Motive, Einstellungen und Verhalten im Hinblick auf Automobile und Mobilität
Implikationen für Mobilitätsdienstleister
Zusammenfassung
Die vorliegende empirische Diplomarbeit mit dem Titel Motive, Einstellungen und Verhalten im Hinblick auf Automobile und Mobilität - Implikationen für Mobilitätsdienstleister -, gehört einer Reihe von vier Arbeiten an, die alle aus dem von der weltgrößten Unternehmensberatung Accenture (ehemals Andersen Consulting) initiierten Projekt The Age of Mobility hervorgehen. Grundlage dieser Arbeiten bildet eine deutschlandweit durchgeführte empirische Untersuchung (Kaufprozeß/Mobilität 2000) zu den zwei Themengebieten Kaufentscheidungsprozeß beim Automobilkauf und Mobilität. Diese Untersuchung wurde mit einem Budget von DM 25.000,- im Auftrag von Accenture und der DaimlerChrysler Tochter MCC smart GmbH durchgeführt. Der dazugehörige voll codierte 24-Seiten starke Fragebogen ist im Anhang enthalten.
Diese Diplomarbeit befasst sich, wie der Titel der Arbeit bereits verdeutlicht, mit der Untersuchung von Motiven, Einstellungen und Verhalten von Personen im Hinblick auf Automobile und Mobilität. Ziel ist es, zu ergründen, ob innerhalb der deutschen Gesellschaft unterschiedliche Personengruppen identifiziert werden können, die sich hinsichtlich eben dieser untersuchten Motive, Einstellungen und Verhaltensweisen unterscheiden. Ein Hauptbestandteil dieser Arbeit ist demnach die Erstellung einer deutschlandweit repräsentativen (Auto-)Mobilitätstypologie (mittels einer Clusteranalyse), deren Ergebnis eine differenzierte Betrachtungsweise von Personengruppen in der Gesellschaft hinsichtlich ihrer Mobilitätsorientierungen zulässt. Weitere zentrale Fragestellungen dieser Arbeit sind z.B., welchen Einfluss neue Technologien (Internet, Navigationssysteme, etc.) und das Verkehrsaufkommen auf das Mobilitätsverhalten haben. Darüber hinaus wird eine Potential- und Akzeptanzanalyse für neue Mobilitätsdienstleistungen vorgenommen. Die Interpretation und Auswertung der gewonnenen Erkenntnisse, wird unter besonderer Berücksichtigung des Mobilitätsdienstleistermarktes vorgenommen.
Gang der Untersuchung:
Der erste Abschnitt dieser Arbeit setzt sich mit theoretischen und themenspezifischen Grundlagen zum Thema Mobilität auseinander. Neben theoretischen Grundlagen zum Bereich Verhaltensforschung und Marktsegmentierung, werden zusätzlich themenspezifische Grundlagen um das Thema Mobilität erörtert, wie z.B. eine definitorische Abgrenzung des Mobilität-Begriffes, eine Darstellung und Abgrenzung verschiedener Mobilitätsformen sowie ein Modell zur […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einführung und methodischer Aufbau
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Emotion, Motivation und Einstellung
2.2 Marktsegmentierung
3. Themenspezifische Grundlagen
3.1 Mobilität und Verkehr
3.1.1 Definition des Begriffs Mobilität
3.1.2 Formen der Mobilität
3.1.3 Erklärungsmodell des Mobilitätsverhaltens
3.2 Determinanten des Mobilitätsverhaltens
3.2.1 Technologische Faktoren
3.2.2 Politische Faktoren
3.2.3 Wirtschaftliche Faktoren
3.2.4 Gesellschaftliche Faktoren
3.3 Neue Mobilitätsdienstleistungen in Deutschland – Ein Überblick –
3.3.1 Einleitung und Begriffsbestimmungen
3.3.2 Monomodale Mobilitätsdienstleistungen
3.3.3 Multimodale Mobilitätsdienstleistungen
3.3.4 Intermodale Mobilitätsdienstleistungen
4. Empirische Untersuchung
4.1 Formulierung und Operationalisierung von Hypothesen
4.2 Forschungsdesign
4.3 Durchführung der Feldarbeit
5. Ergebnisse der Feldarbeit
5.1 Identifikation von (Auto-)Mobilitätstypen
5.1.1 Erläuterungen zur Methode
5.1.2 Beschreibung der identifizierten Cluster
5.1.3 Abschließende Beschreibung der identifizierten Cluster
5.1.4 Verknüpfung zu einer bestehenden Typologie
5.2 Hypothesentests
5.2.1 Einstellung und Verhalten
5.2.2 Verkehr
5.2.3 Technik
5.2.4 Mobilitätsdienstleistungen
6. Folgerungen und Ausblick
6.1 (Auto-)Mobilitätstypen
6.2 Die Dominanz des automobilen Leitbildes
6.3 Neue Mobilitätsdienstleistungen: Akzeptanz und Anforderungen
6.4 Neue Mobilitätsdienstleistungen: Zielgruppen und Vermarktungsansätze
7. Resümee
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 01: Abnehmerbezogene Segmentierungskriterien
Abbildung 02: Erklärungsmodell des Mobilitätsverhaltens
Abbildung 03: Statements zum Thema Autofahren
Abbildung 04: Statements zum Thema Auto
Abbildung 05: Statements zum Thema Straßenbahn bzw. ÖPNV
Abbildung 06: Statements zum Thema Fahrradfahren
Abbildung 07: Statements zum Thema Zufußgehen
Abbildung 08: (Auto-)Mobilitätstypen in Deutschland
Abbildung 09: Modal Split – Gesamt –
Abbildung 10: Modal Splits aller (Auto-) Mobilitätstypen
Abbildung 11: Wie empfinden Sie das aktuelle Verkehrsaufkommen?
Abbildung 12: Wie häufig sind Sie in der Woche online?
Abbildung 13: Seitdem ich einen Internetanschluß habe, erledige ich viele Dinge von zu Hause aus und erspare mir somit viele Wege.
Abbildung 14: Einstellungen gegenüber dem ÖPNV – Gesamt –
Abbildung 15: Einstellung gegenüber Mobilitätskonzepten, die den ÖPNV verstärkt integrieren – Gesamt –
Abbildung 16: Einstellung gegenüber Mobilitätskonzepten, die den ÖPNV verstärkt integrieren (gruppiert)
Abbildung 17: Gegenüberstellung von Einstellungswerten der identifizierten Cluster
Abbildung 18: Gegenüberstellung von Einstellungswerten der identifizierten Cluster (Fortsetzung)
Abbildung 19: Generelles Umweltbewußtsein – Gesamt –
Abbildung 20: Schulbildung und Schulbildung gruppiert (Bildungsniveau) – Gesamt –
Abbildung 21: Ich überlege mir bei jeder Fahrt, ob ich das Auto auch wirklich brauche.
Abbildung 22: Nutzungsbereitschaft von Mobilitätskonzepten in Abhängigkeit vom Gewohnheitsverhalten bei der Verkehrsmittelwahl – Gesamt –
Tabellenverzeichnis
Tabelle 01: Die unterschiedlichen Modi des Mobilitätsmanagements
Tabelle 02: Quotierung nach Alter und Geschlecht
Tabelle 03: Quotierung nach Fahrzeugklassen
Tabelle 04: Stichprobenverteilung nach Alter und Geschlecht
Tabelle 05: Stichprobenverteilung nach Fahrzeugklassen
Tabelle 06: Anzahl der Fälle in jedem Cluster
Tabelle 07: Soziodemographische Merkmale je Cluster
Tabelle 08: Soziodemographische Merkmale je Cluster (Fortsetzung)
Tabelle 09: Autospezifische Merkmale je Cluster
Tabelle 10: Autospezifische Merkmale je Cluster (Fortsetzung)
Tabelle 11: Sonstige Merkmale je Cluster
Tabelle 12: (Auto-)Mobilitätstypen
Tabelle 13: Verknüpfung zu einer bestehenden Typologie
Tabelle 14: Bereitschaft, Mobilitätsdienstleistungen aus dem Internet abzurufen (in % aller Internet-Nutzer)
Tabelle 15: Können Sie sich vorstellen, per Internet die folgenden Mobilitätsdienste zu bestellen, zu buchen oder zu kaufen?
Tabelle 16: Sonstige Merkmale – Nutzungsbereitschaft für Mobilitätsdienstleistungen und -konzepte –
Tabelle 17: Sonstige Merkmale (Fortsetzung) – Nutzungsbereitschaft für Mobilitätsdienstleistungen und -konzepte –
Tabelle 18: Nutzungsbereitschaften für Mobilitätskonzepte in Abhängigkeit vom erkannten Zusatznutzen – Gesamte Stichprobe –
Tabelle 19: Nutzungsbereitschaften für Mobilitätskonzepte in Abhängigkeit vom erkannten Zusatznutzen – Gesamte Stichprobe – (Fortsetzung)
Tabelle 20: Nutzungsbereitschaft von Mobilitätskonzepten in Abhängigkeit vom Bildungsniveau – Gesamt –
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einführung und methodischer Aufbau
Mobilität und Verkehr sind ein zentrales gesellschaftspolitisches Thema. Mobilität ist ein grundlegendes Bedürfnis einer modernen Gesellschaft und Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg, gesellschaftlichen Wohlstand und Zufriedenheit ihrer Bürger. Sie ist in Zukunft nur dann gesichert, wenn sie nicht zu Lasten der Allgemeinheit geht und die Lebensgrundlagen künftiger Generationen nicht gefährdet werden. Die Dynamik der weltweiten Verkehrsentwicklung stellt im Hinblick auf die wachsende individuelle Motorisierung, die zunehmend entfernungsintensiveren Mobilitätsgewohnheiten, die globale Vernetzung der Wirtschaftsbeziehungen und den demographischen Wandel, eine gewaltige wissenschaftlich-technische Herausforderung dar. Diese Rahmenbedingungen werden Auswirkungen auf die generelle Gestaltung und Organisation von zukünftiger Mobilität haben.
Diese Diplomarbeit befaßt sich, wie der Titel der Arbeit bereits verdeutlicht, mit der Untersuchung von Motiven, Einstellungen und Verhalten von Personen im Hinblick auf Automobile und Mobilität. Ziel ist es, zu ergründen, ob innerhalb der Gesellschaft unterschiedliche Personengruppen identifiziert werden können, die sich hinsichtlich eben dieser untersuchten Motive, Einstellungen und Verhaltensweisen unterscheiden und sich demzufolge bezüglich ihrer Mobilitätsorientierungen differenziert betrachten lassen. Die Interpretation und Auswertung der gewonnenen Erkenntnisse, wird unter besonderer Berücksichtigung des Mobilitätsdienstleistermarktes vorgenommen.
Diese Diplomarbeit gehört einer Reihe von vier Arbeiten an, die alle aus dem von Andersen Consulting initiierten Projekt „The Age of Mobility“ hervorgehen. Eine Arbeit befaßt sich, genau wie die vorliegende Arbeit, mit dem Themengebiet Mobilität. Die zwei anderen Arbeiten haben das Themengebiet Kaufprozeß zum Schwerpunkt.
Innerhalb des ersten Teils dieser Arbeit (Kapitel 2 und 3), soll auf die theoretischen Grundlagen zum Thema „Mobilität – Motive, Einstellungen und Verhalten im Hinblick auf Automobile und Mobilität“ eingegangen werden. Im Mittelpunkt dieser Ausführungen steht somit der Begriff Mobilität.
Um allerdings zunächst einmal einen Überblick über elementare theoretische Grundlagen zu erhalten, wird im Vorfeld auf die aktivierenden Prozesse des Konsumentenverhaltens, Emotion, Motivation und Einstellung und auf Grundlagen der Marktsegmentierung eingegangen.
Im Anschluß daran, wird der Begriff Mobilität definiert, die verschiedenen Formen der Mobilität dargestellt, sowie ein Modell zur Erklärung des Mobilitätsverhaltens präsentiert. Nachfolgend wird ein Überblick über ausgewählte Faktoren gegeben, die das Mobilitätsverhalten beeinflussen. Den Abschluß des ersten Teils, bildet ein Überblick über neue Mobilitätsdienstleistungen in Deutschland.
Im zweiten Teil (Kapitel 4) dieser Arbeit, werden aus dem theoretischen Teil heraus Hypothesen formuliert, operationalisiert und daraus ein Fragebogen entwickelt. In diesem Zusammenhang wird auch das Untersuchungsdesign vorgestellt.
Der dritte Teil (Kapitel 5), gibt die Ergebnisse der Feldarbeit wieder. Neben der Erstellung und Beschreibung einer (Auto-)Mobilitätstypologie, werden die zuvor aufgestellten Hypothesen auf ihre Richtigkeit hin überprüft.
Die gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse der Untersuchung werden abschließend, im vierten Teil (Kapitel 6 und 7) dieser Arbeit, nochmals zusammenfassend und übergreifend, unter Berücksichtigung des Mobilitätsdienstleistungsmarktes, analysiert.
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Emotion, Motivation und Einstellung
Emotion, Motivation und Einstellung sind komplexe aktivierende Prozesse. Diese aktivierenden Prozesse werden als menschliche Antriebskräfte verstanden. Sie sind dafür verantwortlich das Verhalten zustande kommt.[1]
Emotionen sind innere Erregungsvorgänge, die angenehm oder unangenehm empfunden und mehr oder weniger bewußt erlebt werden. Motivationen sind Emotionen (und Triebe), die mit einer Zielorientierung in bezug auf das Verhalten verbunden sind. Der Motivation liegen grundlegende Motive des Menschen zugrunde. Man unterscheidet Primärmotive[2] (physiologische Motive) und Sekundärmotive[3] (soziale Motive). Einstellungen sind Motivationen, die mit einer kognitiven Gegenstandsbeurteilung bzw. einer Haltung gegenüber einem Gegenstand (einem Produkt, einer Marke, einer Firma, usw.) verknüpft sind. An den Formulierungen der Definitionen kann man erkennen, daß die drei Begriffe aufeinander aufbauen und eine zunehmende kognitive Anreicherung der Antriebsprozesse anzeigen. Als vierten Begriff in der Reihe kann man die Verhaltensabsicht nennen. Dies bedeutet, daß sich aus einer bestimmten Einstellung meist die Absicht ergibt, etwas zu tun (z.B. Kaufabsicht). Dies ist auch der Grund, warum der Einstellungsbegriff für das Marketing so bedeutsam ist. Aus der Verhaltensabsicht schließlich leitet sich das eigentliche Verhalten ab.
Das tatsächliche Verhalten, z.B. die Kaufabsicht, wird jedoch nicht nur von der Einstellung bzw. der daraus resultierenden Verhaltensabsicht bestimmt, sondern es spielen auch die situativen Rahmenbedingungen (die finanzielle Ausstattung, der Preis, der Händler, die Zeit, usw.) eine wichtige Rolle.
Zudem haben die Ausprägung (positiv bzw. negativ), als auch die Stärke (Intensitätsgrad) der Einstellung, einen Einfluß auf das tatsächliche Verhalten. Damit drückt die Einstellung eine gewisse Wahrscheinlichkeit aus, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten. Das heißt, eine positive Einstellung ist meist eine notwendige, selten aber eine hinreichende Bedingung für das Verhalten.
Dieser geschilderte Zusammenhang, „Einstellungen bestimmen das Verhalten“, wird in der Literatur durch die E-V-Hypothese ausgedrückt.
2.2 Marktsegmentierung
Unter einer Marktsegmentierung versteht man eine Aufteilung des Gesamtmarktes in einzelne Käufergruppen. Zweck der Marktsegmentierung ist die Strukturierung von Nachfragergruppen und die Erhöhung der Markttransparenz. In der Gesamtheit weisen die Käufer erhebliche Unterschiede bezüglich verschiedener Merkmale auf. Daher sollten die Segmente in sich möglichst homogen und untereinander möglichst heterogen sein (vgl. Wöhe, G., 1993, Seite 660).
Im Rahmen des Konsumentenverhaltens beim Automobilkauf sollen hier die abnehmerbezogenen Segmentierungskriterien kurz erläutert werden. Diese teilen sich in die objektiven und die subjektiven Segmentierungskriterien (siehe Abb. 01).
Zu den objektiven Kriterien gehören die soziodemographischen Kriterien, zu denen die demographischen[4], sozioökonomischen[5] und geodemographischen[6] Kriterien gezählt werden. Des weiteren werden die Kriterien des beobachtbaren Kauf- und Informationsverhaltens dazugezählt. Dazu gehört die Kaufintensität, die Marken- und Produktartenwahl, die Wahl des Händlers und/oder der Einkaufsstätte, sowie die Mediennutzung und das Informationsverhalten. Die objektiven Kriterien lassen sich direkt über Befragung und/oder Beobachtung der Konsumenten ermitteln (vgl. Heise, G. 1997, Seite 192).
Neben diesen objektiv feststellbaren Merkmalen und beobachtbaren Verhaltensweisen der Konsumenten, können subjektiv erlebte Produkteigenschaften und damit verbundene Nutzenerwartungen sowie die Persönlichkeit der Menschen selbst als Segmentierungskriterien genutzt werden. Mit diesen subjektiven Segmentierungskriterien, die auch als psychographische[7] Kriterien bezeichnet werden, können die Nachteile soziodemographischer Kriterien überwunden werden (vgl. Heise, G., 1997, Seite 217 f.).
Zu den wichtigsten psychographischen Segmentierungskriterien gehören die Personality-Segmentierung, d.h. die Segmentierung nach Persönlichkeitsmerkmalen wie Motiven, Einstellungen und Werten, die Preference- oder Perceptual-Segmentierung, d.h. die Segmentierung nach Wahrnehmungen, Präferenzen und Kaufabsichten, sowie die Benefit-Segmentierung nach Nutzenerwartungen und die Life-Style-Segmentierung nach Lebensgewohnheiten, des Konsumenten (vgl. Böhler, H. 1977, Seite 84f). Die subjektiven Kriterien sind nicht direkt und eindeutig zu erheben, sondern müssen über Hilfskonstrukte erfaßt werden (z. B. über AIO-Statements[8] in der Life-Style-Segmentierung) (vgl. Heise, G., 1997, Seite 192).
Die subjektiven psychographischen Kriterien geben ein deutlich plastischeres und umfassenderes Bild vom Konsumenten, als es die objektiven sozioökonomischen und soziodemographischen Kriterien vermögen (vgl. Heise, G., 1997, Seite 315).
3. Themenspezifische Grundlagen
3.1 Mobilität und Verkehr
3.1.1 Definition des Begriffs Mobilität
Der Begriff Mobilität geht auf das lateinische Wort „mobilitas“ zurück und kann mit „Beweglichkeit“ frei übersetzt werden; in welcher Weise und mit welcher Technik diese Beweglichkeit erreicht wird, ist begriffstechnisch offen (vgl. Canzler, W. / Knie, A., „Möglichkeitsräume“, 1998, Seite 30). Mobilität bezeichnet die Beweglichkeit in einem möglichem Raum, der durch verschiedene Dimensionen begrenzt wird. Diesen Raum nennen Canzler, W. und Knie, A. „Möglichkeitsraum“ (ebenda).
Im Kern handelt es sich bei dem Begriff Mobilität also um die Beweglichkeit in Form der Fähigkeit zur Bewegung, nicht jedoch um die Bewegung an sich. Im alltäglichen Sprachgebrauch wird der Begriff Mobilität allerdings meist als Bewegung gebraucht und auch verstanden. Die Bedeutung von Mobilität wird somit mit der Nutzung der Fähigkeit zur Bewegung, also mit dem „Bewegen“ und dem daraus resultierenden Ergebnis, dem Verkehr verwechselt.[9]
Verkehr sollte man allerdings von Mobilität abgrenzen. Wenn Mobilität die Beweglichkeit in möglichen Räumen ist, dann ist Verkehr die Beweglichkeit in konkreten Räumen (vgl. Canzler, W. / Knie, A., „Möglichkeitsräume“ 1998, Seite 11).
3.1.2 Formen der Mobilität
Präzisiert man die eingangs erwähnte Definition, ergibt sich folgendes Bild: der erwähnte Möglichkeitsraum ist mehrdimensional ausgelegt. Die eine Dimension ist die geographische oder horizontale Beweglichkeit, die andere die soziale oder vertikale Beweglichkeit. Soziale Mobilität bezieht sich auf die Beweglichkeit der Individuen innerhalb der Gesellschaftsschichten, räumliche Mobilität in erster Linie auf den Wohnortwechsel der Individuen. Mobilität bezeichnet aber auch jede räumliche Veränderung der Individuen (vgl. Schmucki, B., 1999, Seite 97 f.). Bei der sozialen und räumlichen Mobilität handelt es sich um Ausprägungen der Mobilität in klassischer Sicht.
Eine neuartige Ausprägung des Begriffs Mobilität, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat oder vielmehr zu den bisherigen hinzugekommen ist, ist die virtuelle Mobilität. Unter virtueller Mobilität versteht man die Fähigkeit zur Bewegung in virtuellen Räumen und somit in (weltweiten) Datennetzen.
Diese drei Formen der Mobilität, soziale, räumliche und virtuelle sind nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr ist davon auszugehen, daß jede einzelne Ausprägung der Mobilität die anderen beeinflußt und steuert. Man kann annehmen, daß es sich um ein zusammenhängendes und abhängiges System handelt. Wenn beispielsweise die soziale Mobilität ansteigt (aus welchen Gründen auch immer), wird sich auch die räumliche bzw. die virtuelle Mobilität verändern.
Das sich daß Mobilitätsverhalten der Individuen im Zeitablauf überhaupt ändert, ist hingegen bestritten. Die klassische Verkehrsforschung stützt sich auf Ergebnisse der „Kontinuierlichen Erhebung des Verkehrsverhaltens“ (KONTIV), die in drei Erhebungswellen 1976, 1982 und 1989 durchgeführt wurde. Demnach unternehmen wir alle im Durchschnitt täglich etwas mehr als drei Wege, die in der Regel jeweils etwas länger als 20 Minuten dauern. Diese Werte haben sich über die Zeitachse nicht verändert (vgl. Petersen, R., Schallaböck, K. O., 1995, Seite 67 f.). Was sich allerdings verändert hat, sind die in dieser Zeit zurückgelegten Entfernungen und – bei stabilem Zeitbudget – die Geschwindigkeiten. Canzler, W., Knie, A., Rammler, S., und andere Vertreter der sozialwissenschaftlichen Verkehrsforschung, halten hingegen die Aussagen der klassischen Verkehrsforschung über die Beständigkeit des Verkehrsverhaltens für wenig real. Als Gründe für diese Aussage führen Canzler, W. und Knie, A. in ihrem Buch „Möglichkeitsräume“ (1998) zum einen empirische Fehler bei der Erhebung der Daten an und zum anderen verweisen sie auf die sozial- und kulturgeschichtlichen Veränderungen der Gesellschaft im Zeitablauf.[10]
3.1.3 Erklärungsmodell des Mobilitätsverhaltens
Den Abschluß dieses Kapitels soll ein allgemeines Erklärungsmodell bilden, das tiefere Einblicke in die Ursachen des Mobilitätsverhaltens gewähren soll. Wenn man vom wissenschaftstheoretischen Postulat des Kausalprinzips („alles hat eine Ursache“) ausgeht, müssen sich auch für das Mobilitätsverhalten Bedingungen und Gründe finden lassen, die für die Verhaltensunterschiede bezüglich der Mobilität in verschiedenen Bevölkerungsgruppen verantwortlich sind. Das Mobilitätsverhalten stellt genau genommen ein „Handeln“, ein sinnhaftes „Sich-Verhalten“ im soziologischen Sinne dar. Dieses wird nicht nur durch äußerliche oder strukturelle Bedingungen, den objektiven Bestimmungsfaktoren (Infrastruktur, Alter, Siedlungsstruktur, usw.), sondern auch von subjektiven Gegebenheiten beeinflußt und gesteuert. In der Mobilitätsforschung wird diesen internalen, also subjektiven Bestimmungsfaktoren (Motive, Wertvorstellungen, Präferenzen, usw.) bisher jedoch relativ wenig Rechnung getragen. Dies liegt daran, daß subjektive Bestimmungsfaktoren nur schwer zu erfassen sind.
Nach Büschges, G. (1993), kann der Einfluß von objektiven und subjektiven Faktoren auf das Mobilitätsverhalten wie folgt beschrieben werden: Die objektiven Bedingungen bestimmen die Handlungsmöglichkeiten des Individuums (z.B. der Besitz eines Führerscheins als Voraussetzung für die PKW-Nutzung). Die subjektiven Bedingungen hingegen steuern die Auswahl der konkreten Handlung aus der Menge der verbleibenden Alternativen. Die Handlungen, von denen hier die Rede ist, sind Ortsveränderungen, also z.B. die Fahrt mit dem Auto zur Arbeit. Bereits aus diesem Beispiel wird deutlich, daß eine Ortsveränderung in der Regel durch eine andere Handlung (hier: Arbeiten) hervorgerufen wird. Diese Handlung wiederum ist ihrerseits von den oben erwähnten objektiven und subjektiven Größen abhängig. Diese die Ortsveränderung auslösende Handlung (Arbeiten) wird als Aktivität bezeichnet.
Die folgende Grafik soll diese Zusammenhänge noch einmal veranschaulichen. Demnach kann ein Grundmodell des Mobilitätsverhaltens folgendermaßen aussehen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.2 Determinanten des Mobilitätsverhaltens
3.2.1 Technologische Faktoren
Technologie determiniert das Mobilitätsverhalten unserer Gesellschaft in entscheidender Weise. In diesem Zusammenhang soll hier exemplarisch auf die technologische Entwicklung „Automobil“ eingegangen werden, da „das Automobil die räumliche Mobilität des Menschen (...) in einem Ausmaß gesteigert hat, wie dies vor einem halben Jahrhundert noch nicht vorauszuahnen war.“ (vgl. Schmucki, B., 1999, Seite 98 f.). Daneben wird der Einfluß der neuen Medien (I+K Technologien) auf unser Mobilitätsverhalten kurz diskutiert.
Das Automobil brachte in seiner ersten Entwicklungsphase noch keine Revolution der Mobilität mit sich. Vielmehr war es ein Prestigesymbol und Ausdruck sozialer Differenzierung. Erst mit den Möglichkeiten der Fließbandproduktion von Henry Ford und der damit verbundenen Kostenreduktion kam es zu einer massenhaften Verbreitung. Natürlich ist nicht alleine die Fließbandproduktion für den Erfolg des Automobils verantwortlich, sondern eine ganze Reihe von technischen Innovationen, „so etwa (...) die Erfindung des Luftreifens von Dunlop (1890), die Erfindung des Spritzdüsenvergasers von Maybach, die Entwicklung der Kerzenzündung durch Bosch oder die Erfindung eines zweiten Verbrennungsmotors, des (...) Dieselmotors durch Rudolf Diesel (1893)“ (Feldhaus, S., 1998, Seite 181). Seitdem ist fast nichts mehr gleich geblieben. Die Strukturen der Siedlungen, die Strukturen unseres Lebens, der Wirtschaft, wie auch der Wertesysteme der Menschen und der Gesellschaft haben sich in einer Art verändert, wie es unvorstellbar schien.[11]
Neben diesen strukturellen Veränderungen hat das Automobil auch unsere Mobilität verändert. Wer ein Auto benutzt, spart pro Zeiteinheit - im Vergleich zum Zufußgeher - mindestens die Hälfte der Körperenergie ein. Laut Knoflacher H., 1999 Seite 122 ff., ist in erster Linie diese Energieeinsparung für den Erfolg des Automobils verantwortlich. Ein weiterer Aspekt, der schon in Kapitel 3.1.2 kurz erwähnt wurde, ist die zurückgelegten Entfernung, die die Erfindung des Automobils mit sich gebracht hat. Vor 50 Jahren wären heutige durchschnittliche Jahreskilometerleistungen wohl nicht denkbar gewesen. Auch heute als ganz alltäglich angesehene Aktivitäten, wie der regelmäßige Besuch bei der auf dem Lande lebenden Oma, die regelmäßigen Fahrten zum Wochenendhäuschen, die Besuche des weit entfernt liegenden Spaßbades, anstelle des fußläufig erreichbaren Schwimmbades, usw. wären ohne Auto nicht machbar (vgl. Knie A., 1999, Seite 131 f.). Diese Aktivitäten sind nicht nur ohne Auto nicht möglich, sondern werden in erheblichem Maße auch vom Auto erzeugt. Das Auto hat laut Knie A., 1999, Seite 131 einen „Kuckucks-Charakter“, der sich aus einer pay-and-drive-Logik, einer nahezu unendlichen Verfügbarkeit und dem vergleichsweise bequemen Handling, in einer einheitlichen Systemwelt zusammensetzt. Zusammengefaßt heißt das, daß durch die relativ hohen Anschaffungskosten, der hohe Fixkostenblock aus Versicherung, Wartung, Treibstoff und Wertverlust, das Automobil über eine eingebaute Nutzungsdynamik verfügt (ebenda).
Allerdings muß man sich vor dem Hintergrund steigender Benzinpreise, dem immer höher werdenden Verkehrsaufkommen in Form von Verkehrsstaus und knappem Parkraum die Frage stellen, wann dieser „Kuckucks-Charakter“ kippt. Steigen wir ab einer bestimmten Verkehrsdichte bzw. ab einem bestimmten Kostenniveau auf andere Verkehrsmittel um?
Zusammenfassend läßt sich das Auto folgendermaßen beschreiben: Das Automobil ist ein technisches Instrument, daß seinem Nutzer zusätzliche Handlungsmöglichkeiten eröffnet. Es erweitert durch seine freie Verfügbarkeit das Spektrum potentieller Aktivitäten und dehnt den individuellen Möglichkeitsraum aus.[12]
Momentan erleben wir eine weitere Veränderung der Möglichkeitsräume. Während wir früher „mit dem Finger auf der Landkarte“ oder mittels Reiseführer fremde Kulturen entdeckten, verschaffen wir uns heute mittels der modernen I+K Technologien unmittelbaren Zugang zu fremden Kulturen und Räumen. Unsere Vorstellungsräume wachsen momentan drastisch, und zwar von jedem möglichen Platz der Erde aus. In diesem Zusammenhang ist zu vermuten, daß bei weiteren Wachstumsschüben, besonders des Internets, die Trennschärfe zwischen möglichen und konkreten Räumen nachläßt.[13] Hieran schließt sich un-weigerlich die Frage: Kann durch virtuelle Bewegung tatsächlich Verkehr reduziert werden oder tritt sogar das Gegenteil ein? Treibt die technische Erweiterung der Möglichkeitsräume die Wünsche nach physischer Mobilität an oder werden wir durch virtuelle Mobilität zu Personen die ihre Umwelt in den eigenen vier Wänden am PC erfahren?
3.2.2 Politische Faktoren
Das, und wie das Automobil unsere Mobilität verändert hat, ist nun hinreichend beschrieben. Warum aber gerade das Auto und nicht irgendein anderes Verkehrsmittel unsere Mobilität verändert hat, ist allerdings noch nicht geklärt. Für die massenhafte Verbreitung, besonders in der Anfangsphase des Automobils, ist in erster Linie der Staat verantwortlich. „In der Anfangsphase des bundesdeutschen Automobilismus war der Nationalstaat der wichtigste proaktive Akteur, er betrieb ungeachtet aller wirtschaftspolitischen Bekenntnisse mit den Mitteln der Steuer- und Infrastrukturpolitik eine Industriepolitik für das Auto.“ kam (vgl. Canzler, W., „Das Zauberlehrlingssyndrom“, 1996, Seite 107). Seit Mitte der 50er Jahre umfaßte diese politisch-administrative Forcierung des Autos eine Fülle von Maßnahmen und Elementen, die nachfolgend in Ausschnitten beschrieben werden sollen.
Seit dem 01.Januar 1995 trat eine steuerliche Änderung in Kraft, die bis heute eine zentrale Rolle für die private Nutzung von Kraftfahrzeugen spielt: die Einführung der steuerlich abzugsfähigen Kilometerpauschale für Fahrten zwischen Wohnort und Arbeitsstätte. Damit begann eine indirekte Subventionierung der privaten Autonutzung, die vorher nur gewerblichen Nutzern zugute kam (vgl. ebenda). Im gleichen Jahr wurde die Besteuerung umgeschichtet, indem die KFZ-Steuer gesenkt und die Mineralölsteuer moderat angehoben wurde. Diese Umschichtung hatte zur Folge, daß die variablen Kosten zugunsten der fixen stiegen und „in erster Linie den Güterverkehr verteuerten“ (ebenda). Die Einnahmen wurden für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur verwendet. Grundlage dieser Maßnahme war das ebenfalls 1955 verabschiedete Verkehrsinfrastrukturgesetz. Neben diesen Maßnahmen, erfolgte ab Mitte der 50er Jahre eine Fülle weiterer politischer Maßnahmen zur Förderung des Autos, wie etwa das Gesetz über den Ausbauplan für die Bundesfernstraßen (1957), das Straßenbaufinanzierungsgesetz (1960) und unter anderem der Leber-Plan (1968 – 1972). Mit dem Leber-Plan (benannt nach Verkehrsminister Leber) verpflichtet sich die Politik selber zu einer Schaffung gleicher Mobilitätsverhältnisse in Deutschland, was nichts anderes heißt als „das Auto und die Autobahn für alle“ (ebenda, Seite 115).
Heute ist das Auto allgegenwärtig und es hat eine Verbreitung erreicht, die man als Massenmotorisierung bezeichnen kann. An diesem Zustand ist zum großem Teil der Staat durch fiskal- und verkehrspolitische Maßnahmen verantwortlich.
Gerade in der momentanen Diskussion um die neu eingeführte Ökosteuer und der damit verbundenen Verteuerung der fossilen Brennstoffe, wird wieder der Ruf nach dem Staat laut und wirft folgende Frage auf: Ist der Automobilismus mit staatlichen Eingriffen zurückzudrehen (oder nur anzukurbeln), steigt der PKW-Fahrer bei fiskalisch bedingten Kostenerhöhungen auf andere Verkehrsmittel um oder führt die Erhöhung der Kosten bei solchen staatlichen Eingriffen eher zu einer Mobilisierung der Massen in Form von Demonstrationen und Blockaden, wie zuletzt geschehen?
3.2.3 Wirtschaftliche Faktoren
Die wirtschaftliche Entwicklung beeinflußt das Mobilitätsverhalten unserer Gesellschaft in besonderem Maße. Exemplarisch sollen in diesem Kapitel einige Ausprägungen und Größen dieser wirtschaftliche Entwicklung skizziert werden.[14]
Unternehmen, Behörden, Einkaufszentren usw. sind wesentliche Elemente der Siedlungsstruktur und „ziehen“ entsprechend Arbeits-, Einkaufs- und Freizeitwege an. Ökonomische Strukturentwicklungen, wie etwa die Standortver-teilung der Betriebe, haben daher einen wesentlichen Einfluß auf das Verkehrsverhalten. Wenn beispielsweise immer mehr Unternehmen (z.B. Einkaufszentren) aus wirtschaftlichen Gründen auf die „grüne Wiese“ umziehen, weil etwa die räumliche Erweiterungsmöglichkeit fehlt, die Mieten zu hoch sind oder aber wegen einer im Innenstadtbereich verschlechterten Erreichbarkeit mit Individualverkehrsmitteln, so kann dies zu erhöhtem Verkehrsaufkommen durch Zunahme der Wegelängen führen. Die zudem meist schlechtere ÖV-Anbindung solch peripherer Einrichtungen (z.B. Gewerbegebiete), sorgt für einen zusätzlichen Anstieg des PKW-Anteils bei den entsprechenden Wegen. Die Unternehmen ihrerseits erzeugen auch Verkehr. Durch den Transport von Waren und Gütern, aber auch durch erhöhten Personenverkehr, z.B. in Form von Dienst- und Geschäftsreisen. Gerade innerhalb des reiseintensiven Dienstleistungssektors ist dies zu beobachten. Weitere Treiber des Wirtschaftsverkehrs sind sicherlich in der räumlichen Ausdehnung der Absatzgebiete sowie in der zunehmenden Verflechtung der Unternehmen untereinander zu sehen.
Auch die zunehmend arbeitsteilige Entwicklung der Wirtschaft im europäischen Raum, die durch den europäischen Einigungsprozeß sowie die Öffnung nach Osten mit besonders starker Dynamik abläuft, bewirkt einen erhöhten Mobilitätsbedarf (vgl. Rothengatter, W., 1993, Seite 94). Marktzugangsbarrieren fallen, politische Grenzen verschwinden oder werden durchlässiger, und die Macht der weltweiten Bilder wächst in und mit den elektronischen Medien. In den entstehenden Großwirtschaftsräumen EU (Europäische Union), NAFTA (North American Free Trade Area) oder ASEAN (Association of South East Asian Nations) erschweren wegfallende Zölle oder Währungsschwankungen immer weniger den Handel. Politisch kann sich kein Land „straflos“ abschotten, und kulturell ist die Erde schon längst die „one world“, die auf dem Rio-Gipfel 1992 beschworen wurde. Welche Konflikte und Probleme es im Zuge der Globalisierung noch geben wird, ist ungewiß. Gewiß ist aber, daß der Verkehr von Personen, Gütern und Informationen dynamisch steigen wird. Raumwiderstände werden kleiner. Globalisierung ist eine Einladung für mehr Gütertransporte, Ausbildungsaustausch und Tourismus. Sie ist aber noch mehr, nämlich der weltweite Triumph des westlichen Wirtschafts-, Lebens- und Konsummodells. Und das bedeutet, verkehrstechnisch gesehen, den Triumph des Automobils (vgl. Robertsen, S., 1992, o.S., Altvater, E. / Mahnkopf, B., 1996, o.S., Held, D., 1997, o.S.).
Auch die Arbeits-, Urlaubs- und Öffnungszeiten spielen eine wesentliche Rolle bei der Verkehrsnachfrage und Belastung der Verkehrsinfrastruktur. So bewirken feste Öffnungszeiten von Läden oder Behörden, die Parallelisierung der Arbeitszeiten oder auch das weitgehende Arbeitsverbot an Sonn- und Feiertagen eine beträchtliche Konzentration von Aktivitäten zu bestimmten Tageszeiten oder an bestimmten Wochentagen und damit eine entsprechende Konzentration des Verkehrsaufkommens. Die Folge sind vielfach Überbelastung der Infrastruktur zu diesen Zeiten.
Ein weiterer Faktor, der Einfluß auf das Mobilitätsverhalten hat, sind die steigenden Mobilitätsansprüche, insbesondere im Freizeit- und Urlaubsverkehr.[15] Für die Vergangenheit läßt sich sagen, daß die verfügbaren Einkommen und privaten Konsumausgaben in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen sind. Mit steigendem Wohlstand hat sich innerhalb der privaten Konsumstruktur eine deutliche Verschiebung der Ausgabenanteile von den Grundbedürfnisgütern (z.B. Nahrungsmittel) zugunsten des sogenannten „gehobenen“ oder „freien“ Bedarfs (z.B. Automobil) ergeben.
Die Abnahme der Tages-, Wochen- und Lebensarbeitszeiten und die damit verbundene Zunahme der Freizeit, hat zu einem Bewußtseinswandel in der Bevölkerung geführt. Bei einem gleichzeitigen Anwachsen der Einkommen, ist der Drang zu einer sinnvollen Freizeitgestaltung gestiegen (Urlaubsreisen, Ausflüge, Freizeitaktivitäten, usw.). Dies hat zur Folge, daß die Aktivitätenanzahl und somit die räumliche Mobilität ansteigt.
Neben dieser rein quantitativen Zunahme von Freizeit, gibt es auch einen qualitativen Aspekt des Verhältnisses Arbeit und Freizeit. Freizeit nimmt zwar dem Umfang nach zu, aber die Arbeitnehmer müssen sich, aufgrund wirtschaftlicher Erfordernisse auch immer mehr mit differenzierten Arbeitszeitmodellen (Schicht-, Nacht-, Tele- und Wochenarbeitszeiten - allgemein flexiblere Arbeitszeiten) auseinandersetzen. Zum einen wird durch die Differenzierung der Arbeitszeiten (auch Gleichzeit) sowohl die Bildung von Fahrgemeinschaften als auch die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln erschwert, da deren Nutzung mancherorts am Wochenende oder in der Nacht nur unzureichend ist (vgl. Hildebrand, E., Hielscher, V., 1998, o.S.), und zum anderen haben diese Arbeitszeitmodelle auch Auswirkungen auf die Freizeit. Wer nachts arbeitet, hat tagsüber frei, wer am Wochenende arbeitet, hat unter der Woche frei („Rund-um-die-Woche-Gesellschaft). Die Gelegenheit, Freizeit mit der Familie oder Bekannten zu verbringen, wird erschwert, es müssen individuelle Lösungen gefunden werden, was zu einer wiederum erhöhten Nachfrage nach Mobilität führen kann. Allerdings könnte ein Fortschreiten dieser Entwicklung auch zu einer gleichmäßigeren Auslastung der Verkehrsinfrastruktur führen.
3.2.4 Gesellschaftliche Faktoren
Abschließend soll in diesem Kapitel auf den Trend zur Individualisierung und den Wertewandel eingegangen werden und die Folgen auf unser Mobilitätsverhalten kurz erläutert werden.
Unter Individualisierung versteht man eine abnehmende Bindung des einzelnen an Familie, Kollegen, Nachbarschaft und andere längerfristige verbindliche Sozialgefüge. Die Konsequenz davon ist, daß die traditionellen Normalbiographien von Frauen und Männern immer variantenreicher werden und öfters Phasen eines kürzeren oder längeren Alleinseins enthalten (vgl. Hautzinger, Peiffer, Tassaux-Becker; 1994, Seite 66). Dieser Individualisierungsschub führt zu einer Zunahme von Ein- und Zweipersonenhaushalten und somit zu einer Zunahme von Haushalten insgesamt. Es kommt also durch eine Verkleinerung der Haushalte zu einem Anstieg der Haushalte insgesamt, und somit zu einer steigenden Motorisierung.
Aber auch die steigende Anzahl von alleinstehenden Frauen, deren PKW-Ausstattung bisher unterdurchschnittlich ist, aber stark anwachsen wird (vgl. Hautzinger, Peiffer, Tassaux-Becker; 1994, Seite 66), führt zu einer erhöhten Nachfrage an Mobilität. Ein weiterer Aspekt ist der, daß Alleinstehende in ihren Wohnungen nur eingeschränkt soziale Kontakte haben und somit diese außerhalb der eigenen vier Wände suchen müssen.[16]
Neben der Individualisierung, hängt das Verkehrsverhalten auf gesellschaftlicher Ebene von persönlichen Werthaltungen und sozialen Normen ab. In diesem Zusammenhang wird häufig die postmaterialistische Theorie des Wertewandels von R. Inglehart (1977) herangezogen (ebenda, Seite 67). Sie besagt, daß in Gesellschaften, in denen die ökonomischen Bedürfnisse größtenteils erfüllt sind, materielle Werte (Leistung, Fleiß, Bescheidenheit, Enthaltsamkeit, usw. ) mehr und mehr durch postmaterialistische Werte (Selbstverwirklichung, Abenteuer, Spannung, Abwechslung, usw. ) verdrängt werden. Im allgemeinen kann man diesen Wandel auch als Erlebnisorientierung, „...als Wechsel von einer außenorientierten, auf Existenzsicherung bedachten hin zu einer innenorientierten Lebensweise ...“ (ebenda, Seite 68) bezeichnen. In den westlichen Industrienationen und somit auch in Deutschland, dürfte ein solcher Zustand erreicht sein. Dieser Wertewandel führt – neben der gestiegenen Freizeit und dem gewachsenen Wohlstandsniveau – zu einem Anstieg des Freizeit- und Einkaufsverkehrs, da die Erlebnisorientierung zu einer verstärkten Nachfrage nach Freizeitaktivitäten führt. Diese Freizeitaktivitäten, egal ob in der freien Natur oder als Erlebniseinkauf, sind meist mit Bewegung in konkreten Räumen verbunden.
3.3 Neue Mobilitätsdienstleistungen in Deutschland – Ein Überblick –
3.3.1 Einleitung und Begriffsbestimmungen
In den letzten Jahren sind in Deutschland zahlreiche neue Mobilitätsdienstleistungen und -konzepte entstanden.[17] Als Bezeichnung, für diese sozialinnovativen Dienstleistungen im Verkehrsbereich, hat sich der Begriff „Mobilitätsmanagement“ durchgesetzt. Mobilitätsmanagement zielt vorwiegend auf eine freiwillige effiziente, sowie umwelt- und ressourcenschonende Nutzung der bestehenden Verkehrssysteme ab. Indikator für erfolgreiches Mobilitätsmanagement ist eine verringerte Autonutzung und eine stärkere Nutzung der umweltfreundlichen Alternativen zu Fuß gehen, Fahrrad, Bus und Bahn, bzw. eine Kombination dieser Fortbewegungsformen. Damit unterscheidet sich Mobilitätsmanagement vom kooperativen Verkehrsmanagement, das lediglich eine Art Überlaufventil für den motorisierten Individualverkehr (MIV) darstellt. Nach dieser Philosophie, sollen Straßenkapazitäten intelligenter ausgenutzt und der Umstieg auf den ÖPNV als „ultima ratio“ empfohlen werden. Beim Mobilitätsmanagement geht es hingegen um das Aufzeigen von Alternativen zur Fahrt mit dem eigenen PKW. Eine treffende Definition für Mobilitätsmanagement wurde in Abstimmung der beiden EU-Projekte „MOSAIC“ und „MOMENTUM“ (vgl. Witte, A., 2000, Seite 64 f.) folgendermaßen formuliert:
„Mobilitätsmanagement ist in erster Linie ein auf Information, Kommunikation, Organisation und Kooperation basierender und durch freiwillige Nutzung geprägter Ansatz. Durch eine primär nachfrageorientierte Herangehensweise, sollen die Zielgruppen, d.h., Privatpersonen, Firmen und Institutionen, ermutigt werden, entstehende Verkehrsbedürfnisse durch die effiziente und integrierte Nutzung aller verfügbaren Verkehrsmittel zu befriedigen. Hierbei geht es auch darum, Kenntnisse, Bewußtsein und Einstellung zur Mobilität und zur Nutzung von Verkehrsmitteln zu verändern.“[18]
Die „ Software des Mobilitätsmanagements “ sind Informationen, die ein multioptionales Verhalten erlauben. Multioptional bedeutet, daß Personen unter verschiedenen Mobilitätsalternativen auswählen können. Die Informationen über diese unterschiedlichen Mobilitätsmöglichkeiten werden über Beratungsleistungen vermittelt. Die „ Hardware des Mobilitätsmanagements “ sind Mobilitätsdienstleistungen, die den physischen Transport übernehmen oder den Zugang zu den Verkehrsmitteln regeln. Man unterscheidet zwischen verschiedenen Integrationsstufen des Mobilitätsmanagements. Diese Stufen werden durch die Begriffe monomodal, multimodal und intermodal unterschieden.
Monamodales Mobilitätsmanagement ist der optimierte Einsatz eines Verkehrsmittels für einen Weg.
Multimodales Mobilitätsmanagement ist die alternierende Nutzung verschiedener Verkehrsmittel für einen Weg.
Intermodales Mobilitätsmanagement ist die verknüpfte Nutzung verschiedener Verkehrsmittel für einen Weg.
Dem Kunden werden bei allen drei Stufen Informationen und Dienstleistungen zur Nutzung des bzw. der Verkehrsmittel angeboten. Es ergibt sich aus Kundensicht nur der Unterschied, daß Informationen über den Transport bei mono- und multimodalem Mobilitätsmanagement vor Antritt der Fahrt eingeholt werden müssen, wohingegen bei intermodalen Mobilitätsmanagement auch w ährend der Fahrt Mobilitätsalternativen beschlossen und ausgeführt werden können. Die höchste Stufe der Integration des Kunden ist demnach beim intermodalen Mobilitätsmanagement erreicht. Nachfolgende Abbildung soll die unterschiedlichen Modi des Mobilitätsmanagements bezüglich ihrer Dienstleistung, Informationsverfügbarkeit und dem Grad der Integration verdeutlichen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Gemäß dieser Einteilung soll nachfolgend, zur besseren Verdeutlichung, eine Auswahl neuartiger Mobilitätsdienstleistungen vorgestellt und voneinander abgegrenzt werden.
3.3.2 Monomodale Mobilitätsdienstleistungen
Zu den monomodalen Verkehrsdienstleistungen gehören z.B. die sogenannten Velotaxis, die erstmalig 1997 in Berlin in Erscheinung getreten sind. Velotaxis sind moderne, überdachte Fahrradrikschas, mit denen zwei Personen transportiert werden können. Sie fahren auf festen Routen und bieten somit gerade in Innenstädten eine attraktive Alternative zum öffentlichen Nahverkehr. Eine weitere monomodale Idee rund um das Fahrrad ist die Bereitstellung öffentlicher Fahrräder. In einigen europäischen Städten, wie Amsterdam und Kopenhagen, werden diese kostenlos bzw. gegen eine geringe Nutzungsgebühr (Nutzung und Abrechnung über eine zuvor erworbene Chipkarte) angeboten.
Im Bereich des öffentlichen Verkehrs haben in den letzten Jahren die Deutsche Bahn AG und die Nahverkehrsunternehmen ihr Angebot bei Tarif- und Fahrplanauskunfts- und Buchungssystemen kundenfreundlicher gestaltet. Anstatt Kursbücher zu wälzen, ist es mittlerweile möglich, im Internet, auf CD-ROM oder unter einer bundesweit einheitlichen Telefonnummer, sowie an öffentlichen Terminals, Auskünfte zu erhalten. Im Rahmen des Projekts DELFI (Durchgängige Elektronische Fahrplanauskunft) ist eine Verknüpfung sämtlicher deutscher Auskunftssysteme in der Bearbeitung, die Wegeketten mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Haustür zu Haustür darstellt. Eine Dienstleistung, die zwischen öffentlichem Nahverkehr und motorisiertem Individualverkehr angesiedelt ist, ist der sogenannte Paratransit. Dabei handelt es sich um große Fahrgemeinschaften, die mit einem Kleinbus und einem dafür eingesetzten Fahrer öffentliche Fahrgemeinschaften bilden. Beispiele hierfür sind das von VW entwickelte System „AnrufBus“[19] oder die Firma STARmobil, die in Erlangen im Einsatz ist.
Rund um das Auto haben sich in den letzten Jahren organisierte Fahrgemeinschaften und Car Pools als monomodale Verkehrsdienstleistungen entwickelt. Zum Ersteren ist zu sagen, daß Mitfahrzentralen schon seit geraumer Zeit in Deutschland existieren. Die neue Entwicklung hat sich vielmehr im Internet vollzogen. Es existieren dort eine Vielzahl von organisierten Mitfahrzentralen, die größtenteils gebührenpflichtig sind. Daneben haben sich aber in den letzten Jahren immer mehr kostenlose Mitfahrzentralen gebildet, insbesondere an Universitäten. Auch organisierte Nachbarschaftsfahrdienste sind unter der Rubrik Fahrgemeinschaften angesiedelt. Bei Car Pools handelt es sich um Autos mit geteilten Nutzungsrechten, die nur einem bestimmten Nutzerkreis zugänglich sind. Im Unterschied zum Car-Sharing, handelt es sich hier um große Fuhrparks an zentralen Standorten, die eine Nutzung ohne Vorbuchung ermöglichen. Zudem kann man Autos beim CarPool nicht stundenweise ausleihen (wie beim klassischen Car-Sharing), sondern muß diese mindestens für einen Tag buchen. Beispielhaft für einen solchen Car Pool, ist die Firma CarPool GmbH, eine Tochter der Deutschen Lufthansa AG, der ALD Autoleasing Deutschland und der Syscon (Telematikentwickler), die 1998 an den Start gegangen ist.
3.3.3 Multimodale Mobilitätsdienstleistungen
Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei den multimodalen Dienstleistungen, um die alternierende Nutzung verschiedener Verkehrsmittel. Das Car-Sharing kann als multimodal eingestuft werden, wenn neben dem gemeinsamen Teilen von Automobilen, Kooperationen der Anbieter mit dem ÖPNV eingegangen werden. Ziel des Car-Sharings ist es, seinen Nutzern bei Bedarf die zeitweise Verfügbarkeit eines Automobils zu ermöglichen. Durch das Angebot von Car-Sharing wurde im Umweltverbund ein fehlendes Glied („missing link“) eingefügt, das eine kombinierte Mobilität erlaubt, ohne ein eigenen Auto besitzen zu müssen oder auf ein geliehenes Auto von Freunden oder Verwandten angewiesen zu sein.
Der größte deutsche Anbieter und Europas zweitgrößter Anbieter von Car-Sharing, ist die StattAuto Car-Sharing AG, die 1998 gegründet wurde.[20]
Eine weitere neuartige multimodale Mobilitätsdienstleistung ist das standortbezogene Mobilitätsmanagement. Man unterscheidet hierbei in betriebliches Mobilitätsmanagement und in Mobilitätsmanagement im Quartier. Ersteres bezieht sich vor allem auf die Optimierung der Wege von und zur Arbeit. Ziel ist es, den Mitarbeitern eine Alternative zum Automobil als Verkehrsmittel für den Weg zur Arbeit zu bieten bzw. die Bildung von Fahrgemeinschaften zu fördern.
So werden Benutzervorteile für Radfahrer in Form von überdachten Stellplätzen auf dem Werksgelände, für ÖPNV-Nutzer in Form von verbilligten Job-Tickets und für Fahrgemeinschaften in Form von reservierten Parkplätzen geboten. Daneben wird eine Mobilitätsberatung angeboten, bei der individuelle ÖPNV- Fahrpläne erstellt, Fahrgemeinschaften vermittelt, Carpoolsysteme eingerichtet und Routenvorschläge für die Fahrt mit dem Fahrrad gegeben werden. Als aktives Unternehmen in diesem Bereich gilt die Lufthansa Werft Hamburg.[21]
Beim Mobilitätsmanagement im Quartier handelt es sich in erster Linie um autofreie Wohngebiete. Innerhalb dieser Areale sind keine Automobile erlaubt. Als Substitute für das Automobil werden stark rabattierte Jahresabos für den ÖPNV, die teilweise im Mietpreis integriert sind, die Bereitstellung von Nachbarschaftsautos (Car-Sharing), Fahrradservices (Reparatur, Wartung, Verleih) oder andere Mobilitätsdienstleistungen angeboten. Darüber hinaus ist in einigen Gebieten eine Mobilitätszentrale integriert, die Fahrpläne für den ÖPNV erstellt, Fahrscheine bucht und Lieferungen annimmt und verteilt. Voraussetzung für solche Projekte ist eine Lage, die sich durch gute Anbindung an den ÖV auszeichnet und Schulen, Kindergärten und Einkaufsmöglichkeiten bietet. Beispiele für solches autofreies Wohnen sind in Hamburg, Celle, Berlin und Gießen zu finden (vgl. Beutler, F., Brackmann, J., 1999, Seite 23 ff.).
3.3.4 Intermodale Mobilitätsdienstleistungen
Intermodale Mobilitätsdienstleistungen zeichnen sich dadurch aus, daß verkehrsmittelübergreifende Wegeketten angeboten werden können. Intermodale Mobilitätsdienstleister werden zunehmend auf dynamische Daten zur Verkehrslage zurückgreifen, und somit kann die Angebotserstellung „on trip“, d.h. während des Weges, erfolgen. Spontane Mobilitätsentscheidungen sind dann verkehrsmittelübergreifend möglich. Intermodale Mobilitätsdienstleister sind bei-spielsweise Mobilitätszentralen und Mobilitätsprovider. Eine Vorstufe dazu ist der Verkauf von Mobilpaketen.
Eine Mobilitätszentrale ist eine persönlich Anlaufstelle für alle diejenigen, die Informationen und Dienstleistungen rund um den Verkehr in Anspruch nehmen wollen. Neben der klassischen Tarif- und Fahrplanauskunft, werden hier vor allem Anreize (Angebote) für ein Ausprobieren von Mobilitätsalternativen zum eigenen PKW gemacht (Fahrradrouten, Taxidienste, Mietwagen, der Verkauf von Parkscheinen, Hinweise zur Erreichbarkeit von Einrichtungen, usw.). Beispielhaft für eine solche Zentrale ist das MobiCenter in Wuppertal, das Kooperationen mit der Deutschen Bahn AG, Europcar, VCD, ADFC, ProBahn und der Verbraucherzentrale eingegangen ist (vgl. Beckmann, J., Meyer, B., Rabe, S., 1998, o.S.). Eine Intermodalität ist aber erst dann gegeben, wenn die Mobilitätsentscheidung während der Fahrt getroffen werden kann und alle verkehrsrelevanten Daten und Dienstleistungen umfassen. Dies ist bei der Mobilitätszentrale jedoch meist nicht der Fall. Mobilitätszentralen werden sich aber sehr wahrscheinlich zu intermodalen Anbietern weiterentwickeln.
Mit Hilfe von Mobil-Paketen werden mehrere Mobilitätsangebote - verschiedener Anbieter - sowie zusätzliche mobilitätsbezogene Dienstleistungen kombiniert vermarktet. Diese Mobil-Pakete richten sich an Personen, die ihre Mobilität relativ flexibel gestalten, d.h. je nach Bedarf aus diesem Paket die geeigneten Verkehrsangebote und erforderlichen Zusatzdienstleistungen auswählen. Die in dem Paket zusammengeführten Mobilitätsangebote sollen den Kunden einen weitgehenden Verzicht auf einen privaten Pkw bzw. einen Zweitwagen im Haushalt ermöglichen. Die in das Paket integrierten zusätzlichen Dienstleistungen, sollen den Kunden einen - auf die Mobilität bezogenen - Zusatznutzen bieten (vgl. Prognos AG, 1998, Seite 43). Mobilpakete sind präzisiert gesagt, Kooperationen zwischen öffentlichen Verkehrsunternehmen und anderen Verkehrsdienstleistern, mit denen eine verbilligte Nutzung von Car-Sharing oder Leihwagen für die Besitzer von Abonnementenkarten des öffentlichen Verkehrs vereinbart wird. Vorreiter auf diesem Gebiet ist die schweizer Firma Mobility[22], die mit ihren Produkten „züri mobil“ und „Mobility Rail Card 444“ Car-Sharing und Bahn erfolgreich vernetzt hat. Auch das Unternehmen Micro Compact Car (mcc) mit dem Kleinwagen „smart“, ist in diesem Bereich anzusiedeln. Smart-Kunden können Nutzungsrechte für den Zugriff auf andere Flotten unter dem Namen „smartmove“ erwerben.
Mobilitätsprovider übernehmen die Organisation der Transportlogistik für ihre Kunden. Dazu erwirbt der Provider Nutzungsrechte an verschiedenen Verkehrsmitteln, aus denen die Kunden die für sie optimale Art der Mobilität auswählen können. Die Kunden können sich an den Provider binden oder von Fall zu Fall wählen. Dieses System ist mit dem liberalisierten Telekommunikations-markt vergleichbar: verschiedene Mobilitätsprovider (Telekomunikationsprovider) kaufen Kontingente von Verkehrsanbietern (Netzbetreibern) und verkaufen zusätzlich eigene Produkte wie z.B. Car-Sharing (Mobilfunk). Die Choice Mobilitätsproviding GmbH, die 1998 in Berlin gegründet wurde, ist ein Beispiel für einen solchen Mobilitätsprovider. Gesellschafter sind die Audi AG (25,2%), die Deutsche Bahn AG (25,2%), die StadtAuto CarSharing AG (25,2%) und das WZB (24,4%). Das erste Produkt von Choice, ist das sogenannte „cash car“. Der Kunde schließt mit der Choice GmbH einen Full Service Leasingvertrag ab und kann so jederzeit das Auto, wenn er es nicht benötigt, bei einer CarSharing-Station der StattAuto Car Sharing AG abgeben. Der Kunde kündigt die Freigabe des cash-cars telefonisch oder via Internet an. StattAuto gliedert dann das Automobil in den Car-Sharing-Betrieb ein, vermietet das Auto weiter und rechnet dem cash-car-Kunden einen Teil der Mieteinnahmen auf die monatliche Leasingrate an. Die Höhe der Rückerstattung richtet sich nach Angebot und Nachfrage. Wenn der Kunde beispielsweise sein Auto an einem verlängerten Wochenende abgibt (hohe Nachfrage an Autos), dann erhält er mehr Geld zurück, als an weniger frequentierten Tagen. Zusätzliche intermodale Angebote, wie z.B. ermäßigte Jahresabonnements im Nahverkehr sollen die Rückgabebereitschaft unterstützen. Damit ist es Autofahrern erstmalig möglich, ein Fahrzeug bei Nichtgebrauch für den Car-Sharing-Betrieb zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig davon zu profitieren, indem die eigenen fixen Fahrzeugkosten verringert werden (vgl. Canzler, W., Franke, S., 2000, Seite 1).
Vor dem Hintergrund dieser Vielzahl verschiedener Dienstleistungen, läßt sich erahnen, daß Mobilitätsdienstleister ständig bemüht sind, neue Leistungen zu entwickeln und anzubieten. Hierbei wird versucht, latent vorhandene multioptionale Nutzungswünsche im Verkehr aufzuspüren, diese aufzunehmen und in vermarktungsfähige Angebote umzusetzen. Damit diese Angebote Akzeptanz in der Bevölkerung finden, sind Verhaltensänderungen im Verkehr eine notwendige Voraussetzung. Konkret geht es darum, Interessen, Vorlieben und Wünsche nach einem intermodalen Verkehr zu stimulieren und zuverlässig und auf Dauer zu befriedigen. Die vielfach vorherrschende Fixierung in der Verkehrsmittelwahl auf das Automobil, muß sich in Richtung einer funktionaleren Betrachtung ändern, damit andere verkehrliche Angebote überhaupt wahrgenom-men und Teil der persönlichen Reise- und Wegeplanung werden können. Daher stellen sich für Mobilitätsdienstleister bei der Generierung und bei dem Angebot von Mobilitätsdienstleistungen eine Vielzahl von Fragen.
Ist die Akzeptanz von einzelnen Mobilitätskonzepten, die z.B. eine verknüpfte Nutzung verschiedener Verkehrsmittel (intermodal) anstreben, nicht maßgeblich davon abhängig, wie die Akzeptanz bzw. die „Sympathiewerte“ für die einzelnen Komponenten (Verkehrsmittel) bei den potentiellen Nutzern ausgeprägt sind? Oder sind nicht z.B. potentielle Kundengruppen besonders interessant für Mobilitätsdienstleister, die bestimmte Charakteristika (z.B. ein ausgeprägtes ökologisches Bewußtsein, soziodemgraphische Merkmale, usw.) aufweisen oder bei denen die Fixierung auf das Automobil nicht sonderlich stark ausgeprägt ist? Sollten diese Personengruppen stärker und individueller mit Elementen des Marketingmix angesprochen werden, als andere Personengruppen? Es stellt sich zudem die Frage, ob Personen durch eine Mobilitätsdienstleistung nur ein ausreichend großer Zusatznutzen geboten und vermittelt werden muß, damit die Fixierung auf das Automobil, als Fortbewegungsmittel Nummer eins, geringer wird und das Interesse für eben diese Mobilitätsdienstleistungen zunimmt.
4. Empirische Untersuchung
4.1 Formulierung und Operationalisierung von Hypothesen
Einstellung und Verhalten
(H1) Wenn in einer Gesellschaft die Mobilität durch das Auto dominiert wird, dann ist der Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten bezüg- lich des Mobilitätsverhaltens gering.
Die Einstellung der Befragten zum Thema Mobilität wird mit Hilfe von 42 Statements zu verschiedenen Verkehrsmitteln ermittelt. Unter Zuhilfenahme einer Clusteranalyse werden Personen in Gruppen zusammengefaßt, deren Antwortverhalten in sich möglichst homogen ist, wobei in die Clusteranalyse 22 Statements zum Thema Auto bzw. Autofahren, 8 Statements zum Thema ÖPNV bzw. Straßenbahn, 7 Statements zum Thema Fahrradfahren und 5 Statements zum Thema Zufußgehen einfließen (vgl. Anhang A, Fragebogen, Frage 31, 32, 46 bis 48). Bei diesen Statements handelt es sich um Einstellungswerte, die auf Fünfer-Skalen metrisch skaliert sind. Wobei die Ausprägung „eins“ einer Zustimmung und die Ausprägung „fünf“ keiner Zustimmung entspricht. Die so ermittelten Mobilitätstypen werden dann hinsichtlich ihres Mobilitätsverhaltens untersucht. Als Indikator für das Mobilitätsverhalten soll die Verkehrsmittelwahl der Befragten dienen. Mit Hilfe der offenen Frage „Welches Verkehrsmittel haben Sie in der letzten Woche an wie vielen Tagen in den folgenden Verkehrssituationen genutzt?“ wird die Verkehrsmittelwahl (Modal Split) abgefragt (vgl. Anhang A, Fragebogen Frage 51).
Verkehr
(H2) Wenn Personen das Verkehrsaufkommen (in Form von Verkehrsstaus und Parkplatzproblemen) als hoch empfinden, dann steigen sie eher als andere Personen auf alternative Verkehrsmittel um.
Das subjektiv empfundene Verkehrsaufkommen wird mit der Frage „Wie empfinden Sie das aktuelle Verkehrsaufkommen?“ ermittelt. Die Frage ist auf einer Fünfer-Skala mit den Ausprägungen „sehr hoch“ (1) bis „sehr niedrig“ (5) metrisch skaliert. Mit der Frage 37 (vgl. Anhang A, Fragebogen) wird die Umsteigebereitschaft abgefragt. Es handelt sich hierbei um eine geschlossene Frage. Als Antwortmöglichkeiten sind für einen Umstieg sieben Alternativen vorgegeben (kleine Fahrzeuge, ÖPNV, zu Fuß gehen, Fahrrad, Bahn, Taxi und keine Umsteigebereitschaft). Mehrfachnennungen sind möglich.
Technik
(H3) Je stärker die Nutzung der I + K Technologien ist, desto geringer wird die räumliche Mobilität.
Bei den Personen, die über einen Internetzugang über PC oder Mobiltelefon verfügen, wird die Nutzungsintensität des Internets mit zwei Fragen untersucht. Bei der ersten handelt es sich um die geschlossene Frage „Wie häufig sind Sie in der Woche online?“. Als Antwortmöglichkeiten kommen „täglich“, „an 4-6 Tagen“, „an 2-4 Tagen“ und „einmal in der Woche“ in Betracht. Ergänzend hierzu ist die zweite Frage zu sehen: “Wie viele Stunden sind das in etwa in der Woche?“ Hierbei handelt es sich um eine offene Frage. Die räumliche Mobilität wird mit dem Statement „Seitdem ich einen Internetanschluß habe, erledige ich viele Dinge von zu Hause aus und erspare mir somit viele Wege.“ ermittelt. Dieses Statement ist auf einer Fünfer-Skala mit den Ausprägungen „stimme zu“ (1) bis „stimme nicht zu“ (5) metrisch skaliert.
(H4) Personen, die die I + K Technologien häufig nutzen, würden Mobilitäts- dienstleistungen aus dem Internet eher nutzen, als andere Personen.
Die Operationalisierung der Nutzungsintensität des Internets ist identisch mit der der vorangegangenen Hypothese. Die Bereitschaft, Mobilitätsdienstleistungen aus dem Internet zu nutzen, wurde mit der Frage „Können Sie sich vorstellen, per Internet die folgenden Mobilitätsdienste zu bestellen, zu buchen oder zu kaufen?“ untersucht. Bei den abgefragten Mobilitätsdienstleistungen handelt es sich um „Bahnticket“, „Mietwagen“, „Taxi“, „Parkplatzbuchung“ und drei Navigationsdienste. Es wird danach unterschieden, ob diese Dienste bevorzugt mit dem PC bzw. Laptop oder dem Mobiltelefon mit Internetzugang in Anspruch genommen werden wollen. Bei dieser geschlossenen Frage sind Mehrfachnennungen möglich (vgl. Anhang A, Fragebogen, Frage 50).
(H5) Wenn Personen ein Navigationssystem in ihrem PKW besitzen, dann beurteilen sie das Verkehrsaufkommen geringer als Personen, die diese technische Neuerung nicht besitzen.
Die Ausstattung mit Navigationssystemen wird mit der Frage „Besitzen Sie ein Navigationssystem in Ihrem PKW?“ ermittelt. Es handelt sich dabei um eine geschlossene Frage mit den Antwortmöglichkeiten „ja“ und „nein“, das Verkehrsaufkommen ist wie in Hypothese H2 operationalisiert.
Mobilitätsdienstleistungen
(H6) Wenn bei Personengruppen eine ablehnende Haltung gegenüber einem bestimmten Verkehrsmittel besteht, dann wird diese Ablehnung auch auf Mobilitätskonzepte übertragen, die dieses Verkehrsmittel mit in ihr Leistungsprogramm einbeziehen.
Um die Haltung der befragten Personen gegenüber dem ÖPNV zu ermitteln, werden exemplarisch vier Statements, die die Einstellungen von Personen bezüglich des ÖPNV erkennen lassen, untersucht (vgl. Anhang A, Fragebogen, Frage 46, Statement 2, 4, 7, 8). Alle vier Statements werden mittels einer metrisch skalierten Fünfer-Skala, mit den Ausprägungen „stimme zu“ (1) bis „stimme nicht zu“ (5), abgefragt. Das Antwortverhalten der befragten Personen auf diese vier Statements, läßt auf spezifische Einstellungen gegenüber dem öffentlichen Personennahverkehr schließen. Anschließend wird differenziert untersucht, welche Einstellung gegenüber dem ÖPNV, sich auf welche Art und Weise auf die Einstellung gegenüber Mobilitätskonzepten auswirkt, die so ausgelegt sind, daß der ÖPNV verstärkt in das Leistungsprogramm integriert wird. Dazu werden die Antworten auf die Frage „Wie stehen Sie grundsätzlich Mobilitätskonzepten gegenüber, die verstärkt die öffentlichen Verkehrsmittel bzw. die Bahn einsetzen, um das Auto zu ersetzen?“ untersucht und differenziert für Personen mit unterschiedlichen Einstellungswerten zum ÖPNV betrachtet. Die Frage ist, auf einer Fünfer-Skala mit den Ausprägungen „positiv“ (1) bis „negativ“ (5) metrisch skaliert, an die Personen gerichtet.
(H7) Wenn das ökologische Bewußtsein bei bestimmten Personen stärker ausgeprägt ist, als bei anderen Personen, dann ist auch die Bereitschaft, umweltschonende Mobilitätsdienstleistungen und -konzepte zu nutzen, bei diesen umweltbewußten Personen stärker ausgeprägt.
Das generelle ökologische Bewußtsein wird mit der Frage „Wie schätzen Sie Ihr Umweltbewußtsein ein?“ ermittelt. Die Frage ist auf einer Fünfer-Skala mit den Ausprägungen „sehr hoch“ (1) bis „sehr niedrig“ (5) metrisch skaliert. Die Einstellung der Befragten zu Mobilitätskonzepten, bzw. die Bereitschaft der Befragten, diese zu nutzen, wird ermittelt, indem fünf ausgewählte Mobilitätskonzepte mittels einer Kurzcharakteristik vorgestellt und voneinander abgegrenzt werden. Bei den vorgestellten Mobilitätskonzepten handelt es sich um „CarSharing“, „Auto-Gemeinschaftsnutzung“, „Mobil-Pakete“, „Mobilitätsprovider“ und „Mietwagen auf Abruf“. Für jedes einzelne Konzept, wird mittels einer metrisch skalierten Fünfer-Skala, mit den Ausprägungen „würde ich auf jeden Fall nutzen“ (1) bis „würde ich auf keinen Fall nutzen“ (5), die jeweilige Nutzungsbereitschaft ermittelt (vgl. Anhang A, Fragebogen, Frage 42).
(H8) Wenn Personen glauben, einen Zusatznutzen in Mobilitätsdienstleistungen bzw. -konzepten zu sehen, dann ist auch ihr Interesse stärker ausgeprägt, diese Dienstleistungen und Konzepte zu nutzen, als bei den Personen, die den Zusatznutzen weniger stark empfinden.
Um zu ergründen, inwieweit Personen glauben, daß Mobilitätskonzepte bestimmte Zusatznutzen bieten können, werden den befragten Personen vier Statements mit möglichen Zusatznutzen vorgegeben (vgl. Anhang A, Fragebogen, Frage 44). Die Befragten können jeweils auf einer metrisch skalierten Fünfer-Skala mit den Ausprägungen „stimme zu“ (1) bis „stimme nicht zu“ (5) angeben, inwieweit sie zustimmen, daß die vorgegebenen Zusatznutzen tatsächlich durch die Mobilitätskonzepte geboten werden können. Anschließend wird in Abhängigkeit vom Grad der Zustimmung (Mobilitätskonzepte können bestimmte vorgegebene Zusatznutzen bieten) untersucht, wie sich dies auf die Bereitschaft der befragten Personen auswirkt, die fünf vorgestellten Mobilitätskonzepte (vgl. Operationalisierung in H7) zu nutzen.
(H9) Je größer bei bestimmten Personen das Bildungsniveau ausgeprägt ist, desto eher besteht das Interesse innerhalb dieser Personengruppen, Mobilitätsdienstleistungen und -konzepte zu nutzen.
Das Bildungsniveau wird mit Angaben, die aus dem Soziodemographie-Teil des Fragebogens stammen, ermittelt. Exemplarisch für das Bildungsniveau soll die Schulbildung bzw. der Schulabschluß der befragten Personen dienen. Die Schulbildung wird mittels einer geschlossenen Frage ermittelt. Als Antwortmöglichkeiten kommen „kein Schulabschluß“, „Haupt-/ Volksschulabschluß“, „mittlere Reife“, „(Fach-)Abitur bzw. Fachhochschulreife“ und „Hochschulabschluß“ in Frage. Die Nutzungsbereitschaft der befragten Personen für Mobilitätskonzepte (vgl. Operationalisierung in H7), wird anschließend in Abhängigkeit des jeweiligen Bildungsniveaus der Personen untersucht.
(H10) Wenn bei Personen die Nutzung des Automobils stark durch Handlungs- routinen bestimmt ist, dann ist bei diesen Personen die Bereitschaft, Mo- bilitätsdienstleistungen zu nutzen, geringer ausgeprägt, als bei den Per- sonen, die ein weniger stark routinisiertes Verkehrsverhalten haben.
Handlungsroutinen stellen ein gewohnheitsmäßiges Handeln dar und sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie regelmäßig und den Handelnden oftmals nicht oder nur partiell bewußt sind. Durch das Statement „Ich überlege mir bei jeder Fahrt, ob ich das Auto auch wirklich brauche.“ wird ermittelt, inwieweit bei den befragten Personen die Verkehrsmittelwahl von Handlungsroutinen bestimmt ist. Diese Frage wird mittels einer metrisch skalierten Fünfer-Skala, mit den Ausprägungen „stimme zu“ (1) bis „stimme nicht zu“ (5), an die befragten Personen gerichtet. Die Nutzungsbereitschaft der befragten Personen, für fünf vorgestell-ten Mobilitätskonzepte (vgl. Operationalisierung in H7), wird anschließend in Abhängigkeit der ermittelten Stärke der Handlungsroutinen bei der Verkehrsmittelwahl dieser Personen, gemessen.
4.2 Forschungsdesign
Auf der Grundlage der Operationalisierung der Hypothesen wurde ein standardisierter Fragebogen entwickelt. Neben den in Kapitel 4.1 vorgestellten Hypothesen, werden in dem Fragebogen auch Hypothesen aus der zweiten Diplomarbeit zum Thema Mobilität und aus den beiden weiteren Diplomarbeiten zum Thema Kaufprozeß operationalisiert. Der Fragebogen enthält somit Fragen zu den beiden Untersuchungsschwerpunkten Kaufentscheidungsprozeß und Einstellung bzw. Verhalten im Zusammenhang mit Mobilität (vgl. Kapitel 1). Es wurde deshalb eine gemeinsame Stichprobe gewählt, weil so auf Individualniveau Beziehungen zwischen allen gemessenen Größen hergestellt werden können, um eine Autofahrertypologie ableiten und für die Auswertung der Hypothesen nutzen zu können. Aufgrund dieser Themenzusammenführung wird für die Erhebung der Name „ Kaufprozeß/Mobilität 2000 “ verwendet. Der Fragebogen enthält neben den üblichen soziodemographischen Kriterien auch Fragen zur Markenpräferenz und zum Markenbesitz, zur Händler- und Markentreue, zum Autokauf und zur Besitzphase von Automobilen. Daneben werden Nutzungsmuster und Einstellungswerte zu verschiedenen Verkehrsmittel abgefragt und das Potential von Mobilitätskonzepten untersucht.
[...]
[1] Die Ausführungen in diesem Kapitel stützen sich auf Kroeber-Riel, W., Weinberg, P., 1999, Seite 53 – 58 und Trommsdorff, V., (1993), Seite 59 – 65, 111 – 127, 136 – 147.
[2] Primärmotive sind z.B. Versorgungsmotive, Vermeidungsmotive oder Arterhaltungsmotive.
[3] Sekundärmotive sind z.B. das Prestige- und Machtbedürfnis oder das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung.
[4] Alter, Geschlecht, Familienstand, Haushaltsgröße, Rassenzugehörigkeit, Nationalität, Religionszugehörigkeit.
[5] Einkommen, Beruf, Ausbildung, Wohnort.
[6] Mikrogeographische Segmentierung: Bildung von regionalen Bezugseinheiten.
[7] die Psychographie geht auf eine Wortkombination aus Demographie und Psychologie zurück.
[8] AIO = Activities, Interests, Opinions. Activities sind beobachtbare Aktivitäten, z. B. in Freizeit und Arbeit. Interests ist emotional bedingtes Verhalten, z. B. gegenüber Medien. Opinions sind Meinungen als kognitive Orientierung, z. B. zu Produkten.
[9] Mobilität wird im gängigen Sprachgebrauch gleichgesetzt mit Verkehr in seinen unterschiedlichsten Formen. (Knell, W., 1998, Seite 212).
[10] Als Beispiele für diese Veränderungen nennen Canzler und Knie Veränderungen der Bedürfnisse, der Wertvorstellungen, aber auch der Siedlungsstruktur und der Raumordnung. (Canzler, W. / Knie, A., „Möglichkeitsräume“, 1998, Seite 43 ff.).
[11] Als Beispiele nennt Knoflacher, H., 1999, Seite 121: „Tief verwurzelte und verankerte Werte, wie der Schutz des Lebens, sind, angesichts der erschreckenden Getöteten und Verletztenzahlen offensichtlich massiv entwertet und relativiert worden.“, oder: „Der Autostau wird zum nationalen Problem hochstilisiert (...).“
[12] vgl. Canzler, W., 1999b, „Der anhaltende Erfolg des Automobils. Zu den Modernisierungsleistungen eines außergewöhnlichen technischen Artefaktes“, Seite 26.
[13] Ausführungen in diesem Absatz beziehen sich auf: Canzler, W. / Knie, A., „Möglichkeitsräume“, 1998, Seite 129 f.
[14] Die Überlegungen dieses Kapitels stützen sich, falls nicht anders ausgewiesen, auf Hautzinger, H., Pfeiffer, M., Tassaux-Becker, B., 1994, Seite 39 ff.
[15] Der Freizeitverkehr ist mit einem Verkehrsaufkommensanteil von 35% (Ergebnis der KONTIV ´89) mittlerweile die bedeutendste Verkehrsart.
[16] Hautzinger, H., Peiffer, M., Tassaux-Becker, B., (1994), Seite 67, sprechen in diesem Zusammenhang davon, daß Alleinstehende das höchste Mobilitätsniveau haben.
[17] Die Ausführungen in diesem Kapitel beziehen sich, falls nicht explizit anders ausgewiesen, auf Beutler, F., Brackmann, J., 1999, Seite 3 – 40.
[18] Definition im Original: „Mobility Management is primarily a demand orientated approach to passenger and freight transport that involves new partnerships and a set of tools to support and encourage change of attitude and behaviour towards sustainable modes of transport. These tools are usually based on information, communication, organisation and require promotion.“
[19] Mittlerweile (seit 1997), wird dieses 1992 von der Volkswagen AG initiierte und unterstützte Rufbussys- tem, in eigener Regie von der AnrufBus GmbH als Mobilitätszentrale geleitet.
[20] Zum Zeitpunkt der Gründung (August 1998), der StattAuto Car-Sharing AG waren 5.400 Nutzer verzeichnet, die sich 270 Autos teilten. Zwei Drittel der Nutzer entfielen dabei auf Berlin, ein Drittel auf Hamburg. Im Jahr 2000 sind es bereits 9.000 Kunden und das Unternehmen erwirtschaftet ca. sechs Millionen DM Umsatz pro Jahr. Trotzdem sieht im Jahr 2000 die wirtschaftliche Lage sehr prekär aus, die Insolvenz droht (Quelle: Presseerklärung des Vorstandes vom 26.10.2000, http://www.choice.de/news_de.html, Einsichtnahme am 03.11.2000).
[21] Alleine am Standort Frankfurter Flughafen wurden durch ein Carpool-System 1.400 PKW-Stellplätze eingespart. Die jährliche Kostenersparnis für die Lufthansa AG beziffert sich auf 7 Mio. DM (Beutler, F., Brackmann, J., 1999, Seite 20).
[22] Die Mobility mit Sitz in Luzern ist das weltweit größte CarSharing-Unternehmen. 26.000 Schweizer und Schweizerinen teilen sich bei der Mobility über 1.000 Autos, die an über 700 Standorten in über 300 Gemeinden stehen (vgl. Beutler, F., Brackmann, J., 1999, Seite 29).
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2000
- ISBN (eBook)
- 9783832446406
- ISBN (Paperback)
- 9783838646404
- DOI
- 10.3239/9783832446406
- Dateigröße
- 966 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Fachhochschule Westküste Heide – Betriebswirtschaft
- Erscheinungsdatum
- 2001 (Oktober)
- Note
- 1,3
- Schlagworte
- mobilität verkehr mobilitätsdienstleistung automobil typologie
- Produktsicherheit
- Diplom.de