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Gratifkationsleistungen der dem Mensch/Puppe-Genre zuordnenbaren von 1968-1994 gesendeten Fernsehsendungen Arminio Rothsteins im Kinderprogramm des ORF

Fokus-Gruppengespräche ehemaliger RezipientInnen von “Toby und Tobias“ sowie “Clown Habakuks Puppenzirkus“

©2000 Diplomarbeit 168 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Von 1968 bis 1994 war der Wiener AHS-Professor Arminio Rothstein für das Kinderfernsehen in Österreich tätig. Im Zuge dessen erfand, schrieb und leitete er Sendungen, deren Figuren zum Großteil Puppen (Marionetten und Handpuppen) waren. Diese baute er ausschließlich selbst. Berühmtheit erlangte Arminio Rothstein, der 1994 67jährig verstarb, vor allem in der Figur des Clowns Habakuk, die in der Interaktion mit seinen Puppen den Sendungen einen unverwechselbaren Charakter verlieh: Rothstein variierte das Genre Puppensendung mit der Hinzufügung eines clownesken Realdarstellers und führte überdies generell das „Mensch/Puppe-Prinzip“ im österreichischen Kinderfernsehen ein.
Die primäre Intention der vorliegenden Diplomarbeit liegt darin, wesentliche auf die Sendungsinhalte bezogenen Faktoren der Popularität der Fernsehsendungen Rothsteins herauszuarbeiten. Das Forschungsziel beinhaltet auch die Frage nach den Faktoren der jahrzehntelangen Fernsehpräsenz der Sendungen Arminio Rothsteins. Dabei sind insofern primär deren inhaltliche Aspekte von Interesse, als davon ausgegangen wird, dass vor allem im Inhalt einer Fernsehsendung Kriterien für den Erfolg dieser Sendung liegen. Hier spielt einerseits die Qualität einer Fernsehsendung, welcher dieser seitens der ProgrammacherInnen beigemessen wird, eine Rolle, andererseits jedoch vor allem die Popularität der Sendung bei ihrem Fernsehpublikum, die beispielsweise in der - etwa durch Teletest-Daten - messbaren Akzeptanz durch die ZuseherInnen ihren Ausdruck findet.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden zwei dem qualitativen sozialwissenschaftlichen Forschungsspektrum zuordenbare Methoden angewandt: Neben der Methode der Expertenbefragung wurde die Fokus-Gruppendiskussion gewählt. Es wurden drei mündliche, wenig standardisierte Leitfaden-Befragungen durchgeführt.
Infolge der explorativen Studie werden Hypothesen generiert, welche weiteren, repräsentativen Studien zur Rezeption von Sendungen im Kinderprogramm zugrunde liegen können. Die zentrale Intention derartiger Forschungsprojekte könnte darin liegen, populäre Sendungen für Kinder zwischen drei und zehn Jahren zu schaffen, welche einem hohen pädagogischen Anspruch gerecht werden.
Die vorliegende Arbeit soll darüber hinaus am Beispiel der Sendungen Rothsteins einen kleinen Beitrag dazu leisten, unter „pädagogisch anspruchsvollem, populärem Kinderprogramm“ keinen Widerspruch in sich zu sehen, sondern ein reales Ziel des […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 4630
Link, Michael: Gratifkationsleistungen der dem Mensch/Puppe-Genre zuordenbaren, von 1968-
1994 gesendeten Fernsehsendungen Arminio Rothsteins im Kinderprogramm des ORF: Fokus-
Gruppengespräche ehemaliger RezipientInnen von "Toby und Tobias" sowie "Clown Hab -
Hamburg: Diplomica GmbH, 2001
Zugl.: Wien, Universität, Diplom, 2000
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1
Inhaltsverzeichnis
VORWORT_____________________________________________________________________________ 3
1. EINLEITUNG ________________________________________________________________________ 5
2. ZUR PERSON ARMINIO ROTHSTEIN __________________________________________________ 10
3. KINDERFERNSEHEN ALS QUALITÄTSFERNSEHEN ____________________________________ 16
3.1. Zum Begriff "Kinderfernsehen" ____________________________________________________ 16
3.2. Überlegungen zum Begriff Qualitätsfernsehen _________________________________________ 17
4. THEORIEANSÄTZE UND FORSCHUNGSSTAND ZUR REZEPTION VON FERNSEHSENDUNGEN
DURCH KINDER ______________________________________________________________________ 23
4.1. Vorüberlegungen _________________________________________________________________ 23
4.2. Theorieansätze zur Nutzung von Massenmedien _______________________________________ 26
4.2.1. Zum Rezeptionsprozeß von Kindern _______________________________________________ 26
4.2.1.1. Wie Kinder Fernsehsendungen wahrnehmen: Fernsehen als Erlebnis __________________ 26
4.2.1.2. Elemente des kindlichen Rezeptionsprozesses aus der Sicht der handlungstheoretisch orientierten
Medienrezeptionstheorie____________________________________________________________ 28
4.2.2. Der Uses and Gratifications Approach ______________________________________________ 31
4.2.3. Der Nutzenansatz ______________________________________________________________ 32
4.3. Primäre Gratifikationen von Kindern infolge deren Rezeption von Fernsehsendungen _______ 34
4.3.1. Die Gratifikationsforschung zum Mediengebrauch von Kindern __________________________ 34
4.3.2. Rekreative Gratifikationen _______________________________________________________ 36
4.3.3. Orientierungshilfe infolge der Identifikation der RezipientInnen mit den ProtagonistInnen _____ 41
5. FORSCHUNGSLEITENDE FRAGEN ___________________________________________________ 48
6. DIE GENRES PUPPEN- UND CLOWNSENDUNG ________________________________________ 51
6.1. Allgemeines______________________________________________________________________ 51
6.2. Clowns in Fernsehsendungen _______________________________________________________ 52
6.3. Puppen in Fernsehsendungen _______________________________________________________ 53
6.3.1. Allgemeines __________________________________________________________________ 53
6.3.2. Die Handpuppe ________________________________________________________________ 54
6.3.2.1. Der Kasperl _______________________________________________________________ 55
6.3.3. Die Marionette ________________________________________________________________ 57
6.3.4. Erzieherische Puppensendungen___________________________________________________ 59
6.3.5. Die Bedeutung von Puppensendungen in der Geschichte des österreichischen Kinderfernsehens 61
7. DIE SENDUNGEN ARMINIO ROTHSTEINS IM KINDERPROGRAMM ______________________ 70
7.1. Zum Inhalt der Sendungen Arminio Rothsteins ________________________________________ 70
7.1.1. "Toby und Tobias" _____________________________________________________________ 70
7.1.2. "Clown Habakuks Puppenzirkus"__________________________________________________ 72
7.2. Angebot und Nutzung der Fernsehsendungen Arminio Rothsteins ________________________ 73
8. FOKUS-GRUPPENDISKUSSIONEN ____________________________________________________ 80
8.1. Allgemeines zur Gruppendiskussion _________________________________________________ 80
8.2. Die Fokus-Gruppendiskussion als sozialwissenschaftliche Methode _______________________ 81
8.3. Die Fokus-Gruppendiskussion über die Sendungen Arminio Rothsteins als zentrale Thematik_ 85
9. AUSWERTUNG DER FOKUS-GRUPPENDISKUSSIONEN _________________________________ 89
9.1. Fokus-Gruppe 1 __________________________________________________________________ 89
9.2. Fokus-Gruppe 2 __________________________________________________________________ 99

2
9.3. Fokus-Gruppe 3 _________________________________________________________________ 108
10. RESÜMEE ________________________________________________________________________ 116
10.1. Beantwortung der forschungsleitenden Fragen:______________________________________ 116
10.2. Zusammenfassung der Ergebnisse _________________________________________________ 124
10.3. Hypothesengenerierung__________________________________________________________ 126
11. SCHLUSSBEMERKUNGEN _________________________________________________________ 128
LITERATURVERZEICHNIS ____________________________________________________________ 131
WEITERE QUELLEN__________________________________________________________________ 140
ANHANG I: Leitfaden für die Fokus-Gruppengespräche______________________________________ 142
CURRICULUM VITAE_________________________________________________________________ 162
ANHANG ____________________________________________________________________________ 163

3
VORWORT
Gewiß war ich kein Kind, das man als "fernsehsüchtig" bezeichnen könnte, obwohl
es natürlich Sendungen gab, die ich mit großer Freude sah. Eine davon war die
Marionettenreihe "Toby und Tobias" mit dem bekannten Fernsehclown Habakuk.
Lange Zeit war sie meine Lieblingssendung. Dementsprechend einprägsam war das
Erlebnis, als ich mit neun Jahren den Erfinder und Hauptdarsteller der Sendung
Arminio Rothstein kennenlernte. Es folgten zahlreiche Einladungen des Clown
Habakuk-Darstellers in sein Arlequin-Theater und in das Fernsehstudio im ORF-
Zentrum, wo auch Rothsteins bekannte Kasperl-Sendung "Clown Habakuks
Puppenzirkus" aufgezeichnet wurde.
Mein Kindheitstraum, Clown zu werden, ließ mich nun nicht mehr los. 1994 begann
ich selbst, als "Clown Lolli" aufzutreten. Arminio Rothstein, den ich als meinen Mentor
bezeichnen möchte, konnte es leider nicht mehr erleben; er war kurz zuvor an Krebs
gestorben.
Einerseits lag in der Bedeutung der Sendungen Rothsteins sowie des Clowns Haba-
kuk für meine Kindheit die wesentliche Motivation zur Wahl dieses Themas. Anderer-
seits wird meiner Ansicht nach der Themenkomplex "Fernsehen für jüngere Kinder"
im wissenschaftlichen Diskurs nach wie vor etwas vernachlässigt, woraus ein zusätz-
liches persönliches Interesse an der Wahl des oben genannten Themas resultiert.
Darüber hinaus war auch Arminio Rothsteins Witwe Christine ("Mimis Villa Schnat-
termund", "Kasperl und Buffi") eine Arbeit über die Sendungen ihres verstorbenen
Ehemannes ein großes Anliegen, weshalb sie mich dankenswerterweise durch die
Zurverfügungstellung zahlreicher relevanter Materialien und Informationen bei dieser
Arbeit sehr unterstützte. Danken möchte ich darüber hinaus auch meinen Eltern, die
mir mein Studium überhaupt ermöglicht haben sowie Dr. Hausjell für seine engagier-
te und sehr menschliche Diplomarbeitsbetreuung.
Ich hoffe, daß die vorliegende Arbeit nicht nur die Faszination der Puppensendungen
Arminio Rothsteins für Kinder verständlich macht, sondern auch einen kleinen Bei-

4
trag zur Demonstration der Essenz liefert, kindliche Bedürfnisse bei der Gestaltung
des Kinderprogramms zu berücksichtigen.

5
1. EINLEITUNG
Von 1968 bis 1994 war der Wiener AHS-Professor Arminio Rothstein für das Kinder-
fernsehen in Österreich tätig. Im Zuge dessen erfand, schrieb und leitete er Sendun-
gen, deren Figuren zum Großteil Puppen (Marionetten und Handpuppen) waren. Die-
se baute er ausschließlich selbst. Berühmtheit erlangte Arminio Rothstein, der 1994
67jährig verstarb, vor allem in der Figur des Clowns Habakuk, die in der Interaktion
mit seinen Puppen den Sendungen einen unverwechselbaren Charakter verlieh:
Rothstein variierte das Genre Puppensendung mit der Hinzufügung eines clow-
nesken Realdarstellers und führte überdies generell das "Mensch/Puppe-Prinzip" im
österreichischen Kinderfernsehen ein.
1
Neben seiner Tätigkeit beim Fernsehen leitete Rothstein das Arlequin-Theater, wel-
ches seinen Wunsch vom dramaturgischen Zusammenwirken von Mensch und Pup-
pe auf der Bühne erfüllte. Dort wurden Theaterstücke sowohl für Erwachsene als
auch für Kinder aufgeführt. Lange Zeit galt das Arlequin Theater als das avantgardis-
tische Theater Wiens schlechthin.
2
Bei allem Erfolg, den Arminio Rothstein durch seine Tätigkeit beim Theater verbu-
chen konnte, ermöglichte ihm den eigentlichen Durchbruch schließlich das Fernse-
hen. 1968 wurde seine erste Sendung, die Marionettenreihe "Toby und Tobias", aus-
gestrahlt. Durch dieses Massenmedium, das seine Werke einem breiten Publikum
zugänglich machte, wurden die Figuren und Stücke des Lehrers, der Deutsch, Bild-
nerische Erziehung und Medienkunde unterrichtete, und seine Auftritte in anderen
Sendungen, worin er mitwirkte, bekannt und beliebt. Insbesondere Rothsteins Versi-
on des Fernsehkasperls, "Clown Habakuks Puppenzirkus", erlangte eine hohe Popu-
larität. Doch unabhängig vom Erfolg des Pädagogen Rothstein bei seinem Zielpubli-
1
Unter den von Arminio Rothstein geprägten Begriff "Mensch/Puppe-Prinzip" wird die Interaktion von
Mensch und Puppe in einer Theateraufführung oder Fernsehsendung subsumiert. (im Gespräch mit Christine
Rothstein vom 29.9.1999); siehe dazu Kap. 2 sowie Kap. 6.3.5
2
Christine Rothstein im Gespräch vom 29.9.1999 sowie Johannes Hoflehner im Gespräch vom 19.10.1999

6
kum - den vier- bis neunjährigen Kindern - genossen seine Sendungen durchaus ei-
ne pädagogische Wertschätzung bei Eltern, PädagogInnen und auch Medien.
3
Vor allem die über viele Jahre hinweg erfolgreiche Innovation des Kinderprogramm-
Genres Puppenspiel Arminio Rothsteins bedingt das Forschungsinteresse des Ver-
fassers, welches grundsätzlich in der Frage nach den Motiven der affektiven Zuwen-
dung der ehemaligen RezipientInnen zu den Sendungen besteht. Demzufolge liegt
die primäre Intention der vorliegenden Diplomarbeit darin, wesentliche auf die Sen-
dungsinhalte bezogenen Faktoren der Popularität der Fernsehsendungen Rothsteins
herauszuarbeiten.
Das Forschungsziel beinhaltet auch die Frage nach den Faktoren der jahrzehntelan-
gen Fernsehpräsenz der Sendungen Arminio Rothsteins. Dabei sind insofern primär
deren inhaltliche Aspekte von Interesse, zumal davon ausgegangen wird, daß vor
allem im Inhalt einer Fernsehsendung Kriterien für den Erfolg dieser Sendung liegen.
Hier spielt einerseits die Qualität einer Fernsehsendung, welcher dieser seitens der
ProgrammacherInnen beigemessen wird, eine Rolle, andererseits jedoch vor allem
die Popularität der Sendung bei ihrem Fernsehpublikum, die beispielsweise in der -
etwa durch Teletest-Daten - meßbaren Akzeptanz durch die ZuseherInnen ihren
Ausdruck findet. In der Folge wird insbesondere auf Sendungen im Rahmen des Kin-
derprogramms Bezug genommen.
Hinsichtlich der einer Fernsehsendung beigemessenen Qualität wird im allgemeinen
Teil dieser Arbeit der Begriff "Qualitätsfernsehen" (im Kinderprogramm) näher erläu-
tert. Vom Blickwinkel der PädagogInnen und zum Teil der Programmverantwortlichen
zeichnet sich Qualitätsfernsehen vor allem durch einen hohen pädagogischen Wert
aus. Grundsätzlich liegt in einer Fernsehsendung, die in den Augen der Programma-
cherInnen den Anforderungen des Qualitätsfernsehens entspricht, ein hohes Potenti-
al für eine häufige Ausstrahlung dieser Sendung. Dabei ist anzumerken, daß über
Qualität zum einen prinzipiell subjektive Auffassungen existieren, zum anderen je-
doch bei PädagogInnen und Programmverantwortlichen weitgehend Konsens über
einzelne Qualitätskriterien für das Kinderfernsehen herrscht.
4
3
Johannes Hoflehner im Gespräch vom 19.10.1999
4
So stellt etwa das Angebot an Orientierungshilfen durch unterhaltsame Kindersendungen ein Qualitätskriteri-
um für Kinderfernsehen dar. (siehe dazu Kap.4.3.3)

7
Eine wesentliche Rolle in bezug auf die hohe Fernsehpräsenz einer Sendung bzw.
deren Inhalte spielt jedoch - wie oben erwähnt - vor allem ihre Popularität bei den
ZuschauerInnen.
Grundsätzlich ist dabei auf das wechselseitige Verhältnis zwischen Popularität und
Medienpräsenz zu verweisen. Mit anderen Worten ausgedrückt: Die relativ häufige
Ausstrahlung einer Sendung bzw. deren Inhalte ermöglicht auf der einen Seite einen
entsprechenden Bekanntheitsgrad und - damit verbunden - Popularität, denn die Be-
liebtheit der LieblingsheldInnen von Kindern bestimmt in einem hohen Maße den Be-
kanntheitsgrad von Fernsehsendungen.
5
Auf der anderen Seite kann eben die Popularität bestimmter Figuren und Inhalte de-
ren verstärkte Fernseh- bzw. Medienpräsenz bedingen. Diesem Aspekt muß jedoch
voraussetzend hinzugefügt werden, daß die Programmverantwortlichen im Bewußt-
sein dieser Popularität agieren müssen, d.h. die Popularität von Figuren und Inhalten
von Fernsehsendungen muß feststellbar sein. Im Zeitalter der zunehmenden Konkur-
renz und Kommerzialisierung des Fernsehens ist dieser Anspruch - realisierbar etwa
durch den Teletest
6
- von wachsender Wichtigkeit.
Hält man sich vor Augen, daß Rothstein viele Jahre lang Sendungen machte, als sich
das öffentlich-rechtliche Fernsehen noch mit keiner Konkurrenz anderer TV-Anbieter
in Österreich konfrontiert sah, und überdies, daß im Verlauf der Geschichte des Kin-
derfernsehens generell das Interesse der Kinder lange Zeit im Hintergrund stand
7
,
legt dies grundsätzlich den Schluß einer über Jahre hinweg vergleichsweise geringen
Bedeutung der Popularität von Arminio Rothsteins Fernsehsendungen - im Gegen-
satz zur Bedeutung der von deren BetreiberInnen und ProgrammacherInnen beige-
messenen Qualität - nahe. Schließlich wurden lange Zeit mangels Konkurrenz oft
keine oder nur zögernde Konsequenzen aus unbefriedigenden Einschaltquoten ge-
zogen.
8
5
vgl. Hömberg 1978, S.79
6
Beim Teletest handelt es sich um ein 1991 in Österreich eingeführtes elektronisches Meßgerät, das Daten zum
Programmwahlverhalten der österreichischen ZuschauerInnen liefert. (siehe dazu Kap. 7.2)
7
vgl. Paus-Haase in: Gottberg et al. 1997, S.247
8
vgl. Brandstätter 1995, S.12

8
"So erweist sich die Geschichte des Kinderfernsehens in entscheidendem Maße geprägt
vom Standpunkt der Betreiber in Auseinandersetzung mit ihren Widersachern und Kriti-
kern."
9
Infolgedessen kann davon ausgegangen werden, daß noch in den siebziger Jahren
der Stellenwert von - durch Programmverantwortliche definierten - Qualitätskriterien
ausschlaggebend für die Fernsehpräsenz der Sendungen Arminio Rothsteins war,
wohingegen deren Popularität beim Fernsehpublikum eine noch relativ geringe Be-
deutung zukam. Umso größer wurde die Relevanz der Popularität der Sendungen
jedoch mit der Einführung der kontinuierlichen Seherforschung (Infratest) sowie mit
dem Beginn der Konkurrenzsituation des ORF in den achtziger Jahren.
10
Geprägt von Kommerzialisierung und Konkurrenzdruck, hat der ORF in den letzten
Jahren nicht nur die generelle Sendezeit des Kinderprogramms ("Confetti-TiVi") mas-
siv erhöht, sondern auch strukturell das Kinderprogramm stark verändert. So wird
etwa der "Kasperl" heute am Samstag und Sonntag jeweils am Morgen ausgestrahlt,
während Marionettensendungen gänzlich vom Bildschirm verschwunden sind.
11
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden zwei dem qualitativen sozialwissen-
schaftlichen Forschungsspektrum zuordenbare Methoden angewandt. Neben der
Methode der Expertenbefragung wurde die Fokus-Gruppendiskussion gewählt, wobei
jedoch nur letztere Methode aufgrund ihrer empirischen Relevanz für diese Arbeit
näher beschrieben wird.
12
Die Relevanz der durchgeführten Expertenbefragungen beschränkt sich dagegen
vielmehr auf den allgemeinen Teil zum Kinderfernsehen bzw. auf die Darstellung und
Erläuterung des Forschungsgegenstandes, zumal nicht Befragungen ehemaliger
MitarbeiterInnen Arminio Rothsteins - d.h. Expertenbefragungen -, sondern die Aus-
sagen ehemaliger RezipientInnen seiner Fernsehsendungen essentiell für die Be-
antwortung der eingangs gestellten Forschungsfragen erscheinen. Es wurden drei
mündliche, wenig standardisierte Leitfaden-Befragungen durchgeführt, wobei die fol-
genden Personen befragt wurden:
9
ebd.
10
Johannes Hoflehner im Gespräch vom 19.10.1999
11
Christine Rothstein im Gespräch vom 29.9.1999 sowie Andreas Vana im Gespräch vom 22.11.1999
12
siehe dazu Kap. 8

9
- Christine Rothstein, Witwe und mehr als zwanzig Jahre lang Mitarbeiterin von Armi-
nio Rothstein, am 29.9.1999
- Johannes Hoflehner, von 1967 bis 1989 Leiter der Kinderredaktion des ORF, am
19.10.1999
- Andreas Vana, seit Jänner 1994 Leiter des Kinderprogramms des ORF (,,Confetti-
TiVi"), am 22.11.1999

10
2. ZUR PERSON ARMINIO ROTHSTEIN
Arminio Rothstein wurde am 25. Juli 1927 in Wien geboren. Bereits im Alter von acht
Jahren zauberte und musizierte Arminio, der mütterlicherseits insofern "erblich vorbe-
lastet" war, als sein Onkel als Zauberer und seine Tante als Wahrsagerin tätig wa-
ren.
13
Rothstein maturierte in Wien und begann auf Drängen seines Vaters - ein ernster
Rechtsanwalt - ein Jusstudium. Doch dieses blieb unvollendet. Zu sehr fühlte Arminio
seine künstlerische Berufung, und so inskribierte er an der Akademie der Bildenden
Künste. Zu seinen Studienkollegen und Freunden zählten unter anderem Ernst
Fuchs und Arik Brauer. Als Student verdiente er sich erste Gagen als Zauberer "Se-
lim Arminian" und Musiker.
14
1947 kam Rothstein zum Zirkus, nachdem er sich dort für die Stelle als Plakatmaler
beworben hatte. In weiterer Folge arbeitete er ein Jahr lang als Gitarrist, Schlagzeu-
ger der Zirkuskapelle, Dromedarwärter und schließlich als "Weißer Clown" beim Zir-
kus "Metropol"
15
, mit dem er durch Niederösterreich, Oberösterreich und das Burgen-
land der Nachkriegszeit zog. Als Abschiedsgeschenk erhielt Arminio Rothstein vom
Zirkus ein Clownkostüm, in dem er später als Fernsehclown Habakuk berühmt wer-
den sollte.
16
Nach seinem Abschluß als diplomierter Maler (seine Abschlußprüfung legte er bei
Professor Gütersloh ab) und AHS-Lehrer für Bildnerische Erziehung wurde Rothstein
1954 als Professor für Kunstgeschichte, Werkerziehung und Medienkunde am Wie-
ner Bundesgymnasium in der Unterbergergasse in Wien 20 angestellt, wo er bis
13
vgl. die von Christine Rothstein für private Zwecke verfaßte Biografie über Arminio Rothstein "Prof.mag.art.
u. dipl.acad. Maler Arminio Rothstein", 1995, S.1
14
vgl. ebd., vgl. dazu auch Arminio Rothstein in der ORF-Sendung "25 Jahre Habakuk. In memoriam Arminio
Rothstein", 5.10.1994, 14.55 Uhr
15
vgl. ebd.
16
Christine Rothstein im Gespräch vom 29.9.1999, vgl. dazu auch Thomas Brezina in der ORF-Sendung "Ha-
bakuk und Co. Arminio Rothstein und seine Welt der Puppen", 5.10.1994, 16.25 Uhr

11
1987 unterrichten sollte. Überdies erhielt der junge Kunstprofessor von seinem Vater
ein eigenes Atelier.
17
Alle Unternehmungen und Projekte Arminio Rothsteins liefen nun parallel zu seinen
Aktivitäten als AHS-Lehrer.
18
1957 gründete Rothstein das erste Marionettentheater, die Fadenbühne im Künstler-
haus, die bald als das avantgardistische Theater Wiens schlechthin galt. Damit stan-
den erstmals Mensch und Marionette als gleichwertige Partner gemeinsam auf der
Bühne - eine "künstlerische Novität".
19
Dieser Stil wurde bald zum Markenzeichen
Rothsteins. Gespielt wurden unter anderem Cabaret-Programme sowie Werke von
Hugo von Hofmannsthal und Johann Nestroy.
20
1967 übersiedelte das Theater in das Café Mozart bei der Wiener Staatsoper. Be-
kanntheit erlangte die Bühne unter dem Namen "Arlequin Theater". Am Spielplan
standen unter anderem "Der eingebildete Kranke", "Die Dreigroschenoper", "Aufstieg
und Fall der Stadt Mahagonny" (Uraufführung mit Marionetten) und Johann Nestroys
"Lumpazivagabundus". Schauspieler wie Fritz Muliar, Kurt Sowinetz, Ernst Wald-
brunn und Erika Stemberger liehen den Marionetten ihre Stimmen. Bis zum Jahr
1984 wurden immer wieder Brecht-Aufführungsserien veranstaltet.
21
Arminio Rothstein wandte sich 1967 mit einer Beschwerde über das Kasperltheater
im Kinderprogramm ("Ein Programm des erhobenen Zeigefingers, ohne Unterhal-
tungswert"
22
) an das österreichische Fernsehen. Der Leiter der Kinderredaktion, Jo-
hannes Hoflehner, machte ihm daraufhin den Vorschlag, es "besserzumachen".
23
Arminio Rothstein erfand daraufhin die Puppensendung "Toby und Tobias", die im
September 1968 zum ersten Mal gesendet wurde. Rothstein schlüpfte in sein altes
Zirkuskostüm und trat gemeinsam mit seinen Puppen als gleichwertiger Partner auf.
Damit wurde das "Mensch/Puppe-Prinzip" in das österreichische Fernsehen ge-
17
vgl. Christine Rothstein 1995, S.1, vgl. dazu auch Thomas Brezina in der ORF-Sendung "Habakuk und Co.
Arminio Rothstein und seine Welt der Puppen", 5.10.1994, 16.25 Uhr sowie P.I.:"`Clown Habakuk` ist tot", in:
"Der Standard", 3.10.1994, S.21
18
vgl. ebd.
19
ebd.
20
vgl. ebd.
21
vgl. ebd.
22
Arminio Rothstein, zit. nach Ronald Pötzl: "Professor Habakuk. Ein Porträt des Puppenspielers Arminio
Rothstein", in: "tele-blick" vom 22.12.1988, S.12
23
Johannes Hoflehner im Gespräch vom 19.10.1999

12
bracht. Es sollten noch viele weitere Folgen der immer erfolgreicher werdenden Ma-
rionettenreihe ausgestrahlt werden.
1969 wurde mit einer Folge aus "Toby und Tobias" die erste Fernsehsendung in der
Geschichte des österreichischen Kinderfernsehens in Farbe ausgestrahlt.
24
In den
darauffolgenden Monaten wurden weitere Sendungen Rothsteins wie "Gutenachtge-
schichten" ("Betthupferln"), Handpuppenspiele, Märchen und Puppenshows produ-
ziert.
25
1971 wurde zum ersten Mal Arminio Rothsteins Sendung "Clown Habakuks Puppen-
zirkus" gesendet. Die gemeinsame Interaktion von Mensch und Puppe, von Clown
und Kasperl, im Rahmen einer Zirkusvorstellung mit Handpuppen, war völlig neu im
österreichischen Fernsehen.
26
Ab 1973 gestaltete das Arlequin-Theater, dessen Zielpublikum sich bislang aus-
schließlich auf Erwachsene beschränkt hatte, auch Kinderprogramme. An Wochen-
enden gab es Vorstellungen für Kinder mit Sagen, Märchen und vor allem "Clown
Habakuks Puppenzirkus".
Das Arlequin-Theater nahm im Lauf der siebziger und achtziger Jahre an vielen in-
ternationalen Puppenfestivals teil. Es gab auch zu den Festwochen in Israel (Jerusa-
lem, Haifa und Kfar Saba) im Mai 1977 mit Bertolt Brechts "Dreigroschenoper" ein
vierzehntägiges Gastspiel.
27
1977 gründete Arminio Rothstein in Zusammenarbeit mit dem Automobilclub ARBÖ
die erste österreichische Verkehrserziehungspuppenbühne, das "Puppomobil", das -
neben Vorstellungen im Ausland - bis heute Kindergärten und Schulen in allen öster-
reichischen Bundesländern besucht, um Kindern einen Beitrag für mehr Verkehrssi-
cherheit zu leisten. 1988 wurde das "Puppomobil" mit dem ARBÖ-Preis ausgezeich-
net und 1991 zum österreichischen Verkehrssicherheitspreis vorgeschlagen.
28
Am 30. März 1978 wurde die internationale Puppenspielervereinigung UNIMA ge-
gründet, woran Rothstein maßgeblich beteiligt war.
29
PuppenspielerInnen der ganzen
24
Christine Rothstein in einem Telefonat vom 3.8.2000 sowie Hoflehner im Gespräch vom 19.10.1999
25
vgl. Christine Rothstein 1995, S.1f.
26
Johannes Hoflehner im Gespräch vom 19.10.1999
27
vgl. Christine Rothstein 1995, S.2
28
vgl. ebd.
29
Christine Rothstein im Gespräch vom 29.9.1999

13
Welt sind Mitglieder in dieser Organisation, um zur Entwicklung der Puppenspiel-
kunst auf allen Kontinenten beizutragen.
Am 16. August 1979 erschien Arminio Rothsteins Clown- und Zirkusspielbuch für
Kinder "Du wollen Clown spielen?" im Verlag Jugend & Volk mit einer vorläufigen
Auflagenhöhe von 15.000 Stück. Die Stadt Wien zeichnete das Buch im darauffol-
genden Jahr mit dem Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien aus. Darüber
hinaus wurde das Buch auf die Ehrenliste zum Österreichischen Kinder- und Ju-
gendbuchpreis gesetzt.
30
Am 28. Dezember 1979 heiratete Arminio Rothstein seine künstlerische Partnerin
Christine, eine AHS-Professorin für Deutsch und Philosophie, die er sieben Jahre
zuvor kennengelernt hatte. Nahezu genauso lang hatte sie für die Rothstein-
Sendungen viele Puppen animiert, insbesondere die bekannte "Am dam des"-Puppe
Mimi, weiters hatte sie das "Puppomobil" betreut sowie für Theaterstücke und Fern-
sehsendungen eigene und fremde Kompositionen gespielt und gesungen.
31
Zu den Mitarbeitern des Ehepaars Rothstein zählten vor allem junge, ambitionierte
Menschen, aber auch die beiden Schauspieler Kitty Oertl und Rolf Truxa, dessen
Stimme als Sprecher des bösen Zauberers und ewigen Kasperl-Widersachers Tinti-
fax bekannt wurde. "Besonders stolz" war Arminio Rothstein auf seinen Mitarbeiter
Thomas Brezina, ein mittlerweile über den deutschen Sprachraum hinaus erfolgrei-
cher Kinderbuchautor und Moderator des Kinderprogramms ("Confetti-TiVi").
32
Für Puppenshows stellte Arminio Rothstein vor allem in den frühen achtziger Jahren
eine Unzahl von Puppen nach dem Vorbild prominenter Persönlichkeiten her, die
teilweise in Fernsehsendungen für Erwachsene auftreten sollten: Helmut Zilk, Bruno
Kreisky, Helmut Qualtinger, Albert Einstein und die Beatles, um nur wenige von ihnen
zu nennen.
33
Als einen der Höhepunkte der künstlerischen Karriere Arminio Rothsteins sah er die
Produktion einer TV-Weihnachts-Kassette für die Sendung einer US-amerikanischen
30
ebd.
31
ebd.
32
Christine Rothstein 1995, S.4
33
vgl. ebd.

14
TV-Station mit Opernstars aus der ganzen Welt. Dabei brachten Puppen Rothsteins
vor der Puppenbühnen-Kulisse "Venedig im Schnee" dem italienischen Startenor
Luciano Pavarotti in einer Gondel Weihnachtsgeschenke. Pavarotti sang dabei
gemeinsam mit der Gans Mimi ein altes italienisches Weihnachtslied.
34
Am Heiligen
Abend 1983 wurde diese Aufzeichnung im Programm des ORF gesendet.
35
Für weitere Fernsehsendungen arbeitete Arminio Rothstein unter anderem mit Künst-
lern wie Klaus Maria Brandauer, Alfred Biolek, Marcel Prawy und Gerhard Bronner,
der mit Rothstein bis zu dessen Tod vierzig Jahre lang befreundet war, zusammen.
36
Regelmäßige Fernsehsendungen wie "Helmi", "Am dam des" sowie eigene TV-
Produktionen und Auftritte in TV-Shows machten einen geregelten Betrieb des Thea-
ters allmählich nicht mehr möglich. Darüber hinaus waren stets neue TV-Ideen in
Vorbereitung.
37
1984 schließlich mußte das Arlequin-Theater geschlossen werden.
38
Im März 1986 gastierten Arminio Rothstein und sein Team mit dem Programm
"Clown Habakuk läßt bitten" im Wiener Burgtheater.
39
Seine größten Auftritte - gemessen an der ZuschauerInnenzahl - hatte Arminio Roth-
stein 1991 und 1992 mit seiner Handpuppe Maxi. Dabei trat er mehrmals vor etwa 20
Millionen FernsehzuschauerInnen in der in mehreren Ländern ausgestrahlten Unter-
haltungssendung "Musikantenstadl" auf.
40
Am 12. Oktober 1993 wurde Arminio Rothstein vom Wiener Bürgermeister Dr. Hel-
mut Zilk das Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien verliehen.
41
"Dem Multitalent Prof. Mag. art. Arminio Rothstein, vulgo `Habakuk` - er ist Puppenma-
cher, Drehbuchautor, akad. maler, Kusterzieher und Clown - wurde von der Wiener Lan-
desregierung das Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien verliehen."
42
34
vgl. Christine Rothstein 1995, S.4f.; vgl. dazu auch Christine Rothstein in der ORF-Sendung "25 Jahre Haba-
kuk. In memoriam Arminio Rothstein", 5.10.1994, 14.55 Uhr sowie Roman Schließer: "Adabei", in: "Neue
Kronen Zeitung", 18.8.1983
35
Christine Rothstein in einem Telefonat vom 12.10.1999
36
vgl. ebd., S.6; vgl. dazu auch Arminio Rothstein in der ORF-Sendung "25 Jahre Habakuk. In memoriam
Arminio Rothstein", 5.10.1994, 14.55 Uhr
37
vgl. Christine Rothstein 1995, S.6
38
vgl. ebd., S.1
39
Christine Rothstein im Gespräch vom 29.9.1999
40
vgl. Christine Rothstein 1995, S.5
41
vgl. ebd., S.6

15
Auch der ORF ehrte mit einer Ausstellung im ORF-Zentrum Arminio Rothstein:
"Clown Habakuk und seine Puppen - 25 Jahre im ORF", die von 13. Dezember 1993
bis 13. Jänner 1994 geöffnet war und von Arminio Rothstein gemeinsam mit seinem
Team selbst gestaltet wurde.
43
Rothstein war zu dieser Zeit bereits an Lungenkrebs erkrankt. Er selbst trat noch bis
März 1994 im Fernsehen auf und veröffentlichte kurz darauf sein zweites Buch für
Kinder, "Das Habakuk-Buch". Doch sein Gesundheitszustand verschlechterte sich.
Am 1. Oktober 1994 starb Arminio Rothstein im Alter von 67 Jahren im gemeinsamen
Haus von ihm und seiner Gattin Christine in Siebenhirten.
44
"Arminio Rothstein, der als `Habakuk` Millionen von Kinderherzen höher schlagen ließ, ist
tot. Der beliebte Fernseh-Clown starb gestern, Samstag, im 68. Lebensjahr an einem
schweren Krebsleiden, wie seine Frau am Sonntag mitteilte."
45
42
N.N.: "Silberne für `Prof. Habakuk`!" In: "Bezirksjournal Liesing/Perchtoldsdorf, Mödling und Umgebung",
Nr. 10/1993
43
vgl. ebd., S.6f.
44
vgl. ebd., S.7
45
N.N.: "Clown `Habakuk` ist gestorben", in: "Kurier", 3.10.1994, S.11

16
3. KINDERFERNSEHEN ALS QUALITÄTSFERNSEHEN
3.1. Zum Begriff "Kinderfernsehen"
Grundsätzlich sind hinsichtlich der Definition des Begriffes "Kinderfernsehen" drei
Blickrichtungen von Bedeutung:
Erstens ist Kinderfernsehen medienorientiert definierbar, d.h. unter diesem Begriff
sind all jene Sendungen zu verstehen, die vom Fernsehsender als Kinderprogramm
ausgezeichnet sind und auch für Kinder konzipiert sind.
Zweitens läßt sich der Blickwinkel von Eltern bzw. Erziehungsberechtigten und Pä-
dagogInnen heranziehen, wonach Kinderfernsehen das für Kinder geeignete Fern-
sehprogramm darstellt.
Schließlich ist Kinderfernsehen aus der rezipientenorientierten Blickrichtung aufzu-
fassen. Demzufolge sind unter Kinderfernsehen alle Sendungen zu subsumieren,
welche Kinder gerne und häufig sehen.
46
Insofern liegen der dritten Definition durchaus antiautoritäre Überlegungen zugrunde.
Der frühere WDR-Kinderprogramm-Innovator und Erfinder der "Sendung mit der
Maus", Gert K. MÜNTEFERING, brachte es auf den Punkt: "Kinderfernsehen ist,
wenn Kinder fernsehen."
47
Angesichts der Tatsache, daß Kinder nicht nur Sendungen sehen, die für sie ausge-
strahlt werden, unterscheidet man - von der Ausgangsbasis durch Kinder häufig und
gern gesehener Sendungen - grundsätzlich zwei Arten von Sendungen voneinander:
a) für Kinder konzipierte Sendungen
b) nicht für Kinder konzipierte Sendungen
46
vgl. Bischoff/Anton in: Czaja 1997, S.25
47
Gert K. Müntefering, zit. nach Lenssen in: Baacke et al. 1997, S.283

17
Die für Kinder konzipierten Sendungen entsprechen der medienorientierten Definition
von Kinderfernsehen. Diese werden wiederum in "klassisches" und in "unheimliches"
Kinderprogramm eingeteilt, welche voneinander dadurch unterschieden werden, daß
nur das "klassische" Kinderprogramm als von Erwachsenen akzeptiert gilt; es sind
dies vor allem erkennbar pädagogisch ausgerichtete Sendungen.
48
Die nicht für Kinder konzipierten Sendungen werden auch als "heimliches" Kinder-
programm bezeichnet, dessen Favoriten in erster Linie Action-Serien sind. Auch sie
entsprechen der rezipientenorientierten Definition von Kinderfernsehen.
49
Analog dazu unterscheiden BASIC et al. (1997) "explizite" von "impliziten" Kinderan-
geboten bzw. -sendungen.
Unter expliziten Kindersendungen verstehen die Autoren folglich "Sendungen, die als
Kindersendungen ausgewiesen werden oder im Rahmen von Kinderprogrammschie-
nen oder von Kindersendern ausgestrahlt werden" sowie "Sendungen, die aufgrund
der Machart selbstverständlich Kindern zugeordnet werden".
50
Implizite Kindersendungen sind demzufolge Fernsehsendungen, die nicht grundsätz-
lich für Kinder, sondern für eine jugendliche oder erwachsene Zielgruppe konzipiert
sind, von Kindern aber dennoch gesehen werden.
51
Für die Untersuchung der Sendungen Arminio Rothsteins sind jedenfalls dessen ex-
plizite Kindersendungen relevant, wobei davon ausgegangen wird, daß dabei die De-
finitionen entsprechend aller drei oben dargestellten Blickrichtungen nach
BISCHOFF/ANTON (1997) erfüllt werden.
3.2. Überlegungen zum Begriff Qualitätsfernsehen
Wie eingangs erwähnt, spielen grundsätzlich mehrere Aspekte eine Rolle in bezug
auf eine hohe Fernsehpräsenz von Sendungen.
Unter Bezugnahme auf die unterschiedlichen Blickrichtungen des Kinderfernsehens
sind im wesentlichen zwei Aspekte vordergründig: Auf der einen Seite primär die po-
sitive Beurteilung von Sendungen seitens der Kinder selbst als Basis für eine ent-
48
vgl. Bischoff/Anton in: Czaja 1997, S.25
49
vgl. ebd.
50
ebd.
51
vgl. ebd.

18
sprechende Popularität dieser Sendungen, auf der anderen Seite aber auch die posi-
tive Sendungsbeurteilung seitens Programmverantwortlicher, MedienpädagogInnen
und ErzieherInnen, woraus der durchaus diskussionswürdige Begriff "Qualitätsfern-
sehen" resultiert.
In weiterer Folge sei dieser Begriff in seiner Unschärfe bzw. Uneindeutigkeit näher zu
erläutern sowie die Positionierungen mehrerer relevanter AutorInnen dazu darge-
stellt.
Doch wird auch die Sichtweise der Kinder als RezipientInnen im Zuge der Diskussion
zum Begriff Qualitätsfernsehen nicht prinzipiell ausgeblendet.
Die Forderung, Qualitätsfernsehen auch im Kinderprogramm zu etablieren, wurde
bereits sehr früh erhoben.
52
Die Versuche der Programmverantwortlichen, Medien-
pädagogInnen und ErzieherInnen, Qualitätskriterien für das Kinderfernsehen zu fin-
den, reichen bis zu den Anfängen des Kinderfernsehens zurück.
"Die Kriterien der Erwachsenen richten sich nach deren jeweiliger Positionierung zum
Kinderfernsehen. Die Spannweite reicht von (medien-)pädagogischen Sichtweisen bis zu
kommerziellem Kalkül. Nähert man sich der Frage, was Qualitäten für Kindersendungen
sein können, müssen als erstes die einbezogen werden, für die die Sendungen gemacht
werden - die Kinder."
53
Unumgänglich scheint damit das Verständnis für die Sichtweisen der Kinder als ein
entscheidender Faktor für die Entwicklung von Qualitätskriterien für Kindersendun-
gen.
54
Margrit LENSSEN (in GOTTBERG et al. 1997) fordert die Berücksichtigung von drei
Faktoren im Hinblick auf die Erstellung von Qualitätskriterien für das Kinderpro-
gramm: die lebensrelevanten Themen der Kinder, ihre Bedürfnisse sowie ihre Seh-
zeiten. Kriterien für ein qualitätsvolles Kinderprogramm lassen sich ohne die Berück-
sichtigung von Bedürfnissen und Erwartungen, die Kinder an das Fernsehen heran-
tragen, nicht schaffen.
55
52
vgl. Paus-Haase 1998, S.276
53
Lenssen in: Gottberg et al. 1997, S.239
54
vgl. Paus-Haase in: Gottberg et al. 1997, S.259
55
vgl. Lenssen in: Gottberg et al. 1997, S.243

19
Jedoch erweist sich nach Ansicht der Medienpädagogin Ingrid PAUS-HAASE (1998)
die Frage nach den Interessen der Kinder insofern als unbefriedigend, als sie meis-
tens über die bekannte Gewaltdiskussion nicht hinausgeht. Überdies wird die Frage
häufig erst sehr spät erhoben, d.h. nach der Aufnahme von Sendungen in das Kin-
derprogramm bzw. nach ihrer Ausstrahlung im Fernsehen.
56
"Kinder als Subjekte im Kommunikationsprozeß bleiben allerdings weiterhin unberück-
sichtigt, richtet sich doch die Qualitätsdiskussion nicht an ihren Bedürfnissen aus, son-
dern an normativ geprägten Vorstellungen, wie ein `gutes Kinderprogramm` auszusehen
habe; bestenfalls wird die Meinung der Eltern eingeholt."
57
Doch Kinder haben in der Regel andere Vorstellungen von einem "guten" Programm
als Erwachsene.
58
Wenngleich Kinder andere Standards in bezug auf Qualitäten im
Fernsehen setzen als Erwachsene, auch sie haben wie ihre Eltern, ErzieherInnen
und ProgrammacherInnen ein Gefühl für Qualitätsfernsehen. Sie wollen unterhalten
werden und haben Bedürfnisse, deren Befriedigung sie durch das Fernsehen erwar-
ten.
59
"Kinder haben andere Maßstäbe als Erwachsene. Ihre Vorstellungen von den Qualitäten
der Sendungen sind abhängig von ihrem Alter und Entwicklungsstand, ihren kognitiven
und sozialen Fähigkeiten, ihrem Geschlecht, ihren persönlichen Lebensumständen und
ihrer Umgebung. Entsprechend sind auch ihre Erwartungen an das, was ihnen Fernse-
hen bieten soll, verschieden."
60
Eine der zentralen Motivationen der Kinder, sich dem Fernsehen zuzuwenden, ist
das Unterhaltungsbedürfnis
61
der Kinder, denn die beiden Hauptkriterien zur bevor-
zugten Auswahl von Sendungen bei Kindern stellen Spaß und Spannung dar.
62
Weitgehend Einigkeit herrscht darüber, dieses Bedürfnis in die Definition von quali-
56
vgl. Paus-Haase 1998, S.276
57
ebd.
58
vgl. Paus-Haase in: Gottberg et al. 1997, S.256
59
vgl. Rogge 1996, S.87
60
Lenssen in: Gottberg et al. 1997, S.239
61
Der Begriff "Unterhaltung" ist gemäß der Definition nach BROCKHAUS (1996) die Bezeichnung für die
"Qualität der Beziehung einer Person zu Objekten oder anderen Personen, die für das Empfinden für Spaß, Ab-
wechslung und Genuß zum Zweck der Entspannung kennzeichnend ist" und entspricht einem "als positiv emp-
fundenen Zeitvertreib" (Brockhaus 1996, Bd.22, S.664) Dabei werden grundsätzlich zwei Formen der Unterhal-
tung voneinander unterschieden: Während die personale Unterhaltung auf Primärerfahrungen basiert (z.B. Spie-
le, Gespräche), resultiert die medial vermittelte Unterhaltung auf Sekundärerfahrungen (z.B. Fernsehen, Radio
hören, Lesen) (vgl. ebd.)

20
tätsvollem Fernsehen für Kinder miteinzubeziehen, zumal Unterhaltung generell ein
wichtiges Qualitäts- und Beurteilungskriterium von Fernsehsendungen darstellt.
63
"Selbstverständlich steht das Unterhaltungsbedürfnis im Vordergrund, wenn Kinder fern-
sehen. Davon muß jeder für das Kinderprogramm Verantwortliche ausgehen: Er stößt auf
eine klare Erwartungshaltung, die zu befriedigen Voraussetzung fast aller Programmbe-
mühungen sein muß, wenn sie denn auf Akzeptanz treffen soll."
64
Die in der Zielgruppe der Kinder ebenso wie in der Zielgruppe der Erwachsenen exi-
stente Heterogenität, d.h. die Unterschiedlichkeit der RezipientInnen innerhalb einer
Zielgruppe hinsichtlich der präferierten Stoffe, Themen bzw. Genres bedeutet im üb-
rigen keinen Verlust der prioritären Bedeutung der Unterhaltung für das Fernsehpub-
likum.
SCHÄFER (1997) verweist schließlich auf die realisierbare Vereinbarkeit von Unter-
haltung und Qualität:
"Die Aufgabe, unterhaltsame Programme zu produzieren, darf jedoch nicht mißverstan-
den werden: `Unterhaltsam` bedeutet nicht von geringer Wertigkeit, von geringem Ni-
veau, von geringer Qualität. Handwerkliche Professionalität, künstlerischer Ausdruck und
inhaltliche Relevanz schließen Unterhaltsamkeit nicht aus, sondern sind im besten Falle
kongeniale Partner derselben."
65
Im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Unterhaltung und Qualität bietet sich der Kas-
perl geradezu als Paradebeispiel an. Die hohe Popularität, derer sich der Fernseh-
kasperl (nicht nur jener von Arminio Rothstein) nicht zuletzt aufgrund seines hohen
Unterhaltungswertes seit nunmehr Jahrzehnten erfreut, geht einher mit dem hohen
pädagogischen Wert, der ihm im allgemeinen beigemessen wird.
Albert SCHÄFER (1997) spricht im Kontext von Unterhaltung und Qualität von "popu-
lärer Kunst", die zu schaffen als eine wesentliche Voraussetzung für die Reduktion
der zwischen dem Kind und der "vermeintlich abgeschlossenen Welt der Kunst" be-
stehenden Distanz zu betrachten sei. Von allen Kulturprodukten sei die Produktion
von Fernsehsendungen aufgrund der von den RezipientInnen empfundenen Attrakti-
62
vgl. Lenssen in: Gottberg et al. 1997, S.239
63
vgl. Dehm 1984, S.222
64
Schäfer in: Gottberg et al. 1997, S.92
65
ebd.

21
vität des elektronischen Mediums am besten dafür geeignet. Hinsichtlich der bedürf-
nisorientierten populären Kunst kann die Leistungsfähigkeit des Fernsehens durch-
aus hoch sein.
66
"Ein erfolgreiches Qualitätsprogramm, d.h. eine Sendung mit hohem geistigen Wert und
zugleich Popularitätspotential, ist zwar eine schwierige Übung, aber kein unlösbarer Wi-
derspruch."
67
Ben BACHMAIR (1997) sieht in kulturellen Angeboten, welche Kinder bei der Entde-
ckung relevanter Lebensthemen unterstützen, ein essentielles Merkmal von Quali-
tätsfernsehen. Eine derartige Funktion erfüllt vor allem das Märchen, denn es hat
"kulturelle Erfahrungen vieler Generationen objektiviert".
68
Die wesentlichste Aufgabe des Kinderprogramms besteht nach LENSSEN (1997)
schließlich darin, das Kind in seiner Entwicklung zu unterstützen und es gleichzeitig
zu unterhalten. Neben Unterhaltung gilt auch Orientierungshilfe als ein Verbindungs-
stück zwischen Qualitätsfernsehen und populärem Kinderprogramm. Kinder haben
ein grundsätzliches Bedürfnis nach Orientierungshilfe, nach Vorbildern und Verhal-
tensmustern, um zu lernen, wie man im sozialen Leben zurechtkommt. Dieses Be-
dürfnis zu befriedigen, bietet sich neben traditionellen sozialen Einheiten (Familie,
Schule) das Fernsehen an.
69
Ingrid PAUS-HAASE (1997) sieht in der medialen Funktion Orientierungshilfe eine
zentrale Aufgabe von Sendungen im Rahmen von Qualitätsfernsehen, jedenfalls oh-
ne Verzicht auf die Befriedigung des kindlichen Unterhaltungsanspruches.
70
PAUS-HAASE (1997) faßt demnach den Begriff Qualitätsfernsehen im Kinderpro-
gramm unter den folgenden Gesichtspunkten zusammen:
"Qualität von Fernsehprogrammen bemißt sich darin, inwieweit sie Kindern in einer Zeit
gesellschaftlichen Umbruchs - in der es gerade Kindern schwer fällt, sich zu orientieren -
helfen, einen Weg zu weisen, der klar erscheint, aber nicht eindimensional, dem zu fol-
gen Spaß macht, der also nicht bierernst und pädagogisch überfrachtet daherkommt, der
66
ebd, S.93
67
Schäfer in: Gottberg et al. 1997, S.93
68
Bachmair in: Gottberg et al. 1997, S.232
69
vgl. Lenssen in: Gottberg et al. 1997, S.241; siehe dazu auch Kap. 4.3.3
70
vgl. Paus-Haase in: Gottberg 1997, S.257

22
aber Kinder auch nicht auf die Rolle von `Fun-Konsumenten` reduziert. Qualität im Kin-
derprogramm ist also keinesfalls schon damit erreicht, indem das Programm, das Kinder
favorisieren, bereits als Qualitätsprogramm ausgeworfen wird."
71
Resümierend läßt sich feststellen, daß Qualitätsfernsehen im Kinderprogramm in
erster Linie auf den verantwortungsvollen Blick auf die Kinder bzw. ihre Bedürfnisse
zurückzuführen ist: vor allem auf das universelle Bedürfnis nach Orientierungshilfe im
Alltag, aber auch auf das natürliche und nicht zu unterdrückende Bedürfnis nach Un-
terhaltung, welche auf die Entwicklung des Kindes konstruktiv zu wirken imstande ist.
Der pädagogische Wert und die Beliebtheit einer Sendung stellen also im Rahmen
von Qualitätsfernsehen für Kinder keineswegs einen Widerspruch dar, sondern sind -
auch nach Ansicht des Verfassers dieser Arbeit - durchaus miteinander vereinbar.
71
ebd., S.257f.

23
4. THEORIEANSÄTZE UND FORSCHUNGSSTAND ZUR
REZEPTION VON FERNSEHSENDUNGEN DURCH KINDER
4.1. Vorüberlegungen
Populäre Sendungen, so unterschiedlich sie auch in bezug auf ihre ProtagonistInnen,
Genres und Handlungen sein mögen, weisen in der Regel mehrere universelle Ele-
mente auf, d.h. Elemente, die sich mehr oder weniger in allen populären Sendungen
finden lassen.
Zunächst sind einige Aspekte hervorzustreichen, welche die Bedeutung der inhaltli-
chen Elemente beliebter Fernsehsendungen in bezug auf die Popularität der Sen-
dungen relativieren:
Erstens sollte man sich vor Augen führen, daß die seitens des Verfassers der vorlie-
genden Arbeit in der Literatur gefundenen Erkenntnisse über die Bedürfnisse und
Rezeptionsverhaltensweisen von Kindern in der Regel auf die wissenschaftlichen
Erkenntnisse der letzten zehn bis fünfzehn Jahre zurückzuführen sind. Demnach
beziehen sich diese Erkenntnisse nur zum Teil auf jenen Zeitraum, in dem die
Sendungen Rothsteins ausgestrahlt wurden. Von Interesse ist infolgedessen die
Frage, ob und inwieweit sich das kindliche Rezeptionsverhalten und die Bedürfnisse,
die Kinder im allgemeinen an das Fernsehen herantragen, innerhalb der letzten drei
Jahrzehnte, d.h. seit Arminio Rothstein begonnen hatte, Fernsehsendungen zu
schreiben und zu inszenieren, geändert hat.
Forschungen zur Medienrezeption von Kindern wurden erst im Laufe der achtziger
Jahre intensiviert, als die Frage nach den Kriterien der Kinder, bestimmte Sendungen
zu präferieren, bedeutsam wurde. Derartige Forschungen resultierten aus der zu-

24
nehmenden Fokussierung der Überlegungen zu qualitätsvollem Kinderfernsehen auf
die RezipientInnen selbst.
72
Faktum ist, daß sich das Kinderprogramm innerhalb der letzten zwei bis drei Jahr-
zehnte zum Teil stark gewandelt hat.
73
Allerdings bedeutet dieser Wandel der Pro-
grammgestaltung und der Programminhalte nicht zwingend einen gleichermaßen
intensiven Wandel der Bedürfnisse der Kinder beim Fernsehen. Mit anderen Worten:
Kinder rezipieren heute ein relativ hohes Maß an Sendungen aus dem Actiongenre,
die zweifellos auch bei vielen Kindern ein oftmals hohes Maß an Faszination auslö-
sen. Doch ist diese Entwicklung in erster Linie Folge der verstärkten Produktion und
Ausstrahlung von Sendungen aus dem Actiongenre, welche Kinder schließlich se-
hen. Die an das Fernsehen herangetragenen Bedürfnisse von Kindern orientieren
sich nicht notwendigerweise an dem veränderten Fernsehangebot.
74
Daß das in den
sechziger und siebziger Jahren angebotene Kinderprogramm im gleichen oder ähnli-
chen Maß die Bedürfnisse und Erwartungen der Kinder heute erfüllen würde, ist nicht
auszuschließen.
75
Darüber hinaus zählt der Kasperl, eine klassische Kindersendung,
bis in die neunziger Jahre zu den beliebtesten Kindersendungen im deutschen
Sprachraum
76
, was ein ungebrochen hohes Interesse an dieser konventionellen
Form von Unterhaltung im Kinderfernsehen vermuten läßt.
Zweitens hängt der Erfolg einer Fernsehsendung bei ihrem Publikum nicht nur von
der Befriedigung der Bedürfnisse der RezipientInnen ab, sondern auch von der Sen-
dezeit. Eine Gefahr des Popularitätsverlustes des Kasperls könnte demnach nicht
primär in den verstärkten Angeboten aus dem Actiongenre, sondern in einer etwai-
gen unvorteilhaften Sendezeit liegen. Doch vor allem die sehr guten Teletest-
Ergebnisse der Kasperl-Sendungen verlangten die Beibehaltung des Kasperls in der
sogenannten "Prime-Time", d.h. in der für die Zielgruppe (jüngere Kinder) besten
Sendezeit.
77
Hinsichtlich der bestmöglichen Sendezeiten liegen - knapp dargestellt - die folgenden
Ergebisse vor: Im allgemeinen ist der frühe Abend die Hauptsehzeit, die Prime-Time
des kindlichen Publikums. Generell sind Kinder und die ganze Familie am besten
72
vgl. Lenssen in: Gottberg et al. 1997, S.239
73
vgl. Paus-Haase 1998, S.70
74
vgl. Lutz-Saal in: Bischof 1995, S.49
75
Andreas Vana im Gespräch vom 22.11.1999, der auf den Erfolg der im Programm des ORF wenige Monate
davor ausgestrahlten, aus den sechziger Jahren stammenden Fernsehserie "Pippi Langstrumpf" verweist.
76
vgl. Brandstätter 1995, S.41

25
zwischen 18 und 19 Uhr erreichbar
78
, doch beinhaltet diese Tageszeit kaum explizite
Kinderangebote.
Während der Woche gilt der Vorabend prinzipiell als die attraktivste Fernsehzeit für
Kinder aller Altersstufen, bei jüngeren Kindern kommt der frühere Vormittag und der
Nachmittag noch hinzu. Diese Hauptsehzeiten verschieben sich am Wochenende
etwas.
79
Weiters bestehen auch Unterschiede in bezug auf die jeweiligen Monate. Während
beispielsweise im Jänner 1991 Spitzenreichweiten von bis zu 30% im Kinderfernse-
hen erreicht wurden, waren es im gesamten zweiten Quartal desselben Jahres nur
20%.
80
"Ein den Kindern angemessenes Programm ist nicht nur vom Inhalt abhängig. Qualitäts-
volle Sendungen müssen auch zu den Sehzeiten der Kinder ausgestrahlt werden. So ist
auch für die Kinder die Verfügbarkeit ihres Programms ein Kriterium. Kinder möchten zu
den Zeiten vom Fernsehprogramm bedient werden, zu denen sie sehbereit sind."
81
Neben der Berücksichtigung des zeitlichen Wandels sowie der Sendezeiten können
auch andere Aspekte genannt werden, welche - außerhalb von auf Sendungsinhalte
bezogenen Gesichtspunkten - bezüglich häufig und gern gesehener Sendungen bei
Kindern durchaus eine Rolle spielen können.
Die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Wahl bestimmter Medienangebote aufgrund
der geografischen und häuslichen Situation ist etwa ein derartiger Aspekt
82
, hat je-
doch heute angesichts der fortgeschrittenen kommunikationstechnischen Ausstat-
tung der Haushalte (etwa Fernsehgeräte mit Kabel- und Satellitenanschluß) keine
hohe Relevanz mehr.
In einem höheren Maße beeinflußt die Kontrolle der Eltern und das Rezeptionsver-
halten der Gruppe der Gleichaltrigen sowie die Art und der Aufwand der Werbung für
die betreffenden Medienangebote bzw. deren Vermarktung den Medienkonsum des
Kindes.
83
Die Präsenz einer Sendung in der Öffentlichkeit und das Image einer Sen-
dung haben generell einen entsprechenden Einfluß auf das allgemeine Interesse des
77
Andreas Vana im Gespräch vom 22.11.1999
78
vgl. Göhlen in: Hufen/Lörcher 1978, S.153 sowie Vana im Gespräch vom 22.11.1999; siehe dazu auch Ze-
hetner 1991, S.8
79
vgl. Lenssen in: Gottberg et al. 1997, S.243
80
vgl. Zehetner 1991, S.9
81
Lenssen in: Gottberg et al. 1997, S.243
82
vgl. Doelker et al 1983, S.76

26
Fernsehpublikums an der Rezeption einer Sendung und schließlich auf deren Er-
folg.
84
"Wie beeinflußbar das Interesse an bestimmten Sendungen ist, zeigt sich beispielsweise
am Einstellungswandel von Eltern und Kindern gegenüber der Vorschulsendung `Se-
samstraße`, nachdem diese öffentlich gutgeheißen und empfohlen wurde."
85
4.2. Theorieansätze zur Nutzung von Massenmedien
4.2.1. Zum Rezeptionsprozeß von Kindern
4.2.1.1. Wie Kinder Fernsehsendungen wahrnehmen: Fernsehen als Erlebnis
Zunächst ist zu bemerken, daß zwischen Kindern und Erwachsenen generell wesent-
liche Unterschiede in der Rezeption von Medieninhalten bestehen.
Kinder tendieren - vor allem jüngere - in einem hohen Maß dazu, Fernsehsendungen
mit narrativen Inhalten als Realität aufzufassen. Infolgedessen stellt die Rezeption
von Fernsehinhalten einen wesentlichen Faktor für die Ausbildung kognitiver Orien-
tierungsmuster und Deutungsmuster von Kindern dar.
86
"Kinder machen andere medienbezogene Erfahrungen als ihre Eltern, Erzieherinnen o-
der Lehrer: Kindern ist die Medienkommunikation zur Sinnstiftung wichtig. Sie begreifen
Medien als Realität und reagieren verständnislos auf Unterscheidungen von primärer und
sekundärer Wirklichkeit."
87
Infolge der geringen Distanz, die Kinder zu den Medien und deren Inhalten haben,
versetzen sie sich stärker als Erwachsene in das medial vermittelte Geschehen und
erleben dieses schließlich unvermittelter und emotionaler als Erwachsene.
88
Das Fernsehen hat die Absicht, Emotionen nicht nur darzustellen, sondern auch bei
seinem Publikum auszulösen, denn Sendungen, die bei den ZuschauerInnen starke
Emotionen auslösen, werden im allgemeinen häufiger gesehen als weniger emotio-
nalisierende Sendungen. Dies gilt insbesondere für Kindersendungen. Emotionalisie-
83
vgl. ebd.
84
vgl. ebd., S.78
85
ebd.
86
vgl. Charlton/Neumann-Braun 1992, S.83
87
Rogge 1996, S.110
88
vgl. Schäfer in: Gottberg et al. 1997, S.91

27
rende Fernsehsendungen haben demzufolge eine die kindlichen RezipientInnen an
sie bindende Funktion.
89
Auch wenn Kinder eine Fernsehsendung nicht richtig verstehen: Das Entscheidende
hinsichtlich der positiven Aufnahme der Sendung ist die kindliche Erlebnisintensität
während der Rezeption.
90
Im allgemeinen geht es Kindern - etwa bis zum zehnten
Lebensjahr - nicht primär um das richtige Verständnis von in audiovisuellen Medien
dargestellten Handlungen, sondern Filme und Fernsehsendungen stellen "vielmehr
Medien zur Unterhaltung und zum Erleben" dar.
91
Kinder verfügen über die Fähigkeit, sich in das Geschehen eines Filmes oder einer
Fernsehsendung besonders stark hineinzuversetzen und dabei die Realität zu ver-
gessen.
92
"Kinder werden vom dramaturgischen Erlebnisablauf (des Films) gepackt. Wenn ein Film
Kinder anrührt, dann sind Handlung und Figur wirklich, dann sind Gefühle, Freude oder
Ängste ganz ernsthaft, ganz real, dann hilft auch das Wissen über das `Gemachte` des
Films nur wenig."
93
Häufig treten mit der Wahrnehmung neben starken Emotionen auch physische Emp-
findungen auf. Mediennutzung stellt demnach (nicht nur für Kinder) sowohl ein psy-
chisches als auch ein physiologisches Erleben dar.
94
Besonders jüngere Kinder erle-
ben das Fernsehen als ein emotionales Medium.
95
Kinder erleben Fernsehsendungen ganzheitlich, d.h. mit allen physischen Mitteln, die
ihnen zur Verfügung stehen, eignen sie sich diese Sendungen an. Je jünger sie sind,
umso heftiger geben sie ihrem Erleben Ausdruck.
96
In diesem Zusammenhang läßt
sich das Verfolgen einer Kasperl-Vorführung durch Kinder als Beispiel nennen.
"Sie lachen, sie schreien, sie sind traurig, sie schwitzen, sie trampeln mit den Füßen, sie
kommentieren, sie erröten, sie erblassen, sie halten sich Augen und Ohren zu, sie ver-
stecken sich hinter dem Sessel oder sie gehen auf und ab."
97
89
vgl. Sturm et al. 1982, S.11ff.; vgl. dazu auch Ansorge 1994, S.29
90
vgl. Bischoff/Anton in: Czaja 1997, S.38
91
Rogge 1996, S.113f.
92
vgl. ebd., S.114
93
ebd.
94
vgl. Rogge 1994, S.94
95
vgl. Paus-Haase 1998, S.99
96
vgl. Rogge 1996, S.114

28
Grundsätzlich ist festzuhalten, daß Kinder ebenso wie Erwachsene jede Fernseh-
sendung - je nach Interessenschwerpunkt - unterschiedlich wahrnehmen. Überdies
ist bei Kindern die Entwicklung von Wahrnehmung und Verständnisfähigkeit noch
nicht abgeschlossen.
98
Neben dem Geschlecht kommt dem Alter ein hoher Stellenwert in bezug auf die
Wahrnehmung und die Verarbeitung von Medieninhalten zu, denn "jedes Kind rezi-
piert Medienangebote geprägt von seinem kognitiv-emotionalen, sozialen und mora-
lischen Entwicklungsstand".
99
Kinder im Vorschulalter können vorerst nur einzelne Szenen wahrnehmen. Erst im
Laufe ihrer Entwicklung lernen sie, einfachen Handlungssträngen zu folgen. Daher ist
es wichtig, jüngeren Kindern dramaturgisch einfache Handlungen zu bieten, worauf
beim Kasperl und in Vorschulprogrammen allgemein ein großer Wert gelegt wird.
Diese Handlungen - so simpel wie in Werbespots - werden von jüngeren Kindern am
besten aufgenommen.
100
Verfügt ein Film über zu viele Perspektivenwechsel und zeitliche oder örtliche Sprün-
ge, so wird dieser für Kinder unverständlich, und in der Folge konstruieren sie falsche
Kausalitäten, d.h. von Ursache und Wirkung falsche Zusammenhänge.
101
4.2.1.2. Elemente des kindlichen Rezeptionsprozesses aus der Sicht der hand-
lungstheoretisch orientierten Medienrezeptionstheorie
,,Wie im Alltagshandeln ist die Auseinandersetzung des Zuschauers mit dem Fernsehen
nicht mit dem Ende der Filmdarbietung abgeschlossen."
102
Die handlungstheoretisch orientierte Medienrezeptionstheorie betrachtet den Rezi-
pienten als eine in bezug auf den Rezeptionsprozeß aktiv handelnde Person, deren
Medienkommunikation die Funktionen Bedürfnisbefriedigung, Orientierung, Identi-
tätsbewahrung sowie Unterstützung zur Lebensbewältigung zu erfüllen vermag.
97
ebd., S.114
98
vgl. Lenssen in: Baacke et. al. 1997, S.287
99
Paus-Haase 1998, S.77
100
vgl. Doelker et al. 1983, S.39
101
vgl. Lenssen in: Baacke et al. 1997, S.287
102
Charlton/Neumann 1982, S.116

29
Die handlungstheoretisch orientierte Rezeptionstheorie basiert auf den folgenden
Prämissen
103
:
- Die Rezeption von Massenmedien ist ein von Regeln determiniertes Geschehen.
- Sie läßt sich als einen aktiven und intentionalen Prozeß in bezug auf die Auseinan-
dersetzung mit Sinnbotschaften auffassen.
- Sie ist an kontextuelle Bedingungen gebunden: Der Medienkonsum - insbesondere
jener des Kindes - wird kollektiv geregelt, womit die Gesellschaft dem Kind kognitive
und normative Kategorien im Hinblick auf das Selbst- und Weltverständnis des Rezi-
pienten bietet.
104
- Im Hinblick auf die individuelle Alltags- bzw. Lebensbewältigung sowie auf die Iden-
titätsbewahrung
105
des Rezipienten ist der aus der Medienrezeption resultierende
Vermittlungsprozeß zwischen der persönlichen Situation des Rezipienten (Subjektivi-
tät) und der medial vermittelten, rezipierten Situation (Intersubjektivität) sehr bedeut-
sam.
Damit impliziert die Medienrezeption entsprechend der handlungstheoretisch orien-
tierten Rezeptionstheorie drei Ebenen der Handlungskoordination: den eigentlichen
Rezeptionsprozeß, den situativen und kulturellen Kontext sowie die Lebensbewälti-
gung und Identitätsbewahrung- bzw. -bildung.
106
Grundsätzlich unterscheidet sich der Rezeptionsprozeß von Kindern und jener von
Erwachsenen durch die Stabilität kognitiver Orientierungen und Deutungsmuster.
"Während Erwachsene mit relativ stabilen kognitiven Orientierungen den Medien gege-
nübertreten, ist anzunehmen, daß Kinder durch einzelne Erfahrungen (auch medienver-
mittelte) in bedeutend größerem Ausmaß zu einer Revision ihrer Deutungsmuster veran-
laßt werden können."
107
Der Prozeß der Medienrezeption besteht entsprechend dem Struktur- und Prozeß-
modell des Medienrezeptionshandelns bzw. der aus diesem explizierten handlungs-
theoretisch orientierten Rezeptionstheorie aus der Perspektive der strukturanalyti-
schen Rezeptionsforschung aus einzelnen Elementen.
103
vgl. Charlton/Neumann-Braun 1992, S.83ff.
104
vgl. ebd., S.84
105
Bei Kindern erscheint mir an dieser Stelle die Funktion der Identitätsbildung von großer Bedeutung.
106
vgl. Charlton/Neumann-Braun 1992, S.83
107
ebd.

30
Allgemein wird der Medienrezeptionsprozeß durch drei Elemente charakterisiert: das
"thematisch voreingenommene Sinnverstehen von Medienbotschaften", der "Steue-
rung der Rezeption" sowie der "Spiegelung".
108
Fernsehsendungen werden von Kindern in der Regel sehr gezielt wahrgenommen.
Sie beziehen dann in ihre Medienrezeption ebenso wie in ihr Handeln jene Themen
mit ein, die sie gerade am stärksten innerlich beschäftigen. Das bedeutet, daß Kinder
in ihrer Wahrnehmung von Fernsehsendungen thematisch voreingenommen sind -
durch ihren persönlichen Entwicklungsstand, ihr soziales Umfeld und ihre Alltagser-
lebnisse. Mit dieser thematischen Voreingenommenheit tragen Kinder Bedürfnisse an
das Fernsehen heran, um sie dadurch erfüllt zu bekommen.
109
Infolge der thematisch voreingenommenen Auffassung sowie durch ihre selektive
Zuwendung und ihre Auswahl steuern RezipientInnen ihre Auseinandersetzung mit
den Medien hinsichtlich der Rezeption. Diese Auseinandersetzung ist nicht nur auf
die unmittelbare Rezeption beschränkt, sondern sie bezieht sich durchaus auch auf
die Zeit vor und nach der eigentlichen Medienrezeption. Dabei verfügen die Rezipien-
tInnen über vielfältige Strategien zur Rezeptionssteuerung im Hinblick auf die
Kontrolle des Ausmaßes der Medienrezeption.
110
Schließlich partizipiert der Medienrezipient an dem Mediengeschehen, wobei er Rol-
len von Medien-Charakteren übernimmt. Aus der Konfrontation mit dem Medienan-
gebot wie Geschichten und Charakteren resultieren Impulse in bezug auf soziales
Handeln anderer Menschen, wodurch dem Rezipienten die Möglichkeit zur Reflexion
und Bewertung seines eigenen Handelns und folglich zur besseren Zurechtfindung in
sozialen Kontexten gegeben wird: Der Rezipient sieht sich selbst "im Spiegel des
para-sozialen Anderen".
111
"In diesem Prozeß der reflexiven Spiegelung kommt der Spannung von Teilhabe und Dis-
tanz, von Identifikation und reflexiver Distanzierung eine wichtige Rolle zu."
112
CHARLTON/NEUMANN-BRAUN (1992) bemerken in bezug auf den Verarbei-
tungsprozeß der dargestellten Elemente des Rezeptionsprozesses von Kindern, daß
dieser häufig im sozialen Lernfeld des Rollenspieles erfolgt. Dabei setzt sich das
108
vgl. ebd., S.85
109
vgl. Lenssen in: Baacke et al. 1997, S.284; vgl. dazu auch Bischoff/Anton in: Czaja 1997, S.39
110
vgl. Charlton/Neumann-Braun 1992, S.85
111
ebd., S.87
112
ebd.

31
Kind mit Mediensymboliken auseinander, indem es die rezipierten Medieninhalte in
sein Spiel integriert. Das Rollenspiel stellt dabei eine neben einer Vielzahl an Alterna-
tiven existente Möglichkeit zur Identitätsbildung des Kindes dar.
113
4.2.2. Der Uses and Gratifications Approach
Das wesentlichste Kriterium, nach dem Individuen Fernsehsendungen wählen, stel-
len persönliche Interessen und Bedürfnisse dar, die durch die Sendungen bzw. deren
Inhalte befriedigt werden sollen. Als Individuen sind hier Erwachsene ebenso wie
Kinder zu verstehen, womit Kinder somit keine passiven RezipientInnen sind, die sich
ausschließlich durch das Fernsehen "berieseln" lassen. Sie wählen durchaus - und
das bereits im Vorschulalter - Sendungen nach ihren persönlichen Präferenzen und
Interessen. Kinder sind demnach ebenso wie Erwachsene aktive ZuschauerInnen,
welche im Hinblick auf das Ziel der Befriedigung gewisser Bedürfnisse Fernsehsen-
dungen rezipieren. Eine entscheidende Rolle bei der Auseinandersetzung mit Me-
dieninhalten spielt demnach die Eigenaktivität der RezipientInnen.
114
"Medienrezeption bei Kindern ist kein passives Sich-berieseln-lassen, es ist ein aktiver,
konstruktiver Prozeß, in dem Kinder sehr bewußt, ihren Interessen folgend, eine Auswahl
treffen und Medienbotschaften nach ihren `inneren Themen` aufnehmen und verarbei-
ten."
115
Erst in den frühen siebziger Jahren begann sich auch im deutschsprachigen Raum
nach der bis dahin medienzentrierten Betrachtungsweise die rezipientenorientierte
Perspektive in der Massenkommunikationsforschung durchzusetzen. Demzufolge
liegt dem rezipienten- bzw. publikumszentrierten Modell zur Nutzung von Massen-
medien die Idee von einem "aktiven Publikum" zugrunde, von in bezug auf die Me-
dienrezeption nicht nur reagierenden, sondern vor allem intentional agierenden Indi-
viduen, was bereits im Zuge der Charakerisierung der handlungstheoretisch orientier-
ten Medienrezeptionstheorie dargestelt wurde. Damit stellt die Nutzung der Massen-
medien eine neben einer Vielzahl an Alternativen bestehende Möglichkeit zur Befrie-
digung individueller Bedürfnisse dar.
116
113
ebd.
114
siehe ebd., S.34
115
Wolf in: Gottberg et al. 1997, S.167

32
Der kommunikationswissenschaftliche Ansatz zur Nutzung von Massenmedien "Uses
and Gratifications Approach" geht schließlich davon aus, daß sich der Rezipient auf-
grund der Rezeption massenmedial vermittelter Inhalte Gratifikationen
117
erwartet.
118
In diesem Ansatz spielt die aktive Handlung des Rezipienten gegenüber dem Medi-
um eine große Rolle. Nicht das Medium determiniert den Rezipienten, sondern dieser
nutzt das Medium aktiv und zielorientiert, denn er erwartet vom Medium bzw. seinen
Inhalten eine Befriedigung individueller Bedürfnisse.
119
"Im `uses and gratifications approach` soll also untersucht werden, warum bestimmte
Personen bestimmte Medien benutzen und was sie von dieser Tätigkeit profitieren."
120
Aufgrund dessen werden die MedienrezipientInnen in ihrer Gesamtheit als "aktives
Publikum" bezeichnet, welches durch Initiative und Konsequenz in bezug auf die Me-
dienrezeption gekennzeichnet ist. Es rezipiert bewußt Medieninhalte und hegt im Hin-
blick auf das Ziel der Bedürfnisbefriedigung Erwartungen an diese.
121
4.2.3. Der Nutzenansatz
Infolge der Kritik an der "konzeptionellen Uneindeutigkeit" des "Uses and Gratification
Approach" entwickelte sich in den siebziger Jahren in Deutschland aus dieser publi-
kums- bzw. rezipientenorientierten Theorie zur Nutzung der Massenmedien der so-
genannte Nutzenansatz.
122
Ausgangspunkt des Nutzenansatzes ist das 1968 von
George Herbert Mead erarbeitete Konzept des Symbolischen Interaktionismus, wo-
durch die rezipientenorientierte Betrachtungsweise der Massenkommunikationsfor-
schung um die Überlegung der Aktivität des Zuschauers aufgrund persönlicher, sub-
jektiver Bedeutungszuschreibungen und Relevanzsetzungen gegenüber rezipierter
Medienangebote erweitert wird.
123
116
Burkart 1995, S.210f.
117
Der Begriff Gratifikation entspricht hier dem Begriff Belohnung im Sinne von Bedürfnisbefriedigung der
MedienrezipientInnen. CHARLTON/NEUMANN-BRAUN (1992) bemerken dabei, daß der Begriff "Beloh-
nung" jedoch nicht in seiner originären Bedeutung zu verstehen ist, zumal dieser im genannten Kontext nicht
mit Entlohnung oder Anerkennung zu implizieren sei. (vgl. Charlton/Neumann-Braun 1992, S.46)
118
vgl. Burkart 1995, S.212
119
vgl. ebd., S.214
120
Charlton/Neumann-Braun 1992, S.46
121
vgl. Burkart 1995, S.213f.
122
vgl. Charlton/Neumann-Braun 1992, S.47
123
vgl. ebd., S.48

33
Das Modell des Symbolischen Interaktionismus basiert auf der Überlegung, daß der
Mensch über seine natürlichen Umwelt hinaus vor allem in einer "künstlichen", einer
symbolischen Umwelt lebt. Dies impliziert die Subjektivität der Bedeutung eines Ob-
jektes für den Menschen. D. h., daß ein Objekt "für verschiedene Individuen durch-
aus unterschiedliche Bedeutungen besitzen kann".
124
Entscheidend für die persönli-
che Wahrnehmung eines Objektes ist also nicht nur das Objekt an sich, sondern
vielmehr die subjektive Interpretation des Objektes. Diese wiederum resultiert aus
kommunikativen Prozessen, aus mit anderen Personen eingegangenen sozialen In-
teraktionen.
125
"Menschen reagieren nicht einfach auf eine Umwelt als eine gleichsam objektive physika-
lische Gegebenheit, sondern handeln im Hinblick auf ihre Umgebung auf der Basis sub-
jektiver Interpretationsleistungen..."
126
Dementsprechend liegen dem Symbolischen Interaktionismus die folgenden drei
Prämissen zugrunde:
- Die Handlung des Menschen gegenüber Dingen resultiert aus deren subjetiver Be-
deutung.
- Diese Bedeutung der Dinge stellt eine Konsequenz aus mit den Mitmenschen ein-
gegangenen sozialen Interaktionen dar.
- In der Auseinandersetzung mit diesen Dingen werden die Bedeutungen "in einem
interpretativen Prozeß benützt und auch abgeändert".
127
Der Nutzenansatz impliziert die Betrachtung des Individuums "im Kontext des
gesamten Lebensvollzugs", wodurch die Nutzung der Massenmedien eine
Möglichkeit der Bedürfnisbefriedigung darstellt.
128
"Die Aktivität des Zuschauers (oder Hörers, Lesers, usw.) äußert sich darin, daß dieser
die Medienangebote nicht einfach aufnimmt, sondern auf dem Hintergrund seiner eige-
nen Ziele und Wertsetzungen mit einer ganz persönlichen Bedeutung versieht. Medien-
inhalte werden also subjektiv rekonstruiert."
129
124
Burkart 1995, S.47
125
ebd.
126
ebd., S.146
127
ebd., S.47
128
vgl. Burkart 1995, S.211
129
Charlton/Neumann-Braun 1992, S.48

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2000
ISBN (eBook)
9783832446307
ISBN (Paperback)
9783838646305
DOI
10.3239/9783832446307
Dateigröße
1.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Wien – Grund- und Integrativwissenschaftliche Fakultät
Erscheinungsdatum
2001 (Oktober)
Note
1,0
Schlagworte
gratifikationsforschung rothstein kinderfernsehen nutzenansatz medienpädagogik
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Titel: Gratifkationsleistungen der dem Mensch/Puppe-Genre zuordnenbaren von 1968-1994 gesendeten Fernsehsendungen Arminio Rothsteins im Kinderprogramm des ORF
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