbeziehung anderer, bereits veröffentlichter Briefe von Ada Christen an Zeitgenossen soll das poetologische Konzept der Autorin herausgearbeitet werden. Die Grundlage dieser Analyse ist nicht das literarische Werk, sondern brieflich dokumentierte Äußerungen der Dichterin. Das poetologische Konzept wird in einem späteren Schritt auf Ada Christens Prosawerk ‚Jungfer Mutter‘ bezogen und es wird geprüft, ob sich Übereinstimmungen herauskristallisieren.

Der zweite Teil der vorliegenden Arbeit bietet eine Textanalyse der Vorstadtgeschichte ‚Jungfer Mutter‘. Die Komposition und die Untersuchung inhaltlicher Schwerpunkte stehen im Vordergrund.

Den größten Umfang nimmt die Untersuchung der Figurenkonzeption und die damit verbundene Darbietung des Themas Ehe in ‚Jungfer Mutter‘ ein.

Das Erkenntnis­ziel der Textanalyse ist, inwiefern die Autorin mit der Figur Lene ein neues Frauenideal entwickelt. Es soll geprüft werden, ob Ada Christen, wie von der Forschung angenommen, in ‚Jungfer Mutter‘ ein traditionelles Frauenbild, verkörpert durch die Figur Hanne, gleichberechtigt mit einem neuen Frauenbild darstellt. Die genaue Betrachtung des Lebensraums Vorstadt und Stadt muß bei dieser Fragestellung ebenso berücksichtigt werden wie die Untersuchung der wenigen Nebenfiguren. Schließlich soll in einem gröberen Vergleichsverfahren geprüft werden, ob die Vor­stadt­geschichte ‚Jungfer Mutter‘ aufgrund kompositorischer Ähnlichkeiten in das Paradigma der Wiener Haus- und Gassen­romane fällt. Die Ergebnisse der Textanalyse erfordern schließlich eine kurze Einordnung von ‚Jungfer Mutter‘ in die zeitgenössische Literatur von Frauen.

A. Ada Christen: Eine Schriftstellerin im 19. Jahrhundert

1. Die Dichterin der ‚Lieder einer Verlorenen‘

1. 1 „Auch das geht vorüber“: Christiane Friderik alias Ada Christen

Christiane Friderik wurde am 6. März 1839[4] in Wien geboren. Durch den Tod des Vaters im Re­volutions­jahr 1848 verarmte die ehemalige Kaufmanns­familie. Mutter[5] und Kinder zogen aus dem Alsergrund[6] in einen entlegenen Vorstadtbereich, wo sie sich durch schlecht bezahlte Handarbeit selbst das Überleben sichern mußten.

Als 15jährige versuchte sich Christiane Friderik von den ärmlichen Verhältnissen des Vorstadt­milieus zu distanzieren und ging zunächst als „Freiwillige ohne einen Kreuzer Gage“[7] zum Meidlinger Theater[8]. Dort spielte sie 1858 insgesamt 39 mal und wechselte als Berufs­schauspielerin erst ins Stadttheater St. Pölten und später in ein Theater nach Steyr.[9] Ihre Rollen waren jene von Dienstmädchen oder von „jungen Naiven“[10], so wie etwa das ‚Käthchen von Heilbronn‘. Die Schauspielerin Josephine Gall­meyer sowie der Schriftsteller Ferdinand von Saar gehörten zu ihrem Freundeskreis. Im Jahre 1862 schloß sie sich einer Schauspielertruppe an, die durch Ungarn zog, doch mußte sie statt des erhofften schauspielerischen Erfolgs die Erfahrung von Armut von Not machen, die bis zur Promiskuität reichte.[11] Auch ihre Heirat mit Sigmund von Neupauer, einem Richter im ungarischen St. Gotthard, verlief unglück­lich: Nach zwei Ehejahren starb Neupauer an geistiger Lähmung, das gemeinsame Kind starb ebenfalls.[12] Sie selbst, stark unter Tuberkulose leidend, zog in Wien zu dem Rittmeister a.D. Adalmar von Breden.[13] Dieser wohnte im I. Bezirk hinter dem Stephansdom in der Schulerstraße 18[14] und nahm sie wegen ihrer gesundheitlichen und finanziellen Belastungen zu sich.[15] Von Breden war Redakteur der ‚Österreich-Ungarischen Wehr­zeitung - Der Kamerad‘ und verfügte über Stellung und Vermögen.[16] Christiane Friderik schrieb fortan unter dem Pseudonym Ada Carla in der ‚Wehrzeitung‘ Theaterkritiken.[17] Sie heiratete v. Breden nach langjährigem Zusammenleben im Jahre 1873[18].

Ferdinand von Saar nahm den Kontakt zu der ehemaligen Schau­spielerin wieder auf und zeigte sich beeindruckt von ihren Gedichten, die in der Zeit der Not entstanden waren.[19] Er riet ihr zu dem Pseudonym Ada Christen und faßte eine Auswahl ihrer Lyrik unter dem Titel ‚Lieder einer Verlorenen’ zu­sammen.[20] Die Schicksalsschläge ihres Lebens wie die Verarmung der Familie, der mangelnde Erfolg am Theater, der Verlust von Ehemann und Kind und die eigene Not und lebenslange Krankheit hatte Ada Christen in diesem ersten Gedichtband verarbeitet und – für eine Frau in der damaligen Zeit – ungewohnt offen geschildert.[21] An Ada Christens Lebensmotto „ Auch das geht vorüber“[22] erkennt man den lebenslangen Versuch der Künstlerin, sich über die äußeren, gesellschaftlichen Umstände, die ihr Armut und Sorge bereitet hatten, hinwegzutrösten. In ihrem künstlerischen Schaffen blieb sie den Gefühlen und Eindrücken aus der Zeit der eigenen sozialen Des­integration treu und nutzte diese Erfahrungswerte, um sozialkritische Themen in die Literatur einzubringen.

Das Œuvre der Schriftstellerin Ada Christen umfaßt neben den frühen Possen, den Volks­stücken und dem Roman ‚Ella‘ (1869) die vier gedruckten Lyrikbände ‚Lieder einer Verlorenen‘ (1868), ‚Aus der Asche‘ (1870), ‚Schatten‘ (1872) und ‚Aus der Tiefe‘ (1878), das Drama ‚Faustina‘ (1871), einige Prosaskizzen und die 1892 erschienene Vorstadtgeschichte ‚Jungfer Mutter‘.[23]

1. 2 Die ‚Verlorene‘ im Kreuzfeuer der Presse

„Und sie beugt sich zähneknirschend,

Aber seht, sie beugt sich doch!

Und sie trägt mit dumpfem Schweigen

Jahrelang das ekle Joch.

Sie versteht, ermißt ihr Elend,

Ihren Jammer, ihre Schmach;

Sie erkennt, was sie verbrochen

Und was man an ihr verbrach.

Und sie rüttelt an den Ketten –

Fürchtet nicht, daß sie sie bricht:

Denn sie beugt sich zähneknirschend

Und – sie jammert ein Gedicht“[24]

Der erste veröffentlichte Gedichtband von Ada Christen, die ‚Lieder einer Verloren­en‘, war Anlaß für sehr widersprüchliche Meinungen innerhalb der Gesell­schaft. Die Kritiker beurteilten das Erstlingswerk weniger nach stilistischen Kriterien, sondern argumentier­ten primär unter moralischen Gesichtspunkten.

Karl von Thaler bespricht in der ‚Neuen Freien Presse‘ die ersten drei Werke Ada Christens: Die ‚Lieder einer Verlorenen‘, die Lyrik ‚Aus der Asche‘ sowie den 1869 erschienenen Romans ‚Ella‘, den er durch die stark auto­biographischen Zügen als „prosaische Ergänzung“ der ‚Lieder einer Verlorenen’ bezeichnet[25]. Ada Christen hatte sich diese Kritiken aufgehoben und den unter der Besprechung des Romans ‚Ella‘ abgedruckten Namen von v. Thaler unter­strichen.[26]

Gemeinsam ist den Besprechungen v. Thalers, daß er das „unleugbare Talent der Verfasserin“ betont, das „angeboren und nicht, wie bei so vielen dichtenden Männern, durch Bildung und Reflexion angeflogen“ sei[27]. Der Kritiker prangert aber die Doppelmoral des lesenden Publikums an. Die Entrüstung über die offene Darstellung weiblicher Gefühle in den ‚Liedern einer Verlorenen‘ und die gleichzeitige Sensationsgier seien symptomatisch für die Wiener Gesell­schaft, deren „oberstes Princip die Heuchelei“ sei und die sich verletzt fühle durch „die Offenheit, mit der Ada Christen gesteht, daß sie nicht besser war als tausend andere“[28]:

„Die Frauen nehmen an der[...] [Unterhaltung um sittliche Grundsätze] lebhaft Theil, aber beinahe nur darum, um ihrer Entrüstung Ausdruck zu geben, daß eine Frau so etwas drucken lassen könne. Gerade sie indes lesen die ‚Lieder einer Verlorenen’ sehr eifrig, und ich muß, wenn ich dann ihre verdammenden Urtheile höre, an die Scenen [...] vor Makart`s wunderbaren Todsündenbild [...] denken.“[29]

Thaler hebt bei der Besprechung der zweiten Lyriksammlung ‚Aus der Asche‘ hervor, daß Ada Christen dort „das Pikante absichtlich abgestreift“ habe, „um das Lob gewisser Leute zu vermeiden und nicht in den Verdacht zu kommen, ihre kühne Aufrichtigkeit sei frivole Berechnung“[30].

Zwei Konstanten der Dichterpersönlichkeit Ada Christen betont v. Thaler in seinen Rezensionen: Einerseits ihren ursprünglichen Ausdruck von Empfindungen und andererseits die stark autobiographischen Züge des lyrischen Ichs, da er ihre Gedichte als Geständnis[31] bezeichnet.

Dagegen unterstellt Paul Lindau Ada Christens Erstlingswerk Effekt­hascherei und zeigt sich wenig beeindruckt von dem in Versen präsentierten Leid. Lindau ist einer jener Kritiker, der die von v. Thaler gelobte kühne Au­frichtigkeit durchaus als frivole Berechnung der Künstlerin betrachtet. In seinen anonym veröffentlichten ‚Briefen eines deutschen Kleinstädters‘[32] wird er zum schärfsten Kritiker des Erstlingswerks von Ada Christen. Er verurteilt ihr Werk auf drei unterschiedlichen Ebenen:

Lindau zeigt sich entsetzt über die ‚Lieder einer Verlorenen‘, „nicht ihrer Immoralität wegen, nein, wegen ihrer namenlosen Verlogenheit und Heuchelei“[33]. Denn anstelle von Sozialkritik belüge sie die Welt, indem sie „das Laster, [d]as sich mit Tugendfetzen behängt“ und „die Verwahrlosung mit dem Heiligenschein präsentiere“[34]. Ada Christens „Jammerbiographie in Versen“ hat Lindau zufolge auch keine ästhetische Berechtigung: „Denn, um Vergebung, Miß Ada Christen, man ‚jammert‘ kein Gedicht, wie Sie sagen, weder ‚zähneknirschend‘ noch anders“[35]. Lindau läßt in seiner Kritik den „fiktiven Kleinstädter aus beschränkten Verhältnissen“ begeistert über die Gedichte reden, dem viel­belesenen „Doctor“ hingegen legt er die scharfe Kritik in den Mund[36]. Damit wird der Eindruck vermittelt, daß das Werk von Ada Christen nicht zu dem Bereich der angesehenen, ‚hohen Literatur‘ gehört, sondern sich in der Sparte der Trivial­literatur[37] bewegt. Als dritten Kritikpunkt führt Lindau die auffällige Ähnlichkeit zwischen der Wortwahl in den Gedichten Ada Christens und in denen Heinrich Heines an. Er unterstellt der Lyrikerin, ihre Verse entbehrten jeglicher Originalität, sondern seien, hier ironisch formuliert, Heinrich Heines „antizipierter Diebstahl“[38].

2. Selbständigkeit und Unterwerfung in den Briefen von Ada Christen

Ada Christen avancierte mit ihrem ersten Gedichtband ‚Lieder einer Verlorenen’ zu einer „sensationellen, ja skandalösen Figur in Wien“[39]. Nach der Entdeckung durch Ferdinand von Saar eroberte sie einen Platz in den Wiener literarischen Kreisen und unterhielt Kontakt zu Ludwig Anzengruber, Vinzenz Chiavacci, Karl von Thaler und Anton Bettelheim.[40] Das Haus v. Breden wurde zu einem der gesellschaftlichen Mittelpunkte, in dem auch Abende des ‚Vereins der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien‘[41] stattfinden konnten.[42]

Aber nicht nur mit bedeutenden Schriftstellern und Persönlichkeiten aus dem Literatur­betrieb in Wien, sondern auch über die Grenzen der österreich-ungarischen Monarchie hinaus pflegte die Dichterin brieflichen, teilweise auch persönlichen Kontakt.[43] Seit dem Erscheinen ihres Erstlingswerks stand sie im fast zwanzig Jahre dauernden Briefwechsel mit Theodor Storm[44], der Ada Christen auch gegen die „schnöde Kritik“ verteidigte und betonte, daß sie „mehr Talent hat, als sämmtliche bei unsern Zeitschriften angestellten Lyriker“[45]. Auch mit Julius Rodenberg, dem Herausgeber des in Leipzig erscheinenden Unterhaltungszeitschrift ‚Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft‘[46], und dem Hamburger Verleger Julius Campe junior unterhielt Ada Christen Briefkontakt.

Bisher wurden die Briefe Ada Christens an Julius Rodenberg und Julius Campe in Veröffentlichungen über die Schriftstellerin nicht genutzt. Daher unterblieb auch die Analyse, inwieweit diese Briefe Aufschluß geben über die Biographie und die künstlerische Entwicklung der Dichterin. Es heißt, Ada Christen habe ihr Leben selbst stilisiert und diese Stilisierungen wären von ihren Biographen kritiklos übernommen worden[47]. Im folgenden möchte ich beleuchten, inwieweit sich Christiane Friderik alias Ada Christen in diesen Briefen zu einer Dichter­persönlichkeit stilisiert.

Ihre Entwicklung als Schriftstellerin scheint eng verflochten zu sein mit den Gattungen, in denen sie sich ausdrückte. Zu den wichtigsten Entwicklungsschritten gehörte die Reflexion über das Erstlingswerk, die Werbung für ihr Drama und der Beginn der Prosa.

2. 1 Die Distanzierung vom Frühwerk in den Briefen an Julius Campe junior

Mit den bei Hoffmann & Campe erschienenen ‚Liedern einer Verlorenen‘ konnte Ada Christen ihre Begabung erstmalig öffentlich machen. Das Erstlingswerk brachte ihr „W idersacher, aber auch Name, Stellung und Freunde“[48] . Doch trotz des anhaltenden Erfolges ihrer ‚Lieder‘ betont sie wieder­­holt bei ihrem Verleger Julius Campe junior[49] neue „Richtungen“[50] ihrer literarischen Entwicklung. Vor dem Erscheinen der Gedicht­sammlung ‚Aus der Asche’ schreibt sie an Campe:

„Scheiter ich mit dem Büchel so bin ich für alle Zeiten todt.“[51]

Dieser Äußerung kann man entnehmen, daß Ada Christen selbst einen viel höheren Anspruch verwirklichen wollte, als sie mit den ‚Liedern‘ erreicht hatte. Statt sich als die skandalöse Sensation Wiens feiern zu lassen, bemühte sie sich um die Anerkennung als Künstlerin. Sie durchschaute die in den Rezensionen v. Thalers angesprochene Doppelmoral des lesenden Publikums: Die ‚Lieder‘ waren auf dem Literaturmarkt begehrt durch die ungewohnte Offenheit, mit der die Dichterin in ihren Versen auftrat - doch zugleich wurde sie gerade deshalb verpönt. Der Erfolg der ‚Lieder‘ war daher zwar bemerkens­wert, doch ebenso zweifelhaft. An die nächste Veröffentlichung ‚Aus der Asche’ stellte Ada Christen demzufolge höhere Erwartungen, besonders hinsichtlich der Beurteilung in der Presse.

Als Kritiker würdigte Karl von Thaler diese Veränderung Ada Christens und merkte positiv an, daß sich die Dichterin „aus der Einseitigkeit“ herausgearbeitet und „ihren Gesichtskreis vergrößert“ habe[52]. Ganz im Gegensatz dazu stichelte das satirische Sonntagsblatt ‚Der Floh‘ gegen die Dichterin mit einer Karikatur, die auf dem Titelblatt prangte. Mit Militärhelm im Arm schaut Ada Christen griesgrämig auf ein Blatt Papier, das den Titel ‚Aus der Asche‘ trägt. Der Verfasser des der Karikatur beigefügten Artikels resümiert, daß „Ada Christen noch ein ganz schönes Häuflein Asche sei“[53].

Noch entschiedener wandte sich Ada Christen gegen die ‚Lieder einer Verlorenen’ und ihren damit verbundenen Ruf als Dichterin während ihrer Arbeit an dem dritten Gedichtband ‚Schatten‘:

„[A]llmählich habe ich mich wieder erholt das ich arbeiten kann und Gott sei Dank Richtung habe. Je mehr aber neue Gedichte entstehen desto mehr sehe ich das sie ich weiß nicht wie abgeklärter, ruhiger, reiner sind. Wir würden dieser neuen Richtung stark an den Leib rücken wenn Sie diese schon jetzt den Liedern einer Verlorenen und denen aus der Asche beifügen wollten – ich glaube Sie werden diesmal noch mit den isolirten neuen Bendchen [...] ein gutes Geschäft machen, und die 3 Bändchen dann übers Jahr [...] vermehrt herumgegeben, würde zu Ihrem und meinem Vorteil sein. Ich will dieses dritte Bändchen einer Dame Gräfin Pauline Baudissin widmen eine Widmung die mir meiner Casse und meiner gesellschaftlichen Stellung hier zuträglich ist. Sie wissen doch welchen Werth Beides für mich hat. Ich könnte in meiner jetzigen Stimmung und Stellung keine Kritiken über die Lieder einer Verlorenen mehr ertragen und unsere Kritiker würden sich ja doch an diese als an das pikanteste halten. Dies neue Büchlein soll mich als Dichterin und Frau vollständig rehabilitiren. Da darf nichts aus den Liedern einer Verlorenen herüberklingen“..[54]

Hinter diesem Brief steht eine Schriftstellerin, die eine bestimmte Wirkung mit ihrem Werk auf dem Literaturmarkt und ein bestimmtes Echo in der Presse beabsichtigte. Ada Christen gibt ihrem Verleger Ratschläge für eine geschickte Vermarktung ihrer neuen Gedichte und begründet auch die Wahl der Widmung sehr berechnend. Der Brief ist ein interessantes Zeugnis dafür, daß nicht nur inhaltlich neue Richtungen eingeschlagen werden, sondern auch formale Kriterien wie die Widmung und die Frage nach Zusammen­stellung mit früheren Gedichten wichtig werden. Deutlich erkennt man Ada Christens Bemühen, auf unterschiedlichen Wegen ihren Ruf als Dichterin zu verändern. Tatsächlich wurde ihr Vorschlag zur Vermarktung von dem Verleger ernstgenommen: Die ‚Gesammelten Gedichte‘ kamen erst ein Jahr nach dem isolierten Bändchen ‚Schatten‘ auf den Markt.[55]

Wie wichtig Ada Christen ihre Anerkennung als Schriftstellerin nach den ‚Liedern einer Verlorenen‘ war, ist auch ersichtlich an der Freude darüber, daß ihr zweites Werk vorgelesen wurde. Laut einer - von ihr ausgeschnittenen - Zeitungsmeldung veran­staltete am 30. April 1870 der Schriftsteller Gustav Scherenberg eine Declama­torische Matinée. Neben Werken von Scherenberg standen die Gedichte ‚Aus der Asche’ von Ada Christen auf dem Programm. Da diese Ankündigung in der Druckerei des Leykam gedruckt wurde, kann man davon ausgehen, daß die Veranstaltung in Graz stattfinden sollte.[56] Ada Christen schreibt am Tag dieser Lesung folgende Zeilen an Campe:

„Sehr geehrter Herr Verleger

Etsch ich werde vorgelesen heut in Gratz, Dienstag in Wien!!! Sämtliche Herrn Collegen fahren aus der Haut vor Wut und Colleginnen kriegen ihre Zustände ich freue mich höllisch – das ist wieder eine günstige Reclame für Sie und kost nichts.“[57]

In dieser Bemerkung klingt auch an, daß sich Ada Christen bemühte, ihre eigenen Beziehungen zu nutzen, um dem Verleger Kosten zu sparen. Auch die von ihrem Mann redigierte ‚Wehrzeitung‘ diente dazu, für ihr eigenes Werk kostengünstig zu werben.[58]

Auf dieser geschäftlichen Ebene zählte Ada Christen für den Verleger Campe wohl zu den unproblematischen DichterInnen. In den Briefen finden sich weder Bitten um Vorzahlung von Geldern noch Entschuldigungen für verspätete Abgaben von Werken. Nur einmal kann Ada Christen einem Termin nicht gerecht werden, da der Schriftsteller Frankl „ die Gedichte verlegt hat“ und sie „ wirklich recht böse“ darüber ist, da „ es nicht sonderlich rücksichtsvoll“ sei, sie „ in diese Calemität zu bringen“[59] .

Eine große Belastung für den künstlerischen Schaffensprozeß stellte der wieder­kehrende Bluthusten dar, unter dem Ada Christen lebenslang litt und der sie „ von ieder Lectüre“ fernhielt.[60] Sehr eindringlich schildert sie Julius Campe ihren Zustand während der Entstehungszeit des Gedichtbands ‚Schatten‘.

„Wie krank ich bin! – Sie glauben es nicht, ich hatte einen Gehirnschlaganfall [...]. Von Jahr zu Jahr [...] wiederholen sich diese gräßlichen Zustände, diese unsäglichen Schmerzen vermehrt diesmal huste ich mehr Blut als man glauben sollte das ein Mensch im Leibe hat. Doch ich will Ihnen nicht vorheulen [...] Ich werde arbeiten was ich noch vermag und in Alles begonnene Ordnung bringen, sollte [...] etwas geschehen, so wird man Ihnen Alles zusenden.“[61]

Der briefliche Kontakt zwischen Dichterin und Verleger wurde ergänzt durch persönliche Besuche: Campe wurde von Ada Christen wiederholt nach Wien einge­laden[62], sie hielt ihn für ihren „einzigen wahrhaftigen Freund und für einen Ehren­mann“[63]. Insgesamt entsteht der Eindruck einer persönlichen und ehrlichen Beziehung:

„Wer sagt denn das ich sie für einen Gott oder Engel hielt [...] aber als ich das Gegenteil davon hörte mußte ich lachen aber von Ekstase war auch nicht die Spur.“[64]

Die Briefe von Ada Christen an Julius Campe sind auf drei Ebenen interessant. Primär sind sie ein wichtiges Zeugnis der eigenen Bemühungen, sich von dem Ruf einer ‚Verlorenen‘ zu distanzieren und als Künstlerin akzeptiert zu werden. Sie geben weiter­hin Aufschluß über Bedingungen, denen Ada Christen unweigerlich unterworfen war – einerseits ihrer Krankheit, andererseits dem Wettbewerb im Literaturbetrieb. Es entsteht ins­gesamt der Eindruck, daß dem Verleger in diesen Brief­auszügen eine recht selbst­bewußte Künstlerin ent­gegen­tritt, die geschäftstüchtig wirkt und offen ihre Interessen darlegt.

2. 2 Naivität als Strategie zur Anerkennung: Die Briefe an Julius Rodenberg

Ada Christen entwarf gegenüber Julius Rodenberg, dem Herausgeber des ‚Salons‘, ein anderes Bild ihres literarischen Selbstverständnisses als in den zur selben Zeit verfaßten Briefen an Julius Campe. Die Korrespondenz mit der „gesellschaftlich einflußreichen Herausgeber­persönlichkeit Rodenberg“[65] fällt in die Zeit der vielfältigsten Schaffens­periode der Künstlerin. Ada Christen bot Rodenberg das gesamte Spektrum ihrer Arbeit an, angefangen mit den Gedichten ‚Aus der Asche‘ (1870) und ‚Schatten‘ (1872) über das Drama ‚Faustina‘ (1871) bis hin zu ihrer ersten Prosaskizze (1874). Ada Christen verfolgte das Ziel, diese Werke in der Unter­haltungs­zeitschrift ‚Salon‘ veröffentlichen, respektive sie von dem Herausgeber persönlich kritisieren zu lassen.

Die erste Rezension war eine „ gütigen Besprechung [der] Lieder ‚Aus der Asche‘“, die „ im Juliheft des Salons“ 1870 erschienen ist[66]. Ada Christen dankt dem Herausgeber in den folgenden Jahren stets überschwenglich. So sendet sie ihm „ viel tausend herzlichen Dank für die freundlichen Worte die Sie über mich schrieben, oder doch als Ihre eigen Ansicht anerkannten in dem sie dieselben aufnahmen“ und resümiert: „Sie habens endlich gutgemacht was Sie mir weh getan“[67]. Später bezeichnet sie Rodenberg als einen Menschen, der es mit mir gut meint[68] und weitet ihre Dankbarkeit noch aus: „[E]s hat mich recht gefreut, das Sie sich selbst noch die Mühe nehmen zu schreiben“[69].

Diese Dankbarkeitsbekundungen gehören zu den auffälligen Merkmalen des Brief­wechsels zwischen Ada Christen und Julius Rodenberg. In ähnlicher Intensität dankte auch Marie von Ebner-Eschenbach dem Herausgeber Rodenberg[70]. Die „unerschöpf­liche Bekundung der Dankbarkeit“[71] resultierte bei Marie von Ebener-Eschenbach aus dem Akt der ‚Lebens­rettung‘“[72]: Die Veröffentlichung ihrer Werke in der von Rodenberg heraus­­ge­­­­gebe­nen ‚Deutschen Rundschau‘, dem „wichtigste[n] Publikations­organ des sogenannten bürgerlichen Realismus“[73].

Aufgrund ihrer Briefe an Rodenberg wird Marie von Ebner-Eschenbach ein „Genie der Dankbarkeit“ zugesprochen, das auch „Bestandteil ihres moralischen Wesens“ gewesen sei und „bis in ihre sozialen Vorstellungen hinein prägend [wirkte]“[74]. In Anbetracht der ähnlich formulierten Briefe von Ada Christen an Rodenberg verliert das Verhältnis zwischen Ebner-Eschenbach und Rodenberg jedoch das Charakteristikum einer „erstaunlichen“[75] Beziehung und läßt die Schlußfolgerungen von den Briefen auf die wesentliche Charaktereigenschaft der Autorin Ebner-Eschenbach fraglich erscheinen. Vielmehr wirft der Vergleich beider Briefwechsel die Frage auf, ob die Dankbar­keits­­bekundungen ein notwendiges Mittel zur Etablierung der eigenen Interessen darstellten.

Präsentierte sich Ada Christen einerseits betont dankbar gegenüber dem Kritiker, so setzte sie diesen Schmeicheleien meist im gleichen Atemzug eine Reihe von direkten Forderungen entgegen. Mit dem in zwei ihrer Briefe verwendeten Sprichwort „ Wenn man dem Teufel den Finger zeigt will er die ganze Hand haben“ beschreibt sie selbst die „ quälenden“ Bitten, die sie „ fortwährend“ für „ die eigenen Angelegenheiten und die Anderer“ stellt.[76] Damit ihr Lyrikband ‚Schatten‘ im Salon veröffentlicht wurde, schrieb sie folgende Zeilen an den Herausgeber Rodenberg:

„Vor einem Jahr schrieben Sie mir einmal, Sie wären geneigt, eine größere Arbeit von mir in dem Salon aufzunehmen. Ich erlaube mir Ihnen daher diese [...] in Versen zur Durchsicht zu senden, mit der Anfrage ob Sie dieselben verwenden können. Sollten Sie das Gedicht nicht refusieren so würde ich aber bitten daß Sie es vielleicht in dem nächsten Heft brächten da ich bis Monat Juni eine neue Sammlung von Gedichten erscheinen lasse u. dieses beifügen muß [...].“[77]

Mit direkten Bitten nutzte sie für ihren „sehr wahren Freund“[78] Theodor Storm[79] ihre gute Beziehung zu Rodenberg. Ada Christen erhoffte sich für Storms Anthologie ‚Hausbuch aus deutschen Dichtern‘ ein Entgegenkommen von Julius Rodenberg:

„Heute erhielt ich von Theodor Storm einen Brief der sich bitter beklagt das die Herren in Deutschland gar so wenig Notiz von seinem Hausbuch nehmen u. [...] Gottschall es schlimm behandelt habe, ich habe nun gleich aus der National Zeitung die Besprechung über das Hausbuch rausgeschnitten und habs ihm zugeschickt – wollten Sie nicht auch so freundlich sein sich des Buches anzunehmen, es ist eine redliche achtungerbietendes Stück Arbeit, ich sag` das nicht weil es mit Claudius beginnt u. mit mir endet, aber ich weiß wie fleißig sorglich der liebe Mann drann gearbeitet hat.“[80]

Dieser Brief von Ada Christen an Rodenberg gehört zu den bestellten Leserbriefen und Gefällig­­keits­rezensionen, die durchaus übliche Bestandteile des Presse- und Rezen­sions­wesens waren[81].

Als Ada Christen ihr dramatisches Werk ‚Faustina‘ in den Briefen von 1870 und 1871 ankündigt, wird erkennbar, daß Julius Rodenbergs Einfluß für die Publikation des Stückes wertvoll war. In einer ersten Ankündigung bittet sie Rodenberg, „ nachsichtig wie mit meinem letzten Büchl“ zu sein, wenn es ihm „ auf der Bühne oder als Buch [...] unter die Augen“ kommt.[82] Direkter und mit viel Selbstbewußtsein vertritt sie das fertiggestellte Drama im Januar 1871:

„Ich bin mit meinem modernen Drama Faustina fertig – u. Gott weiß wie es kommt unsere Capazitäten wie Robert Hamerling, Saar, Laube (der die Faustina wenn ich warten will auf seinem neuen Theater zur Aufführung bringen will)[83] sagen ich hätte ein großes dramatisches Talent, ich weiß es nicht u. bin schier verzweifelt während des Schreibens ich hab mir halt immer gedacht es wird nichts draus, aber schreiben mußte ich, als es fertig war gefiel es mir freilich ganz gut – aber das wirklich Talent und Geist drin steckt wie Laube brummte, das thät ich kaum glauben. Morgen oder übermorgen kommt das Büchel aus der Druckerei u. ich werde es Ihnen dann gleich schicken u. Sie sind dann so gut u. schreiben mir ganz rückhaltlos Ihre Meinung darüber, von jemand der es mit mir gut meint kann ich die schlimmste Rüge ertragen – nur nichtssagende Witzeleien machen mich confus u. darum ärgerlich. Und Sie besprechen das Buch dann auch selbst im Salon gelt – u. helfen mir wieder ein [...] Schritte vorwärts gelt ja?“[84]

Ada Christen erweckt mit ihrem Werk den Eindruck, sie übernehme den poetologischen Selbstanspruch ihrer Zeitgenossen, wonach sich der wahre Dichter erst im Drama beweise[85]. Die Dichterin wählt für diese ‘Beweisprobe’ eine Verarbeitung des Faust – Stoffes, also einen der traditionsreichsten Stoffe der Literatur. Sie versucht sich damit in eine künst­lerische Tradition zu stellen, die in der damaligen Zeit ihren Höhepunkt in den Werken von Goethe fand[86]. Inhaltlich nimmt Ada Christen in ihrem Werk Elemente des faustischen Grundkonflikts auf und überträgt ihn auf eine Frau „in der Gegenwart“[87]. Die Charakteri­sierung „modern“ für das Drama verrät diese Über­tragung.

Das Selbstbewußtsein, mit dem Ada Christen in dem Brief ihr Drama beschreibt, wird erzeugt durch das vorangestellte Lob prominenter Literaten und durch die Ankün­digung, es werde sogar unter dem Direktor des Burgtheaters, Laube, gespielt. Dem positiven Urteil, sie hätte „großes dramatisches Talent“ und „Talent und Geist“, setzt sie den eigenen bescheidenen Eindruck gegenüber. Die umgangs­sprachlichen und dialektal eingefärbten Formu­lierungen „es wird nichts draus“, „es gefiel mir freilich ganz gut“ und „das thät ich kaum glauben“ suggerieren eine in ihrer eigenen Urteilsfähigkeit eingeschränkte, d.h. naive Künstlerin. Die Schreibmotivation scheint die ureigene Intuition zu sein, die Gesetze der eigenen Schöpfungskraft werden in der Formulierung „schreiben mußte ich“ nicht weiter reflektiert.

Mit der an Naivität grenzende Bescheiden­heit stilisiert sich Ada Christen zu einer Dichterin, die abhängig von dem Urteil etablierter Künstler bleibt. Die Fähigkeit, naiv zu wirken, erlernte Ada Christen im Laufe ihrer Ausbildung als Schauspielerin[88]. Julius Rodenberg wird als Adressat des Briefes mit diesem Bild einer Naiven konfrontiert und selbst zum Helfen animiert. Bei dieser Hilfe, d. i. die kritische Besprechung des Dramas durch den Herausgeber der Unter­haltungs­zeitschrift, legt Ada Christen offensichtlich großen Wert auf Ernst­haftigkeit und Verbindlichkeit des Kritikers. Die Erwartung an die Kritik des Werkes steht im Kontrast zu der Selbststilisierung: Die sich selbst als naiv und unfähig präsentierende Künstlerin will reflektiert beurteilt werden.

Die Naivität ist eine Strategie der Dichterin, um Aufmerksamkeit für ihr Werk und letztendlich Anerkennung zu erhalten. Auch die positiven Stimmen für das Drama scheint Ada Christen fingiert zu haben, denn ‚Faustina‘ ist nicht ein einziges Mal aufgeführt worden.[89] Eine Möglichkeit für die Aufführung von ‚Faustina‘ hatte sie hingegen durchzusetzen versucht, indem sie in einem „geschäfts­tüchtigen Brief"[90] mehrere Interessenten für dieses Drama vor­täuschte.[91]

2. 3 Emanzipation einer ‚Verlorenen‘?

In Hinblick auf Ada Christens Umgang mit der Presse ist in einer Veröffentlichung diskutiert worden, ob sich die Schriftstellerin „spontan–unreflektiert oder auch unter dem Schirm der Ritter­lichkeits­forderung, einem Charakteristikum des alten Frauen–Selbst­bildes, ihren Platz in der zeitgenössischen Literatur sichern“ wollte[92]. Überträgt man diese Frage auf ihre Korrespondenz mit einflußreichen Persönlichkeiten im Literaturbetrieb, so spielt die Dichterin gegenüber Rodenberg mit diesen Klischees, besonders wirksam erschien ihr die Stilisierung zu einer naiven Künstlerin in einem von Männern dominierten Literaturbetrieb.

Vielmehr regt Ada Christens Briefwechsel aber die Frage an, ob Bescheidenheit in eigener Leistung und über­triebene Dank­barkeit gegenüber dem männlichen Korres­pondenzpartner „als Strategie, als Schutz oder auch ganz unproblematisiert als verinnerlichte Verhaltensnorm“[93] gesehen werden muß und ob dieses Verhalten im damaligen Literatur­be­trieb eine übliche, sogar notwendige Haltung war[94]. Der Vergleich mit den Briefen von Marie von Ebner-Eschenbach bestätigt diese These. In Ada Christens Briefen finden sich jedoch stets auch Forderungen und die Künstlerin zeigt sich in geschäftlicher Hinsicht engagiert und durchsetzungsfähig. Der Brief­wechsel mit Campe ist schon aus diesem Grunde ein wertvolles Zeugnis des damaligen Literaturbetriebs, da er eine Möglichkeit von Kooperation zwischen Schriftstellerin und Verleger zeigt, die für beide Seiten erfolgreich ist.

3. Ada Christens poetologisches Konzept

Zahlreiche Äußerungen von Ada Christen bergen in sich verschiedene Ansätze zu poetologischen Konzepten, die teilweise von ihr genauer ausgeführt, teilweise nur versteckt angedeutet werden. Vergleicht man diese Ansätze unter dem Aspekt der Gattungen, so stellt man fest, daß die Autorin ihre Selbstdarstellung als Künstlerin an die jeweiligen Gattungen anpaßte, in denen sie sich ausdrückte. So entwarf Ada Christen etwa für die Lyrik andere poetologische Maßstäbe als für ihre Arbeit an dem dramatischen Werk. Auffällig ist, daß sie ihr poetologisches Konzept mit Beginn der Prosawerke viel differenzierter darstellte und mit festen Leitideen untermauerte.

3. 1 „Stimmung“ als poetologisches Konzept

In dem Brief an Rodenberg vermittelt Ada Christen den Eindruck, sie schreibe ihre Werke ohne besonderen Gestaltungswillen und einfach aus dem Bauch heraus. Diesen emotionalen Schreibimpuls betonte sie auch gegenüber Campe, allerdings bezieht sie sich hier nicht auf die Produktion eines Dramas, sondern auf ihre lyrische Arbeit: Da „ auf 5 Gedichte 2 brauchbare und 3 unbrauchbare“ kamen und es „ mehr wie bei jedem anderen seiten­verschmierenden Geschöpf der Stimmung“ bedurfte, litt sie offensichtlich auch unter dem „ Gefühl des fertig sein sollens“, das sie „ gerade zu unfähig [...] macht etwas [...] zu schreiben da flog ein Wort nach dem anderen ins Feuer“[95] . Auch in einem ihrer Gedichte thematisiert sie ihre intuitive und vom Gefühl bestimmte Schreib­motivation:

„Dein Vers hat nicht das rechte Maaß,/So will man mich verweisen,/An Fluß und Glätte fehlt es ihm/ – Und wie sie´s sonst noch heißen. /Sie zählen an den Fingern ab,/Verbessern wohl zehnmal wieder;/Ich leg`die Hand auf mein blutendes Herz:/Was das sagt, schreib ich nieder.“[96]

Bei der Betrachtung von verschiedenen Lyrikerinnen des 19. Jahrhunderts ist die Tendenz festgestellt worden, daß „[ihnen] Toleranz und Schonung zuteil geworden seien, wenn sie sich bewußt zu einer gewissen Ungeformt­heit bekannten und ihre Gedichte als ‚Naturerzeugnisse‘ ausgaben, die so zu Papier gebracht wurden, wie sie aus dem Herzen flossen“[97]. Ada Christen muß als Lyrikerin aus diesem Paradigma herausgenommen werden. Ihre Gedichte waren bereits im Kreuzfeuer der Presse scharf diskutiert worden, gerade der Skandal war ein wichtiger Schritt in ihrer Entwicklung. Toleranz und Schonung konnten der Dichterin trotz der Berufung auf die intuitive Stimmung kaum noch gewährt werden, gerade weil sie das, was ihr „aus dem Herzen flo[ß]“, zu offen darbot. Das poetologische Konzept Ada Christens entwickelte sich bereits innerhalb ihrer Lyrik. Die „anfangs lediglich im subjektiven Fühlen begründete Dichtungsauffassung (einzig das ‚blutende Herz‘ motiviert das Ausgesagte) erweitert sich durch die bewußte Thematisierung von persönlichem und sozialen Elend zu einer biographisch fundierten und in diesem Sinn realistischen Sichtweise“[98].

Problematisch an diesem ersten poetologischen Konzept ist, daß Ada Christen mit ihrer Betonung eines emotional motivierten Schreibens eine breite Angriffsfläche für ihre (männlichen) Kollegen bot, für Theodor Storm auch ein Forum für eine geschlechts­spezifische Beurteilung von künstlerischer Leistung eröffnete.

Ada Christens Vorgehensweise, die Stimmungslage als Quelle der Poesie zu nutzen, ironisiert viel später noch Ludwig Anzengruber, indem er zu Bedenken gibt, daß es auch eine Rück­wirkung der Poesie auf die Gefühlslage gäbe:

„Dichten Sie in Gottes Namen, in dem Apollos nämlich[99], [...] aber lassen Sie sich nicht so aufregen, denn was soll denn da dabei aus dem Poem und aus Ihnen werden? [...] Daß Stahl und Stein ein sehr schönes Stück ist, das weiß ich selber recht gut [...]. Aber einen Enthusiasmus wie den Ihren, eine Ergriffenheit wie die Ihre, die muß ich doch geradezu verbieten, da ich sonst Gefahr laufe, daß der Besuch meiner Stücke vom nächsten hygienischen Kongreß verboten wird, da sehen Sie, wie Sie mir schaden können.“[100]

Theodor Storm nimmt in seinen frühen Briefen an Ada Christen Bezug auf den intuitiven Impuls ihres Schaffens. Er stellt wiederholt fest, daß der „unmittel­bare Drang des Gefühls“ in ihren Gedichten „die Verse gemacht“ hätte[101]. Doch konstatiert er auch kritisch, bei diesem „instinktiven Schaffen“ sei es „natürlich, daß Vieles einen eigentlichen künstlerischen Wert nicht ansprechen kann“[102].

Bezieht man eine andere Lyrikerin, Annette von Droste-Hülshoff, in die Beurteilung des poetologischen Konzepts durch Storm mit ein, so kristallisieren sich Parallelen heraus. Über Droste-Hülshoff äußert sich Theodor Storm mit sehr ähnlichem Vokabular und derselben Beurteilung des Schaffens wie über Ada Christen: „Die Droste-Hülshoff ist für mich von allen dichtenden Frauen die respektabelste poetische Kraft. Freilich, es fehlt auch hier die letzte Vollendung; aber der poetische Instinkt ist enorm. [103]

Storm kategorisiert hier das Dichtervolk nach dem biologischen Geschlecht und vermittelt mit dem adverbialen Satzanfang „freilich“ die ohnehin geringer zu bewertende dichterische Leistung von Frauen.[104]

Sieht man von dem männlichen Blick in seinen Äußerungen ab, so sind Storms Ratschläge an Ada Christen wichtige Dokumente zur Rekonstruktion der zeit­genössischen Maßstäbe für Poesie. Er toleriert Ada Christens „Drang“ mit ihrem Werk „auf die Mitlebenden eine Wirkung zu äußern“, doch legt er ihr nahe, nur die objektiveren Stoffe aufzusuchen[105]. Storm meint mit dem Terminus ‚objektiv‘ Themen, die über sich selbst hinaus auf eine idealisierte Wahrheit verweisen, also nicht allein die autobio­graphi­sche Erfahrung der Autorin zum Inhalt haben.

3. 2 „Ehrliche Narben“ als poetologisches Konzept

Für ihr „jüngstes Kindlein“ erbat Ada Christen 1874 „gütige geistige Unterstützung“ von Rodenberg. Ihm gegenüber charakterisierte sie die erste Prosaskizze ‚Vom Wege‘ als ein „Büchel, [...] das entgegen dem umsich­greifenden Büchermachens mit Ernst und ehrlichen Narben geschaffen ist“[106].

Als Schreibmotivation führt die Dichterin hier nicht die bloße Intuition an, sondern stützt sich auf ihren biographischen Hintergrund. Durch die Narbenmetaphorik, verbun­den mit dem Adjektiv „ehrlich“, wird ein selbsterlebtes Leid assoziiert. Ada Christen setzt diesen, aus der persönlichen Erfahrung stammenden Impuls zum Schreiben, als Vorzug gegenüber anderen Literaten ein, die sie abwertend als bloß produzierende, „büchermachende“ Schriftsteller bezeich­net.[107] Sie spricht davon, daß sie ihre Skizzen mit „Ernst“ schreibt. Sie deutet damit eine reflexive Auseinander­setzung mit den Themen ihres Werkes an und betont trotz Storms Kritik den autobiographischen Bezug in ihrem Schaffen.

Bei Veröffentlichung ihrer zweiten Prosaskizze ‚Aus dem Leben‘[108] erhebt Ada Christen noch stärker als bei der ersten Prosaskizze ihre eigene „Denkweise“ zum poetologischen Prinzip. Sie argumentiert, daß die Erfahrung die eigene Ein­stellung zum Leben präge und diese „Denk- und Empfindungsweise“ die Themen zum Schreiben vorgeben würde. Der Erlebnishorizont des Autors wird in dieser Argumentation zum Maßstab für die Fähigkeit, das Leben zu beschreiben.

„Mich hat [Storm] wieder einmal redlich verputzt, ob der pessimistischen Stimmung, Richtung etc. Was will diese weiche, milde, klare Natur, die nie hinaus kam über Haus und Heimat, von dem Leben sagen?! [...] mich dünkt, die trübseligen ‚Irrlichter‘[109], die er eine Sünde nennt[110], können nicht nur gedichtelt werden, und wer sie schrieb, der schrieb sie, weil seine Denk- und Empfindungsweise diesen Ton und diese Farbe hat.“[111]

Die Titel der Prosaskizzen ‚Vom Wege‘ und ‚Aus dem Leben‘ verweisen auf den Erlebnishorizont, den die Autorin Ada Christen auf ihrem Lebensweg gewonnen hat. Die von Storm als „pessimistisch“ bezeichnete Tendenz in diesen Skizzen resultiert aus den ausweglosen Situationen, in denen die Personen ihrer Werke gefangen sind. Ada Christen konfrontiert den Leser mit Personen, die teils aus eigenem Unvermögen, vorrangig jedoch aus gesellschaftsbedingtem Schicksal am Leben verzweifeln[112]. Die für Ada Christens Gedichte und ihre Prosa charakteristische Schwer­mütigkeit[113] setzte sich ab von dem „in die Mode gekommenen Jammer gar nicht zu jammern Berechtigter“[114], da Ada Christen „immer wieder das Elend und den Hunger der Besitzlosen [aufzeigte] und angesichts dessen die Melancholie der Besitzenden als modische Sentimentalität“[115] bloßstellte.

[...]


[1] Karlheinz Rossbacher: Literatur und Liberalismus. Zur Kultur der Ringstraßenzeit in Wien, 1992, S. 355.

[2] Hubert Gronemann, Nachwort. In: Ada Christen, Jungfer Mutter, Wien und München: Bellaria 1947, S. 196-207, S. 197.

[3] Schmid-Bortenschlager, Sigrid: Ada Christens soziale Topographie Wiens. In: Metropole und Provinz in der österreichischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Beiträge des 10. Österreichisch - Polnischen Germanistentreffens, Wien 1992. Hrsg. von Arno Dusini und Karl Wagner. Zirkular, Sondernummer 41, 1994, S. 89-103, S. 90.

[4] Die Angaben zum Geburtsjahr der Dichterin schwanken zwischen 1839, 1841 und 1844. Ich beziehe mich auf die Angabe von Oskar Katann (Storm als Erzieher. Seine Briefe an Ada Christen. Hrsg. von Oskar Katann, Wien: Hollinek 1948), die in den neuesten Aufsätzen zu Ada Christen zitiert wird. Katanns biographische Skizze über Ada Christen wird von Karlheinz Rossbacher als die beste Darstellung ihrer frühen Jahre bezeichnet. Vgl. K. Rossbacher: Literatur und Liberalismus – Zur Kultur der Ringstraßenzeit in Wien, 1992, ‚Ada Christen, eine Dichterin unter Männern‘, (355-365), S. 355.

[5] Die Mutter von Ada Christen wurde 1811 geboren und war „Tochter eines bürgerlichen Wundarztes“. Katann, S. 34, Fußnote zu dem Brief von Theodor Storm an Ada Christen, 24. Mai 1870.

[6] Der Alsergrund ist der IX. Bezirk in Wien.

[7] Ludwig Anzengruber: Briefe. Mit neuen Beiträgen zu seiner Biographie. Hrsg. von Anton Bettelheim, 2 Bde. Stuttgart: Cotta (1902) (= Gesammelte Werke, Ergänzungsbände I, II (1905); hier zitiert als Bettelheim, I,II), I, S. XXff.

[8] Vgl. Bettelheim, I, S. XXff: Das Meidlinger Theater war ein gepachtetes Jagdschlößchen bei Schön­brunn, in dem Louis Groll sonntags skandalumwitterte Aufführungen darbot. Seine SchauspielerInnen erhielten keine Gage, sie mußten sich selbst Kostüme mitbringen. Ada Christen war eine der „Freiwilligen“, die später den Sprung zur „vielgenannten Berufsschauspielerin“ geschafft hatte.

[9] Vgl. Ada Christen. Ausgewählte Werke. Gedichte – Erzählungen. Hrsg. und eingeleitet von W. A. Hammer. Wien, Teschen, Leipzig 1911, S. VIII.

[10] Eduard Beutner: Widerstand und Resignation. Zur Lyrik der österreichischen Schriftstellerin Ada Christen. In: Unterdrückung und Emanzipation. Festschrift für Erika Weinzierl. Zum 60. Geburtstag. Hrsg. von Rudolf Ardelt, Wolfgang Huber, Anton Staudinger. Wien, Salzburg 1985, (S. 15-37), S. 16.

[11] Vgl. zur Ähnlichkeit mit der Schauspiellaufbahn von Ludwig Anzengruber: Alfred Kleinberg: Ludwig Anzengruber: ein Lebensbild. Stuttgart und Berlin: Cotta 1921, S. 97f.

[12] Das Kind wurde aufgrund des Bluthustens von Ada Christen tot geboren. Vgl. Katann, S. VIII.

[13] Adalmar von Breden lebte 1834-1903. Vgl. Christine Touaillon, in: Nagl/Zeidler/Castle: Deutsch­-­öster­reichische Literaturgeschichte, Bd. III (1848-1890), Wien 1930, (S. 709-716), S. 710.

[14] Ada Christen schrieb 1870 und 1872 an Julius Rodenberg diese Adresse neben ihre Unterschrift. Vgl. unveröffentlichte Briefe von Ada Christen an Julius Rodenberg vom 8. November 1870 und 12. April 1872 aus dem Bestand GSA 81/II, 3, 13, Goethe- und Schillerarchiv Weimar.

[15] „Vor 15 Jahren, als mich Rittmeister Breden nach jener Affaire mit dem Kopftyphus und in dem Glauben, daß ich die Krankheit nicht überlebe, wieder in sein Haus nahm, lernte ich zum ersten Mal Mitleid kennen.“ Brief von Ada Christen aus dem Jahr 1883, zitiert bei Melanie Lebner: Ada Christen. Eine Monographie, Diss. (Masch.), Wien 1933, S. 14, zitiert nach: Beutner, Resignation und Widerstand, S. 18.

[16] Von Breden erwirtschaftete bei der österreichischen Besetzung Bosniens und der Herzegowina ein größeres Vermögen, mit dem er die Inzersdorfer Konservenfabrik sowie eine große Handelsgärtnerei in Wien aufbauen konnte. Vgl.: Sigrid Schmid-Bortenschlager: Ada Christen (1839-1901). In: Literatur und Kritik, hrsg. von Karl-Markus Gauß und Arno Kleibel, Salzburg 1996, Heft 307/308, (S. 103-108), S. 105 und 107.

[17] Über eine absichtlich gewählte Korrelation zwischen dem Vornamen ihres Künstlernamens und dem Vor­namen ihres neuen Lebenspartners Adalmar von Breden kann nur spekuliert werden. Jedenfalls hing die Entscheidung zu einem Pseudonym mit dem Ende der Schauspielerlaufbahn und dem Beginn schriftstellerischer Tätigkeit zusammen. Auffällig ist, daß die Künstlerin nicht den adligen Namen von v. Breden übernahm.

[18] Die Trauung fand am 25. Juli 1873 statt. Vgl. Katann, S. 55.

[19] Vgl. dazu: Katann, S. IX.

[20] Vgl. Undatierter Brief von Ada Christen an Stefan Milow, Wiener Stadtbibliothek , IN 70639, zitiert nach: Katann, S. IX. Vgl. auch: Brief von Ada Christen an Ferdinand von Saar (1880): „[D]ie Ada Christen ist Dein Geschöpf“, Hervorhebung im Original, zitiert nach: Hammer, S. XIX.

[21] Vgl. dazu: Hans-Heinz Hahnl: Vergessene Literaten. Fünfzig österreichische Lebensschicksale. Wien 1984, (S. 87-90), S. 87.

[22] Dieses Motto stammte ursprünglich von dem Dichter Dranmor (Pseudonym für Ferdinand Schmid). Vgl. Undatierter Brief von Ada Christen an Julius Campe junior: „‚Auch das geht vorüber‘, ich möchte`s [...] über meinen Schreibtisch hängen – ich habe ihn unwillkürlich sehr oft zitirt in der letzten Zeit.“ Nachlaß von Julius Campe junior, Heinrich-Heine-Archiv Düsseldorf. Vgl. auch Bettelheim, II, S.108: Brief von Ludwig Anzengruber an Ada Christen, Sommer 1881, in dem er ihren „Wahlspruch“ verwendet.

[23] Einen Überblick über dieses Œuvre mit Angabe von Neuauflagen gibt Schmid-Bortenschlager. In: Schmid-Bortenschlager, Ada Christen, Literatur und Kritik, S. 108. Das gesamte, zum Teil ungedruckte Werk von Ada Christen ist u.a. aufgeführt in: Deutsches Schriftstellerlexikon (1830-1880), Goedekes Grundriß zur Geschichte der deutschen Literatur. Fort­führung. Bearbeitet von Herbert Jacob. Berlin: Akademie-Verlag 1995, S. 624-627.

[24] Ada Christen, Lieder einer Verlorenen. Hamburg 21869, Epilog, S. 85.

[25] Karl von Thaler, in: Neue Freie Presse, Literatur – Blatt, 26. März 1869.

[26] Vgl. Zeitungsausschnitte aus dem Nachlaß von Julius Campe junior, Heinrich – Heine – Archiv Düsseldorf, besonders: Karl von Thaler, in: Neue Freie Presse, Literatur – Blatt, 26. März 1869.

[27] Karl von Thaler, in: Neue Freie Presse, Literatur-Blatt, 13. Februar 1869.

[28] Ebd.

[29] Ebd.

[30] Karl von Thaler, in: Neue Freie Presse, Literatur – Blatt, 22. April 1870.

[31] Vgl. Karl von Thaler, in: Neue Freie Presse, 13. Februar 1869.

[32] Paul Lindau: Harmlose Briefe eines deutschen Kleinstädters. In: Salon für Literatur, Kunst und Gesell­schaft. Hrsg. von Julius Rodenberg, Leipzig 1869, Bd. 5, ( S. 115-122).

[33] Lindau, S. 120.

[34] Ebd.

[35] Ebd. Lindau nimmt Bezug auf das Gedicht ‚Epilog‘ (vgl. Anm. 21).

[36] Ebd.

[37] Vgl. dazu: Peter Nusser: Trivialliteratur, S. 1-20.

[38] Lindau, S. 116.

[39] Vgl. Rossbacher: Ada Christen, Literatur und Liberalismus, S. 355.

[40] Zu der von Ludwig Anzengruber und Friedrich Schlögl ins Leben gerufenen Mittwochsgesellschaft ‚Die Nische‘ gesellte sich Ada Christen mit ihrem Mann und traf dort neben den oben genannten Personen Rudolf Alt, Hans Richter, Professor Albert, Ernst Juch und Schembera. Vgl. Bettelheim, I, S. LV sowie Bettelheim, II, S. 103, Fußnote zu dem Brief von Ludwig Anzengruber an Ada Christen vom 9. August 1881.

[41] Der Verein war zur Förderung der finanziellen Unabhängigkeit von schreibenden Frauen im Jahre 1885 gegründet worden. Vgl. dazu: Sigrid Schmid-Bortenschlager: Der Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien 1885-1938. In: Jahrbuch der Universität Salzburg 1981-1983, hrsg. von Arno Buschmann, Salzburg 1984, (S. 124-137).

[42] Vgl. Schmid-Bortenschlager, Ada Christen, Literatur und Kritik, S. 105.

[43] Ada Christen deutet selbst zahlreiche Kontakte an: „Alle die Herren, mit denen ich im brieflichen Verkehr stehe schreiben so schön.“ Unveröffentlichter Brief von Ada Christen an Julius Rodenberg, 26. November 1870.

[44] Die Veranlassung für Storm, mit der Dichterin in Kontakt zu treten, war die Besprechung der zweiten Auflage der ‚Lieder einer Verlorenen‘ von Rudolf Gottschall in den ‚Blättern für literarische Unter­haltung‘, 6. Mai 1869. Vgl. Katann, S. XIII.

[45] Brief von Theodor Storm an Klaus Groth, 18. November 1869. In: Theodor Storm – Klaus Groth, Briefwechsel, Kritische Ausgabe, hrsg. von Boy Hinrichs, Berlin 1990, S. 66.

[46] Vgl. Sibylle Obenaus: Literarische und politische Zeitschriften 1848-1880, Stuttgart 1987, S. 36.

[47] Vgl. Schmid-Bortenschlager, Ada Christen, Literatur und Kritik, S. 106. Vgl. auch: Beutner, Wider­stand und Resignation, S. 18.

[48] Undatierter Brief von Ada Christen an Stefan Milow, Wiener Stadtbibliothek, zitiert nach: Beutner, Widerstand und Resignation, S. 16.

[49] Julius Campe junior war der Sohn des ‘Heine – Verlegers’ Johann Julius Wilhelm Campe (1792-1867). Seine Lehre begann in Leipzig, er wechselte aber 1864 nach Wien in die Buchhandlung Tendler & Comp und nach wenigen Monaten zur Wiener Universi­täts­buchdruckerei Jacob & Holzhausen. Zwanzig­jährig übernahm er beim Tode von Julius Campe senior die Geschäftsleitung des Verlags Hoffmann & Campe. Etwa ein Jahrzehnt lang führte Julius Campe junior den Verlag in gewohnter Weise, d.h. mit zehn bis zwanzig veröffentlichten Titeln pro Jahr, doch Ende der siebziger Jahre reduzierte sich die Zahl der erschienenen Werke auf weniger als sechs. Das Verlagsverzeichnis zeigt für den Zeitraum von 1892 bis 1909 schließlich nur noch eine einzige selbständige Veröffentlichung an. Julius Campe verließ sich haupt­sächlich auf Neuausgaben von ‚Gesammelten Schriften‘, darunter Börne, Strodtmann und natürlich „Heine, Heine und wieder Heine“. Im einstigen Verlag des ‚Jungen Deutschland‘ fand sich „zwischen vieler Spreu nur ab und zu einmal ein Fund“. Ada Christen ist im Zuge dieser Entwicklung „die einzige Errungenschaft Campes, des Sohnes, für den Verlag“. Vgl. Gert Ueding: Hoffmann und Campe. Ein deutscher Verlag. Hamburg 1981, Kapitel ‚Ausverkauf‘ (S. 487-500), S. 489, S. 496f.

[50] Brief von Ada Christen an Julius Campe.

[51] Brief von Ada Christen an Julius Campe. Ada Christen meint mit dem „Büchel“ die Sammlung ‚Aus der Asche’, da sie in demselben Brief von dem Dichter Dranmor schreibt, dem dieser Band gewidmet ist, und das in der Sammlung abgedruckte ‚Nachtbild‘ erwähnt.

[52] Karl von Thaler, in: Neue Freie Presse, 22.4.1870

[53] Der Floh, Wien, 23. April 1871. Das Satireblatt hatte seine Zentrale in der Schulerstraße 17, also in direkter Nachbarschaft zur karikierten Künstlerin, die in der Schulerstraße 18 wohnte.

[54] Brief von Ada Christen an Julius Campe.

[55] Ada Christen: Gesammelte Gedichte. Hamburg 1873.

[56] Zeitungsausschnitt im Nachlaß von Julius Campe vom 30. April 1870.

[57] Brief von Ada Christen an Julius Campe. Dem Brief ist ein anderer Zeitungsausschnitt beigefügt, der die Lesung in Wien mit demselben Programm ankündigt. Die dort formulierte Bitte um Vorbestellungen auf feste Plätze, die schriftlich in der Wohnung des Unterzeichneten am Fuße des Schloßberges Nr. 1, 3. Etage eingereicht werden sollten, ist ein Hinweis dafür, daß diese Veranstaltung bekannt war und gut besucht wurde.

[58] „Ich mein Sie sollen mit dem Erscheinen des Buches es in ein paar Blättern ankündigen lassen aber ein paarmal Zeilen in der Donau – Wehrzeitung kosten uns nichts die müssen umsonst einrücken.“ Brief von Ada Christen an Julius Campe.

[59] Brief von Ada Christen an Julius Campe, in dem sie anfangs betont: „[I]ch schreibe Ihnen heute in einer ganz abscheulichen Stimmung zum erstenmal im Leben kann ich einem Versprechen nicht ganz nachkommen und das ärgert mich.“ A. Frankl (1810-1894) war Schriftsteller, Journalist und Professor der Ästhetik in Wien. Er korrigierte die Gedichte von Ada Christen.

[60] Brief von Ada Christen an Julius Rodenberg, 8. November 1870.

[61] Brief von Ada Christen an Julius Campe um 1872.

[62] „Wann kommen sie nach Wien, bald?“ und in einem anderen Brief an ihn: „[S]o kriegen Sie bei unserer nächsten Begegnung ein unbündiges Büchel“. Vgl. Brief von Ada Christen an Julius Campe.

[63] Brief von Ada Christen an Julius Campe.

[64] Brief von Ada Christen an Julius Campe anläßlich eines Gegenbriefes, in dem Campe „4 Seiten über sich “ schrieb.

[65] Vgl. Obenaus, Literarische und politische Zeitschriften, S. 68.

[66] Brief von Ada Christen an Julius Rodenberg, 8. November 1870.

[67] Ebd.

[68] Brief von Ada Christen an Julius Rodenberg, 11. Januar 1871.

[69] Brief von Ada Christen an Julius Rodenberg, 26. November 1870.

[70] „Lieber, hochverehrter Freund, ich werde niemals vergessen, wie viel ich ihnen verdanke, und nie versäumen bei jedem neuen Zeichen von Freundschaft und Wohlwollen das sie mir geben, mich aller derjenigen zu erinnern, die ich schon von ihnen empfangen habe.“ Brief von Marie von Ebner-Eschenbach an Julius Rodenberg, 3. April 1887, zitiert nach: Helmut Brandt: Marie von Ebner-Eschenbach und die ‚Deutsche Rundschau‘. In: Die österreichische Literatur. Ihr Profil von der Jahrhundert­wende bis zur Gegenwart (1880-1980), Teil 2. Hrsg. von Herbert Zeman, Graz-Austria: Akademische Druck- und Verlagsanstalt 1989, (S. 1001-1015), S. 1004.

[71] Ebd., S. 1003.

[72] Ebd.

[73] Ebd., S. 1001.

[74] Ebd. S. 1005.

[75] Ebd.

[76] Briefe von Ada Christen an Julius Rodenberg vom 26. November 1870 und 11. Januar 1871.

[77] Brief von Ada Christen an Julius Rodenberg, 12. April 1872.

[78] Vgl. Katann, S . XV.

[79] Storm nutzte auch Ada Christens Beziehungen zu Karl von Thaler, den sie durch die Künstler­gesellschaft ‚Nische‘ kannte: „Sind Sie vielleicht so gütig, Herrn von Thaler – der wenn er das Hausbuch noch nicht von Mauke erhalten, es doch nächster Tage erhalten soll – freundlich von mir zu bitten, es etwas energisch in der Freien Presse und womöglich jetzt, damit ein Absatz vor Weihnachten erzielt werde, zu besprechen.“ Brief von Theodor Storm an Ada Christen, 26. November 1870, Katann, S. 40.

[80] Brief von Ada Christen an Julius Rodenberg, 11. Januar 1871. Die National – Zeitung war 1848 u.a. von dem Pädagogen F.A. Diesterweg und dem späteren Bürgermeister von Berlin, Franz Duncker gegründet worden und verstand sich als nationalliberales Organ in Preußen. Vgl. Ernst Gerhard Friehe: Geschichte der National – Zeitung 1848 bis 1878, Leipzig 1933. In: Das Wesen der Zeitung, hrsg. von Erich Everth, Leipzig 1933, Bd. II, Heft 4, S. 139.

[81] Vgl. dazu: Rossbacher, Literatur und Liberalismus, S. 88.

[82] Brief von Ada Christen an Julius Rodenberg, 8. November 1870. Das „letzte Büchl“ ist der Gedicht­band ‚Aus der Asche’ aus dem Jahre 1870, den sie zu Beginn dieses Briefes erwähnt.

[83] Heinrich Laube (1806-1884) war seit 1850 Direktor des Wiener Burgtheaters und gründete 1872 das ‚Wiener Stadt - Theater‘, dessen Direktor er fast durchgängig bis 1879 war.

[84] Brief von Ada Christen an Julius Rodenberg, 11. Januar 1871. Das Drama wurde 1871 im Verlag von Jakob Dirnböcks Buchhandlung Wien veröffentlicht.

[85] Vgl. Beutner, Widerstand und Resignation, S. 18.

[86] Vgl. dazu das Gespräch zwischen Ada Christen und Ferdinand von Saar. Die Quelle beruht auf der Darstellung von Ada Christen gegenüber W. A. Hammer: „In kindlicher Plauderstunde vertraute mir Saar an: ‚Du, ich bin ein Dichter.‘ ‚Ah, gehst d` net‘ antwortete ich ihm selbstbewußt, ‚was hast denn g`schrieben?‘ – ‚Einen Faust!‘ war die Antwort. – ‚Der Faust?‘ brach ich in ein schallendes Gelächter aus, ‚laß di net auslachen! Im Faust bin i ja scho selbst aufg`treten, den hat ja der Goethe g`schrieben!‘“ W.A. Hammer, VIII.

[87] Vgl. den Paratext von ‚Faustina‘: „Spielt in der Gegenwart“. Vgl. zu dem Grundkonflikt: ‚Faustina‘, S. 73: Die Charaktereigenschaften der Schau­spieler­in Faustina, die über eine Rolle als Hausfrau hinaus­wächst, werden in einem Dialog zweier Männer umrissen: „Der Mann hat die Standesvorurtheile von Kindheit an so in sich aufgenommen, daß ihm eine noch so schöne Theaterprinzessin gar nicht wie ein Weib erscheint. Und ganz Unrecht hat er auch nicht, ein Weib, das sich jeder um ein paar Groschen allabendlich ansehen kann [...], das taugt nicht zur Hausfrau.“ Heinrich (ironisch): „Nicht zum Strümpfestopfen und Süpplein kochen!“ Major: „Ist viel klüger als Chemie, Naturwissenschaft, Philosophie und weiß der Teufel was für Krimskram zu studiren, wie es die Faustina thut.“

[88] Vgl. dazu: S. 4 dieser Arbeit.

[89] Vgl. Touaillon, Literaturgeschichte, S. 710

[90] Vgl. Beutner, Widerstand und Resignation, S. 18

[91] Beutner stützt sich auf einen Brief von Ada Christen vom 24. Februar 1871. Der Adressat ist leider unbekannt.

[92] Rossbacher problematisiert diese Frage angesichts Ada Christens Bitten an Hermann von Littrow, die bewirkten, daß dessen harsche Rezension ihrer ‚Lieder einer Verlorenen‘ nicht veröffentlicht wurden. Rossbacher verweist gleichzeitig auf die prekäre Lage der Künstlerin, in einem von Männern dominierten Literatur­betrieb sich selbst zu behaupten. Vgl. Rossbacher: Ada Christen, Literatur und Liberalismus, S. 364.

[93] Vgl. zur Rolle der Frau im Literaturbetrieb: Sigrid Weigel: Der schielende Blick. Thesen zur Geschichte weiblicher Schreibpraxis. In: Die verborgene Frau. Sechs Beiträge zu einer feministischen Literaturwissenschaft (= Literatur im historischen Prozeß, Neue Folge 6), hrsg. von Gert Mattenklott, Klaus R. Scherpe et al. Berlin 1983, (S. 83-152), S. 89.

[94] Vgl. weiterführend dazu die Beiträge über die Ambivalenz weiblichen Widerstandes im Literatur­betrieb: Claudia Honnegger, Bettina Heintz (Hg.): Listen der Ohnmacht. Zur Sozialgeschichte weiblicher Widerstandsformen. Frankfurt/M. 1981.

[95] Brief von Ada Christen an Julius Campe.

[96] Ada Christen, Lieder einer Verlorenen, 21869, S. 21. Hervorhebung im Original.

[97] Rossbacher, Ada Christen, Literatur und Liberalismus, S. 358f. Rossbacher greift hier die These von Uta Treder auf, zählt Ada Christen jedoch nicht zu dem dargestellten Paradigma, da ihre Gedichte von Anfang an als denen Heines verwandt rezipiert wurden. Vgl. dazu: U. Treder: Das verschüttete Erbe. Lyrikerinnen im 19. Jahrhundert. In: Deutsche Literatur von Frauen, hrsg. von Gisela Brinker-Gabler, Bd. II, (S. 27-41), S. 27.

[98] Ingrid Rathner: Zwischen Provokation und Resignation: Lyrik und ausgewählte Prosawerke der öster­reichischen Schriftstellerin Ada Christen. Diplomarbeit, Salzburg 1992, S. 51.

[99] Anzengruber spielt hier auf den Gott des Gesangs und Saitenspiels an, der die Menschen durch Musik zum Guten antreiben soll. Vgl. Wörterbuch der Mythologie aller Völker. Hrsg. von Wilhelm Vollmer, Stuttgart, 1874, Leipzig: Reprint, o. J., S. 57.

[100] Brief von Anzengruber an Ada Christen , 10. November 1887. Bettelheim, II, S. 237.

[101] Brief von Storm an Ada Christen, 21. Oktober 1869. Katann, S. 3.

[102] Brief von Storm an Ada Christen, 13. April 1870. Katann, S. 27.

[103] Brief von Storm an Ada Christen, 30. Januar 1870. Katann, S. 22.

[104] Vgl. zur geschlechtsorientierten Etikettierung der künstlerischen Leistung von Frauen: Leonie Marx: Der deutsche Frauenroman im 19. Jahrhundert. In: Handbuch des Deutschen Romans, hrsg. von Helmut Koopmann, Düsseldorf 1983, (S. 434-459), S. 435.

[105] Brief von Storm an Ada Christen, 13. April 1870, Katann, S. 28.

[106] Brief von Ada Christen an Julius Rodenberg, 11. Februar 1874. ‚Vom Wege‘ erschien 1874 beim Verlag Hoffmann & Campe.

[107] Eine ähnliche Abwertung anderer Schriftsteller klingt in einem früheren Brief an, in dem sie die eigenen Gedichte als „ein bissel schöner wie das Geschreibsel von der Hammersdorf“ beschreibt.

[108] Ada Christen: Aus dem Leben. Verlag von Ernst-Julius Günther, Leipzig 1876.

[109] ‚Irrlichter‘ ist die umfangreichste Erzählung in Ada Christens Prosaskizze‚Aus dem Leben‘ (S. 111-181).

[110] Mit Storms Kritik auf der moralischen Ebene - die ‚Irrlichter‘ seien eine Sünde - wird Ada Christen auch bei ihrem Drama ‚Faustina‘ konfrontiert: „Aber es tut mir leid, daß diese Kraft und Arbeit an diesen Stoff verschwendet ist; Mutter und Sohn, das ist widerwärtig.“ Brief von Storm an Ada Christen, 6. Januar 1871. Katann, S. 41.

[111] Brief von Ada Christen an Hieronymus Lorm, 22. Juli 1876, zitiert nach: Katann, S. 74. Lorm ist diese zweite Prosaskizze ‚Aus dem Leben‘, in dem sich die Erzählung ‚Irrlichter‘ befindet, gewidmet.

[112] Vgl. dazu beispielsweise den Schluß der ‚Irrlichter‘: „Kein menschliches Auge sah das blutende Haupt und das blutende Herz des armen, verachteten, ohnmächtigen Weibes“ . Irrlichter, S. 181.

[113] Vgl. dazu: Bettelheim, II, S. 80. Brief von Anzengruber an Ada Christen, 3. August 1880: „[D]ie drei Gedichte haben mir Freude gemacht, wie alles, was mich anspricht. Sie sind schön! Die Stimmung, die durch selbe zieht, das poetische Weh- und Schwermütige wünschte ich nicht weg, Ihre eigene persönliche sähe ich gerne besser.“

[114] Brief von Anzengruber an Wilhelm Bolin, 29. Oktober 1876, Bettelheim I, S. 286. Diese Mentalität konstatiert Anzengruber kritisch für die Zeit nach der Rezeption von Arthur Schopen­hauers philo­sophischem Werk ‚Die Welt als Wille und Vorstellung. Vgl. dazu: Peter Rosegger – Ludwig Anzen­gruber. Briefwechsel 1871-1889. Hrsg. von Konstanze Fliedl und Karl Wagner. Wien, Köln, Weimar 1995, Vorwort S. 15.

[115] Geschichte der deutschen Literatur - vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, hrsg. von Viktor Zmegac unter Mitw. von Uwe Baur, Bd. II (1848-1918), Königstein/Ts.: Athenaeum 1978, S. 53.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1998
ISBN (eBook)
9783832447366
ISBN (Paperback)
9783838647364
DOI
10.3239/9783832447366
Dateigröße
971 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen – Germanistik
Erscheinungsdatum
2001 (November)
Note
1,0
Schlagworte
wiener moderne jahrhundert rolle frau literaturwissenschaft
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Titel: Eine vergessene Wiener Vorstadtgeschichte
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